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„Hans Urs von Balthasar“ – Versionsunterschied

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'''Hans Urs von [[Balthasar]]''' (* [[12. August]] [[1905]] in [[Luzern]]; † [[26. Juni]] [[1988]] in [[Basel]]) war ein Schweizer [[Theologe]]. Er zählt zu den bedeutendsten katholischen Theologen des [[20. Jahrhundert]]s.
[[Datei:HUvB-microphone.jpg|mini|Hans Urs von Balthasar]]
Von Balthasar zählt auch zu den wichtigsten Vorläufern des [[Zweites Vatikanisches Konzil|Zweiten Vatikanischen Konzils]], zu dem er "als einziger unter den großen mitteleuropäischen Theologen" (Guerriero, S. 11) nicht als Berater eingeladen wurde. Papst [[Paul VI.]] berief ihn jedoch später in die Internationale Theologenkommission.
'''Hans Urs von Balthasar''' (* [[12. August]] [[1905]] in [[Luzern]]; † [[26. Juni]] [[1988]] in [[Basel]]) war ein Schweizer römisch-katholischer [[Priester (Christentum)|Priester]], [[Katholische Theologie|Theologe]] und [[Kulturphilosoph]]. Er starb zwei Tage vor seiner durch [[Papst]] [[Johannes Paul&nbsp;II.]] geplanten Aufnahme in das [[Kardinalskollegium]].


Obwohl nie im wissenschaftlichen Betrieb einer Universität tätig, wird er zu den bedeutenden katholisch-theologischen Autoren des 20.&nbsp;Jahrhunderts gerechnet. Balthasar zählt auch zu den Vorbereitern des [[Zweites Vatikanisches Konzil|Zweiten Vatikanischen Konzils]]. Später wurde er in die nach dem Konzil gegründete [[Internationale Theologenkommission]] berufen.
Seine Theologie war geprägt durch die Begegnungen mit [[Jesuit|jesuitischen]] [[Philosoph]]en und [[Theologe]]n wie [[Erich Przywara]], [[Jean Daniélou]] und [[Henri de Lubac]], den er auch ins Deutsche übertrug.


Seine Theologie war geprägt durch die Begegnungen mit [[jesuit]]ischen [[Philosoph]]en und [[Theologe]]n. Durch seine Veröffentlichungen erschloss er das [[Patristik|patristische]] Erbe neu für die [[Theologie]] und den christlichen Glauben.
Durch seine Vortragstätigkeit und in seinen zahlreichen Veröffentlichungen erschloss er insbesondere das [[Patristik|patristische]] Erbe neu für die [[Theologie]] und den christlichen Glauben. Aufgrund seiner Verdienste wurde er von [[Papst]] [[Johannes Paul II.]] zum [[Kardinal]] ernannt, er starb jedoch zwei Tage vor der Übergabe des [[Barett (Kirche)|Kardinalsbiretts]]. Er wurde bei der Hofkirche in Luzern ohne Zeitfrist begraben.


== Leben ==
== Leben und Wirken ==
Hans Urs von Balthasar studierte ab 1923 in [[Zürich]], [[Berlin]] und [[Wien]] [[Germanistik]] und [[Philosophie]]. Im Jahr 1928 promovierte er in Zürich mit ''Geschichte des eschatologischen Problems in der modernen deutschen Literatur''. Am 31. Oktober 1929 trat er ins Noviziat der [[Gesellschaft Jesu]] in [[Feldkirch]] ein. Nach dem [[Noviziat]] war er von 1931 bis 1932 in [[Pullach]] tätig. Von 1932 bis 1936 studierte er in [[Lyon]]-Fourvière [[Katholische Theologie|Theologie]]. Das Tertiat schloss er in Pullach an seine [[Priesterweihe]] in München 1936 an. Von 1937 bis 1939 war er [[Redakteur]] bei der Ordenszeitschrift [[Stimmen der Zeit]]. Von Balthasar war ab 1940 in Basel Studenten- und Akademikerseelsorger.
Hans Urs von Balthasar entstammte einer alten [[Patriziat (Luzern)|Luzerner Patrizierfamilie]]. Er besuchte die [[Stiftsschule Engelberg|Benediktiner-Stiftsschule]] [[Engelberg]] und das Jesuitenkolleg [[Stella Matutina (Jesuitenkolleg)|Stella Matutina]] in [[Feldkirch]] und studierte ab 1923 in [[Zürich]], [[Berlin]] und [[Wien]] [[Germanistik]] und [[Philosophie]]. 1928 wurde er in Zürich mit der Arbeit ''Geschichte des eschatologischen Problems in der modernen deutschen Literatur'' zum Dr. phil. promoviert. Am 31. Oktober 1929 trat er ins Noviziat der [[Gesellschaft Jesu]] in Feldkirch ein. Nach dem [[Noviziat]] folgte von 1931 bis 1932 ein Philosophiestudium im [[Berchmanskolleg]] bei [[Pullach im Isartal|Pullach]], wo er [[Erich Przywara]] begegnete. Dieser führte ihn in sein religionsphilosophisches Konzept der «[[Analogia entis]]» ein, das fortan für Balthasars Werk eine massgebende Rolle spielte.


Von 1933 bis 1937 studierte er in [[Lyon]]-Fourvière [[Katholische Theologie|Theologie]]. Er entwickelte dort eine lebenslange Freundschaft zu [[Henri de Lubac]] und stand der Bewegung der [[Nouvelle Théologie]] nahe. 1936 empfing von Balthasar in München durch Kardinal Faulhaber die [[Priesterweihe]]. Es folgte ein zweijähriges Zwischenspiel in München, wo er sein [[Tertiat]] begann und von 1937 bis 1939 als [[Redakteur]] bei der Ordenszeitschrift ''[[Stimmen der Zeit]]'' mitarbeitete.
Zusammen mit [[Adrienne von Speyr]] gründete am 8. Dezember 1944 das [[Säkularinstitut]] der [[Johannesgemeinschaft (Säkularinstitut)|Johannesgemeinschaft]]. In [[Zürich]] und [[Basel]] war er danach als [[Schriftsteller]] und [[Verleger|Verlagsleiter]] des [[Johannesverlag]]s [[Einsiedeln]] tätig. 1950 trat er aus dem Jesuitenorden aus, weil er nicht für die Aufgaben des von ihm gegründeten Instituts freigestellt worden war. Der Konflikt mit dem Orden ließ Balthasar in den 1950er Jahren als theologischen Außenseiter erscheinen.


