„Heliozentrisches Weltbild“ – Versionsunterschied
[ungesichtete Version] | [gesichtete Version] |
formulierung |
→Einleitung: Darstellung geglättet |
||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
[[ |
[[Datei:Geoz wb de.svg|mini|Schematischer Vergleich: Geozentrisches (a) und heliozentrisches Weltbild (b) |
||
{| |
|||
| style="width:150px; vertical-align:top"| |
|||
{{Farblegende|#0000ff|Erde}} |
|||
{{Farblegende|#b3b3b3|Mond}} |
|||
{{Farblegende|#e800e8|Merkur}} |
|||
{{Farblegende|#fe7d00|Venus}} |
|||
| style="width:150px; vertical-align:top"| |
|||
{{Farblegende|#f4f400|Sonne}} |
|||
{{Farblegende|#ff0000|Mars}} |
|||
{{Farblegende|#00e100|Jupiter}} |
|||
{{Farblegende|#00ebeb|Saturn}} |
|||
|} |
|||
]] |
|||
Das '''heliozentrische Weltbild''' ({{grcS|ἥλιος|helios|variant=alt|de=Sonne}} und {{lang|grc|κέντρον}} ''kentron'' Zentrum), auch '''kopernikanisches Weltbild''' genannt, ist ein [[Weltbild]], in dem die [[Sonne]] als das ruhende Zentrum des Universums gilt. Die [[Planet]]en einschließlich der [[Erde]] bewegen sich um das Zentrum herum, während die [[Fixstern]]e an einer ruhenden äußeren Kugelschale angeheftet sein sollen. Dabei dreht die Erde sich täglich einmal um sich selbst und der [[Mond]] bewegt sich ungefähr jeden Monat einmal um die Erde. |
|||
Das '''heliozentrische Weltbild''' basiert auf der Annahme, dass sich die [[Planet]]en um die Sonne bewegen. Es steht im Gegensatz zum älteren [[Geozentrisches Weltbild|geozentrischen Weltbild]], in dem die [[Erde]] als Zentrum des [[Universum]]s betrachtet wird. Das Wort selbst wird aus dem [[Griechische Sprache|Griechischen]] abgeleitet: ''helios'' = Sonne, ''kentron'' = Mittelpunkt. |
|||
In seinen Anfängen geht das heliozentrische Weltbild auf die griechischen Astronomen [[Aristarchos von Samos]] und [[Seleukos von Seleukia]] zurück. [[Archimedes]] verwendete es in seinem Werk ''[[Der Sandrechner]]'' für die Abschätzung der Anzahl der Sandkörner im Universum. Erst im 16. Jahrhundert wurde es von [[Nikolaus Kopernikus]] detailliert ausgearbeitet. [[Johannes Kepler]] und dann vor allem [[Isaac Newton]] verbesserten es im 17. Jahrhundert entscheidend im Sinne wesentlich genauerer Vorhersagen der Planetenpositionen am Himmel. |
|||
Als das geozentrische und später das heliozentrische Weltbild entwickelt wurden, handelte es sich dabeí um Versuche, den Aufbau des damals bekannten Universums zu beschreiben. Die Erkenntnis, dass das [[Sonnensystem]] nur einen winzigen Teil des gesamten Universums darstellt, setzte sich erst ab dem 18. Jahrhundert durch. |
|||
Damit setzte es sich gegen das seit der Antike vorherrschende [[Geozentrisches Weltbild|geozentrische Weltbild]] durch, in dem die Erde kein bewegter Planet ist, sondern ruht und das unbewegte Zentrum darstellt, um das herum sich Sonne, Mond, Planeten und Fixsterne bewegen. Dieses entspricht zwar der unmittelbaren Wahrnehmung der Bewegungen der Gestirne, macht aber die Erklärung der kleinen, schon im Altertum beobachteten Unregelmäßigkeiten außerordentlich kompliziert und ist auch seit dem 18. Jahrhundert durch direkte Messungen widerlegt. |
|||
== Entwicklung des heliozentrischen Weltbildes == |
|||
[[Bild:Heliocentric.jpg|thumb|1708: Heliozentrisches Weltbild]] |
|||
Im strengen Sinn trifft die übliche Bezeichnung als ''heliozentrisches'' System nur auf den von Kepler erreichten Entwicklungsstand zu, denn bei Kopernikus (70 Jahre zuvor) kreisten die Planeten und sogar auch die Sonne selbst noch um einen gedachten Punkt etwas außerhalb der Sonne, genannt die „mittlere Sonne“, und bei Newton 60 Jahre danach schon um das meist [[Baryzentrum]] des Sonnensystems, das bei bestimmter Position von Jupiter und Saturn auch außerhalb der Sonne liegt. Gleichzeitig reifte die moderne Vorstellung, dass das Weltall als Ganzes überhaupt keinen Mittelpunkt besitzt.<ref name="Dijksterhuis1956">{{Literatur |Autor=[[Eduard Jan Dijksterhuis]] |Titel=Die Mechanisierung des Weltbildes |Verlag=Springer |Ort=Berlin/Heidelberg/New York |Datum=1956 |ISBN=3-540-02003-9}} Dijksterhuis (IV—12) argumentiert, dass der gewöhnlich verwendete Name „heliozentrisch“ noch weniger die Natur des kopernikanischen Systems ausdrückt als der von „geozentrisch“ das System von Ptolemäus.</ref> |
|||
=== Altes Indien === |
|||
Die ältesten Nachweise der Idee, dass die [[Sonne]] den Mittelpunkt des [[Sonnensystem]]s bildet und dass es in Wirklichkeit die [[Erde]] ist, die sich bewegt, sind in einigen [[vedische Sprache|vedischen]] [[Sanskrit]]-Texten zu finden, die im alten Indien geschrieben wurden. Yajnavalkya (9.-8. Jahrhundert v. Chr.) erkannte, dass die Erde rund ist, und glaubte, die Sonne sei „die Mitte der Sphären“, wie er es im [[Veda]] zu dieser Zeit beschrieb. In seinem astronomischen Text Shatapatha Brahmana (8.7.3.10) steht: ''„Die Sonne reiht diese Welten - die Erde, die Planeten, die [[Atmosphäre]] - auf einem Gewinde.“'' Er erkannte, dass die Sonne viel größer als die Erde ist, was dieses frühe heliozentrische Konzept nachhaltig beeinflusst hat. Er maß auch die relativen Abstände der Sonne und des [[Mond]]es von der Erde: 108-mal größer als der Durchmesser dieser himmlischen Körper, ziemlich nah an den modernen Maßen von 107,6 für die Sonne und von 110,6 für den Mond. Der Kalender, den er im Shatapatha Brahmana beschrieb, entspricht einem durchschnittlichen tropischen Jahr von 365,2467 Tagen, was nur 6 Minuten länger ist als der moderne Wert von 365,2422 Tagen. |
|||
Gegenüber dem geozentrischen Weltbild ist das heliozentrische Weltbild wesentlich einfacher und ebnete doch erstmals den Weg zu einer erheblich genaueren Beschreibung und Vorhersage der Positionen von Sonne, Sternen und Planeten. Es stand aber schon bei seiner Entstehung im Konflikt mit vielen religiösen Vorstellungen von der Rolle des Menschen und seinem Ort im [[Universum]]. Dass die Erde nicht im Zentrum stehe und darüber hinaus selbst in Bewegung sei, erschien lange Zeit nicht annehmbar. So traf das heliozentrische Weltbild auch auf heftigen Widerstand seitens der [[Kirche (Organisation)|christlichen Kirchen]] (siehe z. B. [[Galileo Galilei#Galilei und die Kirche|Galileiprozess]]). Die Entstehung und Verbreitung des heliozentrischen Weltbilds sind eng verbunden mit dem Aufkommen der modernen Naturwissenschaften und werden daher auch als [[kopernikanische Wende]] bezeichnet. |
|||
Im vedischen Sanskrit Text Aitareya Brahmana (9.-8. Jahrhundert v. Chr.) steht auch: ''„Die Sonne geht weder unter, noch geht sie auf. Wenn Leute denken, die Sonne geht auf, ist es nicht so; sie irren sich.“'' Dies soll bedeuten, dass die Sonne stationär ist und folglich die Erde sich um sie bewegt. In einem neueren Kommentar Vishnu Purana (1. Jahrhundert) wird dies ebenfalls herausgearbeitet: „Die Sonne steht während aller Zeit inmitten des Tages still. Bei der Sonne, die immer an ein und demselben Platz ist, gibt es kein Auf- oder Untergehen.“ |
|||
== Vorläufer == |
|||
=== Altes Griechenland === |
|||
=== Antikes Griechenland === |
|||
Im 4. Jahrhundert v. Chr. kritisierte [[Aristoteles]] (''De Caelo'', Buch 2, Kapitel 13) die Lehre der Pythagoräer: ''„Im Zentrum, sagen sie'' (die Pythagoräer)'', ist Feuer, und die Erde ist einer der Sterne und erzeugt Nacht und Tag, indem sie sich kreisförmig um das Zentrum bewegt.“ Die Grundlage für diese Einstufung waren die klassischen vier Elemente der Philosophie statt naturwissenschaftlicher Erkenntnisse. Nach Meinung der Pythagoräer war Feuer kostbarer als Erde und sollte aus diesem Grund zentral sein. Jedoch war für sie das zentrale Feuer nicht die Sonne. Die Pythagoräer glaubten, dass die Sonne zusammen mit allen anderen Himmelskörpern das zentrale Feuer umkreise. Aristoteles verwarf diese These und befürwortete das geozentrische Weltbild. |
|||
[[Datei:Aristarchus working.jpg|mini|[[Aristarchos von Samos|Aristarch]] (3. Jahrhundert v. Chr.): Berechnungen der Größen von Erde, Sonne und Mond (Abschrift aus dem 10. Jahrhundert)]] |
|||
Nur wenig ist darüber bekannt, was im [[Antikes Griechenland|alten Griechenland]] über ein Weltbild, in dem nicht die Erde im Zentrum steht, gedacht wurde. Für die [[Pythagoreer|pythagoräische Schule]] ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. war das Feuer das wichtigste Element. So nahm etwa [[Philolaos]] (5. Jahrhundert v. Chr.) an, dass Sonne, Erde und die anderen Himmelskörper ein unter der Erde befindliches und daher unsichtbares [[Zentralfeuer]] umkreisen. [[Aristoteles]] (4. Jahrhundert v. Chr.) berichtet davon: „''Im Zentrum, sagen sie'' (die Pythagoräer)'', ist Feuer und die Erde ist einer der Sterne und erzeugt Nacht und Tag, indem sie sich kreisförmig um das Zentrum bewegt.''“<ref name="Aristoteles">Aristoteles: ''[[De Caelo]]'', Buch 2, Kapitel 13</ref> Er lehnte dieses Weltbild aber ab, gab Gründe für ein geozentrisches Weltbild an und blieb damit bis ins 17. Jahrhundert n. Chr. bestimmend. |
|||
[[Bild:Aristarchus working.jpg|thumb|right|[[Aristarchos von Samos|Aristarch]] 2. Jahrhundert v. Chr.: Berechnungen der Größen von Erde, Sonne und Mond]] |
|||
[[Aristarchos von Samos]] (3. Jahrhundert v. Chr.), von dem ein Buch mit einem geozentrischen Weltbild erhalten ist, soll auch ein Buch mit einem heliozentrischen Weltbild verfasst haben. Darin soll erstmals die Bahnbewegung der Erde als natürliche Erklärung der zeitweise rückläufigen Bewegung der Planeten erschienen sein.<ref>{{Literatur |Autor=Jeffrey O. Bennett, [[Harald Lesch]] |Titel=Astronomie: die kosmische Perspektive |Verlag=Addison-Wesley in Pearson Education Deutschland |Ort= |Datum=2010 |ISBN=978-3-8273-7360-1 |Seiten=68}}</ref> Aristarch wusste auch, dass die Sterne dann eine [[Parallaxe]] zeigen müssten. Diese wurde aber damals nicht beobachtet, was er mit der Annahme einer sehr großen Entfernung der Sterne erklärte.<ref name="vdWaerden">{{Literatur |Autor=[[Bartel Leendert van der Waerden]] |Titel=The Heliocentric System in Greek, Hindu and Persian Astronomy. |Sammelwerk=Annals of the New York Academy of Sciences |Band=500 |Nummer= |Datum=1987 |Seiten=525-545}}</ref> Aristarch schätzte auch die Größe des Mondes und den Abstand der Erde zum Mond und zur Sonne. Die Berechnungen für den Mond waren akzeptabel, bei der Sonne verschätzte er sich aber aufgrund von Messungenauigkeiten um mehr als eine [[Größenordnung]]. |
|||
[[Aristarchos von Samos|Aristarch von Samos]]<!-- Im Deutschen wird üblicherweise die griechische oder lateinische Endung weggelassen --> (2. Jahrhundert v. Chr.) soll als einer der ersten ein heliozentrisches Weltbild vorgeschlagen haben, beeinflusst durch die Überlegungen von Philolaus. Indessen sind Aristarchs<!-- Genitiv von "Aristarch" --> Schriften verloren gegangen, und die genaue Natur seiner Argumente ist nicht bekannt. Als er seine Thesen niederschrieb, wurde gerade die Größe der Erde durch [[Eratosthenes]] exakt berechnet. Aristarch selbst maß die Größe und den Abstand des Mondes und der Sonne. Während seine Berechnungen für den Mond annehmbar waren, waren die, die er für die Sonne errechnete, ziemlich weit von modernen Standards entfernt, aber immerhin ein ernst zu nehmender Anfang. Möglicherweise haben auch andere Wissenschaftler es für sinnvoller gehalten, dass die Erde sich bewegt, als dass die sehr große Sonne um sie kreist. |
|||
[[Seleukos von Seleukia]] (2. Jahrhundert v. Chr.) soll auch ein heliozentrisches Weltbild vertreten haben, genaueres ist aber nicht bekannt. |
|||
Aristarchs<!-- Genitiv von "Aristarch" --> Originalarbeit über das heliozentrische Weltbild ist nur bekannt über Sekundärquellen; so ergibt sich die Ungewissheit hinsichtlich seiner Argumentation. Es scheint, dass er auf das Problem der [[Parallaxe|stellaren Parallaxe]] stieß: Wenn sich die Erde über sehr große Strecken bewegt, dann sollte ein näherer Stern in seiner Eigenbewegung schneller erscheinen als ein entfernterer (wie bei nahe gelegenen im Verhältnis zu entfernten Bergen, wenn man reist). Aristarch erklärte das ''Ausbleiben'' eines solchen Effekts (richtigerweise) damit, dass sich die Sterne in extrem großen Abständen befänden: Ob er meinte, dass sich die Sterne unendlich weit entfernt befänden oder dass ein extrem großer Abstand vorliege, ist jetzt nicht mehr möglich festzustellen. Die stellare Parallaxe wurde dann korrekt im 19. Jahrhundert nachgewiesen. |
