Zum Inhalt springen

„Kurfürst“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K linkfix
Zusammensetzung: korrekt verlinkt
 
(618 dazwischenliegende Versionen von mehr als 100 Benutzern, die nicht angezeigt werden)
Zeile 1: Zeile 1:
{{Begriffsklärungshinweis}}
[[Bild:Balduineum Wahl Heinrich VII.jpg|thumb|300px|Die sieben Kurfürsten wählen [[Heinrich VII. (HRR)|Heinrich von Luxemburg]] zum König. Es sind dies, kenntlich durch ihre Wappen (v.l.n.r.), die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg und der König von Böhmen (Darstellung aus dem [[Kaiser Heinrichs Romfahrt|Codex Balduineus]]).]]
[[Datei:Balduineum Wahl Heinrich VII.jpg|mini|hochkant=1.4|Der ''[[Kaiser Heinrichs Romfahrt|Codex Balduineus]]'' (um 1340) enthält die erste bekannte bildliche Darstellung des Kurfürstenkollegiums:<br />Die Kurfürsten wählen [[Heinrich VII. (HRR)|Heinrich von Luxemburg]] zum König. Es sind dies, kenntlich durch ihre Wappen (v.&nbsp;l.&nbsp;n.&nbsp;r.), die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg und der König von Böhmen, der bei der Wahl Heinrichs tatsächlich nicht anwesend war.]]
Ein '''Kurfürst''' (lat.: ''princeps elector imperii'' oder ''elector'') gehörte zu der begrenzten Zahl jener [[Reichsfürst]]en des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation]], die das Kurfürstenkollegium bildeten und denen seit dem [[13. Jahrhundert]] das alleinige Recht zur [[Königswahl|Wahl]] ([[mittelhochdeutsch]] = ''[[Kur_(HRR)|kur]]'' oder ''kure'', vgl. neuhochdeutsch ''küren'') des [[Römisch-deutscher König|Römischen Königs]] zustand. Mit diesem Königstitel war traditionell die Anwartschaft auf das [[Römisch-deutscher Kaiser|römisch-deutsche Kaisertum]] verbunden.
[[Datei:Locator Electorates within the Holy Roman Empire in 1618 (alternate version).svg|mini|hochkant=1.4|Kurfürstliche Länder innerhalb des Reiches um 1618.{{Farblegende|#22B14C|[[Kurmainz]]}}{{Farblegende|#7B2AA3|[[Kurtrier]]}}{{Farblegende|#FF7F27|[[Kurköln]]}}{{Farblegende|#0098D4|[[Kurpfalz|Pfalzgrafschaft bei Rhein]]}}{{Farblegende|#FFF200|[[Kurfürstentum Sachsen]]}}{{Farblegende|#D40000|[[Königreich Böhmen]]}}{{Farblegende|#000000|[[Mark Brandenburg]]}}]]


Ein '''Kurfürst''' ({{laS|princeps elector imperii}} oder {{lang|la|''elector''}}; [[frühneuhochdeutsch]] meist '''Churfürst''') war einer der ursprünglich sieben ranghöchsten [[Reichsfürst|Fürsten]] des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]], denen seit dem 13. Jahrhundert die '''Kurwürde''' und damit das alleinige Recht zur [[Königswahl|Wahl]] des [[Römisch-deutscher König|römisch-deutschen Königs]] zustand, mit dessen Herrschaft seit dem 10. Jahrhundert der Anspruch auf das [[Römisch-deutscher Kaiser|Kaisertum]] verbunden war.
== Zusammensetzung des Kurfürstenkollegiums ==


Seit dem [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieg]] schwankte die Zahl der Kurfürsten. Effektiv nahmen nie mehr als neun Fürsten an einer Kaiserwahl teil. Die [[Thronfolger]] der weltlichen Mitglieder des Kurkollegiums wurden als [[Kurprinz]]en bezeichnet. Das Wort ''Kurfürst'' ist eine Zusammensetzung mit [[mittelhochdeutsch]] ''[[Kur (Heiliges Römisches Reich)|kure]]'' ‚Wahl‘ ([[Nomen actionis]] zu ''kiesen'' ‚wählen‘), von dem wiederum das Verb ''küren'' abgeleitet ist.
[[Bild:Kurfuersten_mainz.jpg|thumb|325px|right|Sandsteinreliefs der sieben Kurfürsten und des deutschen Königs in Mainz (Originale: Frühes 14.Jahrhundert, Mittelrheinisches Landesmuseum Mainz)]]
Im [[Mittelalter]] und in der [[Frühe Neuzeit|frühen Neuzeit]] gehörten dem Kurfürstenkollegium sieben [[Reichsfürst]]en an,
*drei geistliche,
** der [[Erzbischof von Mainz|Erzbischof]] von [[Kurmainz|Mainz]],
** der [[Erzbischof von Köln|Erzbischof]] von [[Kurköln|Köln]] und
** der [[Erzbischof von Trier|Erzbischof]] von [[Kurtrier|Trier]],
*sowie vier weltliche,
** der [[Kurpfalz|Pfalzgraf bei Rhein]],
** der [[Kurfürstentum Sachsen|Herzog von Sachsen]],
** der [[Mark Brandenburg|Markgraf von Brandenburg]] und
** der [[Böhmen|König von Böhmen]].


== Zusammensetzung ==
Im [[17. Jahrhundert]] wurde das Kollegium erweitert um
Im [[Mittelalter]] gehörten dem Kurfürstenkollegium sieben [[Reichsfürst]]en an. Ihre Zahl stieg in der [[Frühe Neuzeit|frühen Neuzeit]] auf neun an, ging dann wieder auf acht zurück und betrug am Ende des Alten Reichs zehn. Jedem Kurfürsten war eines der [[Erzamt|Reichserzämter]] zugeordnet. Zum ursprünglichen Kollegium gehörten:
* den [[Herzog]] von [[Bayern]] und
* den [[Herzog]] von [[Hannover (Land)|Braunschweig-Lüneburg]] (Hannover).


drei geistliche [[Fürstbischof|Fürstbischöfe]]:
Der [[Reichsdeputationshauptschluss]] von [[1803]] hob die beiden geistlichen Kuren von Köln und Trier sowie die pfälzische Kur auf und übertrug die Mainzer Kurwürde auf das neu geschaffene Fürstentum [[Regensburg-Aschaffenburg]]. Vier Reichsfürsten erhielten dagegen die Kurwürde neu, konnten sie aber vor dem Ende des alten Reiches [[1806]] nicht mehr ausüben. Dies waren
* der [[Erzbischof von Mainz|Erzbischof]] von [[Kurmainz|Mainz]] als [[Reichserzkanzler]] für Deutschland
* der [[Herzogtum Salzburg|Herzog von Salzburg]],
* der [[Erzbischof von Köln|Erzbischof]] von [[Kurköln|Köln]] als Reichserzkanzler für [[Reichsitalien|Italien]]
* der Herzog von [[Württemberg]],
* der [[Erzbischof von Trier|Erzbischof]] von [[Kurtrier|Trier]] als Reichserzkanzler für [[Königreich Burgund|Burgund]]
* der [[Markgraf]] von [[Markgrafschaft Baden|Baden]] sowie

* der [[Landgraf]] von [[Hessen-Kassel]].
sowie vier weltliche Fürsten:
Mit jeder Kur war eines der sogenannten [[Erzamt|Erzämter]] des Reiches verbunden (s.u.)
* der [[Länder der Böhmischen Krone|König von Böhmen]] als [[Erzmundschenk]]
* der [[Kurpfalz|Pfalzgraf bei Rhein]] als [[Erztruchsess]]
* der [[Kurfürstentum Sachsen|Herzog von Sachsen]] als [[Erzmarschall]]
* der [[Mark Brandenburg|Markgraf von Brandenburg]] als [[Erzkämmerer]]

<gallery class=center>
Wappen_Erzbistum_Mainz.png|[[Kurmainz]]
Wappen_Erzbistum_Köln.png|[[Kurköln]]
Wappen_Erzbistum_Trier.png|[[Kurtrier]]
Small_coat_of_arms_of_the_Czech_Republic.svg|[[Böhmen]]
Arms of the Electoral Palatinate (Variant 1).svg|[[Kurpfalz]]
Armoiries_archi-maréchal_du_Saint-Empire.svg|[[Sachsen]]
DEU_Brandenburg_COA.svg|[[Brandenburg]]
</gallery>

Im 17. Jahrhundert erlangten zwei weitere Reichsfürsten die Kurwürde:
* 1623 der [[Kurfürstentum Bayern|Herzog von Bayern]] anstelle des Pfalzgrafen bei Rhein, der 1648 eine neue, achte Kurstimme sowie das neugeschaffene Amt des [[Erzschatzmeister]]s erhielt, und
* 1692 der [[Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg|Herzog von Braunschweig-Lüneburg]] (Hannover) als [[Erzbannerträger]].

[[Datei:Germany Nürnberg Frauenkirche Seven Electors.jpg|mini|Beim [[Männleinlaufen]] über dem Hauptportal der [[Frauenkirche (Nürnberg)|Frauenkirche]] in Nürnberg umrunden die sieben Kurfürsten jeden Tag um 12 Uhr dreimal den sitzenden Kaiser.]]
[[Datei:Kurfuersten mainz.jpg|mini|Sandsteinreliefs der sieben Kurfürsten und des deutschen Königs in Mainz (Originale: Frühes 14.&nbsp;Jahrhundert, Landesmuseum Mainz)]]
Nachdem Bayern 1777 durch Erbschaft an den Pfalzgrafen bei Rhein gefallen war, erlosch die pfälzische Kurwürde, während die bayerische weiter bestehen blieb. Der [[Reichsdeputationshauptschluss]] von 1803 hob die beiden geistlichen Kuren von Köln und Trier auf, der Kurerzkanzler erhielt als Ersatz für das an Frankreich verlorene Mainz das neu geschaffene [[Fürstentum Regensburg]].
Vier Reichsfürsten erhielten dagegen die Kurwürde neu. Dies waren:
* der [[Herzogtum Salzburg|Herzog von Salzburg]]
* der [[Herzogtum Württemberg|Herzog von Württemberg]]
* der [[Markgrafschaft Baden|Markgraf von Baden]]
* der [[Landgrafschaft Hessen-Kassel|Landgraf von Hessen-Kassel]]

Nachdem das Herzogtum Salzburg im [[Friede von Pressburg|Frieden von Pressburg]] 1805 an das [[Kaisertum Österreich]] gefallen war und der Herzog von Salzburg für diesen Verlust mit dem neu geschaffenen [[Großherzogtum Würzburg]] entschädigt wurde, ging auch die mit Salzburg verbundene Kurwürde auf das neu geschaffene Großherzogtum über. Alle Veränderungen seit 1803 wurden jedoch schon 1806 mit der Auflösung des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation]] gegenstandslos. An einer Kaiserwahl konnte keiner dieser neuen Kurfürsten je teilnehmen.


== Geschichte des Kurfürstenkollegiums ==
== Geschichte des Kurfürstenkollegiums ==
=== Von den Ursprüngen bis zur Doppelwahl 1198 ===
Die Tradition der freien Königswahl im [[Ostfrankenreich]], dem späteren Heiligen Römischen Reich, begann 911, als der letzte König aus der Dynastie der [[Karolinger]] gestorben war. Damals bestimmten die Reichsfürsten, die sogenannten [[Große]]n des Reiches, nicht den nach Erbrecht legitimierten [[Karolinger|karolingischen]] Herrscher des [[Westfrankenreich]]s zum Nachfolger, sondern mit [[Konrad I. (Ostfrankenreich)|Konrad I.]] einen der ihren. Dies war zu diesem Zeitpunkt nicht außergewöhnlich, denn auch im Westfrankenreich wurde der König seit 888 von den Großen gewählt. War dieser stark, konnte er aber meist schon zu Lebzeiten die Wahl seines Sohnes zum Nachfolger durchsetzen. Da die seit 987 regierenden Könige aus der Dynastie der [[Kapetinger]] über Jahrhunderte Söhne als Nachfolger hinterließen, entwickelte sich das [[Königreich Frankreich (987–1791)|Königreich Frankreich]] schließlich zu einer [[Erbmonarchie]]. Im Ostfrankenreich dagegen kam es immer wieder zu Dynastiewechseln, da viele Könige keinen direkten männlichen Erben hinterließen. 1002, 1024, 1125, 1137 und 1152 wurden Könige gewählt, die zwar meist eng mit ihren jeweiligen Vorgängern verwandt, aber nicht deren Söhne waren. Schon 1002 traten neben Herzog [[Heinrich II. (HRR)|Heinrich von Bayern]] aus dem Hause der [[Liudolfinger]] weitere Mitbewerber auf, die ähnliche verwandtschaftliche Bindungen mit dessen Vorgänger [[Otto III. (HRR)|Otto III.]] aufwiesen. Nach 1024 schien sich die Dynastie der [[Salier]] mit vier aufeinanderfolgenden Königen als einzig erbberechtigte zu etablieren, bis auch sie 1125 im Mannesstamm erlosch. In der anschließenden Königserhebung [[Lothar von Supplinburg|Lothars von Supplinburg]] setzte sich erstmals das reine Wahlrecht durch. Bei Lothars Tod 1138 war sein Schwiegersohn [[Heinrich der Stolze]] sein nach Erbrecht nächster Verwandter. Doch statt auf ihn fiel die Wahl auf den [[Staufer]] [[Konrad III. (HRR)|Konrad III.]] Auch 1152 wurde nicht der Sohn Konrads, sondern sein Neffe [[Friedrich Barbarossa]] gewählt. So wurde mit jeder Kur die Tradition der freien Wahl gestärkt und die erbrechtlichen Traditionsstränge geschwächt.


