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„Rohrpost“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Rohrpostbuechse.jpg|mini|Transparente Rohrpostbüchse, tailliert für Kurvengängigkeit (2010)]]
Die '''Rohrpost''' ist eine Form des schnellen, personallosen Transports von Gegenständen in kleinen, zylindrischen Behältern mittels Luftdruck in kleinkalibrigen Röhren. In der Zeit vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang des 20. Jahrhundert entstanden in einigen Städten große Rohrpostanlagen von mehreren hundert Kilometern Länge. Daneben existierten auch kleinere Anlagen, die innerhalb eines Gebäudes oder zwischen mehreren benachbarten Gebäude kleinere Gegenstände mittels Rohrpost automatisiert transportierten. Diese Anlagen finden, im Gegensatz zu den Fernrohrpostanlagen, auch heute noch Verwendung.
[[Bild:Rohrposthülse.jpg.jpg|right|100px|thumb|Eine Rohrposthülle]]
== Funktionsweise ==


Die '''Rohrpost''' ist eine Form des schnellen und personalarmen Transports von Gegenständen in kleinen, zylindrischen Behältern mittels [[Druckluft]] in Röhren konstanten Kalibers von typisch 5 bis 20 cm.
Man unterscheidet zwischen Innenrohrpostanlagen innerhalb von einzelnen Gebäuden sowie den Fernrohrpostanlagen zwischen verschiedenen Gebäuden einer Stadt. Fernrohrpostanlagen dienen überwiegend der schnellen Brief- und [[Telegramm]]beförderung zwischen wichtigen [[Postamt|Postämtern]].


Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden in einigen Großstädten auf verschiedenen Kontinenten große Rohrpostanlagen von teilweise mehreren hundert Kilometern Länge. Daneben existierten auch kleinere Rohrpostanlagen, die innerhalb eines Gebäudes oder zwischen mehreren benachbarten Gebäuden kleinere Gegenstände automatisiert transportierten. Solche Anlagen werden im Gegensatz zu den Fernrohrpostanlagen noch eingesetzt.
Eine Rohrpostanlage besteht aus einem Netz von [[Rohrleitung]]en. Als Transportmittel werden [[Zylinder (Geometrie)|zylindrische]] Behälter benutzt, deren [[Durchmesser]] nur geringfügig kleiner ist als der Innendurchmesser der Rohre. Die Behälter werden innerhalb der Rohrpostanlage durch [[Druckluft]] oder [[Saugluft]] bewegt und erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 30 km/h. Je Linie kann immer nur eine Büchse befördert werden. Der Druckunterschied zwischen Behälter und Luftverdichter beträgt dabei auch bei längeren Linien oder größeren Rohrdurchmessern nur zwischen 0,3 bis 0,5 [[Bar (Einheit)|bar]], d. h. nicht der Druck sondern die ins System gepumpte (oder abgesaugte) Luftmenge variiert.


Postalisch gesehen wurde die erste Rohrpost 1853 in [[London]] eingerichtet. Sie diente im Telegraphenamt als Hausrohrpost. Die [[Rohrpost in Wien]] ging am 19.&nbsp;März 1875 in Betrieb, die [[Rohrpost in Berlin]] am 1.&nbsp;Dezember 1876. Auslöser für diesen Boom war die [[Telegrafie]]. Diese transportierte Nachrichten sehr schnell an die Empfangsstellen, von wo sie jedoch über Boten oft Tage brauchten, bis sie die Empfänger erreichten. Die Inhalte der Rohrpost waren deswegen häufig zusammengerollte Zettel mit Nachrichten.<ref>{{Internetquelle |url=https://dgpt.org/produkt/ein-fast-vergessener-ort/ |titel=Ein (fast) vergessener Ort |werk=DGPT |sprache=de-DE |abruf=2022-09-08}}</ref>
== Vor der Erfindung der Rohrpost ==
Um [[1810]] bemühte sich der dänische Ingenieur [[George Medhurst]] erstmals ernsthaft um den Einsatz atmosphärischer Luft für industrielle und verkehrstechnische Zwecke. In entsprechenden Veröffentlichungen schlug er vor, die Luft aus einer eisernen Röhre abzupumpen, um so durch den erreichten Druckunterschied eine entsprechende Triebkraft zu erzielen; Medhurst gilt daher als Erfinder der pneumatischen Rohrpost.


== Grundlagen zur Rohrposttechnik ==
Diesen Gedanken hat [[1818]] der englische Ingenieur [[Vallance]] aufgegriffen mit der Idee, Personen und Güter von [[London]] nach [[Brighton (England)|Brighton]] in einer tunnelartigen, gusseisernen und entsprechend großen Röhre zu befördern. Diese Bemühungen verliefen allerdings ergebnislos, jedoch brachten Versuche zum Transport von Postgut mittels Luftdruck in kleinkalibrigen Röhren erste Erfolge.
[[Datei:Heron Pneumatica 2 18.jpg|mini|Konstruktion eines Druckrohres zur Herstellung von Überdruck und Unterdruck mit einem Kolben nach Heron von Alexandria]]


=== Allgemeine Grundlagen ===
Der Franzose [[Abbé Moigno]] richtete dazu [[1852]] eine Versuchsstrecke ein, die letztlich dazu führte, dass der Franzose [[Galy Cazalar]] und der Engländer [[Latimer Clark]] unabhängig voneinander [[1854]] entsprechende Landespatente einreichten. Sie beschrieben eine technische Einrichtung, mit der in Blechbüchsen eingeschlossene kleine Pakete und Briefe bei hoher Luftverdünnung oder -verdichtung durch Röhren zu einem nicht sehr weit entfernten Ort befördert werden konnten.
Die praktischen Grundlagen der Rohrpost sind bekannt, seit in verschiedenen Kulturen das [[Blasrohr]] erfunden wurde. Die theoretischen und experimentellen Grundlagen der Rohrpost wurden bereits in der ''[[Pneumatika]]'' des [[Heron von Alexandria]] (1.&nbsp;Jahrhundert n.&nbsp;Chr.) entwickelt. Hier sind in Kapitel&nbsp;56 und 57 die Prinzipien der Herstellung von atmosphärischem [[Unterdruck]] und Überdruck in einem Zylinder beschrieben, in den ein Kolben eingeführt wird. Allerdings ging es bei Heron noch nicht um den Transport von Objekten, die durch den Druckunterschied in einer Röhre hätten befördert werden sollen.


=== Wegbereiter der modernen Rohrpost ===
== Städtische Rohrpostnetze ==
Um 1810 bemühte sich der englische Ingenieur [[George Medhurst]] (1759–1827) erstmals ernsthaft um den Einsatz atmosphärischer Luft für industrielle und verkehrstechnische Zwecke.<ref>{{Literatur |Autor=George Medhurst |Titel=A new method of conveying letters and good with great certainty and rapidity by air |Ort=London |Datum=1810}}</ref> In entsprechenden Veröffentlichungen schlug er vor, die Luft aus einer eisernen Röhre abzupumpen, um so durch den erreichten Druckunterschied eine entsprechende Triebkraft zu erzielen; Medhurst gilt daher als Erfinder der [[Pneumatik|pneumatischen]] Rohrpost.
Die erste Rohrpost wurde 1853 von Josiah Latimer Clark in London gebaut. Es war eine 220 yard (ca. 200 m) lange Verbindung zwischen der [[London Stock Exchange]] und dem Central Telegraph Office. Ähnliche Verbindungen zwischen einem Telegraphenamt und der Börse entstanden 1865 in Berlin und 1866 in Paris.


Diesen Gedanken griff 1818 der englische Ingenieur Vallance auf, mit der Idee, Personen und Güter von [[London]] nach [[Brighton]] in einer tunnelartigen, gusseisernen und entsprechend großen Röhre zu befördern. Diese Bemühungen verliefen allerdings ergebnislos, jedoch brachten Versuche zum Transport von Postgut mit Luftdruck in kleinkalibrigen Röhren erste Erfolge. Auch der Erfinder des [[Propeller|Schiffspropellers]], [[Josef Ressel]], beschäftigte sich mit der Rohrpost. Er entwickelte sie 1827 weiter und brachte sie 1847 zur Reife.[[Datei:Pneumatic-tube-mail.png|mini|Rohrpost, 1897]]
Diese ersten Anlagen waren nur zum Transport kleiner Gegenstände geeignet, so hatte z.&nbsp;B. die Londoner Anlage einen Durchmesser von 1.5 [[Inch]] (38,1 mm). Clark gründete später zusammen mit T. W. Rammell die ''Pneumatic Despatch Company'', die 1861 eine 30-inch (762 mm) Röhre baute, in der Lasten bis zu 3 Tonnen transportiert werden konnten. Diese Pneumatic Dispatch Railway war bis 1874 in Betrieb. Ähnliche Anlagen gab es in New York: Eine 1867 gebaute 107 [[feet]] (32,6 m) lange und 6 feet (1,83 m) im Durchmesser große Anlage von Alfred Ely Beach, die 12 Personen transportieren konnte. Eine noch größere Anlage, 312 feet (95 m) lang und 9 feet Durchmesser, entstand 1869 von der ''Beach Pneumatic Transit Company'' im Erdreich unterhalb des [[Broadway (Manhattan)|Broadway]]. Im ersten Jahr transportierte sie über 400.000 Passagiere und sie ging erst 1874 außer Betrieb. Diese Systeme konnten sich aber nicht im Personentransport gegen die [[U-Bahn]] durchsetzen, wo mit Erfolg zuerst [[Dampflokomotive]]n und bereits ab 1890 elektrische Lokomotiven eingesetzt wurden.


Der Franzose [[Abbé Moigno]] richtete zur Beförderung von Postgut mit Druckluft 1852 eine Versuchsstrecke ein, die letztlich dazu führte, dass der Franzose [[Galy Cazalar]] und der Engländer [[Josiah Latimer Clark]] unabhängig voneinander 1854 entsprechende Landespatente einreichten. Sie beschrieben eine technische Einrichtung, mit der in Blechbüchsen eingeschlossene kleine Pakete und Briefe bei hoher Luftverdünnung oder -verdichtung durch Röhren zu einem nicht sehr weit entfernten Ort befördert werden konnten.
== Rohrpostnetze in Deutschland ==
[[Bild:Rohrpost_Berlin_Planung_1873.jpg|200px|thumb|<small>Planung für die Berliner Rohrpost 1873</small>]]


=== Funktionsweise ===
Die maßgebliche Motivation zur Entwicklung der Rohrpost war die starke Erhöhung des Telegrammaufkommens, welche es nicht mehr gestattete, dass alle Telegramme auch tatsächlich innerstädtisch weitertelegraphiert werden konnten. Eine Rolle spielte dabei auch, dass der Lohn eines guten [[Telegrafenbeamter|Telegrafenbeamten]] den einer ungelernten Bedienung bei der Rohrpost weit überstieg. Somit wurden sie in der größten Zahl aller Fälle, wenigstens im innerstädtischen Verkehr, als handschriftlich ausgefüllte oder mit Tickerstreifen beklebte Formulare per Rohrpost befördert und erhielten z. B. in Berlin seit ca. 1900 auch entsprechende Rohrpostabstempelungen.
Mit Hilfe eines elektrisch angetriebenen [[Verdichter]]s wird der nötige [[Unterdruck|Sog]] oder Druck (oder kombiniert an Ein- und Ausgangspunkten gleichzeitig) erzeugt, um die zylindrischen Behälter (Büchsen), in denen das Transportgut verschickt werden soll, durch verlegte Rohre zu befördern. Der Durchmesser der Büchsen ist nur geringfügig kleiner als der Innendurchmesser der einheitlichen Rohre. An Ein- und Ausgangspunkten werden diese Büchsen eingelegt und bei Mehrpunktanlagen das Ziel mit einer Eingabe in der Steuerung bestimmt. Um jeden Ausgangspunkt zu erreichen, werden elektronisch gesteuerte Weichen eingebaut, die bis zu vier Verteilungen zulassen. Bei mittleren und großen Systemen erfolgt die Steuerung durch Computer. Um das empfindliche Transportgut zu schützen, werden die Büchsen vor jeder Station pneumatisch abgebremst. Das kleinste Rohrpost-System ist die 2-Punkt-Anlage. Sie funktioniert nur in Hin- und Rückrichtung. Eine größere Version kommt z.&nbsp;B. bei der [[Bargeld]]entsorgung zum Einsatz. Hierbei wird das Geld von den Kassen eines Supermarktes oder Bankschalters direkt in den Tresor oder einen Sicherheitsbereich geschickt. Solch ein Einliniensystem kann bis zu 99 Ein- und Ausgabepunkte haben bei individueller Zuordnung jeder einzelnen Station. Die größte Rohrpostanlage ist das Mehrliniensystem. Ein solches System hat bis zu 512&nbsp;Stationen und bis zu 64&nbsp;Linien.
Die Büchsen können je nach Bauweise und Anwendungszweck, z.&nbsp;B. lange gerade Einzelstrecken, mit bis zu 11 Metern pro Sekunde (rund 40&nbsp;km/h) durch das Röhrensystem befördert werden. Normale Geschwindigkeiten bewegen sich im Bereich von sechs bis acht Metern pro Sekunde, bei sensiblen Sendungen auch nur mit zwei bis drei Metern pro Sekunde. Es können, je nach Anlage, auch mehrere Büchsen gleichzeitig (Zug) befördert werden.


