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„Schleier von Manoppello“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Volto santo di manoppello 2019-11-02.jpg|mini|Schleier von Manoppello]]
[[Bild:Manoppello_volto_santo_02.jpg|thumb|right|Die Kirche ''Santuario del Volto Santo'' in Manoppello]]
Der '''Schleier von Manoppello''', auch als '''Volto Santo von Manoppello''' bekannt, ist eine Tuchreliquie in dem kleinen italienischen Städtchen [[Manoppello]] in den [[Abruzzen]], die in den letzten Jahren aufgrund der Rätselhaftigkeit seines Materials und des sich darauf befindlichen Gesichtes bekannt wurde.
Der '''Schleier von Manoppello''', auch '''Volto Santo von Manoppello''' genannt, ist eine [[Monochrome Malerei|monochrome]] [[Spätgotik|spätgotische]] [[Pinselzeichnung]] auf [[gaze]]artigem [[Vollleinen|Leinen]], die vermutlich eine niederländisch geprägte deutsche Arbeit darstellt und um 1500 ausgeführt wurde. Das Tuch wird in der italienischen Stadt [[Manoppello]] in den [[Abruzzen]] seit Jahrhunderten als [[Reliquie]] verehrt.


== Beschreibung des Tuches ==
== Beschreibung des Schleiers ==
[[Image:Volto-Santo_01.jpg|thumb|right|220px|Schleier von Manoppello]]
[[Datei:Manoppello volto santo 11.jpg|mini|Das ''Santuario del Volto Santo'' in Manoppello]]
[[Datei:Manoppello volto santo 04.jpg|mini|hochkant|Das Innere der Kirche]]
Das ''Volto Santo'' (ital. „Heiliges Antlitz“) ist ein 17,5 cm breiter und 24 cm hoher Schleier, der in Manoppello seit [[1638]] in der dortigen [[Kapuziner]]kirche ''Santuario del Volto Santo'' in einer doppelseitig verglasten [[Monstranz]] aufbewahrt und ausgestellt wird. Bei dem Trägermaterial handelt es sich dem Augenschein nach um ein hauchzartes Tuch aus [[Byssus]], auch Muschelseide genannt, ein Stoff, der aus den Ankerfäden der im Mittelmeer lebenden edlen Steckmuschel gewonnen wird. Der Stoff war in der Antike und im Mittelalter einer der kostbarsten überhaupt. Muschelseide kann angeblich nicht bemalt und nur leicht gefärbt werden. Das Handwerk der Byssusherstellung ist heute allerdings fast ausgestorben, weshalb es schwer ist, die Möglichkeiten seiner Verarbeitung zu beurteilen.
Das ''Volto Santo'' (italienisch für „Heiliges Antlitz“) ist ein 17,5 cm breiter und 24 cm hoher Schleier, der in Manoppello seit dem 17. Jahrhundert in der [[Kapuziner]]kirche ''[[Heiligtum (Christentum)|Santuario]] del Volto Santo'' auf dem Tarignihügel außerhalb der Stadt aufbewahrt wird. Das Tuch wird seit den 1960er Jahren in einem doppelseitig verglasten [[Reliquiar]] aus dem frühen 18. Jahrhundert über dem [[Altar]] gezeigt. Zuvor befand sich das Reliquiar in einer dunklen Seitenkapelle, in der das Tuch für den Betrachter kaum erkennbar war. Es wurde seit Jahrhunderten nicht mehr aus dem Rahmen genommen und konnte bislang mit Hilfe von Mikroskopen, Infrarot- und ultraviolettem Licht sowie [[Raman-Spektroskopie|raman-spektroskopisch]] untersucht werden. Die beiden oberen dreieckigen [[Zwickel (Textil)|Zwickel]] bestehen aus einem anderen Material, wahrscheinlich [[Seide]], und wurden offenbar später angefügt.


Der Schleier zeigt das Gesicht eines Mannes im mittleren Alter, der Mund ist leicht geöffnet. Die Nase ist etwas versetzt, vermutlich weil das Schleiergewebe etwas verzogen ist.
Der Schleier trägt das Antlitz eines Mannes mit Bart, geöffneten Augen und leicht geöffnetem Mund. Seine Zähne sind erkennbar. Auf dem Antlitz sind Flecken erkennbar, die von einigen als Wunden durch Folterungen, s. a. [[Geißelung]] interpretiert werden. Erstaunlich ist, daß die Proportionen des Gesichtes und die Lage der Wunden mit denen des Antlitzes auf dem [[Turiner Grabtuch]] übereinstimmen. Alle bisher möglichen Messungen lassen auf die Abbildung ein und der selben Person schließen, wobei bemerkenswert ist, daß sowohl das Material der Tücher als auch die Art der Bildnisse völlig gegensätzlich sind. Das Gesicht auf dem Schleier lässt [[Ikonographie|ikonographisch]] eine gewisse Nähe zur toskanischen [[Protorenaissance|Vor-]] und [[Renaissance|Frührenaissance]] erkennen, ist jedoch derart untypisch, dass eine eindeutige Zuordnung zu einer kunstgeschichtlichen Epoche nicht möglich ist. Die künstlerische Qualität der Darstellung erscheint mäßig. Das Gesicht wirkt auf Reproduktionen flach, Mund und Augen wirken gezeichnet und Nase und Mund befinden sich nicht in einer Linie. Von einigen Theologen und Forschern wird dennoch vermutet, dass es sich um das Antlitz [[Jesus Christus|Jesu Christi]] handele und spekuliert, dass es zusammen mit dem [[Turiner Grabtuch]] und zwei weiteren Tüchern aus dem Grab Jesu in [[Jerusalem]] stamme.
== Interpretationen des Schleiers ==
=== Religiöse Interpretationen ===
==== Der Schleier als Tuch aus dem Grab Christi ====
Einige Autoren vermuten, dass es sich beim Schleier von Manoppello um eine Textilie handele, die zusammen mit dem [[Turiner Grabtuch]] und weiteren Tüchern aus dem Grab Jesu in [[Jerusalem]] stamme. Die Anzahl der Veröffentlichungen zum Schleier von Manoppello ist allerdings weitaus geringer als die zum Turiner Grabtuch.