Zur Teilnahme an der Königswahl waren ursprünglich, also seit 911, alle Reichsfürsten berechtigt, die [[Große]]n des Reiches. Zwar war nicht genau festgelegt, wer zu diesem Kreis gehörte, es gab aber seit jeher eine kleine Anzahl von Vorwählern ''(laudatores)'', denen eine Vorentscheidung zustand. Zu diesen gehörten nicht notwendigerweise die mächtigsten, sondern die vornehmsten [[Fürst]]en des Reichs, die an Rang und Würde dem König am nächsten kamen. Zu ihnen gehörten die drei Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie der Pfalzgraf bei Rhein, weil ihre Territorien auf altem [[Franken (Volk)|fränkischem Stammesboden]] lagen. Eine Wahl war nur dann rechtmäßig, wenn auch die Vorwähler ihr zugestimmt hatten. Wahrscheinlich entwickelte sich das spätere Kurfürstenkollegium aus dieser Gruppe von Vorwählern.
=== Ursprünge ===


=== Allmähliche Herausbildung des Kurfürstenkollegiums ===
Die vergleichsweise häufigen [[Dynastie]]wechsel im [[Ostfrankenreich|ostfränkischen Reich]], dem späteren Heiligen Römischen Reich, von den [[Karolinger]]n über die [[Liudolfinger]] und [[Salier]] zu den [[Staufer]]n, machten regelmäßig die Wahl eines neuen Königs und eines neuen Herrschergeschlechts erforderlich. Anders als die meisten übrigen Staaten Europas war das Römisch-Deutsche Reich daher eine [[Wahlmonarchie]] geblieben, so wie es ursprünglich alle [[Germanen|germanischen]] Nachfolgestaaten auf dem Gebiet des früheren [[Römisches Reich|römischen Reichs]] gewesen waren. Auch der Sohn eines regierenden römisch-deutschen Königs brauchte zu seiner Anerkennung als dessen rechtmäßiger Nachfolger stets die Wahl und Zustimmung der so genannten Großen des Reichs, die oft noch zu Lebzeiten des Vaters erfolgte.
[[Datei:Sachsenspiegel die wahl des deutschen Königs.jpg|mini|Die Königswahl in der Darstellung des Sachsenspiegels. Oben: Die drei geistlichen Fürsten zeigen auf den König. Mitte: Der Pfalzgraf bei Rhein überreicht als [[Truchsess (Hofamt)|Truchsess]] eine goldene Schüssel, dahinter der Herzog von Sachsen mit dem [[Marschallsstab]] und der Markgraf von Brandenburg, der als Kämmerer eine Schüssel mit warmem Wasser bringt. Unten: der neue König vor den Großen des Reiches (Heidelberger [[Sachsenspiegel]], um 1300)]]


Mit dem Tod [[Kaiser]] [[Heinrich VI. (HRR)|Heinrichs VI.]] (1165–1197) scheiterte auch dessen [[Erbreichsplan]], der letzte Versuch, das Reich in eine erbliche Monarchie umzuwandeln. Im daraufhin ausbrechenden [[Deutscher Thronstreit|Deutschen Thronstreit]] zwischen [[Staufer]]n und [[Welfen]] kam es 1198 zur Doppelwahl zweier Thronkandidaten. Der staufische Kandidat [[Philipp von Schwaben]] konnte sich dabei auf die größere Zahl von Wählern berufen. Gegen ihn stand der Kölner Erzbischof [[Adolf von Altena]], der unbedingt seinen Kandidaten [[Otto IV. (HRR)|Otto von Braunschweig]] durchsetzen wollte. Der zunächst unterlegene Otto bat [[Papst]] [[Innozenz III.]] um einen Schiedsspruch. Da seit der Kaiserkrönung [[Otto I. (HRR)|Ottos des Großen]] 962 das deutsche Königtum mit der römischen Kaiserwürde verbunden war, hatten die Päpste stets ein hohes Interesse an einem Mitwirkungsrecht an der deutschen Königswahl. Doch solange der Ausgang des Konflikts offen war, hielt sich der Papst zurück, um nicht auf der Seite des Verlierers zu stehen.
Ursprünglich waren alle Reichsfürsten zur Wahl des neuen Herrschers berechtigt. Allerdings gab es seit je her einen kleinen Kreis von Vorwählern (''laudatores''), denen eine Vorentscheidung zustand. Zu diesen Vorwählern gehörten nicht notwendigerweise die mächtigsten, sondern die vornehmsten [[Fürst]]en des Reichs, die an Rang und Würde dem König am nächsten kamen. Zu ihnen gehörten die drei Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie der Pfalzgraf bei Rhein, weil ihre Territorien auf altem [[Frankenreich|fränkischen]] Reichsboden lagen. Eine Wahl war nur dann rechtmäßig, wenn auch die Vorwähler ihr zugestimmt hatten. Wahrscheinlich hat sich das spätere Kurfürstenkollegium aus dieser Gruppe von Vorwählern entwickelt.


Um seiner Entscheidung mehr Gewicht zu verleihen, soll nach neueren Forschungen eine welfische Fürstengruppe um Erzbischof Adolf von Köln vorgeschlagen haben, dass zwei geistliche und zwei weltliche Fürsten – die Erzbischöfe von Köln und Mainz sowie der Pfalzgraf bei Rhein und der Herzog von Sachsen – analog zu einem paritätisch besetzten Schiedsgremium – den entscheidenden Wahlausschuss bilden sollten. Zu diesen vier seien dann zu Beginn des 13. Jahrhunderts jeweils ein weiterer geistlicher und ein weltlicher Fürst getreten: der Erzbischof von Trier und der Markgraf von Brandenburg. Nach älterer Forschungsmeinung soll Innozenz III. die Auffassung vertreten haben, für eine rechtmäßige Wahl sei die Zustimmung der drei rheinischen Erzbischöfe und des Pfalzgrafen bei Rhein unerlässlich, die zu Beginn des 13. Jahrhunderts um den Herzog von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg erweitert worden seien.
=== Entwicklung bis 1356 ===
==== Allmähliche Herausbildung des Kurfürstenkollegiums ====


Um 1230 stellte der [[Sachsenspiegel]] des [[Eike von Repgow]] fest: „Bei des Kaisers Kur soll der erste sein der Bischof von Mainz, der zweite der von Trier, der dritte der von Köln.“<ref name="WDL">{{cite web |url=http://www.wdl.org/en/item/11620/ |title=Mirror of the Saxons |work=[[World Digital Library]] |accessdate=2013-08-13}}</ref> Dann folgen die drei weltlichen Fürsten. Dem König von Böhmen spricht das Werk das Wahlrecht noch ausdrücklich ab, „weil er kein Deutscher ist“. Neuere Theorien gehen davon aus, dass er erst ab 1252 zu den Königswählern gezählt wurde, als das Kurkollegium sich als alleinige Wahlinstanz durchgesetzt hatte und Pattsituationen vermieden werden sollten.
Mit dem Tod [[Kaiser]] [[Heinrich VI. (HRR)|Heinrichs VI.]] ([[1190]]-[[1197]]) scheiterte auch dessen [[Erbreichsplan]], der letzte Versuch, das Reich in eine erbliche Monarchie umzuwandeln. Im daraufhin ausbrechenden [[Deutscher Thronstreit|Deutschen Thronstreit]] zwischen Staufern und Welfen, bei dem es [[1198]] zur Doppelwahl zweier Thronkandidaten kam, warf sich [[Papst]] [[Innozenz III. (Papst)|Innozenz III.]] zum Schiedsrichter auf. Da seit der Kaiserkrönung [[Otto der Große|Ottos des Großen]] [[962]] das deutsche Königtum mit der römischen Kaiserwürde verbunden war, hatten die Päpste stets ein hohes Interesse an einem Mitwirkungsrecht an der deutschen Königswahl. Innozenz setzte sich [[1198]] mit der Auffassung durch, dass für eine rechtmäßige Wahl die Zustimmung der drei rheinischen Erzbischöfe und des Pfalzgrafen bei Rhein unerlässlich sei. Durch die Bestätigung der drei geistlichen Kurfürsten sicherte er dem Papsttum einen indirekten Einfluss auf die deutsche Königswahl.


Erstmals trat das Kurkollegium 1257, nach dem Tod König [[Wilhelm von Holland|Wilhelms von Holland]], als exklusive Institution in Erscheinung, die alle übrigen Reichsfürsten von der Wahl ausschloss. In einer Doppelwahl bestimmte es [[Alfons X.|Alfons von Kastilien]] und [[Richard von Cornwall]] zu Wilhelms Nachfolger. Jeder Kandidat erhielt jeweils drei Stimmen. [[Ottokar II. Přemysl|Ottokar II.]], König von Böhmen, gab beiden seine Stimme. Keiner der beiden Gewählten konnte seine Herrschaftsrechte je faktisch ausüben, so dass das [[Interregnum (HRR)|Interregnum]] bis zur Wahl [[Rudolf I. (HRR)|Rudolfs von Habsburg]] im Jahr 1273 andauerte. Die Zeit des Interregnums stärkte die Position der Kurfürsten erheblich, was sich vor allem im 14. Jahrhundert zeigen sollte. An der Wahl Rudolfs I. hatte auch der König von Böhmen wieder teilgenommen. Seine dauernde Zugehörigkeit zum Kollegium konnte er aber erst 1289 durchsetzen. Vom 15. bis ins späte 17. Jahrhundert nahm der König von Böhmen allerdings nur an Königswahlen, nicht an anderen Beratungen der Kurfürsten teil.
Zu Beginn des [[13. Jahrhundert]]s wurde diese Kerngruppe um den Herzog von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg erweitert. Im [[Sachsenspiegel]] des [[Eike von Repgow]] aus dem Jahr [[1230]] heißt es: ''Bei des Kaisers Kur soll der erste sein der Bischof von Mainz, der zweite der von Trier, der dritte der von Köln.'' Dann folgen die drei weltlichen Fürsten, während der Sachsenspiegel dem König von Böhmen das Wahlrecht noch ausdrücklich abspricht, ''weil er kein Deutscher ist''.


Mit der Wahl von 1308, in der alle sechs anwesenden Kurfürsten [[Heinrich VII. (HRR)|Heinrich von Luxemburg]] zum römisch-deutschen König bestimmten, wurde das neue Selbstverständnis des Kurkollegiums sichtbar. Zusammen mit dem neuen König gab es seine Entscheidung Papst [[Clemens V.]] nur noch bekannt, ohne um die [[päpstliche Approbation]] zu bitten. Damit machte es deutlich, dass seine Entscheidung für eine gültige Königswahl ausreichte und dass diese keiner zusätzlichen Bestätigung mehr bedurfte. Die Wahl machte zudem deutlich, dass die Kurfürsten nach den Erfahrungen mit [[Adolf von Nassau]] und [[Albrecht I. (HRR)|Albrecht I.]], die beide eine teils gegen die Kurfürsten gerichtete [[Hausmachtpolitik]] betrieben hatten, strikt auf die Wahrung ihrer Rechte achteten und vom neuen König verlangten, diese zu respektieren. Der Handlungsspielraum des Königtums wurde dadurch erheblich eingeschränkt, auch wenn Heinrich VII. seine Macht etwa dadurch zu stärken suchte, dass er sich Böhmen als Hausmacht sicherte und in Italien die Erneuerung des [[Kaisertum]]s anstrebte.
Als exklusive Institution, die alle übrigen Reichsfürsten von der Wahl ausschloss, trat das Kurfürstenkollegium erstmals [[1257]] nach dem Tod König [[Wilhelm von Holland|Wilhelms von Holland]] in Erscheinung; insgesamt stärkte das [[Interregnum]] die Position der Kurfürsten deutlich, was sich vor allem im 14. Jahrhundert zeigen sollte. Auch der König von Böhmen nahm an der nachfolgenden Wahl teil, konnte seine dauernde Zugehörigkeit zu dem Kollegium aber erst [[1289]] durchsetzen. Später, während der [[Hussitenkriege]] im [[15. Jahrhundert]], ruhte die böhmische Kurwürde erneut.


=== Kurverein zu Rhense 1338 ===
Der ''[[Kaiser Heinrichs Romfahrt|Codex Balduineus]]'' beinhaltet die erste bekannte Darstellung des Kurfürstenkollegiums. Die Wahl von [[1308]], als [[Heinrich VII. (HRR)|Heinrich von Luxemburg]] von allen sechs anwesenden Kurfürsten zum römisch-deutschen König gewählt wurde, machte auch das neue Selbstverständnis der Kurfürsten deutlich. Zusammen mit dem König baten sie nicht um die päpstliche [[Approbation]], sondern gaben Papst [[Clemens V.]] nur die Wahl eines neuen Königs (und zukünftigen Kaisers) bekannt. Damit machten sie deutlich, dass es ausreichend sei, wenn sie den König wählten und dieser keine zusätzliche Bestätigung von außen brauchte. Die Wahl machte aber ebenso deutlich, dass die Kurfürsten, nach den Erfahrungen in der Zeit [[Adolf von Nassau|Adolfs von Nassau]] und [[Albrecht I. (HRR)|Albrechts I.]], die beide eine teils gegen die Kurfürsten gerichtete [[Hausmachtpolitik]] betrieben hatten, strikt auf die Wahrung ihrer Rechte achteten und vom neuen König verlangten, diese zu respektieren. Der Handlungsspielraum des Königtums wurde dadurch deutlich eingeschränkt, auch wenn Heinrich VII. seine Macht etwa dadurch zu stärken suchte, dass er sich Böhmen als Hausmacht sicherte und in Italien die Erneuerung des Kaisertums betrieb.
[[Datei:DoorknockertownhallHL.JPG|mini|Der König im Kreis der sieben Kurfürsten, gotischer Türzieher am [[Rathaus (Lübeck)|Lübecker Rathaus]]]]
1338 schlossen sich die Kurfürsten im [[Kurverein zu Rhense]] enger zusammen, um sich künftig vor Königswahlen miteinander abzustimmen. Aus dem Kurverein ging später der [[Kurfürstenrat]] des [[Reichstag (HRR)|Reichstags]] hervor. Zudem bestimmten die Kurfürsten in [[Rhens]], dass dem Papst kein Approbationsrecht zustehe und dass der von ihnen zum König Gewählte nicht dessen Zustimmung benötige. In dem von der älteren Forschung so genannten ''[[Rhenser Weistum]]'' vom 16. Juli 1338 heißt es:


{{Zitat
==== Der Kurverein zu Rhense ====
|Text=Nach Recht und seit alters bewährter Gewohnheit des Reiches bedarf einer, der von den Kurfürsten des Reiches oder, selbst bei Unstimmigkeit, von der Mehrheit derselben zum römischen König gewählt ist, keiner Nomination, Approbation, Konfirmation, Zustimmung oder Autorität des [[Heiliger Stuhl|apostolischen Stuhles]] für die Verwaltung der Güter und Rechte des Reiches oder für die Annahme des Königstitels.}}


Zum Abschluss kam diese Entwicklung 1508, als sich [[Maximilian I. (HRR)|Maximilian I.]] mit Zustimmung des [[Papst]]es, aber ohne eigens von ihm gekrönt worden zu sein, „Erwählter Römischer Kaiser“ nannte. Der Titel „[[Römisch-deutscher König|Römischer König]]“, den die Herrscher des Reiches seit 1125 zwischen ihrer Wahl zum König und ihrer Krönung zum [[Römisch-deutscher Kaiser|Kaiser]] getragen hatten, blieb von da an dem zu Lebzeiten eines Kaisers gewählten Nachfolger vorbehalten. Nach [[Karl V. (HRR)|Karl V.]] erfolgte keine Kaiserkrönung durch den Papst mehr.
Im Jahr [[1338]] schlossen sich die Kurfürsten im [[Kurverein zu Rhense]] enger zusammen, um sich künftig vor Königswahlen miteinander abzustimmen. Aus dem Kurverein ging später der [[Kurfürstenrat]] des [[Reichstag (HRR)|Reichstags]] hervor. Zudem bestimmten die Kurfürsten in [[Rhens]], dass dem Papst kein [[Approbation]]srecht zustehe und dass der von ihnen zum König gewählte nicht dessen Zustimmung benötige. In dem von der älteren Forschung so genannten ''[[Rhenser Weistum]]'' vom [[16. Juli]] [[1338]] heißt es:
:''Nach Recht und seit alters bewährter Gewohnheit des Reiches bedarf einer, der von den Kurfürsten des Reiches oder, selbst bei Unstimmigkeit, von der Mehrheit derselben zum römischen König gewählt ist, keiner Nomination, Approbation, Konfirmation, Zustimmung oder Autorität des apostolischen Stuhles für die Verwaltung der Güter und Rechte des Reiches oder für die Annahme des Königstitels.''