Ab 1940 war er in Basel Studenten- und Akademikerseelsorger. Er begegnete dort [[Karl Barth]] und [[Adrienne von Speyr]]. Balthasar begleitete Adrienne von Speyr bei ihrer Konversion zur katholischen Kirche. Es ergaben sich ungezählte Gespräche, die bis zu ihrem Tod 1967 nicht abbrachen. Zusammen mit Adrienne von Speyr gründete er am 8. Dezember 1944 das [[Säkularinstitut]] der [[Johannesgemeinschaft (Säkularinstitut)|Johannesgemeinschaft]]. 1947 begründete er den Johannes Verlag, in dem er die Visionen der Adrienne von Speyr, die er als ihr langjähriger Sekretär dokumentiert hatte, veröffentlichte.<ref>''Erster Blick auf Adrienne von Speyr'', 1968</ref>
Von Balthasar legte aber ein umfangreiches theologisches Werk vor, das mittlerweile zu den einflußreichsten systematischen Entwürfen des 20. Jahrhunderts gezählt werden darf und in der theologischen Forschung der Gegenwart zahlreiche Interpreten gefunden hat. Als mutmaßlich einer der am umfangreichsten gebildeten theologischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts hielt sich Balthasar aber von einer Professur fern. Sein Werk als Gründer von Säkularinstituten blieb im Vergleich zu seiner theologischen Akzeptanz eher zweitrangig.


In Zürich und Basel war er danach als [[Schriftsteller]] und [[Verleger|Leiter]] des Verlages tätig. 1950 trat er aus dem Jesuitenorden aus, nachdem sich bezüglich seiner Rolle in der «Johannesgemeinschaft» keine Übereinkunft mit den Verantwortlichen seines Ordens hatte erzielen lassen. Der Konflikt mit dem Jesuitenorden liess Balthasar in den 1950er Jahren als theologischen Aussenseiter erscheinen. Zeitweilig war er Priester ohne [[Inkardination|kirchenrechtliche Zuordnung]], bis ihn das [[Bistum Chur]] 1956 aufnahm. Er wirkte nun als freier Schriftsteller und Seelsorger in Basel und hielt zahlreiche [[Exerzitien]]kurse und Vorträge in Europa und Nordamerika.

Balthasar hielt sich zeitlebens von einer Professur fern. Einen [[Berufung (Amt)|Ruf]] als [[Professur|Professor]] für [[Fundamentaltheologie]] an die [[Katholisch-Theologische Fakultät Tübingen|Katholisch-Theologische Fakultät]] der [[Eberhard Karls Universität Tübingen]] als Nachfolger von [[Heinrich Fries]] lehnte er 1960 ab, den Lehrstuhl übernahm stattdessen [[Hans Küng]]. Als Gründer von Säkularinstituten blieb er im Vergleich zu seiner theologischen Akzeptanz unbekannt.

Balthasar zählt zu den Vorbereitern des [[Zweites Vatikanisches Konzil|Zweiten Vatikanischen Konzils]], zu dem er «als einziger unter den großen mitteleuropäischen Theologen»<ref>Elio Guerriero: ''Hans Urs von Balthasar. Eine Monographie.'' Johannes, Einsiedeln 1993, S. 11</ref> nicht als Berater eingeladen wurde. Später wurde er in die nach dem Konzil gegründete [[Internationale Theologenkommission]] berufen, die der [[Dikasterium für die Glaubenslehre|Kongregation für die Glaubenslehre]] zugeordnet ist. Durch seine wertkonservative Kritik an nachkonziliaren Entwicklungen gewann er internationale Bedeutung.

Aufgrund seiner Verdienste beabsichtigte [[Papst]] [[Johannes Paul II.]] ihn zum [[Kardinal]] mit der [[Titeldiakonie]] ''[[San Nicola in Carcere (Kirche in Rom)|San Nicola in Carcere]]'' zu ernennen, er starb jedoch zwei Tage vor der Aufnahme ins [[Kardinalskollegium]].

Balthasar wurde bei der [[St. Leodegar im Hof|Hofkirche in Luzern]] ohne Zeitfrist begraben. [[Datei:Hans Balthasar. Signatur 1962.jpg|mini|Hans Urs von Balthasar. Signatur 1962]]

== Ehrungen ==
* 1956: [[Innerschweizer Kulturpreis]]
* 1971: [[Romano-Guardini-Preis]]
* 2005: [[Augustin-Bea-Preis]] (postum, anlässlich seines 100. Geburtstages)

== Posthume Rezeption ==
2005 wurde seines 100. Geburtstages gedacht.<ref>{{Webarchiv |url=https://www.communio-icr.com/conference.htm |text=communio-icr.com |wayback=20130430180750}}</ref><ref>Stefan Hartmann: [https://stjosef.at/artikel/urs_von_balthasar.htm Würdigung.] stjosef.at (2005).</ref>

Es gibt die ''Hans Urs von Balthasar-Stiftung'', eine Schweizer [[Stiftung (Schweiz)|Stiftung]]. Ihr Zweck ist die Erhaltung und Verbreitung des philosophischen, theologischen und literarischen Werkes Hans Urs von Balthasars, namentlich durch
* Unterstützung aller Tätigkeiten, die – in Zusammenarbeit mit der Johannesgemeinschaft – der Sammlung, Ordnung, Auswertung und – soweit tunlich – der öffentlichen Zugänglichmachung seines Nachlasses dienen,
* Förderung des Schrifttums von und über Hans Urs von Balthasar; Studienbeihilfen, Publikationsbeiträge.
* Aufbau eines internationalen Korrespondenten- und Freundeskreises auch in ökumenischen Belangen.<ref>[http://www.balthasar-stiftung.org/ www.balthasar-stiftung.org]</ref>

== Werk ==
Balthasar legte ein umfangreiches theologisches Werk vor. Sein Denken orientierte sich an den Kirchenvätern, grossen Mystikern und Glaubenszeugen der Kirche. Ein bestimmender Einfluss ging von den Begegnungen mit jesuitischen Philosophen und Theologen aus – wie Erich Przywara, [[Jean Daniélou]] und Henri de Lubac, den er auch ins Deutsche übertrug. Beeinflusst wurde er auch von den Philosophen [[Gustav Siewerth]] und [[Ferdinand Ulrich]] und durch seine langjährige Zusammenarbeit mit der Mystikerin [[Adrienne von Speyr]]. Durch seine Veröffentlichungen erschloss er das [[Patristik|patristische]] Erbe neu für die [[Theologie]] und den christlichen Glauben.

Als einer der ersten katholischen Theologen setzte er sich mit Karl Barth auseinander<ref>''Karl Barth. Darstellung und Deutung seiner Theologie'', 1951, 2. Aufl. 1976</ref>. Den Versuch einer christlichen Gesamtdeutung deutscher Dichtung, Philosophie und Theologie von Lessing bis in die Gegenwart unternahm er in ''Apokalypse der deutschen Seele. Studien zu einer Lehre von letzten Haltungen'' (1937–1939).

