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„Rechtsrheinische Stadtteile von Mainz“ – Versionsunterschied

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Die Stadt [[Mainz]], heute auf dem linken Ufer des [[Rhein]]s gegenüber der [[Main]]mündung gelegen, besaß bis 1945 sechs Stadtteile auf der rechten Rheinseite: [[Mainz-Amöneburg|Amöneburg]], [[Mainz-Kastel|Kastel]], [[Kostheim]], [[Bischofsheim (Mainspitze)|Bischofsheim]], [[Ginsheim-Gustavsburg|Gustavsburg]] und [[Ginsheim]]. Sie umfassten den kleineren Teil der Mainzer Bevölkerung, aber 53% des Stadtgebietes. Alle Stadtteile gehören seit Kriegsende zu [[Hessen]]; die drei nördlich des Mains gelegenen Stadtteile Amöneburg, Kastel und Kostheim, auch als '''AKK''' bezeichnet, gehören seitdem zu [[Wiesbaden]].
|3=Rechtsrheinische Stadtteile von Mainz
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'''Rechtsrheinische Stadtteile von [[Mainz]]''' waren die zwischen 1908 und 1930 [[Eingemeindung|eingemeindeten]] Stadtteile [[Mainz-Amöneburg|Amöneburg]], [[Mainz-Kastel|Kastel]] und [[Mainz-Kostheim|Kostheim]] nördlich der [[Main]]mündung sowie [[Bischofsheim (Mainspitze)|Bischofsheim]], [[Ginsheim-Gustavsburg|Gustavsburg und Ginsheim]] südlich der Mainmündung. In den sechs Stadtteilen lebte mit 21,1&nbsp;Prozent der kleinere Teil der Mainzer Bevölkerung, jedoch stellten sie 50,4&nbsp;Prozent des Stadtgebietes dar.<ref>Eike-Christian Kersten: ''Mainz – die geteilte Stadt'' (Diss.), verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher, Heidelberg u.&nbsp;a. 2014, S.&nbsp;54&nbsp;f.</ref> Aufgrund der Grenzziehung zwischen der [[Amerikanische Besatzungszone|amerikanischen]] und der [[Französische Besatzungszone|französischen Besatzungszone]] nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] blieben sie beim Volksstaat Hessen, der nach der Neugründung der [[Land (Deutschland)|Länder]] in Deutschland in [[Groß-Hessen]], dem heutigen [[Hessen]], aufging, während das [[linksrheinisch]]e Mainz zum neu geschaffenen Land [[Rheinland-Pfalz]] kam. Die drei südmainischen Stadtteile gehören heute zum hessischen [[Landkreis Groß-Gerau]], die drei nordmainischen zur Stadt [[Wiesbaden]].
==Administrative Ausgangslage==
Das Mainz der Vorkriegszeit gehörte zum [[Volksstaat Hessen]] und war dort Hauptstadt der Provinz [[Rheinhessen]]. Die auf dem rechten Rheinufer etwas nördlich liegende Nachbarstadt Wiesbaden, ehemalige [[Herzogtum Nassau|nassauische]] Residenz, gehörte dagegen zur [[Preußen|preußischen]] Provinz [[Hessen-Nassau]]. Der Stadtkern Wiesbadens liegt einige Kilometer vom Rhein entfernt, nur die Stadtbezirke [[Wiesbaden-Biebrich|Biebrich]] und [[Wiesbaden-Schierstein|Schierstein]] liegen direkt am Fluss. Die [[Mainz-Altstadt|Mainzer Altstadt]] liegt direkt am linken Rheinufer.


== Die sechs ehemaligen Stadtteile ==
==Die Ausbreitung des rechtsrheinischen Mainz==
In den sechs [[rechtsrheinisch]]en ehemaligen Mainzer Stadtteilen leben heute über 56.000 Menschen. Es handelt sich im Einzelnen um:
Die hessischen, aber rechtsrheinischen Nachbargemeinden '''Kastel''' und '''Amöneburg''' wurden am 1. April 1908 in die Stadt Mainz [[Eingemeindung|eingemeindet]]. Kastel ist der historische Mainzer Brückenkopf unmittelbar gegenüber der Altstadt und seit römischer Zeit mit Mainz verknüpft. Diese Gebiete waren also schon deutlich vor der eigentlichen Eingemeindung eng mit Mainz verbunden. Heutige Mainzer Stadtteile wie z.&nbsp;B. Weisenau sind erst später eingemeindet worden.


