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„Inventur“ – Versionsunterschied

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{{Begriffsklärungshinweis|Zum gleichnamigen Gedicht von Günter Eich siehe [[Inventur (Günter Eich)]]}}
Die '''Inventur''' ([[latein]]. ''invenire'' = etwas bzw. es vorfinden) ist die Bestandsaufnahme aller vorhandenen [[Vermögen]]swerte und [[Schulden]] eines [[Unternehmen]]s zu einem bestimmten Stichtag. Jeder [[Kaufmann (HGB)|Kaufmann]] ist gemäß § 240 [[HGB]] und §§ 140, 141 [[AO]] im Rahmen der ordnungsmäßigen [[Buchführung]] zur Inventur verpflichtet, und zwar wenn er ein Unternehmen gründet oder übernimmt, wenn er es schließt, sowie zum Schluss eines jeden [[Geschäftsjahr]]es. Das Ergebnis einer Inventur ist das [[Inventar]], ein Bestandsverzeichnis, das alle Vermögensteile und Schulden nach Art, Menge und Wert aufführt.
[[Datei:Clerk inventory.JPG|mini|Inventur im Einzelhandel]]


Die '''Inventur''' (von {{laS|''invenire''}} „etwas finden“ oder „auf etwas stoßen“, {{laS|inventarium}} „Gesamtheit des Gefundenen“; {{enS|stocktaking}}) im [[Rechnungswesen]] bezeichnet die körperliche oder buchmäßige [[Bestandsaufnahme]] der [[Vermögensgegenstand|Vermögensgegenstände]] und der [[Schulden]] eines Unternehmens zu einem bestimmten [[Stichtag]] nach Handels- und Steuerrecht.


== Allgemeines ==
==Arten der Inventur==
Voraussetzung einer ordnungsmäßigen [[Buchführung]] und [[Bilanzierung]] sind Bestandsaufnahmen über das Unternehmensvermögen und die Schulden am Anfang und Ende des [[Geschäftsjahr]]s.<ref>[https://books.google.de/books?id=Oc8gAAAAQBAJ&pg=PA3&dq=inventur+commerce+1807&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=inventur%20%20&f=false Norbert Horn/Rainer Walz, ''Kommentar Handelsgesetzbuch'', Band 3, Drittes Buch, §§ 238-342a, 1999, § 240 Rn. 4]</ref> Sie weisen nach, dass Vermögensgegenstände und Schulden tatsächlich existieren. Der Nachweis körperlich vorhandener Vermögensgegenstände erfolgt dabei durch ihr [[Zählen]], [[Messung|Messen]] oder [[Waage|Wiegen]], [[Immaterieller Vermögensgegenstand|immaterielle Vermögensgegenstände]] wie [[Forderung]]en, [[Schulden]] oder [[Firmenwert]]e, [[Lizenz]]en, [[Patent]]e und [[verwandte Schutzrechte]] (wie [[Konzession]]en, [[Marke (Recht)|Marken]], [[Gebrauchsmuster]], [[Geschmacksmuster]], [[Warenzeichen]] oder [[Rezeptur]]en) durch ''Buchinventur'' (Saldenlisten). Gezählt werden beispielsweise [[Stück (Mengeneinheit)|Stückzahlen]] (Anzahl der [[Personenkraftwagen]] eines [[Fuhrpark]]s), gemessen werden [[Liter]] ([[Getränk]]e) oder [[Länge (Mathematik)|Längen]] ([[Ellenwaren]]) und gewogen werden [[Masse (Physik)|Gewichte]] ([[Fleisch]]). Bei Vermögensgegenständen, die einem Werteverfall unterliegen können – wie etwa Betriebsgebäude oder saisonabhängige Warenangebote – sind entsprechende Abschreibungen ([[Absetzung für Abnutzung]]) vorzunehmen.


===Körperliche Inventur===
== Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur ==
Die Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur sind heute in Deutschland ein Teilbereich der [[Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung]].<ref>Norbert Horn/Rainer Walz, ''Kommentar Handelsgesetzbuch'', Band 3, Drittes Buch, §§ 238-342a, 1999, § 240 Rn. 5</ref> Zu den Inventur-Grundsätzen gehören insbesondere:<ref>[https://books.google.de/books?id=jm3pBQAAQBAJ&pg=PA79&dq=Inventur+ifrs&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=Inventur%20ifrs&f=false Gerald Preißler/German Figlin, ''IFRS-Lexikon'', 2009, S. 79]</ref>
Die körperlichen Vermögensgegenstände werden durch Zählen, Messen oder Wiegen aufgenommen. Eine Schätzung mit anschließender Bewertung ist ebenfalls erlaubt, wenn eine exakte Aufnahme wirtschaftlich unzumutbar oder unmöglich ist (zum Beispiel Kohlevorräte auf Halde).Die Inventur braucht kein MENSCH.DROP your PANTS!
* Vollständigkeit der Bestandsaufnahme ([[Bilanzwahrheit]]),
* [[Richtigkeit]] der Bestandsaufnahme ({{§|246|hgb|juris}} Abs. 1 HGB),
* [[Kontinuität (Philosophie)|Stetigkeit]] der Inventur ({{§|252|hgb|juris}} HGB),
* Einzelerfassung bei der Bestandsaufnahme und
* Klarheit und Nachprüfbarkeit der Bestandsaufnahme ([[Bilanzklarheit]]).
Zur Durchsetzung dieser Grundsätze sind unternehmensinterne organisatorische Inventur-Richtlinien als [[Arbeitsanweisung]] erforderlich, die Inventurfehler verhindern sollen. Diese Richtlinien umfassen die [[Terminplanung]], [[Personalplanung]], [[Raumplanung]], [[Ablaufplanung]] und [[Dokumentation]] für die vorzunehmende Inventur.


