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„Mann von Osterby“ – Versionsunterschied

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[[Bild:Mann_von_osterby_suebenknoten.jpg|thumb|Moorleiche von Osterby mit Suebenknoten]]
[[Datei:Osterby Man.jpg|mini|Kopf von Osterby mit Suebenknoten-Frisur]]
Bei dem '''Mann von Osterby''' handelt es sich um den [[Schädel]] einer [[Moorleiche]] aus dem Köhlmoor, südöstlich von [[Osterby (Kreis Rendsburg-Eckernförde)]].
Bei dem '''Mann von Osterby''' handelt es sich um den [[Schädel]] einer [[Moorleiche]] aus dem Köhlmoor, südöstlich von [[Osterby (Kreis Rendsburg-Eckernförde)|Osterby]] bei [[Eckernförde]].


==Fundumstände==
== Fundumstände ==
Beim [[Torfstechen]] wurde der Schädel am 26. Mai 1948 von den Osterbyer Brüdern Otto und Max Müller in einer Tiefe von etwa 70cm unter der damaligen [[Moor]]-Oberfläche aufgefunden. Der Kopf war, getrennt vom Körper, in einen Schulterumhang aus Rehfellen gewickelt und im Moor versenkt worden. Trotz intensiver Suche an der [[Fundstelle]] wurden keine weiteren Leichenteile gefunden.
Beim [[Torfstechen]] wurde der Schädel am 26. Mai 1948 von den Brüdern Otto und Max Müller aus Osterby auf der Parzelle ihres Vaters aufgefunden. Er lag in einer Tiefe von etwa 65 bis 70 cm unter der damaligen [[Moor]]-Oberfläche. Max Müller bemerkte die von seinem Spaten herunterhängenden Fellreste. Daraufhin durchsuchten beide den abgeworfenen Torf und bargen die Teile des Schädels und des Umhangs. Der Damendorfer Landwirt Detlef Thomes meldete den Fund dem Museum in Schleswig. Trotz intensiver Nachsuche in der Umgebung der Fundstelle wurden keine weiteren Leichenteile gefunden.<br />Fundort: {{Coordinate|article=/|text=DMS|NS=54.447461|EW=9.769292|type=landmark|region=DE-SH}}<ref>{{Literatur |Autor=[[Karl Kersten]] |Hrsg=Institut für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel |Titel=Ein Moorleichenfund von Osterby bei Eckernförde |Sammelwerk=Offa. Berichte u. Mitteilungen zur Urgeschichte, Frühgeschichte u. Mittelalterarchäologie |Band=8 |Verlag=Wachholtz |Ort=Neumünster |Datum=1949 |ISSN=0078-3714 |Seiten=1, Abb. 1 |Kommentar=Erstpublikation}}</ref>


== Befunde ==
==Untersuchungsergebnisse==
[[Datei:Osterby Man Suebian-Knot.jpg|mini|Seitenansicht des Kopfes mit Suebenknoten]]
Während der [[Konservierung]] wurde der Schädel untersucht. Es handelt sich demnach um den Kopf eines etwa 50 bis 60 Jahre alten Mannes.
Das geborgene Bündel bestand aus Fellstücken mit einem darin eingewickelten Schädel, die ursprünglich in dem Moor versenkt wurden. Beides wurde vor der Bergung durch Spatenstiche beschädigt. Daneben wurden keine weiteren Funde gemacht.
An der linken Schädelseite konnte eine großflächige Verletzung festgestellt werden, die wohl zum Tod geführt hatte: Auf einer Fläche von etwa 12cm Durchmesser war der Schädel mit einem stumpfen Gegenstand eingeschlagen worden, der Knochen war an der linken Schläfe völlig zersplittert und teilweise tief in das Gehirn eingedrungen.