{| class="wikitable zebra sortable"
Amöneburg besaß bedeutende chemische Industrie, das Industriegebiet ging nahtlos in das der Nachbarstadt Biebrich über (Werk Kalle/Albert). Nach der Eingemeindung von Biebrich nach Wiesbaden (1926) lief die Grenze zwischen beiden Großstädten, gleichzeitig die preußisch-hessische Landesgrenze, also mitten durch das Gelände der inzwischen fusionierten Großbetriebe.
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! Wap&shy;pen !! Name !! Ein&shy;gemein&shy;dung !! Ein&shy;wohner !! heutige Kommune !! Beschreibung !! Bild
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| [[Datei:Wappen Amoeneburg (Wiesbaden).png|50px|zentriert|Wappen von Mainz-Amöneburg]]
| [[Mainz-Amöneburg|Amöneburg]]
| style=text-align:center| 1908
| style=text-align:right | 1.400
| [[Wiesbaden]]
| Der nördlichste und kleinste der sechs Stadtteile ist geprägt durch die chemische Industrie ([[Chemische Werke Albert|Albertwerke]]) und die Gleisanlagen des Güterbahnhofs [[Bahnhof Wiesbaden Ost|Wiesbaden-Ost]].
| [[Datei:Chemische Fabrik Kalle fg01.JPG|100px|Albertwerke]]
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| [[Datei:DEU Bischofsheim (Mainspitze) COA.svg|50px|zentriert|Wappen von Bischofsheim]]
| [[Bischofsheim (Mainspitze)|Bischofsheim]]
| style=text-align:center| 1930
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| [[Bischofsheim (Mainspitze)|Bischofsheim]]
| Auch Bischofsheim ist durch Industrie und Eisenbahn geprägt: direkt östlich liegt das riesige Rüsselsheimer [[Rüsselsheim am Main#Opel Automobile GmbH|Opelwerk]], und der [[Bahnhof Mainz-Bischofsheim]] ist der zentrale [[Rangierbahnhof]] für das gesamte Rhein-Main-Gebiet.
| [[Datei:Bischofsheim Neuer Bahnhof 20110506.jpg|100px|Bahnhof]]
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| [[Datei:Wappen Ginsheim.png|50px|zentriert|Wappen von Ginsheim]]
| [[Ginsheim-Gustavsburg#Stadtteil Ginsheim|Ginsheim]]
| style=text-align:center| 1930
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| [[Ginsheim-Gustavsburg]]
| Der südlichste der sechs ehemaligen Stadtteile ist vor allem ein Wohngebiet. Der [[Ginsheimer Altrhein]], seine Auen und Flussinseln bilden ein wichtiges Naherholungsgebiet.
| [[Datei:Ginsheim Altrhein 152-h.jpg|100px|Ginsheimer Altrhein]]
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| [[Datei:DEU Ginsheim-Gustavsburg COA.svg|50px|zentriert|Wappen von Gustavsburg]]
| [[Ginsheim-Gustavsburg#Stadtteil Gustavsburg|Gustavsburg]]
| style=text-align:center| 1930
| style=text-align:right | 7.500
| [[Ginsheim-Gustavsburg]]
| Gustavsburg entstand erst im [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]], als König [[Gustav II. Adolf (Schweden)|Gustav Adolf]] direkt an der [[Mainspitze|Mainmündung]] eine Festung errichten ließ. Ab etwa 1860 entwickelte es sich zu einem wichtigen Industrie- und Hafenstandort. Über die [[Südbrücke (Mainz)|Südbrücke]] überquert die Eisenbahn hier den Rhein zum Mainzer Hauptbahnhof.
| [[Datei:Mainmündung 060720.jpg|100px|Südbrücke und Mainspitze]]
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| [[Datei:DEU Mainz-Kastel COA.jpg|50px|zentriert|Wappen von Mainz-Kastel]]
| [[Mainz-Kastel|Kastel]]
| style=text-align:center| 1908
| style=text-align:right | 12.400
| [[Wiesbaden]]
| Kastel liegt am Rheinufer direkt gegenüber der Mainzer Altstadt und ist wie diese eine römische Gründung. Bereits damals gab es hier eine Rheinbrücke, der Anfang der [[Elisabethenstraße]] in die Römerstadt [[Nida (römische Stadt)|Nida]] im heutigen Frankfurt. Seit über 200 Jahren ist Kastel ein wichtiger Militärstandort.
| [[Datei:Mainz-Theodor-Heuss-Bruecke-2005-05-16a.jpg|100px|Theodor-Heuss-Brücke]]
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| [[Datei:DEU Mainz-Kostheim COA.svg|50px|zentriert|Wappen von Mainz-Kostheim]]
| [[Mainz-Kostheim|Kostheim]]
| style=text-align:center| 1913
| style=text-align:right | 14.100
| [[Wiesbaden]]
| Kostheim liegt direkt nördlich der Mainmündung ([[Maaraue]]). Kaiser [[Friedrich I. (HRR)|Friedrich Barbarossa]] gab hier 1184 eines der größten Feste des Mittelalters ([[Mainzer Hoftag von 1184|Mainzer Hoftag]]). Der Ortskern ist zum Main orientiert, hier befinden sich die letzte Mainschleuse und -brücke vor der Mündung.
| [[Datei:KostheimStKilianMainBrücke.JPG|100px|Kostheimer Mainbrücke]]
|}
[[Datei:Mainz AKK-Vororte Luftbild Mainz-Kastel Kostheim Rhein Theodor-Heuss-Brücke Foto 2008 Wolfgang Pehlemann Wiesbaden IMG 0075.jpg|mini|Kastel und Kostheim]]
[[Datei:Mainz Luftbild Rhein Petersaue li Mainz Zollhafen re Amöneburg Biebrich.jpg|mini|Amöneburg (oben)]]


== Administrative Ausgangslage ==
Am 1. Januar 1913 wurde die unmittelbar vor dessen Mündung am Nordufer des Mains gelegene Gemeinde '''Kostheim''' Stadtteil von Mainz. Am 1. Januar 1930 folgte schließlich die Eingemeindung der südlich des Mains gelegenen Orte '''Ginsheim''', '''Gustavsburg''' und '''Bischofsheim'''. Das Mainzer Stadtgebiet lag damit sowohl beiderseits des Rheins als auch beiderseits des Mains, die Mainmündung ([[Mainspitze]]) gehörte ganz zur Mainzer Gemarkung.
[[Datei:Rhein-MZ-WI-Mitte-19-Jhd.svg|mini|Grenzlage von Mainz im Großherzogtum Hessen 1841]]


