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„Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Bundesarchiv Bild 146III-373, Modell der Neugestaltung Berlins ("Germania").jpg|mini|Berlin, Modell von 1939 zur Neugestaltung nach Speers Plänen. Blick vom geplanten Südbahnhof über den Triumphbogen bis zur [[Große Halle|Großen Halle]] ([[Nord-Süd-Achse (Berlin)|Nord-Süd-Achse]]).]]
Die '''Generalbauinspektion (G.B.I.)''' (auch GBI) war während der [[Zeit des Nationalsozialismus]] die oberste Planungsbehörde, die unter [[Albert Speer]] dazu eingesetzt wurde, [[Berlin]] im Sinne nationalsozialistischer Machtpräsentationswünsche in die neue "[[Welthauptstadt Germania]]" umzugestalten. Die vielköpfige Institution sollte ihrem Chef freie Hand geben, die Baugesetzgebung und die stadtplanerische Bauverwaltung bei der Umgestaltung Berlins umgehen zu können.


'''Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt''' ''(G.B.I., GBI)'' war während der [[Zeit des Nationalsozialismus]] der Titel [[Albert Speer]]s und zugleich die Bezeichnung einer ihm unterstellten Behörde. Der Generalbauinspektor sollte [[Berlin]] im Sinne [[Nationalsozialismus|nationalsozialistischer]] Machtrepräsentation umgestalten. Die Dienststelle war mit ministeriumsgleichen Befugnissen nur dem „[[Führer]]“ [[Adolf Hitler]] unterstellt und allen städtischen Behörden übergeordnet.
== Entstehung der GBI ==


== Entstehung des GBI ==
Schon seit [[1936]] arbeitete [[Albert Speer]] im Auftrag von [[Adolf Hitler]] im geheimen an Entwürfen für die Umgestaltung Berlins, die so genannte [[Welthauptstadt Germania]]. Zugleich arbeitete er auch ein Arbeits- und Personalkonzept aus, mit dem die Neubebauungspläne umgesetzt werden konnten. Bis zum [[30. Januar]] [[1937]] waren die Pläne soweit fortgeschritten, dass Hitler ein Reichsgesetz erließ, in dem er die Position eines ''Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt'' Berlin schuf. Zum Generalbauinspektor ernannte er Prof. Albert Speer. Hauptabteilungsleiter und Vertrauter Speers war [[Rudolf Wolters]], der auch die [[Chronik der Speerdienststellen]] verfasste.
[[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1971-016-31, Albert Speer, Adolf Hitler, Architekt Ruff.jpg|mini|[[Albert Speer|Speer]], [[Adolf Hitler|Hitler]], Architekt [[Franz Ruff|Ruff]] mit Bauplänen und Modellen, ca. 1933/1934]]
[[Datei:Lageskizze GrosseHalle-Spreebogen.png|mini|Überlagerungszeichnung der Großen Halle auf dem Spreebogen zwischen dem heutigen [[Berlin Hauptbahnhof|Hauptbahnhof]] links oben und [[Reichstagsgebäude]] rechts unten]]
[[Datei:Karte Reichsparteitagsgelände Nürnberg 1940.png|mini|Das [[Reichsparteitagsgelände]] in [[Nürnberg]], um 1940]]


Albert Speer war es nach dem Tod von [[Paul Ludwig Troost]] (1934), dem ersten „Lieblingsarchitekten des Führers“, rasch gelungen, das Vertrauen Hitlers zu erwerben. Speer hatte bereits bei den Bauten für die [[Reichsparteitag]]e in [[Nürnberg]] (1934–1936) für Hitler gearbeitet und wurde bald als „Architekt des Führers“ bezeichnet. Seit 1936 – noch in Speers privatem Büro und unter Geheimhaltung – mit Entwürfen für die Umgestaltung Berlins befasst, bereitete sein Planungsstab auch ein Arbeits- und Personalkonzept vor, mit dem die Baupläne umgesetzt werden sollten. Die Planung schritt rasch voran, sodass Hitler am 30. Januar 1937 für Speer und dessen Stab per [[Führererlass]] die Einrichtung eines ''Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt'' verfügte. Diesem oblag die Federführung eines Projekts, das später programmatisch mit „Welthauptstadt“ bzw. „Germania“ tituliert wurde (siehe Artikel [[Welthauptstadt Germania]]).
Auch bei anderen Projekten wie der [[Neue Reichskanzlei|Neuen Reichskanzlei]] in Berlin und den Bauten für die [[Reichsparteitage]] in [[Nürnberg]] arbeitete Speer schon eng mit Hitler zusammen. Er wurde als "Architekt des Führers" bezeichnet und die Position des Generalbauinspektors war die einer [[Oberste Reichsbehörde|Obersten Reichsbehörde]], damit er Hitlers und seine Vorstellungen vom zukünftigen Berlin ungehindert ausführen konnte.


Schon mit der Einrichtung des Generalbauinspektors war dieser mit umfangreichen Rechten ausgestattet, die mehrmals erweitert wurden. Seine Aufgabe war neben der Aufstellung eines Gesamtentwicklungsplanes für ganz Berlin die Sicherstellung, dass alle Maßnahmen auch mit diesem übereinstimmten. So stand ihm ein quasi-[[Vetorecht]] bei allen Parkanlagen, Straßenzügen und Bauten zu, die das Stadtbild beeinflussen konnten. Darüber hinaus war er berechtigt, alle Maßnahmen und Anordnungen zu treffen, die zum Erreichen des geplanten einheitlichen Gesamtbildes nötig waren. Da Speer direkt von Hitler eingesetzt wurde und nur diesem gegenüber verantwortlich war, kam sein Rang dem eines Ministers gleich.
Mit der Befugnis zur Aufstellung eines „neuen Gesamtbauplans für die Reichshauptstadt Berlin“ war der GBI berechtigt, jede ihm nicht genehme Veränderung in einem einseitig deklarierten Interessengebiet zu unterbinden, das rund die Hälfte der Stadtfläche umfasste. Ihm stand ein [[Vetorecht]] bei allen Bauten, Straßenzügen, Parkanlagen usw. zu, die das Stadtbild in diesem Bereich betrafen. Darüber hinaus war er berechtigt, alle Maßnahmen und Anordnungen zu treffen, die zur Herstellung eines einheitlichen Gesamtbildes nötig waren. „Zur Durchführung seiner Aufgaben“ hatten ihm ferner „die Behörden des Reichs, des Landes Preußen und der Reichshauptstadt zur Verfügung“ zu stehen. Da Speer direkt von Hitler eingesetzt und nur diesem verantwortlich war, kam seine Position der eines Ministers gleich.


