„JJ1“ – Versionsunterschied
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[[Datei:JJ1 (Bruno) im Museum Mensch und Natur 002.jpg|mini|JJ1, heute ausgestellt im Münchner ''Museum Mensch und Natur'' als Räuber von [[Bienenwabe]]n]] |
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{{Neuigkeiten}} |
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'''JJ1''', bekannt geworden als '''„Bruno“''' (* [[2004]] im [[Naturpark Adamello-Brenta]], [[Trentino]]; † [[26. Juni]] [[2006]] nahe [[Bayrischzell]], [[Bayern]]), war ein [[Braunbär]], der im Mai 2006 aus der italienischen Provinz Trient nach Norden wanderte, sich längere Zeit im [[Bayern|bayerisch]]-[[österreich]]ischen Grenzgebiet aufhielt und mehrfach die Landesgrenze überschritt. Er war seit über 170 Jahren der erste Braunbär, der in Deutschland in freier Wildbahn gesichtet wurde. Der letzte bekannte Braunbär war 1835 im bayerischen [[Ruhpolding]] erlegt worden; erst 2019 ließ sich wieder ein Bär in Bayern nachweisen. |
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[[Bild: Ours brun parcanimalierpyrenees 1.jpg|300px|thumb|Braunbär (Ursus arctos) im Parc animalier des Pyrénées, 2005.]] |
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Während seiner Streifzüge schlug Bruno auch Haus- und Nutztiere, vor allem Schafe, zum Teil auch innerhalb von Siedlungen oder in deren Nähe. Daraufhin stufte die Bayerische Staatsregierung ihn als „[[Problembär]]en“ ein, der eine Bedrohung für den Menschen darstelle, und gab ihn – trotz deutlicher Proteste – schließlich zum Abschuss frei. Diese Freigabe wurde nach massiver Kritik seitens Experten und in öffentlichen Diskussionen zeitweise zurückgezogen. Drei Wochen lang versuchte man mit verschiedenen Methoden, Bruno lebend zu fangen. Am 26. Juni 2006 erlegten ihn vier Männer in der Nähe der [[Rotwand (Bayern)|Rotwand]] in Bayern. |
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'''JJ1''', auch bekannt als „Bruno“, (* [[2004]] in [[Trentino]], † am [[26. Juni]] [[2006]] (geschossen) in [[Schliersee (Ort)|Schliersee]]) war der erste [[Braunbär]] seit über 170 Jahren, der nach [[Bayern]] eingewandert war und im Grenzgebiet zwischen [[Österreich]] und [[Deutschland]] wochenlang für großes Aufsehen sorgte. |
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Bruno wurde während seiner Wanderung zu einem Politikum und internationalen Medienereignis, über das unter anderem auch die [[The New York Times|New York Times]]<ref>{{Internetquelle |url=http://www.nytimes.com/2006/06/16/world/europe/16bear.html |titel=Herr Bruno Is Having a Picnic, but He's No Teddy Bear |abruf=2011-11-01 |autor=MARK LANDLER |werk=The New York Times |datum=2006-06-16 |sprache=en}}</ref> berichtete. Zahlreiche Menschen und Gruppen solidarisierten sich mit dem Bären. Der Kadaver wurde präpariert und ist seit dem 27. März 2008 im [[Schloss Nymphenburg]] im [[Museum Mensch und Natur]] ausgestellt, wo auch das Präparat des 1835 in Bayern geschossenen Braunbären zu sehen ist. |
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Bekannt wurde er vor allem deshalb, weil er der erste freilebende Bär war, der nach über 170 Jahren wieder in Bayern gesichtet wurde. Der mit zwei Jahren noch junge und unerfahrene Bär wurde jedoch rasch zum so genannten „''Problembären''“ erklärt, da er sich auf seinem Weg in der Nähe menschlicher Siedlungen mit Nahrung versorgte indem er Fischteiche, Hühnerställe, sowie [[Bienenstock|Bienenstöcke]] plünderte und ungewöhnlich viele Schafe riss. Daher wurde er von einigen Behörden auch als Bedrohung für den Menschen eingestuft. |
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== Herkunft und Name == |
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Hinsichtlich seines Auftretens und auf den Erfolg von Fangversuchen wurden sogar Wetten abgeschlossen. International berichtete beispielsweise die [[The New York Times|New York Times]] <ref>The New York Times: ''[http://www.nytimes.com/2006/06/16/world/europe/16bear.html?ex=1308110400&en=5c989449e6351939&ei=5090&partner=rssuserland&emc=rssHerr Bruno Is Having a Picnic, but He's No Teddy Bear]'', 16. Juni 2006</ref> über die verschiedenen Sichtungen des Bären. |
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1996 initiierte der italienische [[Naturpark Adamello-Brenta]] in [[Strembo]] das [[LIFE (EU)|EU-LIFE]]-Projekt ''Life Ursus'' zum Schutz des Braunbären im [[Brenta (Gebirge)|Brenta]]-Gebiet. In den Jahren 2004 und 2005 wurde das Projekt im Rahmen eines [[LIFE (EU)#LIFE II|LIFE-Nature]]-Kooperationsprojekts weitergeführt. Ziele des Projekts waren die Wiederansiedlung des Braunbären im Alpenraum und die Vernetzung der dort noch bestehenden Bärenpopulationen. An diesem Projekt waren die Länder Italien mit der [[Trentino|Provinz Trient]] und der Region [[Friaul-Julisch Venetien]], Österreich mit [[Kärnten]], [[Niederösterreich]], [[Oberösterreich]] und [[Steiermark]] sowie [[Slowenien]] beteiligt. |
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Die Population im Naturpark Adamello-Brenta bestand Ende des 20. Jahrhunderts nur noch aus zwei bis drei Individuen, ein Überleben dieser Population ohne Bestandsstützung war extrem unwahrscheinlich. Im Rahmen dieser Projekte wurden daher im Naturpark Adamello-Brenta von 1999 bis 2002 insgesamt zehn Bären aus Slowenien freigelassen. Seitdem wurden in der Region elf Junge geboren; 2006 schätzte man den Bestand auf etwa 18 bis 20 Bären.<ref>„Bruno, der Bär ohne Pass“ – ARD-Sendung (29. April 2013) von Hannes Jänicke</ref> |
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Nachdem zuvor mit hohem Aufwand erfolglos versucht worden war, JJ1 lebend zu fangen, wurde er in der Nacht zum 26. Juni 2006 in [[Schliersee (Ort)|Schliersee]] in der Nähe der [[Rotwand (Bayern)|Rotwand]] im [[Spitzingsee]]gebiet abgeschossen. |
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JJ1 wurde dort 2004 geboren, er konnte während seiner Wanderung durch [[DNS-Analyse]]n von Fellresten identifiziert werden. Sein Vater wird als „Joze“ (* 1994) geführt, seine Mutter heißt „[[Jurka (Bär)|Jurka]]“ (* 1998), beide stammen aus Slowenien. Als Erstgeborener erhielt er den aus deren Anfangsbuchstaben gebildeten Namen „JJ1“. Da die Verwendung von Anfangsbuchstaben als Namensersatz oder Spitzname vor allem in den USA üblich ist, wurde JJ1 im deutschen Sprachraum meist „Jay-Jay-One“ (statt des deutschen „Jot-Jot-Eins“ oder dem österreichischen „[[Österreichisches Deutsch#Buchstaben|Jee-Jee-Eins]]“) ausgesprochen. |
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== Herkunft und Bezeichnungen des Bären == |
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Der etwa zwei Meter große und über 100 Kilogramm schwere Bär konnte durch [[DNA-Analyse]]n von Fellresten identifiziert werden <ref>[[WWF]] - Österreich: ''[http://www.wwf.at/Channels/artenschutz/wissenswertes/articlefolder109/article533/index.html WWF bestätigt: Tiroler Bär ist JJ1]'', 30. Mai 2006</ref>. |
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Zu Beginn seiner Wanderung erhielt JJ1 von österreichischen Medien den Spitznamen ''[[Bruno (Name)|Bruno]]'', einige Zeitungen, wie die [[Augsburger Allgemeine]] und ihre Regionalausgaben, nannten ihn hingegen ''[[Beppo]]''. |
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Er kam 2004 in dem Naturreservat [[Naturpark Brenta Adamello|Adamello-Brenta]] bei Trient ([[Trentino]]/Norditalien) (Val di Tovel) auf die Welt <ref>Naturpark Brenta Adamello - Homepage: ''[http://www.parcoadamellobrenta.tn.it/Life%20English/indexenglish.htm Life Ursus]'' (englisch)</ref>. Im Reservat wurden im Zuge eines [[EU]]-geförderten Wiederansiedelungsprojekts seinerzeit insgesamt zehn Bären aus [[Slowenien]] freigelassen und seitdem elf Junge geboren. Derzeit schätzt man den aktuellen Bestand auf etwa 18 bis 20 Bären. Seine Eltern sind Vater Joze (*1994) und Mutter Jurka (*1998). Als Erstgeborener erhielt er aus deren Anfangsbuchstaben den Namen ''JJ1''. Schon bald erhielt JJ1 den Spitznamen ''[[Bruno]]'', die [[Augsburger Allgemeine]] nannte ihn hingegen ''[[Bernhard|Beppo]]''. |
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Sein jüngerer Bruder, |
Sein jüngerer Bruder, „JJ2“ (genannt ''Lumpaz''), war 2005 im [[Engadin]] in der Schweiz und in [[Nauders]] in Tirol unterwegs, gilt aber seit Herbst 2005 als verschwunden. Ein weiterer Bruder, der Schweizer [[Risikobär]] „JJ3“, wurde am 14. April 2008 erlegt, weil er keine Menschenscheu zeigte und mehrfach Abfallcontainer plünderte. |
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Nach derzeitigen Erkenntnissen soll seine Schwester „JJ4“ (genannt ''Gaia'') am 5. April 2023 bei [[Caldes (Trentino)|Caldes]] in der Provinz Trient den 26-jährigen Jogger Andrea Papi angegriffen und tödlich verletzt haben. Die Mutter bezeichnete den Tod ihres Sohnes als ein „Opfer mit Ankündigung“. Da JJ4 bereits im Sommer 2020 am [[Monte Peller]] einen Mann und seinen Sohn angegriffen und schwer verletzt hatte, hatte sie nach Anordnung durch den Landeshauptmann der Provinz Trento Maurizio Fugatti eigentlich getötet werden sollen, was eine Entscheidung des [[Regionales Verwaltungsgericht|Regionalen Verwaltungsgerichts]] jedoch verhindert hatte.<ref>[https://www.aachener-zeitung.de/panorama/schwester-von-problembaer-bruno-toetete-jogger_aid-88410601 Schwester von „Problembär“ Bruno tötete Jogger], [[Aachener Zeitung]], 12. April 2023</ref><ref>Luzi Bernet: [https://www.nzz.ch/panorama/toedliche-attacke-auf-jogger-feuer-frei-auf-baeren-in-italien-ld.1733543 Schwester von «Problembär» Bruno tötete den Jogger — Geht’s den Bären in Norditalien jetzt an den Kragen?], [[NZZ]], 12. April 2023, abgerufen am 13. April 2023</ref><ref>Marc Beise: [https://www.sueddeutsche.de/panorama/braunbaeren-toter-jogger-trentino-jj4-jj1-bruno-schwester-problembaer-gaia-italien-baerin-1.5797305 Jagd auf Brunos Schwester], [[Süddeutsche Zeitung]], 13. April 2023</ref><ref>{{Internetquelle |url=https://orf.at/stories/3315700/ |titel=Bärin JJ4 könnte „unschuldig“ sein |werk=orf.at |datum=2023-05-09 |abruf=2023-05-10}}</ref> Die Berufungsinstanz bestätigte das Urteil. „JJ4“ wurde daraufhin gefangen und wartet im Casteller Gehege bei Trento auf ihre Umsiedlung in ein Bärengehege in Rumänien.<ref>{{Internetquelle |autor=Julius Müller-Meiningen |url=https://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/italien-baerenjagd-im-urlaubsgebiet-id67840086.html |titel=Italien: Bärenjagd im Urlaubsgebiet, Streit um Wildtiere |werk=augsburger-allgemeine.de |datum=2023-09-15 |abruf=2024-02-26}}</ref> Bärin „JJ4“ Gaia soll nun doch nicht nach Rumänien, sondern im Herbst 2024, sobald ihr dortiges Gehege fertig ist, in den [[Alternativer Wolf- und Bärenpark Schwarzwald|Alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald]] umziehen, wo sich ihre/Brunos Mutter Jurka (Mutter von JJ1 bis JJ5) bereits seit August 2010 befindet.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/neue-heimat-schwarzwald-baerin-gaia-kommt-nach-deutschland,UDUCo7s |titel=Neue Heimat Schwarzwald - Bärin Gaia kommt nach Deutschland |datum=2024-05-22 |sprache=de |abruf=2024-06-08}}</ref> |
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Bärenmutter Jurka hat inzwischen drei weitere Jungbären. Seit mehreren Wochen wird im Trentino versucht, sie zu fangen, weil man befürchtet, dass sie ihr Verhalten, ebenso wie im Fall JJ1', an ihre Jungen weitergibt<ref>[http://portale.web.de/Boulevard/msg/6191775/]in portale.web.de, 25.06.06</ref>. |
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Nach dem vom [[Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz|Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz]] veröffentlichten Sektionsbericht hatte JJ1 zum Zeitpunkt seines Todes eine [[Widerrist]]höhe von 91 cm, seine Scheitel-Steiß-Länge betrug 130 cm, die Kopflänge 32 cm und er wog 110 Kilogramm. |
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===Der Braunbär im Alpenraum=== |
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== Wanderung == |
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Am LIFE Nature Co-op Projekt, welches, von der EU untertützt, versucht im [[Alpen]]raum den Braunbär wieder anzusiedeln sind die Länder Italien mit den Regionen [[Trentino]] und [[Friaul]], Österreich mit [[Kärnten]], Nordösterreich, [[Oberösterreich]] und [[Steiermark]], sowie Slowenien beteiligt. |
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[[Datei:JJ1 Route.svg|hochkant=2|mini|Wanderroute von JJ1]] |