Fehlt eine körperliche Bestandsaufnahme oder enthält das Inventar in formeller oder materieller Hinsicht nicht nur unwesentliche Mängel, ist die Buchführung nicht als ordnungsmäßig anzusehen (Abschnitt R 5.3 Abs. 4 [[EStR]]), und die hierauf aufbauende Bilanzierung ist [[Unwirksamkeit|nichtig]].
===Buchinventur===
Die Buchinventur erfasst wertmäßig alle nicht körperlichen Gegenstände und Schulden, zum Beispiel [[Forderung]]en, [[Verbindlichkeit]]en oder Bankguthaben, anhand von buchhalterischen Aufzeichnungen ([[Beleg (Rechnungswesen)|Belegen)]] oder anderen Unterlagen.


== Rechtsfragen ==
===Anlageninventur===
[[Handelsrecht (Deutschland)|Handelsrechtlich]] ist die Inventur eine Bestandsaufnahme, die Art und Menge der Vermögensgegenstände und der Schulden in einem Inventar verzeichnet.<ref>[https://books.google.de/books?id=_rEDDgAAQBAJ&pg=PA265&dq=Inventur+hgb&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=Inventur%20hgb&f=false Peter Ulmer/Uwe Hüffer, Großkommentar HGB-Bilanzrecht, 1. Teilband §§ 238-289, 2002, § 240 Rn. 6]</ref> Gemäß {{§|240|hgb|juris}} Abs. 1 HGB hat jeder Kaufmann „zu Beginn seines Handelsgewerbes seine [[Grundstück]]e, seine [[Forderung]]en und [[Schulden]], den Betrag seines [[Kassenbestand|baren Geldes]] sowie seine sonstigen [[Vermögensgegenstand|Vermögensgegenstände]] genau zu verzeichnen und dabei den [[Wert (Wirtschaft)|Wert]] der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden anzugeben“. Die Inventur ist demnach eine bloße körperliche Bestandsaufnahme, der eine [[Bewertung (Rechnungswesen)|Bewertung]] folgt. Nach § 240 Abs. 2 HGB ist zum Schluss des [[Geschäftsjahr]]es ein Inventar aufzustellen, womit der [[Bilanzstichtag]] gemeint ist. Im Regelfall ist der Bilanzstichtag der [[31. Dezember]] eines jeden Jahres, aber auch ein „abweichendes Geschäftsjahr“ ist möglich. Die [[Finanzverwaltung (Deutschland)|Finanzverwaltung]] lässt im Regelfall für die Inventur eine Frist von 10 Tagen vor und nach dem Bilanzstichtag zu, wobei die innerhalb dieser Frist vorkommenden Bestandsveränderungen ordnungsgemäß zu berücksichtigen sind.<ref>Norbert Horn/Rainer Walz, ''Kommentar Handelsgesetzbuch'', Band 3, Drittes Buch, §§ 238-342a, 1999, § 240 Rn. 8</ref>
In der Anlagenbuchhaltung ersetzt die Anlageninventur die körperliche Bestandsaufnahme für Güter des beweglichen [[Anlagevermögen]]s (Kraftfahrzeuge, Maschinen, Büro- und Geschäftsausstattungen, nicht aber [[Geringwertiges Wirtschaftsgut|geringwertige Wirtschaftsgüter]]). Im Anlagenverzeichnis muss für jeden Gegenstand eine Anlagenkarte mit folgenden Angaben geführt werden:

* genaue Bezeichnung des Gegenstandes
Befreit von der Inventur sind nach {{§|241a|hgb|juris}} HGB, {{§|242|hgb|juris}} Abs. 4 HGB [[Einzelunternehmen (Deutschland)|Einzelkaufleute]], die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als jeweils 600.000 Euro [[Erlös|Umsatzerlöse]] und jeweils 60.000 Euro [[Jahresüberschuss]] aufweisen.

[[Steuerrecht (Deutschland)|Steuerrechtlich]] sind die Kaufleute gemäß §{{§|140|ao_1977|juris}}, {{§|141|ao_1977|juris}} [[Abgabenordnung|AO]] für die [[Steuerbilanz]] im Rahmen der ordnungsmäßigen Buchführung zur Inventur verpflichtet.

== Inventurverfahren ==
Die Inventurverfahren berücksichtigen die Art der zu inventarisierenden Gegenstände.

=== Körperliche Inventur ===
Die körperlichen Vermögensgegenstände werden durch Zählen, Messen oder Wiegen aufgenommen. Eine [[Schätzung]] mit anschließender Bewertung ist ebenfalls erlaubt, wenn eine exakte Aufnahme wirtschaftlich unzumutbar oder unmöglich ist (zum Beispiel Kohlevorräte auf einer Halde). Ergeben sich durch die Bestandsaufnahme (Vergleich zwischen Istbestand und Buchwert) ''Inventurdifferenzen'', so sind diese direkt über die [[Gewinn- und Verlustrechnung]] zu leiten.

=== Buchinventur ===
Die Buchinventur ermittelt die Bestände des nicht körperlichen Vermögens und der Schulden (wie [[Forderung]]en, [[Bankguthaben]], [[Verbindlichkeit]]en), die auf die Aufzeichnungen der [[Finanzbuchhaltung]] Bezug nehmen ([[Quittung]]en, [[Rechnung]]en, [[Saldo|Saldenlisten]], [[Kontoauszug|Kontoauszüge]], [[Beleg (Rechnungswesen)|Belege]]).