=== Anthropologische Befunde ===
Deutlich erkennbare Schnittspuren am zweiten [[Halswirbel]] zeigen, dass der Kopf mit einem scharfen Gegenstand vom Rumpf abgetrennt worden war.
Der Schädel liegt in zahlreichen Fragmenten nahezu vollständig vor. Die [[Knochen]] sind durch die Einwirkung der [[Huminsäuren|Moorsäuren]] entkalkt, sind etwas geschrumpft und von dunkelbrauner Farbe. Wenige Teile der Kopfhaut sowie die Haare sind gut erhalten, Haut und Gewebe im Gesicht sind dagegen vollständig vergangen. An der linken Schädelseite wurde eine großflächige Verletzung festgestellt, die möglicherweise zum Tod geführt hatte: Auf einer Fläche von etwa 12&nbsp;cm Durchmesser wurde der Schädel mit einem stumpfen Gegenstand eingeschlagen, der Knochen war an der linken Schläfe völlig zersplittert und teilweise tief in das Gehirn eingedrungen. Allerdings ist der Schädel auch im Ganzen durch die auf ihm lastenden Erdmassen deformiert worden. Das Gesichtsskelett ist insgesamt gut erhalten und das Obergesicht ist nahezu unbeschädigt. Aufgrund des Verwachsungsgrades der [[Sutur|Schädelnähte]] sowie der anatomischen Merkmale wird der Schädel einem etwa 50 bis 60 Jahre alten Mann zugeschrieben. Deutlich erkennbare Schnittspuren am zweiten [[Halswirbel]] belegen, dass der Kopf mit einem scharfen Gegenstand gewaltsam vom Rumpf abgetrennt wurde.


Die Haupthaare waren flachwellig und dünn. Eine [[mikroskop]]ische Untersuchung ergab, dass die durch die Einwirkung der Moorsäuren rötlichbraun verfärbten [[Kopfhaar]]e ursprünglich dunkelblond waren und der Mann altersbedingt schon einzelne weiße Haare hatte. [[Isotopenanalyse]]n an Proben der Kopfhaare ergaben bei der Neubearbeitung im Jahre 2005, dass der Mann zumindest in seinem letzten Lebensjahr auffallend selten [[Fleisch]] aß, wobei [[Pflanzenfresser]] den Hauptanteil seiner tierischen Ernährung stellten. Dagegen hatten Seetiere wie [[Fische]] oder [[Muscheln]] nachweislich keinen Anteil an seiner Ernährung. Die [[Parasitologie|parasitologischen]] Untersuchungen der Haare ergaben, dass sie, für die damalige Zeit ungewöhnlich, frei von [[Kopflaus|Kopfläusen]] waren.<ref name="Gill-Robinson">{{Literatur |Autor=Heather Catherine Gill-Robinson |Titel=The iron age bog bodies of the Archaeologisches Landesmuseum, Schloss Gottorf, Schleswig, Germany |TitelErg=Dissertation |Verlag=University of Manitoba |Ort=Manitoba, Kanada |Datum=2006 |ISBN=0-494-12259-5 |Sprache=en}}</ref>
Die außerordentlich gut erhaltenen Haare des Mannes von Osterby sind von besonderem Interesse: Sie waren über der rechten Schläfe zu einem sorgfältig gedrehten Haarknoten geschlungen, so, wie [[Tacitus]] ihn im Kapitel 38 seiner [[Germania]] als ein typisches Merkmal der [[Sueben]] beschrieben hat und der deswegen als [[Suebenknoten]] bezeichnet wird. Die [[Mikroskop|mikroskopische]] Untersuchung des Haares ergab, dass das rötlichbraune Haar der Moorleiche ursprünglich dunkelblond, etwas meliert und altersbedingt mit vereinzelten weißen Haaren durchsetzt war. Nur kleine Teile der Kopfhaut blieben erhalten.
Zur [[Konservierung]] und Vorbereitung für die Ausstellung im Museum wurde der Schädel zur Stabilisierung mit einer [[Gips]]masse ausgefüllt.