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[[Datei:Gedenktafel Bayernhütte (Lenggries) Braunbär Bruno.jpg|mini|Gedenktafel, „Bayernhütte“ in [[Lenggries]], [[Bayern]], [[Deutschland]]]] |
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[[Datei:Itzehoe, am Europäischen Fernwanderweg E1, Gedenkstein für Bruno (JJ1),NIK 4349 (cropped).jpg|mini|hochkant|Gedenkstein in [[Itzehoe]], [[Schleswig-Holstein]], [[Deutschland]] am [[Europäischer Fernwanderweg E1|Europäischen Fernwanderweg E1]]]] |
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[[Datei:Gedenkstein Bär BrunoGartalm.jpg|mini|hochkant|Gedenkstein auf der [[Gartalm]] im [[Zillertal]], Tirol]] |
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Bruno wurde in der Umgebung des italienischen Naturparks Adamello-Brenta zuletzt am 25. April 2006 durch die DNS-Analyse von Fellresten nachgewiesen. Am 4. Mai hielt er sich beim Ort [[Reschenpass|Reschen]] unmittelbar südlich der österreichischen Grenze auf. Er wurde in Österreich erstmals am 5. Mai 2006 gesichtet. |
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Seitdem ließ sich seine Wanderroute anhand der erbeuteten Haustiere recht gut dokumentieren. Er wanderte im Westen Österreichs durch die Bezirke [[Bludenz]] (''Nr. 2 auf der Skizze'') und [[Reutte]] (''Nr. 3 und 4'') zuerst nach Westen, dann nach Nordosten. Am 20. Mai wurde er zum ersten Mal in Deutschland im [[Oberbayern|oberbayerischen]] Kreis [[Garmisch-Partenkirchen]] (''Nr. 5'') nachgewiesen. Bereits am 25. Mai verließ er Bayern wieder und hielt sich mindestens bis zum 29. Mai in [[Tirol (Bundesland)|Tirol]] auf. Am 3. oder 4. Juni wurde er wieder im Kreis Garmisch-Partenkirchen nachgewiesen, auch danach wechselte er bis zu seiner Tötung mehrfach zwischen Bayern und Österreich. |
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Die größte [[Population (Biologie)|Population]] des Braunbärs ist hierbei mit geschätzten 400 bis 500 Tieren in Slowenien anzutreffen, im Trentino und Zentralösterreich kann hingegen nur von Teilpopulationen gesprochen werden, die mangels natürlichen Austausch durch [[Genetik|genetische]] Verarmung auszusterben drohen. |
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JJ1 wanderte offenbar täglich beziehungsweise nächtlich größere Strecken und hielt sich nur sehr selten länger als einen Tag in einem Gebiet auf. Nachweise an aufeinanderfolgenden Tagen waren in direkter Linie 2 bis 17 km voneinander entfernt, meist über 10 km. Die von JJ1 zurückgelegten Laufstrecken waren sicher noch erheblich größer. |
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Das LIFE Nature Co-op Projekt wurde 2004 gegründet, um diese Teilpopulationen des Bären zu vernetzen, um eine sogenannte Metapopulation zu gründen, die es den Tieren ermöglichen soll auf natürlichen Weg zu überleben<ref>[http://www.wwf.at/Projekte/artenschutz/bearlife/index.html/s=5/a=1]Bären in den Alpen, www.wwf.at</ref>. |
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== Verhalten von JJ1 und Reaktionen == |
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=== Als problematisch erachtetes Verhalten === |
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[[Bild:JJ1 Route.svg|thumb|350px|Die Route des Bären.]] |
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JJ1 hatte 2005 und 2006 schon in Italien mehrfach Bienenstöcke aufgebrochen und war in Schafställe eingedrungen. In Bayern und Österreich erbeutete er nach bisherigen Erkenntnissen im Zeitraum 10. Mai bis 26. Juni zehnmal Schafe, dabei wurden jeweils ein bis vier Schafe getötet. In Bayern und Tirol soll er nach Angaben des [[Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz|Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz]] vom 20. Mai bis 26. Juni 2006 31 Schafe getötet haben. In einem weiteren Fall tötete JJ1 mehrere Ziegen. Außerdem war er in diesem Zeitraum in drei Bienenstöcke, zwei Hühnerställe und einen Kaninchenstall eingedrungen und hatte dort Schäden verursacht. |
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Ausflügler, die JJ1 am 24. Juni 2006 im [[Landkreis Miesbach]] sichteten, gefährdeten sich selbst, indem sie den Bären mit Mountainbikes verfolgten – bis dieser umkehrte und seinerseits auf die Menschen zuging.<ref name="Abendblatt" /> |
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Anfang Mai 2006 verließ JJ1 Südtirol [Markierung 1 der Karte] und betrat am 4. Mai zum ersten Mal Nordtiroler Boden. Kurz darauf wanderte er nach Vorarlberg, wo er am 10. Mai im [[Montafon]] [2] zwei [[Hausschaf| Schafe]] riss. |
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=== Bewertung === |
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Das erste Mal wurde er nachts beim Wechsel von Vorarlberg übers Zeinisjoch in Tirol von Jägern gesichtet. Danach durchstreifte er das [[Tiroler Oberland]], wo er im [[Paznauntal]] [3] von einem Bauern gesehen wurde und einen Hühnerstall ausräumte. Später zog er weiter ins [[Außerfern]] [4], wo er am 17. Mai kurz vor der deutschen Grenze gesichtet wurde und am 19. Mai einen [[Bienenstock]] plünderte. |
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In allen europäischen Ländern mit Bärenvorkommen werden regelmäßig in einem gewissen Umfang [[Bienenstock|Bienenstöcke]], Kaninchen- oder [[Hühnerstall|Hühnerställe]] geplündert und [[Schafe]] in abgelegenen Schafställen oder -pferchen erbeutet. Raubtiere töten beim Eindringen in einen Pferch oder Stall häufig viele Schafe, da die Schafe nicht fliehen können und durch ihre Fluchtversuche immer wieder die reflexartige Tötungshandlung auslösen. Da in einer solchen Extremsituation die Menge der getöteten Tiere den momentanen Nahrungsbedarf weit übersteigt, wird dann zwangsläufig nur ein kleiner Teil der getöteten Tiere gefressen. Ein entsprechendes Verhalten zeigen in solchen Fällen auch Hunde, Wölfe und viele Marder. |
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Um die Akzeptanz der Bevölkerung für den Schutz des Braunbären zu gewährleisten, wurden daher in mehreren europäischen Ländern Managementpläne entwickelt, die einen abgestuften Katalog von Maßnahmen zur Verhinderung oder zumindest Minimierung der von Bären verursachten Schäden beinhalten. Das wichtigste Mittel gegen solche Übergriffe sind Schutzmaßnahmen, wie beispielsweise der Bau von [[Elektrozaun|Elektrozäunen]]. Nachweislich durch Bären entstandene Schäden werden ersetzt. Bei wiederholten Schäden vergrämt man die Tiere, wobei in erster Linie Gummigeschosse oder Knallkörper zum Einsatz kommen. Die Tötung von Braunbären ist in diesen Managementplänen nicht grundsätzlich ausgeschlossen, allerdings nur dann vorgesehen, wenn sie gegenüber Menschen aggressiv auftreten. |
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Anschließend wanderte er nach Oberbayern. Um den 20.–22. Mai erreichte er [[Grainau]] [5] bei [[Garmisch-Partenkirchen]], wo auch ein Foto entstand. Kurz darauf führte seine Spur zurück nach Österreich, wo er am 25. Mai im [[Rofangebirge]], in der Nähe vom [[Achensee]] [6], von einem Jäger gesichtet wurde. Dann zog er ins [[Zillertal]] [7], wo er am 27. Mai einen Bienenstock plünderte. Um den 29. Mai wurde er bei der Überquerung der [[Inntalautobahn]] bei [[Jenbach]] [8] gesichtet und zog weiter zum Achensee. |
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Jurka, die Mutter von JJ1, verursachte in der Provinz [[Trentino|Trient]] in den letzten Jahren mehrfach Schäden in Ställen und Bienenstöcken; mit hoher Wahrscheinlichkeit erlernte JJ1 diese Art der Ernährung von ihr. Die Tötung von Jurka wurde in Italien nie erwogen, da sie (ebenso wie JJ1) nie aggressiv gegenüber Menschen auftrat. Im Trentino wurde Jurka gefangen und mit einem Sender versehen, damit sie gezielter vergrämt werden kann, sobald sie sich in Siedlungsnähe begibt. Sie änderte ihr Verhalten nicht und musste schließlich gefangen und in ein Gehege gebracht werden.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.kora.ch/news/archiv/20070702_.htm |titel=Trentiner Bärin Jurka gefangen |werk=KORA-News |datum=2007-07-02 |archiv-url=https://archive.ph/20120906025655/http://www.kora.ch/news/archiv/20070702_.htm |archiv-datum=2012-09-06 |abruf=2023-02-02}}</ref> Seit dem 26. August 2010 lebt sie im Alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald in [[Bad Rippoldsau-Schapbach]].<ref>{{Internetquelle |url=https://www.baer.de/projekte/alternativer-wolf-und-baerenpark-schwarzwald/baeren-schwarzwald/1264-jurka |titel=Jurka |werk=Alternativer Bärenpark Schwarzwald |abruf=2022-07-23}}</ref> |
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Anfang Juni 2006 überquerte er wieder die deutsche Grenze und tötete am 2. Juni zwei weitere Schafe. Am 4. Juni riss das Tier in der oberbayerischen Gemeinde [[Klais]] [9] abermals drei Schafe und verletzte drei weitere sowie ein Ziegenkitz. Schon einen Tag später – am Pfingstmontag – fiel er am Lautersee bei [[Mittenwald]] [10] wieder über drei Schafe her und tötete sie. Dabei lief er mitten durch eine kleine Siedlung am Seeufer, wie Tatzenspuren belegen. Am Tag sichtete eine Autofahrerin den Bären beim Tiroler Grenzort [[Ehrwald]][11]. |
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[[JJ3]], der später geborene Bruder von JJ1, wanderte 2007 in die Schweiz ein, auch er näherte sich Siedlungen, wurde mit einem Sender markiert und vergrämt. Nachdem diese Versuche nicht zum Erfolg führten und er überdies keine Scheu vor Menschen zeigte und mehrfach Abfallcontainer plünderte, wurde er Mitte April 2008 von der [[Wildhut|Schweizer Wildhut]] erlegt.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.kora.ch/news/archiv/20080415_d.htm |titel=Risikobär JJ3 erlegt |werk=KORA-News |datum=2008-04-15 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20080422023015/http://www.kora.ch/news/archiv/20080415_d.htm |archiv-datum=2008-04-22 |abruf=2023-02-02}}</ref> |
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In der Nacht zum 6. Juni plünderte JJ1 einen Hasenstall im österreichischen [[Weidach]] und kam auf einer Straße bei [[Leutasch]] [12] in die Nähe mehrerer Jugendlicher. |
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JJ4, die Schwester von ''Bruno'', wurde 2023 in [[Caldes (Trentino)|Caldes]] eingefangen, nachdem sie einen Jogger angegriffen und getötet hatte. |
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Am Abend zum 8. Juni soll das Tier in der Nähe des Solsteinhauses im Gemeindegebiet von [[Zirl]] [13] gesichtet worden sein. Bei einer Suchaktion, die von einem Tross Jäger in der Nacht zum 9. Juni durchgeführt wurde, konnten in dieser Gegend einige Bärenspuren, sowie ein totes und ein verletztes Schaf gefunden werden. Ob die Schafe von einem Bären angegriffen wurden, ist noch nicht gesichert. Am 9. Juni ist ein [[Hase|Wildhase]] ohne Kopf zwischen den Gemeinden [[Roppen]] und [[Sautens]] [14] im [[Bezirk Imst]] gefunden worden. |
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=== Erste Abschussgenehmigung === |
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Am 11. Juni wurden Spuren des Tieres im Gemeindegebiet von [[Terfens]] [15] im [[Bezirk Schwaz]] gefunden. Die Suche der darauf angesetzten Bärenhundestaffel brachte keinen Erfolg. |
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Wegen seines Verhaltens, sich menschlichen Siedlungen zu nähern, und der dadurch entstehenden potentiellen Gefährdung erließ die [[Bayerische Staatsregierung]] bereits Ende Mai eine [[Abschussgenehmigung]]. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz stufte das Verhalten des Bären als „abnormal“ ein. Umweltminister [[Werner Schnappauf]] verkündete darüber hinaus, der Bär sei ganz offensichtlich „außer Rand und Band“. Nach Angaben des Sprechers des [[Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz|bayerischen Umweltministeriums]], Roland Eichhorn, sei „wiederholt, aber vergeblich“ versucht worden, der Mutter Jurka des Problembären JJ1 (bekannt als „Bruno“) das Herannahen an menschliche Siedlungen durch sogenannte Vergrämung – unter anderem mit Beschuss durch Gummikugeln – auszutreiben. „Die Mutter hat quasi ein langes Vorstrafenregister.“ Der Jungbär sei von der Mutter auch dahingehend konditioniert worden, dass er niemals an eine Stelle zurückkehre, an der er ein anderes Tier gerissen habe.<ref>[https://www.mz.de/panorama/tiere-streunender-braunbar-ist-kein-unbekannter-mehr-2858073 „Streunender Braunbär ist kein Unbekannter mehr“], [[Mitteldeutsche Zeitung]], mz-web.de, 30. Mai 2006, abgerufen am 21. Juni 2021</ref> |
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Auch im Land Tirol wurde Ende Mai eine Abschussgenehmigung für den [[Bezirk Reutte]] ([[Außerfern]]) erteilt und eine Ausweitung auf das ganze Bundesland diskutiert. |