|||
Im zweiten Jahrhundert n. Chr. entwickelte [[Claudius Ptolemäus]] ein System, das auf geozentrischer Grundlage eine [[Epizykeltheorie]] beinhaltete, um die astronomischen Beobachtungen mit dem aristotelischen Prinzip der gleichförmigen Bewegung zu vereinbaren. Diese Theorie sieht für die beweglichen Himmelskörper eine so komplizierte Konstruktion von bis zu 80 mehrstufig zusammengesetzten Kreisbewegungen fiktiver Punkte im Weltraum vor, dass sie kaum noch verträglich mit den aristotelischen Geboten erschien und trotzdem in der Genauigkeit immer noch viel zu wünschen übrig ließ. Dennoch wurde sie jahrhundertelang fast unverändert zur Berechnung der Bewegungen von Sonne, Mond, und Planeten benutzt. |
|||
Aristarchs heliozentrisches Modell wurde von [[Archimedes]] im „Sandrechner“ analysiert. Der Zweck dieser Arbeit war nachzuweisen, dass extrem große Zahlen (wie die Anzahl Sandkörner, die zum Füllen des Universums nötig wären) mathematisch ausgedrückt werden können und nicht vage als „unendlich“ bezeichnet werden müssen. Zu diesem Zweck nahm er das größte vorhandene Modell des Universums (das von Aristarch), um die Menge des Sandes zu errechnen, die sogar dieses Universum füllen würde. Er unterstrich, dass es mathematisch wenig sinnvoll sei, eine Beziehung herzustellen zwischen der Oberfläche einer Sphäre und ihrer Mitte, sofern diese keine Größe hat. Archimedes nahm an, dass der Abstand von Fixsternen im gleichen Verhältnis zum Durchmesser der Erdbahn steht wie diese Bahn in Beziehung zur Größe der Erde selbst. Unter diesen Bedingungen lässt sich zeigen, dass die stellare Parallaxe über die damaligen Beobachtungsfähigkeiten hinausging. Doch gibt es keinen Hinweis, ob Aristarch oder Archimedes ausdrücklich das Problem der stellaren Parallaxe ansprachen, um festzustellen, ob die Erde sich wirklich bewegte. |
|||
=== Indien === |
|||
Der indische [[Astronom]] und [[Mathematiker]] [[Aryabhata]] (476–550) nahm an, dass die Erde sich um ihre eigene Achse dreht, und entdeckte, dass Mond und Planeten das Licht der Sonne reflektieren. Es wird vermutet, dass er ein heliozentrisches Weltbild vertrat, denn in seinem Modell zur Berechnung der Planetenpositionen gab er für Venus und Merkur die Umlaufzeiten um die Sonne an, nicht um die Erde.<ref name="Thurston">{{Literatur |Autor=Hugh Thurston |Titel=Early Astronomy |Verlag=Springer-Verlag |Ort=New York |Datum=1993 |ISBN=0-387-94107-X}}</ref> |
|||
=== |
=== Islamische Astronomie im Mittelalter === |
||
[[Datei:Tusi couple.jpg|mini|[[Tusi-Paar]] (Cardanische Kreise) in einem Manuskript von [[Nasir ad-Din at-Tusi]] (13. Jahrhundert)]] |
|||
Der indische Astronom und Mathematiker [[Aryabhata]] (476-550) schlug ein heliozentrisches Modell vor, in welchem die Erde sich um ihre eigene Achse dreht und die Umlaufzeiten der Planeten in Bezug auf eine stationäre Sonne gegeben werden. Er war der erste, der entdeckte, dass Mond und Planeten das Licht der Sonne reflektieren und die Planeten einer Umlaufbahn folgen, die um die Sonne herum führt. Es entstand ein Modell mit elliptischen Bahnen, auf dessen Basis er astronomische Werte berechnen konnte wie z. B. die Termine der Sonnen- und Mondfinsternisse. Darüber hinaus entwickelte er eine Theorie über die Bewegung des Mondes, ausgedrückt als [[Differentialgleichung]]. [[Bhaskara II|Bhaskara]] (1114-1185) erweiterte Aryabhatas heliozentrisches Modell in seiner astronomischen Abhandlung, der Siddhanta-Shiromani. Dort erwähnte er das Gesetz der Schwerkraft und entdeckte, dass die Planeten die Sonne nicht auf einer einzigen Umlaufbahn umkreisen. Anhand dieses Modells konnte er astronomische Werte berechnen. |
|||
Die islamischen Astronomen blieben im Mittelalter beim geozentrischen Weltbild, bemerkten aber die mangelnde Übereinstimmung mit den Beobachtungen. Als eine problematische Schwachstelle in der [[Epizykeltheorie]] von Ptolemäus erkannten sie die Einführung des [[Äquant]]en, eines fiktiven Punktes abseits des Weltmittelpunkts, von dem aus gesehen die für den irdischen Beobachter tatsächlich nichtgleichförmigen Bewegungen als gleichförmig erscheinen; diese Hypothese stand auch im Widerspruch zum Prinzip der gleichmäßigen Kreisbewegung.<ref>Dijksterhuis 1988, S. 67, 73.</ref> |
|||
Der persische Wissenschaftler [[Nasir ad-Din at-Tusi]] (1201–1274) löste dieses und andere Probleme des ptolemäischen Systems mithilfe der [[Tusi-Paare]], das sind zwei Kreisbewegungen, wobei ein Kreis auf der Innenseite des anderen abrollt. At-Tusi zeigte, dass daraus auch lineare Bewegungen entstehen können, womit er nebenher die aristotelische Lehre von dem unüberbrückbaren Unterschied zwischen linearen und kreisförmigen Bewegungen widerlegte. |
|||
Die Übersetzung des Werkes von Aryabhata ins Arabische erfolgte im 8. Jahrhundert, während eine lateinische Transkription im 13. Jahrhundert vorhanden war. Erst danach verfasste [[Kopernikus]] ''De revolutionibus orbium coelestium'', so dass wohl auch Aryabhata einen Einfluss auf Kopernikus ausgeübt hat. |
|||
Der Wissenschaftler [[Mu’ayyad ad-Din al-Urdi]] (ca. 1250) entwickelte das ''Urdi-Lemma'', mit dessen Hilfe eine reine Kreisbewegung durch einen Epizykel zu einer exzentrischen Kreisbewegung gemacht werden kann. Urdi-Lemma und Tusi-Paar wurden später von Kopernikus benutzt, allerdings ohne Hinweis auf ihre Entdecker. |
|||
=== Islamische Welt === |
|||
[[Bild:Al-Tusi Nasir.jpeg|thumb|135px|[[Nasir Al-din al-Tusi]] entwarf im 13. Jh. das fortschrittlichste Weltbild-Modell seiner Zeit.]] |
|||
Im [[Koran|Qur'an]] (Sure 36.) steht: |
|||
[[Ibn asch-Schatir]] (1304–1375) löste in seiner Abhandlung ''Kitab Nihayat as-Sulfi Tashih al-Usul'' die Notwendigkeit eines Äquanten auf, indem er in das ptolemäische System einen zusätzlichen Epizykel einführte. In derselben Weise gelang es später auch Kopernikus, sein Modell ohne Äquanten zu konstruieren. Ansonsten blieb Ibn asch-Schatir aber beim geozentrischen System. |
|||
:''38. Die Sonne läuft auf ein Ziel zu. Das ist die Bestimmung des Allmächtigen, des Allwissenden.'' |
|||
:''39. Für den Mond haben Wir Stationen bestimmt, bis er wieder schmal und gekrümmt wird wie der Stiel einer alten Dattelrispe.'' |
|||
:''40. Weder darf die Sonne den Mond in seiner Bahn einholen, noch darf die Nacht dem Tag vorauseilen. Jeder Himmelkörper schwebt in seiner Bahn.'' |
|||
== Aufstellung == |
|||
Der persisch-muslimische Wissenschaftler Nasir al-Din Tusi (1201-1274) löste signifikante Probleme im ptolemäischen System auf, indem er die [[Tusi-Paar]]e als Alternative zum physikalisch problematischen [[Equant]] von Ptolemäus entwickelte. Der Wissenschaftler Mua`yyad al-Din al Urdi (ca. 1250) entwickelte das [[Urdi Lemma]]. Ibn al-Shatir löste in seiner Abhandlung kitab Nihayat as- Sulfi Tashih al-Usul die Notwendigkeit eines Equants auf, indem er einen zusätzlichen [[Epizykel]] einführte, was vom ptolemäischen System (in der selben Weise wie später auch Kopernikus) abwich. Ibn al-Shatir schlug ein System vor, welches approximativ geozentrisch war, nachdem trigonometrisch bewiesen wurde, dass die Erde nicht den Mittelpunkt des Universums darstellte. Seine Verbesserung wurde später im Kopernikanischen Modell benutzt, zusammen mit dem Urdi Lemma und dem Tusi-Paar. |
|||
[[Datei:Heliozentrisches Weltbild nach Aristarchos.png|mini|Vergleich des geozentrischen mit dem heliozentrischen Weltbild nach Aristarchos gemäß Darstellung von [[Johann Christoph Sturm]], 1667]] |
|||
Die Unzulänglichkeiten des ptolemäischen Systems wurden auch in Europa zunehmend erkannt. [[Georg von Peuerbach]] und [[Regiomontanus]] äußerten im 15. Jahrhundert vorsichtige Zweifel an seiner Richtigkeit und fanden einige Verbesserungen.<ref>Herrmann 1979, S. 54.</ref> |
|||
Der Durchbruch zum heliozentrischen Weltbild in seiner heutigen Form vollzog sich in einer Vielzahl von Schritten. Die drei bedeutendsten unter ihnen stellen jeder für sich einen [[Paradigmenwechsel]] dar, indem sie einen vorher als unmöglich ausgeschlossenen oder nicht einmal erwogenen Gedanken nicht nur zulassen, sondern sogar zum neuen Ausgangspunkt erheben: |
|||
=== Europa während der Renaissance === |
|||
* Anfang des 16. Jahrhunderts gab [[Nikolaus Kopernikus]] die Vorstellung von der Erde als Zentrum des Universums auf. Als gemeinsamen Bewegungsmittelpunkt aller noch kreisförmigen Planetenbahnen bestimmte er die Sonne. |
|||
[[Bild:Mikolaj Kopernik.jpg|thumb|left|135px|[[Nikolaus Kopernikus]] machte 1543 große Fortschritte in der Theorie des heliozentrischen Systems.]] |
|||
* Anfang des 17. Jahrhunderts setzte sich [[Johannes Kepler]] über den Lehrsatz von der gleichförmigen Bewegung der himmlischen Körper auf mehreren miteinander kombinierten Kreisbahnen hinweg. Er ging für jeden Planeten von einer einzigen [[Ellipse|elliptischen]] Bahn aus, bei der die Sonne in einem Brennpunkt steht und die Geschwindigkeit des Planeten durch den direkten Einfluss der Sonne ständig verändert wird. |
|||
* Ende des 17. Jahrhunderts beendete [[Isaac Newton]] die Trennung zwischen himmlischer und irdischer Mechanik und begründete so die heutige [[Klassische Mechanik]], in der die Planetenbahnen am Himmel und die Wurfbewegung auf der Erde auf der gleichen Grundlage berechnet werden können. |
|||
=== Neues Paradigma durch Nikolaus Kopernikus === |
|||
Es sollte bemerkt werden, dass die populäre Ansicht, im Westen sei vor Kopernikus das heliozentrische Weltbild unbekannt oder unverständlich gewesen, einfach falsch ist. Nicht nur arabische Texte wurden nach dem 11. Jahrhundert in zunehmendem Maße in Latein übersetzt (resultierend aus den [[Kreuzzüge]]n), auch Reisende und Händler und stellten dem Westen die indischen heliozentrischen Traditionen vor, wie oben genau geschildert. Selbstverständlich berücksichtigten Gelehrte die Argumente von Aristarchus und Philolaus, so wie vieler anderer klassischer Denker, welche das heliozentrische Weltbild vorschlugen. Darüber hinaus diskutierten einige europäische Denker über das heliozentrische Weltbild im Mittelalter, wie z.B. Nicolas Oresme und Nicolas von Cusa. Für die meisten Gelehrten bot dieses Weltbild ein grundlegendes Problem dar: Die damalige Ansicht war, dass wenn die Erde sich bewege und um die Sonne drehe, die Menschen und Gegenstände schräg fallen würden oder sogar in den Weltraum hinaus fliegen könnten; Ein von einem Turm fallender Gegenstand würde im Westen (aufgrund der Erdrotation) auf dem Boden aufkommen. Eine Antwort darauf erforderte ein viel besseres Verständnis von Physik. |
|||
[[Datei:DBP 1973 758 Nikolaus Kopernikus.jpg|mini|500 Jahre [[Nikolaus Kopernikus|Kopernikus]] (1973): Deutsche Würdigung des heliozentrischen Systems (mit zwei Planeten auf der Erdbahn)]] |
|||
[[Datei:Copernican heliocentrism diagram-2.jpg|mini|Kopernikanisches System. Die Planetenbahnen sind fast kreisförmig, aber hier nicht maßstäblich gezeichnet.]] |
|||
