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„Friesennerz“ – Versionsunterschied

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'''Friesennerz''' (auch: [[Ostfriesland|Ostfriesen]]nerz) ist eine Regenschutzbekleidung, die zwischen Beginn der siebziger bis Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts populär war und heute [[Kult (Status)|Kultstatus]] erreicht hat. Es handelt sich dabei ursprünglich um eine dauerhaft wasserdichte Textilie für Berufsfischer und Segelssport. ([[Ölzeug]]). Sie zeichnet sich neben der Funktionalität durch große Sichtbarkeit aus (leuchtendes gelb, orange). Als Trägermaterial dient [[Polyester]], die Wasserfestigkeit ergibt sich durch eine [[PVC]]-Beschichtung in unterschiedlichen Stärken je nach Beanspruchungsgrad.
Der '''Friesennerz''' (auch: ''Ostfriesennerz'') ist die [[metaphorisch]]-[[Ironie|ironische]] Bezeichnung für eine [[Regenschutz|Regenschutzbekleidung]], die ungefähr zwischen [[1970]] und [[1985]] beliebt war. Es handelt sich dabei ursprünglich um eine dauerhaft [[Wasserdichtigkeit|wasserdichte]] Textilie für Berufsfischer und den Segelsport ([[Ölzeug]]). Sie zeichnet sich neben der [[Funktionalität (Produkt)|Funktionalität]] durch große Sichtbarkeit aus (leuchtendes Gelb, Orange). Als Trägermaterial dient [[Polyester]], die Wasserfestigkeit ergibt sich durch eine [[Polyvinylchlorid|PVC]]-Beschichtung in unterschiedlichen Stärken je nach Beanspruchungsgrad.


Charakteristisch sind die große [[Kapuze]], voluminöse Taschen mit Klappen und eine Frontleiste mit Druckknöpfen. Die Nähte sind entweder verschweißt oder wenn sie genäht sind, von innen verklebt.
Charakteristisch sind die große [[Kapuze]], voluminöse Taschen mit Klappen und eine Frontleiste mit [[Druckknopf|Druckknöpfen]]. Die Nähte sind entweder [[Verschweißen|verschweißt]] oder, falls sie genäht sind, von innen verklebt.


Von der Küste kommend, erlebte diese für maritime Zwecke gedachte Schutzkleidung einen Boom im [[Binnenland]]. Die Beliebtheit des Friesennerzes wurde als „Verwirklichung des Kommunismus auf modischem Gebiet“ bezeichnet, da es wohl kaum jemanden gab, der diese Jacke nicht getragen hätte oder sich ihre Anschaffung nicht hätte leisten können.<ref>Sybille Simon-Zülch: {{Webarchiv | url=http://www.mare.de/mare/hefte/beitrag-buend.php?id=203&&heftnummer=11 | wayback=20071108052822 | text=''Das Ende der Farbe Gelb. Warum die Alternativbewegung auf ihren Ostfriesennerz verzichtete. Eine Erinnerung.''}} ''Mare'' Nr.&nbsp;11, ''Wind & Wetter.'' Dezember 1998/Januar 1999.</ref>


== Der klassische Friesennerz ==
Von der Küste kommend erlebte diese für maritime Zwecke gedachte Schutzkleidung
einen Boom auf dem Festland.
Die Beliebtheit des Friesennerzes wurde mit der „Verwirklichung des Kommunismus auf modischen Gebiet“ verglichen, da es wohl kaum jemand gab, der diese Jacke nicht getragen hätte oder sich nicht ihre Anschaffung leisten gekonnt hätte.(Sibylle Simon-Zülch, in mare No. 11: DAS ENDE DER FARBE GELB)