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Tags darauf wurde der Bär, der in kurzer Zeit sehr große Distanzen zurücklegte, wieder im [[Achensee|Achental]] [16] gesichtet. Der wiederum angesetzte Suchtrupp gab jedoch nach stundenlanger Suche auf. |
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Aufgrund massiver Proteste der Natur- und Tierschutzverbände sowie von Seiten der Öffentlichkeit wurde diese Abschussgenehmigung am 2. Juni wieder zurückgezogen. Unter anderen forderte auch der [[NABU]]-Bundesverband die sofortige Rücknahme der Abschussgenehmigung und, entsprechend den Managementplänen anderer Länder, die Vergrämung oder den Fang und die Besenderung von JJ1. Stattdessen fokussierte sich die Diskussion jedoch sehr schnell auf die beiden Alternativen Fang und anschließende Gehegehaltung oder Tötung. Die Bayerische Staatsregierung ließ sich dabei vom [[WWF]] beraten, der diese Haltung nachdrücklich unterstützte. |
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Am 14. Juni wurde JJ1 um 12.50 von einem Mountainbiker im Bereich der Gan-Alm im Vomper Loch gesichtet. Einem Studenten gelang es, ein weiteres Foto des Tieres zu machen. |
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=== Fangversuche === |
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In der Nacht zum Donnerstag, dem 15. Juni, wurde der Bär im Bereich des [[Sylvensteinspeicher]]s (südlich von [[Bad Tölz]]) [17] in Oberbayern von einem österreichischen Autofahrer angefahren. Da der Bär nur gestreift wurde und am Unfallort weder Fell- noch Blutspuren zu finden waren, wird davon ausgegangen, dass er unverletzt blieb. Der Bär flüchtete über eine Böschung hinab in Richtung eines Sees. Noch in der Nacht setzten die Bärenfänger die Hunde auf die Fährte des vierbeinigen Räubers, doch verlor sich seine Spur bis zum Vormittag wieder. Die Seilbahn am 1556m hohen [[Brauneck]] wurde kurzzeitig angehalten, nachdem der Bär dort am 15. Juni tagsüber gesichtet wurde. |
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In Zusammenarbeit mit dem WWF wurde zunächst versucht, JJ1 mittels einer speziellen Röhrenfalle einzufangen.<ref>[http://www.wwf.de/themen-projekte/bedrohte-tier-und-pflanzenarten/braunbaeren/bruno-der-problembaer/ ''Bruno Problembär Röhrenfalle mit Bild''] WWF.de</ref> Bei der in [[Montana]] hergestellten, knapp 3.200 Euro teuren und vom WWF finanzierten Falle handelte es sich um eine sogenannte [[Culvert-Trap]], wie sie auch in Nordamerika zur Umsiedlung von Bären verwendet wird, die in der Nähe von Siedlungen auftauchen. Die Versuche blieben erfolglos, insbesondere wegen der geringen Ortstreue von JJ1. Eine Suchaktion, die in der Nacht auf den 9. Juni 2006 im Gemeindegebiet von [[Zirl]] (Tirol) durchgeführt wurde, verlief ebenfalls erfolglos. Man konnte nur ein paar Bärenspuren sowie ein totes und ein verletztes Schaf finden.<ref>[http://www.sueddeutsche.de/muenchen/groteske-jagd-bruno-der-abm-baer-1.757514 ''Bruno, der ABM-Bär''.] In: ''[[Süddeutsche Zeitung]]'', 8. Juni 2006</ref> |
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Um das Tier systematisch aufzuspüren, wurde daraufhin ein finnisches Team von vier Bärenjägern mit der Suche beauftragt. Unterstützung bekamen sie von schwedischen und norwegischen [[Elchhund]]en. Dabei handelt es sich um spezielle Hunde, die überwiegend gegen wehrhaftes Wild eingesetzt werden und speziell ausgebildet sind, um Bären und Elche zu stellen und diese von Menschen abzulenken. Außerdem sind sie mit leuchtend orangefarbenen Westen ausgestattet, die [[Global Positioning System|GPS]]-Ortungssender enthalten, um sie jederzeit wiederfinden zu können. |
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In der Nacht zum Freitag, dem 16. Juni, wurde der Bär gegen 01:00 Uhr bei [[Lenggries]] [18] in [[Bayern]] erstmals „gestellt“ und die Bärenfänger konnten sich ihm auf 600 Meter nähern, das Brauneck-Gebiet wurde vorher gesperrt und eine Seilbahn angehalten. Die Dunkelheit, das unübersichtliche Gelände sowie ein starkes Gewitter verhinderten aber einen Abschuss oder eine Betäubung. Als die Fänger gegen 04:30 Uhr erneut zur Stelle der letzten Sichtung aufbrachen, fand man nur mehr ein gerissenes und zum größten Teil bereits vom Bären gefressenes Schaf vor. Die sodann aufgenommene Verfolgung musste gegen 08:00 Uhr abgebrochen werden, weil die Hunde keine Spur mehr hatten aufnehmen können <ref>Frankfurter Rundschau: ''[http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/panorama/panorama/?em_cnt=907192 "Bruno" narrt Jäger erneut]'', 22. Juni 2006</ref>. |
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Vor ihrem Einsatz in den Alpen wurde ihnen das Fell kürzer geschoren, um sie vor der sommerlichen Hitze zu schützen. Am Sonntag, dem 19. Juni, traf ein weiterer Bärenjäger mit dem laut bayerischem Umweltministerium besten [[Karelischer Bärenhund|finnischen Bärenhund]] ein.<ref>[http://www.sueddeutsche.de/panorama/spur-in-oesterreich-neue-raetsel-um-baer-bruno-1.922275 ''Spur in Österreich: Neue Rätsel um Bär Bruno''.] sueddeutsche.de, 19. Juni 2006</ref> |
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Am 17. Juni wurde der Bär in [[Kochel am See]] [19] gesichtet. In der Nacht brach das Tier dann inmitten des Orts einen Hasenstall auf und tötete Kaninchen sowie ein Meerschweinchen. Gäste eines Cafés wollen ihn direkt gegenüber einer Polizeistation gesehen haben <ref>www.lycos.de: ''[http://www.lycos.de/nachrichten/deutschland/show_story.html,,43548/baer-bruno-in-kochel-gesichtet.html «bruno» taucht am Tegernsee auf]'', 19. Juni 2006</ref>. |
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Das Team wurde auch von einem österreichischen Betäubungsexperten, dem Wiener Professor für Wildtiermedizin und Artenschutz, Chris Walzer, begleitet. Da man mit [[Blasrohr]]en oder normalen [[Betäubungsgewehr]]en zu nah an den Bären hätte herangehen müssen, war ein Spezialgewehr erforderlich, das auf eine Entfernung von 80 Metern Betäubungspfeile verschießen konnte. Bären haben eine außerordentlich dicke Fettschicht, darum versagen konventionelle Betäubungsmethoden. |
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Der Bär ist am 18. Juni angeblich auf einer Alm im Gemeindegebiet der Tiroler Gemeinde [[Achenkirch]] [20] im [[Bezirk Schwaz]] aufgetaucht. Es wurde ein Zaun zerstört und es wurde vom Almhirten beobachtet, dass die Kühe brüllend herumliefen. Der Bär selbst wurde nicht gesichtet worden, Spuren wurden nicht gefunden. |
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Der sofortige Einsatz der Jäger scheiterte zunächst an bürokratischen Hürden, da geprüft werden musste, ob finnische Jäger grenzüberschreitend in Deutschland und Österreich bewaffnet eingreifen dürfen. Nach einer Einigung der Länder Tirol und Bayern gab es dann für die finnischen Sucher grünes Licht, am darauf folgenden Wochenende mit der Suche zu beginnen. Den Bärenfängern wurde zwei Wochen Zeit eingeräumt, den Bären aufzuspüren. |
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Am 19. Juni frühmorgens wurde er in [[Wildbad Kreuth]] [21] gesehen. Erneut sind zwei Schafe gerissen worden <ref>Südwest Presse: ''[http://www.suedwest-aktiv.de/landundwelt/topthemen/2265030/artikel.php?SWAID=c029b31272bd1c784695154ab4a33fa6 «Bruno» taucht am Tegernsee auf]'', 16. Juni 2006</ref>. Nach behördlichen Angaben sind die fünf finnischen Bärenjäger mit ihren sechs speziell ausgebildeten Jagdhunden bereits auf der [[Fährte]] des Braunbären Bruno. |
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Am Sonntag, dem 11. Juni, begann die inzwischen eingetroffene Bärenhundestaffel im Bezirk [[Schwaz]] mit der organisierten Suche. Zwar konnte der Standort von JJ1 einige Male recht genau eingegrenzt werden; es gelang jedoch nicht, sich ihm auf weniger als 600 m zu nähern. Wesentliche Probleme waren die geringe Ortstreue von JJ1, hohe Temperaturen, Wetterunbilden sowie die Unwegsamkeit des alpinen Geländes. Am 23. Juni wurde der Einsatz der fünf finnischen Spezialisten ergebnislos abgebrochen. Der Einsatz dieses Teams kostete 30.000 Euro, die sich Bayern und Tirol teilten.<ref name="Abendblatt">[https://www.abendblatt.de/archive/2006/pdf/20060626.pdf/HAHA20060626lf022.pdf ''Mountainbiker verfolgten „Bruno“ – von heute an zum Abschuß frei''.] In: ''[[Hamburger Abendblatt]]'', S. 22, 26. Juni 2006</ref> |
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Am 20. Juni traf der Bär nachts gegen 01:00 Uhr in [[Maurach]] auf einen Fußgänger und wurde an der dortigen Polizeiwache beobachtet. |
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=== Erneute Abschussgenehmigung === |
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Am Abend des 21. Juni konnte der Bär zwar von den finnischen Spezialisten und ihren Hunden an einer [[Klamm]] bei [[Brandenberg]] [22] in der Nähe des [[Achensee]]s im Bezirk [[Kufstein]] gestellt werden, ihm gelang jedoch wieder die Flucht. |
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Am 23. Juni 2006 wurde die Abschussgenehmigung wieder in Kraft gesetzt. Auch der Landeshauptmann von Tirol war für den Abschuss. Während man dort die gesetzlichen Grundlagen für einen Abschuss des Bären schuf, entbrannte in Bayern ein Streit darüber, wer dafür zuständig sein könnte: Der Landesjagdverband wollte sich keinesfalls aktiv an einer Hatz auf JJ1 beteiligen. So sollte die Polizei diese Aufgabe übernehmen. Das Innenministerium verwies aber darauf, dass die Polizei lediglich unterstützend, beispielsweise mit Hubschraubern und Personal, tätig werden könne, für die Jagd auf Großwild fehle jedoch die Kompetenz. |
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=== Reaktionen der Öffentlichkeit === |
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Ein Wanderer beobachtete am 22. Juni nachmittags den Bären im [[Rofangebirge]] [22], bevor er am 23. Juni bei [[Thiersee]] (nahe [[Kufstein]]) ein Schaf riss. |
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Die Neuerteilung der Abschussgenehmigung stieß dabei immer noch auf vehementen Protest von Experten und Tierschützern.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.netzeitung.de/vermischtes/411815.html |wayback=20090621034609 |text=''Ab Montag droht Bruno der Abschuss''.}} In: ''[[Netzeitung]]'', 23. Juni 2006</ref> Ein Streitpunkt war, ab wann die neue Abschussgenehmigung ihre Gültigkeit erlangte. Hier kursierten sowohl der 26. Juni für Bayern als auch der 27. Juni für Tirol in den Medien, das bayerische Ministerium selbst nannte den 25. Juni, obwohl in einer Allgemeinverfügung des zuständigen [[Oberbayern|Regierungsbezirks Oberbayern]] vom 23. Juni 2006 „der sofortige Vollzug der vorstehenden Ausnahmegenehmigung als Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse“ angeordnet wurde. Zitat: „Die Allgemeinverfügung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.“<ref>{{Internetquelle |hrsg=Regierung von Oberbayern |url=http://www.regierung-oberbayern.de/Bereich5/5wirueberuns/5sgvorstell/55.1doku/06_06_23_Braunbaer_Allgemeinverfuegung.pdf |titel=Allgemeinverfügung |datum=2006-06-23 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20070928180148/http://www.regierung-oberbayern.de/Bereich5/5wirueberuns/5sgvorstell/55.1doku/06_06_23_Braunbaer_Allgemeinverfuegung.pdf |archiv-datum=2007-09-28 |abruf=2011-08-20 |format=PDF}}</ref> |
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Kritisiert wurde auch, unter anderem seitens der Jägerschaft, dass Werner Schnappauf eine Abschussgenehmigung gutheiße, obwohl der Bär ein geschütztes Tier und entsprechend dem bayerischen Jagdgesetz kein jagbares Wild sei. Somit liege eine Kompetenzüberschreitung, wenn nicht gar die Anstiftung zum Wildfrevel vor. |
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Am 23. Juni gaben die finnischen Bärenjäger die Jagd auf <ref>''[http://www.salzburg.com/sn/nachrichten/artikel/2116786.html JJ1 ist Bärenjägern neuerlich entwischt]''</ref>. |
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== Tötung von JJ1 == |
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Weitere Beobachtungen erfolgten nahe dem [[Spitzingsee]] [23], sowie am 24. Juni, als der Bär den [[Soinsee]] [24] im Landkreis [[Miesbach]] durchschwamm. Am selben Abend wurde er in der Nähe einer Bergwachthütte im [[Rotwand (Bayern)|Rotwandgebiet]] [25] beim Aufstieg beobachtet. |