Innerhalb weniger Monate wurden diese Befugnisse präzisiert, erweitert und auf andere Städte ausgedehnt (''Verordnungen über die Neugestaltung der Reichshauptstadt Berlin'' vom 5. November 1937; ''Zweiter Erlaß über den Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt'' und ''Erste Verordnung zur Ausführung des Erlasses über den Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt'' vom 20. Januar 1938).
Die ''Germania''-Planungen waren durch die rechtliche Verankerung des Generalbauinspektors praktisch von jeder rechtlichen Kontrolle ausgenommen, sie unterlagen weder bauplanungs- oder bauordnungsrechtlichen Vorschriften, noch waren sie in das bestehende Planungssystem eingebunden. Als der Berliner Oberbürgermeister Lippert sich [[1940]] weigerte, von der Generalbauinspektion einseitige Weisungen entgegenzunehmen und auf einer gegenseitigen Abstimmung und Zusammenarbeit bestand, wurde dieser kurzerhand von Hitler entlassen.


Mit Monumental-Projekten wie der [[Neue Reichskanzlei|Neuen Reichskanzlei]] von 1938/1939 stellte Speer alsbald die Leistungsfähigkeit des GBI unter Beweis und festigte seine Position. Die ''Germania''-Planungen waren durch die rechtliche Stellung des Generalbauinspektors jeder weiteren Kontrolle entzogen; sie unterlagen weder bauplanungs- oder bauordnungsrechtlich den Berliner Vorschriften, noch waren sie in das bestehende Planungssystem eingebunden. Als sich 1940 der NS-Oberbürgermeister [[Julius Lippert (Politiker)|Julius Lippert]] weigerte, vom Generalbauinspektor einseitige Weisungen entgegenzunehmen und auf einer gegenseitigen Abstimmung und Zusammenarbeit bestand, wurde er auf Betreiben Speers kurzerhand von Hitler entlassen.
==Das Personal==


== Dienstgebäude ==
Da die neue Dienststelle weder der Kontrolle durch die Partei noch anderen Verwaltungen unterstand, hatte Speer für Aufbau und Personalpolitik freie Hand.
[[Datei:Bundesarchiv B 145 Bild-P049294, Berlin, Akademie der Künste.jpg|mini|Das [[Palais Arnim]], der Sitz des Generalbauinspektors (Fotografie 1933, damals [[Akademie der Künste (Berlin)|Akademie der Künste]])]]
Innerhalb des GBI erfolgte eine weitere Aufgliederung nach Aufgabenstellung:
Für Architektur- und Stadtplanung wurde die ''Planungsstelle'' geschaffen, unter Leitung von [[Rudolf Wolters]], [[Willi Schelkes]], [[Hans Stephan]] und [[Gerhard Fränk]].
Für Verwaltung und Wirtschaft war das ''Hauptamt'' zuständig, geleitet vom Finanzexperten Professor [[Karl Maria Hettlage]].
Daneben gab es – als drittes Amt – die ''Generalbauleitung'', unter Leitung von [[Walter Brugmann]] aus [[Nürnberg]].
Innerhalb kürzester Zeit wurden Verbindungen zu bekannten Größen deutscher Architektur aufgenommen – so mit [[Paul Bonatz]], der vom GBI einen Auftrag für das Oberkommando der Kriegsmarine erhielt, mit [[Wilhelm Kreis]], der Aufträge für das Oberkommando des Heeres, die Soldatenhalle und verschiedene Museen erhielt, mit [[Peter Behrens]], der das neue Verwaltungsgebäude der [[AEG]] an der geplanten Nord-Süd-Achse planen sollte. Aber auch jüngere, noch unbekannte Architekten, , wurden eingebunden, wie [[Helmut Hentrich]], [[Friedrich Tamms]], die Speer noch von seinem Studium her kannte, oder [[Theodor Dierksmeier]], [[Friedrich Hetzelt]], [[Herbert Rimpl]], [[Heinrich Rosskotten]], [[Karl Wach]]. So auch [[Hanns Dustmann]], dem „Reichsarchitekten der [[Hitlerjugend]]“, der nun für Berlin memoriale Versammlungshallen entwerfen sollte.
Die Dienststelle wuchs schnell: [[1939]] gehörten ihr bereits 91 Mitarbeiter an:
28 Architekten, 22 Techniker, 41 Büroangestellte.


Untergebracht wurde die Dienststelle des Generalbauinspektors auf Initiative Speers im [[Palais Arnim]] am [[Pariser Platz]] 4, dem Sitz der [[Akademie der Künste (Berlin)|Akademie der Künste]], die in das [[Kronprinzenpalais (Berlin)|Kronprinzenpalais]] umziehen musste. Vorteil der Lage am Pariser Platz war, dass [[Adolf Hitler|Hitler]] zu Fuß durch die [[Ministergärten]] zum Palais gelangen konnte, um dort unbemerkt von der Öffentlichkeit die Modelle und Pläne für den geplanten Umbau Berlins zur ‚[[Welthauptstadt Germania]]‘ zu besprechen und zu besichtigen. Außerdem bezog der GBI an der Charlottenburger Chaussee Räume im ''Haus des Deutschen Gemeindetages'', das 1938/1939 an der neugestalteten ''[[Ost-West-Achse (Berlin)|Ost-West-Achse]]'' errichtet wurde; heute ist dies das [[Ernst-Reuter-Haus]] an der [[Straße des 17. Juni]]. Ein weiteres Dienstgebäude befand sich in der [[Alsenviertel#Alsenstraße |Alsenstraße]] dicht beim [[Reichstagsgebäude]]; es ist heute nicht mehr erhalten. Nach einem [[Luftangriffe der Alliierten auf Berlin|alliierten Bombenangriff]] wurde die Hauptdienststelle am Pariser Platz in ein Barackenlager an der [[AVUS]]-Südkurve ausgelagert. Nach einem weiteren Bombentreffer auf dieses Barackenlager wurde die gesamte Dienststelle nach [[Hainspitz]] in [[Thüringen]] verlagert.
==Finanzierung==