Sein theologisches Hauptwerk entfaltete Balthasar in seiner letzten Schaffensperiode. Es umfasst die drei Teile ''Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik'' (1961–69), ''Theodramatik'' (1973–83) und ''Theologik'' (1985–1987) sowie einen Epilog (1987).

1972 gründete Balthasar zusammen mit [[Benedikt XVI.|Joseph Ratzinger]], [[Karl Lehmann]], [[Franz Greiner (Journalist)|Franz Greiner]], [[Otto B. Roegele]], [[Albert Görres]] und [[Hans Maier (Politiker, 1931)|Hans Maier]] die ''[[Communio (Zeitschrift)|Internationale katholische Zeitschrift Communio]]''.<ref>[[Daniel Deckers]]: ''Der Kardinal. Karl Lehmann. Eine Biographie.'' Pattloch, München 2002, ISBN 3-629-01637-5, S. 218.</ref> Sie erscheint (Stand 2017) in 17 Ausgaben für verschiedene Länder<ref>{{Internetquelle |url=http://www.communio.de/inter_ausgaben.php |titel=Internationale Ausgaben von Communio |abruf=2017-01-24}}</ref> und gilt als eine der wichtigsten katholisch-theologischen Zeitschriften.

=== Verhältnis von Philosophie und Theologie ===
Auch wenn Balthasar primär Theologe war, so ist sein Werk doch wesentlich von seinem philosophischen Ansatz geprägt.<ref>Zum Folgenden vgl.: Emmanuel J. Bauer: ''Hans Urs von Balthasar (1905-1988). Sein philosophisches Werk.'' In: Emerich Coreth, Walter M. Neidl, Georg Pfligersdorffer (Hrsg.): ''Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts.'' Band 3. Graz u. a. 1990, S. 285–304.</ref> Er vertritt die These, dass «ohne Philosophie keine Theologie», zugleich aber auch, dass «alle Philosophie von einem – bewußten oder unbewußten – theologischen Apriori umgriffen» (HPh 4) sei. Dabei sei das Übernatürliche so sehr «in der Natur imprägniert» (W XII), dass «die Übernatur und die Gnade […] die letzte, ontologische Form der gesamten Welt» (AA 57) abgäben. Natur und Übernatur zusammen machten erst den einen Bestand des Seins aus. Jede Philosophie, die sich mit dem immanenten Seienden beschäftige, werde früher oder später an ihre Grenzen stossen und somit letztlich christlich sein müssen (Apk 436). In jeder Wahrheitserkenntnis müsse Gott «bewußt oder unbewußt, notwendig mitgesetzt werden» (W 260). Jede wahre Philosophie lebe als Liebe zur letzten Wahrheit von einem theologischen Eros, weshalb wahre Philosophen von selber zu Theologen werden müssten. Philosophie habe somit eine Dienstfunktion gegenüber der Offenbarung. Das Licht des Glaubens müsse letzte Instanz aller Philosophie bleiben.

Die [[Christliche Philosophie]] habe den Sendungsauftrag, alle philosophischen Entwürfe in den Dienst Christi zu stellen. Dabei müssten die grossen philosophischen Systeme in ihrem «sündigen Absolutheitsanspruch»<ref>Emmanuel J. Bauer: ''Hans Urs von Balthasar (1905-1988). Sein philosophisches Werk.'' In: Emerich Coreth, Walter M. Neidl, Georg Pfligersdorffer (Hrsg.): ''Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts.'' Band 3. Graz u. a. 1990, S. 289</ref> relativiert und auf die göttliche Wahrheit hin aufgesprengt werden. Dabei sei alles brauchbar (KPh 12), da in allem ein Vernunftkeim («[[logos spermatikos]]») gefunden werden könne. Durch eine «Auseinandersetzung ohne Ressentiment» (KPh 28) könne die wahre Quintessenz auch der [[Lebensphilosophie|Lebens-]], [[Existenzphilosophie|Existential-]] oder [[Geschichtsphilosophie]] erschlossen werden.

=== Philosophische Schriften ===
In seiner dreibändigen ''Apokalypse der deutschen Seele'' geht Balthasar daran, 150 Jahre deutschen Geisteslebens von der Aufklärung bis zu seiner Zeit (1930) in einer christlichen Gesamtdeutung darzustellen. Balthasar setzt sich hier unter anderem mit [[Nietzsche]], [[Max Scheler|Scheler]], [[Heidegger]] und dem [[Deutscher Idealismus|deutschen Idealismus]] philosophisch auseinander. Er kritisiert am deutschen Idealismus dessen latente Anthropozentrik in der «Absolutsetzung der reinen Menschsituation» (Apk 111,435). In der modernen Lebens- und Existentialphilosophie erkennt er einen reinen Immanentismus, insofern sie Zeit, Endlichkeit und reine Weltlichkeit mit dem Nimbus der Endgültigkeit umgebe.

In ''Wahrheit der Welt'' entwickelt Balthasar seinen eigenen metaphysischen Ansatz. Er will hier einen «philosophischen Zugang zum spezifisch christlichen Wahrheitsverständnis erschließen» (Lpl 215). Sein Ansatz besteht darin, mit philosophischen Methoden die Wahrheitsstrukturen des endlichen Seins zu beschreiben, ohne von vornherein Elemente auszuschliessen, die unmittelbar göttlicher Herkunft sind. Es soll eine «Phänomenologie der uns bekannten und begegnenden Wahrheit» (W 11) sein. Jeder Mensch hat für Balthasar einen ursprünglichen Vorbegriff der Wahrheit. Dieser ist im Selbstbewusstsein gegeben. Wahrheit bedeutet «Enthülltheit, Aufgedecktheit, Erschlossenheit, Unverborgenheit […] des Seins» (W 28) ([[Aletheia (Philosophie)|Aletheia]]). Die Wahrheit weist über sich hinaus auf ihre Verflochtenheit in die Polarität von Subjekt und Objekt, worin sie ihre relative und absolute Seite zeigt.