Kopernikus vertrat den aristotelischen Lehrsatz, dass es am Himmel nur die vollkommenste Bewegung geben könne, die gleichförmige Kreisbewegung. Die Verletzung dieses antiken Dogmas, die im Ptolemäischen Modell mit der Einführung des Ausgleichspunktes (Äquant) begangen wird, wollte er nicht hinnehmen. Auf der Suche nach Vereinfachung oder Verbesserung stieß auf das heliozentrische Modell, das er von altgriechischen Quellen her kannte. Er skizzierte es erstmals in seinem etwa um 1510 geschriebenen ''[[Commentariolus]]'', der ungedruckt blieb, aber vermutlich durch Abschriften den Astronomen bekannt wurde.<ref>Jürgen Hamel: ''Geschichte der Astronomie.'' 2. Auflage. Kosmos-Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-440-09168-6, S. 123, 128.</ref> In seinem 1543 im Druck erschienenen Hauptwerk ''[[De revolutionibus orbium coelestium]]'' (dt.: ''Über die Umschwünge der himmlischen Kreise'') führte er es dann detailliert aus. Als Erster arbeitete Kopernikus einen wesentlichen Vorteil des heliozentrischen gegenüber dem geozentrischen System heraus: Das heliozentrische System erklärt die wechselnde [[Rechtläufig und rückläufig#Scheinbare rechtläufige und rückläufige Bewegung|Bewegungsrichtung der Planeten]] nicht kompliziert durch Überlagerung mit Epizykeln, sondern einfach dadurch, dass dies nur von der Erde aus so erscheine, weil diese selbst um die Sonne laufe. |
|||
In der Art, die Probleme zu stellen, und der Methode, sie zu lösen, verblieb Kopernikus im traditionellen Stil der griechischen Astronomie.<ref>Dijksterhuis 1988, S. 320.</ref> Er stützte sich auch ausschließlich auf die antiken Beobachtungsdaten, auf denen schon Ptolemäus sein Modell errichtet hatte, denn sein oberstes Ziel war es, dessen Erfindung des Äquanten als überflüssig zu erweisen. Um eine annähernde Übereinstimmung mit den Beobachtungsdaten zu erreichen, musste er genau wie Ptolemäus annehmen, dass die Bewegungen der Planeten auf [[Epizykeltheorie|Epizykeln]] erfolgen, d. h. auf Kreisen, deren Mittelpunkte sich auf anderen Kreisen bewegen. Selbst die Sonne sollte den ansonsten leeren Mittelpunkt der Erdbahn, der von Kopernikus als „mittlere Sonne“ bezeichnet und auch zum Mittelpunkt aller anderen Planetenbahnen gemacht wurde, auf zwei zusammengesetzten Kreisbewegungen umlaufen. Im ''Commentariolus'', der Vorankündigung seines Systems noch ohne die Einzelheiten, gibt Kopernikus an, er benötige nicht 80 Kreisbewegungen wie Ptolemäus, sondern nur 34. Tatsächlich benötigte Kopernikus bei insgesamt gleicher Genauigkeit aber nicht weniger Kreisbewegungen als Ptolemäus, sondern mehr.<ref name="Koestler1988">{{Literatur |Autor= [[Arthur Koestler]] |Titel=Die Nachtwandler – Die Entstehungsgeschichte unserer Welterkenntnis |Auflage=3. |Verlag=Suhrkamp Taschenbuch, Band 579 |Ort=Frankfurt am Main |Datum=1988 |ISBN=3-518-37079-0 |Seiten=190 ff.}} Die genaue Anzahl der Kreisbewegungen beträgt im Hauptwerk aber nach Koestlers Zählung 48. Dagegen brauchte das ptolemäische System nicht 80 Epizyklen, wie von Kopernikus behauptet, sondern in seiner zuletzt 1453 durch [[Peurbach]] aktualisierten Fassung nur 40. Dijksterhuis (1988, IV—9) hingegen argumentiert, dass das kopernikanische System es erlaubte, die Anzahl der Epizyklen um fünf Einheiten zu reduzieren.</ref><ref>{{Literatur |Autor=Jürgen Hamel |Titel=Astronomiegeschichte in Quellentexten |Verlag=Spektrum Akad. Verlag |Ort=Heidelberg |Datum=1996 |ISBN=3-8274-0072-4 |Seiten=30 ff.}}</ref> |
|||
Trotz dieser Probleme im 16. Jahrhundert wurde die Theorie des Heliozentrismus von Nicolaus Kopernikus in einer Form wiederbelebt, die mit zu dieser Zeit gegenwärtigen Beobachtungen übereinstimmte. Mit dieser Theorie behob er das Problem der rückläufigen Planetenbewegung, indem er argumentiert, dass eine solche Bewegung nur wahrgenommen werde, jedoch nicht real sei. Dieses Problem wurde auch im geozentrischen System von [[Tycho Brahe]] behoben. Kopernikus hat vermutlich die früheren Arbeiten, über das heliozentrische System, des indischen Astronomen Aryabhata und der moslemischen Wissenschaftlern/Astronomen Nasir Aldin Tusi, Mu'ayyad Aldinal 'Urdi und ibn Al-Shatir zum Beheben der bedeutenden Probleme im Ptolemäischen System übernommen und weiter entwickelt. |
|||
Dennoch ist das System von Kopernikus wesentlich einfacher als das Ptolemäische: Die Planetenbahnen sind geschlossene und (fast) kreisförmige Kurven statt der komplizierten und nicht periodischen Rosettenbahnen des Epizykelmodells. Kopernikus betonte als seinen größten Erfolg allerdings, dass er die Gleichförmigkeit der Kreisbewegungen gerettet habe, und zwar wirklich in Bezug auf die Kreismittelpunkte, wie es nach Aristoteles auch sein müsste, und nicht auf den von Ptolemäus eingeführten ''Äquanten'' als Bezugspunkt.<ref>Dijksterhuis 1988, S. 321.</ref> Beide Systeme führten zu Positionsfehlern von bis zu 10 Bogenminuten (1/3 Monddurchmesser). Das war nicht unbedeutend in der damaligen, noch sehr von [[Astrologie]] geprägten Zeit, denn es kann in der Vorhersage des Zeitpunkts bestimmter astronomischer Ereignisse einen Fehler von einigen Tagen bedeuten. So z. B. beim Zusammentreffen zweier Planeten oder eines Planeten mit einem Fixstern<ref name="Wilson">{{Literatur |Autor=[[Robert Wilson (Astronom)|Robert Wilson]] |Titel=Astronomy through the Ages |Verlag=Taylor and Francis |Ort=London |Datum=1997 |ISBN=0-7484-0748-0}}</ref><sup>(S. 58)</sup>, oder bei der Vorhersage eines Zusammentreffens aller Planeten im Sternbild Waage im Jahr 1432, das ebenso wenig stattfand wie die dazu prophezeite Weltkatastrophe.<ref name="Simonyi">{{Literatur |Autor=[[Károly Simoniy]] |Titel=Kulturgeschichte der Physik |Verlag=Harri Deutsch |Ort=Frankfurt |Datum=2012 |ISBN=978-3-8171-1651-5}}</ref><sup>(S. 167)</sup> |
|||
== Religion und das heliozentrische Weltbild == |
|||
Schon in der Zeit von Aristarch wurde die heliozentrische Idee als „antireligiös“ eingestuft. Dieses Thema war jedoch fast 2000 Jahre lang bedeutungslos. |
|||
Obwohl Kopernikus seinem Weltmodell keine physikalische Grundlegung gab, stellte er sich in drei wesentlichen Punkten in Gegensatz zur bis dahin vertretenen antiken [[Naturphilosophie]]. |
|||
Nikolaus Kopernikus veröffentlichte 1543 die endgültige Aussage über sein System in [[De Revolutionibus Orbium Coelestium]]. Kopernikus begann es 1506 zu schreiben und beendete es im Jahre 1530, publizierte es aber erst im Jahr seines Todes. Obwohl er eine gute Stellung in der Kirche hatte und Papst Paul III. eingeweiht hatte, enthielt die erschienene Form eine nicht unterzeichnete Einleitung von [[Andreas Osiander]], in der steht, dass das System eine rein mathematische Hypothese sei und nicht die Wirklichkeit darstellen solle. Vielleicht hielt diese Einleitung die Debatte in Grenzen, ob Kopernikus' Arbeit ketzerisch sein könne. |
|||
# Während Aristoteles die Kreisbewegung der Himmelskörper als natürliche, eigene Bewegung einer Himmelsmaterie (''Äther'' oder ''[[Quintessenz (Philosophie)|quinta essentia]]'') ansah, war nach Kopernikus die Kreisbewegung die unmittelbare Folge der Kugelgestalt der [[Astronomisches Objekt|Weltkörper]], so dass er als Begründung weder – wie Aristoteles – eine besondere Art himmlischer Materie postulieren noch – wie in voraristotelischer Zeit – eine göttliche Ursache heranziehen musste.<ref>Dijksterhuis 1983, S. 36, 322.</ref> |
|||
# Während in der aristotelisch-ptolemäischen Denkweise Körper deshalb auf die Erde fallen, weil sie nach dem Weltzentrum streben, das im Erdzentrum liegend gedacht wird, fallen Körper bei Kopernikus auf die Erde, um sich mit ihrer Materie wieder zu vereinigen; somit wird es gleichgültig, ob die Erde im Weltzentrum steht oder nicht.<ref>Dijksterhuis 1983, S. 323.</ref> |
|||
# Während Ptolemäus eine tägliche Drehung der Erde mit dem Argument ablehnte, ein vertikal hoch geworfener Stein müsse weiter westlich landen und Vögel sowie Wolken müssten nach Westen abdriften, weil sich die Erde unter ihnen wegdrehe, ging Kopernikus von einer Mitdrehung der Atmosphäre und der in ihr enthaltenen Objekte aus.<ref>Dijksterhuis 1983, S. 72, 322.</ref> |
|||
Mit den letzten beiden Punkten eröffnete Kopernikus einen Weg in Richtung auf die späteren newtonschen Begriffe von Gravitation und Trägheit. |
|||
Der Erstausgabe von ''De revolutionibus orbium coelestium'' war eine Einleitung von [[Andreas Osiander]] beigefügt, in der Kopernikus’ Vorgehen als eine rein mathematische Hypothese vorgestellt wurde, die nicht der Wirklichkeit entspräche. Zu dieser Zeit verstand man unter „Hypothese“ eine bloße Rechenmethode. Es gab noch keine [[Naturwissenschaft]] mit dem heutigen Erklärungsanspruch. Das Weltbild wurde im Wesentlichen philosophisch-theologisch gedeutet und begründet, und daneben gab es rezeptartige Anleitungen zur praktischen Berechnung von Positionen der Sterne und Planeten, bei denen es hauptsächlich auf die erreichte Genauigkeit ankam und weniger darauf, ob sie zu den philosophisch-theologisch begründeten Ansichten passten.<ref>{{Literatur |Autor=Eduard Jan Dijksterhuis |Titel=Die Mechanisierung des Weltbildes |Verlag=Springer |Ort=Heidelberg |Datum=1966 |ISBN= |Seiten=330 ff.}}</ref> |
|||
Die Bezeichnung zu dieser Zeit für solch einen lediglich erfundenen Rechentrick war „Hypothese“. Um die Debatten der folgenden 100 Jahre zu verstehen, ist es notwendig, daran zu erinnern, dass die moderne Sicht, eine Idee durch Experiment zu bestätigen oder zu widerlegen, nicht vorhanden war. |
|||
Die ersten Beobachtungen, die dem geozentrischen Weltbild direkt widersprachen, gelangen [[Galileo Galilei]] 1609/1610. Mit seinem (noch sehr einfachen) Fernrohr entdeckte er die [[Liste der Entdeckungen der Planeten und ihrer Monde|Jupitermonde]], also Sterne, die nicht um die Erde kreisen, und die [[Venusphase|Phasen der Venus]], die anders verlaufen, als mit einer Umlaufbahn um die Erde verträglich gewesen wäre. |
|||
Es gab einen frühen Vorschlag unter [[Dominikaner]]n, dass der Unterricht dieser Lehre verboten werden sollte, was aber nicht durchgesetzt wurde. Während des 16. Jahrhunderts äußerten sich einige Protestanten sehr nachdrücklich. [[Martin Luther]] sagte einmal: |
|||
Das kopernikanische System bedeutete eine wesentliche Vereinfachung des ptolemäischen Systems. Da das kopernikanische System weiterhin von Kreisbahnen ausging, konnte es die mangelhafte Genauigkeit des ptolemäischen Systems nicht merklich verbessern. Doch es widersprach offen dem herrschenden [[Paradigma]], die Erde als Mittelpunkt der Welt anzusehen. Durch diesen [[Paradigmenwechsel]] gilt Kopernikus als Auslöser der [[Kopernikanische Wende|kopernikanischen Wende]] und als ein wichtiger Wegbereiter des Übergangs vom [[Mittelalter|mittelalterlichen]] zum [[Neuzeit|neuzeitlichen]] Denken. |
|||
:''„Es ist die Rede von einen neuen Astrologen, der beweisen möchte, dass die Erde sich anstelle des Himmels, der Sonne und des Mondes bewegt, als ob jemand in einen fahrenden Wagen oder Schiff denken könnte, dass er stehen bleibt, während die Erde und die Bäume sich bewegen. Aber das ist, wie die Sachen heutzutage sind: Wenn ein Mann gescheit sein möchte, muss er etwas Besonderes erfinden und die Weise wie er etwas tut, muss die beste sein! Dieser Dummkopf möchte die gesamte Kunst der Astronomie verdrehen. Jedoch hat das heilige Buch uns erklärt, dass Joshua die Sonne und nicht die Erde bat, still zu stehen.“'' |
|||
=== Mathematische Präzisierung durch Johannes Kepler === |
|||
Dies wurde im Kontext eines Gespräches und nicht in einer formalen Aussage zum Glauben berichtet. |
|||
[[Datei:Kepler Mars retrograde.jpg|mini|hochkant|Die Bahn des Planeten Mars im geozentrischen System, nach Tychos Beobachtungen von 1580 bis 1596 (aus Johannes Kepler, ''Astronomia Nova'' von 1609). Die Bahn steht nicht fest im Raum.]] |
|||
[[Datei:Ellips2.gif|mini|hochkant|Alternative Beschreibung einer elliptischen Bahn durch eine epizyklische Bewegung]] |
|||
Kopernikus hatte sein heliozentrisches Modell fast ausschließlich an dasselbe über tausend Jahre alte Beobachtungsmaterial angepasst, das auch schon vorher Ptolemäus für sein geozentrisches Modell benutzt hatte, denn er wollte die Gleichwertigkeit seines Systems nachweisen, und anderes Material gab es auch nicht in nennenswertem Umfang. Um zwischen beiden Modellen eine Entscheidung treffen zu können, wurden genauere Messungen benötigt. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts gelangen [[Tycho Brahe]] über zwei Jahrzehnte hinweg Positionsbestimmungen an den Planeten und fast 1000 Sternen, die erstmals größere Teile der Planetenbahnen abdeckten und deren Genauigkeit von 1 bis 2 Bogenminuten weit über die der alten Daten hinausging. |