Im Rückgriff sowohl auf die Bibelstellen {{B|Joh|20|1–10}} und {{B|Joh|20|19–23}}, die Struktur sowie die Lage des Grabes Jesu als auch auf die jüdischen Begräbnisriten behauptet der Journalist [[Paul Badde]], der Schleier habe zusammen mit dem Turiner Grabtuch im Grab Jesu gelegen.<ref>Paul Badde: ''Die Grabtücher Jesu in Turin und Manoppello.'' Wolff Verlag, Berlin 2014, S. 75–77, 100–111.</ref> Daher seien es „zwei originale Bildquellen vom menschlichen Antlitz Gottes“.<ref>Paul Badde: ''Die Grabtücher Jesu in Turin und Manoppello.'' Wolff Verlag, Berlin 2014, S. 75–77, Anm. 17.</ref> Badde und andere halten das ''Volto Santo'' für ein nicht von Menschenhand gemachtes Bild, ein sogenanntes [[Acheiropoieton]].<ref>Paul Badde: ''Die Grabtücher Jesu in Turin und Manoppello.'' Wolff Verlag, Berlin 2014, S. 75–77, Anm. 59.</ref> Badde entwickelt eine [[Hypothese]], nach der beide Tücher zusammen aufbewahrt worden seien. Dafür führt er nicht nur die genannten Bibelstellen, sondern auch kirchengeschichtliche Texte an, die sich seiner Meinung zufolge auf die Tücher beziehen. Badde folgert, dass es bis ins 16. Jahrhundert ein Bewusstsein von der Zusammengehörigkeit beider Tücher gegeben habe. Während das Grabtuch nach Turin gekommen sei, sei das ''Volto Santo'' während des [[Sacco di Roma]] im Jahr 1527 verloren gegangen und auf ungeklärte Weise nach Manoppello gebracht worden. Badde behauptet, dass das Tuch aus [[Byssus|Muschelseide]] bestehe.<ref>Paul Badde: ''Die Grabtücher Jesu in Turin und Manoppello.'' Wolff Verlag, Berlin 2014, S. 104.</ref>
Das Antlitz ist von beiden Seiten des Tuches, das so fein ist, dass man eine Zeitung dahinter lesen kann, gleichermaßen, wenn auch spiegelverkehrt, zu erkennen. Im Gegenlicht hingegen wird das Tuch so transparent wie klares Glas.


==== Deutung als Schweißtuch der Veronika ====
Bemerkenswert ist, daß der Schleier von Manoppello wie das [[Grabtuch von Turin]] einzigartig zu sein scheint; d. h. die Kunstgeschichte kennt kein gleichartiges Bildnis. Die Farben changieren zwischen verschiedenen Gold-, Bronze-, Braun- und Rottönen ähnlich wie die Farben auf einem Schmetterlingsflügel. Der unter Glas gerahmte Schleier wurde seit Jahrhunderten nicht mehr aus dem Rahmen genommen und konnte bislang nur dem Augenschein nach untersucht werden (Mikroskop, Wood-Licht), wobei keine Farbreste entdeckt werden konnten. Hinsichtlich des angeblich nicht bemalbaren Materials ist die Feinheit der Linien bis jetzt unerklärlich. Lässt sich das Bildnis auf dem Turiner Grabtuch als fotografisches Negativ eigentlich erst richtig erkennen, entzieht sich der Schleier der fotografischen Reproduktion: Das je nach Bewegung und Blickwinkel sich ständig wandelnde Bildnis auf dem Schleier lässt sich nur in der unmittelbaren Anschauung erfahren, insbesondere bei den zwei mal jährlich stattfindenden Prozessionen durch den Ort.
[[Datei:Hans Memling, Saint Veronica (obverse), c. 1470-1475, NGA 41659.jpg|mini|hochkant|[[Hans Memling]]: Heilige Veronika, um 1470]]
[[Heinrich Pfeiffer (Kunsthistoriker)|Heinrich Pfeiffer]] behauptet, dass es sich bei dem Tuch um das [[Schweißtuch der Veronika]] handele. Diese einst wichtigste und meistverehrte [[Reliquie]] der Christenheit befindet sich der Überlieferung zufolge seit dem Jahr 708 im [[Petersdom]]. Auf dem fast schwarz gewordenen Tuch ist allerdings nichts mehr zu erkennen. Pfeiffer kommt aufgrund [[Ikonografie|ikonografischer]] Untersuchungen zu dem Schluss, dass das Schweißtuch der Veronika seit dem Abriss der alten Petersbasilika 1508 oder dem [[Sacco di Roma]] 1527 verschwunden und durch ein anderes Tuch ersetzt worden sei. Vom [[Heiliger Stuhl|Heiligen Stuhl]] wurde diese bereits früher laut gewordene Vermutung allerdings nicht bestätigt.<!-- Belege? -->