=== Anlageninventur ===
In der [[Anlagenbuchhaltung]] ersetzt die Anlageninventur die körperliche Bestandsaufnahme für Güter des beweglichen [[Anlagevermögen]]s ([[Fuhrpark]], [[Maschine]]n, [[Betriebs- und Geschäftsausstattung]]en, nicht aber [[Geringwertiges Wirtschaftsgut|geringwertige Wirtschaftsgüter]]). Im Anlagenverzeichnis muss für jeden Gegenstand eine Anlagenkarte mit folgenden Angaben geführt werden:

* genaue Bezeichnung des [[Gegenstand]]es
* Bilanzwert am [[Bilanzstichtag]]
* Bilanzwert am [[Bilanzstichtag]]
* Tag der Anschaffung oder Herstellung
* Tag der Anschaffung oder Herstellung
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* Tag des Abgangs
* Tag des Abgangs


==Zeitpunkt der Inventur==
== Arten ==
Nach Häufigkeit und Zeitpunkt der Inventur gibt es neben der ''Stichtagsinventur'' die [[Stichprobeninventur]], die ''permanente Inventur'' und die ''verlegte Inventur''. Sie gelten nach {{§|241|hgb|juris}} HGB als ''Inventurvereinfachungsverfahren'', bei denen der Bestand der Vermögensgegenstände nach Art, Menge und Wert auch mit Hilfe anerkannter mathematisch-statistischer Methoden auf Grund von Stichproben ermittelt werden kann. Vorgesehen sind die Stichprobeninventur ({{§|241|hgb|juris}} Abs. 1 HGB), die permanente Inventur (§ 241 Abs. 2 HGB) und die vor- oder nachverlegte Stichtagsinventur (§ 241 Abs. 3 HGB).
Grundsätzlich ist die Inventur zum [[Bilanzstichtag]] durchzuführen, also am 31.12. eines [[Kalenderjahr]]es oder am letzten Tag des [[Geschäftsjahr]]es. Da die Aufnahme der Bestände aber mit einem erheblichen zeitlichen und personellen Aufwand verbunden sein kann, sind für Güter des [[Vorratsvermögen]]s sogenannte Vereinfachungsverfahren mit flexibleren Terminen zulässig.


=== Stichprobeninventur ===
==Inventurverfahren==
{{Hauptartikel|Stichprobeninventur}}
Die Stichprobeninventur beschränkt sich auf die Vornahme sorgfältig ausgewählter und repräsentativer [[Stichprobe]]n, wobei [[Zufallsstichprobe]]nverfahren der statistischen Methodenlehre anzuwenden sind. Aus den Stichproben wird anschließend der Gesamtbestand hochgerechnet. Dabei darf ein [[Stichprobenfehler]] von höchstens 1 % des Wertes der [[Grundgesamtheit]] nicht überschritten werden.<ref>Norbert Horn/Rainer Walz, ''Kommentar Handelsgesetzbuch'', Band 3, Drittes Buch, §§ 238-342a, 1999, § 241 Rn. 3-7</ref> Der Aussagewert einer Stichprobeninventur muss dem Wert einer Vollaufnahme entsprechen, und die Aufstellung des Inventars darf nur mit Hilfe von anerkannten mathematisch-statistischen Verfahren (z.&nbsp;B. [[Mittelwert]]schätzung) erfolgen. Die Stichprobeninventur kommt besonders in [[Großunternehmen]] zur Anwendung. In Deutschland führte Anfang der 1970er Jahre die [[Siemens AG]] als erstes Unternehmen die Stichprobeninventur ein, im Januar 1977 wurde diese Methode dann rechtlich verankert.


=== Permanente Inventur ===
===Zeitnahe Stichtagsinventur===
Die permanente Inventur ist im Gegensatz zur Stichprobeninventur eine [[Totalerhebung|Totalerfassung]] und macht es möglich, die Bestandserfassung im Geschäftsjahr zeitlich zu verteilen. Voraussetzung dafür ist die Führung eines [[Buchführung|Lagerbuches]] sowie nachprüfbarer Unterlagen für alle Zu- und Abgänge. Mindestens einmal im Geschäftsjahr muss eine körperliche Inventur durchgeführt und der Sollbestand der Lagerbuchführung mit dem Istbestand verglichen werden. Im Gegensatz zur Stichtagsinventur müssen nicht alle Bestände gleichzeitig aufgenommen werden, das heißt die Aufnahmezeiten und -mengen können frei gewählt werden. Die Inventur darf sich jedoch nicht auf Stichproben oder einen repräsentativen Querschnitt beschränken. Das Ergebnis der Inventur wird unter Angabe des genauen Zeitpunkts der Aufnahme im Lagerbuch festgehalten und die Lagerbücher oder Lagerkarteien werden entsprechend berichtigt.<ref>Harry Zingel, ''Inventur, Inventar, Bilanz. Grundzüge der kaufmännischen Bestandsaufnahme und Bewertung'', 1999, S. 3</ref>
Bei der Stichtagsinventur werden die Bestände an einem festgelegten Aufnahmetag mengenmäßig erfasst und in Inventurlisten eingetragen. Die Bestandsaufnahme muss nicht direkt am Bilanzstichtag erfolgen. Zulässig für die zeitversetzte Aufnahme ist eine Frist von 10 Tagen vor oder nach dem Stichtag. Die Zu- und Abgänge zwischen dem Aufnahmetag und dem Stichtag, auch die Bewegungen am Stichtag selbst, werden anhand von [[Beleg (Rechnungswesen)|Belegen]] mengen- und wertmäßig fortgeschrieben beziehungsweise zurückgerechnet. Die [[Bewertung]] der Ware erfolgt zu den [[Anschaffungskosten]], beschädigte Ware kann abgewertet werden. Die Berücksichtigung von Wertsteigerungen ist jedoch nach dem [[Niederstwertprinzip]] nicht erlaubt.