=== Frisur ===
Der Schädel von Osterby ist in der Dauerausstellung des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum [[Schloss Gottorf]] ausgestellt.
[[Datei:DEU Osterby COA.svg|mini|150px|Wappen der Gemeinde Osterby mit Suebenknoten]]
Auffälligstes Merkmal des Kopfes ist die [[Frisur]] mit den außerordentlich gut erhaltenen Haaren, die über der rechten Schläfe zu einem sogenannten [[Suebenknoten]] gebunden sind. Dazu wurden die langen Haare des Mannes am Hinterkopf vertikal in zwei Stränge geteilt. Der linke Strang wurde links um den Kopf, tief über die Stirn, auf die rechte Kopfseite gelegt. Der rechte Strang wurde oberhalb des rechten Ohres an der Schläfe, über den linken Strang gelegt und beide mit einer scharfen Rechtsdrehung [[Zwirnen|verzwirnt]]. Dieser Strang wurde zu einer Schlaufe gelegt und das lose Ende des Stranges schlaufenförmig hindurchgezogen.
Dieser Suebenknoten wird von dem [[Römisches Reich|römischen]] Geschichtsschreiber [[Tacitus]] im Kapitel 38 seiner [[Germania (Tacitus)|Germania]] als ein typisches Merkmal freier Männer bei den [[Sueben]], eines [[Germanen|germanischen Stammes]] beschrieben. Daneben ist er aus zahlreichen römischen Abbildungen auf Plastiken und mindestens einem weiteren archäologischen Fund bekannt, dem des [[Mann von Dätgen|Mannes von Dätgen]].
Seit 1998 führt die Gemeinde Osterby den Suebenknoten des Mannes von Osterby in ihrem [[Wappen]].<ref>{{Internetquelle |url=http://www.osterby.de/osterby/Wappen/wappen_osterby.htm |titel=Wappen |hrsg=Gemeinde Osterby |archiv-url=https://web.archive.org/web/20090226232251/http://www.osterby.de/osterby/Wappen/wappen_osterby.htm |archiv-datum=2009-02-26 |zugriff=2011-12-06}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor= |url=https://efi2.schleswig-holstein.de/wr/wr.asp?Aktion=Datenblatt&Aufrufer=Treffer&Treffer=1&iTreffer=1&ID=38 |titel=Gemeinde Osterby, Kreis Rendsburg-Eckernförde |werk=Wappenrolle Schleswig-Holstein |hrsg=www.schleswig-holstein.de |datum= |abruf=2020-02-05 |sprache=}}</ref>

=== Fellumhang ===
Das bereits stark zerfallene Kleidungsstück, in das der Kopf eingewickelt war, besteht aus [[Gerben|gegerbten]] und zusammengenähten Fellstücken. Das geborgene Fragment hat eine Breite von 40 cm und eine Länge von etwa 53 cm. Die Fellstücke wurden mikroskopisch anhand der Haarmerkmale als [[reh]]ähnlich bestimmt. Die einzelnen Fellstücke wurde mit feinen [[Stoßnaht (Pelz)|Stoßnähten]] verbunden. Der Halsausschnitt ist mit einem umgeschlagenen, etwa einem Zentimeter breiten Lederstreifen eingesäumt. Alle Nähte wurden sorgfältig mit sehr feinen [[Darmsaite]]n ausgeführt. Einige der vorgefundenen Nähte lassen vermuten, dass es sich um spätere Reparaturstellen handelte. Aufgrund der vorliegenden Fragmente sowie einiger bekannter Vergleichsfunde wird das Kleidungsstück als [[Umhang|Pelzumhang]] gedeutet und wurde im 20. Jahrhundert von [[Textilarchäologie|Textilarchäologen]] auch als ''Pelzschulterkragen'' bezeichnet. Vergleichbare Pelzumhänge sind aus zahlreichen [[Archäologischer Fund|archäologischen Funden]] bekannt wie beispielsweise den Frauen von [[Frau von Elling|Elling]] und [[Frau von Haraldskær|Haraldskær]], dem [[Mädchen von Dröbnitz]], dem [[Junge von Kayhausen|Jungen von Kayhausen]] oder dem [[Mann aus Jührdenerfeld]].

=== Manipulationen ===
Die anthropologische Untersuchung des Schädels wurde durch Peter Löhr durchgeführt, der feststellte, dass der Schädel durch die Lagerung im Moor geschrumpft war. Im Rahmen seiner [[Promotion (Doktor)|Promotion]] über das experimentelle Schrumpfen von Schädeln unternahm Löhr auch an dem Osterbyer Schädel zahlreiche Versuche. Mehrfach wässerte er den Schädel, wodurch dieser aufquoll, und trocknete ihn anschließend wieder – begleitet von detaillierten Messungen. Löhr nahm an, dass der Schädel im aufgequollenen Zustand seine nahezu ursprüngliche Größe einnahm und beim anschließenden Trocknen nicht gleichmäßig einschrumpfte. Für seine Untersuchung lagen Peter Löhr <!--1948 / 1949 / 1950--> der Schädel selbst, stark geschrumpfte Zähne sowie ein vollständiger Unterkiefer mit einem stark vorspringenden Kinn vor.<ref>{{Literatur |Autor=Peter Löhr |Titel=Die Moorleiche von Osterby. Die experimentelle Schrumpfung von Schädeln |Verlag=Anthropologisches Institut der Universität Kiel |Ort=Kiel |Datum=1950 |Kommentar=Dissertation}}</ref>
Neuere Untersuchungen des Osterbyer Kopfes ergaben, dass der in der Dauerausstellung des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum [[Schloss Gottorf]] ausgestellte Schädel bei der Präparation für die Ausstellung durch [[Karl Schlabow]], wohl aus ästhetischen Gründen, mit einem ursprünglich nicht zu diesem Kopf gehörigen Unterkiefer ergänzt wurde.<ref>{{Literatur |Autor=Thomas Brock |Titel=Rehabilitation einer Moorleiche |Sammelwerk=Abenteuer Archäologie: Kulturen, Menschen, Monumente |Nummer=1 |Datum=2007 |ISSN=1612-9954 |Seiten=58–63, hier S. 61–62}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Thomas Brock |url=https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,466195,00.html |titel=Windeby – Geheimnis der Moorleichen gelüftet |werk=[[Spiegel online]] |datum=2007-08-17 |zugriff=2011-12-06}}</ref>