Die Stadt Mainz gehörte seit dem [[Wiener Kongress]] zum [[Großherzogtum Hessen]](-Darmstadt) und nach 1918 im Nachfolgeweg zum [[Volksstaat Hessen]]. Mainz war dort Hauptstadt der [[Provinz Rheinhessen]]. Die auf dem rechten Rheinufer etwas nördlich liegende Nachbarstadt Wiesbaden, ehemalige [[Herzogtum Nassau|nassauische]] Residenz, gehörte dagegen seit dem [[Deutscher Krieg|preußisch-österreichischen Krieg 1866/67]] zur [[Preußen|preußischen]] [[Provinz]] [[Hessen-Nassau]]. Durch den zwischen Preußen und Hessen-Darmstadt geschlossenen Friedensvertrag vom 3.&nbsp;September 1866 wurden „sämmtliche […] nördlich des Mains gelegenen Gebietstheile […]“ Hessen-Darmstadts<ref>{{Webarchiv|url=http://www.verfassungen.de/de/preussen/gesetze/frieden66-hessen.htm |wayback=20171026152545 |text=Friedens-Vertrag zwischen Preußen und Hessen |archiv-bot=2022-12-31 20:33:37 InternetArchiveBot }} auf Verfassungen.de, Artikel&nbsp;XIV, Abs.&nbsp;2.</ref>, also neben der [[Oberhessen (Provinz Hessen-Darmstadt)|Provinz Oberhessen]] auch Kastel (einschließlich des heutigen Amöneburg) und Kostheim,<ref>[[s:Reglement zur Ausführung des Wahlgesetzes für den Reichstag des Norddeutschen Bundes#Anlage C.|Reglement zur Ausführung des Wahlgesetzes für den Norddeutschen Bund, Anlage&nbsp;C., „Verzeichniß der Wahlkreise“, „III. 2.&nbsp;Großherzogtum Hessen“]]</ref> im Unterschied zum übrigen Gebiet Rheinhessens, Teil des [[Norddeutscher Bund|Norddeutschen Bundes]].
==Die Teilung der Stadt==
1945 wurde Mainz, wie zahlreiche andere deutsche Städte, von den Besatzungsmächten geteilt: der Rhein wurde zur Grenze zwischen der [[Französische Besatzungszone|französischen]] westlich und der [[Amerikanische Besatzungszone|amerikanischen Besatzungszone]] östlich des Flusses. Ähnlich wie etwa in [[Frankfurt an der Oder]], [[Guben]] oder [[Görlitz]] interessierten sich die ausländischen Besatzer wenig dafür, dass durch diese Grenzziehung ein Stadtgebiet in zwei Hälften getrennt wurde. Im Gegensatz zu den anderen genannten Städten konnten die Bürger in Mainz nach einiger Zeit immerhin wieder relativ einfach zwischen den beiden Besatzungszonen hin und her reisen.


== Die Ausbreitung des rechtsrheinischen Mainz ==
Von französischen Truppen besetzt zu sein, war für Mainz im übrigen nichts Neues. Die letzte, sehr harte Besetzung durch den westlichen Nachbarn lag noch nicht allzu lang zurück (1919-1930), und war auch nur eine von vielen französischen Besatzungszeiten. Die amerikanischen Truppen auf dem östlichen Rheinufer waren dagegen zum ersten Mal in Deutschland.
Die ebenfalls im Großherzogtum Hessen liegenden, aber rechtsrheinischen Nachbargemeinden Kastel und Amöneburg wurden am 1.&nbsp;April 1908 in die Stadt Mainz [[Eingemeindung|eingemeindet]]. Kastel ist der historische Mainzer Brückenkopf unmittelbar gegenüber der Altstadt und durch die [[Römerbrücke (Mainz)|Römerbrücke]] seit römischer Zeit mit Mainz verknüpft, war also schon lange vor der Eingemeindung eng mit Mainz verbunden.


Amöneburg besaß bedeutende chemische Industrie, das Industriegebiet ging nahtlos in das der Nachbarstadt [[Wiesbaden-Biebrich|Biebrich]] in der preußischen Provinz Hessen-Nassau über. Nach der Eingemeindung von Biebrich nach Wiesbaden 1926 verlief die Grenze zwischen beiden Großstädten, welche zugleich die preußisch-hessische Landesgrenze war, entlang der ''Albertstraße'', die die [[Chemische Fabrik Kalle]] in Biebrich und die [[Chemische Werke Albert|Chemischen Werke Albert]] in Amöneburg trennte. Nach dem Krieg wurden beide Betriebe von der [[Hoechst&nbsp;AG]] übernommen, die sie 1988 zu einem gemeinsamen ''Werk Kalle/Albert'' zusammenlegte. Das Werk bildet seit 1997 den [[Industriepark Kalle-Albert]], die ehemalige Landesgrenze ist jedoch immer noch durch den Straßenverlauf erkennbar.
Im September 1945 gründeten die Militärregierungen der Besatzungsmächte, jede in ihrer eigenen Zone, neue [[Bundesland (Deutschland)|Bundesländer]] als Grundlage des demokratischen Neuaufbaus in Deutschland. Aus den größten Teilen von Hessen und Hessen-Nassau gründeten die Amerikaner das Land [[Groß-Hessen]]. Die Franzosen errichteten aus dem abgetrennten Rheinhessen, dem ebenfalls zur französischen Zone gefallenen westlichen Teil Nassaus, dem südlichen Teil der [[Rheinprovinz]] und der vormals bayerischen [[Pfalz]] ein völlig neues Bundesland [[Rheinland-Pfalz]].


Am 1.&nbsp;Januar 1913 wurde die unmittelbar vor dessen Mündung am Nordufer des Mains gelegene Gemeinde Kostheim Stadtteil von Mainz. Am 1.&nbsp;Januar 1930 folgte schließlich die Eingemeindung der südlich des Mains gelegenen Orte Ginsheim, Gustavsburg und Bischofsheim. Das Mainzer Stadtgebiet lag damit sowohl beiderseits des Rheins als auch beiderseits des Mains, die Mainmündung mit der [[Mainspitze]] gehörte damit ganz zur Mainzer Gemarkung.
Die rechtsrheinischen Stadtteile von Mainz waren, anders als der Rest der Stadt, bei Hessen verblieben, hatten aber ihre kommunale „Mutter“ verloren. Die drei Stadtteile nördlich des Mains, Amöneburg, Kastel und Kostheim, wurden deshalb in die Stadt Wiesbaden eingegliedert, obwohl sie teilweise sehr weit vom dortigen Stadtzentrum entfernt liegen. Die noch weiter südlich gelegenen Stadtteile Gustavsburg, Ginsheim und Bischofsheim erhielten deshalb ihre Eigenständigkeit zurück und wurden Gemeinden im [[Landkreis Groß-Gerau]]. Die beiden ersteren schlossen sich dabei zur Gemeinde [[Ginsheim-Gustavsburg]] zusammen.


