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„Koketterie“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Kokette Dame (Franz Ruß).jpg|miniatur|''Kokett'', Gemälde von Franz Ruß Ende des 19. Jahrhunderts]]
Eine '''Koketterie''' bezeichnet ein [[Widerspruch|widersprüchliches]] Verhalten, bei dem der Akteur darauf setzt, dass ihm die widersprüchlichen Elemente nicht vorgehalten werden, da diese nicht offen oder nicht im gleichen [[Medium]] zutage treten. Es wird vor allem für '[[Weiblichkeit|weibliches]]' Verhalten gebraucht. Das davon abgeleitete und selten gewordene Wort '''[[Kokotte]]''' (aus dem Französischen) bezeichnete [[Euphemie|euphemistisch]] eine elegante Halbweltdame (''demi-mondaine'').
[[File:Mosche Wulff Die Koketterie Imago 1925.png|thumb|[[Mosche Wulff]] zitiert [[Georg Simmel]] (1925)]]
'''Koketterie''' ([[Französische Sprache|französisch]]: ''coquetterie'') bezeichnet ein [[Eitelkeit|eitles]] oder gefallsüchtiges Verhalten oder Wesen.<ref>[https://www.duden.de/rechtschreibung/Koketterie#Bedeutung1 ''Koketterie''] auf duden.de, abgerufen am 28. Februar 2012</ref> Der Ausdruck wurde vom Adjektiv ''kokett'' ‚gefallsüchtig‘ abgeleitet, das jemanden „von eitel-selbstgefälligem Wesen“ beschreibt, der bestrebt ist „die Aufmerksamkeit anderer zu erregen und zu gefallen“.<ref>[https://www.duden.de/rechtschreibung/kokett ''kokett''] in duden.de, abgerufen am 28. Februar 2012</ref> Im Französischen ''coquet'' bedeutet es wörtlich auch ‚hahnenhaft, eitel wie ein Hahn‘. Das Verb ''kokettieren'' bezeichnet, so der Duden, ein Aufmerksamkeit erzeugendes Verhalten, „um bei jemandem erotisches Interesse zu erregen“, um „mit etwas nur [zu] spielen; sich nicht wirklich auf etwas ein[zu]lassen“ oder um „auf etwas im Zusammenhang mit der eigenen Person hin[zu]weisen, um sich damit interessant zu machen“.<ref>[https://www.duden.de/rechtschreibung/kokettieren ''kokettieren''], duden.de, abgerufen am 28. Februar 2012</ref>


== Etymologie und Wortgeschichte ==
Koketterie kann rein intuitiv betrieben werden und etwa auf Unentschlossenheit oder [[Wankelmut]] beruhen. Sie kann aber auch gezielt eingesetzt oder berechnet sein, um gerade durch den Widerspruch [[Aufmerksamkeit]] oder Zustimmung zu erzielen, so etwa in der [[Kunst]] oder der [[Politik]].
Das Adjektiv ''kokett'' leitet sich von französisch ''coquet'' ‚kleiner Hahn‘ ab und bezeichnet im übertragenen Sinne das „Verhalten einer Person, die einer Person des anderen Geschlechts gefallen möchte“;<ref>Le Petit Robert (3. Auflage), Dictionnaires de Robert, Paris (2003), Seite 548</ref> es wurde im 17. Jahrhundert in die deutsche Sprache [[Lehnwort|entlehnt]].<ref>Meyers Konversationslexikon, Band 10 (5. Auflage), Bibliographisches institut, Leipzig und Wien (1896), Seite 349</ref> Bereits früher, Anfang des 17. Jahrhunderts, ist das entsprechende Substantiv ''Kokette'' (franz. ''coquette'') für eine ‚gefallsüchtige Frau‘ bezeugt. Die Entlehnungen ''Koketterie'' und ''kokettieren'' stammen aus dem 18. Jahrhundert und gehen wesentlich auf den Einfluss [[Jean Jacques Rousseau]]s und dessen Kritik der Koketterie zurück.<ref>[[Burkhard Meyer-Sickendiek]]: Weibliche Koketterie: Zur Wirkkraft Rousseaus im Sturm und Drang, in: Zwischen Vielfalt und Imagination. Praktiken der Jean-Jacques Rousseau-Rezeption, hg. v. Jesko Reiling und Daniel Tröhler, Genf 2013, S. 101–120.</ref> Ebenfalls zu frz. ''coq'' ‚Hahn‘ gehört die [[Diminutiv|diminutive]] Ableitung frz. ''cocotte'' ‚Huhn, Hühnchen‘, dann ‚artiges, galantes junges Mädchen‘, auf dessen abschätzigem Gebrauch ‚gefallsüchtiges, leichtfertiges Mädchen‘ beruht, sowie die Entlehnung ''Kokotte'' für ‚(elegante) Dirne, Halbweltdame‘ im 19. Jahrhundert.<ref>Etymologisches Wörterbuch des Deutschen nach Pfeifer, [http://www.dwds.de/?qu=Koketterie&view=1 online] auf [[DWDS]], abgerufen am 28. Februar 2012</ref> Daher wurde der Ausdruck häufig mit [[Weiblichkeit|weiblichem]] Verhalten assoziiert, wovon sich auch ''Kokette'' für ‚gefallsüchtige Frau‘ und [[Wortstamm|wortstammverwandt]] ''Kokotte'' für eine Prostituierte (franz. ''cocotte'', kindersprachlich ‚Henne‘, ‚Hühnchen‘ zu französisch ''coq'' ‚Hahn‘) ableiteten. Häufiger bezeichnete es eine elegante [[Halbwelt]]dame (''demi-mondaine'') mit „loser Sittenauffassung“.


