„Geschichte des Geigenbaus in Klingenthal“ – Versionsunterschied
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Der '''Geigenbau in Klingenthal''' im Land [[Sachsen]] entstand durch die Besiedlung des Ortes durch [[Exulanten]] aus den Habsburger Gebieten im [[17. Jahrhundert]]. Er führte zum wirtschaftlichen Aufstieg des Ortes und prägt bis heute den [[Musikwinkel]] um [[Klingenthal]]. Einer der berühmtesten Klingenthaler Geigenbauer war [[Caspar Hopf]]. Er begründete eine Dynastie, die dem Klingenthaler Geigenbau eine besondere Stilistik verlieh. Nach über 300 Jahren verschwanden die Klingenthaler Meisterwerkstätten 1975 vollständig. |
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== Chronik des [[Geigenbau]]s in Klingenthal == |
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== Chronik des Geigenbaus in Klingenthal == |
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Am 1. Februar [[1602]] findet man die erste Erwähnung des Namens "[[Höllhammer]]" im [[Kirchenbuch]] der Stadt [[Schöneck/Vogtl.|Schöneck]]. Es lebten dort [[Schmied|Hammerschmiede]], [[Bergmann|Bergleute]] und [[Köhler]]. Damals gehörte [[Quittenbach]] nicht zu [[Klingenthal]] und ist als [[Lehen]] in [[Voigtsberg]] eingetragen. Im Jahre [[1629]] hatte [[Georg Christoph Boxberger von Hellhammer]] zu Errichtung eines [[Hammerwerk]]s nachgesucht. Eine Besichtigung fand am 10. Juli [[1626]] statt und am 2. Oktober [[1626]] wurde die [[Lehnswesen|Belehnung]] [[Boxberg]]s vorgenommen. Seit dem ist [[Quittenbach]] [[Klingenthal]] einverleibt. |
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=== Besiedlung Klingenthals durch böhmische Exulanten === |
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Das Geigenmachergewerbe wurde durch den Zuzug von Exulanten ab 1659 aus Böhmen nach Klingenthal eingeführt. Dies wurde dadurch begünstigt, dass in den Gebieten um [[Schöneck/Vogtl.|Schöneck]] herum geringere Steuern zu zahlen waren und man nahe an der alten Heimat wohnte. Auch die Klingenthaler [[Lehnswesen|Lehnsherren]] [[Boxberger (Adelsgeschlecht)|Boxberger]] waren am Zuzug der Exulanten interessiert. Vorher gab es in Klingenthal hauptsächlich Hammerschmiede, Bergleute und Köhler. |
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Die ältesten Geigenbauer [[Caspar Hopf]], Johann Gottfried Dörfler<ref>* 1639</ref> und Johann Friedrich Dörfler<ref name="Dörfler">später Dörfel geschrieben, * 1660</ref> dürften noch in Böhmen geboren sein. Viele Exulanten stammten aus der Stadt Graslitz (heute [[Kraslice]]) und den umliegenden Orten, in denen es schon früher Geigenmacher gab und 1669 eine Innung gegründet wurde. In frühester Zeit waren Melchior Lorentz,<ref>Sohn des [[Breitenbrunn/Erzgeb.|Breitenbrunner]] [[Bergarbeiter|Bergmannes]] Andreas Lorentz; wanderte 1653 nach Klingenthal aus; † 1677 in [[Markneukirchen]]</ref> Barthel Lippold,<ref>Sohn eines [[Kupferschmied]]es aus Neudorf bei [[Mittweida]], * vermutlich um 1620 in [[Kraslice|Graslitz]]; ging 1651 nach [[Hof (Saale)]]; † 1666 Hof (Saale)</ref> Georg Kurtzendörffer<ref>Sohn eines [[Bäcker]]meisters aus Elbogen (heute [[Loket]]). † 1664 in [[Kraslice|Graslitz]]</ref> und Michael Dörffel<ref>(auch Derffler) aus [[Kraslice|Graslitz]]; † mit 48 Jahren 1677 als Exulant in [[Schöneck/Vogtl.|Schöneck]]</ref> als Geigenmacher in Graslitz tätig. Diese wählten neben Klingenthal auch Markneukirchen als ihre neue Heimat und gründete dort 1677 eine neue Geigenmacherinnung, in der auch ortsfremde Meister aufgenommen wurden. Die Gründungsmitglieder im Jahr 1677 waren, Christian Reicholt,<ref name="Reicholt">* 1631 in [[Kraslice|Graslitz]], Sohn des aus [[Marienberg]] stammenden Schmelzers und Hüttenmeisters Georg R., eingewandert zwischen 1670 und 1677</ref> Caspar Schönfelder,<ref>* [[1642]] in [[Kraslice|Graslitz]] (oder Klingenthal?), Sohn von Johann Schönfelder</ref> Johann Caspar Reicholt,<ref>jüngerer Bruder Christian Reicholts</ref> Johann Georg Poller,<ref>(auch Boller), Sohn des [[Arzt]]es Hans Poller, Auswanderung um 1670</ref> Caspar Hopf, Johann Schönfelder,<ref>[[Bäcker]], Sohn des Klingenthaler [[Bäcker]]s Georg Schönfelder (seine Söhne Caspar Schönfelder, Johann Georg Schönfelder und Simon Schönfelder)</ref> Johann Gottfried Götzel,<ref>* 1650 in [[Kraslice|Graslitz]] als Sohn des [[Weber|Tuchmachers]] Jacob G.</ref> Johann Adam Kurtzendörffer,<ref>* April 1659 in [[Kraslice|Graslitz]], Sohn des [[Bäcker]]s Georg K. aus [[Loket|Elbogen]]</ref> Johann Adam Pöpel, Johann Georg Schönfelder,<ref>* 1653 in [[Kraslice|Graslitz]] (?), Sohn von Johann Schönfelder</ref> David Rudert<ref>* 1652 in Lottengrün bei [[Theuma]], Sohn des [[Schneider]]s Hans Rudert</ref> und Simon Schönfelder.<ref>* um 1656 in [[Markneukirchen]] (?), Sohn von Johann Schönfelder</ref> Es befanden sich unter den 12 Gründungsmitgliedern der Innung nicht weniger als sieben Geigenmacher, die in Klingenthal geboren wurden oder wenigstens zeitweilig lebten. |
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===Besiedlung Klingenthals durch böhmische [[Exulant]]en und Gründung der ersten [[Innung]]=== |
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[[bild:Erste_erwähnung_klingenthals.png|400px|thumb|Erste Erwähnung Klingenthals im Kirchenbuch Schöneck]] |
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Im Laufe der Jahre zieht der [[Fleischer (Beruf)|Schlachtmeister]] Hope (=Hopf) aus [[Grasliz]] nach Quittenbach. Sein Sohn ([[Caspar Hopff]]) siedelt ebenfalls in Quittenbach als [[Geigenbauer]] an. Dies scheint der Beginn des Geigenbaus in [[Klingenthal]] zu sein. Später folgen Dörffel, [[Melchior Lorentz]], [[Hans Georg Ludwig]], [[Christoph Adam Richter]] und die Söhne [[Caspar Hopff]]s. Daraus resultierte eine gute Entwicklung der Geigenbauer[[innung]]. Vor deren Genehmigung starben Caspar Hopf ([[1650]]-[[1711]]) und Sohn Johann Michael ([[1680]]-[[1712]]). Johann Michels Witwe führte die Werkstatt weiter, sie durfte einen Gesellen fördern. Weiterhin waren noch [[Georg Caspar Hopf]] ([[1675]]-[[1754]]), [[Georg Friedrich Hopf]] ([[1687]]-[[1734]]) und [[Hans Georg Ludwig]] (vermutl. [[1660]]-[[1718]]) als [[Geigenbauer]] tätig. |