== Die Teilung der Stadt ==
Kastel und Amöneburg waren damit 37 Jahre lang, Kostheim 32 Jahre und Gustavsburg, Ginsheim und Bischofsheim 15 Jahre lang Bestandteil von Mainz.
Aus dem [[Deutschland 1945 bis 1949|Nachkriegsdeutschland]] wurde das nach Abtrennung der [[Ostgebiete des Deutschen Reiches|Ostgebiete]] und des [[Saarland 1947 bis 1956|Saarlandes]] verbliebene Gebiet des vormaligen Deutschen Reiches in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Dabei wurde, dem [[Zonenprotokoll]] folgend, im Bereich Mainz/Wiesbaden der [[Rhein]] als natürliche Grenze genutzt. Links des Rheins war die [[Französische Besatzungszone|französische]] und rechts des Rheins die [[amerikanische Besatzungszone]]. Die alliierten Siegermächte gingen dabei, ähnlich wie beispielsweise in [[Frankfurt (Oder)]], [[Guben]] oder [[Görlitz]] ausschließlich von praktischen Erwägungen aus und interessierten sich wenig dafür, ob durch diese Grenzziehung ein Stadtgebiet geteilt wurde. Im Gegensatz zu den anderen genannten Städten konnten die Bürger in Mainz nach einiger Zeit wieder relativ einfach zwischen den beiden Besatzungszonen wechseln.


Ab September 1945 formierten die Militärregierungen der Besatzungsmächte, jede in ihrer eigenen Zone, die [[Land (Deutschland)|deutschen Länder]] als Grundlage des demokratischen Neuaufbaus in Deutschland neu. Da aus politischen Gründen das Land Preußen aufgelöst werden sollte, wurden aus den rechtsrheinischen Teilen des Volksstaates Hessen, Teilen der preußischen Provinz Nassau (ohne den Bezirk Montabaur) und der ehemaligen preußischen Provinz Kurhessen das Land Groß-Hessen, das heutige Land Hessen, von der amerikanischen Besatzungsmacht gegründet. Die französische Besatzungsmacht bildete etwas später aus dem linksrheinischen Teil des Volksstaates Hessen, dem ebenfalls zur französischen Zone gefallenen Teil von Hessen-Nassau ([[Regierungsbezirk Montabaur]]), dem südlichen Teil der preußischen [[Rheinprovinz]] und der vormals bayerischen [[Pfalz (Region)|Pfalz]] das Land Rheinland-Pfalz.
==Die heutige Situation==
Nach wie vor tragen die drei nördlich des Mains gelegenen Stadtteile den Namen der alten Mutterstadt Mainz, heißen also Mainz-Kastel, Mainz-Kostheim und Mainz-Amöneburg, der Name Wiesbaden ist im Ortsnamen nicht vorhanden. Die Bahnhöfe und S-Bahn-Stationen der Gemeinden Bischofsheim und Ginsheim-Gustavsburg tragen interessanterweise immer noch den Namen Mainz-... und sind im Tarifsystem dem [[Mainz Hauptbahnhof|Mainzer Hauptbahnhof]] gleichgestellt, was auch laut Ortsnamen nicht mehr stimmt.
Die Frage der abgetrennten Mainzer Stadtteile vor allem nördlich des Mains ist Gegenstand heftiger lokalpolitischer Debatten. Die Tatsache, dass der Ruf nach einer Rückkehr nach Mainz in den südmainischen Gemeinden weit leiser ist als in den zu Wiesbaden gehörenden AKK-Vororten, legt den Schluss nahe, dass nicht nur die Trennung von der „Mutter“ Mainz, sondern vor allem auch die Zuordnung zur ungeliebten Nachbarin Wiesbaden Auslöser der Trauer ist. Dieses Trauma wird bis heute in der auch rechts des Rheines gefeierten [[Mainzer Fastnacht]] immer wieder aufgearbeitet.


Die rechtsrheinischen Stadtteile von Mainz hatten mit der bereits im Juli 1945 vollzogenen neuen Grenzziehung ihren kommunalpolitischen Bezugspunkt verloren. Die drei Stadtteile nördlich des Mains, Amöneburg, Kastel und Kostheim wurden, einem Wiesbadener Vorschlag folgend, von der amerikanischen Besatzungsmacht nach Wiesbaden eingemeindet.<ref>Kersten, Mainz, S.&nbsp;49&nbsp;f. und S.&nbsp;143.</ref> Eine „treuhänderische Verwaltung“ der Stadt Wiesbaden gab es nicht. Allerdings wurde diese von Mainzer Seite mehrfach gefordert und von rechtsrheinischen Stellen in Verkennung der Rechtslage vereinzelt bestätigt.<ref>Kersten, Mainz, S.&nbsp;51&nbsp;f. und S.&nbsp;196&nbsp;f.</ref> Dies gilt auch für die südlich des Mains gelegenen Stadtteile Bischofsheim, Ginsheim und Gustavsburg. Sie wurden aus Mainz ausgemeindet und Bestandteil des hessischen Landkreises Groß-Gerau. Ginsheim und Gustavsburg schlossen sich dabei zur Gemeinde [[Ginsheim-Gustavsburg]] zusammen, die bereits vor der Eingemeindung bestanden hatte.
Im alltäglichen Leben ist die administrative Zugehörigkeit zu Wiesbaden wenig wahrnehmbar. Die Wiesbadener Innenstadt liegt rund 10 km entfernt, die Mainzer dagegen gleich auf der anderen Rheinseite. Hinsichtlich der technischen Infrastruktur und dem [[Stadtverkehr in Mainz|Öffentlichen Nahverkehr]] werden die AKK-Vororte nach wie vor von den Mainzer Netzen versorgt, allerdings führt auch die beide Innenstädte verbindende, gemeinsam betriebene Stadtbuslinie durch Amöneburg und Kastel.