|||
Später jedoch fing die katholische Kirche an, das Geozentrische Weltbild unnachgiebiger zu schützen. Papst Urban VIII, der die Idee genehmigte Galileos Arbeit über die zwei Theorien der Welt zu veröffentlichen, wurde zu Galileo feindlich gesinnt. Es wird gesagt, dass er glaubte, Galileo habe ihn in seinem Dialog hinsichtlich der zwei Hauptweltsysteme verspottet, obwohl der Beweis hierfür fehlt. Mit der Zeit wurde die katholische Kirche zum Hauptgegner der heliozentrischen Ansicht. |
|||
[[Johannes Kepler]], dem Tycho seine Daten übergeben hatte, stellte in jahrelangen erfolglosen Bemühungen fest, dass sie mit keinem der beiden Systeme zu erklären waren. So ließ sich die maximale Abweichung der berechneten Position des Mars von der beobachteten Bahn nicht unter acht Bogenminuten drücken. Kepler untersuchte die veränderliche Bahngeschwindigkeit der Planeten genauer und fand heraus, dass sie im Epizykelmodell mit kombinierten, aber gleichförmigen Kreisbewegungen nicht darstellbar ist. Er fand heraus, dass die Geschwindigkeit vom aktuellen Abstand des Planeten von der (wahren) Sonne abhängt statt von dem Abstand zur mittleren Sonne. Daher sah er in der Sonne das physikalisch wirksame Zentrum des Planetensystems und interpretierte alle Beobachtungsdaten neu. Er berechnete Abstände und Winkel in Bezug auf die wahre statt auf die mittlere Sonne. Insbesondere suchte er nach einer mathematisch genauen Beschreibung der Bewegung des Mars und erkannte schließlich die Notwendigkeit, die berechneten Werte durch eine besser modellierte ''Erdbahn'' zu verbessern. Daher musste er diese zuerst genauer erfassen. Das gelang ihm mithilfe ausgewählter Beobachtungsdaten, bei denen der Mars an derselben Stelle seiner Bahn stand, die Erde aber an verschiedenen. Das ist im Effekt das gleiche, als hätte er den Mars festgehalten und von dort aus die Bewegung der Erde ausgemessen. Die Idee zu diesem Vorgehen konnte nur auf Grundlage des kopernikanischen Modells entstehen. Auf der Grundlage der nun genauer bekannten Erdbahn wertete er die Marsbeobachtungen neu aus und fand, dass weitaus am besten eine elliptische Bahn passt (''Astronomia Nova'', 1609, mit dem 1. und 2. der drei [[Keplersche Gesetze|Keplerschen Gesetze]]).<ref name="early astronomy">{{Literatur |Autor=Hugh Thurston |Titel=Early Astronomy |Verlag=Springer Verlag |Ort=New York [u. a.] |Datum=1994 |ISBN=0-387-94107-X |Seiten=220 ff.}}</ref><ref name="Stephenson_Kepler">{{Literatur |Autor=Bruce Stephenson |Titel=Kepler’s Physical Astronomy |Verlag=Springer |Ort=New York |Datum=1987 |ISBN=1-4613-8739-6 |DOI=10.1007/978-1-4613-8737-4}}</ref><ref name="Holder">{{Literatur |Autor=Martin Holder |Titel=Die Kepler-Ellipse |Verlag=Universitätsverlag Siegen |Ort=Siegen |Datum=2015 |ISBN=978-3-936533-64-4 |Online=[http://dokumentix.ub.uni-siegen.de/opus/volltexte/2015/967/index.html online] |Abruf=2017-12-18}}</ref> |
|||
Das von der Kirche bevorzugte System war das von [[Ptolemäus]] gewesen, in dem die Erde die Mitte des Universums war und alle Himmelskörper sie umkreisten. (Die katholische Unterstützung des geozentrischen Systems sollte nicht mit der Idee einer flachen Erde verwechselt werden, welches die Kirche nie stützte.) Ein geozentrischer Kompromiss war das System von [[Tycho Brahe]], in dem die Sonne die Erde umkreist, während wie im kopernikanischen System, die Planeten die Sonne Modell umkreisten. Die Astronomen der Jesuiten in Rom waren zu diesen System anfangs skeptisch; Clavius, kommentiert, dass Tycho Brahe „die ganze Astronomie verwirrte, weil er den Mars näher als die Sonne haben möchte.“ Aber als die Kontroverse sich entwickelte und die Kirche nach 1616 härter gegen die kopernikanischen Ideen vorgingen, wählten die Jesuiten doch Tycho Brahes System; nach 1633 war der Gebrauch dieses Systems fast vorgeschrieben. |
|||
Dies überprüfte er an den übrigen Planeten, einschließlich der Erde selbst, und dem Mond (bei dem die Erde im Brennpunkt der Ellipse steht). Dabei entdeckte er als 3. Keplersches Gesetz den Zusammenhang zwischen der Größe der Bahn und der Umlaufzeit des Himmelskörpers (''Harmonices mundi libri V'', 1619). Damit konnte Kepler die umfassende Beschreibung des Sonnensystems in drei [[Keplersche Gesetze|Keplerschen Gesetzen]] der Planetenbewegung zusammenfassen, mit denen sich gegenüber Kopernikus und Ptolemäus eine etwa zehnfach verbesserte Genauigkeit für die Berechnung der Planetenpositionen ergab. |
|||
Den Durchbruch verdankte Kepler seinem wichtigen neuen Leitgedanken: Da die Planeten nicht unbeeinflusst und mit gleichförmiger Geschwindigkeit ihre vorbestimmten Kreisbahnen vollziehen (wie es ihrer angenommenen himmlischen Natur entsprochen hätte), braucht es für die Abweichungen eine ständig wirksame Ursache, die nicht in einem bloßen mathematischen Punkt wie der mittleren Sonne, sondern nur in der wahren Sonne liegen kann. In Keplers heliozentrischem System ist die Sonne nicht mehr nur der zentralste Körper im Planetensystem, sondern auch der, der als einziger auf alle anderen eine Wirkung ausübt. Obwohl Kepler von dieser „Kraft“ und ihrer Wirkungsweise falsche Vorstellungen hatte, fügte er dem heliozentrischen Weltbild damit ein entscheidendes Element hinzu und bereitete die Entwicklung der späteren Himmelsmechanik vor. |
|||
[[Bild:Galileo.arp.300pix.jpg|thumb|135px|[[Galileo Galilei]] im 17. Jh.: „Und die Erde bewegt sich doch!“]] |
|||
=== Physikalische Begründung durch Isaac Newton === |
|||
Für das Erweitern der heliozentrischen Theorie wurde [[Galileo Galilei]] für die letzten Jahre seines Lebens unter Hausarrest gesetzt. |
|||
[[Datei:Pendule de Foucault.jpg|mini|[[Foucaultsches Pendel]] im [[Panthéon de Paris]]]] |
|||
[[Isaac Newton]] fand in seinem 1687 erschienenen Hauptwerk ''[[Philosophiae Naturalis Principia Mathematica]]'' eine Formulierung der Mechanik, die zur Grundlage der heutigen [[Klassische Mechanik|Klassischen Mechanik]] wurde. Geleitet von den drei Keplerschen Gesetzen und der Idee, Gesetze der irdischen Mechanik auch auf das Geschehen im Kosmos anwenden zu können, entdeckte er das allgemeine [[Gravitationsgesetz]] und konnte daraus die Keplerschen Gesetze herleiten. Damit war erstmals ein astronomisches Weltbild auf eine feste physikalische Grundlage gestellt. |
|||
Theologe und Pastor [[Thomas Schirrmacher]] hat allerdings argumentiert: |
|||
Im Rahmen der Newtonschen Physik steht allerdings nicht die Sonne selbst im gemeinsamen Brennpunkt aller elliptischen Bahnen der Planeten, sondern der Schwerpunkt ([[Baryzentrum]]) des gesamten Sonnensystems. Aufgrund der starken Gravitationswirkung massereicher Planeten – insbesondere Jupiter, aber auch Saturn – befindet sich dieser gemeinsame Schwerpunkt meist innerhalb, gelegentlich jedoch deutlich außerhalb des Sonnenradius, wodurch strenggenommen auch das heliozentrische System nicht exakt zutrifft. Die Sonne führt deshalb ihrerseits eine Bewegung um diesen Schwerpunkt aus, der sich zeitweise um bis zu zwei Sonnenradien vom Sonnenmittelpunkt entfernt befinden kann.<ref>{{Literatur |Autor=[[Jean Meeus]] |Titel=Mathematical astronomy morsels |Ort=Richmond, Va. |Datum=2009 |ISBN=978-0-943396-92-7 |Seiten=165}}</ref> |
|||
:''"Im Gegenteil zur Legende wurden Galileo und das Kopernikanische System von den Kirchenbeamten intensiv geprüft. Galileo wurde das Opfer seiner eigenen Arroganz, des Neides seiner Kollegen und der Politik des Papstes Urban VIII. Er wurde nicht der Kritik an der Bibel, sondern des Ungehorsams gegenüber dem Papst beschuldigt."'' |
|||
Zudem erkannte Newton, dass Keplers Ellipsen auch nur Näherungen an die wirklichen Planetenbahnen sind. Die elliptische Form stimmt nur dann exakt, wenn man die Anziehungskräfte der Planeten untereinander vernachlässigt. Diese verursachen kleine Abweichungen, die [[Bahnstörung]]en genannt werden. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden die mathematischen Methoden entwickelt, mit denen die Bahnstörungen berechnet werden konnten. Dadurch stieg die Genauigkeit der Vorhersagen noch einmal um etwa das Fünfzigfache. |
|||
Katholische Wissenschaftler auch: |
|||
Mit genaueren astronomischen Instrumenten als zu Galileis Zeiten konnte die Richtigkeit des heliozentrischen Systems, insbesondere die jährliche und die tägliche Bewegung der Erde, durch Messungen belegt werden. Die Bahnbewegung der Erde wurde 1725 von [[James Bradley]] durch die Entdeckung der [[Aberration (Astronomie)|Aberration]] und 1838 von [[Friedrich Wilhelm Bessel]] durch die Entdeckung der [[Jährliche Parallaxe|jährlichen Parallaxe]] der Sterne nachgewiesen. [[Fallexperimente zum Nachweis der Erdrotation]] wurden ab 1800 durchgeführt. Der direkte Beweis der [[Erdrotation]] gelang 1851 mithilfe des [[Foucaultsches Pendel|Foucaultschen Pendels]]. |
|||
:''"Ich schätze, dass der Hinweis auf Ketzerei in Zusammenhang mit Galileo oder Kopernikus keine allgemeine oder theologische Bedeutung hatte."'' (Heilbronn 1999) |
|||
== Rezeption == |
|||
In den formalen Anklagen der Inquisition wurde er nicht dem Verletzen einer päpstlichen Verordnung beschuldigt, sondern eher für seine Haltung: „…einer falschen Lehre, die durch viele unterrichtet wurde, nämlich, dass die Sonne in der Mitte der Welt unbeweglich ist und dass die Erde sich bewegt“. Während der Befragung durch die Inquisition wurde Galileo gefragt (erster Tag) welche Befehle er 1616 erhielt; aber er wurde auch (vierter Tag) nach seinem kopernikanischen Glauben gefragt. Der abschließende Urteilsspruch war: Er hatte sich der „Ketzerei“ schuldig gemacht, aber es gab keine Erwähnung der Missachtung zu einem spezifischen Auftrag. |
|||
[[Datei:Tychonian system.svg|mini|hochkant|Weltsystem von [[Tycho Brahe]]: Im Zentrum der Welt steht die Erde, jedoch bewegen sich die anderen Planeten um die Sonne]] |
|||
[[Datei:Galileo.arp.300pix.jpg|mini|hochkant|[[Galileo Galilei]] (Porträt von [[Justus Sustermans]] 1636)]] |
|||
[[Datei:The Dispute between Doctors Raasbollius and Urinaal by Cornelis Troost Mauritshuis 191.jpg|mini|Durch Nahrungsmittel symbolisiertes geozentrisches und heliozentrisches System in der Diskussion (Gemälde von Cornelis Troost, 1741)]] |
|||
Schon bei [[Aristarchos von Samos|Aristarch]] im 3. Jahrhundert v. Chr. wurde das heliozentrische Weltbild als „antireligiös“ eingestuft. Das galt auch im christlichen Europa, weshalb dieses Weltbild bis ins 16. Jahrhundert n. Chr. ohne Bedeutung blieb. |
|||
Nach dem 11. Jahrhundert wurden arabische Texte zunehmend in der [[Übersetzerschule von Toledo]] ins Lateinische übertragen. Der [[Franziskanische Orden|Franziskaner]] [[Bonaventura von Bagnoregio]] referierte über ein darin enthaltenes heliozentrisches Weltbild in seinen ''Collationes in Hexaemeron'' 1273 und deutete es theologisch auf Christus als die Mitte der Schöpfung. Ihm folgten in der Diskussion [[Nikolaus von Oresme]] und [[Nicolaus Cusanus]]. Die meisten Gelehrten jedoch sahen in dem Weltbild mit einer rotierenden oder gar um die Sonne kreisenden Erde das Problem, dass Menschen und Gegenstände schräg fallen oder sogar in den Weltraum hinausfliegen sollten; ein vom [[Turmargument|Turm fallender]] Gegenstand sollte aufgrund der nach Osten gerichteten Erdrotation nicht genau senkrecht auf dem Boden auftreffen, sondern nach Westen abgelenkt werden. Auch schien die Bibel dem heliozentrischen Weltbild zu widersprechen, indem sie berichtet, Gott habe im Kampf der Israeliten gegen die Amoriter einmal dem Mond und der Sonne befohlen stillzustehen {{B|Jos|10|12-13|LUT}}, nicht der Erde. |
|||
Kardinal [[Robert Bellarmin]] selbst betrachtete das Modell Galileos als „ausgezeichnet sinnvoll“, aufgrund der mathematischen Einfachheit. Und er sagte: |
|||