Die [[Krönung der römisch-deutschen Könige und Kaiser|Krönung der römisch-deutschen Könige]] erfolgte ursprünglich, von 936 bis 1531, in [[Aachen]] durch den Erzbischof von Köln. Von der Königswahl [[Maximilian II. (HRR)|Maximilians II.]] 1562 bis zum Ende des alten Reiches fanden die Wahl und die Krönung üblicherweise in Frankfurt statt, zuletzt 1792. Bei der Krönung übten die Kurfürsten – später nur noch ihre Stellvertreter – die sogenannten [[Erzamt|Erzämter]] ''(archiofficia)'' aus, die fest mit der Kurwürde verbunden waren.
Zum Abschluss kam diese Entwicklung im Jahre [[1508]], als sich [[Maximilian I. (HRR)|Maximilian I.]] mit Zustimmung des [[Papst]]es, aber ohne eigens von ihm gekrönt worden zu sein, „Erwählter Römischer Kaiser“ nannte. Außer [[Karl V. (HRR)|Karl V.]] wurde künftig kein Kaiser mehr durch den Papst gekrönt. Die Zeremonie fand von 1562 bis zum Ende des alten Reiches meist in der Wahlstadt [[Frankfurt am Main]] statt. Der Titel „[[Römischer König]]“, den die Herrscher des Reiches seit [[1125]] zwischen ihrer Wahl zum König und ihrer Krönung zum Kaiser getragen hatten, blieb von da an dem zu Lebzeiten eines Kaisers gewählten Nachfolger vorbehalten.


==== Die Goldene Bulle ====
=== Bestimmungen der Goldenen Bulle 1356 ===
[[Datei:Goldene Bulle - Komplettansicht.JPG|mini|Trierer Exemplar der Goldenen Bulle mit dem Goldsiegel Karls IV.]]
[[Datei:Goldene Bulle Handschrift.jpg|mini|Ausschnitt aus einer Handschrift der Goldenen Bulle aus der [[Wenzelswerkstatt]]: links der Kaiser, damals zugleich König von Böhmen, mit sechs Kurfürsten, rechts der Kölner Kurfürst. (Entstanden im Auftrag König [[Wenzel (HRR)|Wenzels]], 1400, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 338).]]
Seit dem Tod des Stauferkaisers [[Friedrich II. (HRR)|Friedrichs&nbsp;II.]] waren die Kurfürsten vom dynastischen Prinzip, also von der Wahl eines Mitglieds der herrschenden Dynastie, zu sogenannten „springenden Wahlen“ übergegangen. Damit gehörte praktisch jeder Reichsfürst zu den möglichen Thronkandidaten. Die [[Kronprätendent]]en mussten sich die Wahl durch umfangreiche Zugeständnisse erkaufen, etwa mit der Verleihung von [[Privileg]]ien an die Kurfürsten, die in [[Wahlkapitulation]]en genau festgehalten wurden. Darüber hinaus mussten die Kandidaten seit dem Ende des 12. Jahrhunderts zum Teil immense Geldzahlungen an die Kurfürsten leisten. All dies stärkte Macht und Unabhängigkeit der Landesfürsten im Reich auf Kosten der königlichen Zentralgewalt und hatte eine fortschreitende territoriale Zersplitterung Deutschlands zur Folge.


Um Thronfolgefehden und die Aufstellung von [[Gegenkönig]]en künftig zu vermeiden, ließ Kaiser [[Karl IV. (HRR)|Karl IV.]] 1356 die genauen Rechte und Pflichten der Kurfürsten und das Verfahren der deutschen Königswahl, die sich bis dahin gewohnheitsrechtlich herausgebildet hatten, in der [[Goldene Bulle Karls IV.|Goldenen Bulle]] endgültig rechtlich fixieren. Die Bulle erfüllte ihre befriedende Wirkung und bildete bis 1806 die Grundlage der [[Verfassung]]sordnung des alten Reichs.
[[Bild:Karl_iv_die_goldene_bulle_erteilend.png|thumb|200px|Kaiser Karl IV. erteilt die Goldene Bulle]]
Alle Rechte und Pflichten der Kurfürsten hatten sich bis dahin meist gewohnheitsrechtlich herausgebildet. Kaiser [[Karl IV. (HRR)|Karl IV.]] ließ das Prozedere der deutschen Königswahl [[1356]] in der [[Goldene Bulle|Goldenen Bulle]] endgültig rechtlich fixieren. Die Goldene Bulle bildete bis [[1806]] die Grundlage der [[Verfassung]]sordnung des alten Reichs. In den darin festgelegten Wahlbestimmungen hieß es unter anderem:
:''Wenn nun die Kurfürsten oder ihre Gesandten in vorerwähnter Form und Weise diesen Eid geleistet haben, sollen sie zur Wahl schreiten und fortan die ehgenannte Stadt Frankfurt nicht verlassen, bevor die Mehrzahl von ihnen der Welt oder Christenheit ein weltliches Oberhaupt gewählt hat, nämlich einen römischen König und künftigen Kaiser. Falls sie dies jedoch binnen dreißig Tagen, vom Tag der Eidesleistung an gerechnet, noch nicht getan haben, sollen sie von da an, nach Verlauf dieser dreißig Tage, forthin nur Brot und Wasser genießen und keinesfalls aus besagter Stadt weggehen, bevor sie oder die Mehrzahl von ihnen einen Herrscher oder ein weltliches Oberhaupt der Gläubigen gewählt haben, wie oben steht.''


Sie bestimmte, dass der Erzbischof von Mainz als [[Reichserzkanzler|Erzkanzler]] für [[Regnum Teutonicum|Deutschland]] binnen 30 Tagen nach dem Tod des letzten Königs die Kurfürsten in [[Frankfurt am Main]] zusammenzurufen habe. Bevor sie dort, im [[Kaiserdom St. Bartholomäus]], zur Wahl eines Nachfolgers schritten, mussten sie schwören, ihre Entscheidung „ohne jede geheime Absprache, Belohnung oder Entgelt“ zu treffen. In den Wahlbestimmungen, die nach dem Vorbild des [[Papstwahl#Konklave|Konklave]]s zur Papstwahl gestaltet waren, hieß es weiter:
Von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung des Reichs war, dass die Kurfürsten seit dem Tod des Stauferkaisers [[Friedrich II. (HRR)|Friedrich II.]] vom dynastischen Prinzip – also von der Wahl eines Mitglieds der herrschenden Dynastie – zu sogenannten „springenden Wahlen“ übergingen. Damit gehörte praktisch jeder Reichsfürst zu den möglichen Thronkandidaten. Die Kronprätendenten mussten sich die Wahl durch umfangreiche Zugeständnisse erkaufen, etwa mit der Verleihung von Privilegien an die Kurfürsten, die in [[Wahlkapitulation]]en genau festgehalten wurden. Darüber hinaus mussten die Kandidaten seit dem Ende des 12. Jahrhunderts zum Teil immense Geldzahlungen an die Kurfürsten leisten. All dies stärkte Macht und Unabhängigkeit der Landesfürsten im Reich auf Kosten der königlichen Zentralgewalt und hatte eine fortschreitende territoriale Zersplitterung Deutschlands zur Folge.


{{Zitat
=== Veränderungen im 17. und 18. Jahrhundert ===
|Text=Wenn nun die Kurfürsten oder ihre Gesandten in vorerwähnter Form und Weise diesen Eid geleistet haben, sollen sie zur Wahl schreiten und fortan die ehgenannte Stadt Frankfurt nicht verlassen, bevor die Mehrzahl von ihnen der Welt oder Christenheit ein weltliches Oberhaupt gewählt hat, nämlich einen römischen König und künftigen Kaiser. Falls sie dies jedoch binnen dreißig Tagen, vom Tag der Eidesleistung an gerechnet, noch nicht getan haben, sollen sie von da an, nach Verlauf dieser dreißig Tage, forthin nur Brot und Wasser genießen und keinesfalls aus besagter Stadt weggehen, bevor sie oder die Mehrzahl von ihnen einen Herrscher oder ein weltliches Oberhaupt der Gläubigen gewählt haben, wie oben steht.}}
[[Image:Kaiser im Kreis der Kurfürsten.jpg|thumb|right|300px|Der Kaiser und die ''acht'' Kurfürsten (Kupferstich von Abraham Aubry, Nürnberg 1663/64)]]
Zur ersten Erweiterung des Kurfürstenkollegiums kam es im Verlauf des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]]. Herzog [[Maximilian I. (Bayern, Kurfürst)|Maximilian I.]] von Bayern verlangte für die Hilfe, die er Kaiser [[Ferdinand II. (HRR)|Ferdinand II.]] bei der Vertreibung des so genannten Winterkönigs, des pfälzischen Kurfürsten [[Friedrich V. (Pfalz)|Friedrich V.]], aus Böhmen geleistet hatte, die Kurwürde seines [[Wittelsbach|wittelsbachischen]] Vetters. Mit der [[Oberpfalz]] wurde dem Herzog die pfälzische, die ''vierte Kur'' übertragen – [[1623]] zunächst nur ihm persönlich, [[1628]] auch für seine Nachkommen. Der Streit um die pfälzische Kur spielte eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen zum [[Westfälischer Frieden|Westfälischen Frieden]]. Beigelegt wurde er schließlich [[1648]] durch die Errichtung einer neuen, ''achten Kur'' für die Pfalzgrafen.


Die Stimmabgabe der Kurfürsten erfolgte nach deren Rang: Als erster stimmte der Erzbischof von Trier ab, als zweiter der Erzbischof von Köln, dem auch das Krönungsrecht zustand, solange Aachen, das in seiner Erzdiözese lag, die Krönungsstadt war. Als dritter folgte der König von Böhmen als gekrönter weltlicher Fürst, als vierter der Pfalzgraf bei Rhein, der während einer [[Thronvakanz]] oder bei Abwesenheit des Kaisers aus Deutschland als [[Reichsvikar]] amtierte, d.&nbsp;h. als Stellvertreter des Königs in allen Ländern, in denen fränkisches Recht galt. Zudem fungierte er bei Rechtsverstößen des Herrschers als Königsrichter. An fünfter Stelle folgte der Herzog von Sachsen als Reichsvikar für alle Länder sächsischen Rechts und an sechster der Markgraf von Brandenburg. Obwohl ranghöchster Kurfürst, stimmte der Erzbischof von Mainz als letzter ab, so dass sein Votum bei Stimmengleichheit den Ausschlag geben konnte.
Für seine Waffenhilfe im [[Pfälzischer Erbfolgekrieg|Pfälzischen Erbfolgekrieg]] gegen [[Frankreich]] verlangte [[1692]] Herzog [[Ernst August, Kurfürst von Hannover|Ernst August]] von [[Hannover (Land)|Braunschweig-Lüneburg]] für sein Haus die Einrichtung einer ''neunten Kur''. Dabei spielte auch eine Rolle, dass nach dem Übergang der Kurpfalz an eine katholische Linie des Hauses [[Wittelsbach]] das evangelische Element im Kurfürstenkollegium wieder gestärkt werden sollte. Trotz der Proteste der übrigen, meist katholischen Kurfürsten gab Kaiser [[Leopold I. (HRR)|Leopold I.]] Ernst Augusts Bestrebungen nach. Die neunte Kur konnte aber erst seit [[1708]] ausgeübt werden, nachdem auch der Reichstag ihrer Errichtung zugestimmt hatte. Da die Kurfürsten von Hannover, wie sie inoffiziell genannt wurden, mit [[Georg I. (Großbritannien)|Georg I.]] [[1714]] auch auf den britischen Thron gelangten, hatten im [[18. Jahrhundert]] die Könige von England ein Mitspracherecht bei der deutschen Königswahl.


Wie schon der Kurverein von Rhense erklärte auch die Goldene Bulle, dass die Königswahl ohne Zustimmung des Papstes rechtsgültig sei. Die im Kurverein durchgesetzte Mehrheitsentscheidung anstelle der zuvor als notwendig erachteten Einstimmigkeit wurde erneut bestätigt.
Als Bayern [[1777]] durch Erbschaft an die pfälzischen Wittelsbacher fiel, reduzierte sich die Zahl der Kurfürsten wieder auf acht.


Die Goldene Bulle legte darüber hinaus eine jährliche Versammlung aller Kurfürsten fest, in der sie sich mit dem Kaiser beraten sollten. Weitere Bestimmungen betrafen die besonderen [[Privileg]]ien und [[Regalien]] der Kurfürsten: Sie erhielten [[Politische Immunität|Immunität]], das [[Münzrecht]], das [[Zollrecht]], das [[Judenregal]] sowie das ''Privilegium de non evocando'' und das ''[[Privilegium de non appellando]]''. Das heißt: Weder durfte der Kaiser einen Rechtsstreit an sich ziehen, der unter die Jurisdiktion eines Kurfürsten fiel, noch konnten deren Untertanen gegen Urteile ihrer obersten Gerichte Berufung bei kaiserlichen Gerichten einlegen, auch nicht bei dem im 16. Jahrhundert geschaffenen [[Reichskammergericht]] und dem [[Reichshofrat]]. Ein Kurfürst wurde mit 18 Jahren [[Volljährigkeit|großjährig]], und Angriffe auf ihn galten als [[Majestätsverbrechen]].
=== Ende der Kurfürstentümer ===


Um eine Zersplitterung oder Vermehrung der Kurstimmen zu verhindern, wurden die Kurfürstentümer zu unteilbaren Territorien ([[Kurpräzipuum]]) erklärt. Im engeren Sinne versteht man unter dem Kurfürstentum an sich nur das Kurpräzipuum, also das Territorium, an das die Kurwürde gebunden war. Das heißt etwa, dass, wenn vom Kurfürstentum Sachsen die Rede war, dies eigentlich nur das kleine Herzogtum [[Sachsen-Wittenberg]], den sogenannten [[Kurkreis]], meint. Aufgrund der Bedeutung des Titels eines Kurfürsten wurde der Begriff Kurfürstentum stets auf das gesamte durch einen Kurfürsten regierte Gebiet ausgeweitet. So bestand das Kurfürstentum Sachsen ab dem 15. Jahrhundert im Wesentlichen aus der alten Markgrafschaft Meißen und landgräflich-thüringischen Gebieten sowie später der Lausitz, wobei das Kurpräzipuum, das eigentliche Kernkurfürstentum um Wittenberg, nur einen kleinen Teil des so genannten kursächsischen Territoriums, der [[Erblande]], ausmachte. Die Begriffsbezeichnung Kurfürstentum wanderte also, dem wesentlich größeren Gebietsumfang südlich des Kurpräzipuums geschuldet, elbaufwärts. Genaugenommen ist der Träger der Kurwürde Kurfürst des Reiches und weiterhin Herzog, Markgraf oder Pfalzgraf in seinen Gebietskonglomeraten. Der kurfürstliche Titel erlaubte es den Kurfürsten jedoch, diesen geschickt zur staatsterritorialen Vereinheitlichung zu nutzen. So gelang es Kurfürsten bis Anfang des 18. Jahrhunderts, meist alle in ihrem Besitz stehende Territorien unter dem Mantel der Kurwürde in den Kurstaat zu integrieren und dadurch staatsrechtlich und administrativ zu vereinheitlichen.
Während der [[Koalitionskriege|Napoleonischen Kriege]] annektierte Frankreich das gesamte linke Rheinufer und damit weite Gebiete der vier rheinischen Kurfürsten. Im [[Reichsdeputationshauptschluss]] von [[1803]] wurden daher die geistlichen Kuren und die pfälzische Kur aufgehoben. Die Mainzer Kurwürde wurde auf das [[Fürstentum Regensburg-Aschaffenburg]] übertragen. Für das in ein weltliches Herzogtum umgewandelte [[Erzstift]] [[Salzburg (Land)|Salzburg]], für [[Württemberg]], die [[Markgrafschaft Baden]] und die Landgrafschaft [[Hessen-Kassel]] wurden vier neue Kuren eingerichtet. All dies blieb aber ohne praktische Bedeutung, da das [[HRR|Heilige Römische Reich Deutscher Nation]] schon [[1806]] aufhörte zu bestehen und in der Zwischenzeit kein neuer Kaiser mehr zu wählen war. Obwohl die Kurwürde also ihre Bedeutung verloren hatte, behielt Hessen-Kassel die Bezeichnung Kurfürstentum bei (siehe dazu auch [[Kurhessen]]).