Kastel und Amöneburg wurden damit 37&nbsp;Jahre, Kostheim 32&nbsp;Jahre und Bischofsheim, Ginsheim und Gustavsburg 15&nbsp;Jahre lang tatsächlich auch von Mainz aus regiert. Alle Bestrebungen, den sogenannten [[AKK-Konflikt]] im Sinne einer Rückgliederung zumindest von Amöneburg, Kastel und Kostheim nach Mainz zu lösen, blieben bis heute ergebnislos.
Die Stadt Wiesbaden ist inzwischen bestrebt, zumindest nach außen den Eindruck zur Wiesbadener Zugehörigkeit der AKK-Orte zu fördern. So wurden 2006 Ortsschilder, auf denen zuvor nur „Mainz-Kastel“ stand, in „Wiesbaden, Stadtteil Mainz-Kastel“ ausgewechselt.


== Die heutige Situation ==
Es finden relativ regelmäßig Umfragen bezüglich der „gefühlten“ Zugehörigkeit statt. Dabei ist der Trend zu beobachten, dass Amöneburg auch bei den Bürgern eher in Wiesbaden „angekommen“ ist, vielfach wird auch (unkorrekt) von ''Wiesbaden-Amöneburg'' gesprochen. Dieser Stadtteil grenzt nicht nur direkt an Biebrich, sondern ist weiter von Mainz entfernt als Kastel und Kostheim. Man müsste daher treffender von den KK-Vororten sprechen. Die Bewohner von Kastel, noch mehr von Kostheim, fühlen sich zu großen Teilen Mainz zugehörig. Die Bewohner der Stadtteile südlich des Mains hegen keine derartige Zwiespältigkeit.
Nach wie vor wird für die drei nördlich des Mains gelegenen heutigen Stadtteile der Landeshauptstadt Wiesbaden der Name der alten Mutterstadt Mainz vorangesetzt und sie tragen die amtlichen Bezeichnungen Mainz-Kastel, Mainz-Kostheim und Mainz-Amöneburg. Dies entspricht einer Vereinbarung der Oberbürgermeister im Vierzehn-Punkte-Papier vom 8.&nbsp;September 1945.<ref>Kersten, Mainz, S.&nbsp;56.</ref> Bei Amöneburg findet teils der Name ''Wiesbaden-Amöneburg'' Verwendung. Bei den Bahnhöfen wird nicht nur [[Bahnhof Mainz-Kastel|„Mainz-Kastel“]] weiterhin so bezeichnet (Ausnahme: Liniennetzplan des [[Rhein-Main-Verkehrsverbund]]es, dort heißt es nur „Kastel“), auch die Bahnhöfe der Gemeinden Bischofsheim und (Ginsheim-)Gustavsburg tragen bis heute bahnseitig den Namen „[[Bahnhof Mainz-Bischofsheim|Mainz-Bischofsheim]]“ und „[[Bahnhof Mainz-Gustavsburg|Mainz-Gustavsburg]]“.


Postalisch werden Mainz-Kastel (55252) und Mainz-Kostheim (55246) über das [[Briefzentrum (Deutsche Post AG)|Briefzentrum&nbsp;55]] in [[Mainz-Hechtsheim]] versorgt und führen daher „Mainzer“ Postleitzahlen. Die postalische Bedienung von Mainz-Amöneburg (65203) erfolgt über das Briefzentrum&nbsp;65 für Wiesbaden, welches allerdings wiederum in Mainz-Kastel liegt. Bei den Telefonvorwahlen teilen sich die Stadtteile Mainz-Kastel und Mainz-Kostheim die ''06134'', welche auch in Gustavsburg gültig ist, und somit „eigenständig“ sind (Mainz hat die Vorwahl 06131), Mainz-Amöneburg ist durch die Vorwahl ''0611'' telefonisch Wiesbaden zugeordnet.
==Ausblick==
Da die mittlerweile über 60 Jahre alte Landesgrenze für jede kommunale Neugliederung ein unüberwindliches Hindernis darstellt, wird sich an der Situation des geteilten Mainz auch in Zukunft wenig ändern können. Die benachbarten Landeshauptstädte arbeiten auch jetzt schon in vielen kommunalen Angelegenheiten eng zusammen, auch wenn zwischen ihren jeweiligen Bevölkerungen nicht von inniger Freundschaft gesprochen werden kann. Eine Änderung der Grenzen und damit eine Wiedervereinigung des Mainzer Stadtgebiets wäre aber erst nach einer (freilich seit Jahrzehnten diskutierten) [[Neugliederung des Bundesgebietes]] gemäß Artikel 29 [[Grundgesetz|GG]] und einer Vereinigung von Hessen und Rheinland-Pfalz möglich. Eine Vereinigung der sechs ehemaligen rechtsrheinischen Mainzer Stadtteile untereinander zu einem „Hessischen Mainz“ war während der hessischen Gebietsreform (1972-78) nicht Bestandteil der Diskussion.