Gegen das heliozentrische Weltbild forderte der katholische Mönchsorden der Dominikaner ein Lehrverbot, das sich aber zunächst nicht durchsetzte. Auch Protestanten äußerten sich im 16. Jahrhundert entschieden gegen das kopernikanische Weltbild. Vielfach wird dargestellt, dass [[Martin Luther]] selbst sich in einem Tischgespräch (1539) mit deutlichen Worten dagegen gewandt habe: „Dieser Dummkopf möchte die gesamte Kunst der Astronomie verdrehen.“<ref>[[Nicolaus Copernicus Gesamtausgabe|Nicolaus-Copernicus-Edition]], Band VI,2: ''Documenta Copernicana. Urkunden, Akten und Nachrichten. Texte und Übersetzungen.'' Bearb. von [[Andreas Kühne (Wissenschaftshistoriker)|Andreas Kühne]] und Stefan Kirschner. Akademie Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-05-003009-7, S. 372.</ref> Hierbei handelt es sich jedoch wahrscheinlich um eine nachträgliche Verschärfung, denn die ursprünglichste Quelle für dies Zitat sagt hier nur: „Wie es derjenige macht, der die gesamte Astronomie umkehren will“.<ref>Andreas Kleinert: ''Eine handgreifliche Geschichtslüge. Wie Martin Luther zum Gegner des copernicanischen Weltsystems gemacht wurde.'' In: ''Berichte zur Wissenschaftsgeschichte.'' 26/2003, S. 101–111.</ref> Weiter ist von Luther keine einzige Stellungnahme zum heliozentrischen Weltbild bekannt. |
|||
:''"Wenn es einen realen Beweis gäbe, dass die Sonne in der Mitte des Universums ist, dass die Erde sich in der dritten Sphäre befindet und dass die Sonne feststeht, aber die Erde ringsum die Sonne geht, dann sollten wir mit großer Umsicht fortfahren, wenn wir Passagen von Büchern erklären, die das Gegenteil zu unterrichten scheinen, und wir sollten eher sagen, wir es nicht verstanden, anstatt es als falsch zu deklarieren. Aber ich denke nicht, dass es so einen Beweis gibt, da mir bisher keiner gezeigt wurde."(Koestler 1959, S. 447-448)'' |
|||
Als Kompromiss entwickelte Tycho ein System, in dem die Erde stillsteht und von der Sonne und dem Mond umkreist wird, während die übrigen Planeten – wie im kopernikanischen System – die Sonne umkreisen. Die Astronomen der Jesuiten in Rom standen diesem System anfangs skeptisch gegenüber wie zum Beispiel [[Christophorus Clavius]], der kommentierte, dass Tycho Brahe „die ganze Astronomie verwirrte, weil er den Mars näher als die Sonne haben möchte.“ Als die Kirche nach 1616 härter gegen kopernikanische Ideen vorging, wechselten die Jesuiten zu Brahes System. Ab 1633 war der Gebrauch dieses Systems verbindlich. |
|||
Folglich stützte er ein Verbot auf dem Unterricht der Idee, wenn sie nicht als Hypothese bezeichnet wird. 1616 lieferte er Galileo den päpstlichen Befehl, „die heliozentrische Idee nicht zu verteidigen“. Während der Diskussion, die zum Verbot führte, war er wenig erfolgreich, als die dominikanische Partei wünschte, das heliozentrische System in jeder Hinsicht zu verbieten. |
|||
Tycho bestärkte aber auch die Zweifel am herrschenden Weltbild, weil er weder bei der [[SN 1572|Supernova von 1572]] noch am [[C/1577 V1 (Großer Komet von 1577)|Kometen von 1577]] eine messbare Parallaxe feststellen konnte und daraus folgerte, dass beide sich weit außerhalb der Mondbahn befinden müssten. Dort sollte nach damaliger, von Aristoteles geprägter Lehre aber himmlische Perfektion herrschen, so dass es insbesondere keine Vorgänge von Entstehen und Vergehen geben dürfe. |
|||
Die offizielle Opposition der Kirche zum Heliozentrismus deutete keinesfalls auf die Opposition zu der gesamten Astronomie hin. Es erforderte Beobachtungsdaten, um seinen Kalender beizubehalten. Zur Unterstützung dieser Bemühung erlaubte es den Kathedralen selbst als Sonnensystemwarten benutzt zu werden, die „Meridiane“ genannt werden; d.h. sie wurden zu gigantischen Lochkameras gemacht, in denen das Bild der Sonne von einem Loch in einem auf eine Mittagslinie projiziert wurde. |
|||
Zu dieser Zeit wurden die physikalischen Auffassungen des Aristoteles und damit das von der Kirche vertretene Weltbild durch die ersten Ergebnisse der beginnenden Naturwissenschaft im heutigen Sinne in Zweifel gezogen oder sogar widerlegt. Zu nennen ist insbesondere [[Galileo Galilei]] mit seinen Experimenten zum [[Freier Fall|freien Fall]] und zum schiefen Wurf und seinen Entdeckungen der [[Venusphase]]n und der Monde des [[Jupiter (Planet)|Jupiter]]. Die katholische Kirche begann, das geozentrische Weltbild streng zu verteidigen. Papst [[Urban VIII.]] hatte 1624 die Galileis Arbeit ''[[Dialogo sopra i due massimi sistemi del mondo|Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme]]'' (d. h. des geo- und des heliozentrischen Weltbilds) als Hypothese zwar initiiert, stellte sich aber nach dessen Veröffentlichung 1632 dagegen. |
|||
1664 veröffentlichte Papst Alexander VII sein Librorum Prohibitorum Alexandri VII Pontificis Maximi jussu editus, das alle vorhergehenden Verurteilungen der geozentrischen Bücher einschloss. Eine angemerkte Kopie von Principia durch Issac Newton wird 1742 durch Fathers le Seur und Jacquier veröffentlicht; zwei katholische Mathematiker, die in der Einleitung angeben, dass die Arbeit des Autors das Heliozentrische Weltbild annahm und nicht ohne die Theorie erklärt werden könnte. |
|||
In einem viel beachteten [[Inquisitionsverfahren]] wurde Galilei beschuldigt, „…eine falsche Lehre, die durch viele unterrichtet wurde, nämlich, dass die Sonne in der Mitte der Welt unbeweglich ist und dass die Erde sich bewegt“ zu vertreten. Der abschließende Urteilsspruch war, er habe sich der „[[Häresie|Ketzerei]]“ schuldig gemacht. Mit dem Fall Galilei wurde der Konflikt zwischen kirchlichem Autoritätsanspruch und freier Wissenschaft zum ersten Mal über die Kirche hinaus ins gesellschaftliche Bewusstsein gehoben. |
|||
== Die Sicht moderner Wissenschaft == |
|||
=== Vom Sonnensystem zu den Galaxien === |
|||
Die Schlussfolgerung, dass die heliozentrische Ansicht streng genommen auch nicht zutreffend war, wurde in Schritten erzielt. Dass die Sonne nicht die Mitte des Universums, aber einer von unzählbaren Sternen war, wurde stark vom Philosophen [[Giordano Bruno]] befürwortet; Galileo war der gleichen Ansicht, sagte aber zu dieser Angelegenheit sehr wenig, wahrscheinlich aus Angst vor dem Zorn der Kirche. Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts wurde der Status der Sonne als ein Stern unter vielen in zunehmendem Maße offensichtlich, im 20. Jahrhundert, noch vor der Entdeckung, dass es viele Galaxien gibt, war dies bereits einhellige Meinung. |
|||
Ausgelöst durch die allgemeine Anerkennung, die Newton mit seinen Ergebnissen in der wissenschaftlichen Welt fand, hob Papst [[Benedikt XIV. (Papst)|Benedikt XIV.]] am 17. April 1757 den Bann gegen die Werke auf, die das heliozentrische Weltbild vertraten. Am 11. September 1822 entschied die [[Dikasterium für die Glaubenslehre|Kongregation der römischen und allgemeinen Inquisition]], dass der Druck und die Publikation von Werken, die die Bewegung von Planeten und Sonne in Übereinstimmung mit der Auffassung der modernen Astronomen darstellten, erlaubt sei. |
|||
Selbst wenn die Diskussion auf das Solarsystem begrenzt wird, steht die Sonne nicht in der geometrischen Mitte der Planetenbahnen; auch die Planeten ziehen sich in einem sehr geringen Maße gegenseitig an. Doch lässt sich dies nur mit extrem genauen Geräten messen, da die Masse dieser Himmelskörper bei weiten kleiner ist als die der Sonne. Zum Beispiel besitzt der [[Jupiter]] als größter Planet im Sonnensystem nur 0,14% der Masse der Sonne. |
|||
Nachdem schon in der Antike der Gedanke eines unbegrenzten Weltalls ausgesprochen worden war ([[Leukipp]], [[Demokrit]], [[Lukrez]]), zeigte [[Nikolaus von Kues]] im 15. Jahrhundert, dass in einem unendlichen Weltall die Erde kein Mittelpunkt sein kann, genau so wenig wie irgendein anderer Himmelskörper, womit er sowohl ein geozentrisches wie ein heliozentrisches Weltbild ausschloss.<ref>Herrmann 1979, S. 36, 55.</ref> Diese Ansichten wurden später auch von [[Thomas Digges]] und [[Giordano Bruno]] vertreten und setzten sich Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts als Lehrmeinung durch, schon bevor im 20. Jahrhundert [[Galaxie]]n außerhalb der Milchstraße entdeckt wurden. Das heliozentrische Weltbild wurde ab etwa 1930 durch das [[Kosmologisches Prinzip|kosmologische Prinzip]] allmählich ersetzt. |
|||
=== Moderne Anwendung des geozentrischen und heliozentrischen Systems === |
|||
In modernen Berechnungen müssen häufig Ursprung und Orientierung eines Koordinatensystems festgelegt werden. Aus Gründen der Praktikabilität werden solche Systeme meist auf die Mitte der Erd- oder Sonnenmasse oder des Solarsystems bezogen. In diesem Zusammenhang werden dann die Adjektive geozentrisch oder heliozentrisch verwendet, doch hat eine solche Wahl von Koordinaten keine philosophische oder physikalische Bedeutung. |
|||
Das kosmologische Prinzip besagt, dass es prinzipiell keinen Ort gibt, der vor einem anderen ausgezeichnet ist, also auch kein Zentrum. Weltbilder, die einen bestimmten Ort im Universum hervorheben, gelten als überholt. Zusammen mit der [[Isotropie]] des Universums, also dass keine Richtung ausgezeichnet ist, bildet das kosmologische Prinzip den Grundpfeiler des [[Standardmodell der Kosmologie|Standardmodells der Kosmologie]], das durch Beobachtung des [[Beobachtbares Universum|beobachtbaren Universums]] gestützt wird. |
|||
[[Fred Hoyle]] schrieb: |
|||
Allerdings ist das kosmologische Prinzip nur auf großen Skalen, die Millionen Lichtjahre umfassen, anwendbar. In kleineren Systemen wie z. B. einer Galaxie (typischerweise einige 100.000 Lichtjahre groß) oder unserem Sonnensystem (weniger als 1/1000 Lichtjahr groß) lassen sich ausgezeichnete Punkte angeben. Somit ist zwar die Sonne nicht das Zentrum des Universums, bildet aber die Mitte des Sonnensystems, da dessen [[Baryzentrum|Schwerpunkt]] sich niemals weiter als etwa einen Sonnenradius von der Sonnenoberfläche entfernt und oft sogar innerhalb liegt. |
|||
:''"Die Beziehung der zwei Systeme (Geozentrismus und Heliozentrismus) ist reduziert auf die bloße Umwandlung der Koordinaten und es ist die Hauptlehre Einsteins Theorie, dass alle Möglichkeiten die Welt zu betrachten, die miteinander durch eine Koordinatenumwandlung verbunden sind, von einem physikalischen Gesichtspunkt völlig equivalent sind."'' (Hoyle, 1973, P. 78) |
|||
Ebenso ist physikalisch betrachtet nach der [[Allgemeine Relativitätstheorie|Allgemeinen Relativitätstheorie]] jedes [[Bezugssystem#Frei fallendes Bezugssystem|frei fallende System]] gleichberechtigt. Abgesehen von der Eigenrotation der Erde ist daher, genau wie in der Newtonschen Mechanik, ein Wechsel vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild nur eine Koordinatentransformation. Da die Sonne dem Schwerpunkt des Sonnensystems am nächsten kommt, ist das heliozentrische Bezugssystem fast identisch mit dem Schwerpunktsystem und dient daher oft als einfaches Bezugssystem für die Darstellung von Vorgängen im Sonnensystem. |
|||
== Siehe auch == |
|||
* [[Weltanschauung]] |
|||
== |
== Literatur == |
||
* [[Eduard Jan Dijksterhuis]]: ''Die Mechanisierung des Weltbildes.'' Springer, Berlin/Heidelberg/New York 1956. (Reprint 1983 (mit einem Geleitwort von [[Heinz Maier-Leibnitz]]), ISBN 3-540-02003-9) |
|||
* [http://articles.adsabs.harvard.edu//full/seri/JRASC/0075//0000029.000.html Alan H. Batten: Artikel zur Entwicklung des heliozentrischen Weltbildes von Aristarch bis Keppler] |
|||
* [[Jürgen Hamel]]: ''Astronomiegeschichte in Quellentexten.'' Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1996, ISBN 3-8274-0072-4. |
|||
* [http://etext.library.adelaide.edu.au/a/aristotle/heavens/heavens2.html Aristoteles: „De Caelo“, englisch: „On the Heavens“] |
|||
* [[Dieter B. Herrmann]]: ''Entdecker des Himmels.'' Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1979, ISBN 3-7609-0454-8. |
|||