== Personal und Gliederung ==
Nach Schätzungen Speers hätten die Baumaßnahmen ein Volumen von insgesamt rund vier bis sechs Milliarden RM gehabt, wobei versucht wurde, die Kosten auf möglichst viele Etats zu verteilen. So hatte die Generalbauinspektion selbst ein jährliches Budget von 60 Millionen Reichsmark allein für die Planungsleistungen erhalten. Schon die Berliner Stadtverwaltung musste für die Realisierung der GBI-Planungen [[1938]] 90 Millionen Reichsmark ausgeben, auch andere Institutionen sollten die zukünftig von ihnen genutzten Gebäude selbst finanzieren.
Da die neue Dienststelle weder einer politischen Kontrolle durch die [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] noch einer fachlichen Aufsicht anderer Verwaltungen unterstand, hatte Speer für Aufbau und Personalpolitik freie Hand. Innerhalb des GBI erfolgte eine weitere Aufgliederung nach Aufgabenstellung:


* Für Architektur- und Stadtplanung wurde die ''Planungsstelle'' geschaffen, unter Leitung von [[Willi Schelkes]], [[Hans Stephan (Architekt)|Hans Stephan]], [[Gerhard Fränk]] sowie [[Rudolf Wolters]] (''zu letzterem siehe auch:'' [[Chronik der Speerdienststellen]]).
Um Platz für die ungeheure Menge an geplanten Neubauten zu schaffen, mussten notgedrungen ganze Stadtviertel abgerissen werden. [[1937]] wurde ein Gesetz erlassen, das eine [[Enteignung]] zur Neugestaltung deutscher Städte ermöglichte. Auf dieser Grundlage ging die Generalbauinspektion [[1938]] daran, im [[Spreebogen]] und in [[Berlin-Tempelhof|Tempelhof]] Gebäude abzureißen; trotz eines großen Wohnungsbedarfs in Berlin von mehr als 100.000 Wohnungen. Mit den Abrissen sollte Platz geschaffen werden für die neue ''Große Halle'' und den ''Südbahnhof'' in Tempelhof. [[1941]] sahen die Planungen der GBI vor, in Berlin insgesamt 52.144 Wohnungen für die Neugestaltung abzureißen, das wären mithin 3,63% des geschätzten Wohnungsbestandes in Berlin gewesen. Bei der damaligen Belegung wären dadurch rund 150.000 bis 200.000 Berliner wohnungslos geworden.
* Für Verwaltung und Wirtschaft war das ''Hauptamt'' zuständig, geleitet vom Finanzexperten [[Karl Maria Hettlage]].
* Daneben gab es – als drittes Amt – die ''Generalbauleitung'' unter Führung von [[Walter Brugmann]] aus [[Nürnberg]].


Innerhalb kürzester Zeit wurden Verbindungen zu bekannten Größen deutscher Architektur aufgenommen – so zu [[Paul Bonatz]], der vom GBI einen Auftrag für das [[Oberkommando der Marine|Oberkommando der Kriegsmarine]] erhielt, zu [[Wilhelm Kreis]], der Aufträge für das [[Oberkommando des Heeres]], die Soldatenhalle und verschiedene Museen erhielt und zu [[Peter Behrens]], der das neue Verwaltungsgebäude der [[AEG]] an der geplanten ''[[Nord-Süd-Achse (Berlin)|Nord-Süd-Achse]]'' planen sollte. Aber auch jüngere, noch unbekannte Architekten wurden eingebunden, wie [[Helmut Hentrich]] und [[Friedrich Tamms]], die Speer noch von seinem Studium her kannte, oder [[Theodor Dierksmeier]], [[Friedrich Hetzelt]], [[Herbert Rimpl]], [[Heinrich Rosskotten]] und [[Karl Wach]]. Auch [[Hanns Dustmann]], der „Reichsarchitekt der [[Hitlerjugend]]“, sollte für Berlin monumentale Versammlungshallen entwerfen. (''Siehe auch:'' [[Architektur im Nationalsozialismus]])
==Ersatz für Abrisswohnungen==
Da die Stellung von Ersatzwohnungen schwierig und die Entschädigungen teuer waren, kam Speer [[1938]] auf die Idee, die für die Umsiedlung notwendigen Wohnungen durch die zwangsweise Ausmietung von [[Juden]] verfügbar zu machen. Auf diese Art und Weise wurden in den Folgemonaten schätzungsweise 15.000 bis 18.000 Wohnungen [[Arisierung|arisiert]]. Die aus ihren Wohnungen vertriebenen Juden wurden größtenteils in [[Konzentrationslager]] verschleppt. Um die Aussiedlung von Juden und die Neuvergabe der Wohnungen besser organisieren zu können, wurde schließlich eine eigene Durchführungsstelle unter Leitung von [[Karl Maria Hettlage]] bei der Generalbauinspektion eingerichtet.


Die Dienststelle wuchs schnell: 1939 gehörten ihr bereits 91 Mitarbeiter an: 28 Architekten, 22 Techniker, 41 Büroangestellte.
Nach dem Kriegsbeginn [[1939]] verfügte Speer einen generellen Stopp des Wohnungsabriss – die Räumung von Wohnungen jüdischer Mieter und Besitzer ging jedoch unvermindert weiter.