Die Frage der abgetrennten Mainzer Stadtteile (ganz überwiegend der nördlich des Mains gelegenen) ist bis heute immer wieder Gegenstand heftiger lokalpolitischer Debatten (siehe auch [[AKK-Konflikt]]). Dieses Thema wird bis heute in der auch rechts des Rheins gefeierten [[Mainzer Fastnacht]] immer wieder angesprochen. Praktisch ist das Thema bis heute noch relevant, da zwar die Abtrennung die kommunale und Landeszugehörigkeit änderte, jedoch die Grundstücke etc. einschließlich der öffentlichen Flächen sich zunächst und zum Teil heute noch im Eigentum der Stadt Mainz befinden. Dennoch arbeiten die benachbarten Landeshauptstädte seit langem in vielen kommunalen Angelegenheiten eng zusammen, beispielsweise im öffentlichen Personennahverkehr oder bei der Feuerwehr. Der Wiesbadener Oberbürgermeister [[Sven Gerich]] ([[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]) publizierte Anfang Juni 2013 in Abstimmung mit dem Mainzer Oberbürgermeister [[Michael Ebling]] (SPD) die Aussage, dass man auf beiden Seiten davon ausgehe, dass sich am Status von AKK bis auf Weiteres nichts ändern werde.<ref>''[http://www.rhein-zeitung.de/startseite_artikel,-Fruehere-Mainzer-Vororte-bleiben-bei-Wiesbaden-_arid,604552.html Frühere Mainzer Vororte bleiben bei Wiesbaden.]'' In [[Rhein-Zeitung]] Mainz vom 2.&nbsp;Juni 2013.</ref>
==Siehe auch==
*[[Rivalität zwischen Mainz und Wiesbaden]]
* Der Verein [http://www.akk-mainz.de/ Vereintes Mainz e.V.] kämpft für die „Wiedervereinigung“ von Mainz


== Rechtliche Möglichkeiten einer Wiedervereinigung ==
[[Kategorie:Mainz]]
Die mittlerweile über 70&nbsp;Jahre alte Landesgrenze stellt für eine Restitution ein fast unüberwindliches Hindernis dar, da eine Änderung der Landeszugehörigkeit nur nach {{Art.|29|gg|juris}} des [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetzes]] möglich wäre. Durch eine Änderung dieses Artikels in Bezug auf die Zahl der betroffenen Einwohner (Grenze liegt jetzt bei 50.000) wäre es zwar möglich, ähnlich wie beim [[Amt Neuhaus]], nur per [[Staatsvertrag]] und ohne vorher obligatorische Volksabstimmung im Gesamtgebiet beider betroffenen Bundesländer die Landeszugehörigkeit zu ändern; über die reine Phase von öffentlichen Gedankenspielen ist dies aber bisher nie hinausgekommen, da von hessischer Seite stets Ablehnung signalisiert worden war.
[[Kategorie:Wiesbaden]]

== Weblinks ==
{{Wikivoyage|Wiesbaden/AKK}}

== Einzelnachweise ==
<references />

[[Kategorie:Geschichte (Mainz)]]
[[Kategorie:Geschichte Wiesbadens]]

Aktuelle Version vom 30. August 2024, 18:14 Uhr

Koordinaten: 50° 0′ N, 8° 19′ O

Rechtsrheinische Stadtteile von Mainz waren die zwischen 1908 und 1930 eingemeindeten Stadtteile Amöneburg, Kastel und Kostheim nördlich der Mainmündung sowie Bischofsheim, Gustavsburg und Ginsheim südlich der Mainmündung. In den sechs Stadtteilen lebte mit 21,1 Prozent der kleinere Teil der Mainzer Bevölkerung, jedoch stellten sie 50,4 Prozent des Stadtgebietes dar.[1] Aufgrund der Grenzziehung zwischen der amerikanischen und der französischen Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg blieben sie beim Volksstaat Hessen, der nach der Neugründung der Länder in Deutschland in Groß-Hessen, dem heutigen Hessen, aufging, während das linksrheinische Mainz zum neu geschaffenen Land Rheinland-Pfalz kam. Die drei südmainischen Stadtteile gehören heute zum hessischen Landkreis Groß-Gerau, die drei nordmainischen zur Stadt Wiesbaden.

Die sechs ehemaligen Stadtteile

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In den sechs rechtsrheinischen ehemaligen Mainzer Stadtteilen leben heute über 56.000 Menschen. Es handelt sich im Einzelnen um:

Wap­pen Name Ein­gemein­dung Ein­wohner heutige Kommune Beschreibung Bild
Wappen von Mainz-Amöneburg
Wappen von Mainz-Amöneburg
Amöneburg 1908 1.400 Wiesbaden Der nördlichste und kleinste der sechs Stadtteile ist geprägt durch die chemische Industrie (Albertwerke) und die Gleisanlagen des Güterbahnhofs Wiesbaden-Ost. Albertwerke
Wappen von Bischofsheim
Wappen von Bischofsheim
Bischofsheim 1930 12.600 Bischofsheim Auch Bischofsheim ist durch Industrie und Eisenbahn geprägt: direkt östlich liegt das riesige Rüsselsheimer Opelwerk, und der Bahnhof Mainz-Bischofsheim ist der zentrale Rangierbahnhof für das gesamte Rhein-Main-Gebiet. Bahnhof
Wappen von Ginsheim
Wappen von Ginsheim
Ginsheim 1930 8.500 Ginsheim-Gustavsburg Der südlichste der sechs ehemaligen Stadtteile ist vor allem ein Wohngebiet. Der Ginsheimer Altrhein, seine Auen und Flussinseln bilden ein wichtiges Naherholungsgebiet. Ginsheimer Altrhein
Wappen von Gustavsburg
Wappen von Gustavsburg
Gustavsburg 1930 7.500 Ginsheim-Gustavsburg Gustavsburg entstand erst im Dreißigjährigen Krieg, als König Gustav Adolf direkt an der Mainmündung eine Festung errichten ließ. Ab etwa 1860 entwickelte es sich zu einem wichtigen Industrie- und Hafenstandort. Über die Südbrücke überquert die Eisenbahn hier den Rhein zum Mainzer Hauptbahnhof. Südbrücke und Mainspitze
Wappen von Mainz-Kastel
Wappen von Mainz-Kastel
Kastel 1908 12.400 Wiesbaden Kastel liegt am Rheinufer direkt gegenüber der Mainzer Altstadt und ist wie diese eine römische Gründung. Bereits damals gab es hier eine Rheinbrücke, der Anfang der Elisabethenstraße in die Römerstadt Nida im heutigen Frankfurt. Seit über 200 Jahren ist Kastel ein wichtiger Militärstandort. Theodor-Heuss-Brücke
Wappen von Mainz-Kostheim
Wappen von Mainz-Kostheim
Kostheim 1913 14.100 Wiesbaden Kostheim liegt direkt nördlich der Mainmündung (Maaraue). Kaiser Friedrich Barbarossa gab hier 1184 eines der größten Feste des Mittelalters (Mainzer Hoftag). Der Ortskern ist zum Main orientiert, hier befinden sich die letzte Mainschleuse und -brücke vor der Mündung. Kostheimer Mainbrücke
Kastel und Kostheim
Amöneburg (oben)

