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„MMR-Impfstoff“ – Versionsunterschied

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Der '''MMR-Impfstoff''' ist eine Mischung lebender, aber abgeschwächter [[Virus|Viren]], welche per Injektion zwecks Immunisierung gegen [[Masern]], [[Mumps]] und [[Röteln]] eingesetzt wird. Geimpft werden im deutschsprachigen Raum generell Kinder im Alter von etwa einem Jahr, mit einer Auffrischung im zweiten Lebensjahr. Bei Einhaltung dieses Impfschemas ergibt sich ein Schutz von über 99% gegen diese Infektionskrankheiten <ref name="Measles">Die Kapitel [http://www.cdc.gov/nip/publications/pink/meas.pdf ''Measles'']], [http://www.cdc.gov/nip/publications/pink/mumps.pdf Mumps] und [http://www.cdc.gov/nip/publications/pink/rubella.pdf Rubella]. In: ''Epidemiology & Prevention of Vaccine-Preventable Diseases - "The Pink Book"'', 9te Edition, Public Health Foundation, S. 131-170 </ref>. Seit Einführung der frühesten Versionen in den 1970er Jahren wurden etwa 500 Millionen Dosen in über 60 Ländern verwendet. Wie mit allen [[Impfstoff]]en unterliegen Langzeitwirkungen und Wirksamkeit kontinuierlicher Forschung.
Der '''MMR-Impfstoff''' ist eine Mischung von in ihrer [[Virulenz]] abgeschwächten [[Viren]], die per Injektion zur Immunisierung gegen [[Masern|'''M'''asern]], [[Mumps|'''M'''umps]] und [[Röteln|'''R'''öteln]] eingesetzt wird. [[Impfung|Geimpft]] werden im deutschsprachigen Raum generell Kinder im Alter von etwa einem Jahr, mit einer Zweitimpfung im zweiten Lebensjahr. Bei Einhaltung dieses Impfschemas ergibt sich ein Schutz von über 99 % gegen diese Infektionskrankheiten.<ref name="pink">Die Kapitel [http://www.cdc.gov/vaccines/pubs/pinkbook/downloads/meas.pdf ''Measles''] (PDF; 112&nbsp;kB), [http://www.cdc.gov/vaccines/pubs/pinkbook/downloads/mumps.pdf ''Mumps''] (PDF; 137&nbsp;kB) und [http://www.cdc.gov/vaccines/pubs/pinkbook/downloads/rubella.pdf ''Rubella''] (PDF; 133&nbsp;kB). In: ''Epidemiology & Prevention of Vaccine-Preventable Diseases „The Pink Book“''. Neunte Auflage. Public Health Foundation, S. 131–170.</ref> Seit 2010 ist die Impfung in Deutschland auch für nach 1970 geborene Erwachsene empfohlen, die als Kind nicht oder nur einmal geimpft wurden.<ref>Deutsches Grünes Kreuz für Gesundheit: {{Webarchiv |url=http://dgk.de/gesundheit/impfen-infektionskrankheiten/aktuelle-stiko-empfehlungen.html |text=Aktuelle STIKO-Empfehlungen |wayback=20120225044502 |archiv-bot=}}</ref> Seit Einführung der frühesten Versionen in den 1970er Jahren wurden bis 2001 mehr als 500 Millionen Dosen in über 100 Ländern verwendet.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.iow.nhs.uk/Downloads/Health%20Visiting_School%20Nursing/MMR%20mythsandtruths.pdf |titel=Top 10 myths about MMR |werk=NHS |datum=2003-08 |format=PDF |sprache=en |abruf=2021-10-21}}</ref> Wie bei allen [[Impfstoff]]en unterliegen Langzeitwirkungen, Nebenwirkungen und Wirksamkeit kontinuierlicher Forschung.


Seit 2006 steht in Deutschland ein [[Kombinationsimpfstoff]] zur Verfügung, der zusätzlich eine Impfkomponente gegen [[Windpocken]] ('''V'''arizellen) beinhaltet,<ref>Priorix-Tetra: Vierfachvakzine erhöht Durchimpfungs-Chance, Deutsches Ärzteblatt 103(51-52), 2006, S. A-3502</ref> die mittlerweile von der ständigen Impfkommission empfohlen wird. Diese Präparate werden dann als '''MMRV-Impfstoff''' bezeichnet.
==Epidemiologie==
'''Masern''', '''Mumps''' und '''Röteln''' sind alle drei hochgradig infektiöse Krankheiten. Vor dem umfassenden Einsatz von Impfstoffen gegen diese war das Auftreten so üblich, dass nahezu jeder diese Krankheiten üblicherweise schon im Kindesalter kontraktiert hatte. Somit gehörten diese Infektionskrankheiten zu den "[[Kinderkrankheit]]en". Obwohl der Begriff Kinderkrankheit Harmlosigkeit suggeriert, können diese Erkrankungen mit sehr ernsthaften Komplikationen einhergehen.


== Epidemiologie ==
Bei Masern treten bei 20-30% der Erkrankten Komplikationen auf, darunter [[Lungenentzündung]] und [[Enzephalitis]]. In Folge dieser Komplikationen liegt die Sterberate bei bis zu 1 - 2% aller Masern-Erkrankten <ref name="Measles"/>. Mumps ist eine weitere, einstmals typische Viruserkrankung von Kindern. Eine bekannte, aber eher seltene Komplikation ist die Sterilität von Männern sowie ein- oder beidseitige Hörverluste, die in der Regel bleibend sind. Röteln waren ebenfalls vor Aufbau der weitreichenden Impfprogramme eine verbreitete Krankheit. Das Hauptrisiko der Röteln ist die Übertragung von Schwangeren auf ihre Kinder, was schwerwiegende [[Rötelnembryopathie|Geburtsfehler]] zur Folge haben kann.
[[Datei:Masern in den USA, 1938-2019.png|mini|300px|Die Zahl der Masernerkrankungen fiel stark nach Einführung der Impfung (Datensatz USA)]]


Masern, Mumps und Röteln sind hochgradig infektiöse Krankheiten. Vor dem umfassenden Einsatz von Impfstoffen gegen diese Krankheiten waren sie so verbreitet, dass nahezu jeder sich mit diesen Krankheiten üblicherweise schon im Kindesalter angesteckt hatte. Somit gehörten diese Infektionskrankheiten zu den [[Kinderkrankheit]]en, obwohl bei fehlender [[Impfung|Immunisierung]] auch Erwachsene infiziert werden. Der Begriff Kinderkrankheit suggeriert eine gewisse Harmlosigkeit, aber diese Erkrankungen können mit ernsthaften, auch tödlichen Komplikationen einhergehen. Bei Masern treten bei 20 % bis 30 % der Erkrankten Komplikationen auf, darunter [[Lungenentzündung]] und [[Enzephalitis]]. Die Sterberate infolge dieser Komplikationen liegt nach verschiedenen Literaturangaben zwischen 1:10.000<ref name="Merkblatt-rki">''Masern.'' [http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Masern.html Stand 02/2015]</ref> und 2:1000<ref name="pink" /> (0,01 - 0,2 %) aller Masern-Erkrankten in Industrieländern, in Entwicklungsländern kann sie auf 25 % steigen.
Der MMR-Impfstoff wurde ursprünglich als Einzelimpfung gegen alle drei Krankheiten entwickelt. Ein beobachteter signifikanter Rückgang der Erkrankungen seit der ersten Lizensierung der Impfstoffe gegen diese Krankheiten 1963/1964 wird der systematischen Impfung zugerechnet. Aufgrund der Impfung ist das Auftreten dieser Infektionskrankheiten in Ländern mit systematischen Impfprogrammen heute auf unter ein Prozent der Bevölkerung gefallen. Die Masern gelten heute sogar auf dem ganzen Kontinent Amerika und in Skandinavien als ausgerottet. Die WHO hat für die Region Europa das Ziel der Eliminierung von Masern und Röteln bis zum Jahr 2010 formuliert. Hierfür ist ein Immunisierungsgrad von mindestens 95% der Bevölkerung erforderlich. Dennoch kommt es immer wieder zu Ausbrüchen und Epidemien in Regionen mit schlechter Durchimpfung, derzeit beispielsweise die Masern in Deutschland <ref>Robert Koch-Institut: ''Masern im Jahr 2005 und Ausbrüche in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen in der ersten Hälfte des Jahres 2006''. Epidemiologisches Bulletin 7. Juli 2006 /Nr. 27 [http://www.rki.de/cln_006/nn_225576/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2006/27__06,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/27_06 PDF]</ref>. Studien über die Auswirkungen der Impfprogramme zeigen weiterhin eine drastische Reduzierung der durch Masern induzierten Sterblichkeitsrate in z.B. Afrika <ref name=CDC>[http://www.cdc.gov/mmwr/preview/mmwrhtml/mm5302a2.htm ''Measles Mortality Reduction - West Africa, 1996-2002'']. MMWR, 23. Jan. 2004 / 53(02), S. 28-30 </ref> <ref>P Aaby P et al.: ''Vaccinia scars associated with better survival for adults. An observational study from Guinea-Bissau''. Vaccine. 2006, 24(29-30):5718-25.</ref>.


Mumps ist eine weitere, einstmals typische Viruserkrankung von Kindern. Eine bekannte, aber eher seltene Komplikation ist die Sterilität von Männern sowie ein- oder beidseitige Hörverluste, die in der Regel bleibend sind. Röteln waren ebenfalls vor Aufbau der weitreichenden Impfprogramme eine verbreitete Krankheit.
== Anwendung und Wirkung des MMR-Impfstoffs==
Der MMR-Impfstoff wird von ausgebildetem Personal [[subkutan]] injeziert und verursacht in der Regel eine nicht wahrgenommene, nicht übertragbare Infektion mit Masern, Mumps und Röteln. Das [[Immunsystem]] des Menschen bildet bei 95 - 98% der Geimpften Antikörper gegen die entsprechenden Krankheiten. Ungefähr 2 – 5% der Kinder, welche nur eine Impfdosis von MMR erhalten, bilden keine Antikörper. Ursache für das Versagen der Impfung können falsch gelagerter Impfstoff, passive Antikörper von der Mutter des Kindes oder Immunsystemschwäche sein. Aus diesem Grund sollte mit einer zweiten MMR-Impfung die Impflücke geschlossen werden. Bei der zweiten Impfung handelt es sich also nicht um eine Auffrischimpfung, sondern um eine Zweitimpfung (zweiter Versuch) für die primären Impfversager. Nach einer zweifachen MMR-Impfung entwickeln laut Studien über 99% lebenslange Immunität gegen diese Infektionskrankheiten.


Das Hauptrisiko der Röteln ist die Übertragung von Schwangeren auf ihre Kinder, was schwerwiegende [[Rötelnembryopathie|Behinderungen]] zur Folge haben kann ([[Rötelnembryofetopathie]]).
Steht bei einem Kind die Aufnahme in eine Kindereinrichtung an, kann die MMR-Impfung auch vor dem zwölften Lebensmonat, jedoch nicht vor dem neunten Lebensmonat erfolgen, da im ersten Lebensjahr im Blut des [[Säugling]]s noch vorhandene mütterliche [[Antikörper]] die Impfviren neutralisieren können. Diese maternalen Antikörper verlieren jedoch zunehmend an Relevanz, da nur Mütter, die als Kind selber an Masern erkrankten, in der Lage sind, ihr Kind diaplazentar vor Masern zu schützen. Nach dem [[Impfkalender]] der [[Ständige Impfkommission|Ständigen Impfkommission]] am Robert-Koch-Institut ist die zweite MMR-Impfung bei allen Kindern im Alter von 15&nbsp;– 23 Monaten vorgesehen.


Durch die Impfstoffe ist die Anzahl der Erkrankungen signifikant zurückgegangen. Aufgrund der Impfung ist das Auftreten dieser Infektionskrankheiten in Ländern mit systematischen Impfprogrammen heute auf unter ein Prozent der Bevölkerung gefallen. Die Masern gelten heute sogar auf dem ganzen Kontinent Amerika und in Skandinavien als ausgerottet. Die WHO hat auch für die Region Europa das Ziel der Eliminierung von Masern und Röteln bis zum Jahr 2010 formuliert. Hierfür ist eine [[Durchimpfung]]srate von mindestens 95 % der Bevölkerung erforderlich. Wird dieser Wert nicht erreicht, kommt es immer wieder zu Ausbrüchen und Epidemien, so geschehen in den Jahren 2005 und 2006 mit den Masern in einigen Regionen Deutschlands.<ref name="rki_masern">[http://edoc.rki.de/documents/rki_fv/rebX9rKkzYgIQ/PDF/2614gZ347n8OCg2.pdf ''Masern im Jahr 2005 und Ausbrüche in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen in der ersten Hälfte des Jahres 2006''.] (PDF) In: ''[[Epidemiologisches Bulletin]]'', 7. Juli 2006, Nr. 27, Robert Koch-Institut</ref> Studien über die Auswirkungen der Impfprogramme zeigen weiterhin eine drastische Reduzierung der durch Masern induzierten Sterblichkeitsrate, wie zum Beispiel in Afrika.<ref name="CDC">[http://www.cdc.gov/mmwr/preview/mmwrhtml/mm5302a2.htm ''Measles Mortality Reduction – West Africa, 1996–2002'']. MMWR, 23. Jan. 2004 / 53(02), S. 28–30.</ref><ref>{{Literatur |Autor=[[Peter Aaby]], Per Gustafson, Adam Roth, Amabelia Rodrigues, Manuel Fernandes, Morten Sodemann, Birgitta Holmgren, Christine Stabell Benn, May-Lill Garly, Ida Maria Lisse, Henrik Jensen |Titel=Vaccinia scars associated with better survival for adults. An observational study from Guinea-Bissau |Sammelwerk=[[Vaccine]] |Band=24 |Nummer=29-30 |Datum=2006 |Seiten=5718–5725 |DOI=10.1016/j.vaccine.2006.04.045 |PMID=16720061}}</ref>
Nach dem Erreichen einer Durchimpfungsrate der Bevölkerung von 95% können die endemischen Viren von Masern und Röteln nicht mehr zirkulieren, d.h. der Übertragungs- und Vermehrungszyklus der Viren wird unterbrochen. Hieraus ergibt sich die sogenannte "[[Herdimmunität]]": auch Personen, welche keine Immunität besitzen (Kinder unter einem Jahr sowie immunsupprimierte und aus anderen Gründen ungeimpfte Personen), können ebenfalls nicht mehr mit diesen Krankheitserregern angesteckt werden, da diese nicht mehr zirkulieren. Diese angestrebte Herdimmunität wird jedoch immer wieder durch Impfmüdigkeit und Impfgegner bedroht.


== Anwendung und Wirkung des MMR-Impfstoffs ==
==Nebenwirkungen==
Der MMR-Impfstoff ist ein [[Lebendimpfstoff]] und eine Mischung aus einem [[Mumpsimpfstoff]], einem [[Masernimpfstoff]] und einem [[Rötelnimpfstoff]]. Er wurde ursprünglich als Einzelimpfung gegen alle drei Krankheiten entwickelt. In Deutschland fand die Rötelnimpfung als letzte Komponente in Form der MMR-Impfung ab dem 15. Lebensmonat erstmals 1984<ref>{{Literatur |Autor=STIKO |Titel=STIKO-Empfehlungen 1984 |Verlag=Robert Koch-Institut |Datum=1984-10-01 |Online=https://edoc.rki.de/handle/176904/313 |Abruf=2020-04-04}}</ref> im [[Impfkalender]] Einzug. 1991<ref>{{Literatur |Autor=STIKO |Titel=STIKO-Empfehlungen 1991 |Verlag=Robert Koch-Institut |Datum=1991-08-01 |Online=https://edoc.rki.de/handle/176904/317 |Abruf=2020-04-04}}</ref> wurde dann die zweimalige MMR-Impfung im Impfkalender durch die [[Ständige Impfkommission|STIKO]] vorgestellt (2. Gabe ab dem 6. Lebensjahr), ab 2001<ref>{{Internetquelle |autor= |url=https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2001/Ausgabenlinks/28_01.pdf?__blob=publicationFile |titel=Epidemiologisches Bulletin 28 / 2001 |werk=RKI |hrsg= |datum=2001-07-13 |seiten=204–205 |abruf=2020-04-04}}</ref> soll die MMR-Erstimpfung schließlich zwischen dem 11.–14. Monat, die Zweitimpfung im 15.–23. Monat erfolgen. Steht bei einem Kind die Aufnahme in eine Kindereinrichtung an, kann die MMR-Impfung auch vor dem zwölften Lebensmonat, jedoch nicht vor dem neunten Lebensmonat erfolgen, da im ersten Lebensjahr im Blut des [[Säugling]]s noch vorhandene mütterliche [[Antikörper]] die Impfviren neutralisieren können.

Der MMR-Impfstoff wird von ausgebildetem Personal intramuskulär oder [[subkutan]] injiziert und verursacht in der Regel eine nicht wahrgenommene, nicht übertragbare Infektion mit Masern, Mumps und Röteln. Das [[Immunsystem]] des Menschen bildet bei 95–98 % der Geimpften [[Antikörper]] gegen die entsprechenden Krankheiten. Ungefähr 2–5 % der Kinder, die nur eine Impfdosis von MMR erhalten, bilden keine Antikörper („[[Non-Responder]]“ bzw. Impfversager). Ursache für das Versagen der Impfung können falsch gelagerter Impfstoff, passive Antikörper von der Mutter des Kindes oder Immunsystemschwäche sein. Aus diesem Grund sollte mit einer zweiten MMR-Impfung die Impflücke geschlossen werden. Bei der zweiten Impfung handelt es sich also nicht um eine Auffrischimpfung, sondern um eine Zweitimpfung (zweiter Versuch) für die primären Impfversager. Nach einer zweifachen MMR-Impfung entwickeln laut Studien über 99 % eine Immunität gegen diese Infektionskrankheiten. Diese Immunität gilt als sehr lange andauernd, sehr wahrscheinlich ein Leben lang, ohne dass eine Auffrischung benötigt wird. So konnte bei Personen, die gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft wurden, gezeigt werden, dass diese weitestgehend auch nach 20 Jahren ausreichend hohen [[Titer (Medizin)|Antikörpertiter]] besitzen.<ref>I. Davidkin et al.: ''Persistence of measles, mumps, and rubella antibodies in an MMR-vaccinated cohort: a 20-year follow-up''. In: ''[[J Infect Dis]].''197, Nr. 7, 2008, S. 950–956 (PMID 18419470).</ref>

Zudem empfiehlt die STIKO eine Impfung für alle nach 1970 geborenen Erwachsene in gewissen Tätigkeitsbereichen, wie beispielsweise in medizinischen Einrichtungen gemäß {{§|23|ifsg|juris}} des [[Infektionsschutzgesetz]]es (IfSG) oder Einrichtungen der Pflege nach {{§|71|sgb_11|juris}} des [[Sozialgesetzbuch (Deutschland)|Sozialgesetzbuches]] (SGB XI).<ref name=":1">{{Literatur |Autor=Robert Koch-Institut |Titel=Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut:
Empfehlung und wissenschaftliche Begründung für die Angleichung der beruflich indizierten Masern-Mumps-Röteln-(MMR-) und Varizellen-Impfung |Hrsg= |Sammelwerk=Epidemiologisches Bulletin |Band= |Nummer=2 |Auflage= |Datum=2020-01-09 |Seiten=3-22 |Online=https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/02_20.pdf?__blob=publicationFile |Format=PDF}}</ref> Frauen sollten für jede der drei Impfstoffkomponenten (M–M–R) eine zweimalige Impfung aufweisen, bei Männern reicht zum Schutz gegen Röteln eine einmalige Impfung aus.

