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„Streichklavier“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Geigenwerk Truchado.JPG|mini|hochkant|''Geigenwerk'' von Raymundo Truchado, 1625]]
Der [[Tonerzeugung]] nach ein [[Streichinstrument|gestrichenes Saiteninstrument]] ([[Chordophon]]), das mittels einer [[Klaviatur]] gespielt wird.
Der Aufbau erlaubt vollgriffiges mehrstimmiges Musizieren und eine Kontrolle der Dauer und Lautstärkenkurve und, je nach Konstruktion, auch Intonation jedes einzelnen Tones.


Das '''Streichklavier''', auch ''Bogenflügel, Geigenwerk, Geigenklavizimbel'' oder ''Sostenente-Piano'', ist ein [[Saiteninstrument]], das mittels einer [[Klaviatur]] gespielt wird. Anders als beim [[Hammerklavier]] werden die Saiten nicht angeschlagen, sondern [[Streichinstrument|gestrichen]].
[[bild:Haiden.jpg|thumb|right|Nürnbergisches Geigenwerk nach Praetorius]]


Der Aufbau erlaubt vollgriffiges mehrstimmiges Musizieren, eine Kontrolle der Dauer und Lautstärkenkurve und, je nach Konstruktion, auch die [[Intonation (Musik)|Intonation]] jedes einzelnen Tones.
Die auch als '''Bogenflügel''', '''Geigenwerk''' oder '''Geigenklavizimbel''' bezeichneten Instrumente sind seit dem 15. Jh. nachgewiesen. Bis ins 20. Jh. hinein entstand eine Vielzahl unterschiedlicher Konstruktionen.


Zumeist werden die [[Saite]]n mittels mit [[Kolophonium]] bestrichenen Rädern, Bändern oder Zylindern angestrichen und zum Klingen gebracht. Die Saiten sind nach [[Tonhöhe]] geordnet über einem [[Resonanzkörper]] angebracht. Die Korpusform entspricht häufig der Flügelform.
Streichklaviere sind seit dem 15. Jahrhundert nachgewiesen und bis ins 20. Jahrhundert hinein entstand eine Vielzahl unterschiedlicher Konstruktionen. Zumeist werden die [[Saite]]n mittels mit [[Kolophonium]] bestrichenen Rädern, Bändern oder [[Zylinder (Geometrie)|Zylindern]] gestrichen und dadurch in [[Schwingung]] versetzt. Die Saiten sind nach [[Tonhöhe]] geordnet über einem [[Resonanzkörper]] angebracht. Die [[Korpus (Musikinstrument)|Korpusform]] entspricht häufig der Flügelform.


Ein Streichklavier ist nicht zu verwechseln mit einem [[Geigenklavier]], das als lochkartengesteuerter Musikautomat den Klang einer Geige nachahmt.
==Geschichte==
Von [[Leonardo da Vinci]] sind Zeichnungen zu einem Streichklavier erhalten.


== Herkunft ==
Durch die Publikation Syntagma Musicum von [[Michael Praetorius]] errang [[Hans Haiden]]/[[Hans Heyden]]s '''Nürnbergisches Geigenwerk''' (Geigenklavizimbel) aus Nürnberg (ca. 1570) besondere Aufmerksamkeit.
[[Datei:Geigenwerk Praetorius.jpg|mini|hochkant|''Nürmbergisch Geigenwerck'' in Praetorius, ''Syntagma Musicum'', 1619, Tafel III]]
Beim diesem Instrument wird durch das Drücken einer [[Taste]] die damit über einen [[Haken]] verbundene [[Saite]] gegen ein mit [[Kolophonium]] bestrichenes [[Rad]] geführt und von diesem gestrichen. Da es keinen Druckpunkt gibt intonieren die Saiten abhängig vom Tastendruck.
Bereits von [[Leonardo da Vinci]] sind in seinen als ''[[Codex Atlanticus]]'' gebundenen Notizen Zeichnungen zu einem Streichklavier (''viola organista'') erhalten. Durch die Publikation ''[[Syntagma musicum]]'' von [[Michael Praetorius]] (1619) errang [[Hans Heyden (Instrumentenbauer)|Hans Heydens]] ''Nürnberger Geigenwerk'', auch ''Geigenklavizimbel'', aus Nürnberg (1575) besondere Aufmerksamkeit. Bei diesem Instrument wird durch das Drücken einer [[Taste]] die über einen Haken verbundene Saite gegen ein von der [[Drehleier]] bekanntes Streichrad geführt. Da es keinen Druckpunkt gibt, intonieren die Saiten abhängig vom Tastendruck. Um die große Zahl der Saiten zu streichen, gibt es mehrere nebeneinander angeordnete Räder, denen jeweils mehrere Saiten zugeordnet sind. Das Geigenwerk wird von zwei Personen bedient. Eine Person muss mit Hilfe einer Kurbel die Räder in Bewegung setzen, die andere spielt auf den Tasten. Im [[Musikinstrumentenmuseum Brüssel|Brüsseler Musikinstrumentenmuseum]] (MIM) befindet sich ein frühes Geigenwerk des Spaniers Fray Raymundo Truchado aus dem Jahr 1625.
Um die grosse Zahl der Saiten zu streichen gibt es mehrere nebeneinander angeordnete Räder denen jeweils mehrere Saiten zugeordnet sind.
Das Geigenwerk wird von zwei Personen bedient. Eine Person muss mit Hilfe einer Kurbel die Räder in Bewegung setzen, die andere spielt auf den Tasten.