Koketterie wurde daher negativ konnotiert, so hieß es im [[Damen Conversations Lexikon]] aus dem Jahre 1836: {{Zitat|Koketterie ist falsche [[Anmut|Grazie]] […]. Sie ist für die Seele, was die Schminke für das Gesicht, eine Lüge; beide ziehen nur ein blödes Auge an. Koketterie ist ein Polyp des Herzens; zerschnitten, scheinbar vernichtet tausendmal, wächst er wieder an, bis er es zerstört. Koketterie ist ein kleiner Selbstmord. Das Gift der [[Heuchelei]] wirkt rückwärts; seine unausweichliche Folge ist Selbstvernichtung. In kleineren Dosen – wirkt es wie Opium; es regt auf, erhitzt, entflammt, begeistert zum Kampfe gegen alles Feindliche, aber – ihm folgen Erschlaffung, Leere des Gemüthes, Ekel.|Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 178–179.<ref>[http://www.zeno.org/nid/20001743570 online] auf [[zeno.org]], abgerufen am 28. Februar 2012</ref>}}
Eine typische Koketterie im sozialen Umgang besteht darin, durch [[Mimik]], [[Gestik]] oder Verhalten eine Aufmerksamkeit zu erwecken, auf Ansprache aber jegliches Interesse an einem weiteren Austausch in Abrede zu stellen. Im politischen Raum kann sie etwa darin auftreten, durch [[Symbolik]] oder [[Rhetorik]] die Nähe zu einer bestimmten politischen Position auszudrücken, diese aber im gesprochenen oder geschriebenen Wort abzulehnen.


[[Georg Simmel]] widmete in seinem Werk ''Philosophische Kultur'' 1911 der Koketterie ein eigenes Kapitel; sie sei ein Machtmittel der Frauen gegen die nach Normen und Gesetzen sozial überlegenen Männer. So schrieb er, „übersetzt man Koketterie mit ‚Gefallsucht‘, so verwechselt man das Mittel zu einem Zweck mit dem Triebe zu diesem Zweck“, weiter führte er unter anderem aus: {{Zitat|Indem die Koketterie dies ‚Halbverhülltsein‘ der Frau, das ihre tiefste Relation zum Manne ausdrückt, mit pointiertem Bewußtsein aufnimmt, würdigt sie freilich den letzten, metaphysischen Grund der Beziehung zu einem bloßen Mittel ihrer äußeren Realisierung herab; allein dies erklärt dennoch, – weshalb Koketterie keineswegs eine ‚Dirnenkunst‘ ist – so wenig, daß die hetärische ebenso wie die ungeistig-sinnlichste Frau keineswegs die koketteste zu sein pflegt – und daß Männer, auf die jede bloß äußerliche Verführung ganz ohne Wirkung bleibt, sich dem Reize der Koketterie bewußt und mit dem Gefühl ergeben, daß sie weder ihr Subjekt noch ihr Objekt entwürdigt.|Georg Simmel: ''Die Koketterie'', aus: ''Philosophische Kultur'', Alfred Kröner Verlag Leipzig, 1919 (2. Auflage), pp. 95-115.<ref>Georg Simmel: ''Psychologie der Koketterie'', in: ''Der Tag. Moderne illustrierte Zeitung Nr. 344'', Morgenblatt vom 11. Mai 1909, Illustrierter Teil Nr. 109, S. 1-3, und in: ''Illustrierte Zeitung Nr. 347'', Morgenblatt vom 12. Mai 1909, Illustrierter Teil Nr. 110, S. 1-3 (Berlin), [https://www.socio.ch/sim/verschiedenes/1909/koketterie.htm online auf socio.ch], abgerufen am 13. Januar 2021.</ref>}}
Der Soziologe [[Georg Simmel]] widmete in seiner "''Soziologie''" von 1908 der Koketterie ein eigenes Kapitel; ihm ist sie eine typische Waffe der Frauen gegen die nach Normen und Gesetzen sozial überlegenen Männer.