==Zwangsarbeiter==
== Finanzierung ==
Nach Schätzungen Speers hätten die Baumaßnahmen ein Volumen von insgesamt rund vier bis sechs Milliarden [[Reichsmark]] gehabt, wobei versucht wurde, die Kosten auf möglichst viele Etats zu verteilen. So hatte der Generalbauinspektor selbst ein jährliches Budget von 60 Millionen Reichsmark allein für die Planungsleistungen erhalten. Schon die Berliner Stadtverwaltung musste im Jahr 1938 für die Realisierung der GBI-Planungen 90 Millionen Reichsmark (kaufkraftbereinigt in heutiger Währung: rund {{Inflation|DE|90|1938 |r=1}} Millionen Euro) ausgeben, auch andere Institutionen sollten die zukünftig von ihnen genutzten Gebäude selbst finanzieren.
Sowohl durch die Mengen Natursteins, als auch durch die Rüstungsanstrengungen war [[1938]] schon eine gewisse Verknappung an Arbeitskräften zu spüren, die sich mit Kriegsbeginn noch verschärfte. Allein für die Abrissarbeiten war zur damaligen Zeit noch ein enormer Personalaufwand nötig und gleiches galt für die beginnenden Baumaßnahmen. So begann ab [[1939]] auch die Generalbauinspektion auf ausländische [[Zwangsarbeiter]] zurückzugreifen. In den Vogesen wurde nach der Besetzung Frankreichs auf Vorschlag von [[Albert Speer|Speer]] das Konzentrationslager [[KZ Natzweiler-Struthof]] angesiedelt, um den dort vorkommenden roten Granit zu brechen. Nach dem [[Überfall auf die Sowjetunion]] kamen verstärkt auch Kriegsgefangene zu den Arbeitern. Einer Planung der GBI von [[1940]] entsprechend sollte der Einsatz der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen nach dem Krieg auf über 180.000 Personen ansteigen.


Speer vereinbarte mit [[Heinrich Himmler]] die Herstellung und Lieferung von Baumaterial durch [[Konzentrationslager|KZ-Häftlinge]]. Das Kapital für die von der [[Schutzstaffel|SS]] gegründete Firma ''[[Deutsche Erd- und Steinwerke]] GmbH'' (DEST) wurde aus dem Haushalt des GBI gestellt. Das Geld floss direkt in den Aufbau des KZ-Systems. Der zinslose Kredit für die [[SS-Totenkopfverbände]] war rückzahlbar an Speers Behörde in Form von Steinen und anderen Baumaterialien. Deshalb wurden fast alle KZ zwischen 1937 und 1942 in der Nähe von [[Tonminerale|Tongruben]] oder [[Steinbruch|Steinbrüchen]] gebaut. Für die Lager in [[Groß-Rosen]] in [[Schlesien]] und [[KZ Natzweiler-Struthof|Natzweiler-Struthof]] im [[Elsass]] legte Speer 1940 die Standorte wegen der dortigen Granitvorkommen sogar selbst fest. Speziell in den [[Vogesen]] wurde das [[KZ Natzweiler-Struthof]] nach der Besetzung [[Frankreich]]s auf Vorschlag von Speer dort angesiedelt, um den dort vorkommenden roten Granit zu brechen.
Der GBI betrieb in Berlin etliche Arbeitslager und beschäftigte dort Personal u. a. aus Italien, Osteuropa und augenscheinlich auch Juden, die allerdings nach der Fabrikaktion nicht mehr in den Lohnlisten auftauchten. Ein Lager befand sich an der Staakener Feldstraße; es sollte für Personal, das mit dem Bau der "Großen Halle" beschäftigt werden sollte, dienen. Ein anderes Lager, nahe dem Wilmersdorfer Eisstation, diente als Lazarett. Der GBI nutzte auch das Krankenhaus Kaulsdorf als Lager.


Heute lässt sich aufgrund der Aktenlage beweisen, dass die [[Deportation deutscher Juden|Deportationslisten]] zwischen Oktober 1941 und März 1943 von Speers GBI-Mitarbeitern zusammen mit der [[Gestapo]] erstellt wurden. Speer hat die Kenntnis davon bis zu seinem Tode bestritten. Gleichwohl schrieb er in einem Brief vom 13. Dezember 1941 an [[Martin Bormann]], dass die „Aktion in vollem Gange“ sei, und beschwerte sich darüber, dass Bormann „[[Judenhaus|Judenwohnungen]]“ ausgebombten Berlinern bereitstellen wolle, obwohl doch diese ihm (Speer) zustünden.
Für seine Rolle als ''Generalbauinspektor'' bei der Verschleppung von Juden, dem Einsatz von Zwangsarbeitern und seine Funktion als Reichsminister für Bewaffnung und Munition ab [[1942]] wird [[Albert Speer]] bei den [[Nürnberger Prozesse|Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen]] wegen ''Kriegsverbrechen'' und ''Verbrechen gegen die Menschlichkeit'' (siehe Punkte 6a bzw. 6a-c des [[Londoner Statut]]s) zu 20 Jahren [[Festungshaft]] in Spandau verurteilt, die er bis [[1966]] ableistet. Ob dieses Urteil auch die Teilnahme des GBI an der so genannten Judenentmietung abdeckte war umstritten. Freunde Speers befürchteten neue Untersuchungen der Ludwigsburger [[Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen|Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen]] und eine erneute Anklage.


==Dienstgebäude==
== Enteignungen ==
Um Platz für die ungeheure Menge an geplanten Neubauten in Berlin zu schaffen, mussten notgedrungen ganze Stadtviertel abgerissen werden. 1937 wurde ein Gesetz erlassen, das eine [[Enteignung]] zur Neugestaltung deutscher Städte ermöglichte. Auf dieser Grundlage ging der Generalbauinspektor 1938 daran, im [[Spreebogen]] und in [[Berlin-Tempelhof|Tempelhof]] Gebäude abzureißen, obwohl ein Wohnungsbedarf von mehr als 100.000 Wohnungen bestand. Mit den Abrissen sollte Platz geschaffen werden für die neue ''[[Große Halle]]'' und den ''Südbahnhof'' in Tempelhof. 1941 sahen die Planungen des GBI vor, in Berlin insgesamt 52.144 Wohnungen für die Neugestaltung abzureißen; das wären mithin 3,63 % des geschätzten Wohnungsbestandes in Berlin gewesen. Bei der damaligen Belegung wären dadurch rund 150.000 bis 200.000 Berliner wohnungslos geworden.
Untergebracht wurden Dienstellen der Generalbauinspektion im 1937 enteigneten Gebäude der [[Akademie der Künste]] Berlin, am [[Pariser Platz]] 4, vormals [[Palais Arnim]], direkt neben dem [[Hotel Adlon]]. Weitere Dienststellen befanden sich im heutigen [[Ernst-Reuter-Haus]] an der [[Straße des 17. Juni]]. Ein weiteres Dienstgebäude befand sich in der Alsenstraße (direkt neben dem Reichstag, heute nicht mehr vorhanden).