Die durch den [[Luftdruck]] auf die Büchse wirkende Kraft, die sich aus dem Produkt des Differenzdrucks und der Querschnittsfläche ergibt, muss ausreichen, um ihre Gewichtskraft bei Aufwärtstransport plus Reibungskräfte zu überwinden. Die Büchsen bestehen aus transparentem, leichtem Kunststoff und besitzen oft einen Bajonettverschluss. An den beiden Enden befinden sich kuppelartige Abschlüsse, um das Anstoßen in den gepufferten Endstationen abzumildern.[[Datei:Pneumatic tube system 01.jpg|mini|Rohrpoststation]]
[[Bild:RohrpostnetzplanMünchen.png|200px|thumb|<small>Rohrpostnetzplan München</small>]]


Rohrkurven können Radien von 5 bis 10 Rohrdurchmessern haben. Für die Kurvengängigkeit müssen die Büchsen mittig tailliert sein, und die beiden Dichtringe müssen nach außen ausreichend weit vorstehen. Die Dichtringe, die einen Abstand von etwa 3 bis 5 Rohrdurchmessern haben und aus Textilflausch bestehen, sind die einzigen Bestandteile der Büchse, die mit der Innenwand der Rohre in Kontakt kommen.


Frühere Fernrohrpostanlagen, die einer Kühlung<ref>[[Hans Tonn]]: ''Die Kühltechnik der Fernrohrpost.'' 1935.</ref> bedurften, dienten überwiegend der schnellen Brief- und [[Telegramm]]beförderung zwischen wichtigen [[Postamt|Postämtern]] innerhalb einer Stadt (wie die [[Rohrpost in Hamburg]], die [[Rohrpost in Berlin]] oder die [[Rohrpost in München]] aber auch die [[Rohrpostnetze in Amerika]] und viele in anderen Ländern, siehe unten).
Kleinere 2-Punkt-Systeme sind häufig in kleineren Arztpraxen mit Labor zu finden. Die Kosten einer solchen Anlage liegen etwa bei 3200&nbsp;Euro ''(Stand Januar 2010)''.


== Städtische Rohrpostnetze ==
Neben Berlin und München gab es zunächst von der Reichspost und dann von der Bundespost betriebene Rohrpostanlagen von sehr unterschiedlicher Länge in Düsseldorf, Hamburg, Leipzig, Stuttgart sowie in ca. zehn weiteren Städten. Mit diesen Rohrposten beförderte Sendungen – in der Regel Eilsendungen, nachgesandte Sendungen oder innerorts weitergeleitete Flug- und Eilsendungen mit anderer Destination – sind nur an einem vorder- oder rückseitig abgeschlagenen, schwarzen Stechuhrstempel (Leipzig), an einem i.d.R. vorderseitig abgeschlagenen, roten Beförderungsstempel „In Hamburg mit Rohrpost“, rückseitigem Stechuhrstempel in Düsseldorf oder anderen Vermerken zu erkennen.
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-61662-0003, 50 Jahre Postscheckamt Berlin.jpg|mini|Postscheckamt in Berlin (1959)]]


Die erste Rohrpost wurde 1853 von [[Josiah Latimer Clark]] in London gebaut. Es war eine 220&nbsp;[[Yard]]s (ca. 200&nbsp;m) lange Verbindung zwischen der [[London Stock Exchange]] und dem Central Telegraph Office. Ähnliche Verbindungen zwischen einem Telegraphenamt und der Börse entstanden 1865 in Berlin und 1866 in Paris.


Diese ersten Anlagen waren nur zum Transport kleiner Gegenstände geeignet, so hatte z.&nbsp;B. die Londoner Anlage einen Durchmesser von 1,5&nbsp;[[Zoll (Einheit)|Zoll]] (3,81&nbsp;cm). Clark gründete später zusammen mit T. W. Rammell die ''Pneumatic Despatch Company'', die 1861 eine 30&nbsp;Zoll (76,2&nbsp;cm) Röhre baute, in der Lasten bis zu 3&nbsp;Tonnen transportiert werden konnten. Diese ''Pneumatic Dispatch Railway'' war bis 1874 in Betrieb. Ähnliche Anlagen gab es in New York: Eine 1867 gebaute 107&nbsp;[[Fuß (Einheit)|Fuß]] (32,6&nbsp;m) lange und 6&nbsp;Fuß (1,83&nbsp;m) im Durchmesser große Anlage von [[Alfred Ely Beach]], die zwölf Personen transportieren konnte. Eine noch größere Anlage, 312&nbsp;Fuß (95&nbsp;m) lang und mit 9&nbsp;Fuß (2,74&nbsp;m) Durchmesser, entstand 1869/1870 im Felsen unterhalb des [[Broadway (Manhattan)|Broadway]]. Im ersten Jahr transportierte der [[Beach Pneumatic Transit]] über 400.000&nbsp;Passagiere, sie ging 1873 außer Betrieb. Diese Systeme konnten sich nicht im Personentransport gegen die [[London Underground]] durchsetzen, bei der mit Erfolg zuerst [[Dampflokomotive]]n und bereits ab 1890 elektrische Lokomotiven eingesetzt wurden.
==== Rohrpost Berlin ====
[[Bild:Rohrpost_Berlin_portofreier_Dienstumschlag_1946.jpg|200px|thumb|<small>Portofreier Rohrpostdienstumschlag 1946 in Berlin verwendet</small>]]
Eine der größten Anlagen dieser Art war die [[Rohrpost Berlin]] mit einer maximalen Streckenlänge von fast 400 km im Jahr 1940. 79 Post- und Telegraphenämter waren angeschlossen und bearbeiteten zu dieser Zeit rund 8 Mio. Sendungen jährlich. Diese Anlage wurde am 1. Dezember 1876 in Betrieb genommen. Es konnten Postkarten und Briefe bis zu einem Gewicht von 20 Gramm (Maximalmaß: 14×9 cm) verschickt werden. Der Betrieb der Berliner Rohrpost wurde 1976 endgültig eingestellt. Abgebildet ist ein portofreier Dienstumschlag der Rohrpost Berlin, der im Jahre 1946 in Folge des allgemeinen Materialmangels als Umschlag einer Dienstsendung des Telegraphenbauamtes aufgebraucht wurde. Die Verwendung dieses Umschlags zu dieser Zeit durch die damals noch nicht der Öffentlichkeit zugängliche und im Krieg weitgehend zerstörte Berliner Rohrpost ist wenig wahrscheinlich.


==== Rohrpost Düsseldorf ====
=== Rohrpostnetze in Europa ===
In Europa gab es die folgenden Rohrpostnetze:
[[Bild:Rohrpost_Wien_Fern-Eilboten-Lp-Brief_von_Wien_nach_Düsseldorf_1938.jpg|200px|thumb|<small>Luftpost-Eilbotenbrief aus der Rohrpost Wien nach Düsseldorf mit Bearbeitungsmerkmalen der Rohrpost Düsseldorf</small>]]


* Belgien: [[Metro Brüssel#Brüsseler Rohrpost|''Brüsseler Rohrpost'']]

* England und Schottland: Birmingham, Glasgow, Liverpool, London, Manchester, Newcastle

* [[Rohrpostnetze in Frankreich]]: Paris (1866 (1879 öffentlich) – 1984) und Marseille (1910–1964)

* [[Rohrpostnetze in Böhmen]] existieren in [[Prager Rohrpost|Prag]] (ab 1887, seit den Überschwemmungen des Jahres 2002 nicht mehr in Betrieb) und [[Karlsbad]] (nur wenige hundert Meter lang). Wahrscheinlich hat zur Zeit der KuK-Monarchie auch eine Rohrpost in Triest bestanden. Auf italienischsprachigen Telegrammformularen der KuK-Postverwaltung für Triest gibt es den vorgedruckten Hinweis auf den Transport von Telegrammen durch die ''posta pneumatica''.














In Düsseldorf existierte eine kurze Rohrpostverbindung, über die der dienstinterne Transport von Eilbriefen etc. abgewickelt wurde.

==== Rohrpost Hamburg ====
[[Bild:Stpl_Hamburg_TA_Eilbriefe_1954.jpg|100px|thumb|<small>Stempel der Hamburger Rohrpost mit 10-Minutenangabe</small>]]















Die Stempel des Hamburger Telegraphenamtes (Inschrift ''Eilbriefe'' etc.) wurden frühzeitig auf den 10-Minutentakt eingestellt, weil neben der Rohrpost vor allem auch ein Netz von Straßenbahnbriefkästen existierte, welches im Takt der Straßenbahn Postsendungen zur weiteren Verarbeitung anlieferte, deren pünktliche Bearbeitung zu dokumentieren war.


==== Rohrpost Leipzig ====
[[Bild:rohrpost_leipzig_eilbrief_aus_dem_generalgouvernement_1917.jpg|200px|thumb|<small>Eilbrief nach Leipzig, dort per Rohrpost befördert (erkennbar an den senkrechten Rohrpost-Stechuhrstempel auf der linken Seite) </small>]]












In Leipzig eingehende, durchgehende und eingelieferte Eilbriefe (sowie nachzusendende Briefe) wurden durch ein postinternes Rohrpostnetz zur weiteren Bearbeitung befördert. Nach vorliegenden Berichten wurde der oberste Brief eines per Rohrpost zu befördernden Gebindes von Briefen mit dem Stechuhrstempel der Leipziger Rohrpost versehen. Bei der Ankunft konnte sich diese Prozedur wiederholen, sodaß auch Briefe mit zwei Abdrucken des Rohrpost-Stechuhrstempels (je einen auf der Vorder- und Rückseite) vorkommen.

==== Rohrpost München ====
[[Bild:Rohrpost_München_R-Eil-Rohrpostkarte_1940.jpg|200px|thumb|<small>Einschreib-Eilboten-Rohrpostkarte, 1940 mit der Münchener Rohrpost versandt</small>]]
Am 1. August 1922 wurde das Rohrpostnetz in München für den allgemeinen Betrieb eröffnet, dessen Fertigstellung durch den Ersten Weltkrieg verzögert wurde. In München waren Briefe bis zu einem Höchstgewicht von 100 g und einem Maximalmaß von 20×14 cm zugelassen. Die Briefe mussten auf einen Durchmesser von 4 cm rollbar sein. Wie in den meisten anderen Städten mit Rohrpostverbindungen, entstand auch das Münchener Rohrpostnetz zunächst, um die anschwellende Flut von Telegrammen zu bewältigen, die nicht mehr alle über innerstädtische Telegraphenleitungen weitergeleitet werden konnten. Früheste Bearbeitungsvermerke von Telegrammen in München, die auf eine Rohrpostbeförderung hinweisen, finden wir seit ca. 1875 in Form von Numeratorstempeln, die auf der Anschriftseite der Telegramme abgeschlagen wurden. Solche Numeratorstempel wurden von der Münchener Rohrpost bis zu ihrer Schließung in den 1960er Jahren verwendet. Abgebildet ist eine Rohrpostganzsachenkarte mit dem Wertstempel 55 Rpf Hindenburg-Medaillon, die im Jahre 1940 als Rohrpost-Einschreiben-Eilboten-Ortspostkarte verwendet wurde.

== Rohrpostnetze in Europa ==

In Europa gab es wenigstens die folgenden Rohrpostnetze:

* England: Birmingham, Glasgow, Liverpool, London, Manchester, Newcastle,
* Frankreich: Paris und Marseille (1910 – 1964)
* KuK-Monarchie respektive Österreich und CSR, CSSR, Tschechien: Prag (ab 1887), Wien und – nur wenige hundert Meter lang – in Karlsbad. Wahrscheinlich hat zur Zeit der KuK-Monarchie auch eine Rohrpost in Triest bestanden. Auf italienischsprachigen Telegrammformularen der KuK-Postverwaltung für Triest gibt es den vorgedruckten Hinweis auf den Transport von Telegrammen durch die ''posta pneumatica''.
* Irland: Dublin
* Irland: Dublin
* Italien: Florenz (eventuell), Genua (bereits seit den 1850er Jahren ca. 12 km), Mailand, Neapel, Rom und wahrscheinlich auch Triest,
* [[Rohrpostnetze in Italien]] befanden sich in Florenz (eventuell), Genua (bereits seit den 1850er Jahren ca. 12&nbsp;km), Mailand, Neapel, Rom und ggf. auch Triest (s. o.)
* Rom/Vatikanstadt: einen Rohrpostanschluss zum römischen Rohrpostnetz (Stempel mit der Inschrift Città del Vaticano / posta pneumatica sind belegt)
* Die [[Vatikanstadt]] hatte einen Rohrpostanschluss zum römischen Rohrpostnetz (Stempel mit der Inschrift ''Città del Vaticano / posta pneumatica'' sind belegt)
* Tschechien: Prag, ist nach den Überschwemmungen des Jahres 2002 wieder in Betrieb.


=== ČSR / ČSSR / Tschechien ===
==== Deutschland ====
Größere innerstädtische [[Rohrpostnetze in Deutschland]] gab es in [[Rohrpost in Berlin|Berlin]], Chemnitz, Düsseldorf, Frankfurt am Main, [[Rohrpost in Hamburg|Hamburg]], Leipzig, Nürnberg, [[Rohrpost in München|München]] und Stuttgart.[[Datei:Rohrpost Berlin DSC00131.jpg|mini|Rohrpostnetz Berlin]]
==== Rohrpost Prag ====
[[Bild:rohrpost_prag_linienplan.jpg|200px|thumb|<small>Pražská potrubní pošta, Streckenplan der Prager Rohrpost (gegenwärtiger Zustand)</small>]]


In Hamburg gab es von 1962 bis 1976 eine weltweit einmalige Großrohrpost der Deutschen Bundespost mit 45&nbsp;cm Innendurchmesser der zwei Fahrröhren. Diese verliefen zwischen der Hauptpost&nbsp;3 (Hühnerposten, Nähe Bahnhof) und dem Postamt&nbsp;11 in der Innenstadt (Alter Wall) auf zwei großteils verschiedenen Routen von je etwa 1,8&nbsp;km Länge. In eine „Büchse“ (Transportbehälter) passten 2000&nbsp;[[Standardbrief|Normalbriefe]]. Die Versuchsanlage wurde abgebaut, einige Rohre verblieben im Untergrund. Geführte Besichtigungen führen zu Relikten.<ref>[http://www.hamburgerunterwelten.de/Stadtspaziergang-Grossrohrpost.html Eine Wanderung auf den Spuren der Großrohrpost] Hamburger Unterwelten e.&nbsp;V., 2015. Abgerufen am 28. August 2019.</ref>


==== Österreich ====
In Österreich gab es von 1875 bis 1956 ein [[Rohrpost in Wien|Rohrpostnetz in Wien]]. In [[Graz]] gab es eine Rohrpostverbindung im Untergrund zwischen dem Telegraphenamt (errichtet 1927/1931), bei dem [[Telegramm]]e ehemals als Text auf Papierstreifen aufgenommen und der Telegrammzustellung im Gebäude der damaligen Hauptpost&nbsp;8010, Neutorgasse am nächsten Häuserblock zugeschickt wurden. Als das Postamt um 2000 im Gebäude umzog, wurde die Rohrpoststation abgebaut.