=== Datierung ===
Der Mann von Osterby wurde aufgrund seiner charakteristischen Frisur in die [[Römische Kaiserzeit]] datiert. Durch eine [[Radiokohlenstoffdatierung|<sup>14</sup>C-Datierung]] einer Haarprobe aus dem Nachlass von [[Alfred Dieck]], einer möglicherweise unsicheren Quelle<ref>{{Literatur |Autor=[[Wijnand van der Sanden]] |Hrsg=Niedersächsischer Landesverein für Urgeschichte |Titel=C14-Datierungen von Moorleichen aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein |Sammelwerk=Die Kunde N.F. |Nummer=46 |Ort=Hildesheim |Datum=1995 |ISSN=0342-0736 |Seiten=137–155 |Kommentar=zur Herkunft der analysierten Probe GrA-822}}</ref>, konnte sein Todeszeitpunkt in dem Zeitraum zwischen 75 und 130 n. Chr. genauer eingegrenzt werden.<ref>{{BibDOI|10.1016/j.jas.2003.09.012}}</ref>

== Deutung ==
Die Fundumstände, die Umstände der Deponierung des Mannes von Osterby sowie die gefundenen Objekte weisen zahlreiche Parallelen zu anderen Moorleichenfunden auf. Der Mann von Osterby wurde – wie andere Funde aus der [[Eisenzeit]] – enthauptet und im Moor niedergelegt. Die Frakturen am Schädel durch Einschlagen mit einem stumpfen Gegenstand deuten auf eine beabsichtigte Mehrfachtötung hin. Ob an dem Mann eine [[Todesstrafe]] aufgrund germanischer Rechtssitten vollstreckt oder ob er [[Menschenopfer|geopfert]] wurde, lässt sich heute nicht mehr sicher klären. Mehrere Moorleichen belegen diese Praxis, unter anderem der [[Mann von Dätgen]], der ebenfalls einen Suebenknoten trägt und dessen Kopf mehrere Meter vom Körper entfernt gefunden wurde, oder auch die [[Frau von Roum Mose]] aus [[Dänemark]]. Ob auch der Körper des Mannes von Osterby in der Nähe des Kopfes im Moor abgelegt wurde, ist ebenfalls nicht mehr ermittelbar, da dieser möglicherweise unbemerkt mit dem Torf abgebaut wurde, an einer weiter entfernten Stelle noch unentdeckt liegt oder bereits historisch auf andere Weise beseitigt wurde.


== Literatur ==
== Literatur ==
* {{Literatur |Autor=[[Michael Gebühr]] |Hrsg=Verein zur Förderung des Archäolog. Landesmuseums e.&nbsp;V., Schloß Gottorf |Titel=Moorleichen in Schleswig-Holstein |Verlag=Wachholtz |Ort=Neumünster |Datum=2002 |ISBN=3-529-01870-8}}
*Karl Schlabow: ''Haartracht und Pelzschulterkragen der Moorleiche von Osterby''. In:''Sonderdruck aus Offa 8, Berichte und Mitteilungen aus dem schleswig-holsteinischen Museum vorgeschichtlicher Altertümer in Schleswig und dem Seminar für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Kiel'', 1949 S.3-7
* {{Literatur |Autor=[[Karl Kersten]] |Hrsg=Institut für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel |Titel=Ein Moorleichenfund von Osterby bei Eckernförde |Sammelwerk=Offa. Berichte u. Mitteilungen zur Urgeschichte, Frühgeschichte u. Mittelalterarchäologie |Band=8 |Verlag=Wachholtz |Ort=Neumünster |Datum=1949 |ISSN=0078-3714 |Seiten=1–2 |Kommentar=Erstpublikation}}
*Michael Gebühr: ''Moorleichen in Schleswig-Holstein'' Archäologisches Landesmuseum Schloß Gottorf, Schleswig 2002
* {{Literatur |Autor=[[Karl Schlabow]] |Hrsg=Institut für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel |Titel=Haartracht und Pelzschulterkragen der Moorleiche von Osterby |Sammelwerk=Offa. Berichte u. Mitteilungen zur Urgeschichte, Frühgeschichte u. Mittelalterarchäologie |Band=8 |Verlag=Wachholtz |Ort=Neumünster |Datum=1949 |ISSN=0078-3714 |Seiten=3–7}}
*Publius Cornelius Tacitus: ''Germania - Lateinisch/Deutsch. Übersetzt, erläutert und mit einem Nachwort herausgegeben von Manfred Fuhrmann.'' Verlag Reclam, Ditzingen 1972, ISBN 3150093910
* {{BibISBN|9067074160}}