=== Kunsthistorische Interpretation ===
== Hypothesen zur Herkunft des Tuches ==
==== Deutung als "Schweißtuch der Veronika" ====
[[Image:Manoppello_and_Turin_shroud.jpg|thumb|220px|Überlagerung des Volto Santo mit einem Negativ des Turiner Grabtuches nach [[Blandina Paschalis Schlömer]]]]
Der römische Kunsthistoriker Prof. Dr. [[Heinrich Pfeiffer]] [[S.J.]] ist nach zwanzigjähriger Forschung zum Schleier von Manoppello überzeugt, dass es sich bei dem Tuch um das eigentliche [[Sudarium]] bzw. das [[Schweißtuch der Veronika]] (von lat./griech.: vera eicon = wahres Bild) handelt, der einst wichtigsten und meistverehrten [[Reliquie]] der Christenheit. Offiziell befindet sich das Tuch in der, als mächtigen Tresor angelegten, Kapelle innerhalb des Veronikapfeilers im [[Petersdom]] in [[Rom]], der über dem Grundstein der Kirche errichtet wurde. Auf diesem fast schwarz gewordenen Tuch ist allerdings nichts mehr zu erkennen. Pfeiffer kommt aufgrund ikonographischer Untersuchungen zu dem Schluss, dass das Schweißtuch der Veronika seit dem Abriss der alten Petersbasilka 1608 verschwunden und durch ein anderes Tuch ersetzt worden sei. Vom [[Vatikan]] wurde diese bereits früher laut gewordene Vermutung allerdings nie bestätigt.


Der Kunsthistoriker Erwin Pokorny setzte sich kritisch mit drei Annahmen über den Schleier von Manoppello auseinander, die dessen Deutung als [[Schweißtuch der Veronika]] stützen sollen:
Nach der örtlichen Überlieferung wurde das Volto Santo bereits 1506 von einem Unbekannten nach Manoppello gebracht, wirklich bezeugt ist es dort jedoch erst seit dem Jahr 1638, als es den [[Kapuziner]]n übergeben wurde. [[Papst]] [[Benedikt XVI.]] pilgerte als erster Papst am 1. September 2006 nach Manoppello. Bislang wurde das Tüchlein von Rom kaum beachtet und auch er wurde erst 2004 durch einen Zeitungsbericht darauf aufmerksam.


# Auf dem Schleier gebe es keine Farbpigmente.
==== Deutung als Gemälde Albrecht Dürers ====
# Es existiere keine Maltechnik, die ein Bild im Gegenlicht verschwinden lasse.
[[Giorgio Vasari]] berichtet in seinen Schriften, dass [[Albrecht Dürer]], der das Grabtuch von Turin aus eigener Anschauung kannte, ein auf [[Byssus|Byssos]] gemaltes Selbstbildnis an [[Raffael]] geschickt habe, welches ähnliche Qualitäten aufgewiesen haben soll, wie sie beim Volto Santo zu beobachten sind. Dieses Selbstbildnis Dürers ist seit Jahrhunderten verschollen und der italienische Kunsthistoriker Roberto Falcinelli meint, es in dem Schleier von Manoppello wiedergefunden zu haben. Jedoch ist offensichtlich, daß der Abgebildete keine Ähnlichkeit mit dem Gesicht Albrecht Dürers aufweist, weshalb Falcinelli annimmt, dass es sich bei dem Abgebildeten um Raffael handele. Anzumerken ist jedoch, dass der Begriff Byssos nicht nur für die seltene Muschelseide, sondern generell für sehr zarte, seidige Stoffe verwendet wurde.
# Das Gewebe bestehe aus Muschelseide.


Pokorny bestreitet alle diese Annahmen. Er wirft Badde vor, dass dieser den Bericht von Giulio Fanti (Universität Padua) zu mikroskopischen Untersuchungen „entstellt“ habe und behaupte, dass der Schleier „keinerlei Farbspuren“ aufweise. Tatsächlich hat Fanti Farbpigmente festgestellt, diese jedoch wegen ihrer geringen Größe als nicht bildgebend erachtet.<ref>Erwin Pokorny: ''Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello.'' In: Karlheinz Dietz, Christian Hannick, Carolina Lutzka, Elisabeth Maier (Hrsg.): ''Das Christusbild. Zu Herkunft und Entwicklung in Ost und West.'' Akten der Kongresse in Würzburg, 16–18. Oktober 2014, und Wien, 17.–18. März 2015 (=&nbsp;''Das Östliche Christentum.'' Neue Folge, Band 62). Echter, Würzburg 2016, S. 773, mit Verweis in Anm. 64 auf Paul Badde: ''Das Göttliche Gesicht im Muschelseidentuch von Manoppello.'' Kislegg 2011, S. 49–50. Pokorny verweist auf die mikroskopischen Untersuchung von Giulio Fanti ([https://www.academia.edu/29548414/_Die_T%C3%BCchleinmalerei_und_der_Schleier_von_Manoppello_in_Das_Christusbild._Zu_Herkunft_und_Entwicklung_in_Ost_und_West._Akten_der_Kongresse_in_W%C3%BCrzburg_16-18._Oktober_2014_und_Wien_17.-18._M%C3%A4rz_2015._Hrsg._von_Karlheinz_Dietz_u.a._W%C3%BCrzburg_2016_760-786 online]).</ref>
== Siehe auch ==
Durch Fantis Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass auf beiden Seiten des Tuches Farbe aufgebracht ist.<ref>Erwin Pokorny: ''Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello.'' S. 773. </ref> Das Verschwinden des Bildes bei Gegenlicht basiert auf den Eigenschaften des Bildträgers und nicht etwa auf der Maltechnik: Dieses Gewebe weist so große Abstände der Webfäden auf, dass das Licht dazwischen ungehindert hindurchdringen kann.<ref>Erwin Pokorny: ''Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello.'' S. 775.</ref> Eine Verwendung von Muschelseide könne anhand der Fadenstärke des Gewebes ausgeschlossen werden. Muschelseide weise auch einen eher wollenen Charakter auf; es gebe zudem keine Hinweise darauf, dass jemals ein Schleier daraus gewebt worden sei. Pokorny geht daher davon aus, dass das Gewebe des Schleiers aus Leinen- oder Flachsfasern besteht.<ref>Erwin Pokorny: ''Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello.'' S. 776.</ref> Er weist darauf hin, dass dieses ''Volto Santo'' einer Stilentwicklung der Darstellung des Gesichts Jesu entspricht, wie sie in der niederländischen Malerei stattgefunden hat.<ref>Erwin Pokorny: ''Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello.'' S. 781, wo Pokorny auf die Ansichten von Gerhard Wolf und Urte Krass verweist.</ref>
[[Bild:Manoppello_volto_santo_07.jpg|thumb|right|Schleier von Manoppello, Volto Santo von Manoppello]]
*[[Grabtuch von Turin]]
*[[Schweißtuch der Veronika]]
*[[Abgar-Bild]]
*[[Acheiropoieton]] - Bilder, die nicht von Menschen geschaffen wurden?