* {{Internetquelle |autor=Martin Holder |url=https://dspace.ub.uni-siegen.de/entities/publication/76fc93e5-ab49-4e55-825b-f79628fa2337 |titel=Die Kepler-Ellipse: Eine alte Geschichte neu erzählt |hrsg=Uni Siegen |datum=2015 |format=PDF; 22,2 MB |abruf=2025-06-20 |kommentar=ein detaillierter Bericht über Keplers Vorgehen beim Auffinden der Planetengesetze}} |
|||
* {{Literatur |Autor=[[Arthur Koestler]] |Titel=Die Nachtwandler. Das Bild des Universums im Wandel der Zeit |Verlag=Scherz |Ort=Bern / Stuttgart / Wien |Datum=1959 |Umfang=560 |ISBN=3-518-37079-0 |Originaltitel=The Sleepwalkers. A History of Man's Changing Vision of the Universe |Originalsprache=en |Originaljahr=1959 |Übersetzer=Wilhelm Michael Treichlinger}} |
|||
* [[Jürgen Teichmann]]: ''Wandel des Weltbildes'' (= ''Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und Technik''). 2. Auflage, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1985, ISBN 3-499-17721-8. |
|||
* [[Ernst Zinner]]: ''Entstehung und Ausbreitung der copernicanischen Lehre.'' 2. Auflage. durchgesehen und ergänzt von [[Heribert Maria Nobis|Heribert M. Nobis]] und [[Felix Schmeidler]]. C. H. Beck, München 1988, ISBN 3-406-32049-X. |
|||
== Weblinks == |
|||
[[Kategorie: Kosmologie]] |
|||
{{Commonscat|Heliocentric model|Heliozentrisches Weltbild}} |
|||
[[Kategorie: Erkenntnis in der Geschichte der Astronomie]] |
|||
{{Wikisource|Nicolaus Coppernicus aus Thorn über die Kreisbewegungen der Weltkörper|Über die Kreisbewegungen der Weltkörper}} |
|||
* {{Internetquelle |url=https://www.youtube.com/watch?v=nIeLLGKel_M |titel=Das Heliozentrische Weltbild und die Keplerschen Gesetze der Planetenbewegungen |abruf=2025-06-20 |autor=Jens Puhle |datum= |format=Streaming; Dauer 11:16}} |
|||
== Einzelnachweise == |
|||
<references responsive /> |
|||
{{Normdaten|TYP=s|GND=4131692-7}} |
|||
[[ca:Model heliocèntric]] |
|||
[[cs:Heliocentrismus]] |
|||
[[da:Heliocentrisk]] |
|||
[[en:Heliocentrism]] |
|||
[[et:Heliotsentriline maailmasüsteem]] |
|||
[[fi:Aurinkokeskinen maailmankuva]] |
|||
[[fr:Héliocentrisme]] |
|||
[[he:המודל ההליוצנטרי]] |
|||
[[hu:Heliocentrikus világkép]] |
|||
[[is:Sólmiðjukenningin]] |
|||
[[it:Sistema eliocentrico]] |
|||
[[ja:地動説]] |
|||
[[lb:Heliozentrescht Weltbild]] |
|||
[[lt:Heliocentrizmas]] |
|||
[[lv:Heliocentrisms]] |
|||
[[nl:Heliocentrische theorie]] |
|||
[[no:Heliosentrisme]] |
|||
[[pl:Heliocentryzm]] |
|||
[[pt:Heliocentrismo]] |
|||
[[ru:Гелиоцентрическая система мира]] |
|||
[[sk:Heliocentrizmus]] |
|||
[[sl:Heliocentrični model]] |
|||
[[sv:Heliocentrisk världsbild]] |
|||
[[zh:日心说]] |
|||
[[Kategorie:Kosmologie]] |
|||
{{Review|G}} |
|||
[[Kategorie:Überholte Theorie (Astronomie)]] |
|||
[[Kategorie:Sonne in der Kultur]] |
|||
[[Kategorie:Weltbild]] |
Aktuelle Version vom 20. Juni 2025, 11:38 Uhr

| |
Das heliozentrische Weltbild (altgriechisch ἥλιος helios, deutsch ‚Sonne‘ und κέντρον kentron Zentrum), auch kopernikanisches Weltbild genannt, ist ein Weltbild, in dem die Sonne als das ruhende Zentrum des Universums gilt. Die Planeten einschließlich der Erde bewegen sich um das Zentrum herum, während die Fixsterne an einer ruhenden äußeren Kugelschale angeheftet sein sollen. Dabei dreht die Erde sich täglich einmal um sich selbst und der Mond bewegt sich ungefähr jeden Monat einmal um die Erde.
In seinen Anfängen geht das heliozentrische Weltbild auf die griechischen Astronomen Aristarchos von Samos und Seleukos von Seleukia zurück. Archimedes verwendete es in seinem Werk Der Sandrechner für die Abschätzung der Anzahl der Sandkörner im Universum. Erst im 16. Jahrhundert wurde es von Nikolaus Kopernikus detailliert ausgearbeitet. Johannes Kepler und dann vor allem Isaac Newton verbesserten es im 17. Jahrhundert entscheidend im Sinne wesentlich genauerer Vorhersagen der Planetenpositionen am Himmel.
Damit setzte es sich gegen das seit der Antike vorherrschende geozentrische Weltbild durch, in dem die Erde kein bewegter Planet ist, sondern ruht und das unbewegte Zentrum darstellt, um das herum sich Sonne, Mond, Planeten und Fixsterne bewegen. Dieses entspricht zwar der unmittelbaren Wahrnehmung der Bewegungen der Gestirne, macht aber die Erklärung der kleinen, schon im Altertum beobachteten Unregelmäßigkeiten außerordentlich kompliziert und ist auch seit dem 18. Jahrhundert durch direkte Messungen widerlegt.
Im strengen Sinn trifft die übliche Bezeichnung als heliozentrisches System nur auf den von Kepler erreichten Entwicklungsstand zu, denn bei Kopernikus (70 Jahre zuvor) kreisten die Planeten und sogar auch die Sonne selbst noch um einen gedachten Punkt etwas außerhalb der Sonne, genannt die „mittlere Sonne“, und bei Newton 60 Jahre danach schon um das meist Baryzentrum des Sonnensystems, das bei bestimmter Position von Jupiter und Saturn auch außerhalb der Sonne liegt. Gleichzeitig reifte die moderne Vorstellung, dass das Weltall als Ganzes überhaupt keinen Mittelpunkt besitzt.[1]
Gegenüber dem geozentrischen Weltbild ist das heliozentrische Weltbild wesentlich einfacher und ebnete doch erstmals den Weg zu einer erheblich genaueren Beschreibung und Vorhersage der Positionen von Sonne, Sternen und Planeten. Es stand aber schon bei seiner Entstehung im Konflikt mit vielen religiösen Vorstellungen von der Rolle des Menschen und seinem Ort im Universum. Dass die Erde nicht im Zentrum stehe und darüber hinaus selbst in Bewegung sei, erschien lange Zeit nicht annehmbar. So traf das heliozentrische Weltbild auch auf heftigen Widerstand seitens der christlichen Kirchen (siehe z. B. Galileiprozess). Die Entstehung und Verbreitung des heliozentrischen Weltbilds sind eng verbunden mit dem Aufkommen der modernen Naturwissenschaften und werden daher auch als kopernikanische Wende bezeichnet.
Vorläufer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Antikes Griechenland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nur wenig ist darüber bekannt, was im alten Griechenland über ein Weltbild, in dem nicht die Erde im Zentrum steht, gedacht wurde. Für die pythagoräische Schule ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. war das Feuer das wichtigste Element. So nahm etwa Philolaos (5. Jahrhundert v. Chr.) an, dass Sonne, Erde und die anderen Himmelskörper ein unter der Erde befindliches und daher unsichtbares Zentralfeuer umkreisen. Aristoteles (4. Jahrhundert v. Chr.) berichtet davon: „Im Zentrum, sagen sie (die Pythagoräer), ist Feuer und die Erde ist einer der Sterne und erzeugt Nacht und Tag, indem sie sich kreisförmig um das Zentrum bewegt.“[2] Er lehnte dieses Weltbild aber ab, gab Gründe für ein geozentrisches Weltbild an und blieb damit bis ins 17. Jahrhundert n. Chr. bestimmend.
Aristarchos von Samos (3. Jahrhundert v. Chr.), von dem ein Buch mit einem geozentrischen Weltbild erhalten ist, soll auch ein Buch mit einem heliozentrischen Weltbild verfasst haben. Darin soll erstmals die Bahnbewegung der Erde als natürliche Erklärung der zeitweise rückläufigen Bewegung der Planeten erschienen sein.[3] Aristarch wusste auch, dass die Sterne dann eine Parallaxe zeigen müssten. Diese wurde aber damals nicht beobachtet, was er mit der Annahme einer sehr großen Entfernung der Sterne erklärte.[4] Aristarch schätzte auch die Größe des Mondes und den Abstand der Erde zum Mond und zur Sonne. Die Berechnungen für den Mond waren akzeptabel, bei der Sonne verschätzte er sich aber aufgrund von Messungenauigkeiten um mehr als eine Größenordnung.
Seleukos von Seleukia (2. Jahrhundert v. Chr.) soll auch ein heliozentrisches Weltbild vertreten haben, genaueres ist aber nicht bekannt.
Im zweiten Jahrhundert n. Chr. entwickelte Claudius Ptolemäus ein System, das auf geozentrischer Grundlage eine Epizykeltheorie beinhaltete, um die astronomischen Beobachtungen mit dem aristotelischen Prinzip der gleichförmigen Bewegung zu vereinbaren. Diese Theorie sieht für die beweglichen Himmelskörper eine so komplizierte Konstruktion von bis zu 80 mehrstufig zusammengesetzten Kreisbewegungen fiktiver Punkte im Weltraum vor, dass sie kaum noch verträglich mit den aristotelischen Geboten erschien und trotzdem in der Genauigkeit immer noch viel zu wünschen übrig ließ. Dennoch wurde sie jahrhundertelang fast unverändert zur Berechnung der Bewegungen von Sonne, Mond, und Planeten benutzt.
Indien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der indische Astronom und Mathematiker Aryabhata (476–550) nahm an, dass die Erde sich um ihre eigene Achse dreht, und entdeckte, dass Mond und Planeten das Licht der Sonne reflektieren. Es wird vermutet, dass er ein heliozentrisches Weltbild vertrat, denn in seinem Modell zur Berechnung der Planetenpositionen gab er für Venus und Merkur die Umlaufzeiten um die Sonne an, nicht um die Erde.[5]
Islamische Astronomie im Mittelalter
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die islamischen Astronomen blieben im Mittelalter beim geozentrischen Weltbild, bemerkten aber die mangelnde Übereinstimmung mit den Beobachtungen. Als eine problematische Schwachstelle in der Epizykeltheorie von Ptolemäus erkannten sie die Einführung des Äquanten, eines fiktiven Punktes abseits des Weltmittelpunkts, von dem aus gesehen die für den irdischen Beobachter tatsächlich nichtgleichförmigen Bewegungen als gleichförmig erscheinen; diese Hypothese stand auch im Widerspruch zum Prinzip der gleichmäßigen Kreisbewegung.[6]
Der persische Wissenschaftler Nasir ad-Din at-Tusi (1201–1274) löste dieses und andere Probleme des ptolemäischen Systems mithilfe der Tusi-Paare, das sind zwei Kreisbewegungen, wobei ein Kreis auf der Innenseite des anderen abrollt. At-Tusi zeigte, dass daraus auch lineare Bewegungen entstehen können, womit er nebenher die aristotelische Lehre von dem unüberbrückbaren Unterschied zwischen linearen und kreisförmigen Bewegungen widerlegte.
Der Wissenschaftler Mu’ayyad ad-Din al-Urdi (ca. 1250) entwickelte das Urdi-Lemma, mit dessen Hilfe eine reine Kreisbewegung durch einen Epizykel zu einer exzentrischen Kreisbewegung gemacht werden kann. Urdi-Lemma und Tusi-Paar wurden später von Kopernikus benutzt, allerdings ohne Hinweis auf ihre Entdecker.
Ibn asch-Schatir (1304–1375) löste in seiner Abhandlung Kitab Nihayat as-Sulfi Tashih al-Usul die Notwendigkeit eines Äquanten auf, indem er in das ptolemäische System einen zusätzlichen Epizykel einführte. In derselben Weise gelang es später auch Kopernikus, sein Modell ohne Äquanten zu konstruieren. Ansonsten blieb Ibn asch-Schatir aber beim geozentrischen System.
Aufstellung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Unzulänglichkeiten des ptolemäischen Systems wurden auch in Europa zunehmend erkannt. Georg von Peuerbach und Regiomontanus äußerten im 15. Jahrhundert vorsichtige Zweifel an seiner Richtigkeit und fanden einige Verbesserungen.[7]
Der Durchbruch zum heliozentrischen Weltbild in seiner heutigen Form vollzog sich in einer Vielzahl von Schritten. Die drei bedeutendsten unter ihnen stellen jeder für sich einen Paradigmenwechsel dar, indem sie einen vorher als unmöglich ausgeschlossenen oder nicht einmal erwogenen Gedanken nicht nur zulassen, sondern sogar zum neuen Ausgangspunkt erheben:
- Anfang des 16. Jahrhunderts gab Nikolaus Kopernikus die Vorstellung von der Erde als Zentrum des Universums auf. Als gemeinsamen Bewegungsmittelpunkt aller noch kreisförmigen Planetenbahnen bestimmte er die Sonne.
- Anfang des 17. Jahrhunderts setzte sich Johannes Kepler über den Lehrsatz von der gleichförmigen Bewegung der himmlischen Körper auf mehreren miteinander kombinierten Kreisbahnen hinweg. Er ging für jeden Planeten von einer einzigen elliptischen Bahn aus, bei der die Sonne in einem Brennpunkt steht und die Geschwindigkeit des Planeten durch den direkten Einfluss der Sonne ständig verändert wird.
- Ende des 17. Jahrhunderts beendete Isaac Newton die Trennung zwischen himmlischer und irdischer Mechanik und begründete so die heutige Klassische Mechanik, in der die Planetenbahnen am Himmel und die Wurfbewegung auf der Erde auf der gleichen Grundlage berechnet werden können.