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Nach vier Wochen erfolgloser Versuche, „Bruno“ zu fangen, wurde er nur drei Tage nach der Abschussfreigabe am Morgen des 26. Juni 2006 um 4:50 Uhr auf der 1500 m hoch gelegenen Kümpflalm, einer [[Alm (Bergweide)|Alm]] in der Nähe der [[Rotwand (Bayern)|Rotwand]] im [[Spitzingsee]]gebiet, im Gemeindebereich [[Bayrischzell]] ([[Landkreis Miesbach]]) erschossen. Er erlag Verletzungen im rechten Lungenflügel und Leberlappen.<ref>{{Internetquelle |autor=FOCUS Online |url=https://www.focus.de/politik/deutschland/abschuss-toeten-oder-erziehen_aid_216768.html |titel=Töten oder erziehen |sprache=de |abruf=2021-06-07}}</ref><!-- http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?titel=%22Bruno%2C+wir+r%C3%A4chen+dich%22&id=49911533&top=SPIEGEL&suchbegriff=bruno+b%C3%A4r+tot&quellen=%2BBX%2CWIKI%2C%2BSP%2C%2BMM%2CALME%2CSTAT%2C%2BMEDIA&qcrubrik=kultur --> |
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Der am 28. Juni 2006 veröffentlichte Obduktionsbericht bestätigte, dass der Bär an inneren Verletzungen starb.<ref>{{Internetquelle |url=http://orf.at/ticker/222561.html |titel=„Bruno“-Obduktion: Bär starb an inneren Verletzungen |werk=[[ORF]].at |archiv-url=https://archive.md/20120715180459/http://orf.at/ticker/222561.html#selection-141.1-141.52 |archiv-datum=2012-07-15 |abruf=2023-02-02}}</ref> Am 6. Juli 2006 gab Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf das Ergebnis der genetischen Auswertung bekannt, welches bestätigte, dass der abgeschossene Bär tatsächlich JJ1 war. Auf eine entsprechende Anfrage der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag verweigerte Schnappauf detailliertere Angaben zum Abschuss: „Aussagen zum [[Gewehr]]typ, zu [[Kaliber]] und [[Munition]] können nicht gemacht werden, um die [[Anonymität]] der Beteiligten zu wahren.“<ref>{{Internetquelle |url=http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/welt/54,51-10408776.html |titel=DNA-Analyse bestätigt: Der tote Bär war JJ1 |werk=[[Badische Zeitung]] online |datum=2006-07-07 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20071211234459/http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/welt/54,51-10408776.html |archiv-datum=2007-12-11 |abruf=2011-08-20}}</ref> |
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Am 26. Juni 2006 wurde JJ1 um 04:50 Uhr auf der Kümpflalm in der Nähe der [[Rotwand (Bayern)|Rotwand]] [26] im [[Spitzingsee]]gebiet, einem Ortsteil von [[Schliersee (Ort)|Schliersee]] bei [[Bayrischzell]] im Landkreis [[Miesbach]] erschossen. |
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Zunächst war unklar, wer für den Abschuss verantwortlich war. Die örtliche Jägerschaft distanzierte sich von Anschuldigungen und gab an, sich bereits frühzeitig gegen einen Abschuss des Braunbären ausgesprochen zu haben, da dieser in Deutschland geschützt sei und überhaupt nicht gejagt werden dürfe. Der Abschuss sei vielmehr durch ein staatlich beauftragtes Sicherheitsteam erfolgt. Später wurde bekannt, dass tags zuvor im Landratsamt von Miesbach eine „Eingreiftruppe“ zusammengestellt worden war, die bei einer erneuten Sichtung des Tieres so schnell wie möglich vor Ort gebracht werden sollte. Als der Bär am Abend des 25. Juni im Bereich des [[Rotwandhaus]]es tatsächlich gesichtet wurde, brach diese Eingreiftruppe auf. Sie erreichte die Kümpflalm gegen Mitternacht. Als die Gruppe am nächsten Morgen die Hütte um 4:50 Uhr verließ, war der Bär 150 m entfernt.<ref>[http://www.sueddeutsche.de/panorama/wie-bruno-sein-ende-fand-zwei-schuesse-auf-der-alm-1.860820 ''Wie Bruno sein Ende fand''] auf: sueddeutsche.de, 27. Juni 2006</ref> |
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== Fangversuche == |
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===Die Bärenfalle=== |
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Um den Bären umsiedeln und so vor dem Abschuss bewahren zu können, versuchten Naturschützer in Zusammenarbeit mit dem WWF, ihn mittels einer speziellen Röhren-Falle einzufangen. Bei der €4000,- teuren Falle handelte es sich um einen sogenante [[Culvert-Trap]], wie sie auch in Nordamerika zur Umsiedlung von Bären verwendet wird, die in der Nähe von Siedlungen auftauchen. Die Versuche blieben jedoch jedoch allesamt erfolglos. Eine eigens durchgeführte Suchaktion, die in der Nacht auf den 9. Juni 2006 im Gemeindegebiet durchgeführt wurde, verlief ebenfalls erfolglos. Man konnte nur ein paar Bärenspuren sowie ein totes und ein verletztes Schaf finden. |
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Von Seiten des Bayerischen Umweltministeriums hieß es, der Abschuss sei „von jagdkundigen Personen“ vorgenommen worden. Weitere Details über den Schützen oder den Vorgang selbst wurden jedoch nicht genannt. Bis heute ist nichts Genaueres über das „beauftragte Sicherheitsteam“ bekannt, um deren Identität zu schützen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.merkur.de/lokales/region-miesbach/miesbach-ort29062/zehnten-todestag-erschoss-bruno-6517193.html |titel=Zum zehnten Todestag: Wer erschoss Bruno? |datum=2016-06-25 |sprache=de |abruf=2021-06-07}}</ref> |
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===Das Bärenfangteam=== |
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[[Bild:Norwegian_Elkhound_600.jpg|thumb|Norwegischer Elchhund]] |
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Um das Tier systematisch aufzuspüren, wurde daraufhin ein finnisches Team von vier Bärenjägern mit der Suche beauftragt. Unterstützt wurden sie von schwedischen und norwegischen [[Elchhund]]en. Dabei handelt es sich um spezielle Hunde, die überwiegend gegen wehrhaftes Wild eingesetzt werden und speziell ausgebildet sind, um Bären und Elche zu stellen und diese von Menschen abzulenken. Außerdem sind sie mit leuchtend orangefarbenen Westen ausgestattet, die [[GPS]]-Ortungssender enthalten, um sie jederzeit wieder finden zu können <ref>[http://de.news.yahoo.com/12062006/336/fuenf-finnische-elchhunde-sollen-braunbaer-aufspueren.html Fünf finnische Elchhunde sollen Braunbär aufspüren in de.news.yahoo.com am 12.06.2006]</ref>. Vor ihrem Einsatz in den Alpen wurde ihnen das Fell kürzer geschoren, um sie vor der sommerlichen Hitze zu schützen. Am Sonntag den [[19. Juni]] traf ein weiterer Bärenjäger mit dem laut bayerischen Umweltministerium besten finnischen Bärenhund ein <ref>sueddeutsche.de: ''[http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/443/78365/ Spur in Österreich: Neue Rätsel um Bär Bruno.]'' 19. Juni 2006</ref>. |
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== Reaktionen auf die Tötung == |
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Das Team wurde auch von einem österreichischen Betäubungsexperten, dem Wiener Professor für Wildtiermedizin und Artenschutz Chris Walzer, begleitet. Da man mit Blasrohren oder normalen Betäubungsgewehren zu nah an den Bären heran gemusst hätte, war ein Spezialgewehr erforderlich, das auf eine Entfernung von 80 Metern Betäubungspfeile verschießen konnte. Bären haben eine außerordentlich dicke Fettschicht, darum versagen konventionelle Betäubungsmethoden. |
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=== Allgemein === |
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Nach der Tötung von JJ1 gingen laut zuständiger [[Landgericht München II|Staatsanwaltschaft München II]] dort und bei weiteren Anklagebehörden sowie bei der Polizei „eine Flut von [[Strafanzeige|Anzeigen]]“ ein, unter anderem gegen den damaligen bayerischen Umweltminister Werner Schnappauf.<ref>[https://newsv1.orf.at/060628-1058/ orf.at zu Reaktionen zum Tode JJ1]</ref> |
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Am 7. Juli 2006 gab die Münchner Staatsanwaltschaft bekannt, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei, da „keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen“. Die Begründung für die Abschussgenehmigung sei nachvollziehbar und ein vorsätzlicher oder sorgfaltswidriger Verstoß gegen Strafnormen scheide daher aus. Außerdem verstoße der Abschuss auch nicht gegen das Jagdrecht, „da der Braunbär nicht zu den Tierarten zählt, die durch das Jagdrecht geschützt sind“.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.news.at/articles/0627/15/145155/keine-anhaltspunkte-straftat-tod-bruno-richter |titel=Keine Anhaltspunkte für eine Straftat: Tod von „Bruno“ landet nicht vor dem Richter |werk=news.at |datum=2006-07-07 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20210821063522/https://www.news.at/articles/0627/15/145155/keine-anhaltspunkte-straftat-tod-bruno-richter |archiv-datum=2021-08-21 |abruf=2023-02-02}}</ref> |
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Der sofortige Einsatz der Jäger scheiterte zunächst an bürokratischen Hürden, da geprüft werden musste, ob finnische Jäger grenzüberschreitend in Deutschland und Österreich bewaffnet eingreifen dürfen. Nach einer Einigung der Länder [[Tirol]] und [[Bayern]] gab es dann für die finnischen Sucher grünes Licht, am darauffolgenden Wochenende mit der Suche zu beginnen. Den Bärenfängern wurde zwei Wochen Zeit eingeräumt, den Bären aufzuspüren. |
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=== Verbände === |
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Am Sonntag, dem 11. Juni, begann die inzwischen eingetroffene Bärenhundestaffel im Bezirk Schwaz mit der organisierten Suche. Diese musste jedoch unterbrochen werden, weil ein Pächter sich weigerte, den Suchtrupp auf sein Jagdgebiet zu lassen, was wiederum darin begründet lag, dass die Bärenfänger keine Genehmigung vorweisen konnten. Erst ein Machtwort des zuständigen Landesrates konnte diesbezüglich Klarheit schaffen. Weil jedoch schon wieder ein Tag vergangen war, musste man auf die nächste Spur des Bären warten. |
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* Der [[Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland|Bund Naturschutz]] in Bayern e. V. (BN) bedauerte, dass 170 Jahre nach der Ausrottung des Bären in Bayern durch den Menschen das erste wiederkehrende Tier bereits nach wenigen Wochen getötet wurde. |
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* Der [[Deutscher Tierschutzbund|Deutsche Tierschutzbund]] prüfte rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.tierschutzbund.de/01559.html |titel=Trauer um Bruno: Deutscher Tierschutzbund prüft rechtliche Schritte |hrsg=Deutscher Tierschutzbund |datum=2006-06-26 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20060722013319/http://www.tierschutzbund.de/01559.html |archiv-datum=2006-07-22 |abruf=2023-02-02}}</ref> |
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* Der WWF bedauerte den Abschuss, wies jedoch darauf hin, dass es sich um ein verhaltensauffälliges Tier gehandelt hatte. |
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* Die Tierschutzstiftung [[Vier Pfoten]], die sich in Rumänien um Tanzbären kümmert und in Mecklenburg-Vorpommern den [[Bärenwald Müritz]], eine Auffangstation für Braunbären aus schlechten Haltungsbedingungen, betreibt, kritisierte den Abschuss und kündigte an, dessen Rechtmäßigkeit zu prüfen und gegebenenfalls weitere juristische Schritte zu unternehmen. Im Jahr 2008 kritisierte die Organisation die Verharmlosung der wahren Situation durch eine in dieser Zeit gedrehte [[#Künstlerische Bearbeitungen|Filmkomödie zur Jagd auf Bruno]] und sah in der Art der Einbeziehung gefangener Bären einen Missbrauch der Tiere zu Belustigungszwecken. Allgemein kritisierte sie, dass sich seit dem Abschuss von Bruno in Deutschland nur wenig zum Schutz wildlebender Braunbären getan habe.<ref name="Kritik Brunofilm">[http://www.vier-pfoten.de/website/output.php?id=1052&idcontent=2654 ''VIER PFOTEN und STIFTUNG FÜR BÄREN kritisieren Bruno-Film.'']{{Toter Link |url=http://www.vier-pfoten.de/website/output.php?id=1052&idcontent=2654 |date=2017-02-21}} In: ''vier-pfoten.de.''</ref> |
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* Die Stiftung für Bären ernannte den 26. Juni, den Abschusstag des seit 171 Jahren ersten heimischen Bären, zum Bärengedenktag und nutzt seither diesen Tag, um auf das Schicksal des Bären Bruno aufmerksam zu machen, auch um sich damit gegen weitere Tötungen einzusetzen und für die Wiederansiedelung des Braunbären in Deutschland zu werben.<ref>baer.de: {{Webarchiv |url=http://www.baer.de/sfb/index.php?id=816&smid=0 |wayback=20101119235029 |text=Bärengedenktag am 26. Juni}}</ref> |