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Die herausragende Persönlichkeit des Klingenthaler Geigenbaus war [[Caspar Hopf]], der sich in [[Quittenbach]] niederließ und dessen Nachfahren über viele Generationen das Geigenbauerhandwerk betrieben. Er starb 1711 in [[Stadt Stolberg (Harz)|Stolberg (Harz)]] auf dem Weg zur Braunschweiger Messe. Die Gründung einer eigenen Klingenthaler Innung erlebte er, wie auch sein Sohn Johann Michael,<ref>*1680 † 1712</ref> nicht mehr. Johann Michels Witwe führte die Werkstatt weiter, ihr wurde die Förderung eines Gesellen erlaubt. Weiterhin waren noch Georg Caspar Hopf,<ref name="Georg Caspar Hopf">*1675 † 1754</ref> Georg Friedrich Hopf<ref>*1687 † 1734</ref> und Hans Georg Ludwig<ref name="Ludwig">vermutl. * 1660 † 1718</ref> als Geigenbauer tätig. |
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Bereits [[1780]] beschwerten sich die Meister, daß [[Laute]]n und [[Viola da Gamba|Gamben]] außer Gebrauch gekommen seien. Der Bau dieser war für den Erwerb des Meisterbriefes vonnöten. Die Klingenthaler [[Geigenmacher]] waren bestrebt ihre Instrumente an [[Markneukirchen|Markneukirchner]] Händler zu liefern. Daraus resultierte ein 150 Jahre anhaltender Geigenkrieg zwischen den beiden Ortschaften. [[1695]] datiert der erste Result, dass kein Geigenmacher eines Ortes im anderen seine Geigen verkaufen dürfte. Am 4. Juli [[1780]] ließ sich [[Johann Carl Pfretzschner]] aus Markneukirchen in Klingenthal zum [[Meister]] küren. |
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=== Gründung und Entwicklung der ersten Innung === |
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Klingenthals zweiter [[Organist]] war [[David Christian Havemann]]. Er war Geigenbauer und [[Accis]]einnehmer. Havemann bekleidete dieses Amt von etwa [[1740]] bis [[1788]]. Es folgte sein [[Sohn Friedrich Wilhelm]] als Organist bis [[1774]], auch er war Geigenmacher. Ihm folgte [[Johann Georg Ströz]], Musikinstrumentenhändler (starb im Mai [[1804]]). Danach wurden Organisten aus anderen Berufen eingesetzt. Auf ihre [[Geigenzettel]] schrieben die Erwähnten gern ihren Beruf (Organist und musikalischer [[Musikinstrumentenbau|Instrumentenmacher]]). |
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Die Gründung der Klingenthaler Innung beantragten die vier Geigenmacher Hannß Georg Ludewig, George Caspar Hopff, Johann George Dörffler und George Friedrich Hopff. Das Gesuch wurde daraufhin vom Amtmann an [[Herzog]] [[Moritz Wilhelm (Sachsen-Zeitz)|Moritz Wilhelm von Sachsen]] überstellt, der die entsprechende Genehmigung am 20. Januar 1716 erteilte. Am 24. Januar schließlich fand die Gründung der Innung statt, zunächst bestand sie aus vier Meistern und einer Meisterwitwe. Der erste Obermeister war Georg Caspar Hopf. Die Klingenthaler Meister, die vorher zur Innung Markneukirchen gehörten, wechselten nach und nach in die Klingenthaler, so 1716 Christian Friedrich Dörffler,<ref>Dörfel</ref> 1723 Johann Adam Richter und 1730 Johann Christian Uebel. |
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Viermal im Jahr fanden sich die Meister und die Gesellen zu den Konventen zusammen. Zweck war die Besprechung allgemeiner Angelegenheiten, die die Geigenmacher betrafen, die Bezahlung der Abgaben an die Innung sowie Meistersprechungen, Mutungen (Bitte um Zulassung zur Meisterprüfung), Aufdingungen (Aufnahme von Lehrlingen) und Lossprechungen. Auf dem Konvent wurde auch die Jahresabrechnung der Innung vorgenommen. Der Veranstaltungsort war die Wohnung des Innungsmeisters, der dafür das größte Zimmer bis auf die Sitzgelegenheiten und die Innungslade leerräumte, später wurde jedoch aus Platzgründen der Gasthof für die Treffen genutzt. |
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Den Klingenthalern machte die [[Patrimonialgesetzgebung]] zu schaffen. [[1770]] erfolgte deren Abschaffung. Die [[Innungsmeister]] führten langatmige Streitereinen um Befreiung ihrer Söhne von landwirtschaftlichen [[Fron]]en und vom [[Militärdienst]]. Diesem Anliegen wurde entsprochen. Von [[1789]] bis [[1809]] dauerte die Auseinandersetzung wegen der Freistellung vom [[Wehrdienst]]. |
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Mit Zunahme der Geigenmacher fielen auch die Konvente immer umfangreicher aus, so dass die Aufgaben auf zwei Tage verteilt wurden, anstatt auf einen wie in den Anfangsjahren. |
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Im Jahre 1780 beschwerten sich die Meister, dass [[Laute]]n und [[Viola da gamba|Gamben]] außer Gebrauch gekommen seien. Der Bau dieser war für den Erwerb des Meisterbriefes vonnöten. Die Klingenthaler Geigenmacher waren bestrebt, ihre Instrumente an [[Markneukirchen|Markneukirchner]] Händler zu liefern. Daraus resultierte ein 150 Jahre anhaltender Geigenkrieg zwischen den beiden Ortschaften. 1695 datiert der erste Result, dass kein Geigenmacher eines Ortes im anderen seine Geigen verkaufen dürfte. |
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Das 100-jährigen Jubiläum der Erbauung der [[Kirche Zum Friedefürsten|Kirche "Zum Friedefürsten"]] ([[1837]]) und der Feier der 300-jährigen Einführung der [[Reformation]] ([[1839]]) sah die [[Geigenmacher]]-[[Innung]] präsent. Als [[König Friedrich August II.]] Klingenthal am 5. August [[1846]] besuchte, war eine Reihe Musikinstrumente ausgestellt. Am 23. Juli [[1860]] weilte [[König Johann]] in Klingenthal. Er ließ sich die Situation der Werkstätten ausführlich schildern. Dazu hatte die Geigenmacherinnung eine Ausstellung mit eingerichtet. Der Absatz von Instrumenten verlief in diesen Jahren auf und ab. Vor allem der [[Sezessionskrieg|amerikanische Bürgerkrieg]] machte den Handwerkern zu schaffen. Die Einweihung der [[Musikschule]] fand am 1. November [[1843]] statt und 60 junge Leute meldete sich. |