Nach dem Erreichen einer Durchimpfungsrate der Bevölkerung von 95 % können die [[Endemie|endemischen Viren]] von Masern und Röteln nicht mehr zirkulieren, das heißt, der Übertragungs- und Vermehrungszyklus ([[Infektkette]]) der Viren wird unterbrochen. Hieraus ergibt sich die sogenannte „[[Herdenimmunität]]“: Auch Personen, die keine Immunität besitzen (Kinder unter einem Jahr sowie immunsupprimierte und aus anderen Gründen ungeimpfte Personen), können ebenfalls nicht mehr mit diesen Krankheitserregern angesteckt werden. Diese angestrebte Herdenimmunität wird jedoch immer wieder durch [[Impfmüdigkeit]] und [[Impfgegnerschaft|Impfgegner]] bedroht.

== Handelsnamen ==
* M-M-RvaxPro, von [[Sanofi Pasteur MSD]]
* Priorix von [[GlaxoSmithKline]]; Priorix-Tetra, enthält zusätzlich noch eine Komponente gegen [[Varizellen]]
* ProQuad von [[Merck & Co.|MSD]], enthält zusätzlich noch eine Komponente gegen Varizellen

Im März 2006 zog Chiron den MMR-Impfstoff Morupar aufgrund von höheren Nebenwirkungsraten im Vergleich mit anderen MMR-Impfstoffen zurück.

== Nebenwirkungen ==
Da es sich bei den MMR-Impfstoffen um Produkte handelt, die funktionsfähige, in ihrer Virulenz aber abgeschwächte Viren enthalten, sind [[Adjuvans|Adjuvanzien]], die zu einer unspezifischen Verstärkung der [[Immunantwort]] führen, nicht notwendig.


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|+ style="margin-left:1em;" | Gegenüberstellung der Komplikationen von Erkrankung und nach Impfung von Masern, Mumps und Röteln (MMR). (Adaptiert nach <ref name="Chen1999">RT Chen: ''Vaccine risks: real percieved and unknown''. Vaccine 17/1999: S. 41–46</ref>)
|+ style="margin-left:1em;" |Gegenüberstellung der Komplikationen von Erkrankung und nach Impfung von Masern, Mumps und Röteln (MMR). (Adaptiert nach <ref name="Chen1999">R. T. Chen: ''Vaccine risks: real percieved and unknown''. In: ''[[Vaccine]].'' 17, 1999, S. 41–46, PMID 10559533.</ref> und <ref name="Meyer2004">{{cite journal|author=C. Meyer, S. Reiter |title=Impfgegner und Impfskeptiker – Geschichte, Hintergründe, Thesen, Umgang |journal=[[Bundesgesundheitsblatt|Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz]], Springer Medizin Verlag |volume=47 |issue= |pages=1182–1188 |year=2004 |month= |doi=10.1007/s00103-004-0953-x |pmid= |url=http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Bedeutung/Downloads/Impfgegner_Impfskeptiker.pdf?__blob=publicationFile |accessdate=2015-02-08}}</ref>)
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! Symptom/Erkrankung
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| [[Exanthem]]
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|[[Enzephalitis]]||1/1000 bis 1/10.000|| 0<ref name=":2" />
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|Entzündung der [[Ohrspeicheldrüse]]||98 %||0,5 %
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|[[Pankreatitis|Entzündung der Bauchspeicheldrüse]]||2 % bis 5 %||0,5 %
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|[[Hodenentzündung]] bei Jugendlichen &nbsp;<br />und erwachsenen Männern||20 bis 50 %||1/1.000.000
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|[[Enzephalitis]]||1/6000||0
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| Verminderung der [[Blutplättchen]] || 1/3000 || 1/30.000 bis 1/50.000
| Verminderung der Blutplättchen || 1/3000 || 1/30.000 bis 1/50.000
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|[[Rötelnembryopathie]] bei <br/>Infektion in der Schwangerschaft||> 60%||0
|[[Rötelnembryofetopathie|Rötelnembryopathie]] bei<br />Infektion in der Schwangerschaft||> 60 %||0
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Als Nebenwirkung können wie bei allen Impfungen lokale Impfreaktionen wie Rötung, Schmerzen und Schwellungen an der Injektionsstelle vorkommen und sind als harmlose Nebenwirkungen zu betrachten. Als seltene Nebenwirkung kann auch eine allergische Reaktion gegen Inhaltsstoffe des Serums auftreten.
Als [[Impfnebenwirkung|Nebenwirkung]] können wie bei allen Impfungen lokale [[Impfreaktion]]en wie Rötung, Schmerzen und Schwellungen an der Injektionsstelle vorkommen und sind als harmlose Nebenwirkungen zu betrachten. Diese Reaktionen sind größtenteils auf die Injektion zurückzuführen, nicht auf den Wirkstoff MMR selber. Als seltene Nebenwirkung kann auch eine allergische Reaktion gegen Inhaltsstoffe des Serums auftreten, beispielsweise eine Allergie gegen [[Neomycin]]. Weiterhin wurde in Zwillingsstudien mit dem MMR-Impfstoff festgestellt, dass 15–20 % aller Patienten im Alter von 14 bis 18 Monaten – unabhängig, ob MMR oder [[Placebo]] eingesetzt wurde – 7 bis 9 Tage nach Impfung Atemwegserkrankungen ([[Rhinitis|Schnupfen]], o.&nbsp;ä.) entwickeln.<ref>M. Virtanen, H. Peltola, M. Paunio, O. P. Heinonen: ''Day-to-day reactogenicity and the healthy vaccinee effect of measles-mumps-rubella vaccination''. In: ''Pediatrics. '' 106, Nr. 5, 2000, S. E62 (PMID 11061799).</ref> Es wird vermutet, dass diese Kinder zu einem Zeitpunkt geimpft werden, an dem sie keine Erkrankung aufweisen, und ca. eine Woche nach der Injektion entsprechende übliche zyklische Erkrankungen in diesem Alter einsetzen, die aber eben in keinem Zusammenhang zum MMR-Wirkstoff stehen.


Da es sich bei der MMR-Impfung um eine Impfung mit einem abgeschwächten Lebendimpfstoff handelt, können jedoch in bis zu 5% der Fälle ca. 10 Tage nach der Impfung abgeschwächte Formen der drei Infektionskrankheiten entstehen (insbesondere Impfmasern). In der Folge können ähnliche Symptome wie bei den Infektionskrankheiten entstehen: Ausschlag oder leichtes Fieber für wenige Tage, gelegentlich von einer leichten Schwellung der Speicheldrüsen und Anschwellen oder Schmerzen der Gelenke begleitet. Diese Auswirkungen sind üblicherweise leichter und kurzfristiger Natur. Obschon also bekannte Nebeneffekte existieren, überwiegen die Vorteile gegenüber einer "natürlichen" Infektion bei Weitem.
Da es sich bei der MMR-Impfung um eine Impfung mit einem abgeschwächten Lebendimpfstoff handelt, können jedoch in bis zu 5 % der Fälle ca. 10 Tage nach der Impfung abgeschwächte Symptome der drei Infektionskrankheiten entstehen (insbesondere nichtinfektiöse<ref>{{Internetquelle |autor= |url=https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/MMR/FAQ_Uebersicht_MSG.html?nn=2375548 |titel=Sind Impfmasern ansteckend und wie werden sie diagnostiziert? |werk=RKI |hrsg= |datum=2020-06-04 |abruf=2020-08-11 |sprache=}}</ref> Impfmasern): Ausschlag oder leichtes Fieber für wenige Tage, gelegentlich von einer leichten Schwellung der Speicheldrüsen und Anschwellen oder Schmerzen der Gelenke begleitet. Diese Impfsymptome sind üblicherweise leichter und dauern deutlich kürzer, die gefürchteten Komplikationen der Infektionen treten nicht auf. Obschon also bekannte Nebeneffekte existieren, überwiegen die Vorteile gegenüber einer „natürlichen“ Infektion bei Weitem.<ref name="pink" />


Seit dem 1. Januar 2001 gilt für Ärzte in Deutschland die im [[Infektionsschutzgesetz]] (IfSG) verankerte „Meldeverpflichtung eines Verdachtes einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung“ <ref>[http://www.pei.de/uaw/ifsg.htm Meldeverpflichtung]</ref>. Gemeldet wird jeder Verdacht, unabhängig davon, ob ein Zusammenhang zwischen Impfung und mutmaßlicher Reaktion besteht. In den ersten drei Jahren erfolgten hierbei 250 IfSG-Meldungen zu möglichen Reaktionen in Folge des MMR-Impfstoffs, auch wenn von einer Dunkelzifferrate bei den Meldungen ausgegangen werden muss. Im Vergleich dieser Zahlen mit den sechs bis acht Millionen erfolgten Impfungen im selben Zeitraum ergibt sich ein sehr geringes Risiko <ref name="Keller2004">B. Keller-Stanislawski et al.: ''Verdachtsfälle von Impfkomplikationen nach dem Infektionsschutzgesetz und Verdachtsfälle von Nebenwirkungen nach dem Arzneimittelgesetz vom 1.1.2001 bis zum 31.12.2003.'' In: ''Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz'' 47/2004. S. 1151–1164 [http://www.rki.de/cln_006/nn_326556/DE/Content/Infekt/Impfen/Nebenwirkungen/Keller,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Keller PDF]</ref>.
Seit dem 1. Januar 2001 gilt für Ärzte in Deutschland die im [[Infektionsschutzgesetz]] (IfSG) verankerte „Meldeverpflichtung eines Verdachtes einer über das übliche Ausmaß einer [[Impfreaktion]] hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung“.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.pei.de/uaw/ifsg.htm |wayback=20051017043601 |text=Meldeverpflichtung nach IfSG in Deutschland}}.</ref>


Nach §&nbsp;6 Abs.&nbsp;1, Nr.&nbsp;3 des IfSG besteht eine Meldepflicht für Ärzte und [[Heilpraktiker]] an das Gesundheitsamt, wenn nach einer Impfung auftretende Symptome, die über eine Impfreaktion hinausgehen, in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung stehen könnten. Es handelt sich um Fälle, die zunächst im ''Verdacht'' stehen, kausal etwas mit der Impfung zu tun zu haben – das bedeutet „also nicht ohne Weiteres, dass ein ursächlicher Zusammenhang existiert“.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.pei.de/db-uaw |titel=UAW-Datenbank |werk=[[Paul-Ehrlich-Institut]] |datum= |abruf=2020-02-03}}</ref> Das jeweilige Gesundheitsamt gibt seinerseits die Meldung in einer [[Anonymisierung und Pseudonymisierung|pseudonymisierten]] Form an die zuständige Landesoberbehörde sowie dem [[Paul-Ehrlich-Institut]] weiter.<ref>{{Literatur |Autor=Brigitte Keller-Stanislawski |Titel=Impfkomplikationen und Impfschäden |Hrsg=Heinz Spiess, Ulrich Heininger, Wolfgang Jilg |Sammelwerk=Impfkompendium |Auflage=8 |Verlag=Georg Thieme Verlag |Datum=2015-11-04 |ISBN=978-3134989083 |DOI=10.1055/b-0035-127566 |Seiten=72}}</ref> Dieses Meldesystem ist ein sogenanntes Spontanerfassungssystem, um frühzeitig Risikosignale von Impfnebenwirkungen zu erkennen, die bei der Zulassung nicht erfasst wurden.
==Kontroversen um MMR==
Seit es Impfungen gibt, tauchen immer wieder Vermutungen auf, bei denen einzelne Impfstoffe in den Zusammenhang mit diversen Krankheiten gebracht werden, so auch beim MMR-Impfstoff. Dabei handelt es sich meist um komplexe Krankheiten (z.B. Autismus, Allergie, Diabetes), für deren Entstehung die Ursachen weitgehend unbekannt sind. Diese Vermutungen stützen sich oft auf weltanschauliche Überlegungen oder auf Hypothesen in wissenschaftlichen Zeitschriften. Solche Hypothesen werden von den
Behörden und der Wissenschaft sehr ernst genommen und in umfangreichen wissenschaftlichen Studien abgeklärt. Aufgrund dieser Studien weiss man, dass der MMR-Impfstoff sehr sicher ist. In den folgenden Abschnitten wird auf die wichtigsten Kontroversen zum MMR-Impfstoff eingegangen.


Sicherheitsbedenken gegen weitere MMR-Impfung(en) bei bestehender Immunität gegen eine der Komponenten („Überimpfen“) sind nicht bekannt.<ref name=":1" />
Die meisten Kritiker des MMR-Impfstoffs sind auch generelle Impfgegner oder Impfkritiker, welche Impfungen nicht prinzipiell ablehnen. Letztere vertreten spezielle Ansichten über ihren Zeitpunkt, die Impfstrategie, ihre Wirksamkeit, Sicherheit und ihre Nebenwirkungen. Impfgegner als auch Impfkritiker argumentieren oftmals irrational oder zumindest unwissenschaftlich. Impfkritische Meinungen sind sehr heterogen und oftmals durch religiöse, alternativmedizinische ([[Homöopathie]], [[Anthroposophie]], u.a.) oder esoterische Hintergründe motiviert. Angst vor Impfschäden, Misstrauen gegenüber staatlichen Einrichtungen, gegenüber der Pharmaindustrie und auch gegenüber der Wissenschaftsmedizin, Unwissen und Unsicherheit tragen zu solchen Ansichten bei. Diese führen zu starker Verunsicherung mancher Menschen, insbesondere von jungen Eltern <ref name="rki_gegner">C Meyer, S Reiter: ''Impfgegner und Impfskeptiker - Geschichte, Hintergründe, Thesen, Umgang''. Bundesgesundheitsbl. 47, 2004. S.1182–1188 [http://www.rki.de/cln_011/nn_226874/DE/Content/Infekt/Impfen/Impfstatus/Impfgegner__Impfskeptiker,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Impfgegner_Impfskeptiker PDF]</ref>..


== Kontroversen um MMR ==
Entsprechend finden sich auch kritische Berichte über den MMR-Impfstoff oder am Prinzip des Impfens gegen Masern, Mumps und Röteln selbest meistens in entsprechenden Foren im Internet und auch in impfkritischen Büchern. In den entsprechend Medien von Impfkritikern werden aber oftmals auch ältere Forschungsergebnisse als der letzte Stand dargestellt, obwohl neue Erkenntnisse vorliegen (z.B. Autismus im Fall Wakefield, siehe unten). Weiterhin werden unterschiedliche, voneinander unabhängige wissenschaftlich gesicherte Sachverhalte oder aus dem Zusammenhang gerissene Ergebnisse werden in scheinbar kausale Zusammenhänge gestellt, die impfkritische Theorien stützen. Diese Zusammenhänge gelten jedoch tatsächlich als nicht bewiesen <ref name="rki_gegner"/>.
Einzelne Impfstoffe werden in Literatur und Presse immer wieder in den Zusammenhang mit diversen, meist komplexen Krankheiten (z.&nbsp;B. Autismus, Allergie, Diabetes) gebracht. Auch wenn im Falle des MMR-Impfstoffes zahlreiche Studien den Einsatz als medizinisch sehr wirksam bewerten,<ref name=":2" /> war der Impfstoff aber auch Gegenstand kontroverser Diskussion.
<!--mnh: siehe [[:en:Vaccine controversy]]. -->


Das Spektrum der Kritik am MMR-Impfstoff reicht, wie in der Impfkritik allgemein, von spezifischen Themen über den Zeitpunkt, die Impfstrategie, ihre Wirksamkeit, Sicherheit und die Nebenwirkungen von Impfungen im Allgemeinen bis hin zur grundsätzlichen Impfkritik.
=== Kontroversen um die Auslösung von Krankheiten ===


=== Grundsätzliche Impfkritik ===
Während der 1980er und 1990er Jahre wurden in den USA eine Reihe von Prozessen gegen Hersteller von Impfstoffen angestrengt, in welchen diese beschuldigt wurden, mit ihren Produkten diverse körperliche
Insbesondere die grundsätzliche [[Impfgegnerschaft]] ist nicht homogen und wird zum Teil durch religiöse, alternativmedizinische ([[Homöopathie]], [[anthroposophische Medizin]] u.&nbsp;a.) oder [[Esoterik|esoterische]] Hintergründe begleitet.<ref name="rki_gegner">C. Meyer, S. Reiter: ''Impfgegner und Impfskeptiker – Geschichte, Hintergründe, Thesen, Umgang''. Bundesgesundheitsbl. 47, 2004. S. 1182–1188.</ref> Angst vor Impfschäden, Misstrauen gegenüber staatlichen Einrichtungen, gegenüber der Pharmaindustrie und evidenzbasierter Medizin, Unwissen und Unsicherheit können zu solchen Ansichten beitragen.<ref>Hobson-West P. ''Trusting blindly can be the biggest risk of all'': organised resistance to childhood vaccination in the UK. In: ''Sociol Health Illn.'' 29, Nr. 2, 2007, S. 198–215 (PMID 17381813).</ref>
und [[kognitiv]]e Erkrankungen bei Kindern verursacht zu haben. Obschon ergebnislos, führten diese Prozesse zu einer drastischen Verteuerung des Impfstoffs, da die Pharmakonzerne über Lobby-Arbeit gesetzliche Sicherheit durchsetzen wollten. 1993 war [[Merck KGaA]] der einzige Konzern, welcher bereit war, MMR-Impfstoffe in den USA oder Großbritannien zu verkaufen. Zwei weitere Impfstoffe wurden 1992 in Großbritannien und 1993 in Japan zurückgezogen, da aufgrund des verwendeten Mumps-Stamms Sicherheitsbedenken entstanden.


