Zum Inhalt springen

„Benutzer:Roxanna/Islam in Ungarn“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
(254 dazwischenliegende Versionen von 7 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
{{Baustelle}}
{{Dieser Artikel|behandelt '''keine''' politischen Länderstudien oder aktuelle '''Debatten''' im Detail, sondern allgemeine Zusammenhänge und länderübergreifende Gemeinsamkeiten in ganz Europa. Für einzelne Staaten siehe [[Islam nach Ländern]].}}
[[Image:Hungary pecs - jakovali1.jpg|thumb|right|200px|restaurierte Hassan-Jakovali-Pascha-Moschee in Pécs]]
[[Image:Europe religion map en.png|thumb|300px|'''Traditionell vorherrschende Religionen:''' katholisches (blau), evangelisches (lila) und orthodoxes (rot) Christentum in Europa sowie sunnitischer (gelb) und schiitischer (braun) Islam in Westasien und Nordafrika]]
Vor der Flüchtlingskrise von 2015 lag der moslemische Bevölkerungsanteil in [[Ungarn]] mit einer Anzahl von nur 60.000 [[Muslime]]n bei 0,6% von 10 Millionen Einwohnern. Einschließlich der Flüchtlinge waren 2017 fast XXX.XXX bzw. X,X%. Der '''Islam in Ungarn''' aber hat eine fast tausendjährige Geschichte, und im 19. Jahrhundert kam es sogar zu einem Massenübertritt ungarischer Patrioten zum [[Islam]].


Als einziges Land Mitteleuropas standen weite Teile Ungarns 150 Jahre lang unter türkisch-muslimischer Herrschaft - verglichen mit anderen Balkanstaaten ist das allerdings eine relativ kurze Zeitspanne.<ref>Für einige Jahrzehnte stand im 17. Jahrhundert auch ein Drittel der Slowakei unter türkischer Herrschaft, von 1528/92-1699/1718 ebenso fast neun Zehntel Kroatiens.</ref> In der Wahrnehmung des Abendlandes fiel jedoch Ungarn eine größere Bedeutung zu, weil es unmittelbar an das Heilige Römische Reich Deutscher Nation angrenzte und im Gegensatz zum orthodoxen Balkan ebenfalls katholisch und protestantisch war.
==Der Islam in Europa==
Im Jahr 2005 lebten auf dem europäischen Kontinent 53 Millionen [[Muslime]]. Knapp die Hälfte (bis zu 25 Millionen [[ethnische Muslime]]) entfielen auf [[Russland]], 14-15 Millionen davon auf die [[Europäische Union]] und knapp 6 Millionen auf die europäische [[Türkei]]. Neben der Türkei sind [[Bosnien-Herzegowina]] und [[Albanien]] die einzigen unabhängigen Staaten Europas mit muslimischen Mehrheiten. Muslimische Mehrheiten gibt es aber auch im serbischen [[Kosovo]] sowie in den russischen Teilrepubliken [[Tatarstan]], [[Baschkortostan]], [[Dagestan]], [[Tschetschenien]], [[Inguschetien]], [[Kabardino-Balkarien]] und [[Karatschai-Tscherkessien]]. Innerhalb der Europäischen Union haben [[Frankreich]] mit 5-6 Millionen und [[Deutschland]] mit über 3 Millionen Gläubigen die größten islamischen Minderheiten, der EU-Durchschnitt liegt bei 3,28% (Deutschland 3,7%).


==Ungarn und der Islam: Geschichte==
Die Integration muslimischer [[Immigranten]] stößt auf zahlreiche soziale Probleme, die Entstehung von [[Parallelgesellschaft]]en ist eine Folge, zu [[Xenophobie]] kommen religiöse Gegensätze und Vorurteile auf beiden Seiten. Islamophobe Panikmacher beschwören für das Jahr 2020 ein vermeintliches Schreckenszenario von 210 Millionen Muslimen in Europa (einschließlich der asiatischen Türkei), von dann 1,78 Milliarden Muslimen weltweit (2005: 1,3 Milliarden), eine auch bei hohen muslimischen Geburtenraten und gleichbleibender Einwanderung unrealistische Vermehrungsprognose. Wohl aber sieht auch der französische Islamwissenschaftler Mohammed Arkoun einen vermehrten Bevölkerungsdruck der europäischen Mittelmeerländer gegenüber [[Nordafrika]] und [[Westasien]], von 2005 bis 2025 soll sich die Bevölkerung [[Marokko]]s, [[Algerien]]s und [[Libyen]]s verdoppeln, die Bevölkerung [[Ägypten]]s um 50% und die [[Tunesien]]s um 30% anwachsen, die illegale Einwanderung daher zunehmen.
<div style="border:1px solid #999999; padding: 0.5em; padding-bottom: 0em; padding-right: 0.5em; background:#F9F9F9; float:right; width:385px;">
<div style="align:center; margin:0em; border:1px solid #CCCCCC; padding: 0em; width:385px; height:225px;position: relative; overflow:hidden;">
<div style="position: absolute; left:-210px; top:-162px;">
[[Bild:Ottoman1683 shepherd.jpg]]
</div>
</div>
Nur der äußerste Westen Ungarns war niemals türkisch
</div>
Zweimal breitete sich ein [[autochthon]]er Islam in Ungarn aus, zweimal wurde er fast vollständig vernichtet. Beide Male waren turkstämmige Muslime die Hauptvertreter eines ungarischen Islam.