Die Unteilbarkeit begrenzte sich also de facto und de jure nur auf das Kurpräzipuum selbst, das heißt, dass sonstige Territorien, die zum Besitz des Kurfürsten gehörten, selbstverständlich weiterhin geteilt vererbt werden konnten. Dies veranschaulicht der Fall Kurfürst [[Johann Georg I. (Sachsen)|Johann Georgs&nbsp;I. von Sachsen]], der teils erbländische, also bereits in den Gesamtkurstaat integrierte Territorien, teils staatsrechtlich noch stark selbständige Gebiete, etwa ehemals bischöflichen Besitz, aus dem Erbe des Kurprinzen herauslöste und seinen nachgeborenen Söhnen testamentarisch als [[Sekundogenitur]]en zusprach. Der Kurkreis mit der Kurwürde und die große Mehrheit des restlichen Territorialbesitzes verblieben jedoch beim Erstgeborenen. Eine ähnliche Rechtssituation hatte 1485 zur [[Leipziger Teilung]] geführt, bei der de facto das Kurfürstentum geteilt wurde, nämlich bereits gut integrierte Gebiete wie der größte Teil der Markgrafschaft Meißen an den Zweitgeborenen Herzog Albrecht gelangten, während die mehrheitlich thüringischen Gebiete mit Kurkreis und Kurwürde an den Erstgeborenen Ernst gingen. Alleiniger Nachfolger eines weltlichen Kurfürsten im Kurpräzipuum konnte also immer nur dessen ältester ehelicher Sohn oder, falls er keinen legitimen männlichen Nachkommen hatte, sein nächster männlicher [[Agnat]] sein. Die Kurerben und Thronfolger eines weltlichen Kurfürsten wurden [[Kurprinz]]en genannt, die der geistlichen Kurfürsten waren noch zu Lebzeiten gewählte [[Koadjutor]]en, die jedoch noch der Bestätigung durch das [[Domkapitel]] bedurften. Während der Minderjährigkeit eines Kurfürsten regierte dessen nächster volljähriger männlicher Agnat, beispielsweise der Onkel des Kurfürsten, als Kuradministrator.
== Wahlbestimmungen, Rechte und Pflichten ==


Der zweite Teil der Bulle, das ''Metzer Gesetzbuch'', behandelte insbesondere protokollarische Fragen, die Steuererhebung sowie die Strafen für Verschwörungen gegen Kurfürsten.
Die Wahl des deutschen Königs durch die Kurfürsten musste ursprünglich einstimmig erfolgen. Erst der Kurverein von [[Rhens]] einigte sich 1338 auf das Mehrheitsprinzip. Die Wahl des Nachfolgers konnte auch schon zu Lebzeiten des regierenden Königs stattfinden. War dies nicht geschehen, musste nach den Bestimmungen der Goldenen Bulle der Erzbischof von Mainz die übrigen Kurfürsten oder ihre Stellvertreter spätestens vier Monate nach dem Tod des Herrschers zur Wahl eines Nachfolgers nach [[Frankfurt am Main]] zusammenrufen. Dabei hatte der Erzbischof von Mainz als [[Reichserzkanzler]] den Vorsitz. Er befragte die anderen Kurfürsten nach ihrer Entscheidung und zwar stets in festgelegter Reihenfolge: zuerst den Erzbischof von Trier, dann den von Köln, den Pfalzgrafen, den Markgrafen von Brandenburg, den Herzog von Sachsen und den König von Böhmen. Die letzte, mitunter entscheidende Stimme gab der Erzbischof von Mainz selbst ab.


=== Kurfürsten in der frühen Neuzeit ===
Die [[Krönung der römisch-deutschen Könige und Kaiser|Krönung]] erfolgte ursprünglich in [[Aachen]] durch den Erzbischof von Köln. Von der Königswahl [[Maximilian II. (HRR)|Maximilians II.]] [[1562]] bis zum Ende des alten Reiches fanden aber auch fast alle Krönungen in Frankfurt statt, die letzte im Jahr [[1792]]. Bei der Krönung übten die Kurfürsten – später nur noch ihre Stellvertreter – die sogenannten [[Erzamt|Erzämter]] (''archiofficia'') aus, die fest mit der Kurwürde verbunden waren: die weltlichen Kurfürsten von der Pfalz, von Sachsen, Brandenburg und Böhmen fungierten jeweils als [[Truchsess|Erztruchsess]], [[Marschall|Erzmarschall]], [[Kämmerer|Erzkämmerer]] und [[Mundschenk|Erzmundschenk]]. Die drei geistlichen Kurfürsten von Mainz, Trier und Köln waren [[Kanzler|Erzkanzler]] für die drei Reichsteile [[Deutschland]], [[Burgund]] und [[Italien]].
[[Datei:Schedelsche Weltchronik d 184.jpg|mini|Darstellung der „siben churfürsten“ ([[Schedelsche Weltchronik]] 1493)]]
[[Datei:De Constitutio criminalis Carolina (1533) 110 detail.jpg|mini|Der Kaiser mit sieben Kurfürsten (Abbildung im Erstdruck der [[Constitutio Criminalis Carolina]] 1533)]]
[[Datei:Kaiser im Kreis der Kurfürsten.jpg|mini|Der Kaiser und die acht Kurfürsten (Kupferstich von [[Abraham Aubry]], Nürnberg 1663/64)]]
[[Datei:Frankfurt 2018-10-07a.jpg|mini|Ort der Kaiserwahl, die Wahlkapelle im Frankfurter Dom]]


In der [[Frühe Neuzeit|Frühen Neuzeit]] hatten zwischen 1500 und 1806 insgesamt 131 Personen die Kurfürstenwürde inne.<ref name="neuhaus23">[[Helmut Neuhaus]]: ''Das Reich in der Frühen Neuzeit'' (= ''Enzyklopädie deutscher Geschichte.'' Band 42). 2. Auflage. Oldenbourg, München 2003, [https://books.google.de/books?id=z9PnBQAAQBAJ&pg=PT31 S. 23.]</ref>
Nach der Goldenen Bulle standen den Kurfürsten eine Reihe von [[Privileg]]ien zu: Sie besaßen das [[Münzrecht|Münzregal]] und andere [[Regalien|Königsrechte]]: Sie wurden mit 18 Jahren großjährig, Angriffe auf sie galten als [[Majestätsverbrechen]] und ihre Territorien, die Kurlande, waren unteilbar. Gegen Urteile ihrer obersten Gerichte konnte niemand Berufung beim [[Reichskammergericht]] oder beim [[Hofrat|Reichshofrat]] einlegen. Der König konnte keinen Rechtsstreit an sich ziehen, der unter ihre Jurisdiktion fiel.


==== Politische Rolle ====
== Der Kurfürstenornat ==
Die Kurfürsten konnten trotz Anfeindungen anderer Reichsfürsten bis zum Ende der frühen Neuzeit das exklusive Recht der Königswahl sowie die Formulierung der Wahlkapitulationen bewahren. Wollten die Kaiser nicht die Chance der Königswahl ihrer Nachfolger aufs Spiel setzen, waren sie auf ein gutes Verhältnis zu den Kurfürsten angewiesen. Dies bestimmte im 16. und 17.&nbsp;Jahrhundert zumeist das kaiserliche Verhalten. Da in einer Zeit ohne dauernden Reichstag die politische Abstimmung zwischen Kaiser und Reichsständen nur schwierig möglich war, berieten sich die Reichsoberhäupter mit den Kurfürsten, wenn sie nicht den Anschein eines allzu selbstherrlichen Handelns erwecken wollten. Dieser Linie folgten etwa [[Ferdinand I. (HRR)|Ferdinand I.]] oder [[Maximilian II. (HRR)|Maximilian II.]] Dagegen war die Rücksprache zur Zeit [[Karl V. (HRR)|Karls V.]] oder [[Rudolf II. (HRR)|Rudolfs II.]] deutlich geringer ausgeprägt. Als wichtigste Partner der Kaiser in der Reichspolitik wurden die Kurfürsten auch als „innerste Räte“ bezeichnet. Das Kurkolleg galt als „cardo imperii“, als Scharnier zwischen Kaiser und Reichsständen. Dabei spielten die [[Kurfürstentag]]e eine wichtige Rolle.<ref>[[Axel Gotthard]]: ''Das Alte Reich 1495–1806.'' Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-23039-6, S. 13 f.</ref>
[[Bild:Kurfürst Karl Theodor (Bayern).jpg|thumb|Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz und von Bayern im Amtsornat]]
Der Kurfürstenornat bestand aus einem breiten, mantelartigen Rock mit breiten Ärmeln oder Armschlitzen, ganz mit Hermelin - einem Symbol königlicher Würde - ausgeschlagen. Dazu kamen ein breiter Hermelinkragen, violette Handschuhe und der Kurhut, eine Samtmütze mit Hermelinumrandung. Der Ärmelrock und der runde Kurhut der weltlichen Kurfürsten waren aus dunkelkarmesinfarbigem Samt gefertigt, der Armschlitzrock und die viereckige Mütze der geistlichen Fürsten aus dunkelscharlachfarbigem Tuch.


Der Zusammenschluss der Kurfürsten in dem 1558 erneuerten [[Frankfurter Kurfürstentag|Kurverein]] forderte ein starkes reichspolitisches Engagement und ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein für das Reichsganze. Auch wenn es keine Pflicht war, ließen sich die meisten Kurfürsten auf die Prinzipien des Kurvereins vereidigen. Der Kurverein diente dabei auch als Instanz zur Verteidigung der kurfürstlichen Standesinteressen und zur Bewahrung der besonderen Vorrechte.
== Literatur ==


Die Machtposition der Kurfürsten wurde bereits durch deren Zeitgenossen kritisiert. Insbesondere [[Gottfried Wilhelm Leibniz]] sah im Kurfürstenkollegium eine übermächtige [[Oligarchie]]. Allerdings schwankte die Bedeutung der Kurfürsten im Verlauf der frühen Neuzeit deutlich. Bis 1630 hing ihre politische Rolle stark von der Bereitschaft der jeweiligen Kaiser ab, die Kurfürsten in die Reichspolitik einzubinden oder eben nicht.<ref>Axel Gotthard: ''Das Alte Reich 1495–1806.'' Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-23039-6, S. 15.</ref>
* Hans Boldt: ''Deutsche Verfassungsgeschichte'', Bd. 1: ''Von den Anfängen bis zum Ende des älteren deutschen Reichs 1806'', München 1984.
* Arno Buschmann (Hg.): ''Kaiser und Reich. Klassische Texte und Dokumente zur Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation'', München 1984.
* Franz-Reiner Erkens: ''Kurfürsten und Königswahl'', Hannover 2002, ISBN 3-7752-5730-6.
* Martin Lenz: ''Konsens und Dissens. Deutsche Königswahl (1273-1349) und zeitgenössische Geschichtsschreibung'' (= Formen der Erinnerung 5), Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-35424-X. ''[http://www.sehepunkte.historicum.net/2003/03/352535424x.html Rezension]
* Hans K. Schulze: ''Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter'', Bd. 3: ''Kaiser und Reich'', Stuttgart u.a. 1998.


Die religiöse Spaltung im Zeitalter der [[Konfessionalisierung]] am Ende des 16. und Anfang des 17.&nbsp;Jahrhunderts führte zu einer tiefen Krise des Kurfürstenkollegs. Zunehmend spielten die unterschiedlichen konfessionspolitischen Interessen eine wichtigere Rolle als die gemeinsame Sorge um das Reich. Insbesondere die rheinischen geistlichen Kurfürsten agierten als Block zur Wahrung der katholischen Interessen. Dies änderte sich während des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] teilweise wieder. Die Kurfürsten und die Kurfürstentage übernahmen teilweise Funktionen des lahmgelegten [[Reichstag (Heiliges Römisches Reich)|Reichstags]] und wandten sich gegen die zeitweilig erstarkende kaiserliche Macht. Als die Kurfürsten jedoch 1636 eigenmächtig eine Reichssteuer ausschrieben, führte dies zum Widerstand der anderen großen Reichsstände. Auch propagandistisch wurde die Auseinandersetzung zwischen Kurfürsten und Reichsfürsten über fast ein halbes Jahrhundert ausgetragen. Spätestens in den 1680er Jahren waren die Kurfürsten mit dem Anspruch auf eine politische Vorreiterrolle faktisch gescheitert, büßten ihre zeremoniellen Vorrechte aber nicht ein. Kennzeichnend war, dass nach 1640 Kurfürstentage nur noch anlässlich der Königswahlen stattfanden.<ref>Axel Gotthard: ''Das Alte Reich 1495–1806.'' Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-23039-6, S. 15 f., 24 f., 72 f.</ref>
== Weblinks ==


==== Veränderung des Kurfürstenkollegiums ====
* [http://www.mittelalter.uni-tuebingen.de/?q=personen/frauenknecht/repetitorium01/quelle6.htm Rhenser Weistum von 1338]
{{Hauptartikel|Causa palatina}}
* [http://www.mittelalter.uni-tuebingen.de/?q=personen/frauenknecht/repetitorium01/quelle8.htm Zitat aus der Goldenen Bulle]
Zur ersten Erweiterung des Kurfürstenkollegiums kam es im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges. Herzog [[Maximilian I. (Bayern)|Maximilian I.]] von Bayern verlangte für die Hilfe, die er Kaiser [[Ferdinand II. (HRR)|Ferdinand II.]] bei der Vertreibung des sogenannten Winterkönigs, des pfälzischen Kurfürsten [[Friedrich V. (Pfalz)|Friedrich V.]], aus Böhmen geleistet hatte, die Kurwürde seines [[wittelsbach]]ischen Vetters. Mit der [[Oberpfalz]] wurde dem Herzog die pfälzische, die vierte Kur übertragen – 1623 zunächst nur ihm persönlich, 1628 auch für seine Nachkommen. Der Streit um die pfälzische Kur (Causa palatina) spielte eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen des [[Westfälischer Frieden|Westfälischen Friedens]]. Beigelegt wurde er schließlich 1648 durch die Neueinrichtung einer achten Kurwürde für die Pfalzgrafen. Eine neunte Kur für Österreich konnten die Habsburger dagegen ebenso wenig durchsetzen wie das ''votum decisivum'', die bei Stimmengleichheit im Kurfürstenkollegium entscheidende Stimme für Böhmen.