Entsprechend finden sich auch kritische Berichte über den MMR-Impfstoff oder am Prinzip des Impfens gegen Masern, Mumps und Röteln selbst meistens in entsprechenden Foren im Internet und auch in impfkritischen Büchern, die teilweise auch von organisierten Gruppen verbreitet werden.<ref>R. Coombes: ''Vaccine disputes.'' In: ''BMJ.'' 338, 2009, b2435 ([[doi:10.1136/bmj.b2435]], PMID 19546136).</ref> Dabei kommt es regelmäßig zur Kontroverse darüber, ob die Impfkritik hinsichtlich des angeführten Standes der Forschungsergebnisse oder behaupteter kausaler Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge valide sei.<ref name="rki_gegner" />
Im September 1995 gewährte das großbritannische ''Legal Aid Board'' einer Reihe von Familien finanzielle Unterstützung zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche gegen die staatlichen Gesundheitsbehörden und die Hersteller des Impfstoffs. Die Familien behaupteten, dass ihre Kinder infolge der MMR-Impfung starben oder schwerwiegend erkrankten. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden diese Fälle als hoffnungslos erkannt und die Beihilfe beendet <ref>[http://society.guardian.co.uk/publichealth/story/0,11098,1057434,00.html ''MMR legal aid funding challenge''], The Guardian, 7. Okt., 2003 </ref>. Eine Interessengruppe namens JABS (''Justice, Awareness, Basic Support'') gründete sich, um "impfgeschädigte" Kinder zu repräsentieren.


=== Kontroversen zur Wirksamkeit ===
Unterschiedliche Krankheiten wurden bislang dem MMR-Impfstoff angelastet. Impfgegner mit unzureichendem Fachwissen führen als Krankheitsverursachend bisweilen auch andere angebliche Bestandteile im Impfstoff an, wie Thiomersal oder Aluminiumhydroxid. Beides war jedoch nie im MMR-Impfstoff enthalten. In der Kontroverse war MMR unter anderem als Ursache von '''[[Allergie]]n''' und '''[[Asthma]]'''. Inzwischen ist ziemlich eindeutig geklärt, dass Impfungen keine Allergien auslösen&nbsp;<ref name="Roost2004> HP Roost et al.: ''Influence of MMR-vaccinations and diseases on atopic sensitization and allergic symptoms in Swiss schoolchildren.'' In: ''Pediatr Allergy Immunol'' 5/2004. S. 401-407. PMID 15482514</ref>&nbsp;<ref name="Koppen2004">S Koppen et al.: ''No epidemiological evidence for infant vaccinations to cause allergic disease.'' In: ''Vaccine'' 25-26/2004. S. 3375-3385 PMID 15308362 </ref>&nbsp;<ref>H Floistrup et al.: ''Allergic disease and sensitization in Steiner school children.'' J Allergy Clin Immunol. 2006 Jan;117(1):59-66 PMID 16387585 </ref>. Dazu passt, dass in der ehemaligen DDR eine Impfpflicht bestand und dennoch Allergien selten waren. Eine größeren Studie in ganz Deutschland ergab sogar eine geringere Anfälligkeit für Allergien bei geimpften Kindern&nbsp;<ref>C Gruber et al.: ''Transient suppression of atopy in early childhood is associated with high vaccination coverage.'' Pediatrics. 2003 Mar;111(3):e282-8. PMID 12612285</ref>. Der MMR-Impfstoff war auch als Auslöser von '''[[Diabetes mellitus]]''' in der Diskussion. Auch diese Hypothese konnten in zahlreichen Studien entkräftet werden&nbsp;<ref>E Altobelli et al.: ''Infections and risk of type I diabetes in childhood: a population-based case-control study.'' Eur J Epidemiol. 2003;18(5):425-30 PMID 12889689 </ref>&nbsp;<ref>B Lindberg et al.: ''Previous exposure to measles, mumps, and rubella - but not vaccination during adolescence - correlates to the prevalence of pancreatic and thyroid autoantibodies.'' Pediatrics. 1999 Jul;104(1):e12. PMID 10390298</ref> . Größere Kontroversen betrafen auch den Zusammenhang mit '''[[Autismus]]''', welche auf eine bestimmte Publikation zurückzuführen ist. Dieser Fall wird im nächsten Abschnitt tiefer erörtert, der Zusammenhang gilt inzwischen ebenfalls unwahrscheinlich. Als ungeklärt gilt noch die Auslösung einer [[Encephalopathie]] nach der Masernimpfung. Der Zusammenhang gilt als unsicher und wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 1.000.000 angegeben.
In der Kontroverse um den MMR-Impfstoff wurde von Kritikern angeführt, dass dieser wirkungslos sei, da Geimpfte und Ungeimpfte fast zu gleichen Teilen oder gar mehr Geimpfte erkranken würden und allein die Verbesserung der Hygiene und des Lebensstandards zum Rückgang dieser Infektionskrankheiten geführt habe. Ohne Frage haben die Verbesserung der Hygiene und des Lebensstandards die Kindersterblichkeit gesenkt, aber die direkte Wirkung der Impfungen gegen Masern, Mumps und Röteln kann durch epidemiologische Daten belegt werden: Die Erkrankungszahlen bei allen drei Infektionskrankheiten brachen kurz nach Einführung der Impfungen ein. Beispielsweise wurden vor der Einführung der [[Masernimpfstoff|Masernimpfung]] in den USA im Jahr 1963 ungefähr 500.000 jährliche Masernerkrankungen mit 500 Toten erfasst (geschätzt wurden 3–4 Mio.). Wenige Jahre nach der Einführung wurde ein Rückgang der Erkrankungen um 98 % registriert. Heute gelten die USA zusammen mit dem ganzen Kontinent Amerika als Masern-frei.<ref name="pink" /><ref name="meas_epi">R. T. Perry, N. A. Halsey: ''The clinical significance of measles: a review''. In: ''J Infect Dis.'' 189, 2004, S. 4–16 (PMID 15106083).</ref>


Die Wirksamkeit der MMR-Impfung selber ist bestens belegt, sie hat bezüglich der Masern-Komponente eine für Medikamente außerordentlich hohe Erfolgsquote von 95 % (nach erster Dosis) bzw. 96 % (nach zweiter Dosis).<ref name=":2" /> Für die Impfversagerquote von 5 % nach der ersten Impfung gibt es verschiedene Gründe, die im Abschnitt Wirkung aufgeführt sind. Die betroffenen Personen sind ungeschützt und können in der Folge auch erkranken. Wenn in einer Beispielpopulation von 1000 Personen 900 einmal gegen Masern geimpft wurden, ist daher zu erwarten, dass 45 der geimpften Personen dennoch erkranken – ebenso wie alle 100 ungeimpften Personen, denn die [[Infektiosität]] der Masern liegt bei nahezu 100 %. (Tatsächlich waren bei den jüngsten Masern-Epidemien in Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen 80–90 % der Erkrankten ungeimpft, die weiteren waren nur einmal MMR-geimpft worden.<ref name="rki_masern" />) Bei besserer [[Durchimpfung]] ändert sich das Verhältnis zwischen Geimpften und Ungeimpften: Sind 980 Personen einmal geimpft worden, so sind aus dieser Gruppe sogar 49 erkrankte Personen zu erwarten, außerdem erkranken wieder die 20 Ungeimpften. Nun erkranken sogar mehr als doppelt so viele Geimpfte wie Ungeimpfte. Dies ist aber kein Beleg für die Unwirksamkeit der Impfung, vielmehr wurden 931 Personen vor Erkrankung geschützt. Um die Impfversagerquote zu senken, gibt es die Wiederholungsimpfung.
Auch eine besondere Komplikation nach natürlicher Maserninfektion, die "'''subakute sklerosierende Panenzephalitis'''" ('''SSPE'''), wurde als Nebenwirkung des MMR-Impfstoffs diskutiert. SSPE verursacht eine generalisierte Entzündung des Gehirns, welche z.T. erst Jahre nach der eigentlichen Maserninfektion schwerste Schäden nach sich zieht und in jedem Falle tödlich endet. Durch eine bessere Überwachung der Masernerkrankung wird deutlich, dass die SSPE offensichtlich sehr viel häufiger auftritt, als bisher angenommen, und hierbei besonders Säuglinge gefährdet sind. Die Häufigkeit der SSPE ist durch die Masernimpfung deutlich reduziert worden, dennoch wurde behauptet, dass auch der Masern-Impfvirus diese Erkrankung auslösen würde. Bei genaueren Untersuchungen von SSPE-Opfern fand man im ZNS jedoch regelmäßig nur Wildviren, so dass heute eine SSPE-Erkrankung durch MMR-Impfstoff ausgeschlossen wird&nbsp;<ref>WJ Bellini et al.: ''Subacute sclerosing panencephalitis: more cases of this fatal disease are prevented by measles immunization than was previously recognized.'' J Infect Dis. 2005 Nov 15;192(10):1686-93. PMID 16235165</ref>. Richtig ist aber, dass maternale Antikörper von Müttern, die gegen Masern "nur" geimpft wurden, im kindlichen Immunsystem bei Neugeborenen mit geringerer Konzentration nachzuweisen sind. Mütter, die als Kind an Masern erkrankt waren, geben ihren Kindern höhere Masernantikörperspiegel mit. Haben Säuglinge mütterliche Antikörper oder Immunglobuline, kann ein asymptomatischer Verlauf oder ein symptomarmer Verlauf resultieren - die Patienten sind trotzdem infektiös&nbsp;<ref name="Doerr2002">HW Doerr, W Gerlich: Medizinische Virologie, Thieme-Verlag 2002</ref>. Säuglinge sind also bis zum Einsetzen eines wirksamen Impfschutzes besonders von den Masern gefährdet, da SSPE sich augenscheinlich besonders nach frühzeitigen Masernerkrankungen zu entwickeln scheint. Aus diesem Grund wurde die Empfehlung der ersten MMR-Impfung von Kindern von ursprünglich 15 Monaten auf 12 Monate Lebensalter vorgezogen, um das Zeitfenster der Gefährdung zu minimieren. Solange die Masern jedoch nicht ausgerottet sind, ist zu beachten, dass der ungeimpfte Säugling unbedingt vor Masernkontakten zu schützen ist - in der Vorimpfära war die Masernsterblichkeit bei Säuglingen am höchsten.


Die [[Impfstoffwirksamkeit|Wirksamkeit]] der Mumps-Komponente beträgt 72 % (nach erster Dosis) bzw. 86 % (nach zweiter Dosis) für den Jeryl Lynn-Stamm, gegenüber Röteln beträgt sie 89 %.<ref name=":2" /> Die Wirksamkeit einer enthaltenen Varizella-Komponente (MMRV-Impfstoff) beträgt 95 %.<ref name=":2" />
Der im Abschnitt Nebenwirkung aufgeführte seltene Ausbruch der Krankheit(en), gegen die geimpft wurde, wird ebenfalls von Impfgegnern als gefährliche Nebenwirkung aufgeführt. Unterschlagen wird dabei, dass hier die selben Symptome wie bei der "natürlichen" Krankheit in abgeschwächter Form und seltener auftreten&nbsp;<ref name="Chen1999"/>, beispielsweise Fieber oder geschwollene Speicheldrüsen. Fieber kann bei neurologisch anfälligen Kindern der Auslöser für '''Fieberkrämpfe''' oder gar '''Epilepsie''' sein. Die Ursache des Fiebers ist dabei nicht von Bedeutung, wird aber von Impfgegnern ebenfalls dem MMR-Impfstoff angelastet. Der MMR-Impfstoff ist hier aber nicht die Ursache, sondern allenfalls ein Auslöser von Veranlagungen. Anfällige Kinder sollten aber dennoch geimpft werden, da so starke Fieberschübe durch die Infektionskrankheiten selbst vermieden werden.


Bei Komplikationen durch Masern, Mumps oder Röteln wurde von Kritikern auch der Vorwurf aufgeworfen, dass erst die MMR-Impfung aus einstmals harmlosen Kinderkrankheiten Erkrankungen mit schwerwiegenden Komplikationen gemacht habe. Begründet wird dies damit, dass durch die zunehmende Impfquote eine Person erst später im Leben infiziert wird und die Komplikationen dieser Krankheiten im höheren Alter zunehmen sollen. Im Zusammenhang von Komplikationen dieser Krankheiten in schlechter durchimpften Entwicklungsländern wird Mangelernährung oder entsprechende Vorschädigung für diese verantwortlich gemacht. Die Gefahr von Infektionskrankheiten wird heutzutage als harmloser wahrgenommen. Historische Berichte von Ärzten belegen jedoch, dass auch früher das Gefahrenpotential vorhanden war – in der Vorimpfära war die Masernsterblichkeit bei Säuglingen am höchsten. Gleichzeitig zeigen epidemiologische Arbeiten aus den USA keinen Unterschied bei der Sterblichkeitsrate von Masernerkrankten vor und nach der Einführung der Masernimpfung.<ref name="meas_epi" /> In der Tat scheint sich in Ländern mit höherer Durchimpfung das Erkrankungsalter zu verschieben. Andererseits sinkt auch aufgrund von steigenden Impfquoten die Anzahl der gemeldeten Erkrankungen. Aus diesem Grund nehmen zwar die Komplikationsraten von bestimmten Altersgruppen proportional zu, die absolute Zahl der Erkrankungen inklusive Komplikationen hat aber dramatisch abgenommen.<ref name=":2" /> Und auch in Entwicklungsländern mit schlechterer Durchimpfung zeigt sich – zumindest bei Masern – kein Zusammenhang zwischen Ernährungsstatus und Krankheitsverlauf.<ref name="Aaby">P. Aaby: ''Is susceptibility to severe infection in low-income countries inherited or acquired?'' In: ''J Intern Med.'' 261, Nr. 2, 2007, S. 112–122 (PMID 17241176).</ref> Es scheint jedoch so, als ob die Schwere des Krankheitsverlaufs von der Exposition zum Masernvirus abhängt, d.&nbsp;h., der primäre Verlauf in einer Familie (z.&nbsp;B. Kind angesteckt in der Schule) ist in der Tendenz leichter als die sekundären Erkrankungen in derselben Familie (Geschwister, die in der Folge dem Masern-Erreger stark ausgesetzt waren).
===Der Fall Wakefield===
====Die 1998er ''Lancet''-Veröffentlichung====
Im Februar 1998 veröffentlichte eine Gruppe um Dr. [[Andrew Wakefield]] einen Bericht mit dem Titel "''Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, non-specific colitis, and pervasive developmental disorder in children''" in der angesehenen medizinischen Fachzeitschrift ''[[The Lancet]]'' <ref name=Wakefield98>AJ Wakefield et al.: ''Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, non-specific colitis, and pervasive developmental disorder in children''. Lancet. 351(9103), 1998, S. 637-41 PMID 9500320 [http://www.healthprotection.org.uk/ncbugs/ACROBATS/Wakefield98.pdf PDF]</ref>. Der Bericht analysierte die Fälle von zwölf autistischen Kindern, welche 1996-1997 in dem Royal Free Hospital im Norden Londons behandelt wurden. Beschrieben werden den Darm betreffende Symptome, welche gemäß Wakefield der Beweis eines vollständig neuen Syndroms waren. Dieses bezeichnete er später als [[autistische Enterocolitis]]. Wakefield empfahl eine nähere Untersuchung von möglichen Ursachen in der Umwelt der Kinder, unter anderem des MMR-Impfstoffes. In der Arbeit werden Verbindungen zwischen Magen-Darm-Symptomen und Entwicklungsstörungen dieser Kinder vermutet, welche angeblich mit der MMR-Impfung verbunden waren. Die kausale Verknüpfung, die MMR-Impfstoffe führten zu Autismus, wurde indes nicht erreicht. In einer Pressekonferenz vor Veröffentlichung der Arbeit gab Wakefield jedoch an, er würde es für sinnvoll halten, bis zur Klärung Einzelimpfstoffe statt dem Dreifach-MMR zu nutzen. Weiterhin gab er an, dass acht der zwölf Eltern die Impfung für eine wahrscheinliche Ursache hielten, da Impfung und Beginn der Symptome nur Tage auseinanderlagen. Er erklärte, die weitere Verwendung des Kombinationsimpfstoffs ohne detaillierte Prüfung der Sachlage nicht mehr unterstützen zu können.
In einer vorher für das Fernsehen erstellten Videoaufzeichnung forderte er, die Nutzung von MMR zugunsten der Einzelimpfstoffe auszusetzen <ref>[http://briandeer.com/wakefield/royal-video.htm Video des Wakefield-Interviews]</ref>.