== Weblinks ==
* {{Internetquelle |url=http://www.osterby.de/osterby/Moorleichenfund/Moorleichenfund.htm |titel=Der Moorleichenfund von Osterby |hrsg=Gemeinde Osterby |archiv-url=https://web.archive.org/web/20090226232246/http://www.osterby.de/osterby/Moorleichenfund/Moorleichenfund.htm |archiv-datum=2009-02-26 |zugriff=2011-12-06}}
* {{Internetquelle |autor=[[Karl Schlabow]] |url=http://www.osterby.de/osterby/Haartracht_Pelzschulterkragen/aussehen_moorleiche.htm |titel=Haartracht und Pelzschulterkragen der Moorleiche von Osterby |hrsg=Gemeinde Osterby |archiv-url=https://web.archive.org/web/20120105033829/http://www.osterby.de/osterby/Haartracht_Pelzschulterkragen/aussehen_moorleiche.htm |archiv-datum=2012-01-05 |zugriff=2011-12-06}}
* {{Internetquelle |url=https://www.pbs.org/wgbh/nova/bog/iron-09.html |titel=Osterby Man A.D. 1-100 |werk=The Perfect Corpse homepage |hrsg=NOVA PBS |zugriff=2011-12-06 |sprache=en |kommentar=Foto des Kopfes}}
* {{Internetquelle |url=http://greif.uni-greifswald.de/geogreif/geogreif-content/upload/mtbl/MTBL1524Huetten1877Kopie.jpg |titel=TK25 Blatt 1524 Hütten – Ausgabe 1877 |werk=GeoGREIF Geographische Sammlungen |hrsg=[[Universität Greifswald]] |zugriff=2011-12-06 |kommentar=Lage der beiden Torfstiche südöstlich der Ortslage}}

== Einzelnachweise ==
<references />


{{SORTIERUNG:Mann Von Osterby}}
== Weblink ==
[[Kategorie:Moorleiche|Osterby]]
*[http://www.osterby.de/osterby/Moorleichenfund/Moorleichenfund.htm Gemeinde Osterby über den Kopf von Osterby]
[[Kategorie:Archäologischer Fund (Eisenzeit)]]
[[Kategorie:Archäologischer Fund (Schleswig-Holstein)]]
[[Kategorie:Osterby (Kreis Rendsburg-Eckernförde)]]
[[Kategorie:Geboren im 1. Jahrhundert]]
[[Kategorie:Gestorben im 1. oder 2. Jahrhundert]]
[[Kategorie:Mann]]


{{Personendaten
[[Kategorie:Moorleiche]]
|NAME=Mann von Osterby
[[Kategorie:Archäologischer Fund]]
|ALTERNATIVNAMEN=
|KURZBESCHREIBUNG=Moorleiche
|GEBURTSDATUM=1. Jahrhundert
|GEBURTSORT=
|STERBEDATUM=zwischen 75 und 130
|STERBEORT=bei [[Osterby (Kreis Rendsburg-Eckernförde)]]
}}

Aktuelle Version vom 28. Juli 2025, 12:32 Uhr

Kopf von Osterby mit Suebenknoten-Frisur

Bei dem Mann von Osterby handelt es sich um den Schädel einer Moorleiche aus dem Köhlmoor, südöstlich von Osterby bei Eckernförde.