==="Baschkiren" im Mittelalter===
Im Jahr 1987 stellten die Türkei und Marokko Anträge auf Aufnahme in die Europäische Union. Während nach langem Zögern mit der Türkei inzwischen gewisse Beitrittsverhandlungen geführt werden, wurde der Aufnahmeantrag Marokkos aus geographischen Gründen abgelehnt (1991/92 erneut). Marokko und Tunesien aber haben bereits seit 1968 Assoziierungsabkommen mit der EWG, zusammen mit Libyen, Algerien, Ägypten, Syrien, Libanon und Israel (einschließlich Palästina) sind die arabischen Mittelmeeranrainer durch den Barcelona-Prozess in ein Abkommen zur Bildung einer Euro-Mediterranen Freihandelszone eingebunden, Libyen und Marokko wirken mit Auffang- bzw. Internierungslagern bereits an der EU-Strategie zur Verhinderung von Einwanderung mit. Nach einer EU-Aufnahme aber wäre die Türkei ab 2020 der bevölkerungsreichste Mitgliedsstaat der Union mit einer trotz hundertjähriger z.T. Verwestlichung noch immer fast ausschließlich islamisch geprägten Bevölkerung.
Ungarischen [[Herkunftssage]]n zufolge sollen finnougrische [[Magyaren]] (Ungarn) und turkstämmige [[Baschkiren]] gemeinsame [[Ural-altaische Sprachen|ural-altaische]] Vorfahren gehabt haben. Die Baschkiren wiederum waren Nachbarn der [[Wolgabulgaren]], welche im 10. Jahrhundert den Islam angenommen hatten. Obwohl die vollständige Islamisierung der Baschkiren zeitgleich mit der Vernichtung der am Ural verbliebenen Magyaren erst mit der mongolisch-tatarischen Eroberung erfolgte, so bekannte sich schon zu Beginn des 11. Jahrhunderts eine baschkirische Minderheit zum Islam, während die Ungarn zeitgleich das Christentum annahmen.<ref>Die meisten Quellen setzen die Islamisierung der Baschkiren allerdings erst im 13. Jahrhundert an, die Ural-Magyaren hingegen fanden ungarische Missionare noch kurz vor ihrem Untergang im 13. Jahrhundert heidisch und nicht christianisiert vor.</ref> Zusammen mit wolgabulgarischen Händlern gelangten muslimische Baschkiren offenbar im 12. Jahrhundert nach [[Ungarn]], wohin die Magyaren gezogen waren, seit die [[Petschenegen]] sie aus [[Etelköz]] vertrieben hatten (Ende des 9. Jahrhunderts). Arabische und persische Geographen verwandten daher die Begriffe Magyaristan (Land der Ungarn) und Baschkirien sowie ''Hunkar'' (Ungarn) und ''Baschkirt'' (türkisch ''Bozkurt'' = Baschkiren) teilweise synonym, teilweise aber auch in religiöser Abgrenzung zueinander: Ungarn als die christlichen, Baschkiren als die muslimischen Einwohner des mittelalterlichen Ungarn.


Im 10. Jahrhundert sollen sich die ersten wolgabulgarischen ''Ismailiten'' in Ungarn niedergelassen haben.<ref>Damit waren aber offenbar keine sich auf Imam Ismail berufene Siebener-Schiiten, sondern allgemein nach dem arabischen Stammvater Ismail bezeichnete sunnitische Muslime gemeint, auch wenn das ismailitische Schiiten gern anders interpretieren.</ref> Zur gleichen Zeit hatte [[Al-Masudi]] muslimische Petschenegen in Ungarn erwähnt, aber auch zahlreiche Muslime unter den Ungarn, die er Baschkiren nannte, obwohl der Andalusier Abu Abdullah al-Bakri die Islamisierung der Petschenegen erst ins 11. Jahrhundert verlegte. Sein Landsmann und Zeitgenosse [[Abu Hamid al-Gharnati]], der 1150-1153 als Berater am Hof des ungarischen Königs [[Géza II. (Ungarn)|Geza II.]] lebte, bestätigte muslimische Petschenegen ebenso wie ''Maghrebiner'' und ''Choresmier'', die alle seit dem 11. Jahrhundert in Ungarn seßhaft gewesen sein sollen. Auch christliche Quellen des 12. Jahrhunderts bestätigten die choresmischen ''Kaliz'', christliche Quellen des 13. Jahrhunderts erwähnten zudem [[Sarazenen]], Ismailiten und ''Böszörmeny'' (das ungarische Wort für "Muslime" an sich), die z.B. die durchziehenden Kreuzritter behinderten. Die ungarischen Muslime erfreuten sich königlichen Wohlwollens unter [[Stephan II. (Ungarn)|Stephan II.]], der die Petschenegen ansiedelte, und Geza II., der al-Gharnati zum Scheikh ul-Islam machte und mit der Anwerbung muslimischer Kumanen beauftragte. Noch unter [[Andreas II. (Ungarn)|Andreas II.]] wurden die Muslime zu Studien nach Aleppo gesandt, wie der syrische Geograph [[Yaqut al-Hamawi]] nach 1220 überlieferte. Doch dann änderte der ungarische König unter päpstlichem Einfluß seine Haltung und erließ 1222 und 1233 diverse anti-islamische Religionsgesetze. Es folgte eine Christianisierungspolitik, der auch die um 1238 aufgenommenen [[Kumanen]] zum Opfer fielen, und die nach dem Ende der [[Arpaden]]-Dynastie noch verschärft wurde. Im 14. Jahrhundert konvertierten die Petschenegen zum Christentum, dennoch sind Reste muslimischer Petschenegen und Kumanen noch bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts überliefert. Bei Anbruch der Neuzeit, zum Zeitpunkt des Einfalls der Türken Anfang des 16. Jahrhunderts, gab es in Ungarn keine Muslime mehr.
==Regionale Entwicklungen==
Am längsten standen in Europa die dem islamischen Nordafrika und Westasien unmittelbar gegenüberliegende [[Iberische Halbinsel]] und die [[Balkanhalbinsel]] unter islamischem Einfluß, der durch jahrhundertelange [[Reconquista]]- und [[Türkenkriege]] zurückgedrängt. Anders als auf der Iberischen Halinsel wurde der Islam auf dem Balkan jedoch nicht vernichtet.


===SLAWISCHES OSTEUROPA===
===Türken in der Neuzeit===
[[Image:Hungary Pecs 2005 June 039.jpg|thumb|right|200px|Zur Kirche umgebaute Moschee im Zentrum von [[Pécs]]]]
In Ost- und Südost- und Nordosteuropa wird der Islam vorwiegend von [[Türken]] und [[Tataren]] dominiert und steht traditionell vorwiegend orthodoxen Christen oder slawischen Atheisten (sowie katholischen Polen) gegenüber.
[[Image:Hungary Eger minaret.jpg|thumb|right|200px|Osmanisches Minarett in Eger]]
[[Image:Sulaiman Buda.jpg|thumb|right|200px|Sulaiman Pascha, 1541/42 erster muslimischer Gouverneur in Buda]]
[[Image:KiralyKuppel3.JPG|thumb|right|200px|Kiraly-Bad in Budapest]]
[[Image:Die Osmanen in Europa.JPG|thumb|200px|Noch 400 Jahre nach [[Schlacht bei Mohács (1526)|Mohács]] und über den Untergang der Osmanen hinaus wurde das [[Türkengefahr|Türkenbild]] verzerrt]]
[[Image:Park of Hungarian Turkish Friendship Szigetvár 3.jpg|thumb|right|200px|In Szigetvar erinnert seit 1996 ein Park der ungarisch-türkischen Freundschaft an Zrinyi und Sulaiman]]
Schon [[Schlacht von Nikopolis|1396 und]] [[Schlacht bei Varna|1443-48]] hatte sich Ungarn an [[Kreuzzüge]]n gegen das Vordringen der [[Osmanisches Reich|osmanischen Türken]] auf dem [[Balkanhalbinsel|Balkan]] beteiligt. Der Fall [[Konstantinopel]]s 1453 konnte nicht verhindert werden, doch [[Janos Hunyadi]]s Abwehrsieg bei Belgrad [[1456]] hielt die Türken zumindest 70 Jahre auf. Nachdem es 1514 statt eines geplanten erneuten Kreuzzuges zu einem Bauernaufstand unter [[György Dózsa]] gekommen war, wurden die Abwehrkräfte des Königreichs in dessen Niederschlagung geschwächt. In der [[Schlacht bei Mohács (1526)|Schlacht bei Mohacs]] verlor König [[Ludwig II. (Böhmen und Ungarn)|Lajos II.]] 1526 Reich und Leben.