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Unter Klingenthals Organisten fanden sich auch Geigenbauer, so auch David Christian Havemann. Er war Geigenbauer und [[Acciseinnehmer]]. Havemann bekleidete dieses Amt von etwa 1740 bis 1788. Es folgte sein Sohn Friedrich Wilhelm als Organist bis 1774, auch er war Geigenmacher. Ihm folgte Johann Georg Ströz, Musikinstrumentenhändler.<ref>starb im Mai 1804</ref> Danach wurden Organisten aus anderen Berufen eingesetzt. Auf ihre [[Geigenzettel]] schrieben die Erwähnten gern ihren Beruf (Organist und musikalischer [[Musikinstrumentenbau|Instrumentenmacher]]). |
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===Wirtschaftsaufschwung in Klingenthal=== |
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[[1829]] kam es in Klingenthal zum großen Umschwung. Die [[Holzkammfertigung]] und [[Mundharmonika]][[industrie]] fanden (u.a. durch [[Johann Wilhelm Rudolph Glier]]) Eingang in Klingenthal. [[1852]] folgte dann der [[Akkordeonbau]]. Dadurch fanden große Teile der Bevölkerung Arbeit bei sofortiger Bezahlung. Auch [[Geigenbauer]] wandten sich der neuen Beschäftigung zu, denn das Arbeitsfeld erforderte wenig [[Geschicklichkeit]] und es entfiel die [[Wanderjahre|Gesellenwanderzeit]]. Vorher musste ein [[Geigenmacher]] [[Fördergeld]] zahlen und konnte bei nötiger Gewandtheit in ein paar Jahren damit rechnen, als angesehener Geigenmacher zu gelten. Er musste [[Werkzeug]] und Werkstatteinrichtung stellen, [[Klangholz (Musikinstrumentenbau)|Klangholz]] kaufen, [[Steuer|Steuern]] zahlen und für Absatz seiner Produkte sorgen. Hier vergingen Jahre, ehe man als Geigenbauer richtig verdiente. Nach 30 Jahren war die Blütezeit der Holzkammfertigung vorbei. Die Arbeiter wechselten in die [[Harmonika]][[fabrik]]en über. [[1862]] besaß der Geigenbau 166 Einzelwerkstätten. |
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Den Klingenthalern machte die [[Patrimonialgesetzgebung]] zu schaffen. 1770 erfolgte deren Abschaffung. Die Innungsmeister führten langatmige Streitereien um Befreiung ihrer Söhne von landwirtschaftlichen [[Fron]]en und vom Militärdienst. Diesem Anliegen wurde entsprochen. Von 1789 bis 1809 dauerte die Auseinandersetzung wegen der Freistellung vom [[Wehrdienst]]. |
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===Auflösung der ersten und spätere Gründung der zweiten und letzten Innung=== |
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[[1887]] löste sich die Geigenmacher-[[Innung]] auf. [[1868]] gründete [[Julius Berthold]] seine Firma zur Herstellung von [[Maschine]]n für den [[Musikinstrumentenbau]]. Zur mechanischen Herstellung von Böden und Decken erfand der [[Klingenthal]]er [[Ingenieur]] [[William Thau]] [[1904]] eine [[Kopierfräsmaschine]]. [[1888]] begann die [[Orchestrion]]-Herstellung. [[1895]] verkündet die Handels- und [[Gewerbekammer]] [[Plauen]], bei der Firma F.O. Glaß seien die ersten Streichkonzert-[[Orchestrion]]s entwickelt worden. Am 28. November [[1913]] erfolgte die Gründung der "[[Musikinstrumentenbau]]er-Innung [[Brunndöbra]] und Umg.". Dies bedeutet ein Aufflammen der alten Geigenmacher[[tradition]]. Zu dieser Zeit waren 55 [[Geige]]n-, [[Violoncello]]- und [[Kontrabass]]macher Mitglieder der [[Innung]]. [[1933]] waren es noch 45 [[Meister]] und 6 [[Geselle]]n (23 [[Geigenmacher]] waren 54 bis 80 Jahre alt). [[1934]] wurde [[Otto Goram]] als [[Obermeister]] eingesetzt. Im Jahre [[1945]] übernahm [[Max Richard Herold]] als Obermeister die Leitung. Mit seinem Tod erlosch am 9. April [[1975]] die Innung. |
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Das 100-jährige Jubiläum der Erbauung der [[Kirche Zum Friedefürsten|Kirche „Zum Friedefürsten“]]<ref>1837</ref> und die Feier der 300-jährigen Einführung der [[Reformation]]<ref>1839</ref> sahen die Geigenmacher-Innung präsent. Als König [[Friedrich August II. (Sachsen)|Friedrich August II.]] Klingenthal am 5. August 1846 besuchte, war eine Reihe Musikinstrumente ausgestellt. Am 23. Juli 1860 weilte König [[Johann (Sachsen)|Johann]] in Klingenthal. Er ließ sich die Situation der Werkstätten ausführlich schildern. Dazu hatte die Geigenmacherinnung eine Ausstellung mit eingerichtet. Der Absatz von Instrumenten verlief in diesen Jahren auf und ab. Vor allem der [[Sezessionskrieg|Amerikanische Bürgerkrieg]] machte den Handwerkern zu schaffen, da Amerika der Hauptmarkt für Instrumente aus dem Vogtland war. Die Einweihung der Musikschule fand am 1. November 1843 statt und 60 junge Leute meldete sich. |
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==Statistik der Geigenbauer zwischen [[1728]] und [[1896]]== |
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[[bild:Geigenbauer_Statistik_Klingenthal.png|700px|Beschreibung]] |
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=== Wirtschaftsaufschwung und Harmonikabau in Klingenthal === |
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([[1871]] war im Klingenthaler Amtsbezirk über 1/3 sämtlicher Arbeitskräfte in der inzwischen vorherrschenden Harmonikaindustrie beschäftigt) |
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1829 kam es in Klingenthal zum großen Umschwung. Die Holzkammfertigung und [[Mundharmonika]]industrie fanden<ref>u. a. durch Johann Wilhelm Rudolph Glier</ref> Eingang in Klingenthal. 1852 folgte dann der [[Geschichte des Akkordeonbaus in Klingenthal|Akkordeonbau]]. Dadurch fanden große Teile der Bevölkerung Arbeit bei sofortiger Bezahlung. Auch Geigenbauer wandten sich der neuen Beschäftigung zu, denn das Arbeitsfeld erforderte wenig Geschicklichkeit und es entfiel die [[Wanderjahre|Gesellenwanderzeit]]. Vorher musste ein Geigenmacher Fördergeld zahlen und konnte bei nötiger Gewandtheit in ein paar Jahren damit rechnen, als angesehener Geigenmacher zu gelten. Er musste Werkzeug und Werkstatteinrichtung stellen, [[Klangholz (Musikinstrumentenbau)|Klangholz]] kaufen, Steuern zahlen und für Absatz seiner Produkte sorgen. Hier vergingen Jahre, ehe man als Geigenbauer richtig verdiente. Nach 30 Jahren war die Blütezeit der Holzkammfertigung vorbei. Die Arbeiter wechselten in die [[Akkordeon#Geschichte|Harmonikafabriken]] über. 1862 besaß der Geigenbau 166 Einzelwerkstätten. |