Gezeigt werden konnte jedoch, dass maternale Antikörper von Müttern, die gegen Masern „nur“ geimpft wurden, im kindlichen Immunsystem bei Neugeborenen mit geringerer Konzentration nachzuweisen sind. Mütter, die dagegen als Kind an Masern erkrankt waren, geben ihren Kindern höhere Masernantikörperspiegel mit. Haben Säuglinge mütterliche Antikörper oder Immunglobuline, kann ein asymptomatischer Verlauf oder ein symptomarmer Verlauf resultieren – die Patienten sind trotzdem infektiös.<ref name="Doerr2002">H. W. Doerr, W. Gerlich: ''Medizinische Virologie.'' Thieme-Verlag, 2002.</ref> Säuglinge sind also bis zum Einsetzen eines wirksamen Impfschutzes besonders von den Masern gefährdet. Aus diesem Grund wurde die Empfehlung der ersten MMR-Impfung von Kindern von ursprünglich 15 Monaten auf 12 Monate Lebensalter vorgezogen, um das Zeitfenster der Gefährdung zu minimieren. Solange die Masern jedoch nicht ausgerottet sind, ist zu beachten, dass der ungeimpfte Säugling unbedingt vor Masernkontakten zu schützen ist – in der Vorimpfära war die Masernsterblichkeit bei Säuglingen am höchsten. Der effektivste Schutz von Neugeborenen kann nur durch [[Herdenimmunität]] erreicht werden, d.&nbsp;h. die Bevölkerung hat eine so hohe [[Durchimpfung]]srate erreicht, dass Viren nicht mehr [[Endemie|endemisch]] übertragen werden und auch ungeimpfte geschützt sind.
====Die folgende Kontroverse====
Bericht, Pressekonferenz und Video verunsicherten die großbritannische Bevölkerung. Die folgende Debatte wurde polarisiert, wobei beide Seiten Wakefields Forschung argumentativ nutzten. Er wurde öffentlich angegriffen, seine Kritiker bezweifelten sowohl die Korrektheit als auch die Ethik seiner Forschungen. Die Regierung und die medizinischen Ämter, wie der [[National Health Service]] (NHS), betonten, ausführliche epidemiologische Daten würden keinerlei Zusammenhang zwischen den MMR-Impfungen und Entwicklungsstörungen aufzeigen. Manche Eltern weigerten sich, diesen Dementis glauben zu schenken, da bereits zuvor staatliche Angaben zur Sicherheit diskreditiert wurde, wie im Falle des [[BSE]]-Skandals. Die Regierung wurde beschuldigt, die höheren Kosten der Einzelimpfungen seien der Grund für deren Ablehnung. Als Ergebnis brach die Impfung mit MMR von 92% (1996) auf 84% (2002) ein. Von Teilen London wurde vermutet, dass nur noch 60% der Impfungen mit MMR durchgeführt wurden, was drastisch unterhalb des für [[Kollektivimmunität]] vor Masern notwendigen Schwellenwerts liegt. Auch wenn bisher keine Masern-Epidemie auftrat, haben Ärzte aufgrund der ansteigenden Zahl von Infektionen bereits vor einer solchen gewarnt.


=== Kontroversen um die Auslösung von Krankheiten ===
Ein Faktor der Kontroverse ist, dass nur der Kombinationsimpfstoff über das NHS verfügbar ist. Eltern die diesen Impfstoff ablehnen, haben so nur die Wahl entweder die separaten Impfungen privat vornehmen zu lassen, oder aber ihre Kinder gar nicht zu impfen. Premierminister [[Tony Blair]] hat den MMR-Impfstoff zwar öffentlich verteidigt, gibt jedoch keine Auskunft darüber, welche Impfung sein Sohn Leo bekam.
Unterschiedliche Krankheiten wurden dem MMR-Impfstoff angelastet. In der Kontroverse war MMR unter anderem als Ursache von [[Allergie]]n und [[Asthma]]. Inzwischen ist eindeutig geklärt, dass Impfungen keine Allergien auslösen.<ref name="Roost2004">HP Roost et al.: ''Influence of MMR-vaccinations and diseases on atopic sensitization and allergic symptoms in Swiss schoolchildren.'' In: ''Pediatr Allergy Immunol'' 5/2004. S. 401–407. PMID 15482514</ref><ref name="Koppen2004">S Koppen et al.: ''No epidemiological evidence for infant vaccinations to cause allergic disease.'' In: ''Vaccine'' 25-26/2004. S. 3375–3385 PMID 15308362.</ref><ref>H Floistrup et al.: ''Allergic disease and sensitization in Steiner school children.'' [[J Allergy Clin Immunol]]. 2006 Jan;117(1):59-66 PMID 16387585.</ref> Dazu passt, dass in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] eine Impfpflicht bestand und dennoch Allergien selten waren. Eine größere Studie in ganz Deutschland ergab sogar eine geringere Anfälligkeit für Allergien bei geimpften Kindern.<ref>C Grüber et al.: ''Transient suppression of atopy in early childhood is associated with high vaccination coverage.'' Pediatrics. 2003 Mar;111(3):e282-8. PMID 12612285</ref> Der MMR-Impfstoff war auch als Auslöser von [[Diabetes mellitus#Diabetes Typ 1|Diabetes mellitus Typ 1]], einer [[Autoimmunerkrankung]], in der Diskussion. Auch diese Hypothese konnte in zahlreichen Studien entkräftet werden.<ref>E Altobelli et al.: ''Infections and risk of type I diabetes in childhood: a population-based case-control study.'' Eur J Epidemiol. 2003;18(5):425-30 PMID 12889689.</ref><ref>B Lindberg et al.: ''Previous exposure to measles, mumps, and rubella – but not vaccination during adolescence – correlates to the prevalence of pancreatic and thyroid autoantibodies.'' Pediatrics. 1999 Jul;104(1):e12. PMID 10390298</ref><ref name=":2" /> Für die Auslösung einer [[Enzephalitis]] nach der MMR-Impfung gibt es ebenfalls keine Anhaltspunkte.<ref name=":2" /> Größere Kontroversen, die auf eine bestimmte Publikation zurückzuführen waren, betrafen auch den Zusammenhang mit [[Autismus]]. Dieser Fall wird im nächsten Abschnitt tiefer erörtert, der Zusammenhang gilt inzwischen ebenfalls als sehr unwahrscheinlich.


Auch eine besondere Komplikation nach natürlicher Maserninfektion, die [[subakute sklerosierende Panenzephalitis]] (SSPE), wurde als Nebenwirkung des MMR-Impfstoffs diskutiert. SSPE verursacht eine generalisierte Entzündung des Gehirns, die teilweise erst Jahre nach der eigentlichen Maserninfektion schwerste Schäden nach sich zieht und in jedem Falle tödlich endet. Durch eine bessere Überwachung der Masernerkrankung wird deutlich, dass die SSPE offensichtlich sehr viel häufiger auftritt als bisher angenommen und hierbei besonders Säuglinge gefährdet sind. Die Häufigkeit der SSPE ist durch die Masernimpfung deutlich reduziert worden, dennoch wurde behauptet, dass auch das Masern-Impfvirus diese Erkrankung auslösen würde. Bei genaueren Untersuchungen von SSPE-Opfern fand man im ZNS jedoch regelmäßig nur [[Wildtyp|Wildviren]], so dass heute eine SSPE-Erkrankung durch MMR-Impfstoff ausgeschlossen wird.<ref>W. J. Bellini et al.: ''Subacute sclerosing panencephalitis: more cases of this fatal disease are prevented by measles immunization than was previously recognized.'' In: ''J Infect Dis.'' 192, Nr. 15, 2005, S. 1686–1693 ([[doi:10.1086/497169]], PMID 16235165).</ref>
Die Mehrheit der Ärzte bevorzugt den Kombinationsimpfstoff, da er weniger belastend für das Kind ist und Eltern eher eine als drei Impfungen vornehmen lassen.


Der im Abschnitt Nebenwirkung aufgeführte seltene Ausbruch der Krankheit(en), gegen die geimpft wurde, wird ebenfalls von Impfgegnern als gefährliche Nebenwirkung aufgeführt. Unterschlagen wird dabei, dass hier dieselben Symptome wie bei der „natürlichen“ Krankheit in abgeschwächter Form und seltener auftreten,<ref name="Chen1999" /> beispielsweise Fieber oder geschwollene Speicheldrüsen. Fieber kann bei neurologisch anfälligen Kindern der Auslöser für [[Fieberkrampf|Fieberkrämpfe]] oder gar [[Epilepsie]] sein. Die Ursache des Fiebers ist dabei nicht von Bedeutung, wird aber von Impfgegnern ebenfalls dem MMR-Impfstoff angelastet. Der MMR-Impfstoff ist hier aber nicht die Ursache, sondern allenfalls ein Auslöser von Veranlagungen. Anfällige Kinder sollten aber dennoch geimpft werden, da so starke Fieberschübe durch die Infektionskrankheiten selbst vermieden werden.
Epidemiologische Forschung an hunderttausenden Kindern in zahlreichen Studien zeigt weiterhin keine Verbindung zwischen MMR-Impfung und Autismus. Kritiker dieser Studien, wie der im Ruhestand lebende Klinker John Walker-Smith, obwohl ein Unterstützer des Dreifachimpfstoffs, bezeichneten die Epidemiologie als 'stumpfes Werkzeug', welche derartige Kausalzusammenhänge nicht notwendigerweise aufzeigt. [http://www.vaccinationnews.com/DailyNews/February2002/AutBowMeas.htm] So ist es beispielsweise schwierig, zwei Populationen hinreichender Größe zu finden, welche sich nur durch die Impfung unterscheiden.


Impfgegner mit unzureichendem Fachwissen führen als krankheitsverursachend bisweilen auch andere angebliche Bestandteile im Impfstoff an, wie [[Thiomersal]] oder [[Aluminiumhydroxid]]. Beides war jedoch nie im MMR(V)-Impfstoff enthalten.
Dr. Wakefield gab seinen Job im Royal Free Hospital 2001 auf und arbeitet nun für eine umstrittene Privatklinik in cden USA. Seine fortgesetzten Studien beinhalten die Arbeit an möglichen immunologischen, metabolischen und pathologischen Veränderungen durch die "autistische Enterocolitis", sowie Verbindungen zwischen Darmerkrankungen und neurologischen Störungen bei Kindern und dem möglichen Zusammenhang zwischen diesen Störungen und Einflüssen wie Impfstoffen&nbsp;<ref>[http://www.thoughtfulhouse.org/bio_awakefield.htm A. Wakefield bei seinem neuen Arbeitgeber]</ref>


Im Rahmen all dieser Kontroversen zur Auslösung von Erkrankungen durch den MMR-Impfstoff wurden während der 1980er und 1990er Jahre in den USA eine Reihe von Prozessen gegen Hersteller von Impfstoffen angestrengt, in denen diese beschuldigt wurden, mit ihren Produkten diverse körperliche und [[kognitiv]]e Erkrankungen bei Kindern verursacht zu haben. Obschon ergebnislos, führten diese Prozesse zu einer drastischen Verteuerung des Impfstoffs, da die Pharmakonzerne über Lobby-Arbeit gesetzliche Sicherheit durchsetzen wollten. 1993 war [[Merck & Co.|MSD Sharp & Dohme]] der einzige Konzern, der bereit war, MMR-Impfstoffe in den USA oder Großbritannien zu verkaufen. Zwei weitere Impfstoffe wurden 1992 in Großbritannien und 1993 in Japan zurückgezogen, da aufgrund des verwendeten Mumps-Stamms Sicherheitsbedenken entstanden.
====Anschuldigungen des Interessenskonfliktes====
Im Februar 2004 deckte der Journalist [[Brian Deer]] auf, dass Wakefield zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des ''Lancet''-Berichtes £55.000 an Drittmitteln von Anwälten erhielt, welche zwischen Autismus und dem MMR-Impfstoff Verbindungen suchten <ref>[http://briandeer.com/mmr/lancet-deer-1.htm B ''Deer: Revealed: MMR Research Scandal'']. The Sunday Times, London, 22. Feb. 2004</ref>. Gemäß des Artikels in der ''Sunday Times'' waren einige der zitierten Eltern an Prozessen gegen den MMR-Impfstoff beteiligt. Obwohl Wakefield angab, die Drittmittel seien von Anfang an veröffentlicht worden, wurde bemängelt, dass diese weder dem ''Lancet'', noch den Co-Forschern bekannt gemacht wurden. Am 20. Februar 2004 bezeichnete der ''Lancet'' Wakefields Studie aufgrund eines "fatalen Interessenskonfliktes" als "fehlerhaft" und gab an, diese niemals hätte veröffentlichen dürfen. Mehrere von Wakefields Co-Forschern bemängelten ebenfalls deutlich die fehlenden Angaben zu den Drittmitteln. [http://www.staffnurse.com/nursing-news-articles/mmr-autism-link-study-476.html]. Das [[General Medical Council]], welches in Großbritannien für die Vergabe von Lizenzen für Doktoren und die Überwachung der medizinischen Ethik zuständig ist, hat Ermittlungen aufgenommen. [http://briandeer.com/wakefield/gmc-alleges.htm]


Im September 1995 gewährte das britische ''Legal Aid Board'' einer Reihe von Familien finanzielle Unterstützung zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche gegen die staatlichen Gesundheitsbehörden und die Hersteller des Impfstoffs. Die Familien behaupteten, dass ihre Kinder infolge der MMR-Impfung starben oder schwerwiegend erkrankten. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden diese Fälle als hoffnungslos erkannt und die Beihilfe beendet.<ref>[https://www.theguardian.com/society/2003/oct/07/medicineandhealth.publichealth ''MMR legal aid funding challenge''], The Guardian, 7. Okt., 2003.</ref> Eine Interessengruppe namens JABS (''Justice, Awareness, Basic Support'') gründete sich, um „impfgeschädigte“ Kinder zu repräsentieren.
====Rückzug des ''Lancet''-Berichts====


=== Der Fall Wakefield ===
In Folge des Artikels von Brian Deer traten 10 der 13 Autoren des Berichtes formal von der Behauptung zurücktraten, eine Verbindung zwischen Autismus und MMR gefunden zu haben <ref> Murch SH et al.: Retraction of an interpretation. Lancet. 2004;363(9411):750 PMID 15016483 </ref>. Deer setzte seine Ermittlung in einer Dokumentation des britischen Fernsehens ''MMR: What They Didn't Tell You'' fort, welche am 18. November 2004 ausgestrahlt wurde. Hierin wird Wakefield beschuldigt, Patente für ein Konkurrenzprodukt zu MMR zu besitzen und von Testergebnissen seines eigenen Labors zu wissen, welche seine Behauptungen klar widerlegen&nbsp;<ref>B Deer: [http://briandeer.com/wakefield-deer.htm Weitere Anschuldigungen von Wakefield]</ref>
==== Die 1998er ''Lancet''-Veröffentlichung ====
Im Februar 1998 veröffentlichte eine Gruppe um [[Andrew Wakefield]] einen Bericht mit dem Titel ''Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, non-specific colitis, and pervasive developmental disorder in children'' ("Lymphatische Hyperplasie, unspezifische Kolitis und tiefgreifende Entwicklungsstörung bei Kindern") in der angesehenen medizinischen Fachzeitschrift ''[[The Lancet]]''.<ref name="Wakefield98">A. J. Wakefield et al.: ''Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, non-specific colitis, and pervasive developmental disorder in children''. In: ''Lancet.'' 351, Nr. 9103, 1998, S. 637–641, PMID 9500320, {{Webarchiv |url=http://generationrescue.org/pdf/wakefield2.pdf |text=generationrescue.org |wayback=20101216033705}} (PDF).</ref> Der Bericht analysierte die Fälle von zwölf autistischen Kindern, die 1996–1997 im Royal Free Hospital im Norden Londons behandelt wurden. Beschrieben wurden den Darm betreffende Symptome, die gemäß Wakefield der Beweis eines vollständig neuen Syndroms waren. Dieses bezeichnete er später als „autistische Enterocolitis“. Wakefield empfahl eine nähere Untersuchung von möglichen Ursachen in der Umwelt der Kinder, unter anderem des MMR-Impfstoffes. In der Arbeit werden Verbindungen zwischen Magen-Darm-Symptomen und Entwicklungsstörungen dieser Kinder vermutet, die mit der MMR-Impfung zusammenhängen sollten. Ein kausaler Zusammenhang bestand indes nicht. In einer Pressekonferenz vor Veröffentlichung der Arbeit gab Wakefield jedoch an, er würde es für sinnvoll halten, bis zur Klärung Einzelimpfstoffe statt des Dreifach-MMR-Impfstoffes zu nutzen. Weiterhin gab er an, dass acht der zwölf Eltern die Impfung für eine wahrscheinliche Ursache hielten, da Impfung und Beginn der Symptome nur Tage auseinander lagen. Er erklärte, die weitere Verwendung des Kombinationsimpfstoffs ohne detaillierte Prüfung der Sachlage nicht mehr unterstützen zu können.
In einer vorher für das Fernsehen erstellten Videoaufzeichnung forderte er, die Nutzung von MMR zugunsten der Einzelimpfstoffe auszusetzen.<ref>[http://briandeer.com/wakefield/royal-video.htm Video des Wakefield-Interviews]</ref>


====Neuere Studien zum Thema Autismus====
==== Die folgende Kontroverse ====
Bericht, Pressekonferenz und Video verunsicherten die britische Bevölkerung. Die folgende Debatte wurde polarisiert, wobei beide Seiten Wakefields Forschung argumentativ nutzten. Er wurde öffentlich angegriffen, seine Kritiker bezweifelten sowohl die Korrektheit als auch die Ethik seiner Forschungen. Die Regierung und die medizinischen Ämter, wie der [[National Health Service]] (NHS), betonten, ausführliche epidemiologische Daten würden keinerlei Zusammenhang zwischen den MMR-Impfungen und Entwicklungsstörungen aufzeigen. Manche Eltern weigerten sich, diesen Dementis Glauben zu schenken, da bereits zuvor staatliche Angaben zur Sicherheit diskreditiert wurden, wie im Falle des [[BSE]]-Skandals. Die Regierung wurde beschuldigt, die höheren Kosten der Einzelimpfungen seien der Grund für deren Ablehnung. Als Ergebnis brach die Impfung mit MMR von 92 % (1996) auf 84 % (2002) ein. Für Teile Londons wurde vermutet, dass nur noch 60 % der Impfungen mit MMR durchgeführt wurden, was drastisch unterhalb des für [[Herdenimmunität]] von Masern notwendigen Schwellenwerts liegt. Auch wenn bisher keine Masern-Epidemie auftrat, haben Ärzte aufgrund der ansteigenden Zahl von Infektionen bereits vor einer solchen gewarnt.
Epidemiologische Forschungen zeigen für die vergangenen Jahrzehnte einen Anstieg bei Autismus. Die Ursache ist unklar, vielfach wird allerdings weniger ein realer Anstieg als die Veränderung der Diagnose- und Erhebungsmethodik als Grund vermutet <ref> B Taylor et al.: ''Measles, mumps, and rubella vaccination and bowel problems or developmental regression in children with autism: population study''. British Medical Journal, Vol 324, 16. Feb. 2002, S. 393-396 [http://bmj.bmjjournals.com/cgi/reprint/324/7334/393?maxtoshow=&HITS=10&hits=10&RESULTFORMAT=1&author1=taylor%2C+b&author2=miller%2C+e&andorexacttitle=and&andorexacttitleabs=and&andorexactfulltext=and&searchid=1113249908936_21240&stored_search=&FIRSTINDEX=0&sortspec=relevance&resourcetype=1,2,3,4 PDF] </ref> <ref>[http://bmj.bmjjournals.com/cgi/eletters/330/7483/112-d# BMJJournals.com] - 'Rapid Responses to: Increase in autism due to change in definition, not MMR vaccine' ''[[British Medical Journal]]'' (Meinungsaustausch der ''BMJ''-Website)
</ref> <ref name="Barbar">WJ Barbaresi et al.: ''The incidence of autism in Olmsted County, Minnesota, 1976-1997: results from a population-based study''. Arch Pediatr Adolesc Med. Jan. 2005, 159(1), S. 37-44 PMID 15630056 </ref>. So ist die Diagnose für Autismus in den vergangenen Jahren ausgeweitet worden und Kinder werden heute intensiver und eher als füher diagnostisch untersucht. Ein kausaler Zusammenhang zwischen MMR und Autismus kann dagegen inzwischen als so gut wie ausgeschlossen gelten, wie die im folgenden zitierten, im Unterschied zu Wakefields Arbeit sehr umfangreichen, Studien gezeigt haben.