Dennoch verschwand Ungarn nicht sofort von der Landkarte. Um die Erbfolge kämpften Lajos´ Schwager [[Ferdinand I. (HRR)|Ferdinand von Österreich]] und Lajos´ Onkel [[Johann Zapolya]], der als siebenbürgischer Woiwode und ehemaliger Regent Ungarns 1514 den Bauernaufstand niedergeschlagen hatte. Der türkische Sultan [[Süleyman I.|Sulaiman I. Kanuni]] besetzte 1529 [[Buda]] (Ofen), krönte dort Zapolya zum letzten ungarischen König von türkischen Gnaden, und marschierte gegen [[Wien]]. Trotz der erfolglosen [[erste Wiener Türkenbelagerung|Belagerungen von Wien (1529)]] und [[Güns]] (1532) und trotz österreichischer Gegenangriffe nach Zapolyas Tod besetzten die Türken [[1541]]/44 mit Buda, [[Pecs]], [[Szeged]], [[Székesfehérvár]], [[Vác]], [[Nograd]], [[Kalocsa]], [[Esztergom]] und [[Miskolc]]<ref>1544 von Türken zerstört, danach bis 1687 "nur" Tributzahlungen</ref> den größten und wichtigsten Teil Ungarns. Zapolyas Sohn, der die Türken ins Land gerufen hatte, wurde als Fürst von [[Siebenbürgen]] osmanischer [[Vasall]]. In einer zweiten Welle eroberten die Türken 1551/55 auch [[Arad (Rumänien)|Arad]], [[Temesvar]], [[Veszprem]], [[Szolnok]] und [[Debrecen]]<ref>1555 von Türken erobert, danach bis 1687 "nur" Tributzahlungen</ref>, scheiterten aber zunächst vor [[Eger (Ungarn)|Eger]]. Mit dem [[Belagerung von Szigetvár|Fall der Festung Szigetvar]] endete der ungarische Widerstand, sowohl der ungarisch-kroatische Kommandant [[Nikola Šubić Zrinski|Zrinyi]] als auch Sulaiman fanden dabei den Tod. Ungarn wurde dreigeteilt, im Westen markierte zunächst der [[Balaton]] die Grenze zwischen dem türkischen und dem österreichischen Teil Ungarns, im Osten fielen ungarische Grenzgebiete ([[Partium]]) 1570 an Siebenbürgen, im Norden die [[Slowakei]] an Österreich. Obwohl die Türken ab 1595 sogar einen "[[Heiliger Krieg|Heiligen Krieg]]" führten und nach der Schlacht von Mezőkeresztes (1596) im Norden auch [[Györ]]<ref>1592-1598 türkisch besetzt</ref>, Eger und [[Nyíregyháza]] erobern konnten, mußten sie 1606 mit Österreich einen Kompromißfrieden schließen. Ein ähnlicher Kompromißfrieden wurde 1664 in [[Eisenburg]] geschlossen - trotz ihrer Niederlage bei [[Szentgotthárd]] erhielten die Türken im Osten [[Oradea]], im slowakischen Norden [[Nitra]]<ref>1663-1664 türkisch besetzt</ref> bzw. [[Nové Zámky]] sowie [[Levice]] und konnten im Westen die Grenze bis an die Flüsse [[Raab (Fluss)|Raab]] und [[Waag]] vorverlegen, Türkisch-Ungarn erreichte damit seine größte Ausdehnung. Lediglich die Gebiete westlich von Györ (Komitat [[Győr-Moson-Sopron]]) und östlich von [[Tokaj (Stadt)|Tokaj]] (Komitat [[Borsod-Abaúj-Zemplén]]) waren niemals türkisch.<ref>Dennoch standen auch Tokaj und Nordostungarn unter türkisch-siebenbürgischer Oberhoheit</ref>
====Balkanhalbinsel====
*''Siehe Hauptartikel:'' [[Islam in Albanien]] und [[Bosniaken]]


'''Türkisch-Ungarn''' wurde in vier [[Vilayet]]s gegliedert: Eger, Buda, Temesvar und Szigetvar-Mohacs. Zwar hatte die türkisch-osmanische Herrschaft als brutaler Eroberungszug begonnen, und die Türken raubten das Land ebenso rücksichtslos aus wie die Österreicher, sie betrieben aber keine Politik der planmäßigen [[Islamisierung]] Ungarns. Sie überzogen allerdings das Land mit Garnison, und für die türkischen Soldaten wurden dann ähnlich Garnisonskirchen zahlreiche Moscheen errichtet. Nach und nach [[Konversion (Religion)|konvertierten]] auch zahlreiche Ungarn zum Islam, die meisten freiwillig in der Hoffnung auf Karriere im osmanischen Staatsapparat und Befreiung von der Nichtmuslimen auferlegten Kopfsteuer, einige Ausnahmen traten unter Zwang zum Islam über. Einigen ungarischen Familien wurden Söhne geraubt und verschleppt, um in Istanbul und im türkischen Kernland zu Muslimen erzogen zu werden, doch diese [[Knabenlese]] traf Ungarn weit weniger als andere Balkanstaaten, die länger unter türkischer Herrschaft standen. Sulaiman Pascha, 1541/42 der erste osmanische Gouverneur in Buda, war ein ungarischer Muslim, doch die Hauptstadt verfiel unter osmanischer Herrschaft allmählich, während sich Eger und Pecs (Sitz des Muftis) zu türkisch-muslimischen Zentren entwickelten. Türken ließen sich [[Buda]], [[Komitat Pest|Pest]], [[Vác]], [[Tolna]] und [[Szeged]], aber auch in [[Esztergom]], [[Visegrad]] und [[Nograd]] nieder. Aus [[Nagykanizsa]] stammte der Türke Kanijeli Siyavuş Pascha, zwischen 1582 und 1593 dreimal osmanischer [[Großwesir]] (Regierungschef).
Auf dem Balkan standen Mazedonien und Bulgarien rund 500 Jahre und Albanien über 400 Jahre unter dem „Joch“ der osmanischen Türken, Griechenland 370 und Serbien 350 Jahre. Doch allein Ost-Thrakien (europäische Türkei) bis heute türkisch geblieben (Edirne seit 1369), das 1453 von den Türken eroberte [[Istanbul]] ist heute neben Moskau die größte Stadt Europas.