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=== Auflösung der ersten und spätere Gründung der zweiten und letzten Innung === |
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==zu fertigende [[Instrument]]e zum Erwerb des [[Meisterbrief]]es== |
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1887 löste sich die Geigenmacher-Innung auf. 1868 gründete Julius Berthold seine Firma zur Herstellung von Maschinen für den Musikinstrumentenbau. Zur mechanischen Herstellung von Böden und Decken erfand der Klingenthaler [[Ingenieur]] William Thau 1904 eine [[Fräsmaschine|Kopierfräsmaschine]]. 1888 begann die [[Orchestrion]]-Herstellung. 1895 verkündete die Handels- und Gewerbekammer [[Plauen]], bei der Firma F.O. Glaß seien die ersten Streichkonzert-Orchestrions entwickelt worden. Am 28. November 1913 erfolgte die Gründung der „Musikinstrumentenbauer-Innung [[Brunndöbra]] und Umg.“. Dies bedeutete ein Aufflammen der alten Geigenmachertradition. Zu dieser Zeit waren 55 [[Geige]]n-, [[Violoncello]]- und [[Kontrabass]]macher Mitglieder der Innung. 1933 waren es noch 45 Meister und sechs [[Geselle]]n.<ref>23 Geigenmacher waren 54 bis 80 Jahre alt.</ref> 1934 wurde Otto Goram als Obermeister eingesetzt. Im Jahre 1945 übernahm Max Richard Herold als Obermeister die Leitung. Mit seinem Tod erlosch am 9. April 1975 die Innung. |
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=== Gegenwart === |
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Im Jahr 1997 entstand in Klingenthal die [[Fachschule (Deutschland)|Fachschule]] für Musikinstrumentenbau. So wurden erstmals nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] in Klingenthal wieder Geigenbauer ausgebildet. Dadurch gewann der Ort für den Geigenbau erneut an Bedeutung, denn neben der Klingenthaler Schule gibt es in Deutschland nur noch die Geigenbauschule in [[Mittenwald]]. Auch zur Geigenbauschule in [[Luby]] hatte man regen Kontakt, bis diese schloss. |
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== Statistik der Geigenbauer zwischen 1728 und 1896 == |
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[[Datei:Geigenbauer Statistik Klingenthal.png|400px|Beschreibung]] |
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<small>(1871 war im Klingenthaler Amtsbezirk über 1/3 sämtlicher Arbeitskräfte in der inzwischen vorherrschenden Harmonikaindustrie beschäftigt)</small> |
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== Werdegang eines Geigenmachers == |
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Als [[Lehrling|Geigenmacherlehrlinge]] kamen nur eheliche Söhne ehrlicher Eltern in Betracht. Die Söhne von Totengräbern, Hirten und [[Abdecker|Schindern]] waren davon ausgeschlossen. Ein 14-tägiger Probedienst sollte überhaupt erst die Eignung erkennen lassen. Erst dann konnte der Vater beim [[Obmann]] um Aufdingung seines Sohnes ansuchen. Diese wurde vorgenommen, wenn er zwei [[Gulden]] in die [[Zunftlade|Innungslade]] und zwei Gulden ins Amt zahlte, außerdem noch 4 gr. Fordergeld entrichtete. Doch schützte die Innung auch den Lehrmeister insofern, als sie ihm die Aushändigung des Lehrgeldes (einschließlich Kost und Wohnung) in Höhe von 16 Gulden sicherstellte. Der Vater hatte der Innung für die Zahlung [[Kaution]] oder [[Bürgschaft|Bürgen]] zu stellen. Nun begann die vierjährige Lehrzeit. Jeder Meister hatte immer nur einen Lehrling zu halten, damit keiner vernachlässigt würde und sich etwa zum [[Murks|Pfuscher]] entwickeln müsste. |
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[[Datei:Schlachterlade A.JPG|mini|200px|Eine Innungslade]] |
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Nach ausgestandener Lehre erfolgte der Freispruch gegen Entrichtung einer Schreibgebühr von etlichen [[Groschen]], während später eine Abgabe dafür fällig war. Wahrscheinlich war diese nur die Ablösung für den Lehrbraten und der zwei Eimer [[Bier]], die nach den Artikeln von 1716 jeder Freigesprochene zu geben hatte. Die Meistersöhne waren vom Lehrbraten befreit. Sie waren zur Entrichtung des Geldes für einen Eimer Bier verpflichtet. |
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Auch sonst genossen ursprünglich die Meistersöhne verschiedene Vorteile. Man wollte jedenfalls durch die hohen Beiträge verhindern, dass allzu viele Fremde in das Gewerbe kamen, dass es zu sehr verbreitet würde und dadurch die Lage des ganzen Standes verschlechtert würde. Die Schwiegersöhne der Meister waren den Söhnen gleichgesetzt. |
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Der neue Geselle sollte nun zwei Jahre sich ununterbrochen in der Fremde aufhalten. Durch vorzeitige Heimkehr abgebrochene [[Wanderjahre|Wanderschaft]] sollte vollkommen ungültig sein. Befreien konnte davon nicht die Innung, sondern nur die [[Fürst|landesfürstliche]] Regierung. Wanderziele konnten natürlich nur Gebiete sein, in denen der Geigenbau heimisch war, so [[Böhmen]], [[Oberbayern]], [[Tirol]], [[Salzburg]] und vielleicht auch [[Italien]]. Es sind nirgends Unterlagen vorhanden, ob wirklich die Wanderschaft so streng durchgeführt wurde. Tatsache ist, dass sie nach 1840 nicht mehr eingehalten wurde. |
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Nach den ursprünglichen Festsetzungen sollte der heimgekehrte Geselle das Recht haben, um die Meisterwerdung nachzusuchen. Er musste an drei aufeinanderfolgenden Quartalen seinen Wunsch vor offener Lade vorbringen, d. h., er sollte „muthen“. Dabei zahlte er jedes Mal seinen [[Zinsgroschen|Mutgroschen]] oder das Fordergeld. Nun wurde die Zeit angesetzt, zu welcher er seine Meisterstücke anfertigen musste. Das sollte unter Aufsicht dazu abgeordneter Meister stattfinden, wahrscheinlich „damit nicht frembde Hülffe gebrauchet würde“, wie es auch in Markneukirchen gehandhabt wurde, „zwischen früh und abends 6 Uhr, unter Aufsicht des Obmanns und zweier Vormeister am ersten Tag, später nur des einen Vormeisters bei Beginn und Schluß der Tagesarbeit“. |