Ein Faktor der Kontroverse ist, dass nur der Kombinationsimpfstoff über den NHS verfügbar ist. Eltern, die diesen Impfstoff ablehnen, haben so nur die Wahl, entweder die separaten Impfungen privat vornehmen zu lassen oder aber ihre Kinder gar nicht zu impfen. Der damalige Premierminister [[Tony Blair]] hatte den MMR-Impfstoff zwar öffentlich verteidigt, gab jedoch keine Auskunft darüber, welche Impfung sein Sohn Leo bekam.
* In der Folge von Wakefields Veröffentlichung folgten viele Studien<ref>Auflistung von 17 Studien zum möglichen Zusammenhang MMR-Autismus, Immunization Action Coalition [http://www.immunize.org/catg.d/p4026.pdf]</ref>, die den Zusammenhang zwischen MMR und Autismus untersuchten. Im Oktober 2003 wurde eine von der Europäischen Union finanzierte Übersichtsarbeit veröffentlicht, welche die Ergebnisse aus 120 anderen Studien und Nebenwirkungen des MMR-Impfstoffs zusammenfasste und näher analysierte <ref>T Jefferson: ''Unintended events following immunization with MMR: a systematic review''. Vaccine. 2003 Sep 8;21(25-26), S. 3954-60 PMID 12922131 </ref>. Die Autoren schlossen
**Der Impfstoff ist mit einigen positiven und einigen negativen Wirkungen assoziiert
**Es ist 'unwahrscheinlich' dass es eine Verbindung zwischen MMR und Autismus gab und
**'Das Design und der Bericht von sicherheitsrelevanten Ergebnissen in MMR-Impfstoff-Studien...sind überwiegend inadequat.'


Die Mehrheit der Ärzte bevorzugt den Kombinationsimpfstoff, da er weniger belastend für das Kind ist und Eltern eher eine als drei Impfungen vornehmen lassen.
*Im Januar 2005 wurde nach intensiver Forschung in einer einzelnen Grafschaft in Minnesota von einer Verachtfachung des Auftretens von Autismus berichtet. Der untersuchte Zeitraum umfasst die frühen 1980er Jahre und endet in den späten 1990ern. Bei der Forschung wurde kein Zusammenhang mit MMR entdeckt. Die Autoren vermuten, dass der Anstieg mit verbesserter Diagnostik der Störung und sich wandelnden Definitionen zu erklären ist <ref name="Barbar"/>.

*Im März 2005 schloss eine an 30.000 in einem Distrikt von [[Yokohama]] geborenen Kindern durchgeführte Studie, dass Auftreten von Autismus weiterhin anstieg (von 46-86 Fällen auf 10.000 Kindern zu 97-161 auf 10.000), obwohl die Nutzung des MMR-Impfstoffs in Japan im April 1993 eingestellt wurde. Die Schlussfolgerung der Autoren lautet. ''"Die Bedeutung dieser Ergebnisse ist, dass MMR-Impfung höchst wahrscheinlich keine Hauptursache von ASD ist, da sich hiermit der Anstieg des Auftretens von ASD über die Zeit nicht erklären lässt und dass von einem Rückzug des MMR-Impfstoffs in denjenigen Ländern, die ihn noch verwenden, kein Rückgang im Auftreten von ASD zu erwarten ist"''<ref> H Honda, Y Shimizu, M Rutter: ''No effect of MMR withdrawal on the incidence of autism: a total population study''. J Child Psychol Psychiatry. 2005 Jun;46(6):572-9.
PMID 15877763</ref>. Wakefield behauptet indes, der Anstieg von Autismus, welchen die Daten belegen, würde seine Hypothese stützen <ref> ''Japanese Study Is The Strongest Evidence Yet For A Link Between MMR And Autism''. The Red Flag, 6. März 2005 [http://www.redflagsweekly.com/articles/2005_mar06_2.html]</ref>. Seine Ansichten fanden jedoch wenig Ünterstützung <ref>I Sample: ''Lingering fears of MMR-autism link dispelled''. The Guardian, 3. März 2005
[http://www.guardian.co.uk/uk_news/story/0%2C3604%2C1429115%2C00.html]</ref>.


Epidemiologische Forschung an hunderttausenden Kindern in zahlreichen Studien zeigt weiterhin keine Verbindung zwischen MMR-Impfung und Autismus. Kritiker dieser Studien, wie der im Ruhestand lebende Kliniker John Walker-Smith, obwohl ein Unterstützer des Dreifachimpfstoffs, bezeichneten die Epidemiologie als „stumpfes Werkzeug“, die derartige Kausalzusammenhänge nicht notwendigerweise aufzeigt.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.vaccinationnews.com/DailyNews/February2002/AutBowMeas.htm |text=Vaccination News |wayback=20050913122426 |archiv-bot=}}</ref> So ist es beispielsweise schwierig, zwei Populationen hinreichender Größe zu finden, die sich nur durch die Impfung unterscheiden.
*Im Oktober 2005, veröffentlichte die ''Cochrane Library'' eine Überprüfung von 31 wissenschaftlichen Studien und schloss ''"es gibt keinen glaubwürdigen Beweis hinter den Behauptungen der Schadhaftigkeit des MMR-Impfstoffs"''. Allerdings bemängelten auch diese Autoren, das Design und der Bericht von sicherheitsrelevanten Ergebnissen in MMR-Impfstoffstudien sei überwiegend inadequat <ref>V Demicheli,T Jefferson, A Rivetti, D Price: ''Vaccines for measles, mumps and rubella in children''. Cochrane Database of Systematic Reviews 2005, Issue 4. Art. No.: CD004407. [http://www.cochrane.org/press/MMR_final.pdf PDF] </ref>. Cochrane, in Oxford, England, wird von Wissenschaftlern weithin als die höchste unabhängige Prüfinstanz medizinischer Literatur angesehen und als Küster der "beweisgeführten Medizin".


Wakefield gab seinen Job im Royal Free Hospital 2001 auf und wanderte in die USA aus.<ref>Raf Sanchez, David Rose: [https://web.archive.org/web/20100601070035/http://www.timesonline.co.uk/tol/news/uk/article7134893.ece ''Dr Andrew Wakefield struck off medical register.''] In: ''The Times.'' vom 25. Mai 2010</ref> Dort arbeitete er für eine umstrittene Privatklinik bis Februar 2010. Seine fortgesetzten Studien beinhalten die Arbeit an möglichen immunologischen, metabolischen und pathologischen Veränderungen durch die „autistische Enterocolitis“ sowie Verbindungen zwischen Darmerkrankungen und neurologischen Störungen bei Kindern und den möglichen Zusammenhang zwischen diesen Störungen und Einflüssen wie Impfstoffen.
=== Weitere Argumente von Impfgegnern ===


==== Vorwurf eines Interessenskonfliktes ====
Die Wortmeldungen der Impfgegner reichen von deer Vermutung, ein Kind müsse die Kinderkrankheiten durchmachen, da es eine dadurch einen Entwicklungssprunges mache. Andere Streiten die Existenz eines Masernvirus ab. Bislang konnten für keine dieser Behauptungen Untersuchungsergebnisse vorgelegt werden, die einer Überprüfung standhielten. Tatsächlich wären die Masern genau so ausrottbar, wie es die Pocken waren. Wären die Masern ausgerottet, brauchte es keine Impfung mehr.
Im Februar 2004 deckte der Journalist [[Brian Deer]] auf, dass Wakefield zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des ''Lancet''-Berichtes 55.000 £ an Drittmitteln von Anwälten erhielt, die zwischen Autismus und dem MMR-Impfstoff Verbindungen suchten.<ref>[http://briandeer.com/mmr/lancet-deer-1.htm B ''Deer: Revealed: MMR Research Scandal'']. The Sunday Times, London, 22. Feb. 2004</ref> Gemäß dem Artikel in der ''Sunday Times'' waren einige der zitierten Eltern an Prozessen gegen Hersteller des MMR-Impfstoffes beteiligt. Obwohl Wakefield angab, die Drittmittel seien von Anfang an veröffentlicht worden, wurde bemängelt, dass diese weder dem ''Lancet'' noch den Co-Forschern bekannt gemacht wurden. Am 20. Februar 2004 bezeichnete der ''Lancet'' Wakefields Studie aufgrund eines „fatalen Interessenskonfliktes“ als „fehlerhaft“ und gab an, dass diese niemals hätte veröffentlicht werden dürfen. Mehrere von Wakefields Co-Forschern bemängelten ebenfalls deutlich die fehlenden Angaben zu den Drittmitteln.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.staffnurse.com/nursing-news-articles/mmr-autism-link-study-476.html |wayback=20050914215150 |text=''MMR-autism link study''. }} staffnurse.com</ref> Das [[General Medical Council]], das in Großbritannien für die Vergabe von Lizenzen für Ärzte und die Überwachung der medizinischen Ethik zuständig ist, nahm Ermittlungen auf.<ref>Brian Deer: [http://briandeer.com/wakefield/gmc-alleges.htm MMR doctors to face GMC hearing]</ref>


==== Rückzug des ''Lancet''-Berichts ====
Eine klassische „Argumentationskette“ von Impfgegnern wäre beispielsweise folgende:
Infolge des Artikels von Brian Deer traten zehn der dreizehn Autoren des Berichtes formal von der Behauptung zurück, eine Verbindung zwischen Autismus und MMR gefunden zu haben.<ref>Murch SH et al.: Retraction of an interpretation. Lancet. 2004;363(9411):750 PMID 15016483.</ref> Deer setzte seine Ermittlung in einer Dokumentation des britischen Fernsehens ''MMR: What They Didn’t Tell You'' fort, die am 18. November 2004 ausgestrahlt wurde. Hierin wurde nachgewiesen, dass Wakefield die Patente für ein Konkurrenzprodukt zu MMR besitzt. Zudem widerlegten die Testergebnisse seines eigenen Labors seine Behauptungen.<ref>Brian Deer: [http://briandeer.com/wakefield-deer.htm the Wakefield factor]</ref>


==== Anwälte der Impfgegner zahlten 3,5 Millionen £ ====
''Da die Pocken nach der Erklärung ihrer Ausrottung durch die WHO noch mindestens einmal aufgetreten sind, muss man obiger Aussage mit der gebotenen Skepsis begegnen. Die Durchimpfungsrate in den USA beträgt zirka 95&nbsp; Prozent, was dazu geführt hat, dass weniger Kinder erkranken. Weniger erkrankte Kinder führen aber zu weniger Ansteckungen im Kindesalter. Dadurch steigt die Anzahl der Erkrankungen im Erwachsenenalter, deren Verlauf dann regelmäßig dramatischer ist. Es sterben daher in den USA mehr Menschen als vor Beginn der Impfkampagne.''
Weitere Nachforschungen der englischen Zeitung ''Sunday Times'' ergaben, dass im Vorfeld der Publikation Wakefield und weitere Protagonisten bis zu 3,5 Millionen britische Pfund von einer Anwaltskanzlei erhalten haben, welche die Eltern autistischer Kinder vertrat. Andrew Wakefield selber erhielt eine halbe Million Pfund. Schon zwei Jahre vor dem Erscheinen des strittigen Beitrags bekam er die ersten Teilzahlungen. Weiterhin hatten fünf weitere Autoren der Publikation und ein Gutachter, der seinerzeit die Veröffentlichung für ''The Lancet'' prüfte, persönliche Zahlungen von der Anwaltskanzlei erhalten.<ref>H. Kaulen: [http://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin/impfstoff-vergoldete-bedenken-1411323.html Artikel in der FAZ], 8. Januar 2007</ref>


==== Neuere Studien zum Thema Autismus ====
Dabei wird einerseits unterschlagen, dass Neuausbrüche meist eingeschleppt werden (wie z.&nbsp;B. die zwei Ausbrüche 2005 in Bayern und Hessen) und dass sich Erwachsene nur von Kindern anstecken können, diese Ansteckungen aber durch die Impfrate immer weiter zurückgehen. Gleichzeitig zeigen epidemiologische Arbeiten aus den USA keinen Unterschied bei der Sterblichkeitsrate von Masernerkrankten vor und nach der Einführung der Masernimpfung im Jahr 1966.
Epidemiologische Forschungen zeigen für die vergangenen Jahrzehnte einen Anstieg bei Autismus. Die Ursache ist unklar, vielfach wird nicht ein realer Anstieg, sondern die Verbesserung der Diagnose- und Erhebungsmethodik als Grund vermutet.<ref>B. Taylor, E. Miller, R. Lingam, N. Andrews, A. Simmons, J. Stowe: ''Measles, mumps, and rubella vaccination and bowel problems or developmental regression in children with autism: population study.'' In: ''BMJ.'' Band 324, Nummer 7334, Februar 2002, S.&nbsp;393–396, PMID 11850369, {{PMC|65532}}. 'Rapid Responses to: Increase in autism due to change in definition, not MMR vaccine' ''[[British Medical Journal]]'' (Meinungsaustausch der ''BMJ''-Website)</ref><ref name="Barbar">WJ Barbaresi et al.: ''The incidence of autism in Olmsted County, Minnesota, 1976–1997: results from a population-based study''. Arch Pediatr Adolesc Med. Jan. 2005, 159(1), S. 37–44 PMID 15630056.</ref> So sind die Diagnosekriterien für Autismus in den vergangenen Jahren ausgeweitet worden, und Kinder werden heute gezielter und frühzeitiger daraufhin untersucht. Ein kausaler Zusammenhang zwischen MMR und Autismus kann dagegen inzwischen als so gut wie ausgeschlossen gelten, wie die im Folgenden zitierten, im Unterschied zu Wakefields Arbeit sehr umfangreichen Studien gezeigt haben.