Zum Erfolg beigetragen hat das Prinzip der beidseitig tragbaren Regenwendejacke, im Jahre 1968 entworfen von Jan E. Ansteen Nielsson, dem Gründer von Jeantex aus dem kleinen dänischen Ort [[Hørve (Dänemark)|Hørve]]. Dieses Design wird heute als der klassische Friesennerz angesehen. Die Wendejacke war vom Schnitt her einem Bundeswehr-[[Parka]] ähnlicher als dem einer Öljacke. In der ursprünglichen Fassung wurde auf dem auch nach außen tragbaren Trägermaterial [[Viskosefaser|Viskose]] (Rayon, [[Acetate|Acetat]]) eine Schicht aus synthetischem [[Naturkautschuk|Kautschuk]] aufgetragen (Gummierung), die 1985 durch eine haltbarere PVC-Beschichtung abgelöst wurde. Neben der dominierenden Kombination (blaue Viskose/gelber Kautschuk oder PVC) gab es eine Reihe weiterer Farbkombinationen. Neben den großen Taschen und der weiten Kapuze wurde an weitere sinnvolle Details gedacht, wie eine oder zwei Brusttaschen, einen durch eine Knopfleiste verdeckten [[Reißverschluss]] und Ösen zur Belüftung am Ärmelansatz.
==Der klassische Friesennerz==


== Friesennerz in der DDR ==
Zum Erfolg beigetragen hat ein im Jahre 1968 von Jan E. Ansteen Nielsson (der Gründer von Jeantex), aus dem kleinen dänischen Ort Hörve, entworfenes Design, die beidseitig tragbare Regenwendejacke, welche heute als der klassische Friesennerz angesehen wird. Sie war vom Schnitt her einem Bundeswehr-[[Parka]] ähnlicher als der Öljacke. In ihrer ursprünglichen Fassung wurde auf dem auch nach außen tragbaren Trägermaterial [[Viskose]] ([[Rayon]], [[Acetat]]) eine Schicht aus synthetischem Kautschuk (gummiert) aufgetragen, die 1985 durch eine haltbarere PVC-Beschichtung abgelöst wurde. Neben der dominierenden Kombination (blaue Viskose/gelber [[Kautschuk]] oder PVC) gab es eine Reihe weitere Farbkombinationen. Neben den großen Taschen und weiten Kapuze wurden weitere Details gedacht, wie eine oder zwei Brusttaschen oder einen durch eine Knopfleiste verdeckten [[Reißverschluss]] und Ösen zur Belüftung am Ärmelansatz.
Auch in der DDR war der Friesennerz von 1983 bis 1987 aktuell und wurde in Eigenproduktion hergestellt. Um markenrechtliche Auseinandersetzungen mit Jeantex zu vermeiden, erfuhr der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]]-Friesennerz (Marke ''elpico'', Hersteller: VEB Jugendmode) außer seiner Bezeichnung – er hieß offiziell ''Wetterwendejacke'' – noch einige weitere Änderungen: Es gab ihn in einer längeren und einer kürzeren Version. Die gelbe Regenseite bestand aus weichem PVC, die blaue Seite aus [[Polyamide#Nylon|Nylon]] oder Mischgewebe. Er hatte auf der gelben Seite blanke Druckknöpfe an den Taschen sowie einen zwischen Reißverschlussende und Saum.<ref>[http://www.elpico-friesennerz.de/Daten_Fakten.htm ''Daten und Fakten zum elpico''] auf elpico-friesennerz.de, abgerufen am 23. Februar 2014.</ref>


Die ''Wetterwendejacke'' war allerdings vom Material her nicht allzu robust und mit 120 Mark sehr teuer.
==Friesennerz in der DDR==


== Bezeichnung und Popularität ==
Auch in der DDR war der Friesennerz von 1981 bis 1985 aktuell und wurde in Eigenproduktion hergestellt.
[[Datei:Dackel-Friesennerz.JPG|mini|Friesennerz für [[Dackel]]]]
Um patentrechtliche Auseinandersetzungen mit Jeantex zu vermeiden, erfuhr der DDR-Friesennerz (Marke "elpico", Hersteller: VEB Jugendmode) außer seiner Bezeichnung - er hieß offiziell "Wetterwendejacke" noch einige Änderungen:
Es gab ihn in einer längeren und einer kürzeren Version. Die gelbe Regenseite bestand aus weichem PVC, die blaue Seite aus [[Nylon]] oder Mischgewebe. Er hatte auf der gelben Seite blanke Druckknöpfe: an den Taschen sowie einen zwischen Reissverschlussende und Saum.
Die "Wetterwendejacke" war allerdings vom Material her nicht allzu robust und mit 120 Mark sehr teuer.