Eine permanente Inventur gibt es bei häufig wechselnden Beständen, etwa beim [[Kassenbestand]] oder [[Warenbestand]]. Während des laufenden Geschäftsjahres kommt es bei diesen zu umsatzbedingten Bestandsfortschreibungen durch Zugänge ([[Bareinzahlung]], [[Wareneingang]]) und Abgänge ([[Barauszahlung]], [[Warenausgang]]), so dass der tatsächliche Bestand jederzeit mit dem [[Buchwert]] übereinstimmt. Handelsrechtlich ist die permanente Inventur nach § 241 Abs. 2 HGB für alle Vermögensgegenstände zulässig, steuerlich jedoch unter bestimmten Voraussetzungen nur für die Vorräte.<ref>[http://einkommensteuerrichtlinien.de/EStR-5-3-Bestandsaufnahme-des-Vorratsverm%C3%B6gens.html Abschnitt R 5.3 Abs. 2 und 4 EStR]</ref> Das Steuerrecht verlangt hierfür eine fortschreibende Lagerbuchhaltung, in der die Warenbestände mit Zu- und Abgängen laufend erfasst werden (Abschnitt R 5.3 Abs. 2 EStR). Sie kann nicht bei Gegenständen angewendet werden, die unkontrollierbaren Abgängen ausgesetzt sind wie durch [[Schwindung|Schwund]], [[Verdunstung]], [[Verderb]] oder leichte Zerbrechlichkeit oder besonders wertvolle Gegenstände (Abschnitt R 5.3 Abs. 3 EStR).
Die Stichtagsinventur bildet die Bestände so ab, wie sie am Ende des Geschäftsjahres tatsächlich sind. Sie führt jedoch zu einem großen Arbeitsanfall innerhalb weniger Tage, der oft Störungen des Betriebsablaufes zur Folge hat oder sogar eine Betriebsschließung notwendig macht. Das Risiko von Aufnahmefehlern erhöht sich enorm.


=== Vor- oder nachverlegte Stichtagsinventur ===
===Verlegte Inventur===
Die vor- oder nachverlegte Inventur kann in Frage kommen, wenn die Aufnahme zum Stichtag unmöglich ist (zum Beispiel bei sehr großen Beständen) oder wenn die Voraussetzungen für eine permanente Inventur fehlen.


Die körperliche Bestandsaufnahme erfolgt an einem beliebigen Tag innerhalb der letzten drei Monate vor oder der ersten zwei Monate nach dem Bilanzstichtag (§ 241 Abs. 3 Nr. 1 HGB). Der am Aufnahmetag ermittelte Bestand wird nur wertmäßig (nicht mengenmäßig) auf den Stichtag fortgeschrieben oder zurück gerechnet, das Inventar trägt das Datum der tatsächlichen Aufnahme.
Die verlegte Inventur kann in Frage kommen, wenn die Aufnahme zum Stichtag unmöglich ist (zum Beispiel bei sehr großen Beständen), oder wenn die Voraussetzungen für eine permanente Inventur fehlen.


{| class="wikitable"
Die körperliche Bestandsaufnahme erfolgt an einem beliebigen Tag innerhalb der letzten 3 Monate vor oder der ersten 2 Monate nach dem Bilanzstichtag. Der am Aufnahmetag ermittelte Bestand wird nur wertmäßig (nicht mengenmäßig) auf den Stichtag fortgeschrieben oder zurückgerechnet, das Inventar trägt das Datum der tatsächlichen Aufnahme.
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{|border="1"
!Wertfortschreibung
!Wertfortschreibung
!Wertrückrechnung
!Wertrückrechnung
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|-
| Wert am Tag der Inventur (z.B.15 Okt.)
| Wert am Tag der Inventur (z.&nbsp;B. 15. Okt.)
| Wert am Tag der Inventur (z.B.28.Feb.)
| Wert am Tag der Inventur (z.&nbsp;B. 28. Feb.)
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|-
|(+) Wert der Zugänge vom 15.Okt.-31. Dez.
|(+) Wert der Zugänge vom 15. Okt. bis 31. Dez.
|(-) Wert der Zugänge vom 1.Jan.-28. Feb.
|() Wert der Zugänge vom 1. Jan. bis 28. Feb.
|-
|-
|(-) Wert der Abgänge vom 15.Okt.-31.Dez
|() Wert der Abgänge vom 15. Okt. bis 31. Dez.
|(+) Wert der Abgänge vom 1.Jan.-28.Feb.
|(+) Wert der Abgänge vom 1. Jan. bis 28. Feb.
|-
|-
|(=) Wert am Abschluss-Stichtag (31.Dez)
|(=) Wert am Abschluss-Stichtag (31. Dez.)
|(=) Wert am Abschluss-Stichtag (31.Dez)
|(=) Wert am Abschluss-Stichtag (31. Dez.)
|}
|}