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=== Zu fertigende Instrumente zum Erwerb des Meisterbriefes === |
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Als [[Meisterstück]] wurde folgendes von der Innung verlangt: |
Als [[Meisterstück]] wurde folgendes von der Innung verlangt: |
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* eine [[Violine]] oder [[Discant-Geige]] von schönem [[Holz]] und gutem [[ |
* eine [[Violine]] oder [[Discant-Geige]] von schönem [[Holz]] und gutem [[Firnis]]s |
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* eine tüchtige und wohlformierte [[Laute]] |
* eine tüchtige und wohlformierte [[Laute]] |
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* eine tüchtige und wohlklingende [[Viola da |
* eine tüchtige und wohlklingende [[Viola da gamba]] |
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* eine tüchtige Davids-[[Harfe]] |
* eine tüchtige Davids-[[Harfe]] |
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* und zwar alle Stücken ohne Tadel und Flecken |
* und zwar alle Stücken ohne Tadel und Flecken. |
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== Literatur == |
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* Kurt Erich Dörfel: ''Geschichte der Orte des Amtsgerichtsbezirks Klingenthal.'' Verlag Gustav Bergmann, Klingenthal 1930. |
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===Dörffel=== |
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* Kurt Kauert: ''Vogtländisch-westböhmischer Geigenbau in fünf Jahrhunderten. Entstehung – Standorte – Strukturen.'' Verlag der Kunst Dresden, Husum 2006, ISBN 3-86530-079-0 (''Reihe Weiss-Grün'' 34). |
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Johann Gottfried Dörffel |
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* ''Klingenthal. Chronik rund um den Aschberg.'' Wir-Verlag Walter Weller, Aalen 1991, ISBN 3-924492-59-X. |
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1731-1800 |
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* Arthur Müller: ''Blicke in die Vergangenheit Klingenthals.'' Kommissionsverlag Brückner & Niemann, Leipzig 1897. |
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* Bernhard Zöbisch: ''Vogtländischer Geigenbau. Biographien und Erklärungen bis 1850.'' Geiger, Horb am Neckar 2000, ISBN 3-89570-594-2. |
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* Bernhard Zöbisch: ''Vogtländischer Geigenbau. Biographien und Erklärungen ab 1850.'' Geiger, Horb am Neckar 2002, ISBN 3-89570-797-X. |
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Johann Gottfried Carl Friedrich Christian Friedrich |
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1765-1844 1767-1830 1775-1847 |
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Christian Friedrich Carl Friedrich |
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1800-1867 1803-1857 |
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== Weblinks == |
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===Egerland=Egerländer=== |
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* [http://www.vioolweb.nl/info/bouwers/bouwmeesters/bouwers-hopf.htm Niederländische Seite über die Hopf-Geigenbauer] |
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Georg |
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* [http://www.corilon.com/corilon/klingenthal_geigenbauer.pdf Alphabetische Lister der Klingenthaler Geigenbauer] (PDF; 140 kB) |
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Wachtmann |
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Georg Friedrich Johann Christoph |
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1709-1772 1718-1801 |
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Christan Friedrich Johann Christian Christoph Carl |
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1733 - ? 1746-1820 1752-vor 18714 |
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Friedrich August Carl August Carl Friedrich |
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vor 1784- vor 1845 1784-1842 1787-1861 |
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Carl Wilhelm |
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1819-1855 |
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== Anmerkungen == |
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== Liste von Geigenbauern aus [[Klingenthal]] im Vogtland == |
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<references /> |
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(die Liste ist nicht komplett und kann noch ergänzt werden) |
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{{Lesenswert|23. November 2006|24200053}} |
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* [[Christian Friedrich Goram]], Untersachsenberg ([[1790]]-[[1865]]) |
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* [[Carl Christian Hopf]], Klingenthal (*[[1791]]) |
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* [[Johann Friedrich Hoyer]], Klingenthal ([[1738]]-[[1815]]) |
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* [[Georg Christoph Meinel]], Klingenthal Untersachsenberg (*1717) |
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* [[Friedrich August Glaß sen.]], Klingenthal, Untersachsenberg, ([[1774]]-[[1833]]) |
|||
* [[Friedrich Wilhelm Guthmann sen.]], [[Klingenthal]] ([[1779]]-[[1849]]) |
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* [[Carl Friedrich Hopf jun.]], Klingenthal, [[Brunndöbra]] ([[1811]]-[[1891]]) |
|||
* [[David Hopf, Klingenthal]] |
|||
* [[David Christian Hopf sen.]], Klingenthal, Zwota ([[1734]]-[[1803]]) |
|||
* [[Andreas Hoyer sen.]], [[Klingenthal]] ([[1703]]-[[1780]]) |
|||
* [[Johann Friedrich Hoyer]], [[Klingenthal]] ([[1738]]-[[1815]]) |
|||
* [[Johann Friedrich Lorenz]], [[Klingenthal]]-Untersachsenberg (Meister [[1792]]) |