== Schriften ==
Das umfangreiche literarische Werk von Balthasars umfasst rund 90 eigene Bücher, 100 Übersetzungen, 550 Aufsätze und 15 Auswahlausgaben klassischer Autoren. Darüber hinaus betreute er als Herausgeber 13 Schriftenreihen.<ref>Nach Stephan Pauly (Hrsg.): ''Theologen unserer Zeit.'' Kohlhammer, Stuttgart 1997, S. 38.</ref>

Einen Gesamtüberblick bietet der Johannes-Verlag:<ref>[http://www.johannes-verlag.de/jh_hans_urs_von_balthasar.htm Werke von und über Hans Urs von Balthasar]
</ref> Eine Auswahl früherer Werke:

* ''Geschichte des eschatologischen Problems in der modernen deutschen Literatur.'' Selbstverlag, [Zürich] 1930, {{DNB|572120885}} 2. Auflage (= ''Studienausgabe'', Band 2), Johannes, Freiburg im Breisgau 1998, ISBN 3-89411-347-2 (Dissertation. Universität Zürich, 1930).
* ''Apokalypse der deutschen Seele.'' 3 Bände. Pustet, Salzburg/Leipzig 1937–1939.
* ''Das Herz der Welt''. Arche, Zürich 1945.
* ''Therese von Lisieux. Geschichte einer Sendung.'' Hegner, Köln 1950.
* ''Karl Barth. Darstellung und Deutung seiner Theologie.'' Hegner, Köln 1951.
* ''Reinhold Schneider. Sein Weg und sein Werk.'' Hegner, Köln 1953.
* ''Bernanos.'' Hegner, Köln 1954.
* ''Einsame Zwiesprache. Martin Buber und das Christentum.'' Hegner, Köln 1958; Johannes, Einsiedeln 2. A. 1993, ISBN 3-89411-314-6.
* ''Augustinus, Die Gottesbürgerschaft.'' Frankfurt am Main 1961.
* ''Cordula oder der Ernstfall.'' Johannes Verlag, Einsiedeln 1966.
* ''Apokatastasis'' (= ''Neue Kriterien''; Band 1). Johannes, Freiburg im Breisgau 1999, ISBN 3-89411-354-5

Seine große theologische Trilogie besteht aus:
* ''Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik.'' 3 Bände. Johannes, Einsiedeln 1961–1969.
* ''Theodramatik.'' 4 Bände. Johannes, Einsiedeln 1971–1983.
* ''Theologik.'' 3 Bände. Johannes, Einsiedeln 1985–1987.
* ''Epilog.'' Johannes, Einsiedeln 1987.

Eine Auswahl weiterer Werke:
* ''Skizzen zur Theologie.'' 5 Bände. Johannes, Einsiedeln 1960–1986.
* ''Erster Blick auf Adrienne von Speyr.'' Johannes, Einsiedeln 1968.


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Emmanuel J. Bauer]]: ''Hans Urs von Balthasar (1905–1988). Sein philosophisches Werk.'' In: [[Emerich Coreth]], Walter M. Neidl, Georg Pfligersdorffer (Hrsg.): ''Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts.'' Band 3. Graz u. a. 1990, S. 285–304
* Hans Urs von Balthasar, Bibliographie 1925-2005, neu bearbeitet und ergänzt von Cornelia Capol und Claudia Müller, Einsiedeln – Freiburg 2005
* [[Jörg Disse]]: ''Metaphysik der Singularität. Eine Hinführung am Leitfaden der Philosophie Hans Urs von Balthasars.'' Wien 1996.
* Elio Guerriero: ''Hans Urs von Balthasar''. Eine Monographie. Aus d. Ital. übertr. v. Carl Franz Müller. Johannes Verlag Einsiedeln: Freiburg 1993.
* Elio Guerriero: ''Hans Urs von Balthasar. Eine Monographie.'' Johannes, Einsiedeln 1993, ISBN 3-89411-317-0.
* Sonderheft der Zeitschrift [http://www.communio.de "Communio"] über Hans Urs von Balthasar, Heft 2/2005
* [[Manfred Hauke]]: ''Auf den Spuren des Origenes. Größe und Grenzen Hans Urs von Balthasars.'' In: ''[[Theologisches]].'' Band 35, 2005, Nr. 9, Sp. 554–562.
* [http://www.johannes-verlag.de/jh_hans_urs_von_balthasar.htm Werke und Sekundärliteratur im Johannesverlag]
* Rodney A. Howsare: ''Balthasar. A Guide for the Perplexed.'' T&T Clark International, London/New York 2009, ISBN 978-0-567-03198-3.
* {{PND|118506323}}
* [[Walter Kasper]] (Hrsg.): ''Logik der Liebe und Herrlichkeit Gottes. Hans Urs von Balthasar im Gespräch. Festgabe für [[Karl Lehmann|Karl Kardinal Lehmann]] zum 70. Geburtstag.'' Matthias-Grünewald, Ostfildern 2006, ISBN 3-7867-2601-9.
* Sammlung von [http://mypage.bluewin.ch/HUvB.S.Lit/ Sekundärliteratur] zu Hans Urs von Balthasar
* [[Manfred Lochbrunner]]: ''Hans Urs von Balthasar als Autor, Herausgeber und Verleger. Fünf Studien zu seinen Sammlungen (1942–1967).'' Echter, Würzburg 2002, ISBN 3-429-02440-4.
* Manfred Lochbrunner: ''Hans Urs von Balthasar und seine Philosophenfreunde. Fünf Doppelporträts.'' Echter, Würzburg 2005, ISBN 3-429-02740-3.
* Manfred Lochbrunner: ''Hans Urs von Balthasar und seine Literatenfreunde. Neun Korrespondenzen.'' Echter, Würzburg 2007, ISBN 3-429-02913-9.
* Manfred Lochbrunner: ''Hans Urs von Balthasar 1905–1988. Die Biographie eines Jahrhunderttheologen.'' Echter, Würzburg 2020, ISBN 978-3-429-05457-1.
* Werner Löser: ''Kleine Hinführung zu Hans Urs von Balthasar.'' Herder, Freiburg im Breisgau 2005, ISBN 3-451-28781-1.
* Otmar Meuffels: ''Einbergung des Menschen in das Mysterium der dreieinigen Liebe. Eine trinitarische Anthropologie nach Hans Urs von Balthasar.'' Echter, Würzburg 1991, ISBN 3-429-01391-7.
* Ioan Moga: '' Hans Urs von Balthasar: Ein ekklesiologisches Alternativprogramm.'' In: Cornelius Keppeler, Justinus C. Pech (Hrsg.): ''Zeitgenössische Kirchenverständnisse. Acht ekklesiologische Porträts.'' Heiligenkreuz 2014, ISBN 978-3-902694-64-5, S. 26–58.
* Edward T. Oakes, David Moss (Hrsg.): ''The Cambridge Companion to Hans Urs Von Balthasar'', Cambridge University Press, 2004, ISBN 978-0-521-89147-9.
* Paul Silas Peterson: ''The early Hans Urs von Balthasar. Historical contexts and intellectual formation.'' De Gruyter, Berlin 2015, ISBN 978-3-11-037430-8.
* Angelo Scola: ''Hans Urs von Balthasar – ein theologischer Stil. Eine Einführung in sein Werk.'' Bonifatius, Paderborn 1996, ISBN 3-87088-915-2.
* Stefanie Völkl: ''Gotteswahrnehmung in Schönheit und Leid. Theologische Ästhetik als Lesart der Logik der Liebe bei Simone Weil und Hans Urs von Balthasar.'' Herder, Freiburg im Breisgau 2016, ISBN 978-3-451-37608-5 (Dissertation Universität Luzern 2015).
* ''Hans Urs von Balthasar: Bibliographie 1925–2005.'' Neu bearbeitet und ergänzt von Cornelia Capol und Claudia Müller. Johannes, Einsiedeln 2005, ISBN 3-89411-029-5.
* Sonderheft der Zeitschrift ''[[Communio (Zeitschrift)|Communio]]'' über Hans Urs von Balthasar. Schwabenverlag, Ostfildern 2005 (Heft 2), {{ISSN|1439-6165}}.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wikiquote|Hans Urs von Balthasar}}
{{commonscat|Hans Urs von Balthasar}}
* {{Helveticat}}
* [http://www.dhs.ch/externe/protect/textes/d/D9716.html Artikel im Historischen Lexikon der Schweiz]
* {{DNB-Portal|118506323}}
* [http://theol.uibk.ac.at/leseraum/artikel/470.html Werner Löser: Herausforderungen, Begegnungen, Weichenstellungen (Rahner - Balthasar)]
* {{DDB|Person|118506323}}
* [http://theol.uibk.ac.at/leseraum/texte/705.html Willibald Sandler: Was ist dramatische Theologie? (Barth - Balthasar - Schwager)]
* {{HLS|9716|Balthasar, Hans Urs von|Autor=Victor Conzemius}}
* [http://www.balthasar-stiftung.org/ Hans Urs von Balthasar Stiftung]
* {{Miranda|ID=bios1988.htm#Balthasar|Artikel=Balthasar, Hans Urs von}}
* [http://stjosef.at/artikel/urs_von_balthasar.htm Zum 100. Geburtstag: Gestalt und Wirkung (Stefan Hartmann)]
* {{Catholic-hierarchy|Typ=bishop|ID=bvbalt}}
* [http://www.kirchensite.de/?myELEMENT=97718 Katharina Klöcker: Vor 100 Jahren geboren: Hans Urs von Balthasar. Der Theodramatiker]
* [http://www.quod-est-dicendum.org/Theologie_und_Glaube/Balthasar_Einfuehrung_26_08_05_me.htm Hans Urs von Balthasar. Eine Einführung]
* {{Webarchiv |url=http://www.quod-est-dicendum.de/Theologie_und_Glaube/Balthasar_Einfuehrung_26_08_05_me.htm |text=''Hans Urs von Balthasar.'' |wayback=20060908054413}} Eine Einführung von Mark Elliot
* {{Deutsche Biographie |GND=118506323 |Name=Balthasar, Hans Urs |NDB-online=1 |Autor=Manfred Lochbrunner |Datum=2022-10-01}}
* Katharina Klöcker: [https://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/der-theodramatiker ''Hans Urs von Balthasar. Der Theodramatiker.''] Kurzporträt. katholisch.de
* Werner Löser: [http://theol.uibk.ac.at/leseraum/artikel/470.html ''Herausforderungen, Begegnungen, Weichenstellungen.''] theol.uibk.ac.at (Rahner – Balthasar).