Erfolg im Streben nach einer neunten Kur hatte dagegen 1692 Herzog [[Ernst August (Hannover)|Ernst August]] von [[Herzogtum Braunschweig und Lüneburg|Braunschweig-Lüneburg]]. Er hatte die Titelerhöhung von Kaiser [[Leopold I. (HRR)|Leopold I.]] als Ausgleich für seine Waffenhilfe im [[Pfälzischer Erbfolgekrieg|Pfälzischen Erbfolgekrieg]] gegen [[Frankreich]] verlangt. Dabei spielte auch eine Rolle, dass nach dem Übergang der Kurpfalz an eine katholische Linie des Hauses [[Wittelsbach]] das evangelische Element im Kurfürstenkollegium gestärkt werden sollte. Als der Kaiser dem Herzog eigenmächtig die Kurwürde für dessen [[Fürstentum Calenberg|Teilfürstentum Calenberg]] verlieh, protestierten die übrigen, meist katholischen Kurfürsten. Dadurch gelang es Leopold I., als konfessionelle Kompensation die Readmission (Wiederzulassung) seiner eigenen, böhmischen Kurstimme durchzusetzen. So konnten die Habsburger als Könige von Böhmen fortan wieder an allen kurfürstlichen Beratungen teilnehmen, was ihnen ab dem späten 15. Jahrhundert außer bei Königswahlen verwehrt gewesen war. Der Reichstag stimmte 1708 beidem zu, der Reaktivierung der böhmischen und der Zulassung der neuen Kurwürde der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg.
{{Lesenswert}}


Da die [[Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg|Kurfürsten von Hannover]], wie sie inoffiziell genannt wurden, mit [[Georg I. (Großbritannien)|Georg I.]] 1714 auf den britischen Thron gelangten und ab da beide Ämter in Personalunion ausübten, hatten die Könige von England von da an ein Mitspracherecht bei der deutschen Königswahl.
[[Kategorie:Heiliges Römisches Reich]]
[[Kategorie:Herrschertitel]]
[[Kategorie:Kurfürst|!]]
[[Kategorie:Politische Person]]
[[Kategorie:Wahl]]


Als die bayerischen Wittelsbacher 1777 im Mannesstamm ausstarben, fiel deren vierte Kurwürde gemäß den Bestimmungen des Westfälischen Friedens 1648 sowie der Wittelsbachischen Hausverträge von 1329 ([[Hausvertrag von Pavia|Vertrag von Pavia]]), 1724 ([[Wittelsbacher Hausunion]]), 1776, 1771 und 1774 an ihre Erben, die gleichfalls wittelsbachischen (nun aber katholischen) Pfalzgrafen bei Rhein. Deren eigene, pfälzische Kurwürde wiederum, die achte Kur, erlosch.<ref>In Artikel III des [[s:Westfälischer Friede – Vertrag von Osnabrück|Vertrags von Osnabrück]] wurde festgelegt: ''Falls sich aber zutrüge / daß die Wilhelmische Mannliche Lini außsturbe / vnd die Pfältzische vberbliebe / alßdann soll nicht allein die Ober-Pfaltz / sondern auch die Chur-Dignitet, welche die Hertzogen in Bäyern gehabt / an die noch lebende Pfaltzgraffen / so entzwischen mit belehnet seyn / heimbfallen / vnd die Achte Chur-Stelle gäntzlich erlöschen. Also aber soll die Ober-Pfaltz / vff diesen begebenden Fall an die [18] noch lebende Pfaltzgraffen gelangen / daß dennoch denen eygenthumblichen Erben deß Herrn Churfürsten in Bäyern jhrige Ansprüche / vnd Beneficia, so jhnen von Rechtswegen gebühren / vorbehalten seyen.'' Die Regelung findet sich inhaltsgleich auch im [[s:Westfälischer Friede – Vertrag von Münster|Vertrag von Münster]]</ref> Dies wurde mit dem [[Friede von Teschen|Frieden von Teschen]] 1779 vollzogen.
{{Link FA|en}}


=== Ende des Kurfürstenamts ===
[[bg:Курфюрст]]
Während der [[Koalitionskriege|Napoleonischen Kriege]] annektierte Frankreich das gesamte [[Linkes Rheinufer|linke Rheinufer]] und damit weite Gebiete der vier rheinischen Kurfürsten. Im [[Reichsdeputationshauptschluss]] von 1803 wurden daraufhin die geistlichen Kuren von Trier und Köln aufgehoben und die Mainzer Kurwürde auf das [[Fürstentum Aschaffenburg|Fürstentum Regensburg-Aschaffenburg]] übertragen. Für das in ein weltliches [[Herzogtum Salzburg]] umgewandelte [[Erzstift Salzburg]], für [[Württemberg]], die [[Markgrafschaft Baden]] und die [[Landgrafschaft Hessen-Kassel]] wurden vier neue Kuren eingerichtet, so dass deren Zahl nunmehr auf zehn stieg. Im Kurkollegium, in dem bis dahin immer katholische Fürsten die Mehrheit gestellt hatten, herrschte nun erstmals konfessionelle Parität: Fünf Protestanten, den Kurfürsten von Brandenburg, Hannover, Württemberg, Baden und Hessen-Kassel, standen ebenso viele Katholiken gegenüber: die Kurfürsten von Sachsen, Pfalz-Bayern, Böhmen und Salzburg sowie der Kurerzkanzler mit Regensburg-Aschaffenburg.
[[cs:Kurfiřt]]

[[da:Kurfyrste]]
Schon zwei Jahre nach dieser Neuregelung, im [[Frieden von Preßburg]], fiel das Herzogtum Salzburg, das als habsburgische [[Sekundogenitur]] von [[Ferdinand III. (Toskana)|Kurfürst Ferdinand]] regiert wurde, an das [[Kaisertum Österreich]]. Um Ferdinand zu entschädigen, wurde für ihn noch am 26. Dezember 1805 das [[Großherzogtum Würzburg]] geschaffen, auf das auch die Salzburger Kurwürde überging.<ref>[[Helmut Neuhaus]]: ''Das Reich in der Frühen Neuzeit'' (= ''Enzyklopädie deutscher Geschichte.'' Band 42). 2. Auflage. Oldenbourg, München 2003, [https://books.google.de/books?id=z9PnBQAAQBAJ&pg=PT31 S. 23]; [[Dieter Schäfer]]: ''Vor 200 Jahren: Die „Toskanazeit“ beginnt. Würzburg wird das letzte Kurfürstentum des Heiligen Römischen Reiches.'' In: [[Andreas Mettenleiter]] (Hrsg.): ''Tempora mutantur et nos? Festschrift für Walter M. Brod zum 95. Geburtstag. Mit Beiträgen von Freunden, Weggefährten und Zeitgenossen'' (= ''Aus Würzburgs Stadt- und Universitätsgeschichte.'' Band 2). Akamedon, Pfaffenhofen 2007, ISBN 3-940072-01-X, S. 195–199.</ref> Auswirkungen auf die Reichspolitik hatten alle diese Neuregelungen jedoch nicht mehr, da keiner der neuen Kurfürsten mehr an einer Kaiserwahl teilnehmen konnte. 1806 legte Kaiser [[Franz II. (HRR)|Franz II.]] als Reaktion auf die Bildung des [[Rheinbund]]es die [[Reichskrone|Krone]] des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation]] nieder, das damit aufhörte zu bestehen. Damit verlor auch das Kurfürstenamt seine Funktion.
[[en:Prince-elector]]

[[eo:Princo-elektisto]]
=== Kurfürstentum Hessen-Kassel ===
[[es:Príncipe elector]]
Nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft, auf dem [[Wiener Kongress]], strebte Landgraf [[Wilhelm I. (Hessen-Kassel)|Wilhelm]] von Hessen-Kassel, der 1803 die Kurwürde erhalten hatte, den Titel „König der [[Chatten]]“ an. Die Bezeichnung stützte sich auf den germanischen Stammesnamen der Hessen. Trotz erheblicher Bestechungsgelder gelang es ihm nicht, diesen Anspruch durchzusetzen. Er durfte allerdings den Titel „Kurfürst“ behalten, mit dem persönlichen Prädikat „königliche Hoheit“. Danach wurde die Bezeichnung „Kurfürstentum Hessen“ (umgangssprachlich auch kurz: „Kurhessen“) weithin gebräuchlich, zur Unterscheidung von der durch [[Napoleon]] zum [[Großherzogtum Hessen]] erhobenen vormaligen [[Landgrafschaft Hessen-Darmstadt]]. Im weiteren Sinne bezeichnete Kurhessen bzw. Kurfürstentum Hessen die Gesamtheit der von dem Kurfürsten regierten Territorien, die dann erst mit der Verwaltungsreform von 1821 unter einheitliche Verwaltung gestellt wurden. Das Kurfürstentum Hessen wurde nach seiner Niederlage im [[Deutscher Krieg|Krieg von 1866]] von [[Königreich Preußen|Preußen]] [[Annexion|annektiert]] und ging damit unter. Gleichwohl überlebte die Bezeichnung in einigen Namen, etwa dem der [[Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck|Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck]].
[[et:Kuurvürst]]

[[fa:امرای انتخاباتی]]
== Kurfürstenornat ==
[[fr:Prince-Électeur]]
Der Kurfürstenornat bestand aus dem Kurmantel, einem breiten, mantelartigen Rock mit breiten Ärmeln oder Armschlitzen, ganz mit [[Hermelinfell und Wieselfell|Hermelinfell]] – einem Symbol königlicher Würde – ausgeschlagen. Dazu kamen ein breiter Hermelinkragen, violette Handschuhe und der [[Kurhut]], eine Samtmütze mit Hermelinumrandung. Der Ärmelrock und der runde Kurhut der weltlichen Kurfürsten waren aus dunkelkarmesinfarbigem Samt gefertigt, der Armschlitzrock und die viereckige Mütze der geistlichen Fürsten aus dunkelscharlachfarbigem Tuch. Zu den Insignien gehörte des Weiteren ein [[Kurschwert]].
[[is:Kjörfursti]]

[[it:Principe elettore]]
Die Darstellung des Kurfürsten im Kurfürstenornat auf zeitgenössischen Münzen des gewöhnlichen Zahlungsverkehrs ist im Münzbild des [[Erbländischer Taler|Erbländischen Talers]] dargestellt.
[[ja:選帝侯]]

[[nl:Keurvorst]]
<gallery>
[[no:Kurfyrste]]
Liebfrauen Worms Südportal Kurfürst.JPG|Figur eines Kurfürsten am Südportal der [[Liebfrauenkirche (Worms)|Liebfrauenkirche in Worms]] (13. Jahrhundert)
[[pl:Elektorzy Rzeszy]]
Flink, Govaert - Friedrich Wilhelm I - Schloss Charlottenburg.jpeg|Der [[Friedrich Wilhelm (Brandenburg)|„Große Kurfürst“ Friedrich Wilhelm von Brandenburg]] im Kurfürstenornat (um 1652)
[[pt:Príncipe-eleitor]]
Karl Theodor, Kurfürst (1742-1799).jpg|[[Karl Theodor (Pfalz und Bayern)|Karl Theodor]], Kurfürst der Pfalz und von Bayern im Kurfürstenornat (1744)
[[ru:Курфюрст]]
Weltliche Schatzkammer Wien (72).JPG|Der Königlich-Böhmische Kurfürstenornat in der [[Schatzkammer (Wien)|Wiener Schatzkammer]]
[[sk:Kurfirst]]
Carl Theodor by Brandt 1781 Detail Kurhut.jpg|Kurhut (Detail aus einem Staatsporträt [[Karl Theodor (Pfalz und Bayern)|Karl Theodors von Bayern]], 1781)
[[sv:Kurfurste]]
1441 Ernst.jpg|[[Ernst (Sachsen)|Ernst von Sachsen]] mit dem [[Reichsrennfahne|Kurschwertwappen]]
[[uk:Курфюрст]]
Johann Georg II., Erbländischer Taler 1662, CNG.jpg|[[Erbländischer Taler]] Johann Georgs&nbsp;II. von 1662 im Kurornat, [[Münzmeisterzeichen|Mmz.]] C–R und Eichel, [[Münzstätte Dresden]]
[[zh:选帝侯]]
</gallery>

== Siehe auch ==
* [[Liste der Wahlen der römisch-deutschen Könige]] für einen geschichtlichen Überblick seit der Goldenen Bulle
* [[Kurfürstenfabel]]

== Literatur ==
* [[Winfried Becker (Historiker)|Winfried Becker]]: ''Der Kurfürstenrat. Grundzüge seiner Entwicklung in der Reichsverfassung und seine Stellung auf dem Westfälischen Friedenskongress''. Aschendorff, Münster 1973.
* Alexander Begert: ''Die Entstehung und Entwicklung des Kurkollegs. Von den Anfängen bis zum frühen 15. Jahrhundert.'' Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-13222-5 (''Schriften zur Verfassungsgeschichte'' 81).
* Alexander Begert: ''Böhmen, die böhmische Kur und das Reich vom Hochmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches. Studien zur Kurwürde und zur staatsrechtlichen Stellung Böhmens.'' Matthiesen, Husum 2003, ISBN 3-7868-1475-9 (''Historische Studien'' 475).
* [[Hans Boldt]]: ''Deutsche Verfassungsgeschichte''. Band 1: ''Von den Anfängen bis zum Ende des älteren deutschen Reichs 1806''. 2., durchgesehen und aktualisierte Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1990, {{falsche ISBN|3-432-04424-1}}.
* Arno Buschmann (Hrsg.): ''Kaiser und Reich. Klassische Texte und Dokumente zur Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation''. 2 Bände. 2. ergänzte Auflage. Nomos-Verlags-Gesellschaft, München 1994.
* [[Franz-Reiner Erkens]]: ''Kurfürsten und Königswahl. Zu neuen Theorien über den Königswahlparagraphen im Sachsenspiegel und die Entstehung des Kurfürstenkollegiums''. Hahn, Hannover 2002, ISBN 3-7752-5730-6 (Studien und Texte / [[Monumenta Germaniae Historica]], 30).
* Axel Gotthard: ''Säulen des Reiches. Die Kurfürsten im frühneuzeitlichen Reichsverband.'' Matthiesen, Husum 1998, ISBN 3-7868-1457-0.
* Klaus-Frédéric Johannes: ''Bemerkungen zur Goldenen Bulle Kaiser Karls IV. und der Praxis der Königswahl 1356–1410.'' In: FS Jürgen Keddigkeit, 2012, S. 105–120.
* Klaus-Frédéric Johannes: ''Die Goldene Bulle und die Praxis der Königswahl 1356–1410.'' In: ''Archiv für mittelalterliche Philosophie und Kultur''. Bd. 14 (2008), S. 179–199.
* Martin Lenz: ''Konsens und Dissens. Deutsche Königswahl (1273–1349) und zeitgenössische Geschichtsschreibung''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-35424-X (''Formen der Erinnerung'' 5; [http://www.sehepunkte.de/2003/03/1860.html Rezension]).
* [[Hans K. Schulze]]: ''Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter''. Band 3: ''Kaiser und Reich''. Kohlhammer, Stuttgart u.&nbsp;a. 1998, ISBN 3-17-013053-6.
* Hans K. Schulze: ''Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter''. Band 4: ''Das Königtum''. Kohlhammer, Stuttgart u.&nbsp;a. 2011.
* [[Armin Wolf (Historiker)|Armin Wolf]]: ''Die Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198–1298. Zur 700jährigen Wiederkehr der ersten Vereinigung der sieben Kurfürsten.'' 2. bearbeitete Auflage. Schulz-Kirchner, Idstein 2000, ISBN 3-8248-0031-4 (''Historisches Seminar'' N.F. 11).
* Armin Wolf (Hrsg.): ''Königliche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten''. Klostermann, Frankfurt am Main 2002, ISBN 978-3-465-03200-7 (''Studien zur europäischen Rechtsgeschichte'' 152).