[[1709]] konstruierte [[Georg Gleichmann]], Organist in Ilmenau, ein ähnliches Instrument mit einigen Verbesserungen und nannte es '''Klaviergambe'''; [[1741]] folgte Le Voirs in Paris ebenfalls mit einem '''Gambenklavier''', 1754 Hohlfeld zu Berlin mit dem '''Bogenklavier''', das gegenüber Heydens Instrument den Vorzug hatte, dass die Räder mit Pferdehaaren überzogen waren; [[1790]] Garbrecht in Königsberg mit einer versuchten Verbesserung des Bogenklaviers, [[1795]] Mayer in Görlitz mit seinem Bogenflügel, den [[1799]] Kunze in Prag brauchbarer gestaltete; [[1801]] Hübner mit seinem '''Clavecin harmonique''' ([[Orchestrion]]) und endlich [[1797]] Röllig in Wien mit der '''Xänorphica''', dem kompliziertesten Instrument dieser Art, das für jede Taste und Saite einen besonderen Bogen in Bewegung setzte.
Georg Gleichmann, Organist in [[Ilmenau]], konstruierte 1709 ein ähnliches Instrument mit einigen Verbesserungen und nannte es ''Klaviergambe''. 1741 folgte Le Voirs in Paris ebenfalls mit einem ''Gambenklavier'', 1754 Hohlfeld zu Berlin mit dem ''Bogenklavier'', das gegenüber Heydens Instrument den Vorzug hatte, dass die Räder mit Pferdehaaren überzogen waren. Eine Verbesserung des Bogenklaviers versuchte 1790 Garbrecht zusammen mit [[Ehregott Andreas Wasianski]] in [[Königsberg (Preußen)|Königsberg]], 1795 folgte Mayer in [[Görlitz]] mit seinem ''Bogenflügel'', den 1799 Kunze in Prag brauchbarer gestaltete. 1801 konstruierte Hübner sein ''Clavecin harmonique'' ([[Orchestrion]]) und 1797 [[Carl Leopold Röllig]] in Wien mit der ''Xänorphica'' das komplizierteste Instrument dieser Art, das für jede Taste und Saite einen besonderen Bogen in Bewegung setzte. Alle genannten Instrumente waren immer nur Kuriosa.


Von allen diesen Instrumenten hat es keines über das Renommee eines [[Kuriosum]]s hinausbringen können. Eine Kombination des Bogenflügels mit einem gewöhnlichen Klavier war [[Karl Greiner]]s '''Bogenhammerklavier''' aus dem Jahr [[1779]].
Eine Kombination des Bogenflügels mit einem gewöhnlichen Klavier war das ''Bogenhammerklavier'' des in [[Wetzlar]] tätigen Instrumentenbauers Karl Greiner (1753–1798) aus dem Jahr 1779.