Pokorny zieht aus seinen Beobachtungen folgende Schlüsse: Es handele sich bei dem Gegenstand um eine niederländisch geprägte deutsche Tüchleinmalerei, ausgeführt um 1500 als Pinselzeichnung mit Wasserfarbe oder Tinte. Die unsichere Zeichnung der Augen, die flache Gesamterscheinung und die Verwendung der Farbe verwiesen auf die Ausführung durch einen Autodidakten und verliehen dem Bild den Charakter religiöser Volkskunst.<ref>Erwin Pokorny: ''Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello.'' S. 786.</ref> Insgesamt bezeichnet er die Qualität der künstlerischen Darstellung als gering.<ref>Erwin Pokorny: ''Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello.'' S. 772, 780, 786.</ref>
== Weblinks ==

*[http://www.voltosanto.com Volto Santo]
== Naturwissenschaftliche Untersuchungen ==
*[http://www.bible-earth.net/de_html/reliquien.html bible-earth.net: Manoppello mit Google Earth entdecken]
Naturwissenschaftliche Untersuchungen des Schleiers sind schwierig, da keine Materialproben entnommen werden dürfen. Pietro Baraldi führte mit seinem Team am 30. April 2007 Messungen mit einem [[Raman-Spektroskopie |Raman]]-Mikroskop, einem tragbaren [[Konfokalmikroskop]] S633 des Herstellers Jobin-Yvon, durch. Dessen Ergebnisse wurden allerdings von ihm selbst nicht veröffentlicht, sondern liegen nur im Archiv des ''Santuario del Volto Santo'' vor. Bislang kursieren nur Paraphrasen dieses Berichts durch Dritte. Demnach habe Baraldi zunächst entdeckt, dass es keine für Malereien auf Leinwand allgemein übliche Vorbereitungsschicht gibt. Ebenso seien keine Farbpartikel auf dem Material zu finden. Die Messungen ließen keine Spektren bekannter Substanzen erkennen, die bei irgendwelchen Maltechniken der Vergangenheit angewendet wurden. Auf dem Hintergrund der erfassten Daten habe Baraldi erklärt, dass die aus der Untersuchung resultierenden Spektren lediglich die Beschaffenheit der Faser anzeigten. Die Faser bestehe demnach aus Eiweiß und weise eine gewisse Ähnlichkeit mit Spektren auf, die bei Untersuchungen von Pergament beobachtet werden.<ref>Falcinelli gibt das Ergebnis der Untersuchung von Pietro Baraldi wieder: Roberto Falcinelli: ''Der Schleier der Veronica und das Antlitz von Manoppello: Neue Untersuchungen und Erkenntnisse''. In: Karlheinz Dietz, Christian Hannick, Carolina Lutzka, Elisabeth Maier (Hrsg.): ''Das Christusbild. Zu Herkunft und Entwicklung in Ost und West.'' Akten der Kongresse in Würzburg, 16.–18. Oktober 2014, und Wien, 17.–18. März 2015 (=&nbsp;''Das Östliche Christentum'', Neue Folge, Band 62). Würzburg 2016, S. 719–759 (740-742). ([https://www.academia.edu/30995238/Der_Schleier_der_Veronica_und_das_Antlitz_von_Manoppello_Neue_Untersuchungen_und_Erkenntnisse_in_Das_Christusbild._Zu_Herkunft_und_Entwicklung_in_Ost_und_West._Akten_der_Kongresse_in_W%C3%BCrzburg_16-18._Oktober_2014_und_Wien_17.-18._M%C3%A4rz_2015._Hrsg._von_Karlheinz_Dietz_u.a._W%C3%BCrzburg_2016 PDF]); Übersetzung des unpublizierten Vortragsmanuskripts von Pietro Baraldi zu den Untersuchungen des Schleiers von Manoppello: [https://antlitz-christi.de/forschung/forschung/34-untersuchung-des-volto-santo-von-manoppello-mit-dem-raman-mikroskop.html online].</ref> Pokorny schreibt dagegen in seinem Artikel zum Schleier von Manoppello, Baraldi habe ihm schriftlich mitgeteilt, dass er sehr wohl Farbspuren auf dem Schleiertuch erkennen, diese aber nicht spektroskopisch nachweisen konnte.<ref>Erwin Pokorny: ''Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello.'' S. 774.</ref>
*[http://www.kath.net/suche.php?suche=Manoppello&&volltext=yes Manoppello in den katholischen Online-Nachrichten]