== Anmerkungen ==
[[Kategorie:Mann|Balthasar, Hans Urs von]]
Zitierte Werke von Balthasar:
[[Kategorie:Schweizer|Balthasar, Hans Urs von]]
{| class="wikitable"
[[Kategorie:Kardinal (20. Jh.)|Balthasar, Hans Urs von]]
|-
[[Kategorie:Römisch-katholischer Theologe (20. Jh.)|Balthasar, Hans Urs von]]
|'''Abkürzung''' || '''Werk'''
[[Kategorie:Jesuit|Balthasar, Hans Urs von]]
|-
[[Kategorie:Geboren 1905|Balthasar, Hans Urs von]]
|AA || ''Apokalypse der deutschen Seele.'' In: ''Schönere Zukunft'', 1938, 14, S. 57–59.
[[Kategorie:Gestorben 1988|Balthasar, Hans Urs von]]
|-
|ApK || ''Apokalypse der deutschen Seele. Studien zu einer Lehre von letzten Haltungen.'' 3 Bände. Salzburg 1937–1939.
|-
|H || ''Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik.'' 3 Bände. Einsiedeln 1961–1969.
|-
|HPh || ''Heideggers Philosophie vom Standpunkt des Katholizismus.'' In: ''Stimmen der Zeit'', 1940, 137, S. 1–8.
|-
|KPh || ''Von den Aufgaben der katholischen Philosophie in der Zeit.'' In: ''Annalen der Philosophischen Gesellschaft Innerschweiz'', 1946/47, 2/3, S. 1–38.
|-
|Lpl || ''Kleiner Lageplan zu meinen Büchern.'' In: ''Schweizer Rundschau'', [1955], 55, S. 212–225.
|-
|W || ''Wahrheit''. Band I: ''Wahrheit der Welt.'' Einsiedeln 1947.
|}


== Einzelnachweise ==
{{Personendaten|
<references />
NAME=Balthasar, Hans Urs von

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{{SORTIERUNG:Balthasar, Hans Urs von}}
[[Kategorie:Römisch-katholischer Theologe (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Römisch-katholischer Geistlicher (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Autor]]
[[Kategorie:Literatur (Deutsch)]]
[[Kategorie:Literatur (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Sachliteratur (Theologie)]]
[[Kategorie:Herausgeber]]
[[Kategorie:Übersetzer aus dem Französischen]]
[[Kategorie:Übersetzer aus dem Latein]]
[[Kategorie:Übersetzer ins Deutsche]]
[[Kategorie:Gründer einer katholischen Organisation]]
[[Kategorie:Mitglied der Internationalen Theologenkommission]]
[[Kategorie:Ehrendoktor der Universität Münster]]
[[Kategorie:Jesuit]]
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Aktuelle Version vom 17. Mai 2025, 12:30 Uhr

Hans Urs von Balthasar

Hans Urs von Balthasar (* 12. August 1905 in Luzern; † 26. Juni 1988 in Basel) war ein Schweizer römisch-katholischer Priester, Theologe und Kulturphilosoph. Er starb zwei Tage vor seiner durch Papst Johannes Paul II. geplanten Aufnahme in das Kardinalskollegium.

Obwohl nie im wissenschaftlichen Betrieb einer Universität tätig, wird er zu den bedeutenden katholisch-theologischen Autoren des 20. Jahrhunderts gerechnet. Balthasar zählt auch zu den Vorbereitern des Zweiten Vatikanischen Konzils. Später wurde er in die nach dem Konzil gegründete Internationale Theologenkommission berufen.