Spielbare und funktionsfähige Nachbauten eines Streichklavieres und eines Geigenwerkes (es handelt sich um zwei verschiedene Instrumente) befinden sich im Instrumentenmuseum in [[Lißberg]] (Ortenberg). Die Nachbauten wurden von [[Kurt Reichmann]] angefertigt der das Streichklavier nach den Konstruktionsplänen da Vincis angefertigt hat.
Spielbare und funktionsfähige Nachbauten eines Streichklavieres und eines Geigenwerkes befinden sich im [[Musikinstrumentenmuseum Lißberg]] (Ortenberg). Die Nachbauten wurden von [[Kurt Reichmann]] nach den Konstruktionsplänen da Vincis angefertigt. Ein weiterer zeitgenössischer Konstrukteur von Streichklavieren ist der polnische Pianist und Instrumentenbauer Sławomir Zubrzycki.<ref>[http://www.violaorganista.com/en/home/ Webseiten von Sławomir Zubrzycki]</ref>


== Weitere gestrichene Tasteninstrumente ==
Das Streichklavier gehört zu den Kasten[[zither]]n, bei denen für jeden Ton eine unverkürzt angeregte Saite benötigt wird. Bei der seit dem 12. Jahrhundert in Westeuropa bekannten Drehleier werden die Saiten ebenfalls durch ein Streichrad angeregt, der Musiker verkürzt jedoch über die Tastatur die Saiten wie bei einem [[Lauteninstrument]]. Die Schlüsselfiedel ([[Nyckelharpa]]) entspricht der Drehleier, die Saiten werden jedoch mit einem Bogen gestrichen.


== Literatur ==
[[Kategorie:Historisches Musikinstrument]]
* Manuel Bärwald: [https://journals.qucosa.de/bjb/article/view/2233 ''„… ein Clavier von besonderer Erfindung“ – Der Bogenflügel von Johann Hohlfeld und seine Bedeutung für das Schaffen Carl Philipp Emanuel Bachs''.] In: ''Bach-Jahrbuch'', Band 94, 2008, S. 271–300.
[[Kategorie:Streichinstrument]]
* {{Meyers-1905 |Lemma=Bogenflügel |Band=3 |Seite=140 |zenoID=20006347193}}
[[Kategorie:Tasteninstrument]]
* Alexander Buchner: ''Das Sostenente-Piano''. In: ''Revue belge de Musicologie / Belgisch Tijdschrift voor Muziekwetenschap'', 1980, Band 34/35; [http://www.jstor.org/pss/3685912 Ausschnitt] jstor.org
[[Kategorie:Chordophon]]
* [[Georg Kinsky]]: ''Hans Haiden, der Erfinder des Nürnbergischen Geigenwerks''. In: ''[[Zeitschrift für Musikwissenschaft]]'', Leipzig 1923/1924, Band 6.

* Barry Lloyd: ''A Designer’s Guide to Bowed Keyboard Instruments.'' In: ''The Galpin Society Journal'', Juni 2003, Band 56, S. 152–174.
[[hu:Vonós zongora]]
* [[John Henry van der Meer]]: ''Gestrichene Saitenklaviere''. In: ''Basler Jahrbuch für Historische Musikpraxis'', 13, 1989, S. 141–181.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [https://www.nuernberginfos.de/nuernberg-mix/nuernberger-geigenwerk.php ''Nürnberger Geigenwerk''.] nuernberginfos.de
* [http://www.hammerfluegel.net/viewer.php?albid=36&stage=3 Streichklavier im Hammerklavier- Fotoarchiv]
* Katharina Preller: [https://adlersbergakademie.wordpress.com/praetorius-2015/praetorius-und-seine-zeit/das-geigenwerk-katharina-preller/ ''Das Geigenwerk''.]
* [https://www.museum.de/audioguide/76/13/DE/0 ''Drehleiern: Streichklavier und Geigenwerk''.] Video des Musikinstrumentenmuseums Lissberg
* [https://www.greifenberger-institut.de/en/wissenswertes/besaitete-tasteninstrumente/kuriosa/streichklavier.php ''Das Streichklavier: Nürmbergisch Geigenwerck.''] Greifenberger Institut für Musikinstrumentenkunde

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Normdaten|TYP=s|GND=4485702-0}}

[[Kategorie:Historisches Musikinstrument]]
[[Kategorie:Streichinstrument]]
[[Kategorie:Saitenklavier]]

Aktuelle Version vom 17. Oktober 2024, 19:27 Uhr

Geigenwerk von Raymundo Truchado, 1625

Das Streichklavier, auch Bogenflügel, Geigenwerk, Geigenklavizimbel oder Sostenente-Piano, ist ein Saiteninstrument, das mittels einer Klaviatur gespielt wird. Anders als beim Hammerklavier werden die Saiten nicht angeschlagen, sondern gestrichen.

Der Aufbau erlaubt vollgriffiges mehrstimmiges Musizieren, eine Kontrolle der Dauer und Lautstärkenkurve und, je nach Konstruktion, auch die Intonation jedes einzelnen Tones.