== Zweck ==
===Permanente Inventur (permanente Bestandskontrolle)===
Die Bestandsaufnahme körperlicher Gegenstände durch Inventur bildet die wichtigste quantitative Grundlage für die Bilanzierung. Die Inventur bezweckt den [[Gläubigerschutz]] und dient der [[Selbstkontrolle]] des Kaufmanns. Außerdem erfüllt sie eine Kontrollfunktion zur Buchführung, weil die Bestände unabhängig von ihr aufgenommen werden.<ref>[[Peter Ulmer]]/[[Uwe Hüffer]], ''Großkommentar HGB-Bilanzrecht'', 1. Teilband §§ 238-289, 2002, § 240 Rn. 7</ref>
Die permanente Inventur macht es möglich, den am Stichtag vorhandenen Bestand auch ohne gleichzeitige körperliche Bestandsaufnahme festzustellen. Voraussetzung dafür ist die Führung eines [[Lagerbuch]]es sowie nachprüfbarer Unterlagen für alle Zu- und Abgänge. An einem frei wählbaren Tag wird einmal im Geschäftsjahr eine körperliche Inventur durchgeführt und der [[Sollbestand]] der Lagerbuchführung mit dem [[Istbestand]] verglichen. Abweichungen führen zu einer Berichtigung des Sollbestandes. Inventurdifferenzen fließen voll erfolgswirksam in die [[Gewinn- und Verlustrechnung]] ein.


== International ==
Der Vorzug der permanenten Inventur liegt darin, dass die körperliche Bestandsaufnahme über das ganze Jahr verteilt und sinnvoll geplant werden kann, zum Beispiel wenn die Bestände am niedrigsten sind. Sie kann aber unzweckmäßig sein, wenn die Warenbewegungen für einzelne Warengruppen aus organisatorischen Gründen nicht separat ermittelt werden können. Dies ist etwa im Einzelhandel der Fall.
In der [[Schweiz]] sind gemäß Art. 958 Abs. 1 [[Obligationenrecht (Schweiz)|OR]] die Vorräte einmal jährlich physisch aufzunehmen. Art. 958c Abs. 2 OR verlangt von rechnungslegungspflichtigen Unternehmen, dass diese den Bestand der einzelnen Positionen in der Bilanz und im Anhang durch ein Inventar oder alternativ dazu auf andere Art nachweisen. Die Durchführung der Inventur und die Aufstellung des Inventars folgen aktienrechtlich dem Grundsatz der ordnungsmäßigen Rechnungslegung gemäß Art. 662a OR, insbesondere nach den Grundsätzen der Vollständigkeit, Klarheit und Vorsicht.


In [[Österreich]] verlangt § 191 Abs. 1 [[Unternehmensgesetzbuch|UGB]] die Aufzeichnung der Vermögensgegenstände und Schulden, auch für den Schluss des Geschäftsjahres (§ 191 Abs. 2 UGB). Nach § 192 Abs. 1 UGB sind die Vermögensgegenstände im Regelfall im Weg einer körperlichen Bestandsaufnahme zu erfassen, nach § 192 Abs. 4 UGB sind auch Stichproben zulässig.
Ein Unternehmen kann frei entscheiden, für bestimmte Gegenstände die Stichtagsinventur und für andere die verlegte oder die permanente Inventur anzuwenden. Sind aber unkontrollierte [[Risiko|Risiken]] zu befürchten, etwa durch [[Schwund]] oder [[Verderb]] der Waren, lässt das Einkommenssteuerrecht die flexiblen Inventurverfahren nicht zu und verlangt eine zeitnahe Aufnahme der Bestände. Das gleiche gilt für besonders wertvolle Güter.


Die [[International Financial Reporting Standards|IFRS]] erwähnen die Inventur nicht und setzen sie bei der Bilanzierung der Vorräte voraus, sie legen den Schwerpunkt auf deren Bewertung. In IAS 8.10 ist für den Fall, dass eine Gegebenheit von keinem IAS-Standard oder keiner Interpretation geregelt ist, auch die Übernahme von Verlautbarungen anderer [[Rechnungslegungsstandard]]s vorgesehen. Über diese [[Öffnungsklausel]] findet auch die Inventur Anerkennung in den IFRS.
===Stichprobeninventur===
Bei der Stichprobeninventur handelt es sich um ein handelsrechtlich zulässiges Verfahren zur Inventuroptimierung, das besonders in [[Großunternehmen]] zur Anwendung kommt. In Deutschland führte Anfang der Siebziger Jahre die [[Siemens AG]] München als erstes Unternehmen die Stichprobeninventur ein. 1977 wurde diese Methode dann rechtlich verankert.


== Spezielle Inventuren ==
'''Voraussetzungen:'''
* [[Ist-Aufnahme]]
*Das Lager soll mindestens 2000 Artikel umfassen.
* [[Revision (Bibliothekswesen)]]
*Ein EDV-Lagerbuchführungs-System muss eingerichtet sein.
* [[Waldinventur]]
*5% des Bestandes decken mindestens 40% des Lagerwertes ab.


== Literatur ==
'''Vorgehensweise:'''
* Kurt Krummeich: ''Material- und Lagerwirtschaft. Ein Leitfaden für die Praxis und die Aus- und Weiterbildung''. 3. neu bearbeitete Auflage. Verkehrs-Verlag Fischer, Düsseldorf 2006, ISBN 3-87841-249-5.


