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„Nichtanzeige geplanter Straftaten“ – Versionsunterschied

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'''Nichtanzeige geplanter Straftaten''' ist in Deutschland in bestimmten Fällen nach [http://dejure.org/gesetze/StGB/138.html § 138] des [[Strafgesetzbuch]]es (StGB) strafbar.
Die '''Nichtanzeige geplanter Straftaten''' ist ein [[Vergehen]] nach dem [[Recht Deutschlands]]. Sie ist in bestimmten Fällen nach {{§|138|stgb|juris}} des [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|Strafgesetzbuches]] (StGB) strafbar. In bestimmten Fällen und für bestimmte Personen (z. B. [[Liste religiöser Amts- und Funktionsbezeichnungen#Geistlicher|Geistliche]]) gelten Ausnahmen gemäß {{§|139|stgb|juris}} StGB.


== Deliktsnatur und geschützte Rechtsgüter ==
Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung eines der folgenden [[Verbrechen]] zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterlässt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen, wird mit [[Freiheitsstrafe]] bis zu fünf Jahren oder mit [[Geldstrafe]] bestraft. In bestimmten Fällen und für bestimmte Personen (z.B. [[Priester]]) gelten Ausnahmen, siehe [http://dejure.org/gesetze/StGB/139.html § 139] StGB.
Es handelt sich um ein [[echtes Unterlassungsdelikt]].<ref>Frank Dietmeier In: Matt/Renzikowski, ''Strafgesetzbuch.'' 2.&nbsp;Auflage 2020, StGB §&nbsp;138 Rn.&nbsp;2.</ref> Geschützt sind nach [[Herrschende Meinung|herrschender Meinung]] die [[Rechtsgut|Rechtsgüter]] der in der Norm aufgeführten Straftaten (sogenannter Katalogtaten).<ref>Olaf Hohmann In: ''[[Münchener Kommentar zum StGB]].'' 4.&nbsp;Auflage 2021, StGB §&nbsp;138 Rn.&nbsp;2</ref>


== Tatbestandsvoraussetzungen ==
* [[Friedensverrat|Vorbereitung eines Angriffskrieges]]
Voraussetzung für den Tatbestand ist, dass der Täter glaubhaft von der Planung einer der im Gesetz genannten Straftaten zu einem Zeitpunkt erfährt, zu dem die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, und es unterlässt, der [[Behörde]] oder dem Bedrohten rechtzeitig [[Strafanzeige|Anzeige]] zu erstatten.

Diese Anzeige muss nicht [[unverzüglich]] erfolgen, solange die verspätete Anzeige geeignet ist, die Ausführung oder den Erfolg der Straftat abzuwenden.<ref>BGH, Urteil vom 19.&nbsp;März 1996, Az. {{Rspr|1 StR 497/95}}, NJW 1996, 2239 (2239–2240) = BGHSt 42, 86.</ref>