Neues Paradigma durch Nikolaus Kopernikus
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kopernikus vertrat den aristotelischen Lehrsatz, dass es am Himmel nur die vollkommenste Bewegung geben könne, die gleichförmige Kreisbewegung. Die Verletzung dieses antiken Dogmas, die im Ptolemäischen Modell mit der Einführung des Ausgleichspunktes (Äquant) begangen wird, wollte er nicht hinnehmen. Auf der Suche nach Vereinfachung oder Verbesserung stieß auf das heliozentrische Modell, das er von altgriechischen Quellen her kannte. Er skizzierte es erstmals in seinem etwa um 1510 geschriebenen Commentariolus, der ungedruckt blieb, aber vermutlich durch Abschriften den Astronomen bekannt wurde.[8] In seinem 1543 im Druck erschienenen Hauptwerk De revolutionibus orbium coelestium (dt.: Über die Umschwünge der himmlischen Kreise) führte er es dann detailliert aus. Als Erster arbeitete Kopernikus einen wesentlichen Vorteil des heliozentrischen gegenüber dem geozentrischen System heraus: Das heliozentrische System erklärt die wechselnde Bewegungsrichtung der Planeten nicht kompliziert durch Überlagerung mit Epizykeln, sondern einfach dadurch, dass dies nur von der Erde aus so erscheine, weil diese selbst um die Sonne laufe.
In der Art, die Probleme zu stellen, und der Methode, sie zu lösen, verblieb Kopernikus im traditionellen Stil der griechischen Astronomie.[9] Er stützte sich auch ausschließlich auf die antiken Beobachtungsdaten, auf denen schon Ptolemäus sein Modell errichtet hatte, denn sein oberstes Ziel war es, dessen Erfindung des Äquanten als überflüssig zu erweisen. Um eine annähernde Übereinstimmung mit den Beobachtungsdaten zu erreichen, musste er genau wie Ptolemäus annehmen, dass die Bewegungen der Planeten auf Epizykeln erfolgen, d. h. auf Kreisen, deren Mittelpunkte sich auf anderen Kreisen bewegen. Selbst die Sonne sollte den ansonsten leeren Mittelpunkt der Erdbahn, der von Kopernikus als „mittlere Sonne“ bezeichnet und auch zum Mittelpunkt aller anderen Planetenbahnen gemacht wurde, auf zwei zusammengesetzten Kreisbewegungen umlaufen. Im Commentariolus, der Vorankündigung seines Systems noch ohne die Einzelheiten, gibt Kopernikus an, er benötige nicht 80 Kreisbewegungen wie Ptolemäus, sondern nur 34. Tatsächlich benötigte Kopernikus bei insgesamt gleicher Genauigkeit aber nicht weniger Kreisbewegungen als Ptolemäus, sondern mehr.[10][11]
Dennoch ist das System von Kopernikus wesentlich einfacher als das Ptolemäische: Die Planetenbahnen sind geschlossene und (fast) kreisförmige Kurven statt der komplizierten und nicht periodischen Rosettenbahnen des Epizykelmodells. Kopernikus betonte als seinen größten Erfolg allerdings, dass er die Gleichförmigkeit der Kreisbewegungen gerettet habe, und zwar wirklich in Bezug auf die Kreismittelpunkte, wie es nach Aristoteles auch sein müsste, und nicht auf den von Ptolemäus eingeführten Äquanten als Bezugspunkt.[12] Beide Systeme führten zu Positionsfehlern von bis zu 10 Bogenminuten (1/3 Monddurchmesser). Das war nicht unbedeutend in der damaligen, noch sehr von Astrologie geprägten Zeit, denn es kann in der Vorhersage des Zeitpunkts bestimmter astronomischer Ereignisse einen Fehler von einigen Tagen bedeuten. So z. B. beim Zusammentreffen zweier Planeten oder eines Planeten mit einem Fixstern[13](S. 58), oder bei der Vorhersage eines Zusammentreffens aller Planeten im Sternbild Waage im Jahr 1432, das ebenso wenig stattfand wie die dazu prophezeite Weltkatastrophe.[14](S. 167)
Obwohl Kopernikus seinem Weltmodell keine physikalische Grundlegung gab, stellte er sich in drei wesentlichen Punkten in Gegensatz zur bis dahin vertretenen antiken Naturphilosophie.
- Während Aristoteles die Kreisbewegung der Himmelskörper als natürliche, eigene Bewegung einer Himmelsmaterie (Äther oder quinta essentia) ansah, war nach Kopernikus die Kreisbewegung die unmittelbare Folge der Kugelgestalt der Weltkörper, so dass er als Begründung weder – wie Aristoteles – eine besondere Art himmlischer Materie postulieren noch – wie in voraristotelischer Zeit – eine göttliche Ursache heranziehen musste.[15]
- Während in der aristotelisch-ptolemäischen Denkweise Körper deshalb auf die Erde fallen, weil sie nach dem Weltzentrum streben, das im Erdzentrum liegend gedacht wird, fallen Körper bei Kopernikus auf die Erde, um sich mit ihrer Materie wieder zu vereinigen; somit wird es gleichgültig, ob die Erde im Weltzentrum steht oder nicht.[16]
- Während Ptolemäus eine tägliche Drehung der Erde mit dem Argument ablehnte, ein vertikal hoch geworfener Stein müsse weiter westlich landen und Vögel sowie Wolken müssten nach Westen abdriften, weil sich die Erde unter ihnen wegdrehe, ging Kopernikus von einer Mitdrehung der Atmosphäre und der in ihr enthaltenen Objekte aus.[17]
Mit den letzten beiden Punkten eröffnete Kopernikus einen Weg in Richtung auf die späteren newtonschen Begriffe von Gravitation und Trägheit.
Der Erstausgabe von De revolutionibus orbium coelestium war eine Einleitung von Andreas Osiander beigefügt, in der Kopernikus’ Vorgehen als eine rein mathematische Hypothese vorgestellt wurde, die nicht der Wirklichkeit entspräche. Zu dieser Zeit verstand man unter „Hypothese“ eine bloße Rechenmethode. Es gab noch keine Naturwissenschaft mit dem heutigen Erklärungsanspruch. Das Weltbild wurde im Wesentlichen philosophisch-theologisch gedeutet und begründet, und daneben gab es rezeptartige Anleitungen zur praktischen Berechnung von Positionen der Sterne und Planeten, bei denen es hauptsächlich auf die erreichte Genauigkeit ankam und weniger darauf, ob sie zu den philosophisch-theologisch begründeten Ansichten passten.[18]
Die ersten Beobachtungen, die dem geozentrischen Weltbild direkt widersprachen, gelangen Galileo Galilei 1609/1610. Mit seinem (noch sehr einfachen) Fernrohr entdeckte er die Jupitermonde, also Sterne, die nicht um die Erde kreisen, und die Phasen der Venus, die anders verlaufen, als mit einer Umlaufbahn um die Erde verträglich gewesen wäre.
Das kopernikanische System bedeutete eine wesentliche Vereinfachung des ptolemäischen Systems. Da das kopernikanische System weiterhin von Kreisbahnen ausging, konnte es die mangelhafte Genauigkeit des ptolemäischen Systems nicht merklich verbessern. Doch es widersprach offen dem herrschenden Paradigma, die Erde als Mittelpunkt der Welt anzusehen. Durch diesen Paradigmenwechsel gilt Kopernikus als Auslöser der kopernikanischen Wende und als ein wichtiger Wegbereiter des Übergangs vom mittelalterlichen zum neuzeitlichen Denken.
Mathematische Präzisierung durch Johannes Kepler
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kopernikus hatte sein heliozentrisches Modell fast ausschließlich an dasselbe über tausend Jahre alte Beobachtungsmaterial angepasst, das auch schon vorher Ptolemäus für sein geozentrisches Modell benutzt hatte, denn er wollte die Gleichwertigkeit seines Systems nachweisen, und anderes Material gab es auch nicht in nennenswertem Umfang. Um zwischen beiden Modellen eine Entscheidung treffen zu können, wurden genauere Messungen benötigt. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts gelangen Tycho Brahe über zwei Jahrzehnte hinweg Positionsbestimmungen an den Planeten und fast 1000 Sternen, die erstmals größere Teile der Planetenbahnen abdeckten und deren Genauigkeit von 1 bis 2 Bogenminuten weit über die der alten Daten hinausging.
Johannes Kepler, dem Tycho seine Daten übergeben hatte, stellte in jahrelangen erfolglosen Bemühungen fest, dass sie mit keinem der beiden Systeme zu erklären waren. So ließ sich die maximale Abweichung der berechneten Position des Mars von der beobachteten Bahn nicht unter acht Bogenminuten drücken. Kepler untersuchte die veränderliche Bahngeschwindigkeit der Planeten genauer und fand heraus, dass sie im Epizykelmodell mit kombinierten, aber gleichförmigen Kreisbewegungen nicht darstellbar ist. Er fand heraus, dass die Geschwindigkeit vom aktuellen Abstand des Planeten von der (wahren) Sonne abhängt statt von dem Abstand zur mittleren Sonne. Daher sah er in der Sonne das physikalisch wirksame Zentrum des Planetensystems und interpretierte alle Beobachtungsdaten neu. Er berechnete Abstände und Winkel in Bezug auf die wahre statt auf die mittlere Sonne. Insbesondere suchte er nach einer mathematisch genauen Beschreibung der Bewegung des Mars und erkannte schließlich die Notwendigkeit, die berechneten Werte durch eine besser modellierte Erdbahn zu verbessern. Daher musste er diese zuerst genauer erfassen. Das gelang ihm mithilfe ausgewählter Beobachtungsdaten, bei denen der Mars an derselben Stelle seiner Bahn stand, die Erde aber an verschiedenen. Das ist im Effekt das gleiche, als hätte er den Mars festgehalten und von dort aus die Bewegung der Erde ausgemessen. Die Idee zu diesem Vorgehen konnte nur auf Grundlage des kopernikanischen Modells entstehen. Auf der Grundlage der nun genauer bekannten Erdbahn wertete er die Marsbeobachtungen neu aus und fand, dass weitaus am besten eine elliptische Bahn passt (Astronomia Nova, 1609, mit dem 1. und 2. der drei Keplerschen Gesetze).[19][20][21] Dies überprüfte er an den übrigen Planeten, einschließlich der Erde selbst, und dem Mond (bei dem die Erde im Brennpunkt der Ellipse steht). Dabei entdeckte er als 3. Keplersches Gesetz den Zusammenhang zwischen der Größe der Bahn und der Umlaufzeit des Himmelskörpers (Harmonices mundi libri V, 1619). Damit konnte Kepler die umfassende Beschreibung des Sonnensystems in drei Keplerschen Gesetzen der Planetenbewegung zusammenfassen, mit denen sich gegenüber Kopernikus und Ptolemäus eine etwa zehnfach verbesserte Genauigkeit für die Berechnung der Planetenpositionen ergab.
Den Durchbruch verdankte Kepler seinem wichtigen neuen Leitgedanken: Da die Planeten nicht unbeeinflusst und mit gleichförmiger Geschwindigkeit ihre vorbestimmten Kreisbahnen vollziehen (wie es ihrer angenommenen himmlischen Natur entsprochen hätte), braucht es für die Abweichungen eine ständig wirksame Ursache, die nicht in einem bloßen mathematischen Punkt wie der mittleren Sonne, sondern nur in der wahren Sonne liegen kann. In Keplers heliozentrischem System ist die Sonne nicht mehr nur der zentralste Körper im Planetensystem, sondern auch der, der als einziger auf alle anderen eine Wirkung ausübt. Obwohl Kepler von dieser „Kraft“ und ihrer Wirkungsweise falsche Vorstellungen hatte, fügte er dem heliozentrischen Weltbild damit ein entscheidendes Element hinzu und bereitete die Entwicklung der späteren Himmelsmechanik vor.
Physikalische Begründung durch Isaac Newton
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Isaac Newton fand in seinem 1687 erschienenen Hauptwerk Philosophiae Naturalis Principia Mathematica eine Formulierung der Mechanik, die zur Grundlage der heutigen Klassischen Mechanik wurde. Geleitet von den drei Keplerschen Gesetzen und der Idee, Gesetze der irdischen Mechanik auch auf das Geschehen im Kosmos anwenden zu können, entdeckte er das allgemeine Gravitationsgesetz und konnte daraus die Keplerschen Gesetze herleiten. Damit war erstmals ein astronomisches Weltbild auf eine feste physikalische Grundlage gestellt.
Im Rahmen der Newtonschen Physik steht allerdings nicht die Sonne selbst im gemeinsamen Brennpunkt aller elliptischen Bahnen der Planeten, sondern der Schwerpunkt (Baryzentrum) des gesamten Sonnensystems. Aufgrund der starken Gravitationswirkung massereicher Planeten – insbesondere Jupiter, aber auch Saturn – befindet sich dieser gemeinsame Schwerpunkt meist innerhalb, gelegentlich jedoch deutlich außerhalb des Sonnenradius, wodurch strenggenommen auch das heliozentrische System nicht exakt zutrifft. Die Sonne führt deshalb ihrerseits eine Bewegung um diesen Schwerpunkt aus, der sich zeitweise um bis zu zwei Sonnenradien vom Sonnenmittelpunkt entfernt befinden kann.[22]
Zudem erkannte Newton, dass Keplers Ellipsen auch nur Näherungen an die wirklichen Planetenbahnen sind. Die elliptische Form stimmt nur dann exakt, wenn man die Anziehungskräfte der Planeten untereinander vernachlässigt. Diese verursachen kleine Abweichungen, die Bahnstörungen genannt werden. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden die mathematischen Methoden entwickelt, mit denen die Bahnstörungen berechnet werden konnten. Dadurch stieg die Genauigkeit der Vorhersagen noch einmal um etwa das Fünfzigfache.