Die dunklen Seiten der türkischen Herrschaft wurden vor allem durch die österreichische und polnische Propaganda von der [[Türkengefahr]] z.T. überhöht und verzerrt. Zweifellos trugen die [[Türkenkriege]] sowie die Flucht vor ihnen zur weitgehenden Entvölkerung der ungarischen Tiefebene bei und warfen die wirtschaftliche sowie soziale Entwicklung Ungarns zurück, ebenso aber hatten auch die im Schatten der Türkenherrschaft stattfinden Kämpfe um [[Reformation]] bzw. [[Gegenreformation]] dazu beigetragen, in denen sich die muslimischen Türken auf Seiten der [[Unitarier]] und [[Lutheraner]] gegen die Katholiken stellten. Das protestantische Christentum und auch das Judentum erfreuten sich in Türkisch-Ungarn und Siebenbürgen sogar einer gewissen Protektion durch die muslimischen Osmanen.
Doch islamische Herrschaft bedeutete nicht automatisch [[Islamisierung]] der Bevölkerung, nur Albaner und Bosnier traten geschlossen zum Islam über. In Bulgarien, Rumänien, Griechenland und Mazedonien gibt es aber bis heute islamische Minderheiten der [[Balkan-Türken]] sowie [[Slawische Muslime]] in Bulgarien, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Montenegro. Aufgrund des jahrhundertelangen türkisch-griechischen Konflikts und der staatlichen Bemühungen um Abwehr muslimischer Immigration ist eine positive Auseinandersetzung Europas mit dem Islam in Griechenland z.Z. noch am unwahrscheinlichsten, so M. Arkoun.


Nach einer [[zweite Wiener Türkenbelagerung|zweiten Niederlage vor Wien 1683]], dem Verlust Budapests 1686 und einer [[Schlacht bei Mohács (1687)|zweiten Schlacht bei Mohacs 1687]] brach die 150jährige türkische Herrschaft unter österreichisch-polnischen Angriffen zusammen. Eine türkische Gegenoffensive ab 1690 endete 1697 mit der [[Schlacht bei Zenta|Niederlage von Zenta]], das Osmanische Reich trat schließlich 1699 Ungarn an Österreich ab. Ungarn war scheinbar wieder frei, nur das [[Banat]] von Temesvar blieb noch bis 1718 unter türkischer Herrschaft. Türken und ungarische Konvertiten flohen, die Zurückbleibenden wurden zwangskatholisiert, fast alle Moscheen wurden zerstört oder zu Kirchen umgebaut. Erneut war der Islam in Ungarn vernichtet, doch die von Türken errichteten [[Budapester Thermalbäder]] haben die Zerstörungen überstanden.
====Russland und Ukraine====
[[Bild:Islam_in_der_Ukraine7.jpg|thumb|200px|right|Türken und Tataren in der Ukraine, islamische Gebietsverluste]]
[[Image:Keszthely waxmuseum joseph bem.jpg|thumb|200px|right|In Polen und Ungarn als Held geehrt: Revolutionsgeneral [[Josef Bem]], Vorbild für 6.000 Islam-Konvertiten]]
[[Bild:Adolf Seel 001.jpg|right|thumb|200px|Hof der [[Alhambra]] in Granada, Zentrum des spanischen Islam]]
[[Bild:Steuben - Bataille de Poitiers.png|thumb|200px|[[Schlacht von Tours und Poitiers|Schlacht vor Tours]], Franken schlagen plündernde Araber]]
*''Siehe Hauptartikel:'' [[Islam in Russland]] und [[Islam in der Ukraine]]


===Konvertiten im türkischen Exil===
In Russland, dem Land Europas mit der zahlreichsten muslimischen Bevölkerung, und der Ukraine ist der Islam vor allem von [[Tataren]] geprägt - in Russland seit über 1.000 Jahren von Wolgabulgaren bzw. Wolgatataren, in der Ukraine seit über 600 Jahren von [[Krimtataren]]. In Russlands Hauptstadt [[Moskau]], der neben dem islamischen Istanbul größten Stadt Europas, leben bis zu zwei Millionen vorwiegend tatarische Muslime, Nachfolger der muslimisch gewordenen Wolgabulgaren und Mongolen der [[Goldene Horde|Goldenen Horde]].


Gegen die bloße Auswechslung der türkisch-muslimischen durch die österreichisch-katholische Fremdherrschaft rebellierten sofort die Protestanten Siebenbürgens und die Kuruzen Oberungarns.
Zusammen mit dem islamischen Siedlungsgürtel an der Wolga ist der russische [[Nordkaukasus]] eine der bedeutendsten, zugleich aber auch politisch instabilsten Islam-Regionen Europas mit über 100 muslimischen Ethnien. Unabhängig von den jahrhundertelangen Türkenkriegen des russischen Zarenreichs und dem andauernden [[Tschetschenienkrieg]] im Innern war und ist die außenpolitische Orientierung Russlands seit Sowjetzeiten traditionell islamfreundlich und pro-orientalisch.


Der Konvertit Ibrahim Müteferrika errichtete 1727 die erste Druckerei in Istanbul.
====Polen und das Baltikum====
*''Siehe Hauptartikel:'' [[Islam in Polen]]


==Muslime in Ungarn: Gegenwart==
Ebenfalls seit rund 600 Jahren gibt es kleine Minderheit muslimischer, aber assmilierter Tataren in Polen, Litauen und Weißrußland, das bis zur russischen Eroberung im 18. Jahrhundert unter polnisch-litauischer Herrschaft stand, und Tausende gegen die Russen kämpfende polnische und ungarische Patrioten nahmen im 19. Jahrhundert im türkischen Exil den Islam an.
Restaurationen seit dem 19. Jahrhundert, Bosniaken ab 1878, ungarisch-türkische Freundschaft spätestens 1916, Ungarn ab 1918/19


==Anmerkungen==
Mit der Aufteilung Polens fielen einige Tataren unter preußisch-deutsche Herrschaft. Auch in Schweden und Finnland ist spätestens seit dem 16. Jahrhundert eine einheimische Minderheit baltischer Tataren muslimisch, heute jedoch sind die meisten Muslime in Schweden türkische Gastarbeiter oder marokkanische Einwanderer.
<references/>

===ROMANISCHES WESTEUROPA===
In West-, Südwest- und Südeuropa wird der Islam traditionell von nordafrikanischen Arabern und Berbern geprägt und steht dem katholischen Christentum gegenüber.

====Iberische Halbinsel====
*''Siehe Hauptartikel:'' [[Islam in Spanien]]

Während Portugal über 500 Jahre islamisch war, hielt sich die arabisch-berberische bzw. marokkanische Herrschaft ([[Umayyaden]], [[Almoraviden]], [[Almohaden]] und [[Nasriden]]) im spanischen Granada fast achthundert Jahre. Von der arabischen Eroberung 711 bis zur endgültigen Vertreibung der Muslime durch die christliche Inquisition 1614 waren es sogar über 900 Jahre.