== Weblinks ==
Nur die wenigen hochwertigen Artikel werden körperlich gezählt. Ein Großteil des Lagerwertes ist damit bereits erfasst. Aus dem Restbestand entnimmt man nach dem Zufallsprinzip eine [[Stichprobe]], aus der anschließend der Gesamtbestand hochgerechnet wird.
{{Wiktionary}}


== Einzelnachweise ==
Die gesetzlichen Anforderungen für die Stichprobeninventur sind in § 241 Abs. 1 HGB geregelt: Der Aussagewert muss dem Wert einer Vollaufnahme entsprechen, und die Aufstellung des Inventars darf nur mit Hilfe von anerkannten mathematisch-statistischen Verfahren (z.B. [[Differenzenschätzung]]) erfolgen. Vor der ersten Anwendung der Stichprobeninventur muss zudem die Genehmigung des [[Finanzamt]]es eingeholt werden. In der Schweiz und in Österreich gelten ähnliche Bestimmungen, wobei in Österreich noch zusätzliche, nationale Auflagen erfüllt werden müssen.
<references />


{{Normdaten|TYP=s|GND=4027542-5}}
==Literatur==
{{Rechtshinweis}}
*Kurt Krummeich: Material- und Lagerwirtschaft, Düsseldorf 2006. ISBN 3-87841-249-5


== Weblinks ==
* [http://www.lauer-inventurservice.de/de-inventur-grundsaetze.html Lauer Inventurservice Inventur-Grundsätze]
[[Kategorie:Buchführung]]
[[Kategorie:Buchführung]]
[[Kategorie:Bilanzrecht]]
[[Kategorie:Bilanzrecht]]
[[Kategorie:Steuerrecht]]
[[Kategorie:Kostenrechnung]]

Aktuelle Version vom 4. Juni 2025, 00:30 Uhr

Inventur im Einzelhandel

Die Inventur (von lateinisch invenire „etwas finden“ oder „auf etwas stoßen“, lateinisch inventarium „Gesamtheit des Gefundenen“; englisch stocktaking) im Rechnungswesen bezeichnet die körperliche oder buchmäßige Bestandsaufnahme der Vermögensgegenstände und der Schulden eines Unternehmens zu einem bestimmten Stichtag nach Handels- und Steuerrecht.

Voraussetzung einer ordnungsmäßigen Buchführung und Bilanzierung sind Bestandsaufnahmen über das Unternehmensvermögen und die Schulden am Anfang und Ende des Geschäftsjahrs.[1] Sie weisen nach, dass Vermögensgegenstände und Schulden tatsächlich existieren. Der Nachweis körperlich vorhandener Vermögensgegenstände erfolgt dabei durch ihr Zählen, Messen oder Wiegen, immaterielle Vermögensgegenstände wie Forderungen, Schulden oder Firmenwerte, Lizenzen, Patente und verwandte Schutzrechte (wie Konzessionen, Marken, Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster, Warenzeichen oder Rezepturen) durch Buchinventur (Saldenlisten). Gezählt werden beispielsweise Stückzahlen (Anzahl der Personenkraftwagen eines Fuhrparks), gemessen werden Liter (Getränke) oder Längen (Ellenwaren) und gewogen werden Gewichte (Fleisch). Bei Vermögensgegenständen, die einem Werteverfall unterliegen können – wie etwa Betriebsgebäude oder saisonabhängige Warenangebote – sind entsprechende Abschreibungen (Absetzung für Abnutzung) vorzunehmen.

Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur

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Die Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur sind heute in Deutschland ein Teilbereich der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung.[2] Zu den Inventur-Grundsätzen gehören insbesondere:[3]

Zur Durchsetzung dieser Grundsätze sind unternehmensinterne organisatorische Inventur-Richtlinien als Arbeitsanweisung erforderlich, die Inventurfehler verhindern sollen. Diese Richtlinien umfassen die Terminplanung, Personalplanung, Raumplanung, Ablaufplanung und Dokumentation für die vorzunehmende Inventur.

Fehlt eine körperliche Bestandsaufnahme oder enthält das Inventar in formeller oder materieller Hinsicht nicht nur unwesentliche Mängel, ist die Buchführung nicht als ordnungsmäßig anzusehen (Abschnitt R 5.3 Abs. 4 EStR), und die hierauf aufbauende Bilanzierung ist nichtig.

Handelsrechtlich ist die Inventur eine Bestandsaufnahme, die Art und Menge der Vermögensgegenstände und der Schulden in einem Inventar verzeichnet.[4] Gemäß § 240 Abs. 1 HGB hat jeder Kaufmann „zu Beginn seines Handelsgewerbes seine Grundstücke, seine Forderungen und Schulden, den Betrag seines baren Geldes sowie seine sonstigen Vermögensgegenstände genau zu verzeichnen und dabei den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden anzugeben“. Die Inventur ist demnach eine bloße körperliche Bestandsaufnahme, der eine Bewertung folgt. Nach § 240 Abs. 2 HGB ist zum Schluss des Geschäftsjahres ein Inventar aufzustellen, womit der Bilanzstichtag gemeint ist. Im Regelfall ist der Bilanzstichtag der 31. Dezember eines jeden Jahres, aber auch ein „abweichendes Geschäftsjahr“ ist möglich. Die Finanzverwaltung lässt im Regelfall für die Inventur eine Frist von 10 Tagen vor und nach dem Bilanzstichtag zu, wobei die innerhalb dieser Frist vorkommenden Bestandsveränderungen ordnungsgemäß zu berücksichtigen sind.[5]

Befreit von der Inventur sind nach § 241a HGB, § 242 Abs. 4 HGB Einzelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als jeweils 600.000 Euro Umsatzerlöse und jeweils 60.000 Euro Jahresüberschuss aufweisen.