Beim Torfstechen wurde der Schädel am 26. Mai 1948 von den Brüdern Otto und Max Müller aus Osterby auf der Parzelle ihres Vaters aufgefunden. Er lag in einer Tiefe von etwa 65 bis 70 cm unter der damaligen Moor-Oberfläche. Max Müller bemerkte die von seinem Spaten herunterhängenden Fellreste. Daraufhin durchsuchten beide den abgeworfenen Torf und bargen die Teile des Schädels und des Umhangs. Der Damendorfer Landwirt Detlef Thomes meldete den Fund dem Museum in Schleswig. Trotz intensiver Nachsuche in der Umgebung der Fundstelle wurden keine weiteren Leichenteile gefunden.
Fundort: 54° 26′ 50,9″ N, 9° 46′ 9,5″ OKoordinaten: 54° 26′ 50,9″ N, 9° 46′ 9,5″ O[1]

Seitenansicht des Kopfes mit Suebenknoten

Das geborgene Bündel bestand aus Fellstücken mit einem darin eingewickelten Schädel, die ursprünglich in dem Moor versenkt wurden. Beides wurde vor der Bergung durch Spatenstiche beschädigt. Daneben wurden keine weiteren Funde gemacht.

Anthropologische Befunde

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Der Schädel liegt in zahlreichen Fragmenten nahezu vollständig vor. Die Knochen sind durch die Einwirkung der Moorsäuren entkalkt, sind etwas geschrumpft und von dunkelbrauner Farbe. Wenige Teile der Kopfhaut sowie die Haare sind gut erhalten, Haut und Gewebe im Gesicht sind dagegen vollständig vergangen. An der linken Schädelseite wurde eine großflächige Verletzung festgestellt, die möglicherweise zum Tod geführt hatte: Auf einer Fläche von etwa 12 cm Durchmesser wurde der Schädel mit einem stumpfen Gegenstand eingeschlagen, der Knochen war an der linken Schläfe völlig zersplittert und teilweise tief in das Gehirn eingedrungen. Allerdings ist der Schädel auch im Ganzen durch die auf ihm lastenden Erdmassen deformiert worden. Das Gesichtsskelett ist insgesamt gut erhalten und das Obergesicht ist nahezu unbeschädigt. Aufgrund des Verwachsungsgrades der Schädelnähte sowie der anatomischen Merkmale wird der Schädel einem etwa 50 bis 60 Jahre alten Mann zugeschrieben. Deutlich erkennbare Schnittspuren am zweiten Halswirbel belegen, dass der Kopf mit einem scharfen Gegenstand gewaltsam vom Rumpf abgetrennt wurde.

Die Haupthaare waren flachwellig und dünn. Eine mikroskopische Untersuchung ergab, dass die durch die Einwirkung der Moorsäuren rötlichbraun verfärbten Kopfhaare ursprünglich dunkelblond waren und der Mann altersbedingt schon einzelne weiße Haare hatte. Isotopenanalysen an Proben der Kopfhaare ergaben bei der Neubearbeitung im Jahre 2005, dass der Mann zumindest in seinem letzten Lebensjahr auffallend selten Fleisch aß, wobei Pflanzenfresser den Hauptanteil seiner tierischen Ernährung stellten. Dagegen hatten Seetiere wie Fische oder Muscheln nachweislich keinen Anteil an seiner Ernährung. Die parasitologischen Untersuchungen der Haare ergaben, dass sie, für die damalige Zeit ungewöhnlich, frei von Kopfläusen waren.[2] Zur Konservierung und Vorbereitung für die Ausstellung im Museum wurde der Schädel zur Stabilisierung mit einer Gipsmasse ausgefüllt.

Wappen der Gemeinde Osterby mit Suebenknoten

Auffälligstes Merkmal des Kopfes ist die Frisur mit den außerordentlich gut erhaltenen Haaren, die über der rechten Schläfe zu einem sogenannten Suebenknoten gebunden sind. Dazu wurden die langen Haare des Mannes am Hinterkopf vertikal in zwei Stränge geteilt. Der linke Strang wurde links um den Kopf, tief über die Stirn, auf die rechte Kopfseite gelegt. Der rechte Strang wurde oberhalb des rechten Ohres an der Schläfe, über den linken Strang gelegt und beide mit einer scharfen Rechtsdrehung verzwirnt. Dieser Strang wurde zu einer Schlaufe gelegt und das lose Ende des Stranges schlaufenförmig hindurchgezogen. Dieser Suebenknoten wird von dem römischen Geschichtsschreiber Tacitus im Kapitel 38 seiner Germania als ein typisches Merkmal freier Männer bei den Sueben, eines germanischen Stammes beschrieben. Daneben ist er aus zahlreichen römischen Abbildungen auf Plastiken und mindestens einem weiteren archäologischen Fund bekannt, dem des Mannes von Dätgen. Seit 1998 führt die Gemeinde Osterby den Suebenknoten des Mannes von Osterby in ihrem Wappen.[3][4]