Mit genaueren astronomischen Instrumenten als zu Galileis Zeiten konnte die Richtigkeit des heliozentrischen Systems, insbesondere die jährliche und die tägliche Bewegung der Erde, durch Messungen belegt werden. Die Bahnbewegung der Erde wurde 1725 von James Bradley durch die Entdeckung der Aberration und 1838 von Friedrich Wilhelm Bessel durch die Entdeckung der jährlichen Parallaxe der Sterne nachgewiesen. Fallexperimente zum Nachweis der Erdrotation wurden ab 1800 durchgeführt. Der direkte Beweis der Erdrotation gelang 1851 mithilfe des Foucaultschen Pendels.
Rezeption
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Schon bei Aristarch im 3. Jahrhundert v. Chr. wurde das heliozentrische Weltbild als „antireligiös“ eingestuft. Das galt auch im christlichen Europa, weshalb dieses Weltbild bis ins 16. Jahrhundert n. Chr. ohne Bedeutung blieb.
Nach dem 11. Jahrhundert wurden arabische Texte zunehmend in der Übersetzerschule von Toledo ins Lateinische übertragen. Der Franziskaner Bonaventura von Bagnoregio referierte über ein darin enthaltenes heliozentrisches Weltbild in seinen Collationes in Hexaemeron 1273 und deutete es theologisch auf Christus als die Mitte der Schöpfung. Ihm folgten in der Diskussion Nikolaus von Oresme und Nicolaus Cusanus. Die meisten Gelehrten jedoch sahen in dem Weltbild mit einer rotierenden oder gar um die Sonne kreisenden Erde das Problem, dass Menschen und Gegenstände schräg fallen oder sogar in den Weltraum hinausfliegen sollten; ein vom Turm fallender Gegenstand sollte aufgrund der nach Osten gerichteten Erdrotation nicht genau senkrecht auf dem Boden auftreffen, sondern nach Westen abgelenkt werden. Auch schien die Bibel dem heliozentrischen Weltbild zu widersprechen, indem sie berichtet, Gott habe im Kampf der Israeliten gegen die Amoriter einmal dem Mond und der Sonne befohlen stillzustehen Jos 10,12-13 LUT, nicht der Erde.
Gegen das heliozentrische Weltbild forderte der katholische Mönchsorden der Dominikaner ein Lehrverbot, das sich aber zunächst nicht durchsetzte. Auch Protestanten äußerten sich im 16. Jahrhundert entschieden gegen das kopernikanische Weltbild. Vielfach wird dargestellt, dass Martin Luther selbst sich in einem Tischgespräch (1539) mit deutlichen Worten dagegen gewandt habe: „Dieser Dummkopf möchte die gesamte Kunst der Astronomie verdrehen.“[23] Hierbei handelt es sich jedoch wahrscheinlich um eine nachträgliche Verschärfung, denn die ursprünglichste Quelle für dies Zitat sagt hier nur: „Wie es derjenige macht, der die gesamte Astronomie umkehren will“.[24] Weiter ist von Luther keine einzige Stellungnahme zum heliozentrischen Weltbild bekannt.
Als Kompromiss entwickelte Tycho ein System, in dem die Erde stillsteht und von der Sonne und dem Mond umkreist wird, während die übrigen Planeten – wie im kopernikanischen System – die Sonne umkreisen. Die Astronomen der Jesuiten in Rom standen diesem System anfangs skeptisch gegenüber wie zum Beispiel Christophorus Clavius, der kommentierte, dass Tycho Brahe „die ganze Astronomie verwirrte, weil er den Mars näher als die Sonne haben möchte.“ Als die Kirche nach 1616 härter gegen kopernikanische Ideen vorging, wechselten die Jesuiten zu Brahes System. Ab 1633 war der Gebrauch dieses Systems verbindlich.
Tycho bestärkte aber auch die Zweifel am herrschenden Weltbild, weil er weder bei der Supernova von 1572 noch am Kometen von 1577 eine messbare Parallaxe feststellen konnte und daraus folgerte, dass beide sich weit außerhalb der Mondbahn befinden müssten. Dort sollte nach damaliger, von Aristoteles geprägter Lehre aber himmlische Perfektion herrschen, so dass es insbesondere keine Vorgänge von Entstehen und Vergehen geben dürfe.
Zu dieser Zeit wurden die physikalischen Auffassungen des Aristoteles und damit das von der Kirche vertretene Weltbild durch die ersten Ergebnisse der beginnenden Naturwissenschaft im heutigen Sinne in Zweifel gezogen oder sogar widerlegt. Zu nennen ist insbesondere Galileo Galilei mit seinen Experimenten zum freien Fall und zum schiefen Wurf und seinen Entdeckungen der Venusphasen und der Monde des Jupiter. Die katholische Kirche begann, das geozentrische Weltbild streng zu verteidigen. Papst Urban VIII. hatte 1624 die Galileis Arbeit Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme (d. h. des geo- und des heliozentrischen Weltbilds) als Hypothese zwar initiiert, stellte sich aber nach dessen Veröffentlichung 1632 dagegen.
In einem viel beachteten Inquisitionsverfahren wurde Galilei beschuldigt, „…eine falsche Lehre, die durch viele unterrichtet wurde, nämlich, dass die Sonne in der Mitte der Welt unbeweglich ist und dass die Erde sich bewegt“ zu vertreten. Der abschließende Urteilsspruch war, er habe sich der „Ketzerei“ schuldig gemacht. Mit dem Fall Galilei wurde der Konflikt zwischen kirchlichem Autoritätsanspruch und freier Wissenschaft zum ersten Mal über die Kirche hinaus ins gesellschaftliche Bewusstsein gehoben.
Ausgelöst durch die allgemeine Anerkennung, die Newton mit seinen Ergebnissen in der wissenschaftlichen Welt fand, hob Papst Benedikt XIV. am 17. April 1757 den Bann gegen die Werke auf, die das heliozentrische Weltbild vertraten. Am 11. September 1822 entschied die Kongregation der römischen und allgemeinen Inquisition, dass der Druck und die Publikation von Werken, die die Bewegung von Planeten und Sonne in Übereinstimmung mit der Auffassung der modernen Astronomen darstellten, erlaubt sei.
Nachdem schon in der Antike der Gedanke eines unbegrenzten Weltalls ausgesprochen worden war (Leukipp, Demokrit, Lukrez), zeigte Nikolaus von Kues im 15. Jahrhundert, dass in einem unendlichen Weltall die Erde kein Mittelpunkt sein kann, genau so wenig wie irgendein anderer Himmelskörper, womit er sowohl ein geozentrisches wie ein heliozentrisches Weltbild ausschloss.[25] Diese Ansichten wurden später auch von Thomas Digges und Giordano Bruno vertreten und setzten sich Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts als Lehrmeinung durch, schon bevor im 20. Jahrhundert Galaxien außerhalb der Milchstraße entdeckt wurden. Das heliozentrische Weltbild wurde ab etwa 1930 durch das kosmologische Prinzip allmählich ersetzt.
Das kosmologische Prinzip besagt, dass es prinzipiell keinen Ort gibt, der vor einem anderen ausgezeichnet ist, also auch kein Zentrum. Weltbilder, die einen bestimmten Ort im Universum hervorheben, gelten als überholt. Zusammen mit der Isotropie des Universums, also dass keine Richtung ausgezeichnet ist, bildet das kosmologische Prinzip den Grundpfeiler des Standardmodells der Kosmologie, das durch Beobachtung des beobachtbaren Universums gestützt wird.
Allerdings ist das kosmologische Prinzip nur auf großen Skalen, die Millionen Lichtjahre umfassen, anwendbar. In kleineren Systemen wie z. B. einer Galaxie (typischerweise einige 100.000 Lichtjahre groß) oder unserem Sonnensystem (weniger als 1/1000 Lichtjahr groß) lassen sich ausgezeichnete Punkte angeben. Somit ist zwar die Sonne nicht das Zentrum des Universums, bildet aber die Mitte des Sonnensystems, da dessen Schwerpunkt sich niemals weiter als etwa einen Sonnenradius von der Sonnenoberfläche entfernt und oft sogar innerhalb liegt.
Ebenso ist physikalisch betrachtet nach der Allgemeinen Relativitätstheorie jedes frei fallende System gleichberechtigt. Abgesehen von der Eigenrotation der Erde ist daher, genau wie in der Newtonschen Mechanik, ein Wechsel vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild nur eine Koordinatentransformation. Da die Sonne dem Schwerpunkt des Sonnensystems am nächsten kommt, ist das heliozentrische Bezugssystem fast identisch mit dem Schwerpunktsystem und dient daher oft als einfaches Bezugssystem für die Darstellung von Vorgängen im Sonnensystem.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Eduard Jan Dijksterhuis: Die Mechanisierung des Weltbildes. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 1956. (Reprint 1983 (mit einem Geleitwort von Heinz Maier-Leibnitz), ISBN 3-540-02003-9)
- Jürgen Hamel: Astronomiegeschichte in Quellentexten. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1996, ISBN 3-8274-0072-4.
- Dieter B. Herrmann: Entdecker des Himmels. Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1979, ISBN 3-7609-0454-8.
- Martin Holder: Die Kepler-Ellipse: Eine alte Geschichte neu erzählt. (PDF; 22,2 MB) Uni Siegen, 2015, abgerufen am 20. Juni 2025 (ein detaillierter Bericht über Keplers Vorgehen beim Auffinden der Planetengesetze).
- Arthur Koestler: Die Nachtwandler. Das Bild des Universums im Wandel der Zeit. Scherz, Bern / Stuttgart / Wien 1959, ISBN 3-518-37079-0 (560 S., englisch: The Sleepwalkers. A History of Man's Changing Vision of the Universe. 1959. Übersetzt von Wilhelm Michael Treichlinger).
- Jürgen Teichmann: Wandel des Weltbildes (= Kulturgeschichte der Naturwissenschaften und Technik). 2. Auflage, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1985, ISBN 3-499-17721-8.
- Ernst Zinner: Entstehung und Ausbreitung der copernicanischen Lehre. 2. Auflage. durchgesehen und ergänzt von Heribert M. Nobis und Felix Schmeidler. C. H. Beck, München 1988, ISBN 3-406-32049-X.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Jens Puhle: Das Heliozentrische Weltbild und die Keplerschen Gesetze der Planetenbewegungen. (Streaming; Dauer 11:16) Abgerufen am 20. Juni 2025.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Eduard Jan Dijksterhuis: Die Mechanisierung des Weltbildes. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 1956, ISBN 3-540-02003-9. Dijksterhuis (IV—12) argumentiert, dass der gewöhnlich verwendete Name „heliozentrisch“ noch weniger die Natur des kopernikanischen Systems ausdrückt als der von „geozentrisch“ das System von Ptolemäus.
- ↑ Aristoteles: De Caelo, Buch 2, Kapitel 13
- ↑ Jeffrey O. Bennett, Harald Lesch: Astronomie: die kosmische Perspektive. Addison-Wesley in Pearson Education Deutschland, 2010, ISBN 978-3-8273-7360-1, S. 68.
- ↑ Bartel Leendert van der Waerden: The Heliocentric System in Greek, Hindu and Persian Astronomy. In: Annals of the New York Academy of Sciences. Band 500, 1987, S. 525–545.
- ↑ Hugh Thurston: Early Astronomy. Springer-Verlag, New York 1993, ISBN 0-387-94107-X.
- ↑ Dijksterhuis 1988, S. 67, 73.
- ↑ Herrmann 1979, S. 54.
- ↑ Jürgen Hamel: Geschichte der Astronomie. 2. Auflage. Kosmos-Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-440-09168-6, S. 123, 128.
- ↑ Dijksterhuis 1988, S. 320.
- ↑ Arthur Koestler: Die Nachtwandler – Die Entstehungsgeschichte unserer Welterkenntnis. 3. Auflage. Suhrkamp Taschenbuch, Band 579, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-518-37079-0, S. 190 ff. Die genaue Anzahl der Kreisbewegungen beträgt im Hauptwerk aber nach Koestlers Zählung 48. Dagegen brauchte das ptolemäische System nicht 80 Epizyklen, wie von Kopernikus behauptet, sondern in seiner zuletzt 1453 durch Peurbach aktualisierten Fassung nur 40. Dijksterhuis (1988, IV—9) hingegen argumentiert, dass das kopernikanische System es erlaubte, die Anzahl der Epizyklen um fünf Einheiten zu reduzieren.
- ↑ Jürgen Hamel: Astronomiegeschichte in Quellentexten. Spektrum Akad. Verlag, Heidelberg 1996, ISBN 3-8274-0072-4, S. 30 ff.
- ↑ Dijksterhuis 1988, S. 321.
- ↑ Robert Wilson: Astronomy through the Ages. Taylor and Francis, London 1997, ISBN 0-7484-0748-0.
- ↑ Károly Simoniy: Kulturgeschichte der Physik. Harri Deutsch, Frankfurt 2012, ISBN 978-3-8171-1651-5.
- ↑ Dijksterhuis 1983, S. 36, 322.
- ↑ Dijksterhuis 1983, S. 323.
- ↑ Dijksterhuis 1983, S. 72, 322.
- ↑ Eduard Jan Dijksterhuis: Die Mechanisierung des Weltbildes. Springer, Heidelberg 1966, S. 330 ff.
- ↑ Hugh Thurston: Early Astronomy. Springer Verlag, New York [u. a.] 1994, ISBN 0-387-94107-X, S. 220 ff.
- ↑ Bruce Stephenson: Kepler’s Physical Astronomy. Springer, New York 1987, ISBN 1-4613-8739-6, doi:10.1007/978-1-4613-8737-4.
- ↑ Martin Holder: Die Kepler-Ellipse. Universitätsverlag Siegen, Siegen 2015, ISBN 978-3-936533-64-4 (online [abgerufen am 18. Dezember 2017]).
- ↑ Jean Meeus: Mathematical astronomy morsels. Richmond, Va. 2009, ISBN 978-0-943396-92-7, S. 165.
- ↑ Nicolaus-Copernicus-Edition, Band VI,2: Documenta Copernicana. Urkunden, Akten und Nachrichten. Texte und Übersetzungen. Bearb. von Andreas Kühne und Stefan Kirschner. Akademie Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-05-003009-7, S. 372.
- ↑ Andreas Kleinert: Eine handgreifliche Geschichtslüge. Wie Martin Luther zum Gegner des copernicanischen Weltsystems gemacht wurde. In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte. 26/2003, S. 101–111.
- ↑ Herrmann 1979, S. 36, 55.