|||
* [[Robert Schmerler]], [[Zwota]] |
|||
* [[Friedrich August Meisel]], Klingenthal |
|||
* [[Johann Georg Meisel]], Klingenthal ([[1710]]-[[1779]]) |
|||
* [[Friedrich Wilhelm Meisel]], Quittenbach ([[1749]]-[[1814]]) |
|||
* [[Carl Christian Meisel]], Klingenthal ([[1790]]-[[1876]]) |
|||
* [[Friedrich August Meisel]], Klingenthal ([[1817]]-[[1894]]) |
|||
* [[Carl Louis Meisel]], Klingenthal ([[1847]]-[[1905]]) |
|||
* [[Caspar Hopf]], Quittenbach ([[1650]]-[[1711]]) |
|||
* [[Johann Michael Hopf]] ([[1680]]-[[1712]]) |
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* [[Georg Caspar Hopf]] ([[1675]]-[[1754]]) |
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* [[Hans Georg Ludwig]] (vermutl. [[1660]]-[[1718]]) |
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* [[Johann Georg Dörfel (Dörfler)]] (* ca. [[1655]]) ab [[1682]] in Klingenthal (vorher Schöneck), Exulantensohn |
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* [[Sebastian Dörfel]] ab [[1682]] in Klingenthal nachweisbar |
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* [[Christian Reichel]] |
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* Bernhard Zöbisch, Vogtländischer Geigenbau bis 1850, ISBN 3-89570-594-2 |
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* Bernhard Zöbisch, Vogtländischer Geigenbau Biographien und Erklärungen ab 1850, ISBN 3-89570-797-X |
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Aktuelle Version vom 29. März 2024, 16:54 Uhr

Der Geigenbau in Klingenthal im Land Sachsen entstand durch die Besiedlung des Ortes durch Exulanten aus den Habsburger Gebieten im 17. Jahrhundert. Er führte zum wirtschaftlichen Aufstieg des Ortes und prägt bis heute den Musikwinkel um Klingenthal. Einer der berühmtesten Klingenthaler Geigenbauer war Caspar Hopf. Er begründete eine Dynastie, die dem Klingenthaler Geigenbau eine besondere Stilistik verlieh. Nach über 300 Jahren verschwanden die Klingenthaler Meisterwerkstätten 1975 vollständig.
Chronik des Geigenbaus in Klingenthal
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Besiedlung Klingenthals durch böhmische Exulanten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Geigenmachergewerbe wurde durch den Zuzug von Exulanten ab 1659 aus Böhmen nach Klingenthal eingeführt. Dies wurde dadurch begünstigt, dass in den Gebieten um Schöneck herum geringere Steuern zu zahlen waren und man nahe an der alten Heimat wohnte. Auch die Klingenthaler Lehnsherren Boxberger waren am Zuzug der Exulanten interessiert. Vorher gab es in Klingenthal hauptsächlich Hammerschmiede, Bergleute und Köhler.
Die ältesten Geigenbauer Caspar Hopf, Johann Gottfried Dörfler[1] und Johann Friedrich Dörfler[2] dürften noch in Böhmen geboren sein. Viele Exulanten stammten aus der Stadt Graslitz (heute Kraslice) und den umliegenden Orten, in denen es schon früher Geigenmacher gab und 1669 eine Innung gegründet wurde. In frühester Zeit waren Melchior Lorentz,[3] Barthel Lippold,[4] Georg Kurtzendörffer[5] und Michael Dörffel[6] als Geigenmacher in Graslitz tätig. Diese wählten neben Klingenthal auch Markneukirchen als ihre neue Heimat und gründete dort 1677 eine neue Geigenmacherinnung, in der auch ortsfremde Meister aufgenommen wurden. Die Gründungsmitglieder im Jahr 1677 waren, Christian Reicholt,[7] Caspar Schönfelder,[8] Johann Caspar Reicholt,[9] Johann Georg Poller,[10] Caspar Hopf, Johann Schönfelder,[11] Johann Gottfried Götzel,[12] Johann Adam Kurtzendörffer,[13] Johann Adam Pöpel, Johann Georg Schönfelder,[14] David Rudert[15] und Simon Schönfelder.[16] Es befanden sich unter den 12 Gründungsmitgliedern der Innung nicht weniger als sieben Geigenmacher, die in Klingenthal geboren wurden oder wenigstens zeitweilig lebten.
Die herausragende Persönlichkeit des Klingenthaler Geigenbaus war Caspar Hopf, der sich in Quittenbach niederließ und dessen Nachfahren über viele Generationen das Geigenbauerhandwerk betrieben. Er starb 1711 in Stolberg (Harz) auf dem Weg zur Braunschweiger Messe. Die Gründung einer eigenen Klingenthaler Innung erlebte er, wie auch sein Sohn Johann Michael,[17] nicht mehr. Johann Michels Witwe führte die Werkstatt weiter, ihr wurde die Förderung eines Gesellen erlaubt. Weiterhin waren noch Georg Caspar Hopf,[18] Georg Friedrich Hopf[19] und Hans Georg Ludwig[20] als Geigenbauer tätig.
Gründung und Entwicklung der ersten Innung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Gründung der Klingenthaler Innung beantragten die vier Geigenmacher Hannß Georg Ludewig, George Caspar Hopff, Johann George Dörffler und George Friedrich Hopff. Das Gesuch wurde daraufhin vom Amtmann an Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen überstellt, der die entsprechende Genehmigung am 20. Januar 1716 erteilte. Am 24. Januar schließlich fand die Gründung der Innung statt, zunächst bestand sie aus vier Meistern und einer Meisterwitwe. Der erste Obermeister war Georg Caspar Hopf. Die Klingenthaler Meister, die vorher zur Innung Markneukirchen gehörten, wechselten nach und nach in die Klingenthaler, so 1716 Christian Friedrich Dörffler,[21] 1723 Johann Adam Richter und 1730 Johann Christian Uebel.
Viermal im Jahr fanden sich die Meister und die Gesellen zu den Konventen zusammen. Zweck war die Besprechung allgemeiner Angelegenheiten, die die Geigenmacher betrafen, die Bezahlung der Abgaben an die Innung sowie Meistersprechungen, Mutungen (Bitte um Zulassung zur Meisterprüfung), Aufdingungen (Aufnahme von Lehrlingen) und Lossprechungen. Auf dem Konvent wurde auch die Jahresabrechnung der Innung vorgenommen. Der Veranstaltungsort war die Wohnung des Innungsmeisters, der dafür das größte Zimmer bis auf die Sitzgelegenheiten und die Innungslade leerräumte, später wurde jedoch aus Platzgründen der Gasthof für die Treffen genutzt. Mit Zunahme der Geigenmacher fielen auch die Konvente immer umfangreicher aus, so dass die Aufgaben auf zwei Tage verteilt wurden, anstatt auf einen wie in den Anfangsjahren.