In Spanien waren nur Andalusien und Murcia im Süden sowie Valencia und das Ebro-Becken (Zaragoza) im Osten (Levante) Zentren arabischer Siedler, die dort zeitweise aber bis zu 80 Prozent der Bevölkerung ausmachten. Noch heute sind genau jene Gebiete Spaniens (aber auch Katalonien) die Hauptniederlassungsgebiete muslimischer Immigranten und Zentren des Islam in Spanien.

In Sizilien, das wie Sardinien etwa 250 Jahre unter tunesischer und ägyptischer Herrschaft stand, erreichte der muslimische Bevölkerungsanteil im Mittelalter immerhin 50 Prozent, wie in Spanien blieben die meisten Araber und Berber auch noch weitere rund 150 Jahre nach der christlichen Eroberung auf der Insel. Die heutigen Muslime in Spanien ebenso wie auf Sizilien sind überwiegend marokkanische Einwanderer des 20. Jahrhunderts.

====Italien und Frankreich====
*''Siehe Hauptartikel:'' [[Islam in Italien]] und [[Islam in Frankreich]]

Das italienische Festland weist hingegen zahlreiche Gemeinsamkeiten eher mit Frankreich als mit Spanien auf. Nur wenige Jahrzehnte standen die Südküste Frankreichs und der Süden Italiens unter direkter arabischer Herrschaft, jahrhundertelang aber blieben mehr als die Hälfte beider Länder von arabischen Überfällen und Plünderungen bedroht. In Italien waren die Muslime waren von rivalisierenden Fürsten überhaupt erst ins Land gerufen worden, und Frankreich war das einzige Land Europas, das eine dauerhafte Allianz mit den türkischen Muslimen gegen seine christlichen Nachbarn schloß.

Die heutigen Muslime in Frankreich und Italien sind nicht Nachkommen der Araber oder Türken des Mittelalters, sondern Nachkommen nordafrikanischer Einwanderer aus den ehemaligen französischen und italienischen Kolonien oder Gastarbeiter in der Industrie. In beiden Ländern ist der Einfluß des Euro-Islam am stärksten, aber auch die Bemühungen der Regierungen aus dem Islam in Europa einen europäischen Islam zu machen.

===GERMANISCHES NORDEUROPA===
In Mittel-, Nord- und Nordwesteuropa wurde der Islam durch spätere Einwanderung statt durch frühe Eroberungen präsent und steht nun dem protestantischen Christentum gegenüber (außer in Österreich und dem nichtgermanischen Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei, die als Katholiken gegen die Türken kämpften).

====Deutschland und Mitteleuropa====
[[Image:Al-Kamil Muhammad al-Malik and Frederick II Holy Roman Emperor.jpg|thumb|200px|Arabophiler Kaiser: [[Friedrich II. (HRR)|Friedrich II.]] (li.) schließt Frieden mit Ägypten]]
*''Siehe:'' [[Islamische Organisationen in Deutschland|Islamische Organisationen in Deutschland]], [[Islamische Organisationen in Österreich|in Österreich]] und [[Islamische Organisationen in der Schweiz|in der Schweiz]]

Auch mit Deutschland weist Frankreich zahlreiche Parallelen auf, und beide Länder haben traditionell gute Beziehungen zur Islamischen Welt. Zwar hat Deutschland anders als die Schweiz oder Frankreich keine islamische Territorialgeschichte und wurde auch anders als Österreich niemals von Türken direkt angegriffen, aber wie in Italien und Frankreich kamen die meisten Muslime erst im 20. Jahrhundert als Gastarbeiter nach Deutschland und Österreich, und wie in Frankreich dominiert unter den Muslimen eine Ethnie zahlenmäßig deutlich die anderen: in Frankreich über 3 Millionen Algerier bzw. Maghrebiner, in Deutschland 2,5 Millionen Türken und türkische Kurden. Das Bild des Islam in Deutschland bzw. Frankreich ist daher überwiegend türkisch bzw. algerisch geprägt.

Im Gegensatz zu Deutschland sind die meisten Muslime in der Schweiz Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, und auch in Österreich stellen muslimische Bosnier heute die zweitgrößte Gruppe muslimischer Immigranten. Wie in den früheren deutschen Einzelstaaten so kamen auch in Tschechien und Ungarn schon im Mittelalter immer wieder Muslime als Leibgardisten der Könige ins Land, Ungarn und Teile der Slowakei bzw. Kroatiens allerdings standen zwischen der [[Schlacht bei Mohács (1526)|ersten Schlacht]] und der [[Schlacht bei Mohács (1687)|zweiten Schlacht bei Mohács]] 1526 bis 1687 über 150 Jahre wie der Balkan unter türkischer Fremdherrschaft.

====Großbritannien und Nordseeanrainer====
*''Siehe englische Wikipedia:'' [http://en.wikipedia.org/wiki/Islam_in_the_United_Kingdom Islam in Vereinigten Königreich]

Die meisten britischen Muslime sind Einwanderer aus den ehemaligen Kolonien oder deren Nachkommen. Zur Zeit seiner höchsten Blüte, vor rund 100 Jahren, hatte das Britische Empire rund ein Viertel aller Muslime weltweit zu seinen Untertanen gemacht. Um 1900 beherrschte Großbritannien von über 240 Millionen Muslimen weltweit fast 60 Millionen allein in Britisch-Indien, und noch heute sind fast 70% der Muslime in Großbritannien Inder bzw. Pakistanis und Bengalen. Der britische Islam ist daher im Gegensatz zu z.B. Frankreich und Deutschland eher asiatisch als arabisch und türkisch geprägt.

Den nach Frankreich (7-10%) zweitgrößten Prozentsatz an Muslimen in der EU weisen die Niederlande (6%) auf, gefolgt von Dänemark (5%), der Schweiz und Österreich (je über 4%), Deutschland steht noch nach Schweden (4%) an siebter, Großbritannien nach Belgien (3,5%) an neunter Stelle. Durch die Ermordnung des Islamkritikers [[Theo van Gogh (Regisseur)|Theo van Gogh]] in den Niederlanden (dort überwiegend indonesische und marokkanische Muslime) und den [[Karikaturenstreit]] in Dänemark (dort überwiegend türkische und marokkanische Muslime) sind Dialogversuche verstärkter Konfrontation gewichen.