* In der Folge von Wakefields Veröffentlichung folgten viele Studien,<ref>Immunization Action Coalition: Auflistung von 17 Studien zum möglichen Zusammenhang MMR-Autismus, in: [http://www.immunize.org/catg.d/p4026.pdf MMR vaccine does not cause autism.] (PDF; 72&nbsp;kB)</ref> die den Zusammenhang zwischen MMR und Autismus untersuchten. Im Oktober 2003 wurde eine von der Europäischen Union finanzierte Übersichtsarbeit veröffentlicht, welche die Ergebnisse aus 120 anderen Studien und Nebenwirkungen des MMR-Impfstoffs zusammenfasste und näher analysierte.<ref>T Jefferson: ''Unintended events following immunization with MMR: a systematic review''. In: ''Vaccine''. 2003 Sep 8;21(25-26), S. 3954–60 PMID 12922131.</ref> Die Autoren schlossen:
Ein anderes Argument lautet:
** Der Impfstoff ist mit einigen positiven und einigen negativen Wirkungen assoziiert
** Es ist 'unwahrscheinlich', dass es eine Verbindung zwischen MMR und Autismus gab, und
** 'Das Design und der Bericht von sicherheitsrelevanten Ergebnissen in MMR-Impfstoff-Studien … sind überwiegend inadäquat.'
* Im Januar 2005 wurde nach intensiver Forschung in einem einzelnen Landkreis (County) in Minnesota von einer Verachtfachung des Auftretens von Autismus berichtet. Der untersuchte Zeitraum umfasst die frühen 1980er Jahre und endet in den späten 1990ern. Bei der Forschung wurde kein Zusammenhang mit MMR entdeckt. Die Autoren vermuten, dass der Anstieg mit verbesserter Diagnostik der Störung und sich wandelnden Definitionen zu erklären ist.<ref name="Barbar" />
* Im März 2005 schloss eine an 30.000 in einem Distrikt von [[Yokohama]] geborenen Kindern durchgeführte Studie, dass das Auftreten von Autismus weiterhin anstieg (von 46–86 Fällen auf 10.000 Kindern zu 97–161 auf 10.000), obwohl die Nutzung des MMR-Impfstoffs in Japan im April 1993 eingestellt wurde. Die Schlussfolgerung der Autoren lautet: „Die Bedeutung dieser Ergebnisse ist, dass MMR-Impfung höchstwahrscheinlich keine Hauptursache von ASD ist, da sich hiermit der Anstieg des Auftretens von ASD über die Zeit nicht erklären lässt und dass von einem Rückzug des MMR-Impfstoffs in denjenigen Ländern, die ihn noch verwenden, kein Rückgang im Auftreten von ASD zu erwarten ist.“<ref>H Honda, Y Shimizu, M Rutter: ''No effect of MMR withdrawal on the incidence of autism: a total population study''. In: ''J Child Psychol Psychiatry'', 2005 Jun, 46(6), S. 572–579. PMID 15877763</ref> Wakefield behauptet indes, der Anstieg von Autismus, den die Daten belegen, würde seine Hypothese stützen.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.redflagsweekly.com/articles/2005_mar06_2.html | wayback=20050307102935 | text=''Japanese Study Is The Strongest Evidence Yet For A Link Between MMR And Autism''}}. The Red Flag, 6. März 2005.</ref> Seine Ansichten fanden jedoch wenig Unterstützung.<ref>I Sample: [http://www.guardian.co.uk/uk_news/story/0%2C3604%2C1429115%2C00.html ''Lingering fears of MMR-autism link dispelled''.] In: ''The Guardian'', 3. März 2005.</ref>
* In einem zuletzt 2021 aktualisierten Review der ''[[Cochrane Library]]'' wurden 138 wissenschaftlichen Studien mit über 23 Millionen Probanden untersucht. Dieser schloss, dass „die Impfstoffe vom Typ MMR, MMRV und MMR+V bei Kindern zur Vorbeugung einer Infektion mit Masern, Mumps, Röteln und Windpocken wirksam sind. Es gibt keine Evidenz für ein erhöhtes Risiko für Autismus oder Hirnentzündung und ein geringes Risiko für Fieberkrämpfe.“<ref>{{Internetquelle |url=https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD004407.pub5/full/de#CD004407-abs-0003 |titel=Sind Kinder durch die Impfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen (MMRV) geschützt und hat diese schädliche Nebenwirkungen? |werk=Cochrane Library |datum=2021-11-22 |sprache=de |abruf=2023-04-11}}</ref> Mittlerweile bestätigen auch diese Autoren, dass das Design und der Bericht von sicherheitsrelevanten Ergebnissen in MMR(V)-Impfstoffstudien überwiegend adäquat sei.<ref name=":2">{{Literatur |Autor=Carlo Di Pietrantonj et al. |Titel=Vaccines for measles, mumps, rubella, and varicella in children |Sammelwerk=The Cochrane Database of Systematic Reviews |Band=11 |Nummer=11 |Datum=2021-11-22 |Sprache=en |DOI=10.1002/14651858.CD004407.pub5 |PMC=8607336 |PMID=34806766 |Seiten=CD004407}}</ref> [[Cochrane (Organisation)|Cochrane]], in Oxford, England, wird von Wissenschaftlern weithin als die höchste unabhängige Prüfinstanz medizinischer Literatur angesehen.
* Eine im Fachmagazin ''[[Journal of the American Medical Association|JAMA]]'' 2015 publizierte Studie US-amerikanischer Wissenschaftler mit 96.000 Teilnehmern kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass es keinen schädlichen Zusammenhang zwischen dem MMR-Impfstoff und dem Auftreten von Autismus gibt. In diese Langzeitstudie wurden 1.929 Kinder einbezogen, die ein älteres autistisches Geschwister haben. Diese Kinder haben ein höheres Risiko, selbst Autismus zu entwickeln. Das Ergebnis war, dass MMR-Impfungen nicht mit einem erhöhten Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen korrelieren – unabhängig davon, ob ältere Geschwister eine autistische Störung hatten/haben oder nicht.<ref>Christina Hucklenbroich: [http://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin-ernaehrung/hochrisikokinder-kein-zusammenhang-zwischen-autismus-und-impfung-13550611.html ''Studie mit Risikokindern: Kein Zusammenhang zwischen Autismus und Impfung.''] www.faz.net, 26. April 2015</ref>
* Die Gesundheitsdaten über 650.000 dänischen Kindern ergab, dass es unter den geimpften Kindern statistisch gesehen nicht mehr Autismus-Fälle gab als bei den ungeimpften Kindern. Damit wird das Autismus-Risiko nicht von der Impfung beeinflusst.<ref>{{Internetquelle |autor=Daniel Lingenhöhl |url=https://www.spektrum.de/news/auch-in-daenemark-fuehrt-impfen-nicht-zu-autismus/1627908 |titel=Masern - Mumps - Röteln: Auch in Dänemark führt Impfen nicht zu Autismus |werk=[[Spektrum der Wissenschaft]] |hrsg= |datum=2019-03-05 |abruf=2019-04-29}}</ref> Diese Studie wurde 2019 im Fachmagazin ''[[Annals of Internal Medicine]]'' veröffentlicht.<ref>{{Literatur |Autor=Anders Hviid et al. |Titel=Measles, Mumps, Rubella Vaccination and Autism: A Nationwide Cohort Study |Hrsg= |Sammelwerk=Annals of Internal Medicine |Band=170 |Nummer=8 |Auflage= |Datum=2019-04-16 |DOI=10.7326/M18-2101 |PMID=30831578 |Seiten=513–520}}</ref>


==== Rückzug der gefälschten Studie von ''The Lancet'' 2010 ====
''Der Anteil an subakuter sklerosierender Panenzephalitis (SSPE) ist in den vergangenen Jahrzehnten von 1 pro 1 Million auf 7&nbsp;– 8 pro 100.000 gestiegen. Früher waren Masern auch eine harmlose Kinderkrankheit, jetzt kann man daran sterben. Dies liegt an der zunehmenden Impfrate, die die Krankheit verschlimmert, wie bei der Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika.''
Am 2. Februar 2010 wurde die Studie von der Fachzeitschrift ''The Lancet'' vollumfänglich zurückgezogen und aus der Liste der Veröffentlichungen entfernt.<ref>[http://news.bbc.co.uk/2/hi/health/8493753.stm ''Lancet accepts MMR study „false“''.] [[British Broadcasting Corporation|BBC]] News Online; abgerufen am 2. Februar 2010</ref> Als Grund für den Rückzug nennt ''The Lancet'' die Ergebnisse einer Untersuchung der britischen Ärztekammer. Die Untersuchung kam am 28. Januar 2010 zu dem Schluss, dass Wakefield die Forschungsergebnisse in „unehrlicher“ und „unverantwortlicher“ Weise dargestellt hat, „mehrere Elemente“ seien „unrichtig“.<ref>[http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,675592,00.html ''Das offizielle Ende eines Forschungsskandals''.] [[Spiegel Online]]; abgerufen am 4. Februar 2010.</ref><ref>''Retraction – Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, non-specific colitis, and pervasive developmental disorder in children''. In: ''The Lancet'', [http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(97)11096-0/abstract online], abgerufen am 4. Februar 2010.</ref> Laut Medienberichten ließ der Mediziner 1997 seinen alternativen, angeblich sicheren Masern-Impfstoff patentieren. Zudem wurde seine Studie von einer Anwaltskanzlei finanziell unterstützt, die eine Schadensersatzklage angeblich betroffener Eltern gegen die Impfstoffhersteller plante.<ref>[http://www.stern.de/gesundheit/masern-impfung-und-autismus-spaetes-ende-eines-medizin-skandals-1540936.html ''Masern-Impfung und Autismus: Spätes Ende eines Medizin-Skandals.''] stern.de</ref> Im Mai 2010 wurde ein [[Berufsverbot]] in Großbritannien gegen ihn ausgesprochen.<ref>[http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,696472,00.html ''Britischer Autismus-Arzt erhält Berufsverbot''.] [[Spiegel Online]], 24. Mai 2010</ref> Er kündigte dagegen Berufung an.


Am 7. Januar 2011 berichtete das ''Deutsche Ärzteblatt''<ref>{{Webarchiv |url=http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=44182 |text=''BMJ: Autismusstudie war eine Fälschung''. |wayback=20110113231648 |archiv-bot=}} In: ''[[Deutsches Ärzteblatt]]''</ref> von einer neuerlichen Arbeit des Reporters Brian Deer, in der er den Nachweis präsentiere, dass Wakefield für seine Studie Untersuchungsergebnisse bewusst gefälscht habe. So hatte Wakefield für seine 12-Personen-Studie Eltern gewählt, die bereits im Vorfeld Impfungen für den Autismus ihrer Kinder verantwortlich gemacht hatten.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Alice Park |Titel=Study Linking Vaccines to Autism Is “Fraudulent” |Hrsg= |Sammelwerk=[[Time]] |Datum=2011-01-06 |Seiten= |Online=https://healthland.time.com/2011/01/06/study-linking-vaccines-to-autism-is-fraudulent/ |Abruf=2020-03-24}}</ref> Von den in der Studie acht berichteten Kindern, deren Autismus und Darmsymptome angeblich durch Impfungen verursacht sein soll, waren drei nie von einem regressiven Autismus betroffen, und die restlichen fünf zeigten bereits Entwicklungsauffälligkeiten vor der Impfung.<ref name=":0" /> Schließlich äußerten sich die Symptome gemäß Krankenakten erst nach Monaten und nicht wie von Wakefield angegeben nach Tagen nach der Impfung.
Es gibt keine Studie, die eine solche Aussage untermauern könnte. Hier werden epidemiologische Daten, die auf völlig unterschiedlichen Wegen gewonnen wurden, miteinander verglichen. In den Industrienationen wurde jedenfalls nach Einführung der Masernimpfung bzw. deren weiterer Verbreitung eine Abnahme der neu aufgetretenen SSPE-Fälle um etwa 90% beobachtet.
Länder, aus denen noch heute eine hohe Auftretenswahrscheinlichkeit von SSPE berichtet wird (z. B. Indien, Papua-Neuguinea), zeichnen sich durch geringe Impfraten und eine hohe Wildvirus-Zirkulation bei Kindern aus.


== Quellen ==
== Siehe auch ==
* [[Betrug und Fälschung in der Wissenschaft]]
<references/>
* [[Hexavalenter Impfstoff]]
* [[Ständige Impfkommission]]
* [[Öffentliche Impfempfehlung]]


==Weblinks==
== Literatur ==
* {{Internetquelle |autor=D. Mentzer, H. Meyer und B. Keller-Stanislawski |url=https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/wiss-publikationen-volltext/bundesgesundheitsblatt/2013/2013-sicherheit-impfstoffe-masern-mumps-roeteln.pdf?__blob=publicationFile&v=2 |titel=Sicherheit und Verträglichkeit von monovalenten Masern- und kombinierten Masern-, Mumps-, Röteln- und Varizellenimpfstoffen |werk=Bundesgesundheitsblatt |hrsg=PEI |datum=2013 |format=PDF |abruf=2021-11-11}}
* {{Literatur |Autor=Carlo Di Pietrantonj et al.|Titel=Vaccines for measles, mumps, rubella, and varicella in children |Hrsg= |Sammelwerk=The Cochrane Database of Systematic Reviews |Band=4 |Nummer= |Datum=2020-04-20 |DOI=10.1002/14651858.CD004407.pub4 |PMC=7169657 |PMID=32309885 |Seiten=CD004407}}


== Weblinks ==
* [http://briandeer.com/mmr-lancet.htm BrianDeer.com] - 'the [[Lancet]] scandal' ('Untersuchung' der MMR-Kontroverse), [[Brian Deer]]
* [http://briandeer.com/mmr-lancet.htm BrianDeer.com] – 'the [[The Lancet|Lancet]] scandal' ('Untersuchung' der MMR-Kontroverse), [[Brian Deer]]
* [http://www.bbc.co.uk/sn/tvradio/programmes/horizon/mmr_trans.shtml BBC.co.uk] - 'Does the MMR Jab Cause Autism?' (TV-Transskript), [[BBC]] (May 29, 2005)
* [https://www.theguardian.com/society/2005/oct/20/health.medicineandhealth1 Guardian.co.uk] – 'At last – the end of the MMR myth: Dr Simon Atkins on why it’s safe to give jabs', ''[[The Guardian]]'' (October 20, 2005)
* [http://bmj.bmjjournals.com/cgi/content/full/328/7440/602-c BMJJournals.com] - 'Authors reject interpretation linking autism and MMR vaccine', Susan Mayor, ''BMJ'', vol 328, p 602 (March 13, 2004)
* {{Internetquelle |url=https://www.cdc.gov/vaccines/vpd/mmr/public/index.html |titel=Measles, Mumps, and Rubella (MMR) Vaccination |werk=CDC |datum=2021-04-05 |sprache=en |abruf=2021-11-11}}
*[http://bmj.bmjjournals.com/cgi/eletters/328/7440/602-c#52948 BMJJournals.com] - 'Unreliability of Scientific Papers as Evidence', Clifford G. Miller, Stellungnahme des ''BMJ'' (March 12, 2004)
* {{Internetquelle |url=https://www.nhs.uk/conditions/vaccinations/mmr-vaccine/ |titel=MMR (measles, mumps and rubella) vaccine |werk=NHS |datum=2019-07-31 |sprache=en |abruf=2021-11-11}}
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* [http://www.redflagsdaily.com/yazbak/2005_oct28.html RedFlagsDaily.com] - 'Alive and Well: The MMR-Autism Connection', [[Edward Yazbak|F. Edward Yazbak, MD, FAAP]], Red Flags (October 29, 2005)
* [http://news.scotsman.com/scotland.cfm?id=115342006 Scotsman.com] - 'Family sues over alleged MMR link to autism: A Scots family will launch a multi-million-pound lawsuit at the High Court in London today, claiming the MMR vaccine was responsible for causing autism in their child', Tanya Thompson, ''[[The Scotsman]]'' (January 24, 2006)
* [http://www.spiked-online.com/Articles/0000000CA7C7.htm SpikedOnline.com] - 'How did the doctor get away with it? Brian Deer's investigative documentary on MMR went some way towards redeeming the reputation of the media', Dr. Michael Fitzpatrick (November 19, 2004)


== Einzelnachweise ==
[[ja:&#26032;&#19977;&#31278;&#28151;&#21512;&#12527;&#12463;&#12481;&#12531;]]
<references />
[[fi:MPR-rokote]]
[[zh:麻腮风三联疫苗]]
[[en:MMR_vaccine]]
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Aktuelle Version vom 5. Dezember 2024, 12:52 Uhr

Der MMR-Impfstoff ist eine Mischung von in ihrer Virulenz abgeschwächten Viren, die per Injektion zur Immunisierung gegen Masern, Mumps und Röteln eingesetzt wird. Geimpft werden im deutschsprachigen Raum generell Kinder im Alter von etwa einem Jahr, mit einer Zweitimpfung im zweiten Lebensjahr. Bei Einhaltung dieses Impfschemas ergibt sich ein Schutz von über 99 % gegen diese Infektionskrankheiten.[1] Seit 2010 ist die Impfung in Deutschland auch für nach 1970 geborene Erwachsene empfohlen, die als Kind nicht oder nur einmal geimpft wurden.[2] Seit Einführung der frühesten Versionen in den 1970er Jahren wurden bis 2001 mehr als 500 Millionen Dosen in über 100 Ländern verwendet.[3] Wie bei allen Impfstoffen unterliegen Langzeitwirkungen, Nebenwirkungen und Wirksamkeit kontinuierlicher Forschung.

Seit 2006 steht in Deutschland ein Kombinationsimpfstoff zur Verfügung, der zusätzlich eine Impfkomponente gegen Windpocken (Varizellen) beinhaltet,[4] die mittlerweile von der ständigen Impfkommission empfohlen wird. Diese Präparate werden dann als MMRV-Impfstoff bezeichnet.

Die Zahl der Masernerkrankungen fiel stark nach Einführung der Impfung (Datensatz USA)

Masern, Mumps und Röteln sind hochgradig infektiöse Krankheiten. Vor dem umfassenden Einsatz von Impfstoffen gegen diese Krankheiten waren sie so verbreitet, dass nahezu jeder sich mit diesen Krankheiten üblicherweise schon im Kindesalter angesteckt hatte. Somit gehörten diese Infektionskrankheiten zu den Kinderkrankheiten, obwohl bei fehlender Immunisierung auch Erwachsene infiziert werden. Der Begriff Kinderkrankheit suggeriert eine gewisse Harmlosigkeit, aber diese Erkrankungen können mit ernsthaften, auch tödlichen Komplikationen einhergehen. Bei Masern treten bei 20 % bis 30 % der Erkrankten Komplikationen auf, darunter Lungenentzündung und Enzephalitis. Die Sterberate infolge dieser Komplikationen liegt nach verschiedenen Literaturangaben zwischen 1:10.000[5] und 2:1000[1] (0,01 - 0,2 %) aller Masern-Erkrankten in Industrieländern, in Entwicklungsländern kann sie auf 25 % steigen.

Mumps ist eine weitere, einstmals typische Viruserkrankung von Kindern. Eine bekannte, aber eher seltene Komplikation ist die Sterilität von Männern sowie ein- oder beidseitige Hörverluste, die in der Regel bleibend sind. Röteln waren ebenfalls vor Aufbau der weitreichenden Impfprogramme eine verbreitete Krankheit.

Das Hauptrisiko der Röteln ist die Übertragung von Schwangeren auf ihre Kinder, was schwerwiegende Behinderungen zur Folge haben kann (Rötelnembryofetopathie).

Durch die Impfstoffe ist die Anzahl der Erkrankungen signifikant zurückgegangen. Aufgrund der Impfung ist das Auftreten dieser Infektionskrankheiten in Ländern mit systematischen Impfprogrammen heute auf unter ein Prozent der Bevölkerung gefallen. Die Masern gelten heute sogar auf dem ganzen Kontinent Amerika und in Skandinavien als ausgerottet. Die WHO hat auch für die Region Europa das Ziel der Eliminierung von Masern und Röteln bis zum Jahr 2010 formuliert. Hierfür ist eine Durchimpfungsrate von mindestens 95 % der Bevölkerung erforderlich. Wird dieser Wert nicht erreicht, kommt es immer wieder zu Ausbrüchen und Epidemien, so geschehen in den Jahren 2005 und 2006 mit den Masern in einigen Regionen Deutschlands.[6] Studien über die Auswirkungen der Impfprogramme zeigen weiterhin eine drastische Reduzierung der durch Masern induzierten Sterblichkeitsrate, wie zum Beispiel in Afrika.[7][8]

Anwendung und Wirkung des MMR-Impfstoffs

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Der MMR-Impfstoff ist ein Lebendimpfstoff und eine Mischung aus einem Mumpsimpfstoff, einem Masernimpfstoff und einem Rötelnimpfstoff. Er wurde ursprünglich als Einzelimpfung gegen alle drei Krankheiten entwickelt. In Deutschland fand die Rötelnimpfung als letzte Komponente in Form der MMR-Impfung ab dem 15. Lebensmonat erstmals 1984[9] im Impfkalender Einzug. 1991[10] wurde dann die zweimalige MMR-Impfung im Impfkalender durch die STIKO vorgestellt (2. Gabe ab dem 6. Lebensjahr), ab 2001[11] soll die MMR-Erstimpfung schließlich zwischen dem 11.–14. Monat, die Zweitimpfung im 15.–23. Monat erfolgen. Steht bei einem Kind die Aufnahme in eine Kindereinrichtung an, kann die MMR-Impfung auch vor dem zwölften Lebensmonat, jedoch nicht vor dem neunten Lebensmonat erfolgen, da im ersten Lebensjahr im Blut des Säuglings noch vorhandene mütterliche Antikörper die Impfviren neutralisieren können.