== Weblinks ==
{{Commonscat|Prince-electors|Kurfürsten}}
{{Wiktionary}}
* [[Helmut Assing]]: {{Webarchiv |url=http://www.assing-helmut.de/kurf2.pdf |text=''Der Weg der sächsischen und brandenburgischen Askanier zur Kurwürde'', 2007, Aufsatz mit grundsätzlichen Überlegungen zur Entstehung des Kurfürstenkollegiums |wayback=20121027121255}} (PDF, 283&nbsp;KiB)
* Armin Wolf: [https://www.bavarikon.de/object/bav:BSB-HLB-00000000HLB45780 ''Kurfürsten''] bei: [[Bavarikon]]
* [[Gerhard Immler]]: [https://amuc.hypotheses.org/8067 ''Machtkampf – pfälzische oder bayerische Kurwürde? Ein historischer Exkurs'' ] In: ''amuc'', München, Gemeinschaftsblog der Münchner Archive 6. Oktober 2021

== Anmerkungen ==
<references />

{{Lesenswert|28. Juni 2005|6702899}}

{{Normdaten|TYP=s|GND=4166203-9}}

{{SORTIERUNG:Kurfurst}}
[[Kategorie:Kurfürst| ]]
[[Kategorie:Herrschertitel]]
[[Kategorie:Deutsche Königswahl]]

Aktuelle Version vom 17. Februar 2025, 18:54 Uhr

Der Codex Balduineus (um 1340) enthält die erste bekannte bildliche Darstellung des Kurfürstenkollegiums:
Die Kurfürsten wählen Heinrich von Luxemburg zum König. Es sind dies, kenntlich durch ihre Wappen (v. l. n. r.), die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg und der König von Böhmen, der bei der Wahl Heinrichs tatsächlich nicht anwesend war.
Kurfürstliche Länder innerhalb des Reiches um 1618.
  • Kurmainz
  • Kurtrier
  • Kurköln
  • Pfalzgrafschaft bei Rhein
  • Kurfürstentum Sachsen
  • Königreich Böhmen
  • Mark Brandenburg
  • Ein Kurfürst (lateinisch princeps elector imperii oder elector; frühneuhochdeutsch meist Churfürst) war einer der ursprünglich sieben ranghöchsten Fürsten des Heiligen Römischen Reiches, denen seit dem 13. Jahrhundert die Kurwürde und damit das alleinige Recht zur Wahl des römisch-deutschen Königs zustand, mit dessen Herrschaft seit dem 10. Jahrhundert der Anspruch auf das Kaisertum verbunden war.

    Seit dem Dreißigjährigen Krieg schwankte die Zahl der Kurfürsten. Effektiv nahmen nie mehr als neun Fürsten an einer Kaiserwahl teil. Die Thronfolger der weltlichen Mitglieder des Kurkollegiums wurden als Kurprinzen bezeichnet. Das Wort Kurfürst ist eine Zusammensetzung mit mittelhochdeutsch kure ‚Wahl‘ (Nomen actionis zu kiesen ‚wählen‘), von dem wiederum das Verb küren abgeleitet ist.

    Zusammensetzung

    [Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Im Mittelalter gehörten dem Kurfürstenkollegium sieben Reichsfürsten an. Ihre Zahl stieg in der frühen Neuzeit auf neun an, ging dann wieder auf acht zurück und betrug am Ende des Alten Reichs zehn. Jedem Kurfürsten war eines der Reichserzämter zugeordnet. Zum ursprünglichen Kollegium gehörten:

    drei geistliche Fürstbischöfe:

    sowie vier weltliche Fürsten:

    Im 17. Jahrhundert erlangten zwei weitere Reichsfürsten die Kurwürde:

    Beim Männleinlaufen über dem Hauptportal der Frauenkirche in Nürnberg umrunden die sieben Kurfürsten jeden Tag um 12 Uhr dreimal den sitzenden Kaiser.
    Sandsteinreliefs der sieben Kurfürsten und des deutschen Königs in Mainz (Originale: Frühes 14. Jahrhundert, Landesmuseum Mainz)

    Nachdem Bayern 1777 durch Erbschaft an den Pfalzgrafen bei Rhein gefallen war, erlosch die pfälzische Kurwürde, während die bayerische weiter bestehen blieb. Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 hob die beiden geistlichen Kuren von Köln und Trier auf, der Kurerzkanzler erhielt als Ersatz für das an Frankreich verlorene Mainz das neu geschaffene Fürstentum Regensburg. Vier Reichsfürsten erhielten dagegen die Kurwürde neu. Dies waren:

    Nachdem das Herzogtum Salzburg im Frieden von Pressburg 1805 an das Kaisertum Österreich gefallen war und der Herzog von Salzburg für diesen Verlust mit dem neu geschaffenen Großherzogtum Würzburg entschädigt wurde, ging auch die mit Salzburg verbundene Kurwürde auf das neu geschaffene Großherzogtum über. Alle Veränderungen seit 1803 wurden jedoch schon 1806 mit der Auflösung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation gegenstandslos. An einer Kaiserwahl konnte keiner dieser neuen Kurfürsten je teilnehmen.

    Geschichte des Kurfürstenkollegiums

    [Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Von den Ursprüngen bis zur Doppelwahl 1198

    [Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Die Tradition der freien Königswahl im Ostfrankenreich, dem späteren Heiligen Römischen Reich, begann 911, als der letzte König aus der Dynastie der Karolinger gestorben war. Damals bestimmten die Reichsfürsten, die sogenannten Großen des Reiches, nicht den nach Erbrecht legitimierten karolingischen Herrscher des Westfrankenreichs zum Nachfolger, sondern mit Konrad I. einen der ihren. Dies war zu diesem Zeitpunkt nicht außergewöhnlich, denn auch im Westfrankenreich wurde der König seit 888 von den Großen gewählt. War dieser stark, konnte er aber meist schon zu Lebzeiten die Wahl seines Sohnes zum Nachfolger durchsetzen. Da die seit 987 regierenden Könige aus der Dynastie der Kapetinger über Jahrhunderte Söhne als Nachfolger hinterließen, entwickelte sich das Königreich Frankreich schließlich zu einer Erbmonarchie. Im Ostfrankenreich dagegen kam es immer wieder zu Dynastiewechseln, da viele Könige keinen direkten männlichen Erben hinterließen. 1002, 1024, 1125, 1137 und 1152 wurden Könige gewählt, die zwar meist eng mit ihren jeweiligen Vorgängern verwandt, aber nicht deren Söhne waren. Schon 1002 traten neben Herzog Heinrich von Bayern aus dem Hause der Liudolfinger weitere Mitbewerber auf, die ähnliche verwandtschaftliche Bindungen mit dessen Vorgänger Otto III. aufwiesen. Nach 1024 schien sich die Dynastie der Salier mit vier aufeinanderfolgenden Königen als einzig erbberechtigte zu etablieren, bis auch sie 1125 im Mannesstamm erlosch. In der anschließenden Königserhebung Lothars von Supplinburg setzte sich erstmals das reine Wahlrecht durch. Bei Lothars Tod 1138 war sein Schwiegersohn Heinrich der Stolze sein nach Erbrecht nächster Verwandter. Doch statt auf ihn fiel die Wahl auf den Staufer Konrad III. Auch 1152 wurde nicht der Sohn Konrads, sondern sein Neffe Friedrich Barbarossa gewählt. So wurde mit jeder Kur die Tradition der freien Wahl gestärkt und die erbrechtlichen Traditionsstränge geschwächt.

    Zur Teilnahme an der Königswahl waren ursprünglich, also seit 911, alle Reichsfürsten berechtigt, die Großen des Reiches. Zwar war nicht genau festgelegt, wer zu diesem Kreis gehörte, es gab aber seit jeher eine kleine Anzahl von Vorwählern (laudatores), denen eine Vorentscheidung zustand. Zu diesen gehörten nicht notwendigerweise die mächtigsten, sondern die vornehmsten Fürsten des Reichs, die an Rang und Würde dem König am nächsten kamen. Zu ihnen gehörten die drei Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie der Pfalzgraf bei Rhein, weil ihre Territorien auf altem fränkischem Stammesboden lagen. Eine Wahl war nur dann rechtmäßig, wenn auch die Vorwähler ihr zugestimmt hatten. Wahrscheinlich entwickelte sich das spätere Kurfürstenkollegium aus dieser Gruppe von Vorwählern.

    Allmähliche Herausbildung des Kurfürstenkollegiums

    [Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
    Die Königswahl in der Darstellung des Sachsenspiegels. Oben: Die drei geistlichen Fürsten zeigen auf den König. Mitte: Der Pfalzgraf bei Rhein überreicht als Truchsess eine goldene Schüssel, dahinter der Herzog von Sachsen mit dem Marschallsstab und der Markgraf von Brandenburg, der als Kämmerer eine Schüssel mit warmem Wasser bringt. Unten: der neue König vor den Großen des Reiches (Heidelberger Sachsenspiegel, um 1300)

    Mit dem Tod Kaiser Heinrichs VI. (1165–1197) scheiterte auch dessen Erbreichsplan, der letzte Versuch, das Reich in eine erbliche Monarchie umzuwandeln. Im daraufhin ausbrechenden Deutschen Thronstreit zwischen Staufern und Welfen kam es 1198 zur Doppelwahl zweier Thronkandidaten. Der staufische Kandidat Philipp von Schwaben konnte sich dabei auf die größere Zahl von Wählern berufen. Gegen ihn stand der Kölner Erzbischof Adolf von Altena, der unbedingt seinen Kandidaten Otto von Braunschweig durchsetzen wollte. Der zunächst unterlegene Otto bat Papst Innozenz III. um einen Schiedsspruch. Da seit der Kaiserkrönung Ottos des Großen 962 das deutsche Königtum mit der römischen Kaiserwürde verbunden war, hatten die Päpste stets ein hohes Interesse an einem Mitwirkungsrecht an der deutschen Königswahl. Doch solange der Ausgang des Konflikts offen war, hielt sich der Papst zurück, um nicht auf der Seite des Verlierers zu stehen.

    Um seiner Entscheidung mehr Gewicht zu verleihen, soll nach neueren Forschungen eine welfische Fürstengruppe um Erzbischof Adolf von Köln vorgeschlagen haben, dass zwei geistliche und zwei weltliche Fürsten – die Erzbischöfe von Köln und Mainz sowie der Pfalzgraf bei Rhein und der Herzog von Sachsen – analog zu einem paritätisch besetzten Schiedsgremium – den entscheidenden Wahlausschuss bilden sollten. Zu diesen vier seien dann zu Beginn des 13. Jahrhunderts jeweils ein weiterer geistlicher und ein weltlicher Fürst getreten: der Erzbischof von Trier und der Markgraf von Brandenburg. Nach älterer Forschungsmeinung soll Innozenz III. die Auffassung vertreten haben, für eine rechtmäßige Wahl sei die Zustimmung der drei rheinischen Erzbischöfe und des Pfalzgrafen bei Rhein unerlässlich, die zu Beginn des 13. Jahrhunderts um den Herzog von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg erweitert worden seien.

    Um 1230 stellte der Sachsenspiegel des Eike von Repgow fest: „Bei des Kaisers Kur soll der erste sein der Bischof von Mainz, der zweite der von Trier, der dritte der von Köln.“[1] Dann folgen die drei weltlichen Fürsten. Dem König von Böhmen spricht das Werk das Wahlrecht noch ausdrücklich ab, „weil er kein Deutscher ist“. Neuere Theorien gehen davon aus, dass er erst ab 1252 zu den Königswählern gezählt wurde, als das Kurkollegium sich als alleinige Wahlinstanz durchgesetzt hatte und Pattsituationen vermieden werden sollten.

    Erstmals trat das Kurkollegium 1257, nach dem Tod König Wilhelms von Holland, als exklusive Institution in Erscheinung, die alle übrigen Reichsfürsten von der Wahl ausschloss. In einer Doppelwahl bestimmte es Alfons von Kastilien und Richard von Cornwall zu Wilhelms Nachfolger. Jeder Kandidat erhielt jeweils drei Stimmen. Ottokar II., König von Böhmen, gab beiden seine Stimme. Keiner der beiden Gewählten konnte seine Herrschaftsrechte je faktisch ausüben, so dass das Interregnum bis zur Wahl Rudolfs von Habsburg im Jahr 1273 andauerte. Die Zeit des Interregnums stärkte die Position der Kurfürsten erheblich, was sich vor allem im 14. Jahrhundert zeigen sollte. An der Wahl Rudolfs I. hatte auch der König von Böhmen wieder teilgenommen. Seine dauernde Zugehörigkeit zum Kollegium konnte er aber erst 1289 durchsetzen. Vom 15. bis ins späte 17. Jahrhundert nahm der König von Böhmen allerdings nur an Königswahlen, nicht an anderen Beratungen der Kurfürsten teil.