Für diese Straftaten besteht insofern eine [[Anzeigepflicht]]. Dies sind im Folgenden:
* [[Hochverrat]]
* [[Hochverrat]]
* [[Landesverrat]]
* [[Landesverrat]]
* [[Geldfälschung|Geld-]] oder Wertpapierfälschung
* [[Geldfälschung|Geld-]] oder [[Wertpapier]]fälschung sowie Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion
* [[Mord]], [[Totschlag]], [[Völkermord]], Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder [[Kriegsverbrechen]]
* [[Mord]], [[Totschlag (Deutschland)|Totschlag]], [[Völkermord]], [[Verbrechen gegen die Menschlichkeit]], [[Kriegsverbrechen]] oder [[Verbrechen der Aggression]]
* eine Straftat gegen die persönliche Freiheit
* eine [[Liste der Tatbestände des deutschen Strafgesetzbuches#Straftaten gegen die persönliche Freiheit|Straftat gegen die persönliche Freiheit]] in nachfolgenden Fällen
** [[Krimineller Menschenhandel]]
** [[Verbrechen]] des [[Menschenhandel]]s, der [[Zwangsprostitution]] und [[Zwangsarbeit]]
** [[Menschenraub]]
** [[Menschenraub]]
** [[Verschleppung]]
** [[Verschleppung]]
** [[Verschwindenlassen|Verschwindenlassen von Personen]]
** [[Erpresserischer Menschenraub]]
** [[Erpresserischer Menschenraub]]
** [[Geiselnahme]]
** [[Geiselnahme (Deutschland)|Geiselnahme]]
* [[Raub]] oder räuberische Erpressung
* [[Raub]] oder [[räuberische Erpressung]]
* eine gemeingefährliche Straftat
* eine [[Liste der Tatbestände des deutschen Strafgesetzbuches#Gemeingefährliche Straftaten|gemeingefährliche Straftat]]
** [[Brandstiftung]]
** [[Brandstiftung]]
** [[Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie]]
** [[Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie]]
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** [[Herbeiführen einer Überschwemmung]]
** [[Herbeiführen einer Überschwemmung]]
** [[Gemeingefährliche Vergiftung]]
** [[Gemeingefährliche Vergiftung]]
** [[Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr]]
** [[Verbrechen]] des [[Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr|gefährlichen Eingriffs in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr]]
** [[Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr]]
** [[Verbrechen]] des [[Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr|gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr]]
** [[Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer]]
** [[Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer]]
** [[Angriffe auf den Luft- und Seeverkehr]]
** [[Angriff auf den Luft- und Seeverkehr]]


Die Nichtanzeige geplanter Straftaten kann grundsätzlich nur von einem Dritten begangen werden. Der [[Täter]] der geplanten Straftat, sein [[Anstiftung (Deutschland)|Anstifter]] und sein [[Gehilfe#Strafrecht|Gehilfe]] (auch, wenn die Tatbeteiligung durch [[Unterlassen (Deutschland)|Unterlassen]] erfolgt) scheiden als Täter des §&nbsp;138 StGB aus. Dies folgt aus dem Verbot der Strafbarkeit der Selbstbegünstigung ([[Nemo tenetur se ipsum accusare]]) und dem Wortlaut der Norm („erfährt“).<ref>Olaf Hohmann In: ''[[Münchener Kommentar zum StGB]].'' 4.&nbsp;Auflage 2021, StGB §&nbsp;138 Rn.&nbsp;23.</ref> Nicht ausreichend für einen Tatausschluss ist hingegen die Möglichkeit, dass alleine durch die Anzeige der geplanten Straftat (Katalogtat) der Verdacht auf einen selbst gelenkt wird.<ref>BGH, Urteil vom 19.&nbsp;Mai 2010, Az. {{Rspr|5 StR 464/09}}, NJW 2010, 2291 (2292) Rn.&nbsp;7 = BGHSt 55, 148.</ref> Wenn die Person ebenfalls verdächtigt wird, an der Katalogtat beteiligt zu sein, und der Verdacht auch nach der Beweisaufnahme fortbesteht, kann das Gericht aus [[Unechte Wahlfeststellung|unechter Wahlfeststellung]] aus der geringeren Straftat der Nichtanzeige geplanter Straftaten bestrafen.<ref>BGH, Urteil vom 19.&nbsp;Mai 2010, Az. {{Rspr|5 StR 464/09}}, NJW 2010, 2291 (2292) Rn.&nbsp;15 = BGHSt 55, 148.</ref>
== Siehe auch ==

*[[Verschwiegenheitspflicht]]
Die Begehung der Straftat ist grundsätzlich unabhängig von einem eventuell bestehenden [[Zeugnisverweigerungsrecht]] oder von einer [[Verschwiegenheitspflicht]]; insofern bildet die Anzeigepflicht nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, vertrauliche Informationen zu offenbaren, beispielsweise seine nächsten Verwandten anzuzeigen. Hier gelten jedoch Ausnahmen.
*[[Beichtgeheimnis]]

Abs. 2 normiert eine besondere Regelung für die [[Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat]] und die [[Bildung terroristischer Vereinigungen]]; hier muss die Anzeige, im Gegensatz zu den obengenannten Straftaten, unverzüglich bei der Behörde erfolgen.