*[http://www.zeit.de/2005/52/Veronika
So fassen auch die Autoren einer neuen Studie die Ergebnisse Baraldis dahingehend zusammen, dass er weder zu den verwendeten Farben noch zum Material des Schleiers Aussagen machen konnte. Organische Farbstoffe würden sich ohnehin einer Raman-spektroskopischen Untersuchung zumeist entziehen, weil sie keine [[Raman-Streuung]] aufweisen.<ref>Liberato De Caro, Emilio Matricciani, Giulio Fanti: ''Imaging Analysis and Digital Restoration of the Holy Face of Manoppello – Part I.'' In: ''Heritage.'' Band 1, Heft 2, 2018, S. 289–305, hier S. 292, {{DOI|10.3390/heritage1020019}}.</ref> Ihre eigenen Untersuchungen haben zeigen können, dass das Trägermaterial des Schleiers aufgrund seiner optischen Eigenschaften unter polarisiertem Licht aller Wahrscheinlichkeit nach aus Flachsleinen, in jedem Fall aus Zellulose besteht. Zudem sind die Fäden des Gewebes mit einer Stärke von durchschnittlich 0,12 mm deutlich dünner, als dies bei der sonst ins Feld geführten Muschelseide mit ihrer Stärke von 0,2–0,3&nbsp;mm der Fall wäre.<ref>Liberato De Caro, Emilio Matricciani, Giulio Fanti: ''Imaging Analysis and Digital Restoration of the Holy Face of Manoppello – Part I.'' In: ''Heritage.'' Band 1, Heft 2, 2018, S. 289–305, hier S. 294 f.</ref>
*[http://www.die-tagespost.de/Archiv/titel_anzeige.asp?ID=24956 ''Die Tagespost'' über Schleier und Papstbesuch, Artikel v. 27. Juli 2006]

== Verehrung des Schleiers ==
Abgesehen von der Gewährung eines vollkommenen [[Ablass]]es von zeitlichen Sündenstrafen für Manoppellopilger durch Papst [[Clemens XI.]] im Jahr 1718 wurde das Tüchlein von der kirchlichen Hierarchie kaum beachtet. Die örtliche Überlieferung besagt, das ''Volto Santo'' sei um 1506 nach Manoppello gebracht worden, urkundlich bezeugt ist es dort jedoch erst, seit es 1638 den [[Kapuziner]]n übergeben wurde.

Überregionale Bekanntheit erlangte es in den 1960er und 1970er Jahren durch den Kapuzinerpater und seinerzeitigen Rektor des Heiligtums, [[Domenico da Cese]].

Am 1. September 2006 pilgerte Papst [[Benedikt XVI.]] nach Manoppello.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.vatican.va/content/benedict-xvi/de/speeches/2006/september/documents/hf_ben-xvi_spe_20060901_manoppello.html |titel=Pilgerfahrt zum Heiligtum des „Heiligen Antlitzes“ in Manoppello (1. September 2006) {{!}} Benedikt XVI. |abruf=2019-12-14}}</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==
*Werner Bulst/Heinrich Pfeiffer: Das Turiner Grabtuch und das Christusbild, Band II: Das echte Christusbild, Das Grabtuch, der Schleier von Manoppello und ihre Wirkungsgeschichte in der Kunst; Frankfurt/M., Verlag Josef Knecht, 1991 ISBN 3-7820-0633-X
* [[Werner Bulst]], [[Heinrich Pfeiffer (Kunsthistoriker)|Heinrich Pfeiffer]]: ''Das Turiner Grabtuch und das Christusbild.'' Band 2: ''Das echte Christusbild. Das Grabtuch, der Schleier von Manoppello und ihre Wirkungsgeschichte in der Kunst.'' Knecht, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-7820-0633-X.
* [[Karlheinz Dietz]] u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Das Christusbild. Zu Herkunft und Entwicklung in Ost und West.'' Akten der Kongresse in Würzburg, 16.–18. Oktober 2014, und Wien, 17.–18. März 2015 (=&nbsp;''Das Östliche Christentum'', Neue Folge, Band 62). Würzburg 2016, ISBN 978-3-429-04199-1.
*[[Blandina Paschalis Schlömer]]: Der Schleier von Manoppello und das Grabtuch von Turin, Innsbruck, Resch-Verlag, 1999, ISBN 3-85382-068-9
*Heinrich Pfeiffer: ''Il Volto Santo di Manoppello'', Pescara 2000
* Heinrich Pfeiffer (Hrsg.): ''Il Volto Santo di Manoppello.'' Pescara, Carsa 2000, ISBN 88-85854-88-5 Auch: ebenda 2005.
* Erwin Pokorny: ''Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello.'' In: Karlheinz Dietz, Christian Hannick, Carolina Lutzka, Elisabeth Maier (Hrsg.): ''Das Christusbild. Zu Herkunft und Entwicklung in Ost und West.'' Akten der Kongresse in Würzburg, 16.–18. Oktober 2014, und Wien, 17.–18. März 2015 (=&nbsp;''Das Östliche Christentum'', Neue Folge, Band 62). Würzburg 2016, ISBN 978-3429041991, S.&nbsp;760–786 ([https://www.academia.edu/29548414/_Die_T%C3%BCchleinmalerei_und_der_Schleier_von_Manoppello_in_Das_Christusbild._Zu_Herkunft_und_Entwicklung_in_Ost_und_West._Akten_der_Kongresse_in_W%C3%BCrzburg_16-18._Oktober_2014_und_Wien_17.-18._M%C3%A4rz_2015._Hrsg._von_Karlheinz_Dietz_u.a._W%C3%BCrzburg_2016_760-786 PDF]).
*Paul Badde: Das Muschelseidentuch. Auf der Suche nach dem wahren Antlitz Jesu. Berlin: Ullstein, 2005. ISBN 3-55007853-6 (Neuauflage unter dem Titel: Das göttliche Gesicht, München, Pattloch Verlag 2006, ISBN 3-629-02149-2 )
* Roberto Falcinelli: ''Der Schleier der Veronica und das Antlitz von Manoppello: Neue Untersuchungen und Erkenntnisse''. In: Karlheinz Dietz, Christian Hannick, Carolina Lutzka, Elisabeth Maier (Hrsg.): ''Das Christusbild. Zu Herkunft und Entwicklung in Ost und West.'' Akten der Kongresse in Würzburg, 16.–18. Oktober 2014, und Wien, 17.–18. März 2015 (=&nbsp;''Das Östliche Christentum'', Neue Folge, Band 62). Würzburg 2016, S. 719–759 ([https://www.academia.edu/30995238/Der_Schleier_der_Veronica_und_das_Antlitz_von_Manoppello_Neue_Untersuchungen_und_Erkenntnisse_in_Das_Christusbild._Zu_Herkunft_und_Entwicklung_in_Ost_und_West._Akten_der_Kongresse_in_W%C3%BCrzburg_16-18._Oktober_2014_und_Wien_17.-18._M%C3%A4rz_2015._Hrsg._von_Karlheinz_Dietz_u.a._W%C3%BCrzburg_2016 PDF]).
*[[Andreas Resch]]: Das Antlitz Christi, Grabtuch - Veronika, Innsbruck, Resch-Verlag, 2005. ISBN 3-85382-077-8