==== Schweiz ====
Die [[Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe|schweizerische PTT]] betrieb seit 1913 Stadtrohrpostnetze in [[Basel]], [[Bern]], [[Genf]], [[Lausanne]] und [[Zürich]],<ref name="Delucchi">Rachele Delucchi: [https://www.tg.ethz.ch/fileadmin/redaktion/dokumente/Produkte/Preprints_Delucchi_34.pdf Eine Nischenangelegenheit - Zur Geschichte der Stadtrohrpost in der Schweiz (ca. 1920-1927)]</ref> an denen sich insbesondere die Banken zur Abwicklung ihres [[Clearing]]verkehrs beteiligten. Rachele Delucchi schrieb 2020 zur Bedeutung der Rohrpost, diese habe «gerade im stillen, regelmäßigen, sicheren unterirdischen Funktionieren, im wertvollen, exklusiven Verkehr» gelegen.<ref name="Delucchi"/>
Die Basler Anlage mit 35 Stationen wurde 1961 von [[Siemens]] auf vollautomatischen Betrieb umgestellt. Zwischen 1974 und 1981 wurden noch neue PVC-Rohre mit NW100 verlegt; 1997 wurde der Betrieb jedoch wegen hoher Unterhaltskosten eingestellt.<ref>[http://barfi.ch/Titelgeschichten/Blick-in-die-Roehre-Basels-vergessene-Stadtrohrpost/ barfi.ch: ''Blick in die Röhre: Basels vergessene Stadtrohrpost'']</ref>


==== Niederlande ====
Fotografien von C. August Schmidt & Söhne (Hamburg) zeigen, dass dieses Unternehmen in den 1930er Jahren eine versandfertige Rohrpostanlage für Amsterdam hergestellt hatte. Ob die Anlage geliefert und montiert wurde, ist nicht bekannt. Nach einem Empfehlungsschreiben von [[Mix & Genest]] hatte Rotterdam eine Stadtrohrpostanlage mit zwei Stationen und 1400 m Transportrohr.


=== Außereuropäische Rohrpostnetze ===
==== Rohrpostnetze in Amerika ====
{{Hauptartikel|Rohrpostnetze in Amerika}}


Die größte Rohrpostanlage in Amerika, die auch Päckchen transportieren konnte, existierte in [[New York City]]. Daneben bestanden Anlagen in [[Boston]], [[Chicago]], [[Philadelphia]] und [[St. Louis]]. Außerdem hat es Rohrpostanlagen in [[Buenos Aires]] (Argentinien) als ''expreso urbano'' (Stadtschnellverkehr) des Telegraphenamtes sowie in [[Rio de Janeiro]] und [[São Paulo]] gegeben. In Brasilien wie in Argentinien sind die Rohrpostganzsachen von der Telegraphenverwaltung herausgegeben worden, was auf den ursprünglichen Sinn des Rohrpostnetzes zur Beschleunigung der Telegrammübermittlung in Großstädten hinweist.


==== Afrika ====
[[Algier]] besaß eine Rohrpostanlage, die wenigstens bis kurz nach dem Ende der französischen Kolonialherrschaft noch in Betrieb war (Betriebsdauer vom 4.&nbsp;April 1910 bis zum 5. Juli 1962) und, so weit bekannt geworden ist, teilweise als ''exprès urbain'' (Stadtschnellverkehr) auch mit anderen Transportmöglichkeiten versorgt wurde. In Algier wurden zunächst Rohrpostganzsachen der französischen Post verwendet. Im Jahre 1938 wurde dann eine eigene Rohrpostganzsache für Algier herausgegeben, die für die Verwendung im ''exprès urbain'' vorgesehen war.


=== Das Überleben der Rohrpost ===


Auch nach der Aufhebung der Rohrpost für den öffentlichen Postverkehr wurde das Netz postintern weiter genutzt, so für die Beförderung von eingegangenen Eilbotensendungen zum Zustellpostamt.
<gallery>
Rohrpost Buenos Aires Kartenbrief Vsa.jpg|Kartenbrief der Rohrpost in [[Buenos Aires]], ca. 1920
Rohrpost Sao Paulo 1916.jpg|Bedarfsgebrauchte Rohrpostkarte der Rohrpost in São Paulo aus dem Jahre 1916. Die Karte ist durch einen offiziellen Handstempelaufdruck der Telegraphenverwaltung von 300 Reais auf 500 Reais aufgewertet worden.
Rohrpost München 1972 Vs.jpg|Eilbrief nach München aus dem Jahre 1972 mit vorderseitigem Abschlag des Rohrpost-Numeratorstempels.
Rohrpost München 1972 Rs.jpg|Eilbrief nach München aus dem Jahre 1972 mit rückseitigen Bearbeitungsvermerken und Eingangsstempel des Telegraphenamtes München.
</gallery>


=== Abstempelungen ===
[[Datei:Timbres poste pneumatique de Paris 5-min.jpg|mini|Zwei Tagesstempel der Pariser Rohrpost mit 5-Minuteneinstellung, zwischen 1902 und 1930 im Einsatz. Hier: 22. Oktober 1902 08:35 Uhr, 14. Januar 1927 10:25.]]


In den Rohrpostbezirken der Rohrpost in Berlin und der Rohrpost in Hamburg wurden bei den angeschlossenen Postämtern Tages- oder auch Sonderstempel mit Stunden- und Minutenangaben, üblicherweise in 10-Minuten-Abständen verwendet (siehe oben).


Abstempelungen bei der Rohrpost dienen dem Zweck, minutengenau zu dokumentieren, zu welcher Zeit die Sendung angenommen und gemäß dem Fahrplan weiterbefördert worden ist. Dies war mit den frühen Stempeln, in die die beweglichen Elemente gesteckt wurden, umständlich. Sobald Stempel mit drehbaren Elementen zum Einsatz kamen, war eine Beschleunigung dieses Vorgangs möglich, sodass zunächst im Abstand von 15&nbsp;Minuten, dann im Abstand von 10&nbsp;Minuten und schließlich im Abstand von 5&nbsp;Minuten die Uhrzeitgruppe verändert werden konnte. Die minutengenaue Dokumentation der Behandlung der Sendung wurde möglich, als die Stechuhrstempel eingeführt wurden. Hier trieb ein Uhrwerk die Uhrzeitgruppe des Stempels an, wodurch ohne weiteres menschliches Zutun eine zeitgenaue Einstellung des Stempels gewährleistet war.


Stempel mit 5-Minuteneinstellung sind aus Paris bekannt, während in Marseille lediglich die üblichen [[Tagesstempel]] verwendet wurden. Rohrpostsendungen in Marseille sind somit nur durch das entsprechende Porto, den üblichen Hinweis „pneumatique“ sowie den üblicherweise vom gleichen Tag stammenden vorder- oder rückseitigen Ankunftsstempel des Zustellpostamtes zu erkennen.
Im Jahre 1889 eingeführt funktioniert die Rohrpost in Prag (''Pražská potrubní pošta'') bis heute. Sie ist damit das einzige und letzte auch der Öffentlichkeit zugängliche postalisch genutzte Rohrpostsystem der Welt. Die Abbildung gibt die aktuell verfügbaren Strecken wieder.


=== Postwertzeichen ===
==== Rohrpost Karlo Viváry / Karlsbad ====


Speziell für die Rohrpost herausgegebene Briefmarken gab es nur in Italien. Sie werden in den italienischen Katalogen in der Regel hinter den Eilbotenmarken unter der Spezialrubrik ''posta pneumatica'' erfasst. In Frankreich wurde ein Wertstempel (ein eingedrucktes Postwertzeichen) des Typs ''Chaplain'' eingesetzt, der über einhundert Jahre lang ausschließlich auf Ganzsachen (Briefumschläge, Kartenbriefe oder Postkarten mit eingedruckten Wertzeichen) und ebenso auf Telephonbilletts Verwendung fand. Es ist hierbei bemerkenswert, dass dieser Wertstempel in allen Wertstufen die Inschrift ''TÉLÉGRAPHE'' aufweist, was dafür steht, dass das Pariser Rohrpostsystem zunächst tatsächlich für den Transport von Telegrammen eingerichtet worden ist und vor der Vereinigung mit dem Postsystem nicht der Postregie, sondern dem für die Telegraphie zuständigen Schatzministerium unterstand. (Der Wertstempel vom Typ Chaplain mit der Inschrift ''TÉLÉGRAPHE'' wurde zunächst auch für französische Telephonbillets verwendet, bis dann die Inschrift durch das Wort ''TÉLÉPHONE'' ersetzt wurde.) Ebenso weisen brasilianische Rohrpostganzsachen einen eigens für sie geschaffenen Wertstempel auf.
=== Frankreich ===
==== Rohrpost Paris ====
[[Bild:Réseau_pneumatique_de_Paris_en_1868.jpg|200px|thumb|<small>Réseau_pneumatique_de_Paris_en_1868.jpg</small>]]
Im Jahr 1866 entstand eine erste Rohrpostlinie zwischen der Börse und dem nächsten Telegrafenamt. In den folgenden Jahren wurde diese Verbindung zu einer Einwegeverbindung mit Zwischenstation bei mehreren öffentlichen Telegrafenämtern und einer direkten Zweiwegeverbindung ausgebaut. 1879 wurde die Rohrpost der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und daraufhin entstanden in den kommenden Jahrzehnten viele neue Verbindungen und auch der Übergang von der 65 mm zur 80 mm Röhre. Seine größte Ausdehnung erreichte das Rohrpostnetz von Paris im Jahre 1934 mit 467 km Länge.


Im Gegensatz zum langlebigen Wertstempel vom Typ Chaplain in Frankreich wurde in Deutschland zu Beginn der Inflationszeit ein Wertstempel entwickelt, der ausschließlich für die Rohrpostganzen verwendet wurde und nur zwei Jahre lang im Einsatz war. Er liegt vor in den Wertstufen von 200&nbsp;Pfennigen und 80&nbsp;Mark für Rohrpostkarten sowie 225&nbsp;Pfennigen und 100&nbsp;Mark für Rohrpostumschläge.


In Argentinien, Brasilien, Deutschland, Frankreich, Österreich und der Tschechoslowakei wurden eigene Ganzsachen für die Rohrpost herausgegeben, die als gebrauchte Stücke eine hervorragende Dokumentation des postalischen Rohrpostwesens darstellen.


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Wertstempel Typ Chaplain 2 Fr.jpg|Wertstempel vom Typ Chaplain, der nur für den Druck von Rohrpostganzsachen verwendet wurde, im Werte von 2 Fr., 1939 gebraucht.
Berlin Rp 21 Kt 200 Pf + 38 Mk 1.1.1923 Detail.jpg|Rohrpost-Wertstempel 200 Pf
Berlin Rp 21 Kt 200 Pf + 38 Mk 1.1.1923.jpg|Rohrpostkarte mit eingedrucktem Wertstempel 200 Pf, der nur für den Druck von Rohrpostganzsachen verwendet wurde, mit 38 RM Zusatzfrankatur als Rohrpostkarte in Berlin am 1. Januar 1923 gebraucht.
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== Die moderne Rohrpost ==
[[Datei:Rohrpost Station.jpg|mini|Eine Rohrpoststation]]


Heutzutage werden Rohrpostanlagen überwiegend innerhalb von Gebäuden eingesetzt, beispielsweise im Handel zur Geld- oder Buchbeförderung und in Krankenhäusern zum internen Versand von Blutproben, Krankenakten, Befunden und Formularen. So werden in der [[Charité|Berliner Charité]] täglich rund 3500&nbsp;Patientenproben, Röntgenbilder oder Analysematerialien zwischen den Stationen und den Labors schonend und schnell befördert. Eine der modernsten und jüngsten Anlagen dieser Art wurde im [[Universitätsklinikum Heidelberg|Heidelberger Universitätsklinikum]] installiert. Dort verbindet ein rund 25&nbsp;km langes Röhrensystem mit mehr als 100 Linien über vielfältige Verzweigungen 152&nbsp;Stationen. Mit [[Transponder]]technologie finden täglich etwa 3800&nbsp;Proben ihren Weg von den Stationen ins Labor.
Nach 1931 gab es erste Versuche die Sortierung der Rohrposthüllen in den Telegrafenämtern zu automatisieren und damit den Transport weiter zu beschleunigen, da die Telegrafentechnik verbessert wurde.