Administrative Ausgangslage

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Grenzlage von Mainz im Großherzogtum Hessen 1841

Die Stadt Mainz gehörte seit dem Wiener Kongress zum Großherzogtum Hessen(-Darmstadt) und nach 1918 im Nachfolgeweg zum Volksstaat Hessen. Mainz war dort Hauptstadt der Provinz Rheinhessen. Die auf dem rechten Rheinufer etwas nördlich liegende Nachbarstadt Wiesbaden, ehemalige nassauische Residenz, gehörte dagegen seit dem preußisch-österreichischen Krieg 1866/67 zur preußischen Provinz Hessen-Nassau. Durch den zwischen Preußen und Hessen-Darmstadt geschlossenen Friedensvertrag vom 3. September 1866 wurden „sämmtliche […] nördlich des Mains gelegenen Gebietstheile […]“ Hessen-Darmstadts[2], also neben der Provinz Oberhessen auch Kastel (einschließlich des heutigen Amöneburg) und Kostheim,[3] im Unterschied zum übrigen Gebiet Rheinhessens, Teil des Norddeutschen Bundes.

Die Ausbreitung des rechtsrheinischen Mainz

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Die ebenfalls im Großherzogtum Hessen liegenden, aber rechtsrheinischen Nachbargemeinden Kastel und Amöneburg wurden am 1. April 1908 in die Stadt Mainz eingemeindet. Kastel ist der historische Mainzer Brückenkopf unmittelbar gegenüber der Altstadt und durch die Römerbrücke seit römischer Zeit mit Mainz verknüpft, war also schon lange vor der Eingemeindung eng mit Mainz verbunden.

Amöneburg besaß bedeutende chemische Industrie, das Industriegebiet ging nahtlos in das der Nachbarstadt Biebrich in der preußischen Provinz Hessen-Nassau über. Nach der Eingemeindung von Biebrich nach Wiesbaden 1926 verlief die Grenze zwischen beiden Großstädten, welche zugleich die preußisch-hessische Landesgrenze war, entlang der Albertstraße, die die Chemische Fabrik Kalle in Biebrich und die Chemischen Werke Albert in Amöneburg trennte. Nach dem Krieg wurden beide Betriebe von der Hoechst AG übernommen, die sie 1988 zu einem gemeinsamen Werk Kalle/Albert zusammenlegte. Das Werk bildet seit 1997 den Industriepark Kalle-Albert, die ehemalige Landesgrenze ist jedoch immer noch durch den Straßenverlauf erkennbar.

Am 1. Januar 1913 wurde die unmittelbar vor dessen Mündung am Nordufer des Mains gelegene Gemeinde Kostheim Stadtteil von Mainz. Am 1. Januar 1930 folgte schließlich die Eingemeindung der südlich des Mains gelegenen Orte Ginsheim, Gustavsburg und Bischofsheim. Das Mainzer Stadtgebiet lag damit sowohl beiderseits des Rheins als auch beiderseits des Mains, die Mainmündung mit der Mainspitze gehörte damit ganz zur Mainzer Gemarkung.

Die Teilung der Stadt

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Aus dem Nachkriegsdeutschland wurde das nach Abtrennung der Ostgebiete und des Saarlandes verbliebene Gebiet des vormaligen Deutschen Reiches in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Dabei wurde, dem Zonenprotokoll folgend, im Bereich Mainz/Wiesbaden der Rhein als natürliche Grenze genutzt. Links des Rheins war die französische und rechts des Rheins die amerikanische Besatzungszone. Die alliierten Siegermächte gingen dabei, ähnlich wie beispielsweise in Frankfurt (Oder), Guben oder Görlitz ausschließlich von praktischen Erwägungen aus und interessierten sich wenig dafür, ob durch diese Grenzziehung ein Stadtgebiet geteilt wurde. Im Gegensatz zu den anderen genannten Städten konnten die Bürger in Mainz nach einiger Zeit wieder relativ einfach zwischen den beiden Besatzungszonen wechseln.

Ab September 1945 formierten die Militärregierungen der Besatzungsmächte, jede in ihrer eigenen Zone, die deutschen Länder als Grundlage des demokratischen Neuaufbaus in Deutschland neu. Da aus politischen Gründen das Land Preußen aufgelöst werden sollte, wurden aus den rechtsrheinischen Teilen des Volksstaates Hessen, Teilen der preußischen Provinz Nassau (ohne den Bezirk Montabaur) und der ehemaligen preußischen Provinz Kurhessen das Land Groß-Hessen, das heutige Land Hessen, von der amerikanischen Besatzungsmacht gegründet. Die französische Besatzungsmacht bildete etwas später aus dem linksrheinischen Teil des Volksstaates Hessen, dem ebenfalls zur französischen Zone gefallenen Teil von Hessen-Nassau (Regierungsbezirk Montabaur), dem südlichen Teil der preußischen Rheinprovinz und der vormals bayerischen Pfalz das Land Rheinland-Pfalz.