==Europa und der Islam (Schlüsseldaten)==
*652 erste arabische Angriffe auf das byzantinische Sizilien
*711 Sieg der Araber und Berber in der [[Schlacht am Rio Guadalete|Schlacht bei Jerez]], das Westgotenreich (Spanien) wird islamisch, aber 718 Niederlage vor Konstantinopel
*732 Niederlage der Araber und Berber in der [[Schlacht von Tours und Poitiers|Schlacht bei Tours]], weitere Angriffe auf das Frankenreich scheiterten
*827 Eroberung Siziliens und 846 Plünderung Roms durch die Araber
*952/62 Araber besetzen die Schweiz und die Alpenpässe, Vorstöße bis Sankt Gallen
*1064-1492 christliche [[Reconquista]] in Spanien (Rückeroberung Toledos 1085, 1118 fällt auch das islamische Zaragoza, 1147 Lissabon, 1238 ebenso Valencia und 1248 Sevilla)
*1096-1291 [[Kreuzzüge]] (erster Kreuzzug bereits 1064 gegen das spanische Barbastro, weitere gegen die osmanischen Türken 1396 und 1444)
*1212 Sieg der Christen über marokkanische Muslime in der [[Schlacht bei Las Navas de Tolosa]] und 1340 am Rio Salado
*1389 Sieg der Türken in der [[Schlacht auf dem Amselfeld]] (Kosovo) über eine Koalition der Serben mit anderen Balkanvölkern
*1453 Türken erobern Konstantinopel, aber 1492 fällt das muslimische Granada an spanische Christen
*1529 erfolgloser Angriff der Türken auf Wien (aber 1536 türkisch-französisches Bündnis), 1571 Sieg einer christlichen Allianz über die Türken in der [[Seeschlacht von Lepanto]]
*1609/14 Vertreibung der Muslime und Moriscos aus Spanien
*1683 Niederlage der Türken vor Wien und Zusammenbruch ihrer Herrschaft in Ungarn und der Ukraine (1699)
*1739 nimmt mit dem Ausscheiden Österreichs aus den Türkenkriegen, dem [[Friede von Küçük Kaynarca]] (1774), der westeuropäischen Unterstützung für den [[Griechischer Unabhängigkeitskrieg|Griechischen Unabhängigkeitskrieg]] (1821-32) und dem russisch-türkischen Vertrag von Hunkiar Skelessi (1833) der russische Druck auf das Türkische Reich zu, trotz westeuropäischen Eingreifens in den [[Krimkrieg]] (1853-56) gehen den Türken zwischen 1877 und 1912 alle Balkan-Provinzen verloren
*1798 erobert Frankreich Ägypten, 1830 Algerien, 1881 Tunesien und ab 1891 Westafrika, 1882 besetzen dann die Briten Ägypten bzw. 1898 Sudan, Deutschland erwirbt 1885 Sansibar und verbündet sich 1898 mit dem Osmanischen Reich, 1811-1909 vollendet Großbritannien die Eroberung Malaysias und 1824-1908 vollenden die Niederlande ebenso die Eroberung Indonesiens, Italien erobert ab 1911 Libyen, Frankreich und Spanien teilen schließlich 1912 auch Marokko unter sich auf
*1920, nach der Niederlage der deutsch-türkischen Allianz im Ersten Weltkrieg (1914-18), verwestlicht Kemal Atatürk die restliche Türkei, Syrien und Libanon fallen an Frankreich, Palästina sowie Jordanien und Irak fallen an Großbritannien (Jerusalem 1917-47 britisch)
*1956 scheitert die britisch-französisch-israelische [[Suezkrise|Intervention in Ägypten]], symbolisches Ende der europäischen Kolonialvorherrschaft über den Orient


==Siehe auch==
==Siehe auch==
*[[Islam in Rumänien]]
*[[Emirat von Cordoba]] bzw. [[Kalifat von Cordoba]] und [[Taifa-Königreich]]e
*[[Islamische Organisationen in Österreich|Islam in Österreich]]
*[[Reconquista]] und [[Türkenkriege]]
*[[Islam in Tschechien und der Slowakei]]
*[[Jugoslawienkriege]] und [[Tschetschenienkrieg]]
*[[Islam in Kroatien]]
*[[Osmanisches Reich]] bzw. [[Türkische Geschichte]]
*[[Geschichte Ungarns]]
*[[Euro-Islam]] und [[Islamischer Fundamentalismus]]
*[[Islamophobie]] und [[Eurabien]]
*[[Kopftuchstreit]] und [[Karikaturenstreit]]
*[[Islamisierung]] und [[Knabenlese]]

==Literatur==
*Günter Kettermann: ''Atlas zur Geschichte des Islam.'' Darmstadt 2001. ISBN 3-89678-194-4
*Mohammed Arkoun: ''L´islam et les musulmans dans le monde.'' Paris 1993


==Weblinks==
==Weblinks==
*[http://www.magyariszlam.hu/eng/history.html Zoltan Bolek: The Hungarian Islam from the beginning]
<b>englische und französische Wikipedia</b><br>
*[http://www.imamreza.net/eng/imamreza.php?id=3889 Imam Reza: History of Islam in Hungary]
*[http://en.wikipedia.org/wiki/Muslims_in_Western_Europe Muslims in Western Europe (Zahlen)]
*[http://f24.parsimony.net/forum61827/messages/21178.htm Islam in Ungarn und Südosteuropa]
*[http://en.wikipedia.org/wiki/Western_Muslims Western Muslims (Vertreter)]
*[http://fr.wikipedia.org/wiki/Union_des_organisations_islamistes_en_Europe Union Islamistischer Organisationen in Europa (französisch)]


[[en:Islam in Hungary]]
<b>weitere</b><br>
*[http://www.bpb.de/publikationen/4HO5HI,,0,Muslime_in_Europa.html Bundeszentrale für politische Bildung: Muslime in Europa]
*[http://f24.parsimony.net/forum61827/messages/21178.htm Islam in Ungarn und Südosteuropa]
*[http://www.islamische-zeitung.de/material/680-1005042117konzept.pdf Islamische Zeitung: Konzept "Islam in Europa" als Diskussionsgrundlage - Muslims können Terrorismus und Extremismus ausgrenzen (PDF)]
*[http://www.goethe.de/mmo/priv/168254-STANDARD.pdf Vorträge einer Konferenz des Brüsseler Goethe-Instituts mit Vertretern des Euro-Islam (PDF)]
*[http://www.nahost-politik.de/islam/europa.htm haGalil/MEMRI: Wachsender Haß gegen Muslime in Europa]


<br>
[[en:Islam in Europe]]
[[:Kategorie:Islam in Europa]]
[[ru:Европа и ислам]]
[[:Kategorie:Religion (Ungarn)]]

Aktuelle Version vom 20. Juni 2017, 10:42 Uhr

restaurierte Hassan-Jakovali-Pascha-Moschee in Pécs

Vor der Flüchtlingskrise von 2015 lag der moslemische Bevölkerungsanteil in Ungarn mit einer Anzahl von nur 60.000 Muslimen bei 0,6% von 10 Millionen Einwohnern. Einschließlich der Flüchtlinge waren 2017 fast XXX.XXX bzw. X,X%. Der Islam in Ungarn aber hat eine fast tausendjährige Geschichte, und im 19. Jahrhundert kam es sogar zu einem Massenübertritt ungarischer Patrioten zum Islam.