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* Die Stiftungen Vier Pfoten und Stiftung für Bären boten an, den ebenfalls verhaltensauffällig gewordenen Bruder Brunos, den Jungbären JJ3, zu übernehmen. Die ablehnende Antwort des Schweizer Bundesamtes für Umwelt traf bei den Stiftungen ein, nachdem JJ3 bereits getötet worden war, wenige Tage zuvor hatten die Behörden einen Abschuss noch negiert.<ref>[http://www.vier-pfoten.de/website/output.php?id=1052&idcontent=2612 ''Stiftung für Tierschutz und Stiftung für Bären verurteilen den Abschuss des Braunbären JJ3.'']{{Toter Link | url=http://www.vier-pfoten.de/website/output.php?id=1052&idcontent=2612 |date=2017-02-21}} In: ''vier-pfoten.de.''</ref> |
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=== Politik === |
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Als dieser tags darauf im [[Karwendelgebirge]] beim [[Achensee]] gesichtet wurde, nahm die Hundestaffel erstmals am 13. Juni morgens die Fährte des Bären auf. Sie mussten jedoch die Jagd nach achtstündiger Suche abbrechen. Die Hunde waren erschöpft und den finnischen Jägern waren die Berge zu steil. Sowohl die Hunde als auch die Jäger hatten offenbar auch Probleme mit der ungewohnten Hitze. Aufgrund der ständig warmen Witterung, blieben zudem die Duftspuren des Bären nicht lange erhalten, weshalb die Hundestaffel diese immer wieder verlor. |
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* Die [[SPD Bayern|SPD]]-Landtagsfraktion Bayern forderte den Rücktritt von Umweltminister Werner Schnappauf.<ref>SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag: [http://www.spd-landtag.de/aktuell/presse_anzeigen.cfm?mehr=6537 Bärentöter Schnappauf muss seinen Hut nehmen], 26. Juni 2006</ref> |
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* Der Umweltstaatssekretär Bayerns, [[Otmar Bernhard]], bezeichnete den Abschuss von JJ1 als äußerst bedauerlich, aber objektiv unvermeidbar.<ref>Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz: {{Webarchiv |url=http://www.stmugv.bayern.de/aktuell/presse/detailansicht.htm?tid=10631 |archive-is=20120911030420 |text=Pressemitteilung}}, 26. Juni 2006</ref> Des Weiteren erklärte Bernhard, dass die Identität des Schützen nicht preisgegeben werden solle. Die Frage nach Beteiligung eines Polizisten an der Abschussaktion ließ er unbeantwortet. „Es sind Jagdkundige, und dabei bleibt es“, sagte Ministeriumssprecher Roland Eichhorn zu den Fragen nach den Bärenjägern.<ref>[[n-tv]]: [http://www.n-tv.de/panorama/Bayerns-Baer-erlegt-article187984.html Bayerns Bär erlegt], 26. Juni 2006</ref> Bereits wenige Stunden nach der Tötung trafen Morddrohungen gegen den Todesschützen bei dem örtlichen Jagdverein ein. |
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* [[Italien]] legte am 28. Juni 2006 Protest gegen die Tötung von JJ1 bei der [[EU-Kommission]] ein.<ref>[http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/umwelt/nach-der-baerenjagd-italien-protestiert-bei-eu-kommission-gegen-brunos-tod-1328743.html ''Italien protestiert bei EU-Kommission gegen „Brunos“ Tod''.] In: [[Frankfurter Allgemeine Zeitung]], 27. Juni 2006</ref> Die italienische Regierung will damit erreichen, dass der [[Artenschutz]] auf EU-Ebene geregelt wird. JJ1 war Teil des von der EU finanzierten Projektes „Life Ursus“ gewesen, dessen Ziel es ist, im Grenzgebiet Italien-Österreich-Deutschland wieder Bären anzusiedeln. Ein Abschuss komme nur dann in Frage, wenn ein Tier eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle – das sei bei JJ1 nicht der Fall gewesen, äußerte sich der WWF-Veterinär Alessandro de Guelmi, der maßgeblich für die Tierwelt der italienischen Alpen verantwortlich ist. |
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* Der damalige [[Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit|Umweltminister]] Deutschlands, [[Sigmar Gabriel]], verlangte im Zusammenhang mit den Vorfällen um Braunbär JJ1 einen europaweit einheitlich geregelten Schutz von Raub- und Wildtieren: „Auch diese Tiere haben ein Recht zu leben, nicht nur im Zoo, sondern in ihrer natürlichen Umgebung.“ Gabriel ging zwar davon aus, dass die Bayerische Staatsregierung ihre Vorgehensweise sicherlich gut begründen konnte, fragte sich jedoch, „ob es nicht auch möglich gewesen wäre, Bruno zu betäuben oder mit Hartgummigeschossen zu vergrämen statt ihn zu erschießen“. |
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* Am 4. Juli 2006 trafen sich in [[Trient]] Bärenexperten aus Italien, Deutschland, Österreich und der Schweiz, wobei vor allem wildbiologische Fragen diskutiert wurden. Weitere Beratungen über das sogenannte ''Bärenmanagement'' fanden im August 2006 in [[Chur]] statt. |
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* Der italienische Umweltminister [[Alfonso Pecoraro Scanio]] forderte das bayerische Umweltministerium in einem Schreiben offiziell dazu auf, den [[Kadaver]] an Italien zurückzugeben. „Der Braunbär war Teil eines auf italienischem Staatsgebiet durchgeführten Projekts zur Wiedereingliederung der Braunbären in der Adamello-Brenta-Gruppe und ist somit Eigentum des italienischen Staates.“ Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf lehnte das Ansinnen seines italienischen Kollegen jedoch ab. Ein Wildtier gehöre seiner Meinung nach niemandem, und mit dem rechtmäßigen Abschuss sei das Eigentumsrecht an dem Kadaver an den Freistaat Bayern übergegangen. Dort werde er wissenschaftlichen Zwecken zur Verfügung gestellt. Überdies warf er den Italienern vor, mit ihrer misslungenen Vergrämungsstrategie nicht fachgerecht vorgegangen zu sein. |
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* Am 31. Januar 2008 verabschiedete der Tiroler Landtag eine Novelle zum Tiroler Jagdgesetz, das den Abschuss von „Problembären“ erleichtert. Anlass für diese Änderung war die Weigerung eines [[Jagdpächter]]s gewesen, in seinem Revier den Abschuss des Bären JJ1 zuzulassen, obwohl eine Abschussgenehmigung des Landes Tirol vorlag. |
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=== Institutionen === |
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Am 21. Juni 2006 konnte der Bär zwar erneut gestellt, aber wieder nicht betäubt werden. Als ihm die Flucht gelang, konnte einer der Hunde ihn zwar verfolgen, aber nicht mehr stellen. Da die Hunde erschöpft waren, wurde auch kein weiterer Fangversuch mehr gestartet. |
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[[Henning Wiesner]], Direktor des [[Tierpark Hellabrunn|Tierparks Hellabrunn]], empörte sich darüber, dass der Bär nicht betäubt und mit einem [[Global Positioning System|GPS]]-Halsband versehen wurde. Das hätte die Ortung des Bären mit einer Genauigkeit von etwa 5 m möglich gemacht, so dass man jederzeit Gegenmaßnahmen bei Annäherungen an menschliche Wohngebiete hätte einleiten können. Am Wochenende noch habe sich gezeigt, wie leicht sich Menschen dem Bären hätten nähern können (auf etwa 10–15 m), so dass der Einsatz von Betäubungsgewehr (circa 30 m Reichweite) oder Blasrohr (ungefähr 10 m Reichweite) möglich gewesen wäre. |
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Die staatliche italienische Waldpolizei [[Corpo Forestale dello Stato|CFS]] kündigte an, einen [[Helikopter]] auf den Namen ''Orso Bruno'' (Bär Bruno) zu taufen.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/vermischtes/640215.html |wayback=20080116124615 |text=''Italiens Waldpolizei tauft Helikopter Orso Bruno''.}} In: ''[[Tages-Anzeiger]]'', 27. Juni 2006</ref> Sie kritisierte die Erschießung des Tieres, dessen Auswilderung in Italien die Folge eines schwierigen und gut funktionierenden Programmes zur Wiedereinführung der Bären in den Alpen gewesen ist. |
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Am 23. Juni wurde der Einsatz der fünf finnischen Spezialisten endgültig abgebrochen. |
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=== Einzelpersonen === |
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Am 30. Juni 2008 reichte ein Münchner Rechtsanwalt gegen den [[Bayern|Freistaat Bayern]] und die [[Regierung von Oberbayern]] beim [[Verwaltungsgericht (Deutschland)|Verwaltungsgericht]] München eine [[Feststellungsklage|Klage]] ein auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abschusses des Bären Bruno. Er stützte seine Klage unter anderem auf die bayerische Verfassung, der zufolge Tiere als Lebewesen geachtet und geschützt seien. Seiner Auffassung nach habe keine [[Rechtfertigender Notstand (Deutschland)|Notstandslage]] bestanden, die den Abschuss des seltenen Tieres gerechtfertigt hätte. Die Akten über die Angelegenheit seien unvollständig, vermutlich von der Regierung von Oberbayern bereinigt worden, Vorgänge und handelnde Personen nicht dokumentiert. Er äußerte Zweifel daran, dass die Grundsätze des [[Tierschutzrecht|Wildtierschutzes]] sowie das rechtsstaatliche [[Verhältnismäßigkeitsprinzip (Deutschland)|Verhältnismäßigkeitsgebot]] berücksichtigt wurden. Er wolle mit der Klage bewirken, dass ähnliche Vorgehensweisen zukünftig verhindert werden können.<ref>{{Internetquelle |autor=Ekkehard Müller-Jentsch |url=https://www.sueddeutsche.de/muenchen/jaeger-im-visier-rache-fuer-bruno-1.859356 |titel=Jäger im Visier – Rache für Bruno |hrsg=[[Süddeutsche Zeitung]] |datum=2008-12-08 |abruf=2023-02-02}}</ref> |
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Alternativ schlug Dieter Kraml, ein Bärenexperte und Bärenpfleger, vor, JJ1 mit seiner eigenen Bärin Nora anzulocken, um ihn in die Nähe des Betäubungsspezialisten zu bringen. Der Erfolg war aber fraglich, da JJ1 noch nicht geschlechtsreif war. Eine weitere Möglichkeit wäre es gewesen, so Kraml, dass JJ1 sie als eine Art Mutterersatz akzeptiert hätte – zumindest sei davon auszugehen gewesen, dass JJ1 Kontakt zu anderen Bären suchte. |
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Die Klage wurde sowohl vom Verwaltungsgericht als auch in zweiter Instanz vom [[Bayerischer Verwaltungsgerichtshof|Bayerischen Verwaltungsgerichtshof]] mit der Begründung zurückgewiesen, dass der einzelne Bürger durch die darin so beschriebene „Maßnahme der Entnahme des Bären aus der Natur“ nicht direkt betroffen und daher nicht klagebefugt sei.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.riechwald.de/?p=419 |text=Dokumentation des Klägers, Rechtsanwalt Rudolf P. B. Riechwald |wayback=20160304054309}}</ref> |
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===Ziel der Fangaktion=== |
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Nach seinem Einfangen sollte, Experten zufolge, JJ1 mit einem Sender versehen werden, der es jederzeit ermöglicht hätte, ihn bereits bei erstmaliger Annäherung an menschliche Siedlungen mit Gummigeschossen oder Ähnlichem zu vergrämen. Daraufhin hätte er sich dauerhaft in die Natur zurückziehen können, um auch in den Bergwäldern Bayerns ungestört zu leben. |
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== Die Bezeichnung „Problembär“ == |
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===Kosten der Fangaktion=== |
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{{Hauptartikel|Problembär}} |
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Die Kosten, JJ1 bis zu seinem Tod einzufangen, wurden mit ca. 100.000 Euro beziffert. Zwei Drittel davon entfielen auf den österreichischen [[WWF]], der auch ein Projekt zur Wiederansiedlung und zum Schutz von Braunbären in Österreich unterhält und einen eigenen Spurensucher beauftragt hat. Der vergebliche Versuch, JJ1 von fünf finnischen Bärenspezialisten und ihren Hunden stellen zu lassen, kosteten 30.000 Euro, die sich Bayern und Tirol teilten.<ref>[[Abendblatt]]: ''[http://www.abendblatt.de/daten/2006/06/26/578444.html Mountainbiker verfolgten "Bruno" – von heute an zum Abschuß frei]'', 26. Juni 2006</ref> Die eigens in [[Montana]] hergestellte Röhrenfalle kostete 4000 Dollar.<ref>[[Süddeutsche Zeitung]]: ''[http://www.sueddeutsche.de/muenchen/artikel/683/77606/ Bruno, der ABM-Bär]'', 8. Juni 2006</ref> |
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=== Entstehung und Verwendung === |
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== Der Begriff „Problembär“ == |
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Im Zusammenhang mit dem Auftreten des Braunbären hatte sich zeitweise ein Begriff etabliert, der bisher in Deutschland unbekannt war: „Problembär“. In politischen Zusammenhängen wurde der Begriff als Synonym für JJ1 verwendet, was die Tagespresse und einige Gruppierungen aufgriffen und auch auf andere Zusammenhänge übertrugen. Bei der Wahl zum [[Wort des Jahres]] 2006 erreichte das Wort den siebten Platz. |
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===Herkunft des Begriffs=== |