Am [[Universitätsklinikum des Saarlandes]] in [[Homburg]] arbeitet eine der modernsten und größten Anlagen weltweit mit über 70&nbsp;Linien und ca. 200&nbsp;Stationen. <!--Aktuell wird die inzwischen 35&nbsp;Jahre alte Rohrpostanlage der [[Medizinische Hochschule Hannover|Medizinischen Hochschule Hannover]] komplett modernisiert.-->Sie ist über 60&nbsp;km lang und hat über 600&nbsp;Stationen. Das Besondere an dieser Anlage ist, dass alle Verbindungen nur mit Unterdruck und nicht mit Überdruck funktionieren. Jede Station hat ein Sende- und auch ein Empfangsrohr, dadurch ist ein wesentlich größeres Transportvolumen möglich. In der Medizinischen Hochschule werden derzeit über 3000 Büchsen im Verlaufe eines Tages versendet. Durch die Zusammenlegung von Kliniken werden Rohrpostanlagen interessanter, da die Anbindung neuer Erweiterungsgebäude längere Wege innerhalb der Klinik nach sich zieht.


Die Modernisierung zielt auch darauf ab, nicht nur Proben, sondern auch Blutkonserven zu transportieren. Hierbei spielen Gewicht, Beförderungszeit, Hämolyse und Flieh- und Beschleunigungskräfte eine Rolle. Um zu vermeiden, dass Bakterien oder Viren in die Fahrröhren gelangen, werden HEPA-Filter eingesetzt.<ref>[https://www.swisslog-healthcare.com/de-de/unternehmen/blog/rohrpost Die Rohrpost - das steckt dahinter], 9. September 2021, zuletzt abgerufen am 28. Juli 2022.</ref>
[[Bild:100-Jahre-Rohrpost-Paris.jpg|200px|thumb|<small>100-Jahre-Rohrpost-Paris.jpg</small>]]


Besonders zeitkritisch sind Gewebeproben von laufenden Operationen, sie können im Rohrpostlauf gegenüber weniger dringenden Sendungen bevorrangt werden.<!--Info: Sumetzberger, orf.at 6.11.2016-->


Rohrpostanlagen in Warenhäusern dienen dazu, die einzelnen Kassen mit der Hauptkasse zu verbinden, um eingenommenes Bargeld abzuliefern oder Geld zu wechseln. Die zunehmende Akzeptanz der bargeldlosen Zahlung mittels EC-Karte und Kreditkarte lässt die durch die Rohrpostanlagen gewonnene Sicherheit vor Überfällen aber an Bedeutung verlieren.
Mit dem 100. Jahrestag der Pariser Rohrpost, aus dessen Anlaß die französische Post die nebenstehende Briefmarke herausgab, zeichnete sich auch bereits ihr nahendes Ende ab, was an dem sinkenden Aufkommen der Rohrpostsendungen abgelesen werden kann.


Weitere Anwender für moderne Rohrpostanlagen finden sich in der Chemieindustrie, in Stahlwerken, in Papierfabriken und in der Automobilindustrie. So ließ der französische Automobilhersteller [[Peugeot]] 1998 im Werk [[Sochaux]] eine Rohrpostanlage installieren, um die Produktionslinien mit den passenden Schließgarnituren für Tür- und Kofferraumschlösser zu versorgen.
1945: 11.271.228 Sendungen


Moderne Systeme für „Kommunikation und Transportautomation“, wie solche Anlagen von den Herstellern genannt werden, sind in der Lage, bis zu 28&nbsp;kg schwere Dokumente, Waren oder Werkstücke mit einer Länge von 50&nbsp;cm und einem Durchmesser von bis zu 30&nbsp;cm zu befördern. Hierbei können Röhrensysteme mit über 100 Linien und über 1000&nbsp;Stationen realisiert werden.
1958: 4.568.456 Sendungen


Im 2000 fertiggestellten [[Klinikum Erfurt]] wurde eine Krankenhausrohrpostanlage mit 35 Sende- und Empfangsstationen miterrichtet und bis 2011 auf 69 Stationen erweitert. Sie weist eine am Bildschirm dargestellte Betriebsüberwachung auf, dokumentiert jede einzelne Versendung (typisch 1500 pro Tag) und ist fernsteuer- und fernwartbar. Sendungen können umgeleitet, ein Sendungseingang kann per E-Mail gemeldet werden. Eine Studie des Klinikums evaluierte, dass Blutproben durch ausreichend schonenden Transport – Abbremsen der Hülsen auf einem Luftpolster – unverfälscht ankommen. An den Weichen und Endstationen wird durch Schleusen und Luftführung darauf geachtet, mit der Transportluft möglichst keine Keime durch das Krankenhaus zu bewegen.<ref>[https://www.youtube.com/watch?v=aJNDjOc0qjw Sumetzberger Krankenhausrohrpost - Deutsch] Ing.Sumetzberger GmbH, youtube.com, 19. April 2011, abgerufen am 23. April 2020. Video (8:22)</ref>
1973: 3.500.000 Sendungen (ca.)


Das 2001 fertiggestellte [[Bundeskanzleramt (Berlin)|Bundeskanzleramt]] in Berlin verfügt ebenfalls über ein Rohrpostsystem, mit dem bis zu 2400 Vorgänge monatlich versendet werden (April 2019).<ref>[https://www.n-tv.de/politik/Digitalministerin-schwoert-auf-Rohrpostsystem-article20978877.html Abhören und Hacken unmöglich: Digitalministerin schwört auf Rohrpostsystem], [[n-tv]], 20. April 2019, abgerufen am 20. April 2019.</ref> Es handelt sich um ein Zweiliniensystem mit 36 Stationen und einer Länge von rund 1300 Metern.<ref>[https://www.spiegel.de/politik/deutschland/rohrpostanlage-im-kanzleramt-bleibt-im-betrieb-auch-aus-schutz-gegen-spionage-a-ebc4f43e-3a40-42a0-b9ea-43e3e64f8f8e Rohrpostanlage im Kanzleramt bleibt weiter in Betrieb], [[SPIEGEL]], 11. Januar 2024, abgerufen am 11. Januar 2024.</ref>
[[Bild:Réseau_pneumatique_de_Paris_en_1971.jpg|200px|thumb|<small>Réseau_pneumatique_de_Paris_en_1971.jpg</small>]]


Im Juni 2016 erhielt das [[Sozialmedizinisches Zentrum Süd – Kaiser-Franz-Josef-Spital|Kaiser-Franz-Josef-Spital]] in Wien eine moderne Rohrpostanlage, die Blutproben sanft ins Analyselabor sendet. Die Wartezeiten auf die Befundung konnten so auf unter eine Stunde gesenkt werden.<ref>[http://wien.orf.at/news/stories/2789315/ KFJ-Spital setzt auf historische Rohrpost], orf.at, 5. August 2016, abgerufen am 5. August 2016.</ref>


=== Nachttresor ===
Sowohl das Einwerfen von standardisierten Büchsen (typisch abgerundet zylindrisch, aus Blech) mit dem Tagesumsatz von Geschäftsleuten in die Aufnahmeapparatur des [[Nachttresor]]s der Hausbank als auch – insbesondere auf Tankstellen – vom Kassenraum in einen im Boden oder Nachbarraum befindlichen Tresor dienen der Sicherung von Bargeld vor nächtlichem unbefugtem Zugriff. Zum Unterschied von Rohrpost läuft die Sendung nur in einer Richtung und – zumindest anfangs – rein schwerkraftgetrieben.


=== Hersteller ===
Der weltweite Markt für Rohrpostsysteme gilt als stark fragmentiert, das heißt, es gibt viele Anbieter, ohne dass einer eine dominierende Stellung erreicht hätte. Eine Studie des Marktforschungsinstituts Mordor Intelligence aus Indien nennt als wichtigste Hersteller [[Swisslog Healthcare]] ([[Buchs AG]], [[Schweiz]]), Aerocom ([[Schwäbisch Gmünd]], [[Deutschland]]), Eagle Pneumatic ([[Lakeland (Florida)|Lakeland, Florida]], [[Vereinigte Staaten]]), Air-Log ([[Oldenburg (Oldb)|Oldenburg]], Deutschland) und Hanter Ingenjörsteknik ([[Gånghester och Målsryd|Gånghester]], [[Schweden]]).<ref>Mordor Intelligence: ''[https://www.mordorintelligence.com/industry-reports/pneumatic-tube-systems-market Pneumatic Tube System Market - Growth, Trends, COVID-19 Impact, and Forecasts (2021 - 2026)]'', zuletzt abgerufen am 29. August 2021.</ref>


== Die Rohrpost in der Kultur ==
=== Darstellung im Film ===
Im Film ''[[Logan Lucky]]'' wird das Rohrpostnetz einer NASCAR-Rennstrecke manipuliert, um so die Einnahmen der Gastronomie auf dem Weg in den Tresor abzufangen.


Im Film ''[[Brazil (1985)|Brazil]]'' ist ein Rohrpostsystem Teil der gigantischen Bürokratie des ''Informationsministeriums''. Dem Helden gelingt es, das System zu sabotieren, indem er die Leitung überlastet und so die gesamte Behörde ins Chaos führt.


Im Film ''[[Shadow und der Fluch des Khan]]'' benutzt der Held ein gewaltiges Rohrpostnetz, das sich über ganz New York erstreckt, um Informationen von seinen Agenten zu erhalten.


In François Truffauts ''[[Geraubte Küsse]]'' wird eine Nachricht von Antoine Doinel in der Rohrpostanlage von Paris mit mehreren Einstellungen des unterirdischen Systems auf ihren Weg zu Fabienne Tabard verfolgt.


Im Teil zwölf der ''[[Olsenbande]]''-Filme versenden die drei Gauner eine Ladung heißen Kaffees durch die Rohrpost, die sich der Empfänger beim Öffnen der Kapsel prompt über die Hose kippt.


In der Kinderserie ''[[Hallo Spencer]]'' hat Spencer, die Hauptfigur, ein Rohrpostsystem.


In der Zeichentrickserie ''[[Futurama]]'' wird oft die Rohrpost in der Bürokratie verwendet und als „Öffentlicher Nahverkehr“ für Menschen genutzt.


In der Fernsehserie ''[[Lost (Fernsehserie)|Lost]]'' wird ebenfalls ein Rohrpostsystem verwendet, dessen Sendungen jedoch auf eine Wiese befördert werden und nicht an ihr vermeintliches Ziel gelangen.


In Folge 16 der 3. Staffel der Fernsehserie ''[[The Blacklist]]'' ist zum Erstaunen des [[FBI]] das Rohrpostsystem von Washington D.C. nach 20 Jahren wieder in Betrieb.


In Folge 17 der 3. Staffel (Episode 43) der Fernsehserie [[Eureka – Die geheime Stadt|EUReKA – Die Geheime Stadt]] wird ein Fungizid durch das stadtweite Rohrpostsystem geleitet, um damit die durch Bakterien eingefrorenen Wände aufzutauen.<ref>{{Internetquelle |autor=imfernsehen GmbH & Co KG |url=https://www.fernsehserien.de/eureka-die-geheime-stadt/folgen/3x17-eiszeit-in-eureka-150538 |titel=EUReKA – Die geheime Stadt Staffel 3, Folge 17: Eiszeit in Eureka |datum=2022-08-08 |sprache=de |abruf=2024-01-03}}</ref>


Im Computeranimationsfilm ''[[Alles steht Kopf]]'' werden die Erinnerungen einer Emotion zugeordnet und am Ende des Tages über eine Rohrpost in das Langzeitgedächtnis befördert.


In ''[[John Wick: Kapitel 2]]'' wird Rohrpost zur internen Kommunikation im ''Continental''-Hotel genutzt.


=== Darstellung in Videospielen ===
In der utopistischen Unterwasser-Stadt ''Rapture'' aus dem Videospiel [[Bioshock]] existiert ein Rohrpostsystem, das für einige Aufgaben auch vom Spieler genutzt wird.


=== Darstellung in Literatur und Kunst ===
Im Jahre 1984 endete in Paris der öffentliche Betrieb, zwischen Ämtern werden allerdings in Paris sogar heute noch Dokumente auf diesem Weg versandt.
In Theodor Fontanes ''[[Frau Jenny Treibel]]'' bedienen sich Nachrichten besonderer Wichtigkeit zwischen den Familien Schmidt und Treibel des [[Rohrpost in Berlin|Berliner Rohrpostsystems]]. „Zwischen neun und zehn waren zwei Rohrpostbriefe bei Schmidt’s eingetroffen, ein Fall, der, in dieser seiner Gedoppeltheit, noch nicht dagewesen war.“


[[Franz Kafka]] (1883–1924) kommunizierte häufig per Rohrpost&nbsp;– nicht nur von seiner Arbeitsstelle aus, um sich etwa mit Max Brod zu verabreden, sondern auch mit seiner Freundin Milena Jesenská, der er Liebesbriefe per Rohrpost schickte.<ref>Pascal Morche: [http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecial/d-9583345.html?name=Sssst+und+plopp ''Sssst und plopp. Die Rohrpost – eine fast vergessene Kommunikationsform.''] In: ''spiegel.de'', [[Der Spiegel]], 1. März 1999.</ref> In Kafkas Werk, insbesondere dem Briefwechsel und den Tagebüchern, haben sich deshalb viele Hinweise auf Rohrpostkommunikation erhalten.
==== Rohrpost Marseille ====
[[Bild:Poste_pneumatique_Marseille_1945.jpg|200px|thumb|<small>Poste_pneumatique_Marseille_1945.jpg</small>]]


In Marcel Prousts [[Auf der Suche nach der verlorenen Zeit]] werden Briefe nicht selten mit der Pariser Rohrpost versendet.


Auch in [[Kurt Tucholsky]]s Kurzgeschichten finden sich Schilderungen der Berliner und Pariser Rohrpostkultur.


In dem dystopischen Roman ''[[1984 (Roman)|1984]]'' von [[George Orwell]] wird im Ministerium für Wahrheit eine Rohrpostanlage verwendet.


In [[Jean-Paul Sartre]]s Roman ''Zeit der Reife'' wird für den Versand von Nachrichten innerhalb von [[Paris]] Rohrpost verwendet.