Der MMR-Impfstoff wird von ausgebildetem Personal intramuskulär oder subkutan injiziert und verursacht in der Regel eine nicht wahrgenommene, nicht übertragbare Infektion mit Masern, Mumps und Röteln. Das Immunsystem des Menschen bildet bei 95–98 % der Geimpften Antikörper gegen die entsprechenden Krankheiten. Ungefähr 2–5 % der Kinder, die nur eine Impfdosis von MMR erhalten, bilden keine Antikörper („Non-Responder“ bzw. Impfversager). Ursache für das Versagen der Impfung können falsch gelagerter Impfstoff, passive Antikörper von der Mutter des Kindes oder Immunsystemschwäche sein. Aus diesem Grund sollte mit einer zweiten MMR-Impfung die Impflücke geschlossen werden. Bei der zweiten Impfung handelt es sich also nicht um eine Auffrischimpfung, sondern um eine Zweitimpfung (zweiter Versuch) für die primären Impfversager. Nach einer zweifachen MMR-Impfung entwickeln laut Studien über 99 % eine Immunität gegen diese Infektionskrankheiten. Diese Immunität gilt als sehr lange andauernd, sehr wahrscheinlich ein Leben lang, ohne dass eine Auffrischung benötigt wird. So konnte bei Personen, die gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft wurden, gezeigt werden, dass diese weitestgehend auch nach 20 Jahren ausreichend hohen Antikörpertiter besitzen.[12]

Zudem empfiehlt die STIKO eine Impfung für alle nach 1970 geborenen Erwachsene in gewissen Tätigkeitsbereichen, wie beispielsweise in medizinischen Einrichtungen gemäß § 23 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) oder Einrichtungen der Pflege nach § 71 des Sozialgesetzbuches (SGB XI).[13] Frauen sollten für jede der drei Impfstoffkomponenten (M–M–R) eine zweimalige Impfung aufweisen, bei Männern reicht zum Schutz gegen Röteln eine einmalige Impfung aus.

Nach dem Erreichen einer Durchimpfungsrate der Bevölkerung von 95 % können die endemischen Viren von Masern und Röteln nicht mehr zirkulieren, das heißt, der Übertragungs- und Vermehrungszyklus (Infektkette) der Viren wird unterbrochen. Hieraus ergibt sich die sogenannte „Herdenimmunität“: Auch Personen, die keine Immunität besitzen (Kinder unter einem Jahr sowie immunsupprimierte und aus anderen Gründen ungeimpfte Personen), können ebenfalls nicht mehr mit diesen Krankheitserregern angesteckt werden. Diese angestrebte Herdenimmunität wird jedoch immer wieder durch Impfmüdigkeit und Impfgegner bedroht.

Im März 2006 zog Chiron den MMR-Impfstoff Morupar aufgrund von höheren Nebenwirkungsraten im Vergleich mit anderen MMR-Impfstoffen zurück.

Da es sich bei den MMR-Impfstoffen um Produkte handelt, die funktionsfähige, in ihrer Virulenz aber abgeschwächte Viren enthalten, sind Adjuvanzien, die zu einer unspezifischen Verstärkung der Immunantwort führen, nicht notwendig.

Gegenüberstellung der Komplikationen von Erkrankung und nach Impfung von Masern, Mumps und Röteln (MMR). (Adaptiert nach [14] und [15])
Symptom/Erkrankung  Komplikationsrate  
bei Erkrankung 
Komplikationsrate
nach Impfung 
Masern MMR
Exanthem 98 % 5 %, abgeschwächt
Fieber    98 %, meist hoch 3 % bis 5 %, sehr selten hoch
Fieberkrämpfe 7 bis 8 % ≤ 1 %
Verminderung der Blutplättchen 1/3000 1/30.000 bis 1/50.000
Enzephalitis 1/1000 bis 1/10.000 0[16]
Letalität 1/500 bis 3/1000 0
Mumps MMR
Entzündung der Ohrspeicheldrüse 98 % 0,5 %
Entzündung der Bauchspeicheldrüse 2 % bis 5 % 0,5 %
Hodenentzündung bei Jugendlichen  
und erwachsenen Männern
20 bis 50 % 1/1.000.000
Meningitis ≈ 15 % 1/1.000.000
Taubheit 1/20.000 0
Röteln MMR
Gelenkbeschwerden
bei Frauen
40 % bis 70 %, anhaltend 1/10.000, meist
kurz und schwach
Enzephalitis 1/6000 0
Verminderung der Blutplättchen 1/3000 1/30.000 bis 1/50.000
Rötelnembryopathie bei
Infektion in der Schwangerschaft
> 60 % 0

Als Nebenwirkung können wie bei allen Impfungen lokale Impfreaktionen wie Rötung, Schmerzen und Schwellungen an der Injektionsstelle vorkommen und sind als harmlose Nebenwirkungen zu betrachten. Diese Reaktionen sind größtenteils auf die Injektion zurückzuführen, nicht auf den Wirkstoff MMR selber. Als seltene Nebenwirkung kann auch eine allergische Reaktion gegen Inhaltsstoffe des Serums auftreten, beispielsweise eine Allergie gegen Neomycin. Weiterhin wurde in Zwillingsstudien mit dem MMR-Impfstoff festgestellt, dass 15–20 % aller Patienten im Alter von 14 bis 18 Monaten – unabhängig, ob MMR oder Placebo eingesetzt wurde – 7 bis 9 Tage nach Impfung Atemwegserkrankungen (Schnupfen, o. ä.) entwickeln.[17] Es wird vermutet, dass diese Kinder zu einem Zeitpunkt geimpft werden, an dem sie keine Erkrankung aufweisen, und ca. eine Woche nach der Injektion entsprechende übliche zyklische Erkrankungen in diesem Alter einsetzen, die aber eben in keinem Zusammenhang zum MMR-Wirkstoff stehen.

Da es sich bei der MMR-Impfung um eine Impfung mit einem abgeschwächten Lebendimpfstoff handelt, können jedoch in bis zu 5 % der Fälle ca. 10 Tage nach der Impfung abgeschwächte Symptome der drei Infektionskrankheiten entstehen (insbesondere nichtinfektiöse[18] Impfmasern): Ausschlag oder leichtes Fieber für wenige Tage, gelegentlich von einer leichten Schwellung der Speicheldrüsen und Anschwellen oder Schmerzen der Gelenke begleitet. Diese Impfsymptome sind üblicherweise leichter und dauern deutlich kürzer, die gefürchteten Komplikationen der Infektionen treten nicht auf. Obschon also bekannte Nebeneffekte existieren, überwiegen die Vorteile gegenüber einer „natürlichen“ Infektion bei Weitem.[1]

Seit dem 1. Januar 2001 gilt für Ärzte in Deutschland die im Infektionsschutzgesetz (IfSG) verankerte „Meldeverpflichtung eines Verdachtes einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung“.[19]

Nach § 6 Abs. 1, Nr. 3 des IfSG besteht eine Meldepflicht für Ärzte und Heilpraktiker an das Gesundheitsamt, wenn nach einer Impfung auftretende Symptome, die über eine Impfreaktion hinausgehen, in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung stehen könnten. Es handelt sich um Fälle, die zunächst im Verdacht stehen, kausal etwas mit der Impfung zu tun zu haben – das bedeutet „also nicht ohne Weiteres, dass ein ursächlicher Zusammenhang existiert“.[20] Das jeweilige Gesundheitsamt gibt seinerseits die Meldung in einer pseudonymisierten Form an die zuständige Landesoberbehörde sowie dem Paul-Ehrlich-Institut weiter.[21] Dieses Meldesystem ist ein sogenanntes Spontanerfassungssystem, um frühzeitig Risikosignale von Impfnebenwirkungen zu erkennen, die bei der Zulassung nicht erfasst wurden.

Sicherheitsbedenken gegen weitere MMR-Impfung(en) bei bestehender Immunität gegen eine der Komponenten („Überimpfen“) sind nicht bekannt.[13]

Kontroversen um MMR

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Einzelne Impfstoffe werden in Literatur und Presse immer wieder in den Zusammenhang mit diversen, meist komplexen Krankheiten (z. B. Autismus, Allergie, Diabetes) gebracht. Auch wenn im Falle des MMR-Impfstoffes zahlreiche Studien den Einsatz als medizinisch sehr wirksam bewerten,[16] war der Impfstoff aber auch Gegenstand kontroverser Diskussion.

Das Spektrum der Kritik am MMR-Impfstoff reicht, wie in der Impfkritik allgemein, von spezifischen Themen über den Zeitpunkt, die Impfstrategie, ihre Wirksamkeit, Sicherheit und die Nebenwirkungen von Impfungen im Allgemeinen bis hin zur grundsätzlichen Impfkritik.

Grundsätzliche Impfkritik

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Insbesondere die grundsätzliche Impfgegnerschaft ist nicht homogen und wird zum Teil durch religiöse, alternativmedizinische (Homöopathie, anthroposophische Medizin u. a.) oder esoterische Hintergründe begleitet.[22] Angst vor Impfschäden, Misstrauen gegenüber staatlichen Einrichtungen, gegenüber der Pharmaindustrie und evidenzbasierter Medizin, Unwissen und Unsicherheit können zu solchen Ansichten beitragen.[23]

Entsprechend finden sich auch kritische Berichte über den MMR-Impfstoff oder am Prinzip des Impfens gegen Masern, Mumps und Röteln selbst meistens in entsprechenden Foren im Internet und auch in impfkritischen Büchern, die teilweise auch von organisierten Gruppen verbreitet werden.[24] Dabei kommt es regelmäßig zur Kontroverse darüber, ob die Impfkritik hinsichtlich des angeführten Standes der Forschungsergebnisse oder behaupteter kausaler Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge valide sei.[22]

Kontroversen zur Wirksamkeit

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In der Kontroverse um den MMR-Impfstoff wurde von Kritikern angeführt, dass dieser wirkungslos sei, da Geimpfte und Ungeimpfte fast zu gleichen Teilen oder gar mehr Geimpfte erkranken würden und allein die Verbesserung der Hygiene und des Lebensstandards zum Rückgang dieser Infektionskrankheiten geführt habe. Ohne Frage haben die Verbesserung der Hygiene und des Lebensstandards die Kindersterblichkeit gesenkt, aber die direkte Wirkung der Impfungen gegen Masern, Mumps und Röteln kann durch epidemiologische Daten belegt werden: Die Erkrankungszahlen bei allen drei Infektionskrankheiten brachen kurz nach Einführung der Impfungen ein. Beispielsweise wurden vor der Einführung der Masernimpfung in den USA im Jahr 1963 ungefähr 500.000 jährliche Masernerkrankungen mit 500 Toten erfasst (geschätzt wurden 3–4 Mio.). Wenige Jahre nach der Einführung wurde ein Rückgang der Erkrankungen um 98 % registriert. Heute gelten die USA zusammen mit dem ganzen Kontinent Amerika als Masern-frei.[1][25]

Die Wirksamkeit der MMR-Impfung selber ist bestens belegt, sie hat bezüglich der Masern-Komponente eine für Medikamente außerordentlich hohe Erfolgsquote von 95 % (nach erster Dosis) bzw. 96 % (nach zweiter Dosis).[16] Für die Impfversagerquote von 5 % nach der ersten Impfung gibt es verschiedene Gründe, die im Abschnitt Wirkung aufgeführt sind. Die betroffenen Personen sind ungeschützt und können in der Folge auch erkranken. Wenn in einer Beispielpopulation von 1000 Personen 900 einmal gegen Masern geimpft wurden, ist daher zu erwarten, dass 45 der geimpften Personen dennoch erkranken – ebenso wie alle 100 ungeimpften Personen, denn die Infektiosität der Masern liegt bei nahezu 100 %. (Tatsächlich waren bei den jüngsten Masern-Epidemien in Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen 80–90 % der Erkrankten ungeimpft, die weiteren waren nur einmal MMR-geimpft worden.[6]) Bei besserer Durchimpfung ändert sich das Verhältnis zwischen Geimpften und Ungeimpften: Sind 980 Personen einmal geimpft worden, so sind aus dieser Gruppe sogar 49 erkrankte Personen zu erwarten, außerdem erkranken wieder die 20 Ungeimpften. Nun erkranken sogar mehr als doppelt so viele Geimpfte wie Ungeimpfte. Dies ist aber kein Beleg für die Unwirksamkeit der Impfung, vielmehr wurden 931 Personen vor Erkrankung geschützt. Um die Impfversagerquote zu senken, gibt es die Wiederholungsimpfung.

Die Wirksamkeit der Mumps-Komponente beträgt 72 % (nach erster Dosis) bzw. 86 % (nach zweiter Dosis) für den Jeryl Lynn-Stamm, gegenüber Röteln beträgt sie 89 %.[16] Die Wirksamkeit einer enthaltenen Varizella-Komponente (MMRV-Impfstoff) beträgt 95 %.[16]

Bei Komplikationen durch Masern, Mumps oder Röteln wurde von Kritikern auch der Vorwurf aufgeworfen, dass erst die MMR-Impfung aus einstmals harmlosen Kinderkrankheiten Erkrankungen mit schwerwiegenden Komplikationen gemacht habe. Begründet wird dies damit, dass durch die zunehmende Impfquote eine Person erst später im Leben infiziert wird und die Komplikationen dieser Krankheiten im höheren Alter zunehmen sollen. Im Zusammenhang von Komplikationen dieser Krankheiten in schlechter durchimpften Entwicklungsländern wird Mangelernährung oder entsprechende Vorschädigung für diese verantwortlich gemacht. Die Gefahr von Infektionskrankheiten wird heutzutage als harmloser wahrgenommen. Historische Berichte von Ärzten belegen jedoch, dass auch früher das Gefahrenpotential vorhanden war – in der Vorimpfära war die Masernsterblichkeit bei Säuglingen am höchsten. Gleichzeitig zeigen epidemiologische Arbeiten aus den USA keinen Unterschied bei der Sterblichkeitsrate von Masernerkrankten vor und nach der Einführung der Masernimpfung.[25] In der Tat scheint sich in Ländern mit höherer Durchimpfung das Erkrankungsalter zu verschieben. Andererseits sinkt auch aufgrund von steigenden Impfquoten die Anzahl der gemeldeten Erkrankungen. Aus diesem Grund nehmen zwar die Komplikationsraten von bestimmten Altersgruppen proportional zu, die absolute Zahl der Erkrankungen inklusive Komplikationen hat aber dramatisch abgenommen.[16] Und auch in Entwicklungsländern mit schlechterer Durchimpfung zeigt sich – zumindest bei Masern – kein Zusammenhang zwischen Ernährungsstatus und Krankheitsverlauf.[26] Es scheint jedoch so, als ob die Schwere des Krankheitsverlaufs von der Exposition zum Masernvirus abhängt, d. h., der primäre Verlauf in einer Familie (z. B. Kind angesteckt in der Schule) ist in der Tendenz leichter als die sekundären Erkrankungen in derselben Familie (Geschwister, die in der Folge dem Masern-Erreger stark ausgesetzt waren).

Gezeigt werden konnte jedoch, dass maternale Antikörper von Müttern, die gegen Masern „nur“ geimpft wurden, im kindlichen Immunsystem bei Neugeborenen mit geringerer Konzentration nachzuweisen sind. Mütter, die dagegen als Kind an Masern erkrankt waren, geben ihren Kindern höhere Masernantikörperspiegel mit. Haben Säuglinge mütterliche Antikörper oder Immunglobuline, kann ein asymptomatischer Verlauf oder ein symptomarmer Verlauf resultieren – die Patienten sind trotzdem infektiös.[27] Säuglinge sind also bis zum Einsetzen eines wirksamen Impfschutzes besonders von den Masern gefährdet. Aus diesem Grund wurde die Empfehlung der ersten MMR-Impfung von Kindern von ursprünglich 15 Monaten auf 12 Monate Lebensalter vorgezogen, um das Zeitfenster der Gefährdung zu minimieren. Solange die Masern jedoch nicht ausgerottet sind, ist zu beachten, dass der ungeimpfte Säugling unbedingt vor Masernkontakten zu schützen ist – in der Vorimpfära war die Masernsterblichkeit bei Säuglingen am höchsten. Der effektivste Schutz von Neugeborenen kann nur durch Herdenimmunität erreicht werden, d. h. die Bevölkerung hat eine so hohe Durchimpfungsrate erreicht, dass Viren nicht mehr endemisch übertragen werden und auch ungeimpfte geschützt sind.

Kontroversen um die Auslösung von Krankheiten

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Unterschiedliche Krankheiten wurden dem MMR-Impfstoff angelastet. In der Kontroverse war MMR unter anderem als Ursache von Allergien und Asthma. Inzwischen ist eindeutig geklärt, dass Impfungen keine Allergien auslösen.[28][29][30] Dazu passt, dass in der DDR eine Impfpflicht bestand und dennoch Allergien selten waren. Eine größere Studie in ganz Deutschland ergab sogar eine geringere Anfälligkeit für Allergien bei geimpften Kindern.[31] Der MMR-Impfstoff war auch als Auslöser von Diabetes mellitus Typ 1, einer Autoimmunerkrankung, in der Diskussion. Auch diese Hypothese konnte in zahlreichen Studien entkräftet werden.[32][33][16] Für die Auslösung einer Enzephalitis nach der MMR-Impfung gibt es ebenfalls keine Anhaltspunkte.[16] Größere Kontroversen, die auf eine bestimmte Publikation zurückzuführen waren, betrafen auch den Zusammenhang mit Autismus. Dieser Fall wird im nächsten Abschnitt tiefer erörtert, der Zusammenhang gilt inzwischen ebenfalls als sehr unwahrscheinlich.