Die Bezeichnung „Friesennerz“ oder „Ostfriesennerz“ für die Öljacken und ihre Varianten kam erst spät mit den [[Ostfriesenwitz]]en auf und beendete auch die Trendwelle, hat aber bis heute in der Umgangssprache ihren festen Platz behalten. Allerdings kamen noch andere Faktoren dazu. Der technische Fortschritt ermöglichte atmungsfähigere Materialien. Des Weiteren war der Markt so weit gesättigt, dass sich eine Produktion und Vermarktung in großem Umfang nicht mehr lohnte, und die nachwachsende Generation stieg auf Markenprodukte mit Status-Charakter um.
==Bezeichnung und Kult==


Der Friesennerz ist im Straßenbild nur noch selten anzutreffen; er hat aber im Internet eine stetig wachsende Fangemeinde, die in Foren und auf selbstgestalteten Webseiten dieses Kultkleidungsstücks gedenkt. Obwohl er als Neuware sowohl in der alten Form als auch in neuem Design erhältlich ist, erzielen die gebrauchten gummierten Friesennerze bei Internetauktionen hohe Preise.
Die Bezeichnung Friesennerz oder Ostfriesennerz sowohl für die Öljacken, ihre Varianten als auch für den Klassiker selbst kam erst später mit den [[Ostfriesenwitz]] auf und beendete auch die Trendwelle, hat aber bis heute in der Umgangssprache ihren festen Platz behalten. Allerdings kamen noch andere Faktoren dazu. Der technische Fortschritt ermöglichte atmungsfähigere Materialien. Desweiteren war der Markt so weit gesättigt, dass sich eine Produktion und Vermarktung im großen Umfang nicht mehr lohnte und die nachwachsende Generation stieg auf Markenprodukte mit Statuscharakter um.


== Einzelnachweise ==
Obwohl der Friesennerz im Straßenbild nur noch selten anzutreffen ist, hat er im Internet eine stetig wachsende Fangemeinde, die in Foren und auf selbstgestalteten Webseiten diesem Kultkleidungsstück gedenken. Obwohl er als Neuware sowohl in der alten Form als auch in neuem Design erhältlich ist, erzielen die gebrauchten gummierten Friesennerze hohe Preise bei Internetauktionen.


<references />
==Weblinks==

* [http://www.mare.de/mare/hefte/beitrag-buend.php?id=203&&heftnummer=11 ''Das Ende der Farbe Gelb''] - Warum die Alternativbewegung auf ihren Ostfriesennerz verzichtete. Eine Erinnerung (Von Sybille Simon-Zülch'' Mare No. 11 Wind & Wetter Dez. 1998/Jan. 1999)
== Weblinks ==
* [http://www.toms-friesennerze.de/index2.htm'' Toms Friesennerze] Fanseite mit weiterführenden Informationen und links

* [http://www.modekultur.info/index_de/friesennerz Trend des Monats April Friesennerz] Bericht über den Friesennerz in modekultur.info
* [http://www.stern.de/lifestyle/mode/:Wer-...-...-Friesennerz/575050.html Wer steckt hinter dem Friesennerz?] Bericht über den Friesennerz im Stern von Katja Weiland von Ruville


[[Kategorie:Schutzkleidung]]
[[Kategorie:Schutzkleidung]]
[[Kategorie:Jacke]]
[[Kategorie:Kostümkunde des 20. und 21. Jahrhunderts]]
[[Kategorie:Kunststoffprodukt]]
[[Kategorie:Regenschutz]]


[[en:Oilskin]]
[[en:Oilskin]]

Aktuelle Version vom 13. Februar 2024, 14:02 Uhr

Friesennerz Original

Der Friesennerz (auch: Ostfriesennerz) ist die metaphorisch-ironische Bezeichnung für eine Regenschutzbekleidung, die ungefähr zwischen 1970 und 1985 beliebt war. Es handelt sich dabei ursprünglich um eine dauerhaft wasserdichte Textilie für Berufsfischer und den Segelsport (Ölzeug). Sie zeichnet sich neben der Funktionalität durch große Sichtbarkeit aus (leuchtendes Gelb, Orange). Als Trägermaterial dient Polyester, die Wasserfestigkeit ergibt sich durch eine PVC-Beschichtung in unterschiedlichen Stärken je nach Beanspruchungsgrad.