In der [[Steiermark|Steirischen]] Landesausstellung ''Verkehr'', 1999 in [[Knittelfeld]] wurde in der Lokomotivmontagehalle eine über den Köpfen frei liegende Rohrpostanlage mit transparenten Rohren des Künstlers Serge Spitzer sichtbar betrieben.<ref>[http://www.members.aon.at/bisdato.com/archiv/knittelfeld.html Steirische Landesausstellung, "Verkehr", Knittelfeld, 1999] In: Bisdato, abgerufen am 21. März 2013</ref><ref>[http://www.e-flux.com/announcements/serge-spitzer-round-the-corner/ Serge Spitzer, Round the Corner] In: e-flux, 7. März 2006.</ref>







Abgebildet ist ein seltener Umschlag, der durch die Rohrpost von Marseille im Jahe 1945 befördert worden ist.

=== Italien ===

==== Rohrpost Florenz ====

==== Rohrpost Genua ====
[[Bild:Posta_pneumatica_Genova_1946.jpg|200px|thumb|<small>Posta_pneumatica_Genova_1946.jpg</small>]]



Die ersten Versuche zur Entwicklung eines Rohrpostnetzes (''posta pneumatica'') in Italien stammen bereits aus den 1850er Jahren, als in Genua ein 12km langes Rohrpostnetz entwickelt wurde. Noch über 100 Jahre später belegen entsprechende Briefe mit Aufgabe- und Ankunfstempel das Funktionieren der Rohrpost in Genua.
Weitere systematische Versuche zur Entwicklung eines Rohrpostsystems wurden seit 1911 in Turin unternommen. Allerdings wurde der allgemeine und öffentliche Rohrpostverkehr dann im Jahre 1913 zunächst nur in Mailand, Neapel und Rom aufgenommen. Abgebildet ist einer der extrem seltenen Rohrpostbriefe aus Genua mit entsprechender Frankatur durch Rohrpostmarken aus dem Jahre 1946.

==== Rohrpost Mailand ====
[[Bild:Posta_pneumatica_Milano_1925.jpg|200px|thumb|<small>Posta_pneumatica_Milano_1925.jpg</small>]]









Nach Vorarbeiten in Genua und Turin wurde im Jahre 1913 der Rohrpostbetrieb in Mailand gemeinsam mit entsprechendem Betrieb in Rom und Neapel aufgenommen. Abgebildet ist eine Rohrpostsendung aus dem Ortsverkehr von Mailand aus dem Jahre 1925, die mit einer Rohrpostmarke freigemacht ist. Sehr deutlich ist in dem Stempelabschlag die Bezeichnung ''pneumatica'' zu lesen.

==== Rohrpost Neapel ====
[[Bild:Posta_pneumatica_Vomero_Napoli_1957.jpg|200px|thumb|<small>Posta_pneumatica_Vomero_Napoli_1957.jpg</small>]]









Nach Vorarbeiten in Genua und Turin wurde im Jahre 1913 der Rohrpostbetrieb in Neapel gemeinsam mit entsprechendem Betrieb in Mailand und Rom aufgenommen. Abgebildet ist ein Umschlag der Rohrpost in Neapel aus dem Jahre 1957 mit italienischen Europamarken frankiert und als Auslands-Luftpostbrief der Rohrpost zur schnelleren Weiterleitung an das Luftpostamt übergeben. Die Postwertzeichen sind mit dem ungewöhnlichen, in roter Farbe abgeschlagenen Stempel des Rohrpostamtes von Volmera, einem Vorort von Neapel entwertet.

==== Rohrpost Rom ====
[[Bild:Posta_pneumatica_Roma_raccomandata_1929.jpg|200px|thumb|<small>Posta_pneumatica_Roma_raccomandata_1929.jpg</small>]]












Nach Vorarbeiten in Genua und Turin wurde im Jahre 1913 der Rohrpostbetrieb in Rom gemeinsam mit entsprechendem Betrieb in Mailand und Neapel aufgenommen. Abgebildet ist ein eingeschriebener Rohrpostbrief, der von der römischen Rohrpost bearbeitet wurde, aus dem Jahre 1929.

==== Rohrpost Triest ====

==== Rohrpost Città del Vaticano ====

=== Österreich / K.u.K Monarchie ===

==== Rohrpost Karlo Viváry ====
==== Rohrpost Prag ====
Im Jahre 1889 wurde eine Anlage in Prag in Betrieb genommen.

==== Rohrpost Triest ====
==== Rohrpost Wien ====
In Wien wurde eine Anlage im Jahr 1875 in Betrieb genommen, wobei vorerst 10 Postämter im Abstand von 1 - 3 km mit Rohrleitungen verbunden wurden. Die Anlage wuchs ständig, so dass es im Jahr 1913 bereits 53 Postämter mit einer Rohrlänge von 825 km gab. Die Rohrpost, die im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde, stellte erst 1956 ihren Betrieb ein.

== außereuropäische Rohrpostnetze ==
[[Bild:Rohrpost_Buenos_Aires_Kartenbrief_Vs.jpg|200px|thumb|<small>Rohrpost_Buenos_Aires_Kartenbrief_Vs.jpg</small>]]












Außerhalb Europas existierte die größte Rohrpostanlage, die auch Päckchen transportieren konnte, in New York City. Daneben bestanden entsprechende Anlagen in Boston, Chicago, Philadelphia und Saint-Louis. Außerdem hat es Rohrpostanlagen in Buenos Aires (Argentinien) als ''expreso urbano'' (Stadtschnellverkehr) des Telegraphenamtes sowie in Rio de Janeiro und São Paulo (beide Brasilien) gegeben. Ebenfalls gab es eine Rohrpostanlage in Algier (Algerien), die wenigstens bis kurz nach dem Ende der französischen Kolonialherrschaft noch in Betrieb war (Betriebsdauer vom 4. April 1910 bis zum 5. Juli 1962) und teilweise als ''exprès urbain'' (Stadtschnellverkehr) auch mit anderen Transportmöglichkeiten versorgt wurde.

== Portosätze ==
[[Bild:Ganzsache Rohrpostbrief Deutsches Reich RU5.jpg|200px|thumb|Rohrpostbrief (Vorder- und Rückseite), am 25. Januar [[1904]] innerhalb Berlins befördert.]]
Die Gebühr für die Rohrpostbeförderung in Deutschland beinhaltete bis ungefähr Mitte [[1927]] neben dem Porto für die Postkarte/den Brief die Gebühr für die Rohrpostbenutzung und die anschließende Eilzustellung per Boten.

Aus dem Ausland eintreffende und für die Rohrpost geeignetete Eilboten- und Luftpost-Sendungen sowie fehlgeleitete oder nachgesandte Sendungen wurden in den Rohrpostbezirken per Rohrpost zum Zustellpostamt befördert. Umgekehrt wurden für den Fernverkehr sowie für das Ausland bestimmte Sendungen gegen einen Zuschlag von 10 [[Pfennig]] zur Bahnhofspostanstalt oder zum Flughafenpostamt befördert. Es war aber auch möglich, Briefe, die in Städte mit Rohrpostnetz gerichtet waren, im Voraus mit der fälligen Rohrpostgebühr freizumachen und damit die Beförderung per Rohrpost bei Ankunft im Verteilpostamt der entsprechenden Stadt zu bewirken. Solche Sendungen tragen in der Regel den Hinweis "in Berlin per Rohrpost", "in Wien per Rohrpost" etc. Nach dem 2. Weltkrieg war dies in Ostberlin bis zur Einstellung der Rohrpost für 20 Pfennig möglich. In Westberlin kostete die Rohrpostbeförderung zunächst einen Zuschlag von 15 Pfenning und wurde dann bis zur Einstellung der Rohrpost auf 20 Pfennig angehoben.

Rohrpostsendungen von Berlin nach München bzw. von München nach Berlin konnten durch den Vermerk "In Berlin (bzw. München) durch Rohrpost" auch am Zielort durch die Rohrpost befördert werden. Die Rohrpostgebühr war dann zweimal zu entrichten. Nach der [[Okkupation]] Österreichs durch das [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]] im Jahre 1938 war dies auch für die Verbindungen Wien–Berlin, Wien–München und umgekehrt möglich. Nach der faktischen [[Annexion]] Tschechiens als sogenanntes „[[Protektorat Böhmen und Mähren]]“ konnten diese Kombinationen der Versendung per Rohrpost auch auf Prag und, soweit diese Linie noch in Betrieb war, auch auf Karlsbad / Karlo Viváry ausgedehnt werden.

Im Jahre [[1935]] wurde im Gebiet der Deutschen Reichspost die obligatorische Eilzustellung für Rohrpostsendungen aufgehoben. Die Rohrpost wurde dann mit der nächsten regulären Zustellung zugestellt. Bemerkenswert ist dabei, dass seinerzeit bis zu vier Zustellungen täglich üblich waren.

== Abstempelungen ==
In den Rohrpostbezirken von Berlin und Wien wurden bei den angeschlossenen Postämtern Tages- oder auch Sonderstempel mit Stunden- und Minutenangaben, üblicherweise in 10-Minuten-Abständen verwendet.
[[Bild:Timbres_poste_pneumatique_de_Paris_5-min.jpg|200px|thumb|zwei Tagesstempel der Pariser Rohrpost mit 5-Minuteneinstellung, zwischen 1902 und 1930 im Einsatz.]]







Entsprechende Stempel mit 5-Minuteneinstellung sind auch aus Paris bekannt, während in Marseille lediglich die üblichen Tagesstempel verwendet wurden. Rohrpostsendung in Marseille sind somit nur durch das entsprechende Porto, den üblichen Hinweis „pneumatique“ sowie den üblicherweise vom gleichen Tag stammenden vorder- oder rückseitigen Ankunftsstempel des Zustellpostamtes zu erkennen.

== Postwertzeichen ==
[[Bild:Wertstempel_Typ_Chaplain_2_Fr.jpg|200px|thumb|Wertstempel vom Typ Chaplain, der nur für den Druck von Rohrpostganzsachen verwendet wurde, im Werte von 2 Fr., 1939 gebraucht.]]












Speziell für die Rohrpost herausgegebene Briefmarken gab es nur Italien. Sie werden in den italienischen Katalogen in der Regel hinter den Eilbotenmarken unter der Spezialrubrik ''posta pneumatica'' erfaßt. In Frankreich wurde ein Wertstempel des Typs ''Chaplain'' (nebenstehend abgebildet) eingesetzt, der über 10 Jahre lang ausschließlich auf Ganzsachen (Briefumschläge, Kartenbriefe oder Postkarten mit eingedruckten Wertzeichen) und Telephonbilletts Verwendung fand.
In Argentinien, Brasilien, Deutschland, Frankreich, Österreich und der Tschechoslowakei wurden eigene Ganzsachen für die Rohrpost herausgegeben, die als gebrauchte Stücke eine hervorragende Dokumentation des postalischen Rohrpostwesens darstellen.

== Die moderne Rohrpost ==
[[Bild:Rohrpoststation.jpg.jpg|right|thumb|Eine Rohrpoststation]]
Heutzutage werden Rohrpostanlagen überwiegend innerhalb von Gebäuden eingesetzt, beispielsweise im [[Handel]] zur Geld- oder Buchbeförderung, in [[Krankenhaus|Krankenhäusern]] zum internen Versand von Blutproben, Krankenakten, Befunden und Formularen. So werden z.B. in der [[Charité|Berliner Charité]] täglich rund 3.500 Patientenproben, Röntgenbilder oder Analysematerialien zwischen den Stationen und den Labors schonend und schnell hin und her befördert. Eine der modernsten und jüngsten Anlagen dieser Art wurde im Heidelberger [[Universitätsklinikum]] installiert. Dort verbindet ein rund 14 km langes Röhrensystem mit 54 Linien über vielfältige Verzweigungen 104 Stationen. Mittels [[Transponder|Transpondertechnologie]] finden täglich etwa 2.000 Proben ihren Weg von den Stationen ins [[Labor]].

Rohrpostanlagen in [[Kaufhaus|Warenhäusern]] dienen dazu, die einzelnen [[Kasse]]n mit der Hauptkasse zu verbinden, um eingenommenes [[Bargeld]] abzuliefern oder Geld zu wechseln. Die zunehmende Akzeptanz der bargeldlosen Zahlung mittels [[Scheckkarte|EC-Karte]] und [[Kreditkarte]] lassen die durch die Rohrpostanlagen gewonnene Sicherheit vor Überfällen aber immer mehr an Bedeutung verlieren.

Weitere Anwender für moderne Rohrpostanlagen finden sich in der [[Chemieindustrie]], in [[Stahlwerk|Stahlwerken]], in [[Papierfabrik|Papierfabriken]] und in der [[Automobilindustrie]]. So ließ der französische Automobilhersteller [[Peugeot]] [[1998]] im Werk Sochaux eine Rohrpostanlage installieren, um die Produktionslinien mit den passenden [[Schließgarnitur|Schließgarnituren]] für Tür- und Kofferraumschlösser zu versorgen.

Moderne Systeme für "Kommunikation und Transportautomation", wie solche Anlagen von den Herstellern auch genannt werden, sind in der Lage bis zu 28&nbsp;kg schwere Dokumente, Waren oder Werkstücke mit einer Länge von 50&nbsp;cm und einem Durchmesser von bis zu 30&nbsp;cm zu befördern. Hierbei können heute Röhrensysteme mit 64 Linien und bis zu 512 Stationen realisiert werden.

== Die Rohrpost in der Kultur ==
=== Darstellung im Film ===
Im Film [[Brazil]] ist ein Rohrpostsystem Teil der gigantischen Bürokratie des ''Informationsministeriums''. Dem Held gelingt es, das System zu sabotieren, indem er die Leitung überlastet und so die gesamte Behörde ins Chaos führt.