== Zwangsräumung jüdischer Mieter ==
Da die Stellung von Ersatzwohnungen schwierig und Entschädigungen für Räumungspflichtige teuer waren, veranlasste oder beförderte der GBI ab 1938 die Aufhebung von Mietverträgen [[Judentum|jüdischer]] Mieter, Zwangsräumungen und Einweisungen in „[[Judenhaus|Judenhäuser]]“ sowie die [[Arisierung]] jüdischen Grundbesitzes auf Grundlage der ''[[Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens]]''. Auf diese Weise wurden in den Folgemonaten schätzungsweise 15.000–18.000 Wohnungen requiriert. Die aus ihren Wohnungen vertriebenen Juden wurden zunehmend an der [[Auswanderung|Emigration]] gehindert, ihr Vermögen beschlagnahmt und sie zahllos in [[Deutsche Konzentrationslager|Konzentrationslager]] verschleppt. Um die „Aussiedlung“ von Juden und die Neuvergabe der Wohnungen zu organisieren und zu beschleunigen, wurde eigens eine Durchführungsstelle des GBI unter Leitung von [[Karl Maria Hettlage]] eingerichtet.

Nach dem Kriegsbeginn im Jahr 1939 verfügte Speer einen generellen Stopp des Wohnungsabrisses – die Räumung von Wohnungen jüdischer Mieter und Besitzer ging allerdings unvermindert weiter.

== Zwangsarbeiter ==
Sowohl durch die Mengen Naturstein als auch durch die Rüstungsanstrengungen war 1938 schon eine Verknappung an Material und Arbeitskräften zu spüren, die sich mit Kriegsbeginn weiter verschärfte. Allein für die Abrissarbeiten war zur damaligen Zeit ein enormer Personalaufwand nötig und Gleiches galt für die beginnenden Baumaßnahmen. So begann der Generalbauinspektor ab 1939 auch auf ausländische [[NS-Zwangsarbeit|Zwangsarbeiter]] zurückzugreifen. Nach dem [[Unternehmen Barbarossa|Überfall auf die Sowjetunion]] kamen verstärkt auch [[sowjetische Kriegsgefangene]] zu den Arbeitern. Entsprechend einer Planung des GBI von 1940 sollte der Einsatz der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen nach dem Krieg auf über 180.000 Personen ansteigen.

Der GBI war an Planung, Genehmigung und Bau der rund 1000 heute bekannten Zwangsarbeiterlager in und um Berlin – ihre tatsächliche Zahl wird mittlerweile auf über 3000 geschätzt – maßgeblich beteiligt und betrieb etliche davon in eigener Regie. Er beschäftigte dort unter anderem „Fremdarbeiter“ aus [[Italien]], Kriegsgefangene aus [[Osteuropa]] sowie deportierte Juden, die allerdings nach der „[[Fabrikaktion]]“ vom 27. Februar 1943 nicht mehr in den Lohnlisten auftauchten. Eines der Lager befand sich an der [[Berlin-Staaken|Staakener]] Feldstraße; es sollte dem Bau der ''Großen Halle'' dienen. Ein anderes Lager, nahe dem Eisstadion in [[Berlin-Wilmersdorf|Wilmersdorf]], diente als [[Lazarett]], ein weiteres befand sich im [[Vivantes Klinikum Kaulsdorf|Krankenhaus Kaulsdorf]].

Nach [[Siemens]] und der [[Deutsche Reichsbahn (1920–1945)|Reichsbahn]] war der GBI 1942/1943 drittgrößter Betreiber von Zwangsarbeiterlagern im Großraum Berlin. Auf dem Gelände des ehemaligen ''Doppellagers 75/76'', in der Britzer Straße 5 in [[Berlin-Niederschöneweide |Niederschöneweide]] befindet sich heute das [[Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit]]. In dem 1943 im Auftrag des GBI für 2000 Insassen errichteten Lager waren neben italienischen [[Zivilarbeiter]]n weibliche KZ-Häftlinge eines Außenlagers von [[KZ Sachsenhausen |Sachsenhausen]] sowie vermutlich weitere Zwangsarbeiter aus West- und Osteuropa interniert.

== Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse ==
[[Datei:Albert-Speer-72-929.jpg|mini|hochkant=0.85|[[Albert Speer]] als Angeklagter bei den [[Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher|Nürnberger Prozessen]], 1946]]

Für die Mitwirkung bei der Verschleppung von Juden, dem Einsatz von Zwangsarbeitern und seine Funktion als Reichsminister für Bewaffnung und Munition wurde [[Albert Speer]] im [[Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher]] wegen [[Kriegsverbrechen]] und [[Verbrechen gegen die Menschlichkeit]] (siehe Punkte 6a bzw. 6a–c des [[Londoner Statut]]s) zu 20 Jahren Haft verurteilt, die er bis 1966 im [[Kriegsverbrechergefängnis Spandau]] absaß. Ob dieses Urteil auch die Beteiligung des GBI an der Zwangsräumung von Juden („Judenentmietung“) abdeckte, war umstritten. Freunde Speers befürchteten neue Untersuchungen der Ludwigsburger [[Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen|Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen]] und eine erneute Anklage.