Seine Theologie war geprägt durch die Begegnungen mit jesuitischen Philosophen und Theologen. Durch seine Veröffentlichungen erschloss er das patristische Erbe neu für die Theologie und den christlichen Glauben.

Leben und Wirken

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Hans Urs von Balthasar entstammte einer alten Luzerner Patrizierfamilie. Er besuchte die Benediktiner-Stiftsschule Engelberg und das Jesuitenkolleg Stella Matutina in Feldkirch und studierte ab 1923 in Zürich, Berlin und Wien Germanistik und Philosophie. 1928 wurde er in Zürich mit der Arbeit Geschichte des eschatologischen Problems in der modernen deutschen Literatur zum Dr. phil. promoviert. Am 31. Oktober 1929 trat er ins Noviziat der Gesellschaft Jesu in Feldkirch ein. Nach dem Noviziat folgte von 1931 bis 1932 ein Philosophiestudium im Berchmanskolleg bei Pullach, wo er Erich Przywara begegnete. Dieser führte ihn in sein religionsphilosophisches Konzept der «Analogia entis» ein, das fortan für Balthasars Werk eine massgebende Rolle spielte.

Von 1933 bis 1937 studierte er in Lyon-Fourvière Theologie. Er entwickelte dort eine lebenslange Freundschaft zu Henri de Lubac und stand der Bewegung der Nouvelle Théologie nahe. 1936 empfing von Balthasar in München durch Kardinal Faulhaber die Priesterweihe. Es folgte ein zweijähriges Zwischenspiel in München, wo er sein Tertiat begann und von 1937 bis 1939 als Redakteur bei der Ordenszeitschrift Stimmen der Zeit mitarbeitete.

Ab 1940 war er in Basel Studenten- und Akademikerseelsorger. Er begegnete dort Karl Barth und Adrienne von Speyr. Balthasar begleitete Adrienne von Speyr bei ihrer Konversion zur katholischen Kirche. Es ergaben sich ungezählte Gespräche, die bis zu ihrem Tod 1967 nicht abbrachen. Zusammen mit Adrienne von Speyr gründete er am 8. Dezember 1944 das Säkularinstitut der Johannesgemeinschaft. 1947 begründete er den Johannes Verlag, in dem er die Visionen der Adrienne von Speyr, die er als ihr langjähriger Sekretär dokumentiert hatte, veröffentlichte.[1]

In Zürich und Basel war er danach als Schriftsteller und Leiter des Verlages tätig. 1950 trat er aus dem Jesuitenorden aus, nachdem sich bezüglich seiner Rolle in der «Johannesgemeinschaft» keine Übereinkunft mit den Verantwortlichen seines Ordens hatte erzielen lassen. Der Konflikt mit dem Jesuitenorden liess Balthasar in den 1950er Jahren als theologischen Aussenseiter erscheinen. Zeitweilig war er Priester ohne kirchenrechtliche Zuordnung, bis ihn das Bistum Chur 1956 aufnahm. Er wirkte nun als freier Schriftsteller und Seelsorger in Basel und hielt zahlreiche Exerzitienkurse und Vorträge in Europa und Nordamerika.

Balthasar hielt sich zeitlebens von einer Professur fern. Einen Ruf als Professor für Fundamentaltheologie an die Katholisch-Theologische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Nachfolger von Heinrich Fries lehnte er 1960 ab, den Lehrstuhl übernahm stattdessen Hans Küng. Als Gründer von Säkularinstituten blieb er im Vergleich zu seiner theologischen Akzeptanz unbekannt.

Balthasar zählt zu den Vorbereitern des Zweiten Vatikanischen Konzils, zu dem er «als einziger unter den großen mitteleuropäischen Theologen»[2] nicht als Berater eingeladen wurde. Später wurde er in die nach dem Konzil gegründete Internationale Theologenkommission berufen, die der Kongregation für die Glaubenslehre zugeordnet ist. Durch seine wertkonservative Kritik an nachkonziliaren Entwicklungen gewann er internationale Bedeutung.

Aufgrund seiner Verdienste beabsichtigte Papst Johannes Paul II. ihn zum Kardinal mit der Titeldiakonie San Nicola in Carcere zu ernennen, er starb jedoch zwei Tage vor der Aufnahme ins Kardinalskollegium.

Balthasar wurde bei der Hofkirche in Luzern ohne Zeitfrist begraben.

Hans Urs von Balthasar. Signatur 1962

Posthume Rezeption

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2005 wurde seines 100. Geburtstages gedacht.[3][4]

Es gibt die Hans Urs von Balthasar-Stiftung, eine Schweizer Stiftung. Ihr Zweck ist die Erhaltung und Verbreitung des philosophischen, theologischen und literarischen Werkes Hans Urs von Balthasars, namentlich durch

  • Unterstützung aller Tätigkeiten, die – in Zusammenarbeit mit der Johannesgemeinschaft – der Sammlung, Ordnung, Auswertung und – soweit tunlich – der öffentlichen Zugänglichmachung seines Nachlasses dienen,
  • Förderung des Schrifttums von und über Hans Urs von Balthasar; Studienbeihilfen, Publikationsbeiträge.
  • Aufbau eines internationalen Korrespondenten- und Freundeskreises auch in ökumenischen Belangen.[5]

Balthasar legte ein umfangreiches theologisches Werk vor. Sein Denken orientierte sich an den Kirchenvätern, grossen Mystikern und Glaubenszeugen der Kirche. Ein bestimmender Einfluss ging von den Begegnungen mit jesuitischen Philosophen und Theologen aus – wie Erich Przywara, Jean Daniélou und Henri de Lubac, den er auch ins Deutsche übertrug. Beeinflusst wurde er auch von den Philosophen Gustav Siewerth und Ferdinand Ulrich und durch seine langjährige Zusammenarbeit mit der Mystikerin Adrienne von Speyr. Durch seine Veröffentlichungen erschloss er das patristische Erbe neu für die Theologie und den christlichen Glauben.

Als einer der ersten katholischen Theologen setzte er sich mit Karl Barth auseinander[6]. Den Versuch einer christlichen Gesamtdeutung deutscher Dichtung, Philosophie und Theologie von Lessing bis in die Gegenwart unternahm er in Apokalypse der deutschen Seele. Studien zu einer Lehre von letzten Haltungen (1937–1939).

Sein theologisches Hauptwerk entfaltete Balthasar in seiner letzten Schaffensperiode. Es umfasst die drei Teile Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik (1961–69), Theodramatik (1973–83) und Theologik (1985–1987) sowie einen Epilog (1987).