Das bereits stark zerfallene Kleidungsstück, in das der Kopf eingewickelt war, besteht aus gegerbten und zusammengenähten Fellstücken. Das geborgene Fragment hat eine Breite von 40 cm und eine Länge von etwa 53 cm. Die Fellstücke wurden mikroskopisch anhand der Haarmerkmale als rehähnlich bestimmt. Die einzelnen Fellstücke wurde mit feinen Stoßnähten verbunden. Der Halsausschnitt ist mit einem umgeschlagenen, etwa einem Zentimeter breiten Lederstreifen eingesäumt. Alle Nähte wurden sorgfältig mit sehr feinen Darmsaiten ausgeführt. Einige der vorgefundenen Nähte lassen vermuten, dass es sich um spätere Reparaturstellen handelte. Aufgrund der vorliegenden Fragmente sowie einiger bekannter Vergleichsfunde wird das Kleidungsstück als Pelzumhang gedeutet und wurde im 20. Jahrhundert von Textilarchäologen auch als Pelzschulterkragen bezeichnet. Vergleichbare Pelzumhänge sind aus zahlreichen archäologischen Funden bekannt wie beispielsweise den Frauen von Elling und Haraldskær, dem Mädchen von Dröbnitz, dem Jungen von Kayhausen oder dem Mann aus Jührdenerfeld.

Die anthropologische Untersuchung des Schädels wurde durch Peter Löhr durchgeführt, der feststellte, dass der Schädel durch die Lagerung im Moor geschrumpft war. Im Rahmen seiner Promotion über das experimentelle Schrumpfen von Schädeln unternahm Löhr auch an dem Osterbyer Schädel zahlreiche Versuche. Mehrfach wässerte er den Schädel, wodurch dieser aufquoll, und trocknete ihn anschließend wieder – begleitet von detaillierten Messungen. Löhr nahm an, dass der Schädel im aufgequollenen Zustand seine nahezu ursprüngliche Größe einnahm und beim anschließenden Trocknen nicht gleichmäßig einschrumpfte. Für seine Untersuchung lagen Peter Löhr der Schädel selbst, stark geschrumpfte Zähne sowie ein vollständiger Unterkiefer mit einem stark vorspringenden Kinn vor.[5] Neuere Untersuchungen des Osterbyer Kopfes ergaben, dass der in der Dauerausstellung des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum Schloss Gottorf ausgestellte Schädel bei der Präparation für die Ausstellung durch Karl Schlabow, wohl aus ästhetischen Gründen, mit einem ursprünglich nicht zu diesem Kopf gehörigen Unterkiefer ergänzt wurde.[6][7]

Der Mann von Osterby wurde aufgrund seiner charakteristischen Frisur in die Römische Kaiserzeit datiert. Durch eine 14C-Datierung einer Haarprobe aus dem Nachlass von Alfred Dieck, einer möglicherweise unsicheren Quelle[8], konnte sein Todeszeitpunkt in dem Zeitraum zwischen 75 und 130 n. Chr. genauer eingegrenzt werden.[9]

Die Fundumstände, die Umstände der Deponierung des Mannes von Osterby sowie die gefundenen Objekte weisen zahlreiche Parallelen zu anderen Moorleichenfunden auf. Der Mann von Osterby wurde – wie andere Funde aus der Eisenzeit – enthauptet und im Moor niedergelegt. Die Frakturen am Schädel durch Einschlagen mit einem stumpfen Gegenstand deuten auf eine beabsichtigte Mehrfachtötung hin. Ob an dem Mann eine Todesstrafe aufgrund germanischer Rechtssitten vollstreckt oder ob er geopfert wurde, lässt sich heute nicht mehr sicher klären. Mehrere Moorleichen belegen diese Praxis, unter anderem der Mann von Dätgen, der ebenfalls einen Suebenknoten trägt und dessen Kopf mehrere Meter vom Körper entfernt gefunden wurde, oder auch die Frau von Roum Mose aus Dänemark. Ob auch der Körper des Mannes von Osterby in der Nähe des Kopfes im Moor abgelegt wurde, ist ebenfalls nicht mehr ermittelbar, da dieser möglicherweise unbemerkt mit dem Torf abgebaut wurde, an einer weiter entfernten Stelle noch unentdeckt liegt oder bereits historisch auf andere Weise beseitigt wurde.