Als einziges Land Mitteleuropas standen weite Teile Ungarns 150 Jahre lang unter türkisch-muslimischer Herrschaft - verglichen mit anderen Balkanstaaten ist das allerdings eine relativ kurze Zeitspanne.[1] In der Wahrnehmung des Abendlandes fiel jedoch Ungarn eine größere Bedeutung zu, weil es unmittelbar an das Heilige Römische Reich Deutscher Nation angrenzte und im Gegensatz zum orthodoxen Balkan ebenfalls katholisch und protestantisch war.

Ungarn und der Islam: Geschichte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nur der äußerste Westen Ungarns war niemals türkisch

Zweimal breitete sich ein autochthoner Islam in Ungarn aus, zweimal wurde er fast vollständig vernichtet. Beide Male waren turkstämmige Muslime die Hauptvertreter eines ungarischen Islam.

"Baschkiren" im Mittelalter

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ungarischen Herkunftssagen zufolge sollen finnougrische Magyaren (Ungarn) und turkstämmige Baschkiren gemeinsame ural-altaische Vorfahren gehabt haben. Die Baschkiren wiederum waren Nachbarn der Wolgabulgaren, welche im 10. Jahrhundert den Islam angenommen hatten. Obwohl die vollständige Islamisierung der Baschkiren zeitgleich mit der Vernichtung der am Ural verbliebenen Magyaren erst mit der mongolisch-tatarischen Eroberung erfolgte, so bekannte sich schon zu Beginn des 11. Jahrhunderts eine baschkirische Minderheit zum Islam, während die Ungarn zeitgleich das Christentum annahmen.[2] Zusammen mit wolgabulgarischen Händlern gelangten muslimische Baschkiren offenbar im 12. Jahrhundert nach Ungarn, wohin die Magyaren gezogen waren, seit die Petschenegen sie aus Etelköz vertrieben hatten (Ende des 9. Jahrhunderts). Arabische und persische Geographen verwandten daher die Begriffe Magyaristan (Land der Ungarn) und Baschkirien sowie Hunkar (Ungarn) und Baschkirt (türkisch Bozkurt = Baschkiren) teilweise synonym, teilweise aber auch in religiöser Abgrenzung zueinander: Ungarn als die christlichen, Baschkiren als die muslimischen Einwohner des mittelalterlichen Ungarn.

Im 10. Jahrhundert sollen sich die ersten wolgabulgarischen Ismailiten in Ungarn niedergelassen haben.[3] Zur gleichen Zeit hatte Al-Masudi muslimische Petschenegen in Ungarn erwähnt, aber auch zahlreiche Muslime unter den Ungarn, die er Baschkiren nannte, obwohl der Andalusier Abu Abdullah al-Bakri die Islamisierung der Petschenegen erst ins 11. Jahrhundert verlegte. Sein Landsmann und Zeitgenosse Abu Hamid al-Gharnati, der 1150-1153 als Berater am Hof des ungarischen Königs Geza II. lebte, bestätigte muslimische Petschenegen ebenso wie Maghrebiner und Choresmier, die alle seit dem 11. Jahrhundert in Ungarn seßhaft gewesen sein sollen. Auch christliche Quellen des 12. Jahrhunderts bestätigten die choresmischen Kaliz, christliche Quellen des 13. Jahrhunderts erwähnten zudem Sarazenen, Ismailiten und Böszörmeny (das ungarische Wort für "Muslime" an sich), die z.B. die durchziehenden Kreuzritter behinderten. Die ungarischen Muslime erfreuten sich königlichen Wohlwollens unter Stephan II., der die Petschenegen ansiedelte, und Geza II., der al-Gharnati zum Scheikh ul-Islam machte und mit der Anwerbung muslimischer Kumanen beauftragte. Noch unter Andreas II. wurden die Muslime zu Studien nach Aleppo gesandt, wie der syrische Geograph Yaqut al-Hamawi nach 1220 überlieferte. Doch dann änderte der ungarische König unter päpstlichem Einfluß seine Haltung und erließ 1222 und 1233 diverse anti-islamische Religionsgesetze. Es folgte eine Christianisierungspolitik, der auch die um 1238 aufgenommenen Kumanen zum Opfer fielen, und die nach dem Ende der Arpaden-Dynastie noch verschärft wurde. Im 14. Jahrhundert konvertierten die Petschenegen zum Christentum, dennoch sind Reste muslimischer Petschenegen und Kumanen noch bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts überliefert. Bei Anbruch der Neuzeit, zum Zeitpunkt des Einfalls der Türken Anfang des 16. Jahrhunderts, gab es in Ungarn keine Muslime mehr.

Türken in der Neuzeit

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Zur Kirche umgebaute Moschee im Zentrum von Pécs
Osmanisches Minarett in Eger
Sulaiman Pascha, 1541/42 erster muslimischer Gouverneur in Buda
Kiraly-Bad in Budapest
Noch 400 Jahre nach Mohács und über den Untergang der Osmanen hinaus wurde das Türkenbild verzerrt
In Szigetvar erinnert seit 1996 ein Park der ungarisch-türkischen Freundschaft an Zrinyi und Sulaiman

Schon 1396 und 1443-48 hatte sich Ungarn an Kreuzzügen gegen das Vordringen der osmanischen Türken auf dem Balkan beteiligt. Der Fall Konstantinopels 1453 konnte nicht verhindert werden, doch Janos Hunyadis Abwehrsieg bei Belgrad 1456 hielt die Türken zumindest 70 Jahre auf. Nachdem es 1514 statt eines geplanten erneuten Kreuzzuges zu einem Bauernaufstand unter György Dózsa gekommen war, wurden die Abwehrkräfte des Königreichs in dessen Niederschlagung geschwächt. In der Schlacht bei Mohacs verlor König Lajos II. 1526 Reich und Leben.