== Weblinks ==
{{Commons|Volto Santo|Schleier von Manoppello}}

== Einzelnachweise ==
<references />


{{Normdaten|TYP=s|GND=1095494252}}
[[Kategorie:Reliquie]]


[[Kategorie:Christusikone]]
[[it:Volto Santo di Manoppello]]
[[Kategorie:Werk der Textilkunst]]
[[pl:Całun z Manoppello]]
[[Kategorie:Christentum (Abruzzen)]]
[[Kategorie:Textilie religiöser Verwendung]]
[[Kategorie:Manoppello]]

Aktuelle Version vom 6. Juni 2025, 12:22 Uhr

Schleier von Manoppello

Der Schleier von Manoppello, auch Volto Santo von Manoppello genannt, ist eine monochrome spätgotische Pinselzeichnung auf gazeartigem Leinen, die vermutlich eine niederländisch geprägte deutsche Arbeit darstellt und um 1500 ausgeführt wurde. Das Tuch wird in der italienischen Stadt Manoppello in den Abruzzen seit Jahrhunderten als Reliquie verehrt.

Beschreibung des Schleiers

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Das Santuario del Volto Santo in Manoppello
Das Innere der Kirche

Das Volto Santo (italienisch für „Heiliges Antlitz“) ist ein 17,5 cm breiter und 24 cm hoher Schleier, der in Manoppello seit dem 17. Jahrhundert in der Kapuzinerkirche Santuario del Volto Santo auf dem Tarignihügel außerhalb der Stadt aufbewahrt wird. Das Tuch wird seit den 1960er Jahren in einem doppelseitig verglasten Reliquiar aus dem frühen 18. Jahrhundert über dem Altar gezeigt. Zuvor befand sich das Reliquiar in einer dunklen Seitenkapelle, in der das Tuch für den Betrachter kaum erkennbar war. Es wurde seit Jahrhunderten nicht mehr aus dem Rahmen genommen und konnte bislang mit Hilfe von Mikroskopen, Infrarot- und ultraviolettem Licht sowie raman-spektroskopisch untersucht werden. Die beiden oberen dreieckigen Zwickel bestehen aus einem anderen Material, wahrscheinlich Seide, und wurden offenbar später angefügt.

Der Schleier zeigt das Gesicht eines Mannes im mittleren Alter, der Mund ist leicht geöffnet. Die Nase ist etwas versetzt, vermutlich weil das Schleiergewebe etwas verzogen ist.

Interpretationen des Schleiers

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Religiöse Interpretationen

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Der Schleier als Tuch aus dem Grab Christi

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Einige Autoren vermuten, dass es sich beim Schleier von Manoppello um eine Textilie handele, die zusammen mit dem Turiner Grabtuch und weiteren Tüchern aus dem Grab Jesu in Jerusalem stamme. Die Anzahl der Veröffentlichungen zum Schleier von Manoppello ist allerdings weitaus geringer als die zum Turiner Grabtuch.

Im Rückgriff sowohl auf die Bibelstellen Joh 20,1–10 EU und Joh 20,19–23 EU, die Struktur sowie die Lage des Grabes Jesu als auch auf die jüdischen Begräbnisriten behauptet der Journalist Paul Badde, der Schleier habe zusammen mit dem Turiner Grabtuch im Grab Jesu gelegen.[1] Daher seien es „zwei originale Bildquellen vom menschlichen Antlitz Gottes“.[2] Badde und andere halten das Volto Santo für ein nicht von Menschenhand gemachtes Bild, ein sogenanntes Acheiropoieton.[3] Badde entwickelt eine Hypothese, nach der beide Tücher zusammen aufbewahrt worden seien. Dafür führt er nicht nur die genannten Bibelstellen, sondern auch kirchengeschichtliche Texte an, die sich seiner Meinung zufolge auf die Tücher beziehen. Badde folgert, dass es bis ins 16. Jahrhundert ein Bewusstsein von der Zusammengehörigkeit beider Tücher gegeben habe. Während das Grabtuch nach Turin gekommen sei, sei das Volto Santo während des Sacco di Roma im Jahr 1527 verloren gegangen und auf ungeklärte Weise nach Manoppello gebracht worden. Badde behauptet, dass das Tuch aus Muschelseide bestehe.[4]

Deutung als Schweißtuch der Veronika

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Hans Memling: Heilige Veronika, um 1470

Heinrich Pfeiffer behauptet, dass es sich bei dem Tuch um das Schweißtuch der Veronika handele. Diese einst wichtigste und meistverehrte Reliquie der Christenheit befindet sich der Überlieferung zufolge seit dem Jahr 708 im Petersdom. Auf dem fast schwarz gewordenen Tuch ist allerdings nichts mehr zu erkennen. Pfeiffer kommt aufgrund ikonografischer Untersuchungen zu dem Schluss, dass das Schweißtuch der Veronika seit dem Abriss der alten Petersbasilika 1508 oder dem Sacco di Roma 1527 verschwunden und durch ein anderes Tuch ersetzt worden sei. Vom Heiligen Stuhl wurde diese bereits früher laut gewordene Vermutung allerdings nicht bestätigt.