Streichklaviere sind seit dem 15. Jahrhundert nachgewiesen und bis ins 20. Jahrhundert hinein entstand eine Vielzahl unterschiedlicher Konstruktionen. Zumeist werden die Saiten mittels mit Kolophonium bestrichenen Rädern, Bändern oder Zylindern gestrichen und dadurch in Schwingung versetzt. Die Saiten sind nach Tonhöhe geordnet über einem Resonanzkörper angebracht. Die Korpusform entspricht häufig der Flügelform.

Ein Streichklavier ist nicht zu verwechseln mit einem Geigenklavier, das als lochkartengesteuerter Musikautomat den Klang einer Geige nachahmt.

Nürmbergisch Geigenwerck in Praetorius, Syntagma Musicum, 1619, Tafel III

Bereits von Leonardo da Vinci sind in seinen als Codex Atlanticus gebundenen Notizen Zeichnungen zu einem Streichklavier (viola organista) erhalten. Durch die Publikation Syntagma musicum von Michael Praetorius (1619) errang Hans Heydens Nürnberger Geigenwerk, auch Geigenklavizimbel, aus Nürnberg (1575) besondere Aufmerksamkeit. Bei diesem Instrument wird durch das Drücken einer Taste die über einen Haken verbundene Saite gegen ein von der Drehleier bekanntes Streichrad geführt. Da es keinen Druckpunkt gibt, intonieren die Saiten abhängig vom Tastendruck. Um die große Zahl der Saiten zu streichen, gibt es mehrere nebeneinander angeordnete Räder, denen jeweils mehrere Saiten zugeordnet sind. Das Geigenwerk wird von zwei Personen bedient. Eine Person muss mit Hilfe einer Kurbel die Räder in Bewegung setzen, die andere spielt auf den Tasten. Im Brüsseler Musikinstrumentenmuseum (MIM) befindet sich ein frühes Geigenwerk des Spaniers Fray Raymundo Truchado aus dem Jahr 1625.

Georg Gleichmann, Organist in Ilmenau, konstruierte 1709 ein ähnliches Instrument mit einigen Verbesserungen und nannte es Klaviergambe. 1741 folgte Le Voirs in Paris ebenfalls mit einem Gambenklavier, 1754 Hohlfeld zu Berlin mit dem Bogenklavier, das gegenüber Heydens Instrument den Vorzug hatte, dass die Räder mit Pferdehaaren überzogen waren. Eine Verbesserung des Bogenklaviers versuchte 1790 Garbrecht zusammen mit Ehregott Andreas Wasianski in Königsberg, 1795 folgte Mayer in Görlitz mit seinem Bogenflügel, den 1799 Kunze in Prag brauchbarer gestaltete. 1801 konstruierte Hübner sein Clavecin harmonique (Orchestrion) und 1797 Carl Leopold Röllig in Wien mit der Xänorphica das komplizierteste Instrument dieser Art, das für jede Taste und Saite einen besonderen Bogen in Bewegung setzte. Alle genannten Instrumente waren immer nur Kuriosa.

Eine Kombination des Bogenflügels mit einem gewöhnlichen Klavier war das Bogenhammerklavier des in Wetzlar tätigen Instrumentenbauers Karl Greiner (1753–1798) aus dem Jahr 1779.

Spielbare und funktionsfähige Nachbauten eines Streichklavieres und eines Geigenwerkes befinden sich im Musikinstrumentenmuseum Lißberg (Ortenberg). Die Nachbauten wurden von Kurt Reichmann nach den Konstruktionsplänen da Vincis angefertigt. Ein weiterer zeitgenössischer Konstrukteur von Streichklavieren ist der polnische Pianist und Instrumentenbauer Sławomir Zubrzycki.[1]

Weitere gestrichene Tasteninstrumente

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Das Streichklavier gehört zu den Kastenzithern, bei denen für jeden Ton eine unverkürzt angeregte Saite benötigt wird. Bei der seit dem 12. Jahrhundert in Westeuropa bekannten Drehleier werden die Saiten ebenfalls durch ein Streichrad angeregt, der Musiker verkürzt jedoch über die Tastatur die Saiten wie bei einem Lauteninstrument. Die Schlüsselfiedel (Nyckelharpa) entspricht der Drehleier, die Saiten werden jedoch mit einem Bogen gestrichen.

Einzelnachweise

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  1. Webseiten von Sławomir Zubrzycki