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Aufgrund ähnlicher Zwischenfälle mit Bären in Niederösterreich und der Steiermark wurde dieser Begriff in der österreichischen Medienberichterstattung schon vor einigen Jahren geprägt. Der ehemalige Moderator der ORF-Fernsehsendung "Inlandsreport", Helmut Brandstätter, hatte das Wort „Problembär“ damals scherzhaft sogar zum „Wort des Jahres“ erklärt. |
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Geprägt wurde dieser Begriff schon in den 1990er Jahren in der österreichischen Medienberichterstattung aufgrund von Zwischenfällen mit Bären in Niederösterreich und der Steiermark. Der ehemalige Moderator der [[ORF]]-Fernsehsendung „Inlandsreport“, Helmut Brandstätter, erklärte im Jahre 1994 das Wort „Problembär“ scherzhaft zum „[[Wort des Jahres]]“. |
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Besonders populär und zu einem das Tagesgeschehen mitbestimmenden Wort wurde dieser Ausdruck jedoch vor allem durch eine Rede des bayerischen Ministerpräsidenten [[Edmund Stoiber]] Ende [[Mai 2006]], der im Rahmen einer Pressekonferenz die Abschussgenehmigung rechtfertigte. Stoiber erkannte zwar die Bedeutung des Bären als Zeichen gelungenen Naturschutzes an, verwies aber auf die bestehende Problematik der mangelnden Scheu dieses Bären vor dem Menschen. Hierbei unterschied Stoiber in wissenschaftlich fragwürdiger Weise zwischen „Normalbären“ mit erwartungsgemäßem Verhalten, weiter sogenannten „Schadbären“ (einem Begriff, der in der Staatskanzlei breite Verwendung fand) sowie schließlich den „Problembären“, zu denen er auch JJ1 zählte. In den deutschen Medien und der deutschen Öffentlichkeit etablierte sich dann überwiegend der Begriff Problembär. |
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In Deutschland populär und zu einem zeitweise das Tagesgeschehen mitbestimmenden Wort wurde dieser Ausdruck durch eine Rede des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten [[Edmund Stoiber]] Ende Mai 2006, der im Rahmen einer Pressekonferenz die Abschussgenehmigung rechtfertigte.<ref>[http://www.stoibaer.de/stoiber-in-hochform Transkript von Stoibers Erklärung] mit Link zur [[MP3]]-Datei auf stoibaer.de, abgerufen am 17. August 2013.</ref> Stoiber erkannte zwar die Bedeutung des Bären als Zeichen gelungenen Naturschutzes an, verwies aber auf die bestehende Problematik der mangelnden Scheu dieses Bären vor dem Menschen. Hierbei unterschied Stoiber zwischen „Normalbären“ mit erwartungsgemäßem Verhalten, weiter sogenannten „Schadbären“ (einem Begriff, der in der Staatskanzlei breite Verwendung fand und auf [[Werner Schnappauf]] zurückging) sowie schließlich den „Problembären“, zu denen er auch JJ1 zählte. Aufgrund der ständig fehlgeschlagenen Fangversuche und der weiterhin stattfindenden Schäden wurde JJ1 später auch als sogenannter „Risikobär“ bezeichnet. |
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Aufgrund der ständig fehlgeschlagenen Fangversuche und der sich anhäufenden Schäden, wurde JJ1 später auch als sogenannter "Risikobär" bezeichnet. |
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Die als unreflektiert empfundene Einstufung des Bären durch den bayerischen Ministerpräsidenten sorgte in der Öffentlichkeit für Aufsehen und gab Anlass für heitere wie kritische Kommentare in den Medien. Sie wurde in Radiospots sowie im Internet in Form von [[Parodie]]n mehrfach [[kabarett]]istisch aufbereitet. So wurde Stoiber unter anderem als „Stoibär“ oder „Schlaubär“ bezeichnet, ferner war spöttisch von der „Stoiber'schen Bärenkunde“ die Rede. |
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===Verselbständigung des Begriffes=== |
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Die o.g. Einteilung der Bären durch Stoiber, sorgte in der Öffentlichkeit für weiteres Aufsehen und gab Anlass für teils heitere und teils kritische Kommentare in den Medien. Sie wurde in Radiospots sowie im Internet in Form von [[Parodie]]n mehrfach kabarettistisch aufbereitet. So wurde er z.B. als „Stoibär“ oder auch „Schlaubär“ bezeichnet, ferner sprach man vielfach von der Stoiber'schen Bärenkunde. Am Tag nach der Rede Stoibers, wurde der Begriff von verschiedenen Seiten schon als scherzhaftes Synonym für unliebige Personen eingesetzt. So wurde Stoiber selbst, u.a. von [[Stefan Raab]], als wörtlich „Problembär der Staatsregierung“ tituliert. |
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=== Übertragung auf Personen === |
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Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass mit dem Begriff „Problembär“ eine stehende Redewendung Einzug in die Alltagssprache hält (vgl. auch die ähnliche Entwicklung bei der Figur [[Erklärbär]] aus der Sat.1-Wochenshow). So verglich der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, [[Rainer Brüderle]], kürzlich den gegenwärtigen Bundeswirtschaftsminister [[Michael Glos]] (CSU) mit dem Bären JJ1: ''„Manche sehen in Michael Glos ja schon den Problembären der Regierung, so eine Art Bruno der deutschen Volkswirtschaft.“'' <ref>[[Spiegel Online]]:''[http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,423695,00.html Kanzlerin rettet „Problembär“ Glos]''</ref> |
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Die mit der Rechtfertigung der Verfolgung des Bären in Zusammenhang gebrachten [[Komposition (Grammatik)|Komposita]] „Problem-“, „Schad-“ und „Risikobär“ fanden in der Folge vielfältige Verwendungen und Abwandlungen. Mehrfach tauchten sie in den Medien im Hinblick auf Personen oder Personengruppen auf, die gerade für ein negatives Presse-Echo sorgen. So sprachen Medien am 27. Juni 2006 in einem Artikel im Bezug auf den bayerischen Umweltminister, der die Abschussgenehmigung erteilt hatte, von einem „Problemminister“.<ref>[http://www.stern.de/wissenschaft/natur/:Nach-Brunos-Tod-Schnappauf-Problem-Minister/564209.html ''Schnappauf wird zum Problem-Minister''] In: [[Stern (Zeitschrift)|Stern]], 27. Juni 2006</ref> In anderen Medien war in ähnlichen Zusammenhängen die Rede von einem „Risikominister“ und von „Schadpolitikern“. |
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Der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]-Vorsitzende [[Kurt Beck]] erwirkte eine [[einstweilige Verfügung]] gegen das [[Satire]]magazin [[Titanic (Magazin)|Titanic]] wegen dessen Titelbild, auf dem sein Konterfei abgebildet und darunter „Problembär außer Rand und Band: Knallt die Bestie ab!“ zu lesen war.<ref>Lars Langenau: ''[http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,424852,00.html SPD verklagt „Titanic“]'', [[Spiegel Online]], 3. Juli 2006</ref> Im Mai 2008 übertitelte die [[Frankfurter Rundschau]] einen Artikel über den damaligen Bundeswirtschaftsminister [[Michael Glos]] mit der Überschrift „Neues vom Problembären“. Die [[Süddeutsche Zeitung]] griff den Ausdruck im März 2011 erneut auf und nannte [[Rainer Brüderle]] einen Problembären, da er sich aus Sicht der Zeitung um die Nachfolge von [[Guido Westerwelle]] als Parteiführer gebracht hätte.<ref>[[Süddeutsche Zeitung]]: [http://www.sueddeutsche.de/politik/bruederle-und-die-atomluege-ein-problembaer-erlegt-sich-selbst-1.1077294 Brüderle und die Atomlüge – Ein Problembär erlegt sich selbst]</ref> |
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Auch erste Abwandlungen des Begriffs tauchten in den Medien auf. So sprachen Medien und Politik am 27. Juni in einem Artikel von einem „Problemminister“. Wörtlich heißt es dort: ''Im bayerischen Landtag wächst derweil der Druck auf Schnappauf. Die SPD-Fraktion verlangte seinen Rücktritt. Schnappauf werde zum „Problemminister“, hieß es''<ref>Stern: ''[http://www.stern.de/wissenschaft/natur/:Nach-Brunos-Tod-Schnappauf-Problem-Minister/564209.html "Schnappauf wird zum Problem-Minister"]'', 27. Juni 2006</ref> Andere Quellen sprechen vom "Risikominister". |
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=== Ähnliche Begriffe === |
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In anderem Zusammenhang ist vereinzelt auch bereits der Begriff "Schadpolitiker" aufgetaucht. |
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In der [[Schweiz]] wird die Bezeichnung [[Problembär]] amtlich verwendet und dient zur [[Risikoanalyse|Risikoschätzung]] bei der Beurteilung des Gefahrenpotentials eines individuellen Bären aufgrund seines Verhaltens. |
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In manchen Regionen der USA und Kanada, wie beispielsweise in New York und in der Nähe der [[Hudson Bay]], kommen wildlebende Bären häufig vor. Einzelne Tiere haben sich daran gewöhnt, in der Nähe von Siedlungen oder Campern nach Futter zu suchen. Diese werden als ''Nuisance Bears'' („lästige Bären“, „Störbären“) bezeichnet. Solche Bären werden jedoch nicht abgeschossen. Auch das Einfangen und Verbringen von solchen Bären wird nur in unausweichlichen Fällen durchgeführt. Eher rät man den Menschen dazu, Abfälle und Nahrungsmittel außerhalb der Reichweite von Bären zu lagern. |
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== Debattierter Hintergrund des Problemverhaltens == |
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JJ1 sei von seiner Mutter „falsch gepolt“ worden, sagte Roland Eichhorn, der Sprecher des Bayerischen Umweltministeriums. „Der Bär kann praktisch gar nichts dafür.“ Wiederholt sei versucht worden, der Bärin Jurka, Mutter von JJ1, das Herannahen an menschliche Siedlungen im norditalienischen Naturreservat Brenta-Adamello durch sogenannte Vergrämung – unter anderem mit Beschuss durch Gummikugeln – auszutreiben. ''„Die Mutter hat quasi ein langes Vorstrafenregister.“'' |
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== Ausstellung == |
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Bei der Bewertung des Verhaltens des „Problembären JJ1“ ist es unumgänglich, einen Blick auf die Ursachen zu werfen: Auf die Mutter Jurka im Brenta-Adamello-Gebiet Norditaliens. Vor diesem Hintergrund war das Verhalten von JJ1 durchaus logisch und erklärbar: Normalerweise sucht ein Bär den Platz der zurückgelassenen Beute wieder auf, um diese vollends aufzufressen, sollte dies nicht bereits beim ersten Mal geschehen sein. |
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[[Datei:JJ1 (Bruno) im Museum Mensch und Natur 001.jpg|mini|Kopf des präparierten JJ1 mit präparierten Bienen.]] |
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Brunos Kadaver wurde präpariert und ist seit dem 26. März 2008 im Münchner Museum Mensch und Natur ausgestellt. Der Bär wird beim Honigstehlen gezeigt. Die Szene bezieht sich auf ein Ereignis vom 16. Juni 2006. Damals beraubte Bruno im oberbayerischen [[Kochel am See]] einen Bienenstock. Um die Situation möglichst echt darzustellen, wurden nicht nur der Bär, sondern auch rund 1000 Bienen präpariert und zwischen Waben und Bienenkästen platziert. Zum Schutz vor den Besuchern steht die Szenerie hinter Glas. Die italienische Regierung erhebt einen Anspruch auf den Kadaver, der von der Bayerischen Staatsregierung nicht anerkannt wird.<ref>[[BBC]]: [http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/6500187.stm Battle over Bruno the bear's body] (englisch)</ref> |
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== Künstlerische Bearbeitungen == |
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Als die Bärin Jurka die Erfahrung machte, dass beim zweiten Mal stets Menschen anwesend waren, zeitigte dies den Lerneffekt, dass sie das Zurückkehren zum Platz der Beute für das zweite Mal unterließ. Dies ist ein Beweis für die Lernfähigkeit von Bären. Im Umkehrschluss bedeutet dies für die Konditionierung des Bärenverhaltens, dass „es beim ersten Mal gutgeht“ und leichte Beute auf Weiden wartet. Nach Ansicht des Sektionschefs Jagd, Wildtiere und Wildbiodiversität des Schweizer Bundesamtes für Umwelt (BAFU) lassen sich Weiden vor Großraubtieren durch einen Elektrozaun und die menschliche Anwesenheit in Form eines Hirten schützen. Dies würden Praxiserfahrungen der Schweizer mit dem [[Luchs]] bestätigen. |
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* [[Gerhard Falkner]] veröffentlichte 2008 die Novelle ''[[Bruno (Novelle)|Bruno]]''. Falkner verarbeitet hier das Auftreten und den Abschuss des Bären JJ1 literarisch. Falkner verlegt dabei die Wanderroute des Bären in die Schweiz und den Ort des Abschusses in die Nähe von [[Leuk]] im Wallis. Andere historische Details lässt er dagegen unverändert, insbesondere das Datum des Abschusses.<ref>Gerhard Falkner: ''Bruno''. Novelle, 1. Auflage, Berlin Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-8270-0785-8</ref> |