Auch eine besondere Komplikation nach natürlicher Maserninfektion, die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE), wurde als Nebenwirkung des MMR-Impfstoffs diskutiert. SSPE verursacht eine generalisierte Entzündung des Gehirns, die teilweise erst Jahre nach der eigentlichen Maserninfektion schwerste Schäden nach sich zieht und in jedem Falle tödlich endet. Durch eine bessere Überwachung der Masernerkrankung wird deutlich, dass die SSPE offensichtlich sehr viel häufiger auftritt als bisher angenommen und hierbei besonders Säuglinge gefährdet sind. Die Häufigkeit der SSPE ist durch die Masernimpfung deutlich reduziert worden, dennoch wurde behauptet, dass auch das Masern-Impfvirus diese Erkrankung auslösen würde. Bei genaueren Untersuchungen von SSPE-Opfern fand man im ZNS jedoch regelmäßig nur Wildviren, so dass heute eine SSPE-Erkrankung durch MMR-Impfstoff ausgeschlossen wird.[34]

Der im Abschnitt Nebenwirkung aufgeführte seltene Ausbruch der Krankheit(en), gegen die geimpft wurde, wird ebenfalls von Impfgegnern als gefährliche Nebenwirkung aufgeführt. Unterschlagen wird dabei, dass hier dieselben Symptome wie bei der „natürlichen“ Krankheit in abgeschwächter Form und seltener auftreten,[14] beispielsweise Fieber oder geschwollene Speicheldrüsen. Fieber kann bei neurologisch anfälligen Kindern der Auslöser für Fieberkrämpfe oder gar Epilepsie sein. Die Ursache des Fiebers ist dabei nicht von Bedeutung, wird aber von Impfgegnern ebenfalls dem MMR-Impfstoff angelastet. Der MMR-Impfstoff ist hier aber nicht die Ursache, sondern allenfalls ein Auslöser von Veranlagungen. Anfällige Kinder sollten aber dennoch geimpft werden, da so starke Fieberschübe durch die Infektionskrankheiten selbst vermieden werden.

Impfgegner mit unzureichendem Fachwissen führen als krankheitsverursachend bisweilen auch andere angebliche Bestandteile im Impfstoff an, wie Thiomersal oder Aluminiumhydroxid. Beides war jedoch nie im MMR(V)-Impfstoff enthalten.

Im Rahmen all dieser Kontroversen zur Auslösung von Erkrankungen durch den MMR-Impfstoff wurden während der 1980er und 1990er Jahre in den USA eine Reihe von Prozessen gegen Hersteller von Impfstoffen angestrengt, in denen diese beschuldigt wurden, mit ihren Produkten diverse körperliche und kognitive Erkrankungen bei Kindern verursacht zu haben. Obschon ergebnislos, führten diese Prozesse zu einer drastischen Verteuerung des Impfstoffs, da die Pharmakonzerne über Lobby-Arbeit gesetzliche Sicherheit durchsetzen wollten. 1993 war MSD Sharp & Dohme der einzige Konzern, der bereit war, MMR-Impfstoffe in den USA oder Großbritannien zu verkaufen. Zwei weitere Impfstoffe wurden 1992 in Großbritannien und 1993 in Japan zurückgezogen, da aufgrund des verwendeten Mumps-Stamms Sicherheitsbedenken entstanden.

Im September 1995 gewährte das britische Legal Aid Board einer Reihe von Familien finanzielle Unterstützung zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche gegen die staatlichen Gesundheitsbehörden und die Hersteller des Impfstoffs. Die Familien behaupteten, dass ihre Kinder infolge der MMR-Impfung starben oder schwerwiegend erkrankten. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden diese Fälle als hoffnungslos erkannt und die Beihilfe beendet.[35] Eine Interessengruppe namens JABS (Justice, Awareness, Basic Support) gründete sich, um „impfgeschädigte“ Kinder zu repräsentieren.

Der Fall Wakefield

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Die 1998er Lancet-Veröffentlichung

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Im Februar 1998 veröffentlichte eine Gruppe um Andrew Wakefield einen Bericht mit dem Titel Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, non-specific colitis, and pervasive developmental disorder in children ("Lymphatische Hyperplasie, unspezifische Kolitis und tiefgreifende Entwicklungsstörung bei Kindern") in der angesehenen medizinischen Fachzeitschrift The Lancet.[36] Der Bericht analysierte die Fälle von zwölf autistischen Kindern, die 1996–1997 im Royal Free Hospital im Norden Londons behandelt wurden. Beschrieben wurden den Darm betreffende Symptome, die gemäß Wakefield der Beweis eines vollständig neuen Syndroms waren. Dieses bezeichnete er später als „autistische Enterocolitis“. Wakefield empfahl eine nähere Untersuchung von möglichen Ursachen in der Umwelt der Kinder, unter anderem des MMR-Impfstoffes. In der Arbeit werden Verbindungen zwischen Magen-Darm-Symptomen und Entwicklungsstörungen dieser Kinder vermutet, die mit der MMR-Impfung zusammenhängen sollten. Ein kausaler Zusammenhang bestand indes nicht. In einer Pressekonferenz vor Veröffentlichung der Arbeit gab Wakefield jedoch an, er würde es für sinnvoll halten, bis zur Klärung Einzelimpfstoffe statt des Dreifach-MMR-Impfstoffes zu nutzen. Weiterhin gab er an, dass acht der zwölf Eltern die Impfung für eine wahrscheinliche Ursache hielten, da Impfung und Beginn der Symptome nur Tage auseinander lagen. Er erklärte, die weitere Verwendung des Kombinationsimpfstoffs ohne detaillierte Prüfung der Sachlage nicht mehr unterstützen zu können. In einer vorher für das Fernsehen erstellten Videoaufzeichnung forderte er, die Nutzung von MMR zugunsten der Einzelimpfstoffe auszusetzen.[37]

Die folgende Kontroverse

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Bericht, Pressekonferenz und Video verunsicherten die britische Bevölkerung. Die folgende Debatte wurde polarisiert, wobei beide Seiten Wakefields Forschung argumentativ nutzten. Er wurde öffentlich angegriffen, seine Kritiker bezweifelten sowohl die Korrektheit als auch die Ethik seiner Forschungen. Die Regierung und die medizinischen Ämter, wie der National Health Service (NHS), betonten, ausführliche epidemiologische Daten würden keinerlei Zusammenhang zwischen den MMR-Impfungen und Entwicklungsstörungen aufzeigen. Manche Eltern weigerten sich, diesen Dementis Glauben zu schenken, da bereits zuvor staatliche Angaben zur Sicherheit diskreditiert wurden, wie im Falle des BSE-Skandals. Die Regierung wurde beschuldigt, die höheren Kosten der Einzelimpfungen seien der Grund für deren Ablehnung. Als Ergebnis brach die Impfung mit MMR von 92 % (1996) auf 84 % (2002) ein. Für Teile Londons wurde vermutet, dass nur noch 60 % der Impfungen mit MMR durchgeführt wurden, was drastisch unterhalb des für Herdenimmunität von Masern notwendigen Schwellenwerts liegt. Auch wenn bisher keine Masern-Epidemie auftrat, haben Ärzte aufgrund der ansteigenden Zahl von Infektionen bereits vor einer solchen gewarnt.

Ein Faktor der Kontroverse ist, dass nur der Kombinationsimpfstoff über den NHS verfügbar ist. Eltern, die diesen Impfstoff ablehnen, haben so nur die Wahl, entweder die separaten Impfungen privat vornehmen zu lassen oder aber ihre Kinder gar nicht zu impfen. Der damalige Premierminister Tony Blair hatte den MMR-Impfstoff zwar öffentlich verteidigt, gab jedoch keine Auskunft darüber, welche Impfung sein Sohn Leo bekam.

Die Mehrheit der Ärzte bevorzugt den Kombinationsimpfstoff, da er weniger belastend für das Kind ist und Eltern eher eine als drei Impfungen vornehmen lassen.

Epidemiologische Forschung an hunderttausenden Kindern in zahlreichen Studien zeigt weiterhin keine Verbindung zwischen MMR-Impfung und Autismus. Kritiker dieser Studien, wie der im Ruhestand lebende Kliniker John Walker-Smith, obwohl ein Unterstützer des Dreifachimpfstoffs, bezeichneten die Epidemiologie als „stumpfes Werkzeug“, die derartige Kausalzusammenhänge nicht notwendigerweise aufzeigt.[38] So ist es beispielsweise schwierig, zwei Populationen hinreichender Größe zu finden, die sich nur durch die Impfung unterscheiden.

Wakefield gab seinen Job im Royal Free Hospital 2001 auf und wanderte in die USA aus.[39] Dort arbeitete er für eine umstrittene Privatklinik bis Februar 2010. Seine fortgesetzten Studien beinhalten die Arbeit an möglichen immunologischen, metabolischen und pathologischen Veränderungen durch die „autistische Enterocolitis“ sowie Verbindungen zwischen Darmerkrankungen und neurologischen Störungen bei Kindern und den möglichen Zusammenhang zwischen diesen Störungen und Einflüssen wie Impfstoffen.

Vorwurf eines Interessenskonfliktes

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Im Februar 2004 deckte der Journalist Brian Deer auf, dass Wakefield zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Lancet-Berichtes 55.000 £ an Drittmitteln von Anwälten erhielt, die zwischen Autismus und dem MMR-Impfstoff Verbindungen suchten.[40] Gemäß dem Artikel in der Sunday Times waren einige der zitierten Eltern an Prozessen gegen Hersteller des MMR-Impfstoffes beteiligt. Obwohl Wakefield angab, die Drittmittel seien von Anfang an veröffentlicht worden, wurde bemängelt, dass diese weder dem Lancet noch den Co-Forschern bekannt gemacht wurden. Am 20. Februar 2004 bezeichnete der Lancet Wakefields Studie aufgrund eines „fatalen Interessenskonfliktes“ als „fehlerhaft“ und gab an, dass diese niemals hätte veröffentlicht werden dürfen. Mehrere von Wakefields Co-Forschern bemängelten ebenfalls deutlich die fehlenden Angaben zu den Drittmitteln.[41] Das General Medical Council, das in Großbritannien für die Vergabe von Lizenzen für Ärzte und die Überwachung der medizinischen Ethik zuständig ist, nahm Ermittlungen auf.[42]

Rückzug des Lancet-Berichts

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Infolge des Artikels von Brian Deer traten zehn der dreizehn Autoren des Berichtes formal von der Behauptung zurück, eine Verbindung zwischen Autismus und MMR gefunden zu haben.[43] Deer setzte seine Ermittlung in einer Dokumentation des britischen Fernsehens MMR: What They Didn’t Tell You fort, die am 18. November 2004 ausgestrahlt wurde. Hierin wurde nachgewiesen, dass Wakefield die Patente für ein Konkurrenzprodukt zu MMR besitzt. Zudem widerlegten die Testergebnisse seines eigenen Labors seine Behauptungen.[44]

Anwälte der Impfgegner zahlten 3,5 Millionen £

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Weitere Nachforschungen der englischen Zeitung Sunday Times ergaben, dass im Vorfeld der Publikation Wakefield und weitere Protagonisten bis zu 3,5 Millionen britische Pfund von einer Anwaltskanzlei erhalten haben, welche die Eltern autistischer Kinder vertrat. Andrew Wakefield selber erhielt eine halbe Million Pfund. Schon zwei Jahre vor dem Erscheinen des strittigen Beitrags bekam er die ersten Teilzahlungen. Weiterhin hatten fünf weitere Autoren der Publikation und ein Gutachter, der seinerzeit die Veröffentlichung für The Lancet prüfte, persönliche Zahlungen von der Anwaltskanzlei erhalten.[45]

Neuere Studien zum Thema Autismus

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Epidemiologische Forschungen zeigen für die vergangenen Jahrzehnte einen Anstieg bei Autismus. Die Ursache ist unklar, vielfach wird nicht ein realer Anstieg, sondern die Verbesserung der Diagnose- und Erhebungsmethodik als Grund vermutet.[46][47] So sind die Diagnosekriterien für Autismus in den vergangenen Jahren ausgeweitet worden, und Kinder werden heute gezielter und frühzeitiger daraufhin untersucht. Ein kausaler Zusammenhang zwischen MMR und Autismus kann dagegen inzwischen als so gut wie ausgeschlossen gelten, wie die im Folgenden zitierten, im Unterschied zu Wakefields Arbeit sehr umfangreichen Studien gezeigt haben.

  • In der Folge von Wakefields Veröffentlichung folgten viele Studien,[48] die den Zusammenhang zwischen MMR und Autismus untersuchten. Im Oktober 2003 wurde eine von der Europäischen Union finanzierte Übersichtsarbeit veröffentlicht, welche die Ergebnisse aus 120 anderen Studien und Nebenwirkungen des MMR-Impfstoffs zusammenfasste und näher analysierte.[49] Die Autoren schlossen:
    • Der Impfstoff ist mit einigen positiven und einigen negativen Wirkungen assoziiert
    • Es ist 'unwahrscheinlich', dass es eine Verbindung zwischen MMR und Autismus gab, und
    • 'Das Design und der Bericht von sicherheitsrelevanten Ergebnissen in MMR-Impfstoff-Studien … sind überwiegend inadäquat.'
  • Im Januar 2005 wurde nach intensiver Forschung in einem einzelnen Landkreis (County) in Minnesota von einer Verachtfachung des Auftretens von Autismus berichtet. Der untersuchte Zeitraum umfasst die frühen 1980er Jahre und endet in den späten 1990ern. Bei der Forschung wurde kein Zusammenhang mit MMR entdeckt. Die Autoren vermuten, dass der Anstieg mit verbesserter Diagnostik der Störung und sich wandelnden Definitionen zu erklären ist.[47]
  • Im März 2005 schloss eine an 30.000 in einem Distrikt von Yokohama geborenen Kindern durchgeführte Studie, dass das Auftreten von Autismus weiterhin anstieg (von 46–86 Fällen auf 10.000 Kindern zu 97–161 auf 10.000), obwohl die Nutzung des MMR-Impfstoffs in Japan im April 1993 eingestellt wurde. Die Schlussfolgerung der Autoren lautet: „Die Bedeutung dieser Ergebnisse ist, dass MMR-Impfung höchstwahrscheinlich keine Hauptursache von ASD ist, da sich hiermit der Anstieg des Auftretens von ASD über die Zeit nicht erklären lässt und dass von einem Rückzug des MMR-Impfstoffs in denjenigen Ländern, die ihn noch verwenden, kein Rückgang im Auftreten von ASD zu erwarten ist.“[50] Wakefield behauptet indes, der Anstieg von Autismus, den die Daten belegen, würde seine Hypothese stützen.[51] Seine Ansichten fanden jedoch wenig Unterstützung.[52]
  • In einem zuletzt 2021 aktualisierten Review der Cochrane Library wurden 138 wissenschaftlichen Studien mit über 23 Millionen Probanden untersucht. Dieser schloss, dass „die Impfstoffe vom Typ MMR, MMRV und MMR+V bei Kindern zur Vorbeugung einer Infektion mit Masern, Mumps, Röteln und Windpocken wirksam sind. Es gibt keine Evidenz für ein erhöhtes Risiko für Autismus oder Hirnentzündung und ein geringes Risiko für Fieberkrämpfe.“[53] Mittlerweile bestätigen auch diese Autoren, dass das Design und der Bericht von sicherheitsrelevanten Ergebnissen in MMR(V)-Impfstoffstudien überwiegend adäquat sei.[16] Cochrane, in Oxford, England, wird von Wissenschaftlern weithin als die höchste unabhängige Prüfinstanz medizinischer Literatur angesehen.
  • Eine im Fachmagazin JAMA 2015 publizierte Studie US-amerikanischer Wissenschaftler mit 96.000 Teilnehmern kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass es keinen schädlichen Zusammenhang zwischen dem MMR-Impfstoff und dem Auftreten von Autismus gibt. In diese Langzeitstudie wurden 1.929 Kinder einbezogen, die ein älteres autistisches Geschwister haben. Diese Kinder haben ein höheres Risiko, selbst Autismus zu entwickeln. Das Ergebnis war, dass MMR-Impfungen nicht mit einem erhöhten Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen korrelieren – unabhängig davon, ob ältere Geschwister eine autistische Störung hatten/haben oder nicht.[54]
  • Die Gesundheitsdaten über 650.000 dänischen Kindern ergab, dass es unter den geimpften Kindern statistisch gesehen nicht mehr Autismus-Fälle gab als bei den ungeimpften Kindern. Damit wird das Autismus-Risiko nicht von der Impfung beeinflusst.[55] Diese Studie wurde 2019 im Fachmagazin Annals of Internal Medicine veröffentlicht.[56]

Rückzug der gefälschten Studie von The Lancet 2010

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Am 2. Februar 2010 wurde die Studie von der Fachzeitschrift The Lancet vollumfänglich zurückgezogen und aus der Liste der Veröffentlichungen entfernt.[57] Als Grund für den Rückzug nennt The Lancet die Ergebnisse einer Untersuchung der britischen Ärztekammer. Die Untersuchung kam am 28. Januar 2010 zu dem Schluss, dass Wakefield die Forschungsergebnisse in „unehrlicher“ und „unverantwortlicher“ Weise dargestellt hat, „mehrere Elemente“ seien „unrichtig“.[58][59] Laut Medienberichten ließ der Mediziner 1997 seinen alternativen, angeblich sicheren Masern-Impfstoff patentieren. Zudem wurde seine Studie von einer Anwaltskanzlei finanziell unterstützt, die eine Schadensersatzklage angeblich betroffener Eltern gegen die Impfstoffhersteller plante.[60] Im Mai 2010 wurde ein Berufsverbot in Großbritannien gegen ihn ausgesprochen.[61] Er kündigte dagegen Berufung an.

Am 7. Januar 2011 berichtete das Deutsche Ärzteblatt[62] von einer neuerlichen Arbeit des Reporters Brian Deer, in der er den Nachweis präsentiere, dass Wakefield für seine Studie Untersuchungsergebnisse bewusst gefälscht habe. So hatte Wakefield für seine 12-Personen-Studie Eltern gewählt, die bereits im Vorfeld Impfungen für den Autismus ihrer Kinder verantwortlich gemacht hatten.[63] Von den in der Studie acht berichteten Kindern, deren Autismus und Darmsymptome angeblich durch Impfungen verursacht sein soll, waren drei nie von einem regressiven Autismus betroffen, und die restlichen fünf zeigten bereits Entwicklungsauffälligkeiten vor der Impfung.[63] Schließlich äußerten sich die Symptome gemäß Krankenakten erst nach Monaten und nicht wie von Wakefield angegeben nach Tagen nach der Impfung.

Einzelnachweise

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  3. Top 10 myths about MMR. (PDF) In: NHS. August 2003, abgerufen am 21. Oktober 2021 (englisch).
  4. Priorix-Tetra: Vierfachvakzine erhöht Durchimpfungs-Chance, Deutsches Ärzteblatt 103(51-52), 2006, S. A-3502
  5. Masern. Stand 02/2015
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