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Werner Durth]]: ''Deutsche Architekten. Biographische Verflechtungen 1900–1970.'' Vieweg, Braunschweig u. a. 1986, ISBN 3-528-08705-6 ''(Schriften des Deutschen Architekturmuseums zur Architekturgeschichte und Architekturtheorie)'', Neuausgabe auf der Grundlage der 2. durchgesehenen Auflage 1986. Krämer, Stuttgart 2001, ISBN 3-7828-1141-0.
* Hans J. Reichhardt, [[Wolfgang Schäche]]: ''Von Berlin nach Germania. Über die Zerstörungen der Reichshauptstadt durch Albert Speers Neugestaltungsplanungen.'' 6. völlig überarbeitete und erweiterte Neuauflage. Transit, Berlin 1998, ISBN 3-88747-127-X.
* Anna Teut (Hrsg.): ''Architektur im Dritten Reich. 1933–1945.'' Ullstein, Berlin u. a. 1967 (''Bauwelt-Fundamente'' 19, {{ISSN|0522-5094}}).
* [[Susanne Willems]]: ''Der entsiedelte Jude. Albert Speers Wohnungsmarktpolitik für den Berliner Hauptstadtbau.'' Ed. Hentrich, Berlin 2002, ISBN 3-89468-259-0 (''Publikationen der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannseekonferenz'' 10), (Zugleich: Bochum, Univ., Diss., 1999: ''Stadtmodernisierung, Wohnungsmarkt und Judenverfolgung in Berlin 1938 bis 1943'').
* {{LuiseBMS |Autor=Heiko Schützler |Titel=Monsalvat an der Spree |ID=proe |Nr=9 |Jahr=2000 |Seite=27–35}}
* {{LuiseBMS |Autor=Rainer Kubatzki |Titel=Irgendein Lager gleich um die Ecke |ID=proi |Nr=9 |Jahr=2000 |Seite=70–77}}


== Weblinks ==
* ''Von Berlin nach Germania'', Hans J. Reichhardt, Wolfgang Schäche, Transit verlag Berlin 1998, ISBN 388747127X
{{Commonscat|Generalbauinspektor|Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt}}
* Willems, Susanne: ''Der entsiedelte Jude. Albert Speers Wohnungsmarktpolitik für den Berliner Hauptstadtbau'', Berlin 2000, ISBN 3-89468-259-0
* [http://www.documentarchiv.de/ns/1937/generalbauinspektor_erl.html documentarchiv.de] – Erlass über den Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt vom 30. Januar 1937
* Werner Durth: ''Deutsche Architekten. Biographische Verflechtungen 1900 – 1970'', Braunschweig 1986 / Neuausgabe Stuttgart + Zürich 2001, ISBN 3-7828-1141-0
* [http://www.susannewillems.de/ Susanne Willems] – Wohnungsmarktpolitik Speers gegenüber Juden; weitere Forschungsergebnisse und Dokumente zu Speer
*Anna Teut: ''Architektur im Dritten Reich 1933-1945'', Berlin 1967
* [http://www.cord-pagenstecher.de/pagenstecher-2004a-lagerlisten.pdf cord-pagenstecher.de] (PDF; 264 kB) – Berliner Zwangsarbeiterlager (auch) des GBI und anderer Speer-Behörden
* [http://www.zwangsarbeit-forschung.de/Lagerstandorte/Berlin/berlin.html zwangsarbeit-forschung.de] – weitere Lagerstandorte in Berlin


[[Kategorie:Organisation (Nationalsozialismus)]]
[[Kategorie:Behörde (Deutsches Reich, 1933–1945)]]
[[Kategorie:Historische Behörde]]
[[Kategorie:Architektur im Nationalsozialismus]]
[[Kategorie:Architekturgeschichte|Nationalsozialismus]]
[[Kategorie:Albert Speer]]
[[Kategorie:Nationalsozialismus]]
[[Kategorie:Architektur (Deutschland)|Nationalsozialismus]]

Aktuelle Version vom 26. September 2024, 09:47 Uhr

Berlin, Modell von 1939 zur Neugestaltung nach Speers Plänen. Blick vom geplanten Südbahnhof über den Triumphbogen bis zur Großen Halle (Nord-Süd-Achse).

Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt (G.B.I., GBI) war während der Zeit des Nationalsozialismus der Titel Albert Speers und zugleich die Bezeichnung einer ihm unterstellten Behörde. Der Generalbauinspektor sollte Berlin im Sinne nationalsozialistischer Machtrepräsentation umgestalten. Die Dienststelle war mit ministeriumsgleichen Befugnissen nur dem „FührerAdolf Hitler unterstellt und allen städtischen Behörden übergeordnet.

Entstehung des GBI

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Speer, Hitler, Architekt Ruff mit Bauplänen und Modellen, ca. 1933/1934
Überlagerungszeichnung der Großen Halle auf dem Spreebogen zwischen dem heutigen Hauptbahnhof links oben und Reichstagsgebäude rechts unten
Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, um 1940

Albert Speer war es nach dem Tod von Paul Ludwig Troost (1934), dem ersten „Lieblingsarchitekten des Führers“, rasch gelungen, das Vertrauen Hitlers zu erwerben. Speer hatte bereits bei den Bauten für die Reichsparteitage in Nürnberg (1934–1936) für Hitler gearbeitet und wurde bald als „Architekt des Führers“ bezeichnet. Seit 1936 – noch in Speers privatem Büro und unter Geheimhaltung – mit Entwürfen für die Umgestaltung Berlins befasst, bereitete sein Planungsstab auch ein Arbeits- und Personalkonzept vor, mit dem die Baupläne umgesetzt werden sollten. Die Planung schritt rasch voran, sodass Hitler am 30. Januar 1937 für Speer und dessen Stab per Führererlass die Einrichtung eines Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt verfügte. Diesem oblag die Federführung eines Projekts, das später programmatisch mit „Welthauptstadt“ bzw. „Germania“ tituliert wurde (siehe Artikel Welthauptstadt Germania).

Mit der Befugnis zur Aufstellung eines „neuen Gesamtbauplans für die Reichshauptstadt Berlin“ war der GBI berechtigt, jede ihm nicht genehme Veränderung in einem einseitig deklarierten Interessengebiet zu unterbinden, das rund die Hälfte der Stadtfläche umfasste. Ihm stand ein Vetorecht bei allen Bauten, Straßenzügen, Parkanlagen usw. zu, die das Stadtbild in diesem Bereich betrafen. Darüber hinaus war er berechtigt, alle Maßnahmen und Anordnungen zu treffen, die zur Herstellung eines einheitlichen Gesamtbildes nötig waren. „Zur Durchführung seiner Aufgaben“ hatten ihm ferner „die Behörden des Reichs, des Landes Preußen und der Reichshauptstadt zur Verfügung“ zu stehen. Da Speer direkt von Hitler eingesetzt und nur diesem verantwortlich war, kam seine Position der eines Ministers gleich.