Charakteristisch sind die große Kapuze, voluminöse Taschen mit Klappen und eine Frontleiste mit Druckknöpfen. Die Nähte sind entweder verschweißt oder, falls sie genäht sind, von innen verklebt.

Von der Küste kommend, erlebte diese für maritime Zwecke gedachte Schutzkleidung einen Boom im Binnenland. Die Beliebtheit des Friesennerzes wurde als „Verwirklichung des Kommunismus auf modischem Gebiet“ bezeichnet, da es wohl kaum jemanden gab, der diese Jacke nicht getragen hätte oder sich ihre Anschaffung nicht hätte leisten können.[1]

Der klassische Friesennerz

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Zum Erfolg beigetragen hat das Prinzip der beidseitig tragbaren Regenwendejacke, im Jahre 1968 entworfen von Jan E. Ansteen Nielsson, dem Gründer von Jeantex aus dem kleinen dänischen Ort Hørve. Dieses Design wird heute als der klassische Friesennerz angesehen. Die Wendejacke war vom Schnitt her einem Bundeswehr-Parka ähnlicher als dem einer Öljacke. In der ursprünglichen Fassung wurde auf dem auch nach außen tragbaren Trägermaterial Viskose (Rayon, Acetat) eine Schicht aus synthetischem Kautschuk aufgetragen (Gummierung), die 1985 durch eine haltbarere PVC-Beschichtung abgelöst wurde. Neben der dominierenden Kombination (blaue Viskose/gelber Kautschuk oder PVC) gab es eine Reihe weiterer Farbkombinationen. Neben den großen Taschen und der weiten Kapuze wurde an weitere sinnvolle Details gedacht, wie eine oder zwei Brusttaschen, einen durch eine Knopfleiste verdeckten Reißverschluss und Ösen zur Belüftung am Ärmelansatz.

Friesennerz in der DDR

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Auch in der DDR war der Friesennerz von 1983 bis 1987 aktuell und wurde in Eigenproduktion hergestellt. Um markenrechtliche Auseinandersetzungen mit Jeantex zu vermeiden, erfuhr der DDR-Friesennerz (Marke elpico, Hersteller: VEB Jugendmode) außer seiner Bezeichnung – er hieß offiziell Wetterwendejacke – noch einige weitere Änderungen: Es gab ihn in einer längeren und einer kürzeren Version. Die gelbe Regenseite bestand aus weichem PVC, die blaue Seite aus Nylon oder Mischgewebe. Er hatte auf der gelben Seite blanke Druckknöpfe an den Taschen sowie einen zwischen Reißverschlussende und Saum.[2]

Die Wetterwendejacke war allerdings vom Material her nicht allzu robust und mit 120 Mark sehr teuer.

Bezeichnung und Popularität

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Friesennerz für Dackel

Die Bezeichnung „Friesennerz“ oder „Ostfriesennerz“ für die Öljacken und ihre Varianten kam erst spät mit den Ostfriesenwitzen auf und beendete auch die Trendwelle, hat aber bis heute in der Umgangssprache ihren festen Platz behalten. Allerdings kamen noch andere Faktoren dazu. Der technische Fortschritt ermöglichte atmungsfähigere Materialien. Des Weiteren war der Markt so weit gesättigt, dass sich eine Produktion und Vermarktung in großem Umfang nicht mehr lohnte, und die nachwachsende Generation stieg auf Markenprodukte mit Status-Charakter um.

Der Friesennerz ist im Straßenbild nur noch selten anzutreffen; er hat aber im Internet eine stetig wachsende Fangemeinde, die in Foren und auf selbstgestalteten Webseiten dieses Kultkleidungsstücks gedenkt. Obwohl er als Neuware sowohl in der alten Form als auch in neuem Design erhältlich ist, erzielen die gebrauchten gummierten Friesennerze bei Internetauktionen hohe Preise.

Einzelnachweise

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  1. Sybille Simon-Zülch: Das Ende der Farbe Gelb. Warum die Alternativbewegung auf ihren Ostfriesennerz verzichtete. Eine Erinnerung. (Memento vom 8. November 2007 im Internet Archive) Mare Nr. 11, Wind & Wetter. Dezember 1998/Januar 1999.
  2. Daten und Fakten zum elpico auf elpico-friesennerz.de, abgerufen am 23. Februar 2014.