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* [[Felix Mitterer]] schrieb das Drehbuch zu der Filmkomödie ''Der Bär ist los! Die Geschichte von Bruno'', die von der Jagd auf Bruno inspiriert wurde, sich aber von den tatsächlichen Ereignissen entfernt und für den Bären ein Happy End hat. Hauptdarsteller sind [[Nadeshda Brennicke]], [[Fritz Karl]] und [[Harald Krassnitzer]]. Ausgestrahlt wurde der Film von [[ORF]] und [[ARD]] am 25. Februar 2009.<ref>[https://tirv1.orf.at/stories/342805 ''Vorpremiere: „Bruno“-Film mit Happy End''] auf ORF am 16. Februar 2009 (abgerufen am 24. Oktober 2013)</ref> Tierschutzinstitutionen kritisierten den Film, weil er die wahren Ereignisse verschleiere und die mitspielenden Bären nicht artgerecht behandelt würden.<ref name="Kritik Brunofilm" /> |
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* Heinz Vogel, ein Arzt aus Vorarlberg hat 2012 den Stoff zu einem Bilderbuch für Erwachsene und Kinder verarbeitet. Das Buch zeigt einen anderen möglichen Lebensverlauf für JJ1 auf als den tatsächlich erlittenen.<ref>Heinz Vogel: ''Das abenteuerliche Leben des JJ1 alias Bruno alias Beppo. Ein Bilderbuch für Erwachsene und Kinder.'' Bucher Verlag. Hohenems, Wien, Vaduz, 2012, ISBN 978-3-99018-147-8</ref> |
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* Die Karlsruher Band „fok o'locos“ hat mit ihrer Ballade ''Bruno''<ref>[https://www.youtube.com/watch?v=vG8perMrPvU&feature=plcp&list=FLQONSpJrGStAPKgwIUlTOlw „Bruno“ von „fok o'locos“]</ref> dem Bären ein musikalisches Denkmal gesetzt, ebenso die österreichische Band „Die Quote“ mit ihrem Song ''Beiß eam die Hand o''.<ref>[http://www.diequote.org/download/beisseam.mp3 ''„Beiß eam die Hand o“ von „Die Quote“.'']{{Toter Link |url=http://www.diequote.org/download/beisseam.mp3 |date=2017-02-21}}</ref> |
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* Die Edition Lebenswert veröffentlichte 2008 das Buch ''Gespräche mit Bruno – Requiem für einen Braunbären'' von Peter Raba, illustriert von Robert Holzach. Im inneren Dialog mit Peter Raba gibt Bruno Antworten.<ref>{{Literatur |Autor=Peter Raba |Titel=Gespräche mit Bruno – Requiem für einen Braunbären |Auflage=1 |Verlag=Edition Lebenswert |Ort=Murnau |Datum=2008 |ISBN=978-3-9812194-6-3}}</ref> |
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== Literatur == |
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Überdies beweisen das Auftauchen des Menschen und die Vergrämungen bei Mutter Jurka, die jedes Mal zu deren unmittelbarer Flucht und alsbald zur beschriebenen Verhaltensänderung führten, dass die Scheu des Bären vor dem Menschen nach wie vor gegeben ist. Ansonsten würde die Bärin ein zweites Mal – trotz menschlicher Anwesenheit – den Platz der zurückgelassenen Beute aufsuchen. |
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* [[Bruno Hespeler]]: ''Brunos Heimkehr. Bär, Wolf und Luchs kommen wieder. Ängste, Risiken und Hoffnungen''. [[Edition Raetia]] live, Bozen 2006, ISBN 978-88-7283-281-3. |
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* Petra Fohrmann: ''Bruno alias JJ1. Reisetagebuch eines Bären.'' Nicolai, Berlin 2006, ISBN 978-3-89479-255-8. |
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Als sich JJ1 als Jungbär noch bei seiner Mutter aufhielt, wurde er von ihr dahingehend konditioniert, dass er niemals an eine Stelle zurückkehre, an der er ein Beutetier gerissen hat. Dies machte es auch so schwer, den Bären in Tirol in eine Falle zu locken und einzufangen. |
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* [[Josef H. Reichholf]]: ''Der Bär ist los: Ein kritischer Lagebericht zu den Überlebenschancen unserer Großtiere.'' Herbig, München 2007, ISBN 978-3-7766-2510-3. |
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* [[Ilja Richter]], [[Erich Rauschenbach]] (Illustrator): ''Bruno – Von Bären und Menschen''. Boje, Köln 2007, ISBN 978-3-414-82047-1. |
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Die Scheu vor dem Menschen war übrigens ebenfalls bei JJ1 nach wie vor „intakt“: Alle seine Annäherungen an menschliche Siedlungen wie Hütten oder zuletzt dessen Auftauchen im bayerischen Ferienort Kochel am See fanden – ebenso wie die Schafrisse in der Vergangenheit – nachts statt ohne jede – aus Bärensicht vorhersehbare – Anwesenheit des Menschen. Sobald jedoch, für den Bären gleichsam überraschend, ein Mensch auftauchte – sei es am Berg Brauneck in der oberbayerischen Gemeinde Lenggries oder nachts darauf im Ferienort Kochel am See der Spaziergänger oder noch am Vorabend seines Todes, ergriff der Bär unvermittelt die Flucht. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass durch Menschen überraschte Bären selbst bei einer Distanz von nur einigen Metern flüchten, bestand auch weiterhin wenig Gefahr für Leib und Leben des Menschen. |
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Zum Problem der „falschen“ Konditionierung von Mutter Jurka und deren erzieherischer Übertragung der neu erworbenen Erfahrungen auf JJ1 sei angemerkt, dass nicht der Bär falsch konditioniert ist. Der Bär ist richtig konditioniert, da sein Verhalten die richtige Antwort auf das Einwirken des Menschen auf ihn darstellt. Ursache für das gezeitigte Bärenverhalten war der „Lehrplan“ des Menschen für den Bären. |
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Das löste allerdings nicht das Problem, dass JJ1 sich u. a. auch Beute in Annäherung an menschliche Behausungen holte. Für viele stellte nach dem Einfangen von JJ1 eine Einlieferung in ein Gehege bei Poing ein moralisches Problem dar. Man könne nicht alles wegsperren, was unliebsam erscheint: Aufgrund des nachlassenden Bevölkerungsdrucks im Alpenraum beanspruchen nun dort bereits vor dem Menschen angestammte Tierarten durch natürliche Einwanderung wieder ihr Lebensrecht. Ein Rücktransport von JJ1 in das Naturreservat Brenta-Adamello stellte wohl ebenso wenig eine dauerhafte Antwort dar, da es nur eine Frage der Zeit sein konnte, bis JJ1 sich auf der Suche nach einem Bärenweibchen wieder auf Wanderschaft begeben hätte oder, wo auch immer, ebenfalls u.U. anders konditionierten Nachwuchs gezeugt hätte. Aus wildbiologischer Sicht wäre einzig dessen Umerziehung von dauerhaftem Erfolg gekrönt gewesen – und das voraussichtlich bereits nach wenigen Monaten. |
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== Abschussgenehmigung == |
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Wegen seines Verhaltens, die Nähe menschlicher Ansiedlungen nicht zu meiden, und der damit mutmaßlichen Gefährdung erließ die [[Bayerische Staatsregierung]] Ende Mai eine [[Abschussgenehmigung]], an der sich ein öffentlicher Streit entzündete. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz stufte das Verhalten des Bären als – so wörtlich – „abnormal“ ein, Umweltminister [[Werner Schnappauf]] verkündete darüber hinaus, der Bär sei ganz offensichtlich außer Rand und Band. Angaben des Sprechers des bayerischen Umweltministeriums Roland Eichhorn zufolge, ist bereits die Bärenmutter Jurka bei sogenannten [[Vergrämung|Vergrämungs-Versuchen]], bei denen sie mittels [[Gummigeschoss]]en von menschlichen Ansiedlungen ferngehalten werden sollte, „falsch gepolt“ worden. Sie und somit auch ihre Jungen JJ1 und JJ2 wurden gemäß dieser Theorie dadurch dazu [[Konditionierung|konditioniert]], die Stellen, wo sie ein Tier reißen, zu verlassen und nicht mehr so schnell zurückzukehren, was die Suche nach dem Streuner JJ1 erschwert <ref>[[Mitteldeutsche Zeitung]]: ''[http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1148052052159&openMenu=987490165154&calledPageId=987490165154&listid=994342720546 Streunender Braunbär ist kein Unbekannter mehr]'', 19. Juni 2006</ref>. |
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JJ1 habe es offensichtlich auf Schafe abgesehen, denn allein vom 2. bis 5. Juni tötete er mindestens acht, ließ sie aber meist liegen. Durchschnittlich reißt ein Bär nur zwei bis drei Schafe pro Jahr. Solche Schäden sind typisch und normalerweise durch Versicherungen gedeckt. Problematisch ist jedenfalls die offenkundige Nähe der menschlichen Siedlungen zum Bärenrevier. |
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Vertreter von [[Naturschutz]]verbänden stimmten dem zwar prinzipiell zu, wandten jedoch ein, dass es noch zu keiner direkten Konfrontation mit Menschen gekommen sei und Bären außerdem derartige Zusammentreffen üblicherweise mieden. Sie kritisierten ausdrücklich die heftige Reaktion. |
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In der Folgezeit entwickelte sich eine öffentliche Diskussion um die Behandlung freilebender Bären und deren Bedrohungspotenzial für den Menschen wie auch umgekehrt. Der [[WWF]] forderte die Erarbeitung von Verhaltensregeln, um die Öffentlichkeit in Zukunft an das Zusammenleben mit [[Wildtier]]en zu gewöhnen. |
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Auch im Land Tirol wurde Ende Mai eine Schießgenehmigung für den Bezirk [[Außerfern]] erteilt und eine Ausweitung auf das ganze Bundesland diskutiert. Aufgrund der oben angeführten Diskussion, die allerdings in Österreich weniger heftig ausfiel, da es hier seit Jahren eine stabile Bärenpopulation gibt, wurde sie jedoch am 2. Juni sowohl in Bayern als auch in Österreich widerrufen, um die an den Versuchen den Bären lebend zu fangen Beteiligten nicht zu gefährden, was von den Vertretern vieler internationaler Tierschutzorganisationen begrüßt wurde <ref name="nachrichten.ch">www.nachrichten.ch: ''[http://www.nachrichten.ch/detail/243871.htm Finnische Bärenfänger suchen «Bruno»]'', 9. Juni 2006</ref>. |
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Kritisiert wurde insbesondere, dass Schnappauf eine Abschussgenehmigung niemals gutheißen hätte dürfen, zumal der Bär entsprechend dem bayerischen Jagdgesetz kein jagbares Wild ist und somit eine Kompetenzüberschreitung wenn nicht gar die Anstiftung zum Wildfrevel vorliege. |
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Nachdem mehrere Versuche der finnischen Bärenjäger JJ1 zu stellen und zu betäuben, fehlschlugen und deren Einsatz bis Montagabend, den 26. Juni 2006 befristet war, sollte nach Angaben des Sprechers des bayerischen Umweltministeriums, Roland Eichhorn, die Abschussgenehmigung wieder in Kraft gesetzt werden<ref>[[Berliner Zeitung]]: ''[http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/vermischtes/562032.html Schonfrist für Braunbär JJ1 läuft am Montag ab]'', 23. Juni 2006</ref>. Auch der Landeshauptmann von Tirol, ist für den Abschuss. |
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Während man in Tirol die gesetzlichen Grundlagen für einen Abschuss des Bären schuf<ref>[[Kurier]]: ''[http://www.kurier.at/nachrichten/chronik/14914.php Jagd auf JJ1 beendet]'', 23. Juni 2006</ref>, entbrannte in Bayern ein Streit darüber, wer dafür zuständig sein könnte: Der Landesjagdverband wollte sich keinesfalls aktiv an einer Hatz auf JJ1 beteiligen, da der Bär in der Öffentlichkeit inzwischen sehr populär sei und man einen Imageschaden befürchtete. Daher schob man der Polizei die Aufgabe zu. Das Innenministerium verwies aber darauf, dass die Polizei lediglich unterstützend, z. B. mit Hubschraubern und Personal, tätig werden könne, für die Jagd auf Großwild fehle jedoch die Kompetenz. |
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Die Neuerteilung der Abschussgenehmigung stieß dabei immer noch auf vehementen Protest von Experten und |
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Tierschützern<ref>[[Netzeitung]]: ''[http://www.netzeitung.de/vermischtes/411815.html Ab Montag droht Bruno der Abschuss]'', 23. Juni 2006</ref>. Unklar ist weiterhin, ab wann die neue Abschussgenehmigung gültig war. Hier kursieren sowohl der 26. als auch der 27. Juni in den Medien, das Ministerium nennt den 25. Juni. Zuständig für die Wieder-Inkraftsetzung der entsprechenden Allgemeinverfügung wäre die Regierung von [[Oberbayern]] gewesen. |
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== Tötung == |
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Nachdem zuvor mit hohem Aufwand erfolglos versucht worden war, JJ1 zu fangen, wurde er am 26. Juni 2006 um 4:50 Uhr morgens auf der 1500 m hohen Kümpflalm, einer Almwiese in der Nähe der [[Rotwand (Bayern)|Rotwand]] im [[Spitzingsee]]gebiet, einem Ortsteil von [[Schliersee (Ort)|Schliersee]] bei [[Bayrischzell]] im Landkreis [[Miesbach]] aus 150 Metern Entfernung von einem Jagdbeauftragten getötet <ref>[[Bayerischer Rundfunk]]: ''[http://www.br-online.de/umwelt-gesundheit/thema/baer-in-bayern/baer-bayern-tirol.xml Abschuss: Jäger töten Braunbär „JJ1“]'', 26. Juni 2006</ref>. |