Kunsthistorische Interpretation

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Der Kunsthistoriker Erwin Pokorny setzte sich kritisch mit drei Annahmen über den Schleier von Manoppello auseinander, die dessen Deutung als Schweißtuch der Veronika stützen sollen:

  1. Auf dem Schleier gebe es keine Farbpigmente.
  2. Es existiere keine Maltechnik, die ein Bild im Gegenlicht verschwinden lasse.
  3. Das Gewebe bestehe aus Muschelseide.

Pokorny bestreitet alle diese Annahmen. Er wirft Badde vor, dass dieser den Bericht von Giulio Fanti (Universität Padua) zu mikroskopischen Untersuchungen „entstellt“ habe und behaupte, dass der Schleier „keinerlei Farbspuren“ aufweise. Tatsächlich hat Fanti Farbpigmente festgestellt, diese jedoch wegen ihrer geringen Größe als nicht bildgebend erachtet.[5] Durch Fantis Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass auf beiden Seiten des Tuches Farbe aufgebracht ist.[6] Das Verschwinden des Bildes bei Gegenlicht basiert auf den Eigenschaften des Bildträgers und nicht etwa auf der Maltechnik: Dieses Gewebe weist so große Abstände der Webfäden auf, dass das Licht dazwischen ungehindert hindurchdringen kann.[7] Eine Verwendung von Muschelseide könne anhand der Fadenstärke des Gewebes ausgeschlossen werden. Muschelseide weise auch einen eher wollenen Charakter auf; es gebe zudem keine Hinweise darauf, dass jemals ein Schleier daraus gewebt worden sei. Pokorny geht daher davon aus, dass das Gewebe des Schleiers aus Leinen- oder Flachsfasern besteht.[8] Er weist darauf hin, dass dieses Volto Santo einer Stilentwicklung der Darstellung des Gesichts Jesu entspricht, wie sie in der niederländischen Malerei stattgefunden hat.[9]

Pokorny zieht aus seinen Beobachtungen folgende Schlüsse: Es handele sich bei dem Gegenstand um eine niederländisch geprägte deutsche Tüchleinmalerei, ausgeführt um 1500 als Pinselzeichnung mit Wasserfarbe oder Tinte. Die unsichere Zeichnung der Augen, die flache Gesamterscheinung und die Verwendung der Farbe verwiesen auf die Ausführung durch einen Autodidakten und verliehen dem Bild den Charakter religiöser Volkskunst.[10] Insgesamt bezeichnet er die Qualität der künstlerischen Darstellung als gering.[11]

Naturwissenschaftliche Untersuchungen

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Naturwissenschaftliche Untersuchungen des Schleiers sind schwierig, da keine Materialproben entnommen werden dürfen. Pietro Baraldi führte mit seinem Team am 30. April 2007 Messungen mit einem Raman-Mikroskop, einem tragbaren Konfokalmikroskop S633 des Herstellers Jobin-Yvon, durch. Dessen Ergebnisse wurden allerdings von ihm selbst nicht veröffentlicht, sondern liegen nur im Archiv des Santuario del Volto Santo vor. Bislang kursieren nur Paraphrasen dieses Berichts durch Dritte. Demnach habe Baraldi zunächst entdeckt, dass es keine für Malereien auf Leinwand allgemein übliche Vorbereitungsschicht gibt. Ebenso seien keine Farbpartikel auf dem Material zu finden. Die Messungen ließen keine Spektren bekannter Substanzen erkennen, die bei irgendwelchen Maltechniken der Vergangenheit angewendet wurden. Auf dem Hintergrund der erfassten Daten habe Baraldi erklärt, dass die aus der Untersuchung resultierenden Spektren lediglich die Beschaffenheit der Faser anzeigten. Die Faser bestehe demnach aus Eiweiß und weise eine gewisse Ähnlichkeit mit Spektren auf, die bei Untersuchungen von Pergament beobachtet werden.[12] Pokorny schreibt dagegen in seinem Artikel zum Schleier von Manoppello, Baraldi habe ihm schriftlich mitgeteilt, dass er sehr wohl Farbspuren auf dem Schleiertuch erkennen, diese aber nicht spektroskopisch nachweisen konnte.[13]

So fassen auch die Autoren einer neuen Studie die Ergebnisse Baraldis dahingehend zusammen, dass er weder zu den verwendeten Farben noch zum Material des Schleiers Aussagen machen konnte. Organische Farbstoffe würden sich ohnehin einer Raman-spektroskopischen Untersuchung zumeist entziehen, weil sie keine Raman-Streuung aufweisen.[14] Ihre eigenen Untersuchungen haben zeigen können, dass das Trägermaterial des Schleiers aufgrund seiner optischen Eigenschaften unter polarisiertem Licht aller Wahrscheinlichkeit nach aus Flachsleinen, in jedem Fall aus Zellulose besteht. Zudem sind die Fäden des Gewebes mit einer Stärke von durchschnittlich 0,12 mm deutlich dünner, als dies bei der sonst ins Feld geführten Muschelseide mit ihrer Stärke von 0,2–0,3 mm der Fall wäre.[15]

Verehrung des Schleiers

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Abgesehen von der Gewährung eines vollkommenen Ablasses von zeitlichen Sündenstrafen für Manoppellopilger durch Papst Clemens XI. im Jahr 1718 wurde das Tüchlein von der kirchlichen Hierarchie kaum beachtet. Die örtliche Überlieferung besagt, das Volto Santo sei um 1506 nach Manoppello gebracht worden, urkundlich bezeugt ist es dort jedoch erst, seit es 1638 den Kapuzinern übergeben wurde.