== Ausnahmen ==
Eine Reihe von Ausnahmen wird in {{§|139|stgb|juris}} StGB normiert.

Nach Abs. 3 bleiben bestimmte Personengruppen straffrei, wenn sie sich ernsthaft bemühen, den Täter von der Tat abzuhalten oder den Erfolg abzuwenden, und es sich nicht um bestimmte besonders schwere Straftaten wie unter anderem Mord, Totschlag, Kriegsverbrechen oder bestimmte [[Terroranschlag|Verbrechen durch terroristische Vereinigungen]] handelt. Hierunter fallen die [[Angehöriger|Angehörigen]] im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB, Ärzte, Psychotherapeuten, Rechtsanwälte und Verteidiger. Komplett von der Anzeigepflicht ausgenommen sind die beruflichen Gehilfen der vorgenannten Berufsgruppen und deren Auszubildende.

Nach Abs. 2 gilt die Anzeigepflicht ebenfalls nicht für Geistliche; hierdurch soll ein Konflikt mit dem [[Kirchenrecht]] aufgrund des [[Beichtgeheimnis]]ses vermieden werden.

Wer die Ausführung oder den Erfolg der Tat anders als durch eine Anzeige abwendet, bleibt nach Abs. 4 straffrei. Wird die Tat aus anderen Gründen nicht ausgeführt oder bleibt sie erfolglos, genügt ein ernsthaftes Bemühen. Ist die geplante Straftat nicht einmal versucht worden, kann nach Abs. 1 von der Strafe abgesehen werden; hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.

== Strafmaß ==
Das Strafmaß beträgt bei [[Vorsatz (Deutschland)|Vorsatz]] [[Freiheitsstrafe (Deutschland)|Freiheitsstrafe]] bis zu fünf Jahren oder [[Geldstrafe (Deutschland)|Geldstrafe]]. Wird die Tat [[leichtfertig]] begangen (Abs. 3), gilt als Strafmaß lediglich Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

== Einzelnachweise ==
<references />


== Weblinks ==
* [http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/stgb/__138.html §138 StGB]
[[Kategorie:Besondere Strafrechtslehre]]
{{Rechtshinweis}}
{{Rechtshinweis}}

{{Deutschlandlastig}}
[[Kategorie:Besondere Strafrechtslehre (Deutschland)]]

Aktuelle Version vom 8. Januar 2025, 10:29 Uhr

Die Nichtanzeige geplanter Straftaten ist ein Vergehen nach dem Recht Deutschlands. Sie ist in bestimmten Fällen nach § 138 des Strafgesetzbuches (StGB) strafbar. In bestimmten Fällen und für bestimmte Personen (z. B. Geistliche) gelten Ausnahmen gemäß § 139 StGB.

Deliktsnatur und geschützte Rechtsgüter

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Es handelt sich um ein echtes Unterlassungsdelikt.[1] Geschützt sind nach herrschender Meinung die Rechtsgüter der in der Norm aufgeführten Straftaten (sogenannter Katalogtaten).[2]

Tatbestandsvoraussetzungen

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Voraussetzung für den Tatbestand ist, dass der Täter glaubhaft von der Planung einer der im Gesetz genannten Straftaten zu einem Zeitpunkt erfährt, zu dem die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, und es unterlässt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu erstatten.