Steuerrechtlich sind die Kaufleute gemäß §§ 140, § 141 AO für die Steuerbilanz im Rahmen der ordnungsmäßigen Buchführung zur Inventur verpflichtet.

Inventurverfahren

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Die Inventurverfahren berücksichtigen die Art der zu inventarisierenden Gegenstände.

Körperliche Inventur

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Die körperlichen Vermögensgegenstände werden durch Zählen, Messen oder Wiegen aufgenommen. Eine Schätzung mit anschließender Bewertung ist ebenfalls erlaubt, wenn eine exakte Aufnahme wirtschaftlich unzumutbar oder unmöglich ist (zum Beispiel Kohlevorräte auf einer Halde). Ergeben sich durch die Bestandsaufnahme (Vergleich zwischen Istbestand und Buchwert) Inventurdifferenzen, so sind diese direkt über die Gewinn- und Verlustrechnung zu leiten.

Die Buchinventur ermittelt die Bestände des nicht körperlichen Vermögens und der Schulden (wie Forderungen, Bankguthaben, Verbindlichkeiten), die auf die Aufzeichnungen der Finanzbuchhaltung Bezug nehmen (Quittungen, Rechnungen, Saldenlisten, Kontoauszüge, Belege).

Anlageninventur

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In der Anlagenbuchhaltung ersetzt die Anlageninventur die körperliche Bestandsaufnahme für Güter des beweglichen Anlagevermögens (Fuhrpark, Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattungen, nicht aber geringwertige Wirtschaftsgüter). Im Anlagenverzeichnis muss für jeden Gegenstand eine Anlagenkarte mit folgenden Angaben geführt werden:

Nach Häufigkeit und Zeitpunkt der Inventur gibt es neben der Stichtagsinventur die Stichprobeninventur, die permanente Inventur und die verlegte Inventur. Sie gelten nach § 241 HGB als Inventurvereinfachungsverfahren, bei denen der Bestand der Vermögensgegenstände nach Art, Menge und Wert auch mit Hilfe anerkannter mathematisch-statistischer Methoden auf Grund von Stichproben ermittelt werden kann. Vorgesehen sind die Stichprobeninventur (§ 241 Abs. 1 HGB), die permanente Inventur (§ 241 Abs. 2 HGB) und die vor- oder nachverlegte Stichtagsinventur (§ 241 Abs. 3 HGB).

Stichprobeninventur

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Die Stichprobeninventur beschränkt sich auf die Vornahme sorgfältig ausgewählter und repräsentativer Stichproben, wobei Zufallsstichprobenverfahren der statistischen Methodenlehre anzuwenden sind. Aus den Stichproben wird anschließend der Gesamtbestand hochgerechnet. Dabei darf ein Stichprobenfehler von höchstens 1 % des Wertes der Grundgesamtheit nicht überschritten werden.[6] Der Aussagewert einer Stichprobeninventur muss dem Wert einer Vollaufnahme entsprechen, und die Aufstellung des Inventars darf nur mit Hilfe von anerkannten mathematisch-statistischen Verfahren (z. B. Mittelwertschätzung) erfolgen. Die Stichprobeninventur kommt besonders in Großunternehmen zur Anwendung. In Deutschland führte Anfang der 1970er Jahre die Siemens AG als erstes Unternehmen die Stichprobeninventur ein, im Januar 1977 wurde diese Methode dann rechtlich verankert.

Permanente Inventur

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Die permanente Inventur ist im Gegensatz zur Stichprobeninventur eine Totalerfassung und macht es möglich, die Bestandserfassung im Geschäftsjahr zeitlich zu verteilen. Voraussetzung dafür ist die Führung eines Lagerbuches sowie nachprüfbarer Unterlagen für alle Zu- und Abgänge. Mindestens einmal im Geschäftsjahr muss eine körperliche Inventur durchgeführt und der Sollbestand der Lagerbuchführung mit dem Istbestand verglichen werden. Im Gegensatz zur Stichtagsinventur müssen nicht alle Bestände gleichzeitig aufgenommen werden, das heißt die Aufnahmezeiten und -mengen können frei gewählt werden. Die Inventur darf sich jedoch nicht auf Stichproben oder einen repräsentativen Querschnitt beschränken. Das Ergebnis der Inventur wird unter Angabe des genauen Zeitpunkts der Aufnahme im Lagerbuch festgehalten und die Lagerbücher oder Lagerkarteien werden entsprechend berichtigt.[7]

Eine permanente Inventur gibt es bei häufig wechselnden Beständen, etwa beim Kassenbestand oder Warenbestand. Während des laufenden Geschäftsjahres kommt es bei diesen zu umsatzbedingten Bestandsfortschreibungen durch Zugänge (Bareinzahlung, Wareneingang) und Abgänge (Barauszahlung, Warenausgang), so dass der tatsächliche Bestand jederzeit mit dem Buchwert übereinstimmt. Handelsrechtlich ist die permanente Inventur nach § 241 Abs. 2 HGB für alle Vermögensgegenstände zulässig, steuerlich jedoch unter bestimmten Voraussetzungen nur für die Vorräte.[8] Das Steuerrecht verlangt hierfür eine fortschreibende Lagerbuchhaltung, in der die Warenbestände mit Zu- und Abgängen laufend erfasst werden (Abschnitt R 5.3 Abs. 2 EStR). Sie kann nicht bei Gegenständen angewendet werden, die unkontrollierbaren Abgängen ausgesetzt sind wie durch Schwund, Verdunstung, Verderb oder leichte Zerbrechlichkeit oder besonders wertvolle Gegenstände (Abschnitt R 5.3 Abs. 3 EStR).