== Literatur ==
''Siehe auch:'' [[Flirt]]
* [[Mosche Wulff]]: ''Die Koketterie in psychoanalytischer Betrachtung''. In: [[Imago (Zeitschrift)|Imago]], 11.1925, S. 123–134
[[Kategorie:Soziologie]]

== Weblinks ==
{{Wiktionary}}

== Einzelnachweise ==
<references />

[[Kategorie:Handlung und Verhalten]]

Aktuelle Version vom 26. Februar 2023, 22:58 Uhr

Kokett, Gemälde von Franz Ruß Ende des 19. Jahrhunderts
Mosche Wulff zitiert Georg Simmel (1925)

Koketterie (französisch: coquetterie) bezeichnet ein eitles oder gefallsüchtiges Verhalten oder Wesen.[1] Der Ausdruck wurde vom Adjektiv kokett ‚gefallsüchtig‘ abgeleitet, das jemanden „von eitel-selbstgefälligem Wesen“ beschreibt, der bestrebt ist „die Aufmerksamkeit anderer zu erregen und zu gefallen“.[2] Im Französischen coquet bedeutet es wörtlich auch ‚hahnenhaft, eitel wie ein Hahn‘. Das Verb kokettieren bezeichnet, so der Duden, ein Aufmerksamkeit erzeugendes Verhalten, „um bei jemandem erotisches Interesse zu erregen“, um „mit etwas nur [zu] spielen; sich nicht wirklich auf etwas ein[zu]lassen“ oder um „auf etwas im Zusammenhang mit der eigenen Person hin[zu]weisen, um sich damit interessant zu machen“.[3]

Etymologie und Wortgeschichte

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Das Adjektiv kokett leitet sich von französisch coquet ‚kleiner Hahn‘ ab und bezeichnet im übertragenen Sinne das „Verhalten einer Person, die einer Person des anderen Geschlechts gefallen möchte“;[4] es wurde im 17. Jahrhundert in die deutsche Sprache entlehnt.[5] Bereits früher, Anfang des 17. Jahrhunderts, ist das entsprechende Substantiv Kokette (franz. coquette) für eine ‚gefallsüchtige Frau‘ bezeugt. Die Entlehnungen Koketterie und kokettieren stammen aus dem 18. Jahrhundert und gehen wesentlich auf den Einfluss Jean Jacques Rousseaus und dessen Kritik der Koketterie zurück.[6] Ebenfalls zu frz. coq ‚Hahn‘ gehört die diminutive Ableitung frz. cocotte ‚Huhn, Hühnchen‘, dann ‚artiges, galantes junges Mädchen‘, auf dessen abschätzigem Gebrauch ‚gefallsüchtiges, leichtfertiges Mädchen‘ beruht, sowie die Entlehnung Kokotte für ‚(elegante) Dirne, Halbweltdame‘ im 19. Jahrhundert.[7] Daher wurde der Ausdruck häufig mit weiblichem Verhalten assoziiert, wovon sich auch Kokette für ‚gefallsüchtige Frau‘ und wortstammverwandt Kokotte für eine Prostituierte (franz. cocotte, kindersprachlich ‚Henne‘, ‚Hühnchen‘ zu französisch coq ‚Hahn‘) ableiteten. Häufiger bezeichnete es eine elegante Halbweltdame (demi-mondaine) mit „loser Sittenauffassung“.