Diese Anzeige muss nicht unverzüglich erfolgen, solange die verspätete Anzeige geeignet ist, die Ausführung oder den Erfolg der Straftat abzuwenden.[3]

Für diese Straftaten besteht insofern eine Anzeigepflicht. Dies sind im Folgenden:

Die Nichtanzeige geplanter Straftaten kann grundsätzlich nur von einem Dritten begangen werden. Der Täter der geplanten Straftat, sein Anstifter und sein Gehilfe (auch, wenn die Tatbeteiligung durch Unterlassen erfolgt) scheiden als Täter des § 138 StGB aus. Dies folgt aus dem Verbot der Strafbarkeit der Selbstbegünstigung (Nemo tenetur se ipsum accusare) und dem Wortlaut der Norm („erfährt“).[4] Nicht ausreichend für einen Tatausschluss ist hingegen die Möglichkeit, dass alleine durch die Anzeige der geplanten Straftat (Katalogtat) der Verdacht auf einen selbst gelenkt wird.[5] Wenn die Person ebenfalls verdächtigt wird, an der Katalogtat beteiligt zu sein, und der Verdacht auch nach der Beweisaufnahme fortbesteht, kann das Gericht aus unechter Wahlfeststellung aus der geringeren Straftat der Nichtanzeige geplanter Straftaten bestrafen.[6]

Die Begehung der Straftat ist grundsätzlich unabhängig von einem eventuell bestehenden Zeugnisverweigerungsrecht oder von einer Verschwiegenheitspflicht; insofern bildet die Anzeigepflicht nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, vertrauliche Informationen zu offenbaren, beispielsweise seine nächsten Verwandten anzuzeigen. Hier gelten jedoch Ausnahmen.

Abs. 2 normiert eine besondere Regelung für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und die Bildung terroristischer Vereinigungen; hier muss die Anzeige, im Gegensatz zu den obengenannten Straftaten, unverzüglich bei der Behörde erfolgen.

Eine Reihe von Ausnahmen wird in § 139 StGB normiert.

Nach Abs. 3 bleiben bestimmte Personengruppen straffrei, wenn sie sich ernsthaft bemühen, den Täter von der Tat abzuhalten oder den Erfolg abzuwenden, und es sich nicht um bestimmte besonders schwere Straftaten wie unter anderem Mord, Totschlag, Kriegsverbrechen oder bestimmte Verbrechen durch terroristische Vereinigungen handelt. Hierunter fallen die Angehörigen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB, Ärzte, Psychotherapeuten, Rechtsanwälte und Verteidiger. Komplett von der Anzeigepflicht ausgenommen sind die beruflichen Gehilfen der vorgenannten Berufsgruppen und deren Auszubildende.

Nach Abs. 2 gilt die Anzeigepflicht ebenfalls nicht für Geistliche; hierdurch soll ein Konflikt mit dem Kirchenrecht aufgrund des Beichtgeheimnisses vermieden werden.

Wer die Ausführung oder den Erfolg der Tat anders als durch eine Anzeige abwendet, bleibt nach Abs. 4 straffrei. Wird die Tat aus anderen Gründen nicht ausgeführt oder bleibt sie erfolglos, genügt ein ernsthaftes Bemühen. Ist die geplante Straftat nicht einmal versucht worden, kann nach Abs. 1 von der Strafe abgesehen werden; hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.

Das Strafmaß beträgt bei Vorsatz Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Wird die Tat leichtfertig begangen (Abs. 3), gilt als Strafmaß lediglich Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

Einzelnachweise

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  1. Frank Dietmeier In: Matt/Renzikowski, Strafgesetzbuch. 2. Auflage 2020, StGB § 138 Rn. 2.
  2. Olaf Hohmann In: Münchener Kommentar zum StGB. 4. Auflage 2021, StGB § 138 Rn. 2
  3. BGH, Urteil vom 19. März 1996, Az. 1 StR 497/95, NJW 1996, 2239 (2239–2240) = BGHSt 42, 86.
  4. Olaf Hohmann In: Münchener Kommentar zum StGB. 4. Auflage 2021, StGB § 138 Rn. 23.
  5. BGH, Urteil vom 19. Mai 2010, Az. 5 StR 464/09, NJW 2010, 2291 (2292) Rn. 7 = BGHSt 55, 148.
  6. BGH, Urteil vom 19. Mai 2010, Az. 5 StR 464/09, NJW 2010, 2291 (2292) Rn. 15 = BGHSt 55, 148.