    Mit der Wahl von 1308, in der alle sechs anwesenden Kurfürsten Heinrich von Luxemburg zum römisch-deutschen König bestimmten, wurde das neue Selbstverständnis des Kurkollegiums sichtbar. Zusammen mit dem neuen König gab es seine Entscheidung Papst Clemens V. nur noch bekannt, ohne um die päpstliche Approbation zu bitten. Damit machte es deutlich, dass seine Entscheidung für eine gültige Königswahl ausreichte und dass diese keiner zusätzlichen Bestätigung mehr bedurfte. Die Wahl machte zudem deutlich, dass die Kurfürsten nach den Erfahrungen mit Adolf von Nassau und Albrecht I., die beide eine teils gegen die Kurfürsten gerichtete Hausmachtpolitik betrieben hatten, strikt auf die Wahrung ihrer Rechte achteten und vom neuen König verlangten, diese zu respektieren. Der Handlungsspielraum des Königtums wurde dadurch erheblich eingeschränkt, auch wenn Heinrich VII. seine Macht etwa dadurch zu stärken suchte, dass er sich Böhmen als Hausmacht sicherte und in Italien die Erneuerung des Kaisertums anstrebte.

    Kurverein zu Rhense 1338

    [Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
    Der König im Kreis der sieben Kurfürsten, gotischer Türzieher am Lübecker Rathaus

    1338 schlossen sich die Kurfürsten im Kurverein zu Rhense enger zusammen, um sich künftig vor Königswahlen miteinander abzustimmen. Aus dem Kurverein ging später der Kurfürstenrat des Reichstags hervor. Zudem bestimmten die Kurfürsten in Rhens, dass dem Papst kein Approbationsrecht zustehe und dass der von ihnen zum König Gewählte nicht dessen Zustimmung benötige. In dem von der älteren Forschung so genannten Rhenser Weistum vom 16. Juli 1338 heißt es:

    „Nach Recht und seit alters bewährter Gewohnheit des Reiches bedarf einer, der von den Kurfürsten des Reiches oder, selbst bei Unstimmigkeit, von der Mehrheit derselben zum römischen König gewählt ist, keiner Nomination, Approbation, Konfirmation, Zustimmung oder Autorität des apostolischen Stuhles für die Verwaltung der Güter und Rechte des Reiches oder für die Annahme des Königstitels.“

    Zum Abschluss kam diese Entwicklung 1508, als sich Maximilian I. mit Zustimmung des Papstes, aber ohne eigens von ihm gekrönt worden zu sein, „Erwählter Römischer Kaiser“ nannte. Der Titel „Römischer König“, den die Herrscher des Reiches seit 1125 zwischen ihrer Wahl zum König und ihrer Krönung zum Kaiser getragen hatten, blieb von da an dem zu Lebzeiten eines Kaisers gewählten Nachfolger vorbehalten. Nach Karl V. erfolgte keine Kaiserkrönung durch den Papst mehr.

    Die Krönung der römisch-deutschen Könige erfolgte ursprünglich, von 936 bis 1531, in Aachen durch den Erzbischof von Köln. Von der Königswahl Maximilians II. 1562 bis zum Ende des alten Reiches fanden die Wahl und die Krönung üblicherweise in Frankfurt statt, zuletzt 1792. Bei der Krönung übten die Kurfürsten – später nur noch ihre Stellvertreter – die sogenannten Erzämter (archiofficia) aus, die fest mit der Kurwürde verbunden waren.

    Bestimmungen der Goldenen Bulle 1356

    [Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
    Trierer Exemplar der Goldenen Bulle mit dem Goldsiegel Karls IV.
    Ausschnitt aus einer Handschrift der Goldenen Bulle aus der Wenzelswerkstatt: links der Kaiser, damals zugleich König von Böhmen, mit sechs Kurfürsten, rechts der Kölner Kurfürst. (Entstanden im Auftrag König Wenzels, 1400, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 338).

    Seit dem Tod des Stauferkaisers Friedrichs II. waren die Kurfürsten vom dynastischen Prinzip, also von der Wahl eines Mitglieds der herrschenden Dynastie, zu sogenannten „springenden Wahlen“ übergegangen. Damit gehörte praktisch jeder Reichsfürst zu den möglichen Thronkandidaten. Die Kronprätendenten mussten sich die Wahl durch umfangreiche Zugeständnisse erkaufen, etwa mit der Verleihung von Privilegien an die Kurfürsten, die in Wahlkapitulationen genau festgehalten wurden. Darüber hinaus mussten die Kandidaten seit dem Ende des 12. Jahrhunderts zum Teil immense Geldzahlungen an die Kurfürsten leisten. All dies stärkte Macht und Unabhängigkeit der Landesfürsten im Reich auf Kosten der königlichen Zentralgewalt und hatte eine fortschreitende territoriale Zersplitterung Deutschlands zur Folge.

    Um Thronfolgefehden und die Aufstellung von Gegenkönigen künftig zu vermeiden, ließ Kaiser Karl IV. 1356 die genauen Rechte und Pflichten der Kurfürsten und das Verfahren der deutschen Königswahl, die sich bis dahin gewohnheitsrechtlich herausgebildet hatten, in der Goldenen Bulle endgültig rechtlich fixieren. Die Bulle erfüllte ihre befriedende Wirkung und bildete bis 1806 die Grundlage der Verfassungsordnung des alten Reichs.

    Sie bestimmte, dass der Erzbischof von Mainz als Erzkanzler für Deutschland binnen 30 Tagen nach dem Tod des letzten Königs die Kurfürsten in Frankfurt am Main zusammenzurufen habe. Bevor sie dort, im Kaiserdom St. Bartholomäus, zur Wahl eines Nachfolgers schritten, mussten sie schwören, ihre Entscheidung „ohne jede geheime Absprache, Belohnung oder Entgelt“ zu treffen. In den Wahlbestimmungen, die nach dem Vorbild des Konklaves zur Papstwahl gestaltet waren, hieß es weiter:

    „Wenn nun die Kurfürsten oder ihre Gesandten in vorerwähnter Form und Weise diesen Eid geleistet haben, sollen sie zur Wahl schreiten und fortan die ehgenannte Stadt Frankfurt nicht verlassen, bevor die Mehrzahl von ihnen der Welt oder Christenheit ein weltliches Oberhaupt gewählt hat, nämlich einen römischen König und künftigen Kaiser. Falls sie dies jedoch binnen dreißig Tagen, vom Tag der Eidesleistung an gerechnet, noch nicht getan haben, sollen sie von da an, nach Verlauf dieser dreißig Tage, forthin nur Brot und Wasser genießen und keinesfalls aus besagter Stadt weggehen, bevor sie oder die Mehrzahl von ihnen einen Herrscher oder ein weltliches Oberhaupt der Gläubigen gewählt haben, wie oben steht.“

    Die Stimmabgabe der Kurfürsten erfolgte nach deren Rang: Als erster stimmte der Erzbischof von Trier ab, als zweiter der Erzbischof von Köln, dem auch das Krönungsrecht zustand, solange Aachen, das in seiner Erzdiözese lag, die Krönungsstadt war. Als dritter folgte der König von Böhmen als gekrönter weltlicher Fürst, als vierter der Pfalzgraf bei Rhein, der während einer Thronvakanz oder bei Abwesenheit des Kaisers aus Deutschland als Reichsvikar amtierte, d. h. als Stellvertreter des Königs in allen Ländern, in denen fränkisches Recht galt. Zudem fungierte er bei Rechtsverstößen des Herrschers als Königsrichter. An fünfter Stelle folgte der Herzog von Sachsen als Reichsvikar für alle Länder sächsischen Rechts und an sechster der Markgraf von Brandenburg. Obwohl ranghöchster Kurfürst, stimmte der Erzbischof von Mainz als letzter ab, so dass sein Votum bei Stimmengleichheit den Ausschlag geben konnte.

    Wie schon der Kurverein von Rhense erklärte auch die Goldene Bulle, dass die Königswahl ohne Zustimmung des Papstes rechtsgültig sei. Die im Kurverein durchgesetzte Mehrheitsentscheidung anstelle der zuvor als notwendig erachteten Einstimmigkeit wurde erneut bestätigt.

    Die Goldene Bulle legte darüber hinaus eine jährliche Versammlung aller Kurfürsten fest, in der sie sich mit dem Kaiser beraten sollten. Weitere Bestimmungen betrafen die besonderen Privilegien und Regalien der Kurfürsten: Sie erhielten Immunität, das Münzrecht, das Zollrecht, das Judenregal sowie das Privilegium de non evocando und das Privilegium de non appellando. Das heißt: Weder durfte der Kaiser einen Rechtsstreit an sich ziehen, der unter die Jurisdiktion eines Kurfürsten fiel, noch konnten deren Untertanen gegen Urteile ihrer obersten Gerichte Berufung bei kaiserlichen Gerichten einlegen, auch nicht bei dem im 16. Jahrhundert geschaffenen Reichskammergericht und dem Reichshofrat. Ein Kurfürst wurde mit 18 Jahren großjährig, und Angriffe auf ihn galten als Majestätsverbrechen.

    Um eine Zersplitterung oder Vermehrung der Kurstimmen zu verhindern, wurden die Kurfürstentümer zu unteilbaren Territorien (Kurpräzipuum) erklärt. Im engeren Sinne versteht man unter dem Kurfürstentum an sich nur das Kurpräzipuum, also das Territorium, an das die Kurwürde gebunden war. Das heißt etwa, dass, wenn vom Kurfürstentum Sachsen die Rede war, dies eigentlich nur das kleine Herzogtum Sachsen-Wittenberg, den sogenannten Kurkreis, meint. Aufgrund der Bedeutung des Titels eines Kurfürsten wurde der Begriff Kurfürstentum stets auf das gesamte durch einen Kurfürsten regierte Gebiet ausgeweitet. So bestand das Kurfürstentum Sachsen ab dem 15. Jahrhundert im Wesentlichen aus der alten Markgrafschaft Meißen und landgräflich-thüringischen Gebieten sowie später der Lausitz, wobei das Kurpräzipuum, das eigentliche Kernkurfürstentum um Wittenberg, nur einen kleinen Teil des so genannten kursächsischen Territoriums, der Erblande, ausmachte. Die Begriffsbezeichnung Kurfürstentum wanderte also, dem wesentlich größeren Gebietsumfang südlich des Kurpräzipuums geschuldet, elbaufwärts. Genaugenommen ist der Träger der Kurwürde Kurfürst des Reiches und weiterhin Herzog, Markgraf oder Pfalzgraf in seinen Gebietskonglomeraten. Der kurfürstliche Titel erlaubte es den Kurfürsten jedoch, diesen geschickt zur staatsterritorialen Vereinheitlichung zu nutzen. So gelang es Kurfürsten bis Anfang des 18. Jahrhunderts, meist alle in ihrem Besitz stehende Territorien unter dem Mantel der Kurwürde in den Kurstaat zu integrieren und dadurch staatsrechtlich und administrativ zu vereinheitlichen.

    Die Unteilbarkeit begrenzte sich also de facto und de jure nur auf das Kurpräzipuum selbst, das heißt, dass sonstige Territorien, die zum Besitz des Kurfürsten gehörten, selbstverständlich weiterhin geteilt vererbt werden konnten. Dies veranschaulicht der Fall Kurfürst Johann Georgs I. von Sachsen, der teils erbländische, also bereits in den Gesamtkurstaat integrierte Territorien, teils staatsrechtlich noch stark selbständige Gebiete, etwa ehemals bischöflichen Besitz, aus dem Erbe des Kurprinzen herauslöste und seinen nachgeborenen Söhnen testamentarisch als Sekundogenituren zusprach. Der Kurkreis mit der Kurwürde und die große Mehrheit des restlichen Territorialbesitzes verblieben jedoch beim Erstgeborenen. Eine ähnliche Rechtssituation hatte 1485 zur Leipziger Teilung geführt, bei der de facto das Kurfürstentum geteilt wurde, nämlich bereits gut integrierte Gebiete wie der größte Teil der Markgrafschaft Meißen an den Zweitgeborenen Herzog Albrecht gelangten, während die mehrheitlich thüringischen Gebiete mit Kurkreis und Kurwürde an den Erstgeborenen Ernst gingen. Alleiniger Nachfolger eines weltlichen Kurfürsten im Kurpräzipuum konnte also immer nur dessen ältester ehelicher Sohn oder, falls er keinen legitimen männlichen Nachkommen hatte, sein nächster männlicher Agnat sein. Die Kurerben und Thronfolger eines weltlichen Kurfürsten wurden Kurprinzen genannt, die der geistlichen Kurfürsten waren noch zu Lebzeiten gewählte Koadjutoren, die jedoch noch der Bestätigung durch das Domkapitel bedurften. Während der Minderjährigkeit eines Kurfürsten regierte dessen nächster volljähriger männlicher Agnat, beispielsweise der Onkel des Kurfürsten, als Kuradministrator.

    Der zweite Teil der Bulle, das Metzer Gesetzbuch, behandelte insbesondere protokollarische Fragen, die Steuererhebung sowie die Strafen für Verschwörungen gegen Kurfürsten.

    Kurfürsten in der frühen Neuzeit

    [Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
    Darstellung der „siben churfürsten“ (Schedelsche Weltchronik 1493)
    Der Kaiser mit sieben Kurfürsten (Abbildung im Erstdruck der Constitutio Criminalis Carolina 1533)
    Der Kaiser und die acht Kurfürsten (Kupferstich von Abraham Aubry, Nürnberg 1663/64)
    Ort der Kaiserwahl, die Wahlkapelle im Frankfurter Dom

    In der Frühen Neuzeit hatten zwischen 1500 und 1806 insgesamt 131 Personen die Kurfürstenwürde inne.[2]

    Politische Rolle

    [Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Die Kurfürsten konnten trotz Anfeindungen anderer Reichsfürsten bis zum Ende der frühen Neuzeit das exklusive Recht der Königswahl sowie die Formulierung der Wahlkapitulationen bewahren. Wollten die Kaiser nicht die Chance der Königswahl ihrer Nachfolger aufs Spiel setzen, waren sie auf ein gutes Verhältnis zu den Kurfürsten angewiesen. Dies bestimmte im 16. und 17. Jahrhundert zumeist das kaiserliche Verhalten. Da in einer Zeit ohne dauernden Reichstag die politische Abstimmung zwischen Kaiser und Reichsständen nur schwierig möglich war, berieten sich die Reichsoberhäupter mit den Kurfürsten, wenn sie nicht den Anschein eines allzu selbstherrlichen Handelns erwecken wollten. Dieser Linie folgten etwa Ferdinand I. oder Maximilian II. Dagegen war die Rücksprache zur Zeit Karls V. oder Rudolfs II. deutlich geringer ausgeprägt. Als wichtigste Partner der Kaiser in der Reichspolitik wurden die Kurfürsten auch als „innerste Räte“ bezeichnet. Das Kurkolleg galt als „cardo imperii“, als Scharnier zwischen Kaiser und Reichsständen. Dabei spielten die Kurfürstentage eine wichtige Rolle.[3]

    Der Zusammenschluss der Kurfürsten in dem 1558 erneuerten Kurverein forderte ein starkes reichspolitisches Engagement und ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein für das Reichsganze. Auch wenn es keine Pflicht war, ließen sich die meisten Kurfürsten auf die Prinzipien des Kurvereins vereidigen. Der Kurverein diente dabei auch als Instanz zur Verteidigung der kurfürstlichen Standesinteressen und zur Bewahrung der besonderen Vorrechte.