In François Truffauts ''[[Geraubte Küsse]]'' wird eine Nachricht von Antoine Doinel in der Rohrpostanlage von Paris mit mehreren Einstellungen des unterirdischen Systems auf ihren Weg zu Fabienne Tabard verfolgt.

=== Darstellung in der Literatur ===
In Theodor Fontanes [[Frau Jenny Treibel]] bedienen sich Nachrichten besonderer Wichtigkeit zwischen den Familien Schmidt und Treibel des Berliner Rohrpostsystems. ''„Zwischen neun und zehn waren zwei Rohrpostbriefe bei Schmidt's eingetroffen, ein Fall, der, in dieser seiner Gedoppeltheit, noch nicht dagewesen war.“''

=== Die Mailingliste rohrpost ===
Abgeleitet von der klassischen Rohrpost nennt sich die wichtigste „deutschsprachige Mailingliste zur Kultur digitaler Medien und Netze, d.&nbsp;h. zu ihrer Kunst, Politik, Ökonomie, Philosophie und Kulturtheorie“ ebenfalls rohrpost.
Abonnieren kann man die Liste hier: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/

== Literaturangaben ==
*Ingmar Arnold: ''Luft-Züge: die Geschichte der Rohrpost in Berlin und anderswo.'' - Berlin, 2000 ISBN 3-89218-061-x
*Anne-Laure Cermak: ''La poste pneumatique, un système original d'acheminement rapide du courrier : l'exemple du réseau de Paris des origines à sa suppression : 1866-1984'', mémoire de maîtrise, Paris 4, 2003 Internetversion [http://www.laposte.fr/chp/mediasPdf/maitrise/cermak.pdf]
*John D. Hayhurst: ''The Pneumatic Post of Paris'', The France & Colonies Philatelic Society of Great Britain, 1974. Online-Version [http://www.cix.co.uk/~mhayhurst/jdhayhurst/pneumatic/book1.html]

== Weblinks ==
* [http://www.dself.dsl.pipex.com/MUSEUM/COMMS/pneumess/pneumess.htm The Museum of RetroTechnology: Pneumatic Networks.] Englischsprachige Seite mit vielen historischen Bildern zur Technik der Rohrpost.
* [http://philatelie.breimann.com/rohrpost.htm Die Berliner Rohrpost]
* [http://www.cix.co.uk/~mhayhurst/jdhayhurst/pneumatic/book1.html The Pneumatic Post of Paris] von J. D. Hayhurst O.B.E.
* [http://www.i-net.fr/marcophilie/tad-pneumatique.html La poste pneumatique à Paris]
* [http://feed.proteinos.com/item/593 Prague Pneumatic Post]
* [http://www.trasa.ctrnactka.net/pod_doc/ppp.htm Pražská potrubní pošta] mit Illustrationen
* [http://www.postalmuseum.si.edu/museum/1d_Pneumatic_Mail.html Rohrpost in den USA] mit Illustrationen


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Doppelrohrpost]] (Postsendungen, die am Ausgangs- und Zielort über Rohrpost gelaufen sind)
* [[CargoCap]]
* [[CargoCap]]
* [[Post]]
* [[Post]]
Zeile 354: Zeile 186:
* [[Swissmetro]]
* [[Swissmetro]]


== Literatur ==
[[Kategorie:Postwesen]]
* Alfred Ely Beach: ''The pneumatic dispatch'', New York 1868 ([https://quod.lib.umich.edu/m/moa/AJR9164.0001.001/3 Digitalisat])
[[Kategorie:Philatelie]]
* [[Edmund Heusinger von Waldegg]]: ''Handbuch für specielle Eisenbahn-Technik.'' Band 1(3): ''Der Eisenbahnbau.'' Leipzig 1877, S. 938–951 und Tafel LIX-LX.
[[Kategorie:Fördertechnik]]
* Deutsche Telephonwerke und Kabelindustrie AG [[DeTeWe]] (Hrsg.): ''Die Entwicklung und der heutige Stand der Stadtrohrpost-Technik.'' Berlin 1929.
* [[Ernst Feyerabend]] (Hrsg.): ''[[Handwörterbuch des elektrischen Fernmeldewesens]].'' Julius Springer, Berlin 1929
** 1. Auflage Band 1 A–K: Fernrohrpost, Hausrohrpost
** 1. Auflage Band 2 L–Z: Rohrpost; Rohrpostgebläse; Rohrpostsammelstelle; Rohrpostverteilerstelle; S. 305–307; Zettelrohrpost (Rohrpost in Fernämtern); S. 866 f.
** 2. Auflage Band 3 Q–Z: Rohrpostdirektsysteme; Rohrpostsysteme; Rohrpostweichensysteme; S. 1419–1422; Zettelrohrpost; Zettelrohrpost mit automatischer Steuerung; S. 1956–1959
* Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen (Hrsg.): ''[[Handwörterbuch des Postwesens]].'' Frankfurt am Main 1953
** 1. Auflage; S. 553–559
** 2. Auflage; S. 626–636
* Hans Schwaighofer: ''Rohrpost-Fernanlagen. (Pneumatische Stadtrohrposten).'' Piloty & Loehle, München 1916
* Sven Heinze: ''Rohrpostanlagen.'' Verlagsbuchhandlung Erich Herzog, Goslar 1956
* Franz Vierling (Hrsg.): ''Der Dienst bei der Deutschen Bundespost.'' Band 9, Teil 1: ''Rohrpostanlagen''. R. v. Decker’s Verlag 1967
* Ingmar Arnold: ''Luft-Züge. Die Geschichte der Rohrpost in Berlin und anderswo.'' Verlag GVE 2000

== Weblinks ==
{{Commonscat|Pneumatic tube transport|Rohrpost}}
{{Wiktionary|Rohrpost}}
* [https://web.archive.org/web/20080710172313/http://einestages.spiegel.de/external/ShowTopicAlbumBackground/a2302/l0/l0/F.html Rohrpost. Mit Hochdruck in den Untergrund] aus ''[[Einestages]]'', [[Spiegel Online]]
* [http://www.douglas-self.com/MUSEUM/COMMS/pneumess/pneumess.htm The Museum of RetroTechnology: Pneumatic Networks.] Englischsprachige Seite mit vielen historischen Bildern zur Technik der Rohrpost.
* [http://www.deadmedia.org/notes/34/346.html Rohrpost & Pneumatic mail im ''Dead Media Project''] (englisch)
* [http://berliner-unterwelten.de/die-berliner-rohrpost.314.0.html Berliner Unterwelten] Geschichte der Berliner Rohrpost
* [https://pneumatic.tube/how-it-works Pneumatic.tube] Wie funktioniert Rohrpost (mit vielen (alte) Bildern zur Technik der Rohrpost)
* [http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.aerocom-gmbh-co-schnelle-buechse-aus-schwaebisch-gmuend.f7352dd5-15a7-4953-997a-e96233f21b73.html Aerocom GmbH & Co, Schnelle Büchse aus Schwäbisch Gmünd] in Stuttgarter Zeitung
* {{Youtube|W39qQE5jqWk|Kamerafahrt in einer modernen Rohrpostanlage des norwegischen Parlamentes}} (norwegisch, Fahrt beginnt ab 1:00)
* [[tagesschau.de]] 11. Januar 2024: [https://www.tagesschau.de/inland/kanzleramt-rohrpost-100.html ''Warum der Kanzler weiter Rohrpost erhält'']

== Fußnoten ==
<references />

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[[Kategorie:Rohrpost| ]]
[[cs:Potrubní pošta]]
[[Kategorie:Rohrleitung]]
[[en:Pneumatic tube]]
[[Kategorie:Versandform]]
[[fr:Tube pneumatique]]
[[Kategorie:Druckluftbetriebenes Gerät]]
[[nl:Buizenpost]]
[[ru:Пневматическая почта]]
[[fi:Putkiposti]]

Aktuelle Version vom 17. Mai 2025, 22:18 Uhr

Transparente Rohrpostbüchse, tailliert für Kurvengängigkeit (2010)

Die Rohrpost ist eine Form des schnellen und personalarmen Transports von Gegenständen in kleinen, zylindrischen Behältern mittels Druckluft in Röhren konstanten Kalibers von typisch 5 bis 20 cm.

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden in einigen Großstädten auf verschiedenen Kontinenten große Rohrpostanlagen von teilweise mehreren hundert Kilometern Länge. Daneben existierten auch kleinere Rohrpostanlagen, die innerhalb eines Gebäudes oder zwischen mehreren benachbarten Gebäuden kleinere Gegenstände automatisiert transportierten. Solche Anlagen werden im Gegensatz zu den Fernrohrpostanlagen noch eingesetzt.

Postalisch gesehen wurde die erste Rohrpost 1853 in London eingerichtet. Sie diente im Telegraphenamt als Hausrohrpost. Die Rohrpost in Wien ging am 19. März 1875 in Betrieb, die Rohrpost in Berlin am 1. Dezember 1876. Auslöser für diesen Boom war die Telegrafie. Diese transportierte Nachrichten sehr schnell an die Empfangsstellen, von wo sie jedoch über Boten oft Tage brauchten, bis sie die Empfänger erreichten. Die Inhalte der Rohrpost waren deswegen häufig zusammengerollte Zettel mit Nachrichten.[1]

Grundlagen zur Rohrposttechnik

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Konstruktion eines Druckrohres zur Herstellung von Überdruck und Unterdruck mit einem Kolben nach Heron von Alexandria

Allgemeine Grundlagen

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Die praktischen Grundlagen der Rohrpost sind bekannt, seit in verschiedenen Kulturen das Blasrohr erfunden wurde. Die theoretischen und experimentellen Grundlagen der Rohrpost wurden bereits in der Pneumatika des Heron von Alexandria (1. Jahrhundert n. Chr.) entwickelt. Hier sind in Kapitel 56 und 57 die Prinzipien der Herstellung von atmosphärischem Unterdruck und Überdruck in einem Zylinder beschrieben, in den ein Kolben eingeführt wird. Allerdings ging es bei Heron noch nicht um den Transport von Objekten, die durch den Druckunterschied in einer Röhre hätten befördert werden sollen.

Wegbereiter der modernen Rohrpost

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Um 1810 bemühte sich der englische Ingenieur George Medhurst (1759–1827) erstmals ernsthaft um den Einsatz atmosphärischer Luft für industrielle und verkehrstechnische Zwecke.[2] In entsprechenden Veröffentlichungen schlug er vor, die Luft aus einer eisernen Röhre abzupumpen, um so durch den erreichten Druckunterschied eine entsprechende Triebkraft zu erzielen; Medhurst gilt daher als Erfinder der pneumatischen Rohrpost.

Diesen Gedanken griff 1818 der englische Ingenieur Vallance auf, mit der Idee, Personen und Güter von London nach Brighton in einer tunnelartigen, gusseisernen und entsprechend großen Röhre zu befördern. Diese Bemühungen verliefen allerdings ergebnislos, jedoch brachten Versuche zum Transport von Postgut mit Luftdruck in kleinkalibrigen Röhren erste Erfolge. Auch der Erfinder des Schiffspropellers, Josef Ressel, beschäftigte sich mit der Rohrpost. Er entwickelte sie 1827 weiter und brachte sie 1847 zur Reife.

Rohrpost, 1897

Der Franzose Abbé Moigno richtete zur Beförderung von Postgut mit Druckluft 1852 eine Versuchsstrecke ein, die letztlich dazu führte, dass der Franzose Galy Cazalar und der Engländer Josiah Latimer Clark unabhängig voneinander 1854 entsprechende Landespatente einreichten. Sie beschrieben eine technische Einrichtung, mit der in Blechbüchsen eingeschlossene kleine Pakete und Briefe bei hoher Luftverdünnung oder -verdichtung durch Röhren zu einem nicht sehr weit entfernten Ort befördert werden konnten.

Mit Hilfe eines elektrisch angetriebenen Verdichters wird der nötige Sog oder Druck (oder kombiniert an Ein- und Ausgangspunkten gleichzeitig) erzeugt, um die zylindrischen Behälter (Büchsen), in denen das Transportgut verschickt werden soll, durch verlegte Rohre zu befördern. Der Durchmesser der Büchsen ist nur geringfügig kleiner als der Innendurchmesser der einheitlichen Rohre. An Ein- und Ausgangspunkten werden diese Büchsen eingelegt und bei Mehrpunktanlagen das Ziel mit einer Eingabe in der Steuerung bestimmt. Um jeden Ausgangspunkt zu erreichen, werden elektronisch gesteuerte Weichen eingebaut, die bis zu vier Verteilungen zulassen. Bei mittleren und großen Systemen erfolgt die Steuerung durch Computer. Um das empfindliche Transportgut zu schützen, werden die Büchsen vor jeder Station pneumatisch abgebremst. Das kleinste Rohrpost-System ist die 2-Punkt-Anlage. Sie funktioniert nur in Hin- und Rückrichtung. Eine größere Version kommt z. B. bei der Bargeldentsorgung zum Einsatz. Hierbei wird das Geld von den Kassen eines Supermarktes oder Bankschalters direkt in den Tresor oder einen Sicherheitsbereich geschickt. Solch ein Einliniensystem kann bis zu 99 Ein- und Ausgabepunkte haben bei individueller Zuordnung jeder einzelnen Station. Die größte Rohrpostanlage ist das Mehrliniensystem. Ein solches System hat bis zu 512 Stationen und bis zu 64 Linien. Die Büchsen können je nach Bauweise und Anwendungszweck, z. B. lange gerade Einzelstrecken, mit bis zu 11 Metern pro Sekunde (rund 40 km/h) durch das Röhrensystem befördert werden. Normale Geschwindigkeiten bewegen sich im Bereich von sechs bis acht Metern pro Sekunde, bei sensiblen Sendungen auch nur mit zwei bis drei Metern pro Sekunde. Es können, je nach Anlage, auch mehrere Büchsen gleichzeitig (Zug) befördert werden.