Innerhalb weniger Monate wurden diese Befugnisse präzisiert, erweitert und auf andere Städte ausgedehnt (Verordnungen über die Neugestaltung der Reichshauptstadt Berlin vom 5. November 1937; Zweiter Erlaß über den Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt und Erste Verordnung zur Ausführung des Erlasses über den Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt vom 20. Januar 1938).

Mit Monumental-Projekten wie der Neuen Reichskanzlei von 1938/1939 stellte Speer alsbald die Leistungsfähigkeit des GBI unter Beweis und festigte seine Position. Die Germania-Planungen waren durch die rechtliche Stellung des Generalbauinspektors jeder weiteren Kontrolle entzogen; sie unterlagen weder bauplanungs- oder bauordnungsrechtlich den Berliner Vorschriften, noch waren sie in das bestehende Planungssystem eingebunden. Als sich 1940 der NS-Oberbürgermeister Julius Lippert weigerte, vom Generalbauinspektor einseitige Weisungen entgegenzunehmen und auf einer gegenseitigen Abstimmung und Zusammenarbeit bestand, wurde er auf Betreiben Speers kurzerhand von Hitler entlassen.

Das Palais Arnim, der Sitz des Generalbauinspektors (Fotografie 1933, damals Akademie der Künste)

Untergebracht wurde die Dienststelle des Generalbauinspektors auf Initiative Speers im Palais Arnim am Pariser Platz 4, dem Sitz der Akademie der Künste, die in das Kronprinzenpalais umziehen musste. Vorteil der Lage am Pariser Platz war, dass Hitler zu Fuß durch die Ministergärten zum Palais gelangen konnte, um dort unbemerkt von der Öffentlichkeit die Modelle und Pläne für den geplanten Umbau Berlins zur ‚Welthauptstadt Germania‘ zu besprechen und zu besichtigen. Außerdem bezog der GBI an der Charlottenburger Chaussee Räume im Haus des Deutschen Gemeindetages, das 1938/1939 an der neugestalteten Ost-West-Achse errichtet wurde; heute ist dies das Ernst-Reuter-Haus an der Straße des 17. Juni. Ein weiteres Dienstgebäude befand sich in der Alsenstraße dicht beim Reichstagsgebäude; es ist heute nicht mehr erhalten. Nach einem alliierten Bombenangriff wurde die Hauptdienststelle am Pariser Platz in ein Barackenlager an der AVUS-Südkurve ausgelagert. Nach einem weiteren Bombentreffer auf dieses Barackenlager wurde die gesamte Dienststelle nach Hainspitz in Thüringen verlagert.

Personal und Gliederung

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Da die neue Dienststelle weder einer politischen Kontrolle durch die NSDAP noch einer fachlichen Aufsicht anderer Verwaltungen unterstand, hatte Speer für Aufbau und Personalpolitik freie Hand. Innerhalb des GBI erfolgte eine weitere Aufgliederung nach Aufgabenstellung:

Innerhalb kürzester Zeit wurden Verbindungen zu bekannten Größen deutscher Architektur aufgenommen – so zu Paul Bonatz, der vom GBI einen Auftrag für das Oberkommando der Kriegsmarine erhielt, zu Wilhelm Kreis, der Aufträge für das Oberkommando des Heeres, die Soldatenhalle und verschiedene Museen erhielt und zu Peter Behrens, der das neue Verwaltungsgebäude der AEG an der geplanten Nord-Süd-Achse planen sollte. Aber auch jüngere, noch unbekannte Architekten wurden eingebunden, wie Helmut Hentrich und Friedrich Tamms, die Speer noch von seinem Studium her kannte, oder Theodor Dierksmeier, Friedrich Hetzelt, Herbert Rimpl, Heinrich Rosskotten und Karl Wach. Auch Hanns Dustmann, der „Reichsarchitekt der Hitlerjugend“, sollte für Berlin monumentale Versammlungshallen entwerfen. (Siehe auch: Architektur im Nationalsozialismus)

Die Dienststelle wuchs schnell: 1939 gehörten ihr bereits 91 Mitarbeiter an: 28 Architekten, 22 Techniker, 41 Büroangestellte.

Nach Schätzungen Speers hätten die Baumaßnahmen ein Volumen von insgesamt rund vier bis sechs Milliarden Reichsmark gehabt, wobei versucht wurde, die Kosten auf möglichst viele Etats zu verteilen. So hatte der Generalbauinspektor selbst ein jährliches Budget von 60 Millionen Reichsmark allein für die Planungsleistungen erhalten. Schon die Berliner Stadtverwaltung musste im Jahr 1938 für die Realisierung der GBI-Planungen 90 Millionen Reichsmark (kaufkraftbereinigt in heutiger Währung: rund 471,2 Millionen Euro) ausgeben, auch andere Institutionen sollten die zukünftig von ihnen genutzten Gebäude selbst finanzieren.

Speer vereinbarte mit Heinrich Himmler die Herstellung und Lieferung von Baumaterial durch KZ-Häftlinge. Das Kapital für die von der SS gegründete Firma Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH (DEST) wurde aus dem Haushalt des GBI gestellt. Das Geld floss direkt in den Aufbau des KZ-Systems. Der zinslose Kredit für die SS-Totenkopfverbände war rückzahlbar an Speers Behörde in Form von Steinen und anderen Baumaterialien. Deshalb wurden fast alle KZ zwischen 1937 und 1942 in der Nähe von Tongruben oder Steinbrüchen gebaut. Für die Lager in Groß-Rosen in Schlesien und Natzweiler-Struthof im Elsass legte Speer 1940 die Standorte wegen der dortigen Granitvorkommen sogar selbst fest. Speziell in den Vogesen wurde das KZ Natzweiler-Struthof nach der Besetzung Frankreichs auf Vorschlag von Speer dort angesiedelt, um den dort vorkommenden roten Granit zu brechen.