Dennoch verschwand Ungarn nicht sofort von der Landkarte. Um die Erbfolge kämpften Lajos´ Schwager Ferdinand von Österreich und Lajos´ Onkel Johann Zapolya, der als siebenbürgischer Woiwode und ehemaliger Regent Ungarns 1514 den Bauernaufstand niedergeschlagen hatte. Der türkische Sultan Sulaiman I. Kanuni besetzte 1529 Buda (Ofen), krönte dort Zapolya zum letzten ungarischen König von türkischen Gnaden, und marschierte gegen Wien. Trotz der erfolglosen Belagerungen von Wien (1529) und Güns (1532) und trotz österreichischer Gegenangriffe nach Zapolyas Tod besetzten die Türken 1541/44 mit Buda, Pecs, Szeged, Székesfehérvár, Vác, Nograd, Kalocsa, Esztergom und Miskolc[4] den größten und wichtigsten Teil Ungarns. Zapolyas Sohn, der die Türken ins Land gerufen hatte, wurde als Fürst von Siebenbürgen osmanischer Vasall. In einer zweiten Welle eroberten die Türken 1551/55 auch Arad, Temesvar, Veszprem, Szolnok und Debrecen[5], scheiterten aber zunächst vor Eger. Mit dem Fall der Festung Szigetvar endete der ungarische Widerstand, sowohl der ungarisch-kroatische Kommandant Zrinyi als auch Sulaiman fanden dabei den Tod. Ungarn wurde dreigeteilt, im Westen markierte zunächst der Balaton die Grenze zwischen dem türkischen und dem österreichischen Teil Ungarns, im Osten fielen ungarische Grenzgebiete (Partium) 1570 an Siebenbürgen, im Norden die Slowakei an Österreich. Obwohl die Türken ab 1595 sogar einen "Heiligen Krieg" führten und nach der Schlacht von Mezőkeresztes (1596) im Norden auch Györ[6], Eger und Nyíregyháza erobern konnten, mußten sie 1606 mit Österreich einen Kompromißfrieden schließen. Ein ähnlicher Kompromißfrieden wurde 1664 in Eisenburg geschlossen - trotz ihrer Niederlage bei Szentgotthárd erhielten die Türken im Osten Oradea, im slowakischen Norden Nitra[7] bzw. Nové Zámky sowie Levice und konnten im Westen die Grenze bis an die Flüsse Raab und Waag vorverlegen, Türkisch-Ungarn erreichte damit seine größte Ausdehnung. Lediglich die Gebiete westlich von Györ (Komitat Győr-Moson-Sopron) und östlich von Tokaj (Komitat Borsod-Abaúj-Zemplén) waren niemals türkisch.[8]

Türkisch-Ungarn wurde in vier Vilayets gegliedert: Eger, Buda, Temesvar und Szigetvar-Mohacs. Zwar hatte die türkisch-osmanische Herrschaft als brutaler Eroberungszug begonnen, und die Türken raubten das Land ebenso rücksichtslos aus wie die Österreicher, sie betrieben aber keine Politik der planmäßigen Islamisierung Ungarns. Sie überzogen allerdings das Land mit Garnison, und für die türkischen Soldaten wurden dann ähnlich Garnisonskirchen zahlreiche Moscheen errichtet. Nach und nach konvertierten auch zahlreiche Ungarn zum Islam, die meisten freiwillig in der Hoffnung auf Karriere im osmanischen Staatsapparat und Befreiung von der Nichtmuslimen auferlegten Kopfsteuer, einige Ausnahmen traten unter Zwang zum Islam über. Einigen ungarischen Familien wurden Söhne geraubt und verschleppt, um in Istanbul und im türkischen Kernland zu Muslimen erzogen zu werden, doch diese Knabenlese traf Ungarn weit weniger als andere Balkanstaaten, die länger unter türkischer Herrschaft standen. Sulaiman Pascha, 1541/42 der erste osmanische Gouverneur in Buda, war ein ungarischer Muslim, doch die Hauptstadt verfiel unter osmanischer Herrschaft allmählich, während sich Eger und Pecs (Sitz des Muftis) zu türkisch-muslimischen Zentren entwickelten. Türken ließen sich Buda, Pest, Vác, Tolna und Szeged, aber auch in Esztergom, Visegrad und Nograd nieder. Aus Nagykanizsa stammte der Türke Kanijeli Siyavuş Pascha, zwischen 1582 und 1593 dreimal osmanischer Großwesir (Regierungschef).

Die dunklen Seiten der türkischen Herrschaft wurden vor allem durch die österreichische und polnische Propaganda von der Türkengefahr z.T. überhöht und verzerrt. Zweifellos trugen die Türkenkriege sowie die Flucht vor ihnen zur weitgehenden Entvölkerung der ungarischen Tiefebene bei und warfen die wirtschaftliche sowie soziale Entwicklung Ungarns zurück, ebenso aber hatten auch die im Schatten der Türkenherrschaft stattfinden Kämpfe um Reformation bzw. Gegenreformation dazu beigetragen, in denen sich die muslimischen Türken auf Seiten der Unitarier und Lutheraner gegen die Katholiken stellten. Das protestantische Christentum und auch das Judentum erfreuten sich in Türkisch-Ungarn und Siebenbürgen sogar einer gewissen Protektion durch die muslimischen Osmanen.

Nach einer zweiten Niederlage vor Wien 1683, dem Verlust Budapests 1686 und einer zweiten Schlacht bei Mohacs 1687 brach die 150jährige türkische Herrschaft unter österreichisch-polnischen Angriffen zusammen. Eine türkische Gegenoffensive ab 1690 endete 1697 mit der Niederlage von Zenta, das Osmanische Reich trat schließlich 1699 Ungarn an Österreich ab. Ungarn war scheinbar wieder frei, nur das Banat von Temesvar blieb noch bis 1718 unter türkischer Herrschaft. Türken und ungarische Konvertiten flohen, die Zurückbleibenden wurden zwangskatholisiert, fast alle Moscheen wurden zerstört oder zu Kirchen umgebaut. Erneut war der Islam in Ungarn vernichtet, doch die von Türken errichteten Budapester Thermalbäder haben die Zerstörungen überstanden.

Konvertiten im türkischen Exil

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegen die bloße Auswechslung der türkisch-muslimischen durch die österreichisch-katholische Fremdherrschaft rebellierten sofort die Protestanten Siebenbürgens und die Kuruzen Oberungarns.

Der Konvertit Ibrahim Müteferrika errichtete 1727 die erste Druckerei in Istanbul.

Muslime in Ungarn: Gegenwart

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Restaurationen seit dem 19. Jahrhundert, Bosniaken ab 1878, ungarisch-türkische Freundschaft spätestens 1916, Ungarn ab 1918/19

  1. Für einige Jahrzehnte stand im 17. Jahrhundert auch ein Drittel der Slowakei unter türkischer Herrschaft, von 1528/92-1699/1718 ebenso fast neun Zehntel Kroatiens.
  2. Die meisten Quellen setzen die Islamisierung der Baschkiren allerdings erst im 13. Jahrhundert an, die Ural-Magyaren hingegen fanden ungarische Missionare noch kurz vor ihrem Untergang im 13. Jahrhundert heidisch und nicht christianisiert vor.
  3. Damit waren aber offenbar keine sich auf Imam Ismail berufene Siebener-Schiiten, sondern allgemein nach dem arabischen Stammvater Ismail bezeichnete sunnitische Muslime gemeint, auch wenn das ismailitische Schiiten gern anders interpretieren.
  4. 1544 von Türken zerstört, danach bis 1687 "nur" Tributzahlungen
  5. 1555 von Türken erobert, danach bis 1687 "nur" Tributzahlungen
  6. 1592-1598 türkisch besetzt
  7. 1663-1664 türkisch besetzt
  8. Dennoch standen auch Tokaj und Nordostungarn unter türkisch-siebenbürgischer Oberhoheit


Kategorie:Islam in Europa Kategorie:Religion (Ungarn)