  • Michael Gebühr: Moorleichen in Schleswig-Holstein. Hrsg.: Verein zur Förderung des Archäolog. Landesmuseums e. V., Schloß Gottorf. Wachholtz, Neumünster 2002, ISBN 3-529-01870-8.
  • Karl Kersten: Ein Moorleichenfund von Osterby bei Eckernförde. In: Institut für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Hrsg.): Offa. Berichte u. Mitteilungen zur Urgeschichte, Frühgeschichte u. Mittelalterarchäologie. Band 8. Wachholtz, 1949, ISSN 0078-3714, S. 1–2 (Erstpublikation).
  • Karl Schlabow: Haartracht und Pelzschulterkragen der Moorleiche von Osterby. In: Institut für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Hrsg.): Offa. Berichte u. Mitteilungen zur Urgeschichte, Frühgeschichte u. Mittelalterarchäologie. Band 8. Wachholtz, 1949, ISSN 0078-3714, S. 3–7.
  • Wijnand van der Sanden: Mumien aus dem Moor. Die vor- und frühgeschichtlichen Moorleichen aus Nordwesteuropa. Batavian Lion International, Amsterdam 1996, ISBN 90-6707-416-0 (niederländisch, Originaltitel: Vereeuwigd in het veen. Übersetzt von Henning Stilke).
  • Der Moorleichenfund von Osterby. Gemeinde Osterby, archiviert vom Original am 26. Februar 2009; abgerufen am 6. Dezember 2011.
  • Karl Schlabow: Haartracht und Pelzschulterkragen der Moorleiche von Osterby. Gemeinde Osterby, archiviert vom Original am 5. Januar 2012; abgerufen am 6. Dezember 2011.
  • Osterby Man A.D. 1-100. In: The Perfect Corpse homepage. NOVA PBS, abgerufen am 6. Dezember 2011 (englisch, Foto des Kopfes).
  • TK25 Blatt 1524 Hütten – Ausgabe 1877. In: GeoGREIF Geographische Sammlungen. Universität Greifswald, abgerufen am 6. Dezember 2011 (Lage der beiden Torfstiche südöstlich der Ortslage).

Einzelnachweise

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  1. Karl Kersten: Ein Moorleichenfund von Osterby bei Eckernförde. In: Institut für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Hrsg.): Offa. Berichte u. Mitteilungen zur Urgeschichte, Frühgeschichte u. Mittelalterarchäologie. Band 8. Wachholtz, 1949, ISSN 0078-3714, S. 1, Abb. 1 (Erstpublikation).
  2. Heather Catherine Gill-Robinson: The iron age bog bodies of the Archaeologisches Landesmuseum, Schloss Gottorf, Schleswig, Germany. Dissertation. University of Manitoba, Manitoba, Kanada 2006, ISBN 0-494-12259-5 (englisch).
  3. Wappen. Gemeinde Osterby, archiviert vom Original am 26. Februar 2009; abgerufen am 6. Dezember 2011.
  4. Gemeinde Osterby, Kreis Rendsburg-Eckernförde. In: Wappenrolle Schleswig-Holstein. www.schleswig-holstein.de, abgerufen am 5. Februar 2020.
  5. Peter Löhr: Die Moorleiche von Osterby. Die experimentelle Schrumpfung von Schädeln. Anthropologisches Institut der Universität Kiel, Kiel 1950 (Dissertation).
  6. Thomas Brock: Rehabilitation einer Moorleiche. In: Abenteuer Archäologie: Kulturen, Menschen, Monumente. Nr. 1, 2007, ISSN 1612-9954, S. 58–63, hier S. 61–62.
  7. Thomas Brock: Windeby – Geheimnis der Moorleichen gelüftet. In: Spiegel online. 17. August 2007, abgerufen am 6. Dezember 2011.
  8. Wijnand van der Sanden: C14-Datierungen von Moorleichen aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein. In: Niedersächsischer Landesverein für Urgeschichte (Hrsg.): Die Kunde N.F. Nr. 46, 1995, ISSN 0342-0736, S. 137–155 (zur Herkunft der analysierten Probe GrA-822).
  9. Johannes van der Plicht, Wijnand van der Sanden, A. T. Aerts, H. J. Streurman: Dating bog bodies by means of 14C-AMS. In: Journal of Archaeological Science. Band 31, Nr. 4, April 2004, ISSN 0305-4403, S. 471–491, doi:10.1016/j.jas.2003.09.012 (englisch, ub.rug.nl [PDF; 388 kB; abgerufen am 2. Juni 2010]).