Die durch den Luftdruck auf die Büchse wirkende Kraft, die sich aus dem Produkt des Differenzdrucks und der Querschnittsfläche ergibt, muss ausreichen, um ihre Gewichtskraft bei Aufwärtstransport plus Reibungskräfte zu überwinden. Die Büchsen bestehen aus transparentem, leichtem Kunststoff und besitzen oft einen Bajonettverschluss. An den beiden Enden befinden sich kuppelartige Abschlüsse, um das Anstoßen in den gepufferten Endstationen abzumildern.

Rohrpoststation

Rohrkurven können Radien von 5 bis 10 Rohrdurchmessern haben. Für die Kurvengängigkeit müssen die Büchsen mittig tailliert sein, und die beiden Dichtringe müssen nach außen ausreichend weit vorstehen. Die Dichtringe, die einen Abstand von etwa 3 bis 5 Rohrdurchmessern haben und aus Textilflausch bestehen, sind die einzigen Bestandteile der Büchse, die mit der Innenwand der Rohre in Kontakt kommen.

Frühere Fernrohrpostanlagen, die einer Kühlung[3] bedurften, dienten überwiegend der schnellen Brief- und Telegrammbeförderung zwischen wichtigen Postämtern innerhalb einer Stadt (wie die Rohrpost in Hamburg, die Rohrpost in Berlin oder die Rohrpost in München aber auch die Rohrpostnetze in Amerika und viele in anderen Ländern, siehe unten). Kleinere 2-Punkt-Systeme sind häufig in kleineren Arztpraxen mit Labor zu finden. Die Kosten einer solchen Anlage liegen etwa bei 3200 Euro (Stand Januar 2010).

Städtische Rohrpostnetze

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Postscheckamt in Berlin (1959)

Die erste Rohrpost wurde 1853 von Josiah Latimer Clark in London gebaut. Es war eine 220 Yards (ca. 200 m) lange Verbindung zwischen der London Stock Exchange und dem Central Telegraph Office. Ähnliche Verbindungen zwischen einem Telegraphenamt und der Börse entstanden 1865 in Berlin und 1866 in Paris.

Diese ersten Anlagen waren nur zum Transport kleiner Gegenstände geeignet, so hatte z. B. die Londoner Anlage einen Durchmesser von 1,5 Zoll (3,81 cm). Clark gründete später zusammen mit T. W. Rammell die Pneumatic Despatch Company, die 1861 eine 30 Zoll (76,2 cm) Röhre baute, in der Lasten bis zu 3 Tonnen transportiert werden konnten. Diese Pneumatic Dispatch Railway war bis 1874 in Betrieb. Ähnliche Anlagen gab es in New York: Eine 1867 gebaute 107 Fuß (32,6 m) lange und 6 Fuß (1,83 m) im Durchmesser große Anlage von Alfred Ely Beach, die zwölf Personen transportieren konnte. Eine noch größere Anlage, 312 Fuß (95 m) lang und mit 9 Fuß (2,74 m) Durchmesser, entstand 1869/1870 im Felsen unterhalb des Broadway. Im ersten Jahr transportierte der Beach Pneumatic Transit über 400.000 Passagiere, sie ging 1873 außer Betrieb. Diese Systeme konnten sich nicht im Personentransport gegen die London Underground durchsetzen, bei der mit Erfolg zuerst Dampflokomotiven und bereits ab 1890 elektrische Lokomotiven eingesetzt wurden.

Rohrpostnetze in Europa

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In Europa gab es die folgenden Rohrpostnetze:

  • Belgien: Brüsseler Rohrpost
  • England und Schottland: Birmingham, Glasgow, Liverpool, London, Manchester, Newcastle
  • Rohrpostnetze in Frankreich: Paris (1866 (1879 öffentlich) – 1984) und Marseille (1910–1964)
  • Rohrpostnetze in Böhmen existieren in Prag (ab 1887, seit den Überschwemmungen des Jahres 2002 nicht mehr in Betrieb) und Karlsbad (nur wenige hundert Meter lang). Wahrscheinlich hat zur Zeit der KuK-Monarchie auch eine Rohrpost in Triest bestanden. Auf italienischsprachigen Telegrammformularen der KuK-Postverwaltung für Triest gibt es den vorgedruckten Hinweis auf den Transport von Telegrammen durch die posta pneumatica.
  • Irland: Dublin
  • Rohrpostnetze in Italien befanden sich in Florenz (eventuell), Genua (bereits seit den 1850er Jahren ca. 12 km), Mailand, Neapel, Rom und ggf. auch Triest (s. o.)
  • Die Vatikanstadt hatte einen Rohrpostanschluss zum römischen Rohrpostnetz (Stempel mit der Inschrift Città del Vaticano / posta pneumatica sind belegt)

Größere innerstädtische Rohrpostnetze in Deutschland gab es in Berlin, Chemnitz, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Leipzig, Nürnberg, München und Stuttgart.

Rohrpostnetz Berlin

In Hamburg gab es von 1962 bis 1976 eine weltweit einmalige Großrohrpost der Deutschen Bundespost mit 45 cm Innendurchmesser der zwei Fahrröhren. Diese verliefen zwischen der Hauptpost 3 (Hühnerposten, Nähe Bahnhof) und dem Postamt 11 in der Innenstadt (Alter Wall) auf zwei großteils verschiedenen Routen von je etwa 1,8 km Länge. In eine „Büchse“ (Transportbehälter) passten 2000 Normalbriefe. Die Versuchsanlage wurde abgebaut, einige Rohre verblieben im Untergrund. Geführte Besichtigungen führen zu Relikten.[4]

In Österreich gab es von 1875 bis 1956 ein Rohrpostnetz in Wien. In Graz gab es eine Rohrpostverbindung im Untergrund zwischen dem Telegraphenamt (errichtet 1927/1931), bei dem Telegramme ehemals als Text auf Papierstreifen aufgenommen und der Telegrammzustellung im Gebäude der damaligen Hauptpost 8010, Neutorgasse am nächsten Häuserblock zugeschickt wurden. Als das Postamt um 2000 im Gebäude umzog, wurde die Rohrpoststation abgebaut.

Die schweizerische PTT betrieb seit 1913 Stadtrohrpostnetze in Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich,[5] an denen sich insbesondere die Banken zur Abwicklung ihres Clearingverkehrs beteiligten. Rachele Delucchi schrieb 2020 zur Bedeutung der Rohrpost, diese habe «gerade im stillen, regelmäßigen, sicheren unterirdischen Funktionieren, im wertvollen, exklusiven Verkehr» gelegen.[5] Die Basler Anlage mit 35 Stationen wurde 1961 von Siemens auf vollautomatischen Betrieb umgestellt. Zwischen 1974 und 1981 wurden noch neue PVC-Rohre mit NW100 verlegt; 1997 wurde der Betrieb jedoch wegen hoher Unterhaltskosten eingestellt.[6]

Fotografien von C. August Schmidt & Söhne (Hamburg) zeigen, dass dieses Unternehmen in den 1930er Jahren eine versandfertige Rohrpostanlage für Amsterdam hergestellt hatte. Ob die Anlage geliefert und montiert wurde, ist nicht bekannt. Nach einem Empfehlungsschreiben von Mix & Genest hatte Rotterdam eine Stadtrohrpostanlage mit zwei Stationen und 1400 m Transportrohr.

Außereuropäische Rohrpostnetze

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Rohrpostnetze in Amerika

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Die größte Rohrpostanlage in Amerika, die auch Päckchen transportieren konnte, existierte in New York City. Daneben bestanden Anlagen in Boston, Chicago, Philadelphia und St. Louis. Außerdem hat es Rohrpostanlagen in Buenos Aires (Argentinien) als expreso urbano (Stadtschnellverkehr) des Telegraphenamtes sowie in Rio de Janeiro und São Paulo gegeben. In Brasilien wie in Argentinien sind die Rohrpostganzsachen von der Telegraphenverwaltung herausgegeben worden, was auf den ursprünglichen Sinn des Rohrpostnetzes zur Beschleunigung der Telegrammübermittlung in Großstädten hinweist.

Algier besaß eine Rohrpostanlage, die wenigstens bis kurz nach dem Ende der französischen Kolonialherrschaft noch in Betrieb war (Betriebsdauer vom 4. April 1910 bis zum 5. Juli 1962) und, so weit bekannt geworden ist, teilweise als exprès urbain (Stadtschnellverkehr) auch mit anderen Transportmöglichkeiten versorgt wurde. In Algier wurden zunächst Rohrpostganzsachen der französischen Post verwendet. Im Jahre 1938 wurde dann eine eigene Rohrpostganzsache für Algier herausgegeben, die für die Verwendung im exprès urbain vorgesehen war.

Das Überleben der Rohrpost

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Auch nach der Aufhebung der Rohrpost für den öffentlichen Postverkehr wurde das Netz postintern weiter genutzt, so für die Beförderung von eingegangenen Eilbotensendungen zum Zustellpostamt.

Zwei Tagesstempel der Pariser Rohrpost mit 5-Minuteneinstellung, zwischen 1902 und 1930 im Einsatz. Hier: 22. Oktober 1902 08:35 Uhr, 14. Januar 1927 10:25.

In den Rohrpostbezirken der Rohrpost in Berlin und der Rohrpost in Hamburg wurden bei den angeschlossenen Postämtern Tages- oder auch Sonderstempel mit Stunden- und Minutenangaben, üblicherweise in 10-Minuten-Abständen verwendet (siehe oben).

Abstempelungen bei der Rohrpost dienen dem Zweck, minutengenau zu dokumentieren, zu welcher Zeit die Sendung angenommen und gemäß dem Fahrplan weiterbefördert worden ist. Dies war mit den frühen Stempeln, in die die beweglichen Elemente gesteckt wurden, umständlich. Sobald Stempel mit drehbaren Elementen zum Einsatz kamen, war eine Beschleunigung dieses Vorgangs möglich, sodass zunächst im Abstand von 15 Minuten, dann im Abstand von 10 Minuten und schließlich im Abstand von 5 Minuten die Uhrzeitgruppe verändert werden konnte. Die minutengenaue Dokumentation der Behandlung der Sendung wurde möglich, als die Stechuhrstempel eingeführt wurden. Hier trieb ein Uhrwerk die Uhrzeitgruppe des Stempels an, wodurch ohne weiteres menschliches Zutun eine zeitgenaue Einstellung des Stempels gewährleistet war.

Stempel mit 5-Minuteneinstellung sind aus Paris bekannt, während in Marseille lediglich die üblichen Tagesstempel verwendet wurden. Rohrpostsendungen in Marseille sind somit nur durch das entsprechende Porto, den üblichen Hinweis „pneumatique“ sowie den üblicherweise vom gleichen Tag stammenden vorder- oder rückseitigen Ankunftsstempel des Zustellpostamtes zu erkennen.

Postwertzeichen

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Speziell für die Rohrpost herausgegebene Briefmarken gab es nur in Italien. Sie werden in den italienischen Katalogen in der Regel hinter den Eilbotenmarken unter der Spezialrubrik posta pneumatica erfasst. In Frankreich wurde ein Wertstempel (ein eingedrucktes Postwertzeichen) des Typs Chaplain eingesetzt, der über einhundert Jahre lang ausschließlich auf Ganzsachen (Briefumschläge, Kartenbriefe oder Postkarten mit eingedruckten Wertzeichen) und ebenso auf Telephonbilletts Verwendung fand. Es ist hierbei bemerkenswert, dass dieser Wertstempel in allen Wertstufen die Inschrift TÉLÉGRAPHE aufweist, was dafür steht, dass das Pariser Rohrpostsystem zunächst tatsächlich für den Transport von Telegrammen eingerichtet worden ist und vor der Vereinigung mit dem Postsystem nicht der Postregie, sondern dem für die Telegraphie zuständigen Schatzministerium unterstand. (Der Wertstempel vom Typ Chaplain mit der Inschrift TÉLÉGRAPHE wurde zunächst auch für französische Telephonbillets verwendet, bis dann die Inschrift durch das Wort TÉLÉPHONE ersetzt wurde.) Ebenso weisen brasilianische Rohrpostganzsachen einen eigens für sie geschaffenen Wertstempel auf.

Im Gegensatz zum langlebigen Wertstempel vom Typ Chaplain in Frankreich wurde in Deutschland zu Beginn der Inflationszeit ein Wertstempel entwickelt, der ausschließlich für die Rohrpostganzen verwendet wurde und nur zwei Jahre lang im Einsatz war. Er liegt vor in den Wertstufen von 200 Pfennigen und 80 Mark für Rohrpostkarten sowie 225 Pfennigen und 100 Mark für Rohrpostumschläge.

In Argentinien, Brasilien, Deutschland, Frankreich, Österreich und der Tschechoslowakei wurden eigene Ganzsachen für die Rohrpost herausgegeben, die als gebrauchte Stücke eine hervorragende Dokumentation des postalischen Rohrpostwesens darstellen.

Die moderne Rohrpost

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Eine Rohrpoststation

Heutzutage werden Rohrpostanlagen überwiegend innerhalb von Gebäuden eingesetzt, beispielsweise im Handel zur Geld- oder Buchbeförderung und in Krankenhäusern zum internen Versand von Blutproben, Krankenakten, Befunden und Formularen. So werden in der Berliner Charité täglich rund 3500 Patientenproben, Röntgenbilder oder Analysematerialien zwischen den Stationen und den Labors schonend und schnell befördert. Eine der modernsten und jüngsten Anlagen dieser Art wurde im Heidelberger Universitätsklinikum installiert. Dort verbindet ein rund 25 km langes Röhrensystem mit mehr als 100 Linien über vielfältige Verzweigungen 152 Stationen. Mit Transpondertechnologie finden täglich etwa 3800 Proben ihren Weg von den Stationen ins Labor.