Die rechtsrheinischen Stadtteile von Mainz hatten mit der bereits im Juli 1945 vollzogenen neuen Grenzziehung ihren kommunalpolitischen Bezugspunkt verloren. Die drei Stadtteile nördlich des Mains, Amöneburg, Kastel und Kostheim wurden, einem Wiesbadener Vorschlag folgend, von der amerikanischen Besatzungsmacht nach Wiesbaden eingemeindet.[4] Eine „treuhänderische Verwaltung“ der Stadt Wiesbaden gab es nicht. Allerdings wurde diese von Mainzer Seite mehrfach gefordert und von rechtsrheinischen Stellen in Verkennung der Rechtslage vereinzelt bestätigt.[5] Dies gilt auch für die südlich des Mains gelegenen Stadtteile Bischofsheim, Ginsheim und Gustavsburg. Sie wurden aus Mainz ausgemeindet und Bestandteil des hessischen Landkreises Groß-Gerau. Ginsheim und Gustavsburg schlossen sich dabei zur Gemeinde Ginsheim-Gustavsburg zusammen, die bereits vor der Eingemeindung bestanden hatte.

Kastel und Amöneburg wurden damit 37 Jahre, Kostheim 32 Jahre und Bischofsheim, Ginsheim und Gustavsburg 15 Jahre lang tatsächlich auch von Mainz aus regiert. Alle Bestrebungen, den sogenannten AKK-Konflikt im Sinne einer Rückgliederung zumindest von Amöneburg, Kastel und Kostheim nach Mainz zu lösen, blieben bis heute ergebnislos.

Die heutige Situation

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Nach wie vor wird für die drei nördlich des Mains gelegenen heutigen Stadtteile der Landeshauptstadt Wiesbaden der Name der alten Mutterstadt Mainz vorangesetzt und sie tragen die amtlichen Bezeichnungen Mainz-Kastel, Mainz-Kostheim und Mainz-Amöneburg. Dies entspricht einer Vereinbarung der Oberbürgermeister im Vierzehn-Punkte-Papier vom 8. September 1945.[6] Bei Amöneburg findet teils der Name Wiesbaden-Amöneburg Verwendung. Bei den Bahnhöfen wird nicht nur „Mainz-Kastel“ weiterhin so bezeichnet (Ausnahme: Liniennetzplan des Rhein-Main-Verkehrsverbundes, dort heißt es nur „Kastel“), auch die Bahnhöfe der Gemeinden Bischofsheim und (Ginsheim-)Gustavsburg tragen bis heute bahnseitig den Namen „Mainz-Bischofsheim“ und „Mainz-Gustavsburg“.

Postalisch werden Mainz-Kastel (55252) und Mainz-Kostheim (55246) über das Briefzentrum 55 in Mainz-Hechtsheim versorgt und führen daher „Mainzer“ Postleitzahlen. Die postalische Bedienung von Mainz-Amöneburg (65203) erfolgt über das Briefzentrum 65 für Wiesbaden, welches allerdings wiederum in Mainz-Kastel liegt. Bei den Telefonvorwahlen teilen sich die Stadtteile Mainz-Kastel und Mainz-Kostheim die 06134, welche auch in Gustavsburg gültig ist, und somit „eigenständig“ sind (Mainz hat die Vorwahl 06131), Mainz-Amöneburg ist durch die Vorwahl 0611 telefonisch Wiesbaden zugeordnet.

Die Frage der abgetrennten Mainzer Stadtteile (ganz überwiegend der nördlich des Mains gelegenen) ist bis heute immer wieder Gegenstand heftiger lokalpolitischer Debatten (siehe auch AKK-Konflikt). Dieses Thema wird bis heute in der auch rechts des Rheins gefeierten Mainzer Fastnacht immer wieder angesprochen. Praktisch ist das Thema bis heute noch relevant, da zwar die Abtrennung die kommunale und Landeszugehörigkeit änderte, jedoch die Grundstücke etc. einschließlich der öffentlichen Flächen sich zunächst und zum Teil heute noch im Eigentum der Stadt Mainz befinden. Dennoch arbeiten die benachbarten Landeshauptstädte seit langem in vielen kommunalen Angelegenheiten eng zusammen, beispielsweise im öffentlichen Personennahverkehr oder bei der Feuerwehr. Der Wiesbadener Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD) publizierte Anfang Juni 2013 in Abstimmung mit dem Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) die Aussage, dass man auf beiden Seiten davon ausgehe, dass sich am Status von AKK bis auf Weiteres nichts ändern werde.[7]

Rechtliche Möglichkeiten einer Wiedervereinigung

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Die mittlerweile über 70 Jahre alte Landesgrenze stellt für eine Restitution ein fast unüberwindliches Hindernis dar, da eine Änderung der Landeszugehörigkeit nur nach Art. 29 des Grundgesetzes möglich wäre. Durch eine Änderung dieses Artikels in Bezug auf die Zahl der betroffenen Einwohner (Grenze liegt jetzt bei 50.000) wäre es zwar möglich, ähnlich wie beim Amt Neuhaus, nur per Staatsvertrag und ohne vorher obligatorische Volksabstimmung im Gesamtgebiet beider betroffenen Bundesländer die Landeszugehörigkeit zu ändern; über die reine Phase von öffentlichen Gedankenspielen ist dies aber bisher nie hinausgekommen, da von hessischer Seite stets Ablehnung signalisiert worden war.

Wikivoyage: Wiesbaden/AKK – Reiseführer

Einzelnachweise

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  1. Eike-Christian Kersten: Mainz – die geteilte Stadt (Diss.), verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher, Heidelberg u. a. 2014, S. 54 f.
  2. Friedens-Vertrag zwischen Preußen und Hessen (Memento des Originals vom 26. Oktober 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.verfassungen.de auf Verfassungen.de, Artikel XIV, Abs. 2.
  3. Reglement zur Ausführung des Wahlgesetzes für den Norddeutschen Bund, Anlage C., „Verzeichniß der Wahlkreise“, „III. 2. Großherzogtum Hessen“
  4. Kersten, Mainz, S. 49 f. und S. 143.
  5. Kersten, Mainz, S. 51 f. und S. 196 f.
  6. Kersten, Mainz, S. 56.
  7. Frühere Mainzer Vororte bleiben bei Wiesbaden. In Rhein-Zeitung Mainz vom 2. Juni 2013.