Koketterie wurde daher negativ konnotiert, so hieß es im Damen Conversations Lexikon aus dem Jahre 1836:

„Koketterie ist falsche Grazie […]. Sie ist für die Seele, was die Schminke für das Gesicht, eine Lüge; beide ziehen nur ein blödes Auge an. Koketterie ist ein Polyp des Herzens; zerschnitten, scheinbar vernichtet tausendmal, wächst er wieder an, bis er es zerstört. Koketterie ist ein kleiner Selbstmord. Das Gift der Heuchelei wirkt rückwärts; seine unausweichliche Folge ist Selbstvernichtung. In kleineren Dosen – wirkt es wie Opium; es regt auf, erhitzt, entflammt, begeistert zum Kampfe gegen alles Feindliche, aber – ihm folgen Erschlaffung, Leere des Gemüthes, Ekel.“

Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 178–179.[8]

Georg Simmel widmete in seinem Werk Philosophische Kultur 1911 der Koketterie ein eigenes Kapitel; sie sei ein Machtmittel der Frauen gegen die nach Normen und Gesetzen sozial überlegenen Männer. So schrieb er, „übersetzt man Koketterie mit ‚Gefallsucht‘, so verwechselt man das Mittel zu einem Zweck mit dem Triebe zu diesem Zweck“, weiter führte er unter anderem aus:

„Indem die Koketterie dies ‚Halbverhülltsein‘ der Frau, das ihre tiefste Relation zum Manne ausdrückt, mit pointiertem Bewußtsein aufnimmt, würdigt sie freilich den letzten, metaphysischen Grund der Beziehung zu einem bloßen Mittel ihrer äußeren Realisierung herab; allein dies erklärt dennoch, – weshalb Koketterie keineswegs eine ‚Dirnenkunst‘ ist – so wenig, daß die hetärische ebenso wie die ungeistig-sinnlichste Frau keineswegs die koketteste zu sein pflegt – und daß Männer, auf die jede bloß äußerliche Verführung ganz ohne Wirkung bleibt, sich dem Reize der Koketterie bewußt und mit dem Gefühl ergeben, daß sie weder ihr Subjekt noch ihr Objekt entwürdigt.“

Georg Simmel: Die Koketterie, aus: Philosophische Kultur, Alfred Kröner Verlag Leipzig, 1919 (2. Auflage), pp. 95-115.[9]
  • Mosche Wulff: Die Koketterie in psychoanalytischer Betrachtung. In: Imago, 11.1925, S. 123–134
Wiktionary: Koketterie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Koketterie auf duden.de, abgerufen am 28. Februar 2012
  2. kokett in duden.de, abgerufen am 28. Februar 2012
  3. kokettieren, duden.de, abgerufen am 28. Februar 2012
  4. Le Petit Robert (3. Auflage), Dictionnaires de Robert, Paris (2003), Seite 548
  5. Meyers Konversationslexikon, Band 10 (5. Auflage), Bibliographisches institut, Leipzig und Wien (1896), Seite 349
  6. Burkhard Meyer-Sickendiek: Weibliche Koketterie: Zur Wirkkraft Rousseaus im Sturm und Drang, in: Zwischen Vielfalt und Imagination. Praktiken der Jean-Jacques Rousseau-Rezeption, hg. v. Jesko Reiling und Daniel Tröhler, Genf 2013, S. 101–120.
  7. Etymologisches Wörterbuch des Deutschen nach Pfeifer, online auf DWDS, abgerufen am 28. Februar 2012
  8. online auf zeno.org, abgerufen am 28. Februar 2012
  9. Georg Simmel: Psychologie der Koketterie, in: Der Tag. Moderne illustrierte Zeitung Nr. 344, Morgenblatt vom 11. Mai 1909, Illustrierter Teil Nr. 109, S. 1-3, und in: Illustrierte Zeitung Nr. 347, Morgenblatt vom 12. Mai 1909, Illustrierter Teil Nr. 110, S. 1-3 (Berlin), online auf socio.ch, abgerufen am 13. Januar 2021.