1972 gründete Balthasar zusammen mit Joseph Ratzinger, Karl Lehmann, Franz Greiner, Otto B. Roegele, Albert Görres und Hans Maier die Internationale katholische Zeitschrift Communio.[7] Sie erscheint (Stand 2017) in 17 Ausgaben für verschiedene Länder[8] und gilt als eine der wichtigsten katholisch-theologischen Zeitschriften.

Verhältnis von Philosophie und Theologie

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Auch wenn Balthasar primär Theologe war, so ist sein Werk doch wesentlich von seinem philosophischen Ansatz geprägt.[9] Er vertritt die These, dass «ohne Philosophie keine Theologie», zugleich aber auch, dass «alle Philosophie von einem – bewußten oder unbewußten – theologischen Apriori umgriffen» (HPh 4) sei. Dabei sei das Übernatürliche so sehr «in der Natur imprägniert» (W XII), dass «die Übernatur und die Gnade […] die letzte, ontologische Form der gesamten Welt» (AA 57) abgäben. Natur und Übernatur zusammen machten erst den einen Bestand des Seins aus. Jede Philosophie, die sich mit dem immanenten Seienden beschäftige, werde früher oder später an ihre Grenzen stossen und somit letztlich christlich sein müssen (Apk 436). In jeder Wahrheitserkenntnis müsse Gott «bewußt oder unbewußt, notwendig mitgesetzt werden» (W 260). Jede wahre Philosophie lebe als Liebe zur letzten Wahrheit von einem theologischen Eros, weshalb wahre Philosophen von selber zu Theologen werden müssten. Philosophie habe somit eine Dienstfunktion gegenüber der Offenbarung. Das Licht des Glaubens müsse letzte Instanz aller Philosophie bleiben.

Die Christliche Philosophie habe den Sendungsauftrag, alle philosophischen Entwürfe in den Dienst Christi zu stellen. Dabei müssten die grossen philosophischen Systeme in ihrem «sündigen Absolutheitsanspruch»[10] relativiert und auf die göttliche Wahrheit hin aufgesprengt werden. Dabei sei alles brauchbar (KPh 12), da in allem ein Vernunftkeim («logos spermatikos») gefunden werden könne. Durch eine «Auseinandersetzung ohne Ressentiment» (KPh 28) könne die wahre Quintessenz auch der Lebens-, Existential- oder Geschichtsphilosophie erschlossen werden.

Philosophische Schriften

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In seiner dreibändigen Apokalypse der deutschen Seele geht Balthasar daran, 150 Jahre deutschen Geisteslebens von der Aufklärung bis zu seiner Zeit (1930) in einer christlichen Gesamtdeutung darzustellen. Balthasar setzt sich hier unter anderem mit Nietzsche, Scheler, Heidegger und dem deutschen Idealismus philosophisch auseinander. Er kritisiert am deutschen Idealismus dessen latente Anthropozentrik in der «Absolutsetzung der reinen Menschsituation» (Apk 111,435). In der modernen Lebens- und Existentialphilosophie erkennt er einen reinen Immanentismus, insofern sie Zeit, Endlichkeit und reine Weltlichkeit mit dem Nimbus der Endgültigkeit umgebe.

In Wahrheit der Welt entwickelt Balthasar seinen eigenen metaphysischen Ansatz. Er will hier einen «philosophischen Zugang zum spezifisch christlichen Wahrheitsverständnis erschließen» (Lpl 215). Sein Ansatz besteht darin, mit philosophischen Methoden die Wahrheitsstrukturen des endlichen Seins zu beschreiben, ohne von vornherein Elemente auszuschliessen, die unmittelbar göttlicher Herkunft sind. Es soll eine «Phänomenologie der uns bekannten und begegnenden Wahrheit» (W 11) sein. Jeder Mensch hat für Balthasar einen ursprünglichen Vorbegriff der Wahrheit. Dieser ist im Selbstbewusstsein gegeben. Wahrheit bedeutet «Enthülltheit, Aufgedecktheit, Erschlossenheit, Unverborgenheit […] des Seins» (W 28) (Aletheia). Die Wahrheit weist über sich hinaus auf ihre Verflochtenheit in die Polarität von Subjekt und Objekt, worin sie ihre relative und absolute Seite zeigt.

Das umfangreiche literarische Werk von Balthasars umfasst rund 90 eigene Bücher, 100 Übersetzungen, 550 Aufsätze und 15 Auswahlausgaben klassischer Autoren. Darüber hinaus betreute er als Herausgeber 13 Schriftenreihen.[11]

Einen Gesamtüberblick bietet der Johannes-Verlag:[12] Eine Auswahl früherer Werke:

  • Geschichte des eschatologischen Problems in der modernen deutschen Literatur. Selbstverlag, [Zürich] 1930, DNB 572120885 2. Auflage (= Studienausgabe, Band 2), Johannes, Freiburg im Breisgau 1998, ISBN 3-89411-347-2 (Dissertation. Universität Zürich, 1930).
  • Apokalypse der deutschen Seele. 3 Bände. Pustet, Salzburg/Leipzig 1937–1939.
  • Das Herz der Welt. Arche, Zürich 1945.
  • Therese von Lisieux. Geschichte einer Sendung. Hegner, Köln 1950.
  • Karl Barth. Darstellung und Deutung seiner Theologie. Hegner, Köln 1951.
  • Reinhold Schneider. Sein Weg und sein Werk. Hegner, Köln 1953.
  • Bernanos. Hegner, Köln 1954.
  • Einsame Zwiesprache. Martin Buber und das Christentum. Hegner, Köln 1958; Johannes, Einsiedeln 2. A. 1993, ISBN 3-89411-314-6.
  • Augustinus, Die Gottesbürgerschaft. Frankfurt am Main 1961.
  • Cordula oder der Ernstfall. Johannes Verlag, Einsiedeln 1966.
  • Apokatastasis (= Neue Kriterien; Band 1). Johannes, Freiburg im Breisgau 1999, ISBN 3-89411-354-5

Seine große theologische Trilogie besteht aus:

  • Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik. 3 Bände. Johannes, Einsiedeln 1961–1969.
  • Theodramatik. 4 Bände. Johannes, Einsiedeln 1971–1983.
  • Theologik. 3 Bände. Johannes, Einsiedeln 1985–1987.
  • Epilog. Johannes, Einsiedeln 1987.