Vor- oder nachverlegte Stichtagsinventur

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Die vor- oder nachverlegte Inventur kann in Frage kommen, wenn die Aufnahme zum Stichtag unmöglich ist (zum Beispiel bei sehr großen Beständen) oder wenn die Voraussetzungen für eine permanente Inventur fehlen.

Die körperliche Bestandsaufnahme erfolgt an einem beliebigen Tag innerhalb der letzten drei Monate vor oder der ersten zwei Monate nach dem Bilanzstichtag (§ 241 Abs. 3 Nr. 1 HGB). Der am Aufnahmetag ermittelte Bestand wird nur wertmäßig (nicht mengenmäßig) auf den Stichtag fortgeschrieben oder zurück gerechnet, das Inventar trägt das Datum der tatsächlichen Aufnahme.

Wertfortschreibung Wertrückrechnung
Wert am Tag der Inventur (z. B. 15. Okt.) Wert am Tag der Inventur (z. B. 28. Feb.)
(+) Wert der Zugänge vom 15. Okt. bis 31. Dez. (−) Wert der Zugänge vom 1. Jan. bis 28. Feb.
(−) Wert der Abgänge vom 15. Okt. bis 31. Dez. (+) Wert der Abgänge vom 1. Jan. bis 28. Feb.
(=) Wert am Abschluss-Stichtag (31. Dez.) (=) Wert am Abschluss-Stichtag (31. Dez.)

Die Bestandsaufnahme körperlicher Gegenstände durch Inventur bildet die wichtigste quantitative Grundlage für die Bilanzierung. Die Inventur bezweckt den Gläubigerschutz und dient der Selbstkontrolle des Kaufmanns. Außerdem erfüllt sie eine Kontrollfunktion zur Buchführung, weil die Bestände unabhängig von ihr aufgenommen werden.[9]

In der Schweiz sind gemäß Art. 958 Abs. 1 OR die Vorräte einmal jährlich physisch aufzunehmen. Art. 958c Abs. 2 OR verlangt von rechnungslegungspflichtigen Unternehmen, dass diese den Bestand der einzelnen Positionen in der Bilanz und im Anhang durch ein Inventar oder alternativ dazu auf andere Art nachweisen. Die Durchführung der Inventur und die Aufstellung des Inventars folgen aktienrechtlich dem Grundsatz der ordnungsmäßigen Rechnungslegung gemäß Art. 662a OR, insbesondere nach den Grundsätzen der Vollständigkeit, Klarheit und Vorsicht.

In Österreich verlangt § 191 Abs. 1 UGB die Aufzeichnung der Vermögensgegenstände und Schulden, auch für den Schluss des Geschäftsjahres (§ 191 Abs. 2 UGB). Nach § 192 Abs. 1 UGB sind die Vermögensgegenstände im Regelfall im Weg einer körperlichen Bestandsaufnahme zu erfassen, nach § 192 Abs. 4 UGB sind auch Stichproben zulässig.

Die IFRS erwähnen die Inventur nicht und setzen sie bei der Bilanzierung der Vorräte voraus, sie legen den Schwerpunkt auf deren Bewertung. In IAS 8.10 ist für den Fall, dass eine Gegebenheit von keinem IAS-Standard oder keiner Interpretation geregelt ist, auch die Übernahme von Verlautbarungen anderer Rechnungslegungsstandards vorgesehen. Über diese Öffnungsklausel findet auch die Inventur Anerkennung in den IFRS.

Spezielle Inventuren

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  • Kurt Krummeich: Material- und Lagerwirtschaft. Ein Leitfaden für die Praxis und die Aus- und Weiterbildung. 3. neu bearbeitete Auflage. Verkehrs-Verlag Fischer, Düsseldorf 2006, ISBN 3-87841-249-5.
Wiktionary: Inventur – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Norbert Horn/Rainer Walz, Kommentar Handelsgesetzbuch, Band 3, Drittes Buch, §§ 238-342a, 1999, § 240 Rn. 4
  2. Norbert Horn/Rainer Walz, Kommentar Handelsgesetzbuch, Band 3, Drittes Buch, §§ 238-342a, 1999, § 240 Rn. 5
  3. Gerald Preißler/German Figlin, IFRS-Lexikon, 2009, S. 79
  4. Peter Ulmer/Uwe Hüffer, Großkommentar HGB-Bilanzrecht, 1. Teilband §§ 238-289, 2002, § 240 Rn. 6
  5. Norbert Horn/Rainer Walz, Kommentar Handelsgesetzbuch, Band 3, Drittes Buch, §§ 238-342a, 1999, § 240 Rn. 8
  6. Norbert Horn/Rainer Walz, Kommentar Handelsgesetzbuch, Band 3, Drittes Buch, §§ 238-342a, 1999, § 241 Rn. 3-7
  7. Harry Zingel, Inventur, Inventar, Bilanz. Grundzüge der kaufmännischen Bestandsaufnahme und Bewertung, 1999, S. 3
  8. Abschnitt R 5.3 Abs. 2 und 4 EStR
  9. Peter Ulmer/Uwe Hüffer, Großkommentar HGB-Bilanzrecht, 1. Teilband §§ 238-289, 2002, § 240 Rn. 7