Heute lässt sich aufgrund der Aktenlage beweisen, dass die Deportationslisten zwischen Oktober 1941 und März 1943 von Speers GBI-Mitarbeitern zusammen mit der Gestapo erstellt wurden. Speer hat die Kenntnis davon bis zu seinem Tode bestritten. Gleichwohl schrieb er in einem Brief vom 13. Dezember 1941 an Martin Bormann, dass die „Aktion in vollem Gange“ sei, und beschwerte sich darüber, dass Bormann „Judenwohnungen“ ausgebombten Berlinern bereitstellen wolle, obwohl doch diese ihm (Speer) zustünden.

Um Platz für die ungeheure Menge an geplanten Neubauten in Berlin zu schaffen, mussten notgedrungen ganze Stadtviertel abgerissen werden. 1937 wurde ein Gesetz erlassen, das eine Enteignung zur Neugestaltung deutscher Städte ermöglichte. Auf dieser Grundlage ging der Generalbauinspektor 1938 daran, im Spreebogen und in Tempelhof Gebäude abzureißen, obwohl ein Wohnungsbedarf von mehr als 100.000 Wohnungen bestand. Mit den Abrissen sollte Platz geschaffen werden für die neue Große Halle und den Südbahnhof in Tempelhof. 1941 sahen die Planungen des GBI vor, in Berlin insgesamt 52.144 Wohnungen für die Neugestaltung abzureißen; das wären mithin 3,63 % des geschätzten Wohnungsbestandes in Berlin gewesen. Bei der damaligen Belegung wären dadurch rund 150.000 bis 200.000 Berliner wohnungslos geworden.

Zwangsräumung jüdischer Mieter

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Da die Stellung von Ersatzwohnungen schwierig und Entschädigungen für Räumungspflichtige teuer waren, veranlasste oder beförderte der GBI ab 1938 die Aufhebung von Mietverträgen jüdischer Mieter, Zwangsräumungen und Einweisungen in „Judenhäuser“ sowie die Arisierung jüdischen Grundbesitzes auf Grundlage der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens. Auf diese Weise wurden in den Folgemonaten schätzungsweise 15.000–18.000 Wohnungen requiriert. Die aus ihren Wohnungen vertriebenen Juden wurden zunehmend an der Emigration gehindert, ihr Vermögen beschlagnahmt und sie zahllos in Konzentrationslager verschleppt. Um die „Aussiedlung“ von Juden und die Neuvergabe der Wohnungen zu organisieren und zu beschleunigen, wurde eigens eine Durchführungsstelle des GBI unter Leitung von Karl Maria Hettlage eingerichtet.

Nach dem Kriegsbeginn im Jahr 1939 verfügte Speer einen generellen Stopp des Wohnungsabrisses – die Räumung von Wohnungen jüdischer Mieter und Besitzer ging allerdings unvermindert weiter.

Sowohl durch die Mengen Naturstein als auch durch die Rüstungsanstrengungen war 1938 schon eine Verknappung an Material und Arbeitskräften zu spüren, die sich mit Kriegsbeginn weiter verschärfte. Allein für die Abrissarbeiten war zur damaligen Zeit ein enormer Personalaufwand nötig und Gleiches galt für die beginnenden Baumaßnahmen. So begann der Generalbauinspektor ab 1939 auch auf ausländische Zwangsarbeiter zurückzugreifen. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion kamen verstärkt auch sowjetische Kriegsgefangene zu den Arbeitern. Entsprechend einer Planung des GBI von 1940 sollte der Einsatz der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen nach dem Krieg auf über 180.000 Personen ansteigen.

Der GBI war an Planung, Genehmigung und Bau der rund 1000 heute bekannten Zwangsarbeiterlager in und um Berlin – ihre tatsächliche Zahl wird mittlerweile auf über 3000 geschätzt – maßgeblich beteiligt und betrieb etliche davon in eigener Regie. Er beschäftigte dort unter anderem „Fremdarbeiter“ aus Italien, Kriegsgefangene aus Osteuropa sowie deportierte Juden, die allerdings nach der „Fabrikaktion“ vom 27. Februar 1943 nicht mehr in den Lohnlisten auftauchten. Eines der Lager befand sich an der Staakener Feldstraße; es sollte dem Bau der Großen Halle dienen. Ein anderes Lager, nahe dem Eisstadion in Wilmersdorf, diente als Lazarett, ein weiteres befand sich im Krankenhaus Kaulsdorf.

Nach Siemens und der Reichsbahn war der GBI 1942/1943 drittgrößter Betreiber von Zwangsarbeiterlagern im Großraum Berlin. Auf dem Gelände des ehemaligen Doppellagers 75/76, in der Britzer Straße 5 in Niederschöneweide befindet sich heute das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit. In dem 1943 im Auftrag des GBI für 2000 Insassen errichteten Lager waren neben italienischen Zivilarbeitern weibliche KZ-Häftlinge eines Außenlagers von Sachsenhausen sowie vermutlich weitere Zwangsarbeiter aus West- und Osteuropa interniert.

Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse

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Albert Speer als Angeklagter bei den Nürnberger Prozessen, 1946

Für die Mitwirkung bei der Verschleppung von Juden, dem Einsatz von Zwangsarbeitern und seine Funktion als Reichsminister für Bewaffnung und Munition wurde Albert Speer im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (siehe Punkte 6a bzw. 6a–c des Londoner Statuts) zu 20 Jahren Haft verurteilt, die er bis 1966 im Kriegsverbrechergefängnis Spandau absaß. Ob dieses Urteil auch die Beteiligung des GBI an der Zwangsräumung von Juden („Judenentmietung“) abdeckte, war umstritten. Freunde Speers befürchteten neue Untersuchungen der Ludwigsburger Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen und eine erneute Anklage.

Commons: Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • documentarchiv.de – Erlass über den Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt vom 30. Januar 1937
  • Susanne Willems – Wohnungsmarktpolitik Speers gegenüber Juden; weitere Forschungsergebnisse und Dokumente zu Speer
  • cord-pagenstecher.de (PDF; 264 kB) – Berliner Zwangsarbeiterlager (auch) des GBI und anderer Speer-Behörden
  • zwangsarbeit-forschung.de – weitere Lagerstandorte in Berlin