Im Jahre 1780 beschwerten sich die Meister, dass Lauten und Gamben außer Gebrauch gekommen seien. Der Bau dieser war für den Erwerb des Meisterbriefes vonnöten. Die Klingenthaler Geigenmacher waren bestrebt, ihre Instrumente an Markneukirchner Händler zu liefern. Daraus resultierte ein 150 Jahre anhaltender Geigenkrieg zwischen den beiden Ortschaften. 1695 datiert der erste Result, dass kein Geigenmacher eines Ortes im anderen seine Geigen verkaufen dürfte.
Unter Klingenthals Organisten fanden sich auch Geigenbauer, so auch David Christian Havemann. Er war Geigenbauer und Acciseinnehmer. Havemann bekleidete dieses Amt von etwa 1740 bis 1788. Es folgte sein Sohn Friedrich Wilhelm als Organist bis 1774, auch er war Geigenmacher. Ihm folgte Johann Georg Ströz, Musikinstrumentenhändler.[22] Danach wurden Organisten aus anderen Berufen eingesetzt. Auf ihre Geigenzettel schrieben die Erwähnten gern ihren Beruf (Organist und musikalischer Instrumentenmacher).
Den Klingenthalern machte die Patrimonialgesetzgebung zu schaffen. 1770 erfolgte deren Abschaffung. Die Innungsmeister führten langatmige Streitereien um Befreiung ihrer Söhne von landwirtschaftlichen Fronen und vom Militärdienst. Diesem Anliegen wurde entsprochen. Von 1789 bis 1809 dauerte die Auseinandersetzung wegen der Freistellung vom Wehrdienst.
Das 100-jährige Jubiläum der Erbauung der Kirche „Zum Friedefürsten“[23] und die Feier der 300-jährigen Einführung der Reformation[24] sahen die Geigenmacher-Innung präsent. Als König Friedrich August II. Klingenthal am 5. August 1846 besuchte, war eine Reihe Musikinstrumente ausgestellt. Am 23. Juli 1860 weilte König Johann in Klingenthal. Er ließ sich die Situation der Werkstätten ausführlich schildern. Dazu hatte die Geigenmacherinnung eine Ausstellung mit eingerichtet. Der Absatz von Instrumenten verlief in diesen Jahren auf und ab. Vor allem der Amerikanische Bürgerkrieg machte den Handwerkern zu schaffen, da Amerika der Hauptmarkt für Instrumente aus dem Vogtland war. Die Einweihung der Musikschule fand am 1. November 1843 statt und 60 junge Leute meldete sich.
Wirtschaftsaufschwung und Harmonikabau in Klingenthal
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1829 kam es in Klingenthal zum großen Umschwung. Die Holzkammfertigung und Mundharmonikaindustrie fanden[25] Eingang in Klingenthal. 1852 folgte dann der Akkordeonbau. Dadurch fanden große Teile der Bevölkerung Arbeit bei sofortiger Bezahlung. Auch Geigenbauer wandten sich der neuen Beschäftigung zu, denn das Arbeitsfeld erforderte wenig Geschicklichkeit und es entfiel die Gesellenwanderzeit. Vorher musste ein Geigenmacher Fördergeld zahlen und konnte bei nötiger Gewandtheit in ein paar Jahren damit rechnen, als angesehener Geigenmacher zu gelten. Er musste Werkzeug und Werkstatteinrichtung stellen, Klangholz kaufen, Steuern zahlen und für Absatz seiner Produkte sorgen. Hier vergingen Jahre, ehe man als Geigenbauer richtig verdiente. Nach 30 Jahren war die Blütezeit der Holzkammfertigung vorbei. Die Arbeiter wechselten in die Harmonikafabriken über. 1862 besaß der Geigenbau 166 Einzelwerkstätten.
Auflösung der ersten und spätere Gründung der zweiten und letzten Innung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1887 löste sich die Geigenmacher-Innung auf. 1868 gründete Julius Berthold seine Firma zur Herstellung von Maschinen für den Musikinstrumentenbau. Zur mechanischen Herstellung von Böden und Decken erfand der Klingenthaler Ingenieur William Thau 1904 eine Kopierfräsmaschine. 1888 begann die Orchestrion-Herstellung. 1895 verkündete die Handels- und Gewerbekammer Plauen, bei der Firma F.O. Glaß seien die ersten Streichkonzert-Orchestrions entwickelt worden. Am 28. November 1913 erfolgte die Gründung der „Musikinstrumentenbauer-Innung Brunndöbra und Umg.“. Dies bedeutete ein Aufflammen der alten Geigenmachertradition. Zu dieser Zeit waren 55 Geigen-, Violoncello- und Kontrabassmacher Mitglieder der Innung. 1933 waren es noch 45 Meister und sechs Gesellen.[26] 1934 wurde Otto Goram als Obermeister eingesetzt. Im Jahre 1945 übernahm Max Richard Herold als Obermeister die Leitung. Mit seinem Tod erlosch am 9. April 1975 die Innung.
Gegenwart
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Jahr 1997 entstand in Klingenthal die Fachschule für Musikinstrumentenbau. So wurden erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg in Klingenthal wieder Geigenbauer ausgebildet. Dadurch gewann der Ort für den Geigenbau erneut an Bedeutung, denn neben der Klingenthaler Schule gibt es in Deutschland nur noch die Geigenbauschule in Mittenwald. Auch zur Geigenbauschule in Luby hatte man regen Kontakt, bis diese schloss.
Statistik der Geigenbauer zwischen 1728 und 1896
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten](1871 war im Klingenthaler Amtsbezirk über 1/3 sämtlicher Arbeitskräfte in der inzwischen vorherrschenden Harmonikaindustrie beschäftigt)
Werdegang eines Geigenmachers
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als Geigenmacherlehrlinge kamen nur eheliche Söhne ehrlicher Eltern in Betracht. Die Söhne von Totengräbern, Hirten und Schindern waren davon ausgeschlossen. Ein 14-tägiger Probedienst sollte überhaupt erst die Eignung erkennen lassen. Erst dann konnte der Vater beim Obmann um Aufdingung seines Sohnes ansuchen. Diese wurde vorgenommen, wenn er zwei Gulden in die Innungslade und zwei Gulden ins Amt zahlte, außerdem noch 4 gr. Fordergeld entrichtete. Doch schützte die Innung auch den Lehrmeister insofern, als sie ihm die Aushändigung des Lehrgeldes (einschließlich Kost und Wohnung) in Höhe von 16 Gulden sicherstellte. Der Vater hatte der Innung für die Zahlung Kaution oder Bürgen zu stellen. Nun begann die vierjährige Lehrzeit. Jeder Meister hatte immer nur einen Lehrling zu halten, damit keiner vernachlässigt würde und sich etwa zum Pfuscher entwickeln müsste.