Am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg arbeitet eine der modernsten und größten Anlagen weltweit mit über 70 Linien und ca. 200 Stationen. Sie ist über 60 km lang und hat über 600 Stationen. Das Besondere an dieser Anlage ist, dass alle Verbindungen nur mit Unterdruck und nicht mit Überdruck funktionieren. Jede Station hat ein Sende- und auch ein Empfangsrohr, dadurch ist ein wesentlich größeres Transportvolumen möglich. In der Medizinischen Hochschule werden derzeit über 3000 Büchsen im Verlaufe eines Tages versendet. Durch die Zusammenlegung von Kliniken werden Rohrpostanlagen interessanter, da die Anbindung neuer Erweiterungsgebäude längere Wege innerhalb der Klinik nach sich zieht.

Die Modernisierung zielt auch darauf ab, nicht nur Proben, sondern auch Blutkonserven zu transportieren. Hierbei spielen Gewicht, Beförderungszeit, Hämolyse und Flieh- und Beschleunigungskräfte eine Rolle. Um zu vermeiden, dass Bakterien oder Viren in die Fahrröhren gelangen, werden HEPA-Filter eingesetzt.[7]

Besonders zeitkritisch sind Gewebeproben von laufenden Operationen, sie können im Rohrpostlauf gegenüber weniger dringenden Sendungen bevorrangt werden.

Rohrpostanlagen in Warenhäusern dienen dazu, die einzelnen Kassen mit der Hauptkasse zu verbinden, um eingenommenes Bargeld abzuliefern oder Geld zu wechseln. Die zunehmende Akzeptanz der bargeldlosen Zahlung mittels EC-Karte und Kreditkarte lässt die durch die Rohrpostanlagen gewonnene Sicherheit vor Überfällen aber an Bedeutung verlieren.

Weitere Anwender für moderne Rohrpostanlagen finden sich in der Chemieindustrie, in Stahlwerken, in Papierfabriken und in der Automobilindustrie. So ließ der französische Automobilhersteller Peugeot 1998 im Werk Sochaux eine Rohrpostanlage installieren, um die Produktionslinien mit den passenden Schließgarnituren für Tür- und Kofferraumschlösser zu versorgen.

Moderne Systeme für „Kommunikation und Transportautomation“, wie solche Anlagen von den Herstellern genannt werden, sind in der Lage, bis zu 28 kg schwere Dokumente, Waren oder Werkstücke mit einer Länge von 50 cm und einem Durchmesser von bis zu 30 cm zu befördern. Hierbei können Röhrensysteme mit über 100 Linien und über 1000 Stationen realisiert werden.

Im 2000 fertiggestellten Klinikum Erfurt wurde eine Krankenhausrohrpostanlage mit 35 Sende- und Empfangsstationen miterrichtet und bis 2011 auf 69 Stationen erweitert. Sie weist eine am Bildschirm dargestellte Betriebsüberwachung auf, dokumentiert jede einzelne Versendung (typisch 1500 pro Tag) und ist fernsteuer- und fernwartbar. Sendungen können umgeleitet, ein Sendungseingang kann per E-Mail gemeldet werden. Eine Studie des Klinikums evaluierte, dass Blutproben durch ausreichend schonenden Transport – Abbremsen der Hülsen auf einem Luftpolster – unverfälscht ankommen. An den Weichen und Endstationen wird durch Schleusen und Luftführung darauf geachtet, mit der Transportluft möglichst keine Keime durch das Krankenhaus zu bewegen.[8]

Das 2001 fertiggestellte Bundeskanzleramt in Berlin verfügt ebenfalls über ein Rohrpostsystem, mit dem bis zu 2400 Vorgänge monatlich versendet werden (April 2019).[9] Es handelt sich um ein Zweiliniensystem mit 36 Stationen und einer Länge von rund 1300 Metern.[10]

Im Juni 2016 erhielt das Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien eine moderne Rohrpostanlage, die Blutproben sanft ins Analyselabor sendet. Die Wartezeiten auf die Befundung konnten so auf unter eine Stunde gesenkt werden.[11]

Sowohl das Einwerfen von standardisierten Büchsen (typisch abgerundet zylindrisch, aus Blech) mit dem Tagesumsatz von Geschäftsleuten in die Aufnahmeapparatur des Nachttresors der Hausbank als auch – insbesondere auf Tankstellen – vom Kassenraum in einen im Boden oder Nachbarraum befindlichen Tresor dienen der Sicherung von Bargeld vor nächtlichem unbefugtem Zugriff. Zum Unterschied von Rohrpost läuft die Sendung nur in einer Richtung und – zumindest anfangs – rein schwerkraftgetrieben.

Der weltweite Markt für Rohrpostsysteme gilt als stark fragmentiert, das heißt, es gibt viele Anbieter, ohne dass einer eine dominierende Stellung erreicht hätte. Eine Studie des Marktforschungsinstituts Mordor Intelligence aus Indien nennt als wichtigste Hersteller Swisslog Healthcare (Buchs AG, Schweiz), Aerocom (Schwäbisch Gmünd, Deutschland), Eagle Pneumatic (Lakeland, Florida, Vereinigte Staaten), Air-Log (Oldenburg, Deutschland) und Hanter Ingenjörsteknik (Gånghester, Schweden).[12]

Die Rohrpost in der Kultur

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Darstellung im Film

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Im Film Logan Lucky wird das Rohrpostnetz einer NASCAR-Rennstrecke manipuliert, um so die Einnahmen der Gastronomie auf dem Weg in den Tresor abzufangen.

Im Film Brazil ist ein Rohrpostsystem Teil der gigantischen Bürokratie des Informationsministeriums. Dem Helden gelingt es, das System zu sabotieren, indem er die Leitung überlastet und so die gesamte Behörde ins Chaos führt.

Im Film Shadow und der Fluch des Khan benutzt der Held ein gewaltiges Rohrpostnetz, das sich über ganz New York erstreckt, um Informationen von seinen Agenten zu erhalten.

In François Truffauts Geraubte Küsse wird eine Nachricht von Antoine Doinel in der Rohrpostanlage von Paris mit mehreren Einstellungen des unterirdischen Systems auf ihren Weg zu Fabienne Tabard verfolgt.

Im Teil zwölf der Olsenbande-Filme versenden die drei Gauner eine Ladung heißen Kaffees durch die Rohrpost, die sich der Empfänger beim Öffnen der Kapsel prompt über die Hose kippt.

In der Kinderserie Hallo Spencer hat Spencer, die Hauptfigur, ein Rohrpostsystem.

In der Zeichentrickserie Futurama wird oft die Rohrpost in der Bürokratie verwendet und als „Öffentlicher Nahverkehr“ für Menschen genutzt.

In der Fernsehserie Lost wird ebenfalls ein Rohrpostsystem verwendet, dessen Sendungen jedoch auf eine Wiese befördert werden und nicht an ihr vermeintliches Ziel gelangen.

In Folge 16 der 3. Staffel der Fernsehserie The Blacklist ist zum Erstaunen des FBI das Rohrpostsystem von Washington D.C. nach 20 Jahren wieder in Betrieb.

In Folge 17 der 3. Staffel (Episode 43) der Fernsehserie EUReKA – Die Geheime Stadt wird ein Fungizid durch das stadtweite Rohrpostsystem geleitet, um damit die durch Bakterien eingefrorenen Wände aufzutauen.[13]

Im Computeranimationsfilm Alles steht Kopf werden die Erinnerungen einer Emotion zugeordnet und am Ende des Tages über eine Rohrpost in das Langzeitgedächtnis befördert.

In John Wick: Kapitel 2 wird Rohrpost zur internen Kommunikation im Continental-Hotel genutzt.

Darstellung in Videospielen

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In der utopistischen Unterwasser-Stadt Rapture aus dem Videospiel Bioshock existiert ein Rohrpostsystem, das für einige Aufgaben auch vom Spieler genutzt wird.

Darstellung in Literatur und Kunst

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In Theodor Fontanes Frau Jenny Treibel bedienen sich Nachrichten besonderer Wichtigkeit zwischen den Familien Schmidt und Treibel des Berliner Rohrpostsystems. „Zwischen neun und zehn waren zwei Rohrpostbriefe bei Schmidt’s eingetroffen, ein Fall, der, in dieser seiner Gedoppeltheit, noch nicht dagewesen war.“

Franz Kafka (1883–1924) kommunizierte häufig per Rohrpost – nicht nur von seiner Arbeitsstelle aus, um sich etwa mit Max Brod zu verabreden, sondern auch mit seiner Freundin Milena Jesenská, der er Liebesbriefe per Rohrpost schickte.[14] In Kafkas Werk, insbesondere dem Briefwechsel und den Tagebüchern, haben sich deshalb viele Hinweise auf Rohrpostkommunikation erhalten.

In Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit werden Briefe nicht selten mit der Pariser Rohrpost versendet.

Auch in Kurt Tucholskys Kurzgeschichten finden sich Schilderungen der Berliner und Pariser Rohrpostkultur.

In dem dystopischen Roman 1984 von George Orwell wird im Ministerium für Wahrheit eine Rohrpostanlage verwendet.

In Jean-Paul Sartres Roman Zeit der Reife wird für den Versand von Nachrichten innerhalb von Paris Rohrpost verwendet.

In der Steirischen Landesausstellung Verkehr, 1999 in Knittelfeld wurde in der Lokomotivmontagehalle eine über den Köpfen frei liegende Rohrpostanlage mit transparenten Rohren des Künstlers Serge Spitzer sichtbar betrieben.[15][16]

  • Alfred Ely Beach: The pneumatic dispatch, New York 1868 (Digitalisat)
  • Edmund Heusinger von Waldegg: Handbuch für specielle Eisenbahn-Technik. Band 1(3): Der Eisenbahnbau. Leipzig 1877, S. 938–951 und Tafel LIX-LX.
  • Deutsche Telephonwerke und Kabelindustrie AG DeTeWe (Hrsg.): Die Entwicklung und der heutige Stand der Stadtrohrpost-Technik. Berlin 1929.
  • Ernst Feyerabend (Hrsg.): Handwörterbuch des elektrischen Fernmeldewesens. Julius Springer, Berlin 1929
    • 1. Auflage Band 1 A–K: Fernrohrpost, Hausrohrpost
    • 1. Auflage Band 2 L–Z: Rohrpost; Rohrpostgebläse; Rohrpostsammelstelle; Rohrpostverteilerstelle; S. 305–307; Zettelrohrpost (Rohrpost in Fernämtern); S. 866 f.
    • 2. Auflage Band 3 Q–Z: Rohrpostdirektsysteme; Rohrpostsysteme; Rohrpostweichensysteme; S. 1419–1422; Zettelrohrpost; Zettelrohrpost mit automatischer Steuerung; S. 1956–1959
  • Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen (Hrsg.): Handwörterbuch des Postwesens. Frankfurt am Main 1953
    • 1. Auflage; S. 553–559
    • 2. Auflage; S. 626–636
  • Hans Schwaighofer: Rohrpost-Fernanlagen. (Pneumatische Stadtrohrposten). Piloty & Loehle, München 1916
  • Sven Heinze: Rohrpostanlagen. Verlagsbuchhandlung Erich Herzog, Goslar 1956
  • Franz Vierling (Hrsg.): Der Dienst bei der Deutschen Bundespost. Band 9, Teil 1: Rohrpostanlagen. R. v. Decker’s Verlag 1967
  • Ingmar Arnold: Luft-Züge. Die Geschichte der Rohrpost in Berlin und anderswo. Verlag GVE 2000
Commons: Rohrpost – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Rohrpost – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  1. Ein (fast) vergessener Ort. In: DGPT. Abgerufen am 8. September 2022 (deutsch).
  2. George Medhurst: A new method of conveying letters and good with great certainty and rapidity by air. London 1810.
  3. Hans Tonn: Die Kühltechnik der Fernrohrpost. 1935.
  4. Eine Wanderung auf den Spuren der Großrohrpost Hamburger Unterwelten e. V., 2015. Abgerufen am 28. August 2019.
  5. a b Rachele Delucchi: Eine Nischenangelegenheit - Zur Geschichte der Stadtrohrpost in der Schweiz (ca. 1920-1927)
  6. barfi.ch: Blick in die Röhre: Basels vergessene Stadtrohrpost
  7. Die Rohrpost - das steckt dahinter, 9. September 2021, zuletzt abgerufen am 28. Juli 2022.
  8. Sumetzberger Krankenhausrohrpost - Deutsch Ing.Sumetzberger GmbH, youtube.com, 19. April 2011, abgerufen am 23. April 2020. Video (8:22)
  9. Abhören und Hacken unmöglich: Digitalministerin schwört auf Rohrpostsystem, n-tv, 20. April 2019, abgerufen am 20. April 2019.
  10. Rohrpostanlage im Kanzleramt bleibt weiter in Betrieb, SPIEGEL, 11. Januar 2024, abgerufen am 11. Januar 2024.
  11. KFJ-Spital setzt auf historische Rohrpost, orf.at, 5. August 2016, abgerufen am 5. August 2016.
  12. Mordor Intelligence: Pneumatic Tube System Market - Growth, Trends, COVID-19 Impact, and Forecasts (2021 - 2026), zuletzt abgerufen am 29. August 2021.
  13. imfernsehen GmbH & Co KG: EUReKA – Die geheime Stadt Staffel 3, Folge 17: Eiszeit in Eureka. 8. August 2022, abgerufen am 3. Januar 2024.
  14. Pascal Morche: Sssst und plopp. Die Rohrpost – eine fast vergessene Kommunikationsform. In: spiegel.de, Der Spiegel, 1. März 1999.
  15. Steirische Landesausstellung, "Verkehr", Knittelfeld, 1999 In: Bisdato, abgerufen am 21. März 2013
  16. Serge Spitzer, Round the Corner In: e-flux, 7. März 2006.