Eine Auswahl weiterer Werke:

  • Skizzen zur Theologie. 5 Bände. Johannes, Einsiedeln 1960–1986.
  • Erster Blick auf Adrienne von Speyr. Johannes, Einsiedeln 1968.
  • Emmanuel J. Bauer: Hans Urs von Balthasar (1905–1988). Sein philosophisches Werk. In: Emerich Coreth, Walter M. Neidl, Georg Pfligersdorffer (Hrsg.): Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts. Band 3. Graz u. a. 1990, S. 285–304
  • Jörg Disse: Metaphysik der Singularität. Eine Hinführung am Leitfaden der Philosophie Hans Urs von Balthasars. Wien 1996.
  • Elio Guerriero: Hans Urs von Balthasar. Eine Monographie. Johannes, Einsiedeln 1993, ISBN 3-89411-317-0.
  • Manfred Hauke: Auf den Spuren des Origenes. Größe und Grenzen Hans Urs von Balthasars. In: Theologisches. Band 35, 2005, Nr. 9, Sp. 554–562.
  • Rodney A. Howsare: Balthasar. A Guide for the Perplexed. T&T Clark International, London/New York 2009, ISBN 978-0-567-03198-3.
  • Walter Kasper (Hrsg.): Logik der Liebe und Herrlichkeit Gottes. Hans Urs von Balthasar im Gespräch. Festgabe für Karl Kardinal Lehmann zum 70. Geburtstag. Matthias-Grünewald, Ostfildern 2006, ISBN 3-7867-2601-9.
  • Manfred Lochbrunner: Hans Urs von Balthasar als Autor, Herausgeber und Verleger. Fünf Studien zu seinen Sammlungen (1942–1967). Echter, Würzburg 2002, ISBN 3-429-02440-4.
  • Manfred Lochbrunner: Hans Urs von Balthasar und seine Philosophenfreunde. Fünf Doppelporträts. Echter, Würzburg 2005, ISBN 3-429-02740-3.
  • Manfred Lochbrunner: Hans Urs von Balthasar und seine Literatenfreunde. Neun Korrespondenzen. Echter, Würzburg 2007, ISBN 3-429-02913-9.
  • Manfred Lochbrunner: Hans Urs von Balthasar 1905–1988. Die Biographie eines Jahrhunderttheologen. Echter, Würzburg 2020, ISBN 978-3-429-05457-1.
  • Werner Löser: Kleine Hinführung zu Hans Urs von Balthasar. Herder, Freiburg im Breisgau 2005, ISBN 3-451-28781-1.
  • Otmar Meuffels: Einbergung des Menschen in das Mysterium der dreieinigen Liebe. Eine trinitarische Anthropologie nach Hans Urs von Balthasar. Echter, Würzburg 1991, ISBN 3-429-01391-7.
  • Ioan Moga: Hans Urs von Balthasar: Ein ekklesiologisches Alternativprogramm. In: Cornelius Keppeler, Justinus C. Pech (Hrsg.): Zeitgenössische Kirchenverständnisse. Acht ekklesiologische Porträts. Heiligenkreuz 2014, ISBN 978-3-902694-64-5, S. 26–58.
  • Edward T. Oakes, David Moss (Hrsg.): The Cambridge Companion to Hans Urs Von Balthasar, Cambridge University Press, 2004, ISBN 978-0-521-89147-9.
  • Paul Silas Peterson: The early Hans Urs von Balthasar. Historical contexts and intellectual formation. De Gruyter, Berlin 2015, ISBN 978-3-11-037430-8.
  • Angelo Scola: Hans Urs von Balthasar – ein theologischer Stil. Eine Einführung in sein Werk. Bonifatius, Paderborn 1996, ISBN 3-87088-915-2.
  • Stefanie Völkl: Gotteswahrnehmung in Schönheit und Leid. Theologische Ästhetik als Lesart der Logik der Liebe bei Simone Weil und Hans Urs von Balthasar. Herder, Freiburg im Breisgau 2016, ISBN 978-3-451-37608-5 (Dissertation Universität Luzern 2015).
  • Hans Urs von Balthasar: Bibliographie 1925–2005. Neu bearbeitet und ergänzt von Cornelia Capol und Claudia Müller. Johannes, Einsiedeln 2005, ISBN 3-89411-029-5.
  • Sonderheft der Zeitschrift Communio über Hans Urs von Balthasar. Schwabenverlag, Ostfildern 2005 (Heft 2), ISSN 1439-6165.
Commons: Hans Urs von Balthasar – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Zitierte Werke von Balthasar:

Abkürzung Werk
AA Apokalypse der deutschen Seele. In: Schönere Zukunft, 1938, 14, S. 57–59.
ApK Apokalypse der deutschen Seele. Studien zu einer Lehre von letzten Haltungen. 3 Bände. Salzburg 1937–1939.
H Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik. 3 Bände. Einsiedeln 1961–1969.
HPh Heideggers Philosophie vom Standpunkt des Katholizismus. In: Stimmen der Zeit, 1940, 137, S. 1–8.
KPh Von den Aufgaben der katholischen Philosophie in der Zeit. In: Annalen der Philosophischen Gesellschaft Innerschweiz, 1946/47, 2/3, S. 1–38.
Lpl Kleiner Lageplan zu meinen Büchern. In: Schweizer Rundschau, [1955], 55, S. 212–225.
W Wahrheit. Band I: Wahrheit der Welt. Einsiedeln 1947.

Einzelnachweise

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  1. Erster Blick auf Adrienne von Speyr, 1968
  2. Elio Guerriero: Hans Urs von Balthasar. Eine Monographie. Johannes, Einsiedeln 1993, S. 11
  3. communio-icr.com (Memento vom 30. April 2013 im Internet Archive)
  4. Stefan Hartmann: Würdigung. stjosef.at (2005).
  5. www.balthasar-stiftung.org
  6. Karl Barth. Darstellung und Deutung seiner Theologie, 1951, 2. Aufl. 1976
  7. Daniel Deckers: Der Kardinal. Karl Lehmann. Eine Biographie. Pattloch, München 2002, ISBN 3-629-01637-5, S. 218.
  8. Internationale Ausgaben von Communio. Abgerufen am 24. Januar 2017.
  9. Zum Folgenden vgl.: Emmanuel J. Bauer: Hans Urs von Balthasar (1905-1988). Sein philosophisches Werk. In: Emerich Coreth, Walter M. Neidl, Georg Pfligersdorffer (Hrsg.): Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts. Band 3. Graz u. a. 1990, S. 285–304.
  10. Emmanuel J. Bauer: Hans Urs von Balthasar (1905-1988). Sein philosophisches Werk. In: Emerich Coreth, Walter M. Neidl, Georg Pfligersdorffer (Hrsg.): Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts. Band 3. Graz u. a. 1990, S. 289
  11. Nach Stephan Pauly (Hrsg.): Theologen unserer Zeit. Kohlhammer, Stuttgart 1997, S. 38.
  12. Werke von und über Hans Urs von Balthasar