    Die Machtposition der Kurfürsten wurde bereits durch deren Zeitgenossen kritisiert. Insbesondere Gottfried Wilhelm Leibniz sah im Kurfürstenkollegium eine übermächtige Oligarchie. Allerdings schwankte die Bedeutung der Kurfürsten im Verlauf der frühen Neuzeit deutlich. Bis 1630 hing ihre politische Rolle stark von der Bereitschaft der jeweiligen Kaiser ab, die Kurfürsten in die Reichspolitik einzubinden oder eben nicht.[4]

    Die religiöse Spaltung im Zeitalter der Konfessionalisierung am Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts führte zu einer tiefen Krise des Kurfürstenkollegs. Zunehmend spielten die unterschiedlichen konfessionspolitischen Interessen eine wichtigere Rolle als die gemeinsame Sorge um das Reich. Insbesondere die rheinischen geistlichen Kurfürsten agierten als Block zur Wahrung der katholischen Interessen. Dies änderte sich während des Dreißigjährigen Krieges teilweise wieder. Die Kurfürsten und die Kurfürstentage übernahmen teilweise Funktionen des lahmgelegten Reichstags und wandten sich gegen die zeitweilig erstarkende kaiserliche Macht. Als die Kurfürsten jedoch 1636 eigenmächtig eine Reichssteuer ausschrieben, führte dies zum Widerstand der anderen großen Reichsstände. Auch propagandistisch wurde die Auseinandersetzung zwischen Kurfürsten und Reichsfürsten über fast ein halbes Jahrhundert ausgetragen. Spätestens in den 1680er Jahren waren die Kurfürsten mit dem Anspruch auf eine politische Vorreiterrolle faktisch gescheitert, büßten ihre zeremoniellen Vorrechte aber nicht ein. Kennzeichnend war, dass nach 1640 Kurfürstentage nur noch anlässlich der Königswahlen stattfanden.[5]

    Veränderung des Kurfürstenkollegiums

    [Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Zur ersten Erweiterung des Kurfürstenkollegiums kam es im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges. Herzog Maximilian I. von Bayern verlangte für die Hilfe, die er Kaiser Ferdinand II. bei der Vertreibung des sogenannten Winterkönigs, des pfälzischen Kurfürsten Friedrich V., aus Böhmen geleistet hatte, die Kurwürde seines wittelsbachischen Vetters. Mit der Oberpfalz wurde dem Herzog die pfälzische, die vierte Kur übertragen – 1623 zunächst nur ihm persönlich, 1628 auch für seine Nachkommen. Der Streit um die pfälzische Kur (Causa palatina) spielte eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen des Westfälischen Friedens. Beigelegt wurde er schließlich 1648 durch die Neueinrichtung einer achten Kurwürde für die Pfalzgrafen. Eine neunte Kur für Österreich konnten die Habsburger dagegen ebenso wenig durchsetzen wie das votum decisivum, die bei Stimmengleichheit im Kurfürstenkollegium entscheidende Stimme für Böhmen.

    Erfolg im Streben nach einer neunten Kur hatte dagegen 1692 Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg. Er hatte die Titelerhöhung von Kaiser Leopold I. als Ausgleich für seine Waffenhilfe im Pfälzischen Erbfolgekrieg gegen Frankreich verlangt. Dabei spielte auch eine Rolle, dass nach dem Übergang der Kurpfalz an eine katholische Linie des Hauses Wittelsbach das evangelische Element im Kurfürstenkollegium gestärkt werden sollte. Als der Kaiser dem Herzog eigenmächtig die Kurwürde für dessen Teilfürstentum Calenberg verlieh, protestierten die übrigen, meist katholischen Kurfürsten. Dadurch gelang es Leopold I., als konfessionelle Kompensation die Readmission (Wiederzulassung) seiner eigenen, böhmischen Kurstimme durchzusetzen. So konnten die Habsburger als Könige von Böhmen fortan wieder an allen kurfürstlichen Beratungen teilnehmen, was ihnen ab dem späten 15. Jahrhundert außer bei Königswahlen verwehrt gewesen war. Der Reichstag stimmte 1708 beidem zu, der Reaktivierung der böhmischen und der Zulassung der neuen Kurwürde der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg.

    Da die Kurfürsten von Hannover, wie sie inoffiziell genannt wurden, mit Georg I. 1714 auf den britischen Thron gelangten und ab da beide Ämter in Personalunion ausübten, hatten die Könige von England von da an ein Mitspracherecht bei der deutschen Königswahl.

    Als die bayerischen Wittelsbacher 1777 im Mannesstamm ausstarben, fiel deren vierte Kurwürde gemäß den Bestimmungen des Westfälischen Friedens 1648 sowie der Wittelsbachischen Hausverträge von 1329 (Vertrag von Pavia), 1724 (Wittelsbacher Hausunion), 1776, 1771 und 1774 an ihre Erben, die gleichfalls wittelsbachischen (nun aber katholischen) Pfalzgrafen bei Rhein. Deren eigene, pfälzische Kurwürde wiederum, die achte Kur, erlosch.[6] Dies wurde mit dem Frieden von Teschen 1779 vollzogen.

    Ende des Kurfürstenamts

    [Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Während der Napoleonischen Kriege annektierte Frankreich das gesamte linke Rheinufer und damit weite Gebiete der vier rheinischen Kurfürsten. Im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurden daraufhin die geistlichen Kuren von Trier und Köln aufgehoben und die Mainzer Kurwürde auf das Fürstentum Regensburg-Aschaffenburg übertragen. Für das in ein weltliches Herzogtum Salzburg umgewandelte Erzstift Salzburg, für Württemberg, die Markgrafschaft Baden und die Landgrafschaft Hessen-Kassel wurden vier neue Kuren eingerichtet, so dass deren Zahl nunmehr auf zehn stieg. Im Kurkollegium, in dem bis dahin immer katholische Fürsten die Mehrheit gestellt hatten, herrschte nun erstmals konfessionelle Parität: Fünf Protestanten, den Kurfürsten von Brandenburg, Hannover, Württemberg, Baden und Hessen-Kassel, standen ebenso viele Katholiken gegenüber: die Kurfürsten von Sachsen, Pfalz-Bayern, Böhmen und Salzburg sowie der Kurerzkanzler mit Regensburg-Aschaffenburg.

    Schon zwei Jahre nach dieser Neuregelung, im Frieden von Preßburg, fiel das Herzogtum Salzburg, das als habsburgische Sekundogenitur von Kurfürst Ferdinand regiert wurde, an das Kaisertum Österreich. Um Ferdinand zu entschädigen, wurde für ihn noch am 26. Dezember 1805 das Großherzogtum Würzburg geschaffen, auf das auch die Salzburger Kurwürde überging.[7] Auswirkungen auf die Reichspolitik hatten alle diese Neuregelungen jedoch nicht mehr, da keiner der neuen Kurfürsten mehr an einer Kaiserwahl teilnehmen konnte. 1806 legte Kaiser Franz II. als Reaktion auf die Bildung des Rheinbundes die Krone des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation nieder, das damit aufhörte zu bestehen. Damit verlor auch das Kurfürstenamt seine Funktion.

    Kurfürstentum Hessen-Kassel

    [Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft, auf dem Wiener Kongress, strebte Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel, der 1803 die Kurwürde erhalten hatte, den Titel „König der Chatten“ an. Die Bezeichnung stützte sich auf den germanischen Stammesnamen der Hessen. Trotz erheblicher Bestechungsgelder gelang es ihm nicht, diesen Anspruch durchzusetzen. Er durfte allerdings den Titel „Kurfürst“ behalten, mit dem persönlichen Prädikat „königliche Hoheit“. Danach wurde die Bezeichnung „Kurfürstentum Hessen“ (umgangssprachlich auch kurz: „Kurhessen“) weithin gebräuchlich, zur Unterscheidung von der durch Napoleon zum Großherzogtum Hessen erhobenen vormaligen Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. Im weiteren Sinne bezeichnete Kurhessen bzw. Kurfürstentum Hessen die Gesamtheit der von dem Kurfürsten regierten Territorien, die dann erst mit der Verwaltungsreform von 1821 unter einheitliche Verwaltung gestellt wurden. Das Kurfürstentum Hessen wurde nach seiner Niederlage im Krieg von 1866 von Preußen annektiert und ging damit unter. Gleichwohl überlebte die Bezeichnung in einigen Namen, etwa dem der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.

    Kurfürstenornat

    [Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Der Kurfürstenornat bestand aus dem Kurmantel, einem breiten, mantelartigen Rock mit breiten Ärmeln oder Armschlitzen, ganz mit Hermelinfell – einem Symbol königlicher Würde – ausgeschlagen. Dazu kamen ein breiter Hermelinkragen, violette Handschuhe und der Kurhut, eine Samtmütze mit Hermelinumrandung. Der Ärmelrock und der runde Kurhut der weltlichen Kurfürsten waren aus dunkelkarmesinfarbigem Samt gefertigt, der Armschlitzrock und die viereckige Mütze der geistlichen Fürsten aus dunkelscharlachfarbigem Tuch. Zu den Insignien gehörte des Weiteren ein Kurschwert.

    Die Darstellung des Kurfürsten im Kurfürstenornat auf zeitgenössischen Münzen des gewöhnlichen Zahlungsverkehrs ist im Münzbild des Erbländischen Talers dargestellt.

    • Winfried Becker: Der Kurfürstenrat. Grundzüge seiner Entwicklung in der Reichsverfassung und seine Stellung auf dem Westfälischen Friedenskongress. Aschendorff, Münster 1973.
    • Alexander Begert: Die Entstehung und Entwicklung des Kurkollegs. Von den Anfängen bis zum frühen 15. Jahrhundert. Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-13222-5 (Schriften zur Verfassungsgeschichte 81).
    • Alexander Begert: Böhmen, die böhmische Kur und das Reich vom Hochmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches. Studien zur Kurwürde und zur staatsrechtlichen Stellung Böhmens. Matthiesen, Husum 2003, ISBN 3-7868-1475-9 (Historische Studien 475).
    • Hans Boldt: Deutsche Verfassungsgeschichte. Band 1: Von den Anfängen bis zum Ende des älteren deutschen Reichs 1806. 2., durchgesehen und aktualisierte Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1990, ISBN 3-432-04424-1.
    • Arno Buschmann (Hrsg.): Kaiser und Reich. Klassische Texte und Dokumente zur Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. 2 Bände. 2. ergänzte Auflage. Nomos-Verlags-Gesellschaft, München 1994.
    • Franz-Reiner Erkens: Kurfürsten und Königswahl. Zu neuen Theorien über den Königswahlparagraphen im Sachsenspiegel und die Entstehung des Kurfürstenkollegiums. Hahn, Hannover 2002, ISBN 3-7752-5730-6 (Studien und Texte / Monumenta Germaniae Historica, 30).
    • Axel Gotthard: Säulen des Reiches. Die Kurfürsten im frühneuzeitlichen Reichsverband. Matthiesen, Husum 1998, ISBN 3-7868-1457-0.
    • Klaus-Frédéric Johannes: Bemerkungen zur Goldenen Bulle Kaiser Karls IV. und der Praxis der Königswahl 1356–1410. In: FS Jürgen Keddigkeit, 2012, S. 105–120.
    • Klaus-Frédéric Johannes: Die Goldene Bulle und die Praxis der Königswahl 1356–1410. In: Archiv für mittelalterliche Philosophie und Kultur. Bd. 14 (2008), S. 179–199.
    • Martin Lenz: Konsens und Dissens. Deutsche Königswahl (1273–1349) und zeitgenössische Geschichtsschreibung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-35424-X (Formen der Erinnerung 5; Rezension).
    • Hans K. Schulze: Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter. Band 3: Kaiser und Reich. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 1998, ISBN 3-17-013053-6.
    • Hans K. Schulze: Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter. Band 4: Das Königtum. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2011.
    • Armin Wolf: Die Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198–1298. Zur 700jährigen Wiederkehr der ersten Vereinigung der sieben Kurfürsten. 2. bearbeitete Auflage. Schulz-Kirchner, Idstein 2000, ISBN 3-8248-0031-4 (Historisches Seminar N.F. 11).
    • Armin Wolf (Hrsg.): Königliche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten. Klostermann, Frankfurt am Main 2002, ISBN 978-3-465-03200-7 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 152).
    Commons: Kurfürsten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
    Wiktionary: Kurfürst – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
    1. Mirror of the Saxons. In: World Digital Library. Abgerufen am 13. August 2013.
    2. Helmut Neuhaus: Das Reich in der Frühen Neuzeit (= Enzyklopädie deutscher Geschichte. Band 42). 2. Auflage. Oldenbourg, München 2003, S. 23.
    3. Axel Gotthard: Das Alte Reich 1495–1806. Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-23039-6, S. 13 f.
    4. Axel Gotthard: Das Alte Reich 1495–1806. Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-23039-6, S. 15.
    5. Axel Gotthard: Das Alte Reich 1495–1806. Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-23039-6, S. 15 f., 24 f., 72 f.
    6. In Artikel III des Vertrags von Osnabrück wurde festgelegt: Falls sich aber zutrüge / daß die Wilhelmische Mannliche Lini außsturbe / vnd die Pfältzische vberbliebe / alßdann soll nicht allein die Ober-Pfaltz / sondern auch die Chur-Dignitet, welche die Hertzogen in Bäyern gehabt / an die noch lebende Pfaltzgraffen / so entzwischen mit belehnet seyn / heimbfallen / vnd die Achte Chur-Stelle gäntzlich erlöschen. Also aber soll die Ober-Pfaltz / vff diesen begebenden Fall an die [18] noch lebende Pfaltzgraffen gelangen / daß dennoch denen eygenthumblichen Erben deß Herrn Churfürsten in Bäyern jhrige Ansprüche / vnd Beneficia, so jhnen von Rechtswegen gebühren / vorbehalten seyen. Die Regelung findet sich inhaltsgleich auch im Vertrag von Münster
    7. Helmut Neuhaus: Das Reich in der Frühen Neuzeit (= Enzyklopädie deutscher Geschichte. Band 42). 2. Auflage. Oldenbourg, München 2003, S. 23; Dieter Schäfer: Vor 200 Jahren: Die „Toskanazeit“ beginnt. Würzburg wird das letzte Kurfürstentum des Heiligen Römischen Reiches. In: Andreas Mettenleiter (Hrsg.): Tempora mutantur et nos? Festschrift für Walter M. Brod zum 95. Geburtstag. Mit Beiträgen von Freunden, Weggefährten und Zeitgenossen (= Aus Würzburgs Stadt- und Universitätsgeschichte. Band 2). Akamedon, Pfaffenhofen 2007, ISBN 3-940072-01-X, S. 195–199.