Nach ausgestandener Lehre erfolgte der Freispruch gegen Entrichtung einer Schreibgebühr von etlichen Groschen, während später eine Abgabe dafür fällig war. Wahrscheinlich war diese nur die Ablösung für den Lehrbraten und der zwei Eimer Bier, die nach den Artikeln von 1716 jeder Freigesprochene zu geben hatte. Die Meistersöhne waren vom Lehrbraten befreit. Sie waren zur Entrichtung des Geldes für einen Eimer Bier verpflichtet.
Auch sonst genossen ursprünglich die Meistersöhne verschiedene Vorteile. Man wollte jedenfalls durch die hohen Beiträge verhindern, dass allzu viele Fremde in das Gewerbe kamen, dass es zu sehr verbreitet würde und dadurch die Lage des ganzen Standes verschlechtert würde. Die Schwiegersöhne der Meister waren den Söhnen gleichgesetzt.
Der neue Geselle sollte nun zwei Jahre sich ununterbrochen in der Fremde aufhalten. Durch vorzeitige Heimkehr abgebrochene Wanderschaft sollte vollkommen ungültig sein. Befreien konnte davon nicht die Innung, sondern nur die landesfürstliche Regierung. Wanderziele konnten natürlich nur Gebiete sein, in denen der Geigenbau heimisch war, so Böhmen, Oberbayern, Tirol, Salzburg und vielleicht auch Italien. Es sind nirgends Unterlagen vorhanden, ob wirklich die Wanderschaft so streng durchgeführt wurde. Tatsache ist, dass sie nach 1840 nicht mehr eingehalten wurde.
Nach den ursprünglichen Festsetzungen sollte der heimgekehrte Geselle das Recht haben, um die Meisterwerdung nachzusuchen. Er musste an drei aufeinanderfolgenden Quartalen seinen Wunsch vor offener Lade vorbringen, d. h., er sollte „muthen“. Dabei zahlte er jedes Mal seinen Mutgroschen oder das Fordergeld. Nun wurde die Zeit angesetzt, zu welcher er seine Meisterstücke anfertigen musste. Das sollte unter Aufsicht dazu abgeordneter Meister stattfinden, wahrscheinlich „damit nicht frembde Hülffe gebrauchet würde“, wie es auch in Markneukirchen gehandhabt wurde, „zwischen früh und abends 6 Uhr, unter Aufsicht des Obmanns und zweier Vormeister am ersten Tag, später nur des einen Vormeisters bei Beginn und Schluß der Tagesarbeit“.
Zu fertigende Instrumente zum Erwerb des Meisterbriefes
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als Meisterstück wurde folgendes von der Innung verlangt:
- eine Violine oder Discant-Geige von schönem Holz und gutem Firniss
- eine tüchtige und wohlformierte Laute
- eine tüchtige und wohlklingende Viola da gamba
- eine tüchtige Davids-Harfe
- und zwar alle Stücken ohne Tadel und Flecken.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Kurt Erich Dörfel: Geschichte der Orte des Amtsgerichtsbezirks Klingenthal. Verlag Gustav Bergmann, Klingenthal 1930.
- Kurt Kauert: Vogtländisch-westböhmischer Geigenbau in fünf Jahrhunderten. Entstehung – Standorte – Strukturen. Verlag der Kunst Dresden, Husum 2006, ISBN 3-86530-079-0 (Reihe Weiss-Grün 34).
- Klingenthal. Chronik rund um den Aschberg. Wir-Verlag Walter Weller, Aalen 1991, ISBN 3-924492-59-X.
- Arthur Müller: Blicke in die Vergangenheit Klingenthals. Kommissionsverlag Brückner & Niemann, Leipzig 1897.
- Bernhard Zöbisch: Vogtländischer Geigenbau. Biographien und Erklärungen bis 1850. Geiger, Horb am Neckar 2000, ISBN 3-89570-594-2.
- Bernhard Zöbisch: Vogtländischer Geigenbau. Biographien und Erklärungen ab 1850. Geiger, Horb am Neckar 2002, ISBN 3-89570-797-X.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Niederländische Seite über die Hopf-Geigenbauer
- Alphabetische Lister der Klingenthaler Geigenbauer (PDF; 140 kB)
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ * 1639
- ↑ später Dörfel geschrieben, * 1660
- ↑ Sohn des Breitenbrunner Bergmannes Andreas Lorentz; wanderte 1653 nach Klingenthal aus; † 1677 in Markneukirchen
- ↑ Sohn eines Kupferschmiedes aus Neudorf bei Mittweida, * vermutlich um 1620 in Graslitz; ging 1651 nach Hof (Saale); † 1666 Hof (Saale)
- ↑ Sohn eines Bäckermeisters aus Elbogen (heute Loket). † 1664 in Graslitz
- ↑ (auch Derffler) aus Graslitz; † mit 48 Jahren 1677 als Exulant in Schöneck
- ↑ * 1631 in Graslitz, Sohn des aus Marienberg stammenden Schmelzers und Hüttenmeisters Georg R., eingewandert zwischen 1670 und 1677
- ↑ * 1642 in Graslitz (oder Klingenthal?), Sohn von Johann Schönfelder
- ↑ jüngerer Bruder Christian Reicholts
- ↑ (auch Boller), Sohn des Arztes Hans Poller, Auswanderung um 1670
- ↑ Bäcker, Sohn des Klingenthaler Bäckers Georg Schönfelder (seine Söhne Caspar Schönfelder, Johann Georg Schönfelder und Simon Schönfelder)
- ↑ * 1650 in Graslitz als Sohn des Tuchmachers Jacob G.
- ↑ * April 1659 in Graslitz, Sohn des Bäckers Georg K. aus Elbogen
- ↑ * 1653 in Graslitz (?), Sohn von Johann Schönfelder
- ↑ * 1652 in Lottengrün bei Theuma, Sohn des Schneiders Hans Rudert
- ↑ * um 1656 in Markneukirchen (?), Sohn von Johann Schönfelder
- ↑ *1680 † 1712
- ↑ *1675 † 1754
- ↑ *1687 † 1734
- ↑ vermutl. * 1660 † 1718
- ↑ Dörfel
- ↑ starb im Mai 1804
- ↑ 1837
- ↑ 1839
- ↑ u. a. durch Johann Wilhelm Rudolph Glier
- ↑ 23 Geigenmacher waren 54 bis 80 Jahre alt.