Überregionale Bekanntheit erlangte es in den 1960er und 1970er Jahren durch den Kapuzinerpater und seinerzeitigen Rektor des Heiligtums, Domenico da Cese.

Am 1. September 2006 pilgerte Papst Benedikt XVI. nach Manoppello.[16]

  • Werner Bulst, Heinrich Pfeiffer: Das Turiner Grabtuch und das Christusbild. Band 2: Das echte Christusbild. Das Grabtuch, der Schleier von Manoppello und ihre Wirkungsgeschichte in der Kunst. Knecht, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-7820-0633-X.
  • Karlheinz Dietz u. a. (Hrsg.): Das Christusbild. Zu Herkunft und Entwicklung in Ost und West. Akten der Kongresse in Würzburg, 16.–18. Oktober 2014, und Wien, 17.–18. März 2015 (= Das Östliche Christentum, Neue Folge, Band 62). Würzburg 2016, ISBN 978-3-429-04199-1.
  • Heinrich Pfeiffer (Hrsg.): Il Volto Santo di Manoppello. Pescara, Carsa 2000, ISBN 88-85854-88-5 Auch: ebenda 2005.
  • Erwin Pokorny: Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello. In: Karlheinz Dietz, Christian Hannick, Carolina Lutzka, Elisabeth Maier (Hrsg.): Das Christusbild. Zu Herkunft und Entwicklung in Ost und West. Akten der Kongresse in Würzburg, 16.–18. Oktober 2014, und Wien, 17.–18. März 2015 (= Das Östliche Christentum, Neue Folge, Band 62). Würzburg 2016, ISBN 978-3429041991, S. 760–786 (PDF).
  • Roberto Falcinelli: Der Schleier der Veronica und das Antlitz von Manoppello: Neue Untersuchungen und Erkenntnisse. In: Karlheinz Dietz, Christian Hannick, Carolina Lutzka, Elisabeth Maier (Hrsg.): Das Christusbild. Zu Herkunft und Entwicklung in Ost und West. Akten der Kongresse in Würzburg, 16.–18. Oktober 2014, und Wien, 17.–18. März 2015 (= Das Östliche Christentum, Neue Folge, Band 62). Würzburg 2016, S. 719–759 (PDF).
Commons: Schleier von Manoppello – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Paul Badde: Die Grabtücher Jesu in Turin und Manoppello. Wolff Verlag, Berlin 2014, S. 75–77, 100–111.
  2. Paul Badde: Die Grabtücher Jesu in Turin und Manoppello. Wolff Verlag, Berlin 2014, S. 75–77, Anm. 17.
  3. Paul Badde: Die Grabtücher Jesu in Turin und Manoppello. Wolff Verlag, Berlin 2014, S. 75–77, Anm. 59.
  4. Paul Badde: Die Grabtücher Jesu in Turin und Manoppello. Wolff Verlag, Berlin 2014, S. 104.
  5. Erwin Pokorny: Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello. In: Karlheinz Dietz, Christian Hannick, Carolina Lutzka, Elisabeth Maier (Hrsg.): Das Christusbild. Zu Herkunft und Entwicklung in Ost und West. Akten der Kongresse in Würzburg, 16–18. Oktober 2014, und Wien, 17.–18. März 2015 (= Das Östliche Christentum. Neue Folge, Band 62). Echter, Würzburg 2016, S. 773, mit Verweis in Anm. 64 auf Paul Badde: Das Göttliche Gesicht im Muschelseidentuch von Manoppello. Kislegg 2011, S. 49–50. Pokorny verweist auf die mikroskopischen Untersuchung von Giulio Fanti (online).
  6. Erwin Pokorny: Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello. S. 773.
  7. Erwin Pokorny: Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello. S. 775.
  8. Erwin Pokorny: Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello. S. 776.
  9. Erwin Pokorny: Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello. S. 781, wo Pokorny auf die Ansichten von Gerhard Wolf und Urte Krass verweist.
  10. Erwin Pokorny: Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello. S. 786.
  11. Erwin Pokorny: Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello. S. 772, 780, 786.
  12. Falcinelli gibt das Ergebnis der Untersuchung von Pietro Baraldi wieder: Roberto Falcinelli: Der Schleier der Veronica und das Antlitz von Manoppello: Neue Untersuchungen und Erkenntnisse. In: Karlheinz Dietz, Christian Hannick, Carolina Lutzka, Elisabeth Maier (Hrsg.): Das Christusbild. Zu Herkunft und Entwicklung in Ost und West. Akten der Kongresse in Würzburg, 16.–18. Oktober 2014, und Wien, 17.–18. März 2015 (= Das Östliche Christentum, Neue Folge, Band 62). Würzburg 2016, S. 719–759 (740-742). (PDF); Übersetzung des unpublizierten Vortragsmanuskripts von Pietro Baraldi zu den Untersuchungen des Schleiers von Manoppello: online.
  13. Erwin Pokorny: Die Tüchleinmalerei und der Schleier von Manoppello. S. 774.
  14. Liberato De Caro, Emilio Matricciani, Giulio Fanti: Imaging Analysis and Digital Restoration of the Holy Face of Manoppello – Part I. In: Heritage. Band 1, Heft 2, 2018, S. 289–305, hier S. 292, doi:10.3390/heritage1020019.
  15. Liberato De Caro, Emilio Matricciani, Giulio Fanti: Imaging Analysis and Digital Restoration of the Holy Face of Manoppello – Part I. In: Heritage. Band 1, Heft 2, 2018, S. 289–305, hier S. 294 f.
  16. Pilgerfahrt zum Heiligtum des „Heiligen Antlitzes“ in Manoppello (1. September 2006) | Benedikt XVI. Abgerufen am 14. Dezember 2019.