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Von Seiten des Bayerischen Umweltministeriums heißt es, der Abschuss sei von „jagdkundigen Personen“ vorgenommen worden. Dabei soll es sich um ein staatlich beauftragtes Sicherheitsteam gehandelt haben, die Jägerschaft hingegen habe sich frühzeitig vom Abschuss des geschützten Braunbären distanziert, der in Deutschland überhaupt nicht gejagt werden dürfe. <ref>Bayerischer Rundfunk: ''[http://www.br-online.de/umwelt-gesundheit/thema/baer-in-bayern/baer-bayern-tirol.xml Online-Berichterstattung des Bayerischen Rundfunks]''</ref> |
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Bei den für den Abschuss Beauftragten handelt es sich um zwei ortsansässige Jäger und einen Polizisten, die das Tier mit einem Lungenschuss aus 150 Metern töteten. <!-- Gibt es dazu auch Quellen? --> |
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== Reaktionen auf die Tötung == |
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[[Henning Wiesner]], Direktor des [[Tierpark Hellabrunn|Tierparks Hellabrunn]], empörte sich darüber, dass der Bär nicht betäubt und mit einem [[Global Positioning System|GPS]]-Halsband versehen wurde, das die Ortung des Bären mit einer Genauigkeit von ca. 5 m ermöglicht hätte, so dass man jederzeit Gegenmaßnahmen bei Annäherungen an menschliche Wohngebiete hätte einleiten können. Am Wochenende noch habe sich gezeigt, wie leicht sich Menschen dem Bären hätten nähern können (auf ca. 10–15 m), so dass der Einsatz von Betäubungsgewehr (ca. 30 m Reichweite) oder Blasrohr (ca. 10 m Reichweite) möglich gewesen wäre. |
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Der [[Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland|Bund Naturschutz]] in Bayern e.V. (BN) bedauerte, dass 170 Jahre nach der Ausrottung des Bären in Bayern durch den Menschen das erste wiederkehrende Tier bereits nach wenigen Wochen getötet wurde<ref>Bund Naturschutz in Bayern e.V.: ''[http://www.bund-naturschutz.de/presse/pressemitteilungen/863.html Pressemitteilung]'', 26. Juni 2006</ref>. |
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Der [[Deutscher Tierschutzbund|Deutsche Tierschutzbund]] prüft rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen <ref>[[Deutscher Tierschutzbund]]: ''[http://www.tierschutzbund.de/01559.html Pressemitteilung]'', 26. Juni 2006</ref>. |
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Der [[WWF]] bedauerte den Abschuss, wies jedoch darauf hin, dass es sich um ein verhaltensauffälliges Tier handelte<ref>[[WWF]]: ''[http://www.wwf.de/presse/pressearchiv/artikel/03101/index.html Pressemitteilung]'', 26. Juni 2006</ref>. |
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Die [[SPD]]-Landtagsfraktion Bayern forderte den Rücktritt von Umweltminister [[Werner Schnappauf]]<ref>SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag: ''[http://www.spd-landtag.de/aktuell/presse_anzeigen.cfm?mehr=6537 Bärentöter Schnappauf muss seinen Hut nehmen]''</ref>. |
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Umweltstaatsekretär [[Otmar Bernhard]] bezeichnete den Abschuss von JJ1 als äußerst bedauerlich, aber objektiv unvermeidbar<ref>Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz: ''[http://www.stmugv.bayern.de/de/aktuell/presse/2006/279.htm Pressemitteilung]'', 26. Juni 2006</ref>. |
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Des Weiteren erklärte Bernhard, dass die Identität des Schützen nicht preisgegeben werden solle. Fragen nach Beteiligung eines Polizisten an der Abschussaktion ließ er unbeantwortet. ''„Es sind Jagdkundige, und dabei bleibt es“'', sagte Ministeriumssprecher Roland Eichhorn zu den Fragen nach den Bärenjägern<ref>[[N-tv|n-tv]]: ''[http://n-tv.de/682298.html Meldung]'', 26. Juni 2006</ref>. Bereits wenige Stunden nach der Tötung trafen Morddrohungen gegen den Todesschützen bei dem örtlichen Jagdverein ein. |
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In einer Umfrage der Süddeutschen Zeitung sprachen sich 86% der Befragten gegen das Vorgehen im Fall Bruno aus. In einem [[Kondolenz]]-[[Blog]] im Internet verliehen tausende Internetnutzer aus Deutschland und anderen Ländern ihrer Trauer und ihrem Ärger über den Abschuss Ausdruck. |
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Bei der Staatsanwaltschaft München werden derzeit neun Strafanzeigen gegen Umweltminister Werner Schnappauf, sein Ministerium allgemein und gegen die, vom Deutschen Jagdschutz-Verband als Sicherheitsteam des Landratsamtes Miesbach bezeichneten, direkt Verantwortlichen für den Abschuss des Bären geprüft<ref>[http://www.netzeitung.de/vermischtes/414178.html Bruno-Fans erstatten Anzeige gegen Schnappauf in www.netzeitung.de], 27.06.06</ref>. |
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== Sonstiges == |
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Ein Internet-Wettbüro fragte, was wohl zuerst passieren würde: "Fliegt Deutschland bei der WM hinaus oder wird Bruno gefangen?" Nach den damaligen Quoten war Deutschlands Ausscheiden leichter Favorit <ref> [http://www.gamebookers.at/cgi-bin/intro.cgi?bf=Lid%3D51161%26Sid%3D15826%26Etid%3D180%26l%3Dat gamebookers Sportwetten-Portal]</ref>. |
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Der Biologe und Großtierbeauftragte des bayerischen Umweltministeriums Manfred Wölfl ist zum „Bärenbeauftragten“ ernannt worden.<ref>[[Frankfurter Allgemeine Zeitung]]: ''[http://www.faz.net/s/RubCD175863466D41BB9A6A93D460B81174/Doc~E3720ACD967724A79AFEDF9B24B02BB6D~ATpl~Ecommon~Scontent.html Die Bürokratisierung des Bruno]'', 12. Juni 2006, S. 9</ref> |
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Unter dem Namen „Bruno der Bär“ wird ein im Stil des [[Moorhuhn (Computerspiel)|Moorhuhn]] gehaltenes Online-[[Macromedia Flash|Flash]]-Spiel kostenlos angeboten. |
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Ein Tiertrainer aus [[Hannover]] hatte vorgeschlagen, JJ1 mittels einer [[Brunft|brünftigen]] Bärin anzulocken, um ihn dann einzufangen.<ref>[[Der Standard]]: ''[http://derstandard.at/?url=/?id=2487417 Bär soll mit brünftiger Bärin angelockt werden]'', 21. Juni 2006</ref> Expertenangaben zufolge war der zweijährige Bär jedoch noch nicht geschlechtsreif, womit sich dieser Vorschlag erübrigte. |
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Im Zusammenhang mit der Sichtung des Bären am 24. Juni 2006 hat der bayerische Bärenbeauftragte Wölfl die Bevölkerung darauf hingewiesen, den Bären nicht zu verfolgen. Man solle sich im Fall des Falles ruhig verhalten, dem Bären den Weg freigeben und ihm durch Sprechen signalisieren, dass er Menschen vor sich habe. Anschließend seien die Behörden zu informieren. <ref>[[Berliner Morgenpost]]: ''[http://morgenpost.berlin1.de/content/2006/06/26/aus_aller_welt/837728.html "Bruno" trifft Mountainbiker]'', 26. Juni 2006</ref> |
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Wegen der erneuten Freigabe zum Abschuss wollten ab Dienstag, den 27. Juni [[Aktivist]]en der [[Jugendorganisation]] JBN des „Bund Naturschutz“ in „täuschend realistischen“ Bärenkostümen durch den Wald streifen, um die Jäger zu verunsichern und den Abschuss zu verhindern. |
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Der tote Bär soll untersucht und präpariert werden und dann dem Naturkundemuseum [[Museum Mensch und Natur|"Mensch und Natur"]] im [[Schloss Nymphenburg]] in [[München]] übereignet werden <ref>Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz: ''[http://www.stmugv.bayern.de/de/natur/baer_bayern/aktuell.htm Mitteilung]'', 26. Juni 2006, 13.00 Uhr</ref>. Hier ist bereits der letzte freilebende Bär ausgestellt, der vor 170 Jahren erlegt wurde. |
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== Quellen == |
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<references /> |
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== Weblinks == |
== Weblinks == |
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* [https://www.stern.de/panorama/wissen/natur/braunbaer-bruno--voellig-irrationale-angst--3263036.html ''Braunbär Bruno: „Völlig irrationale Angst“''], Interview von Angelika Unger mit [[Bruno Hespeler]], [[Stern (Zeitschrift)|stern.de]], 26. Juni 2007. |
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* {{Webarchiv |url=http://ec.europa.eu/environment/life/home.htm |wayback=20130125085732 |text=Life-Projekt}} der [[EU|Europäischen Gemeinschaft]], durch das die Wiederansiedelung von Bären in den Alpen gefördert wird. (englisch) |
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* [http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,476069,00.html ''Alpenbären: Bange vor Brunos Brüdern''.] In: ''[[Spiegel Online]]'', 6. April 2007. |
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* [https://ita.calameo.com/read/0001953560d2b190abe0b ''Large Carnivores Report 2018'' (Bären-Report 2012 der Provinz Trento, englische Version)] |
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* [https://grandicarnivori.provincia.tn.it/Rapporto-Orso-e-grandi-carnivori ''Rapporto Orso e grandi carnivori''] der Provinz Trento, alle Berichte von 2007 bis 2018 (ital. und engl.) |
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* arte [https://www.arte.tv/de/videos/110300-005-A/re-gefahr-durch-baeren/ Re: Gefahr durch Bären - Ausbreitung auf leisen Sohlen], 30. November 2023 (verfügbar bis zum 29/11/2024), dto. auf [https://m.youtube.com/watch?v=wJ6LJuRl4hQ YouTube] |
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* Podcast in der ARD Audiothek [https://www.ardaudiothek.de/sendung/wild-crimes/13388789/ Wild Crimes: Warum „Problembär“ Bruno sterben musste (Staffel 1)], 3. Juni 2024 |
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* ARD Dokumentarfilm/BR Fernsehen [https://www.ardmediathek.de/video/gefaehrlich-nah-wenn-baeren-toeten/gefaehrlich-nah-wenn-baeren-toeten/br-fernsehen/Y3JpZDovL2JyLmRlL2Jyb2FkY2FzdFNjaGVkdWxlU2xvdC8zMmZmNjFiOS1jNDM3LTQ4ZmItOWNhNS1hYjcwZDkyNWM2OTc Gefährlich nah · Wenn Bären töten] 3. Juni 2024 |
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== Einzelnachweise == |
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[[Kategorie:Individueller Bär]] |
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{{Wikinews|Braunbär in Deutschland: Freigabe zum Abschuss}} |
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[[Kategorie:Bayerische Geschichte (21. Jahrhundert)]] |
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{{Wikinews|Nach 170 Jahren: Braunbär wieder in Deutschland}} |
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[[Kategorie:Geschichte Tirols]] |
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[[Kategorie:Jagd in Deutschland]] |
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'''Bilder''' |
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[[Kategorie:Anatomisches Präparat]] |
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* [http://www.wwf.de/presse/bilder/daten/03061/ „Bruno der Bär ist JJ1 aus Italien“], [[WWF]], 31. Mai 2006 |
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* [http://www.stern.de/wissenschaft/natur/561688.html?nv=fs&cp=1 „Problembär außer Rand und Band“], [[Stern (Zeitschrift)|stern]], 23. Mai 2006 |
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* [http://de.news.yahoo.com/30052006/286/bild/braunbaer-jj1-ddp-afp.html Bild des Bären JJ1], [[Yahoo]] |
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'''Artikel''' |
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* [http://www.blick.ch/news/tierwelt/artikel37289 Wo ist unser »JJ2«?], ''blick.ch'', 22. Mai 2006 |
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* [http://www.diepresse.com/artikel.aspx?channel=c&ressort=w&id=563107 „Bruno wildert weiter“], [[Die Presse]], 5. Juni 2006 |
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* [http://vorarlberg.orf.at/stories/113812/ Zusammenfassender Artikel], [[ORF]], Vorarlberg, 5. Juni 2006 |
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* [http://www.handelsblatt.com/Panorama/Vermischtes/pshb/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!204455,204493,1089520/SH/0/depot/0/braunbaer-jj1-hat-erneut-zugeschlagen.html JJ1-Beutezüge und Verhalten], [[Handelsblatt]] 7. Juni 2006 |
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* [http://tirol.orf.at/stories/114814/ Artikel über fehlgeschlagene Bärensuche], [[ORF]], 10. Juni 2006 |
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* [http://tirol.orf.at/stories/115250/ Artikel zur abgebrochenen Bärenjagd], [[ORF]], 12. Juni 2006 |
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* [http://tirol.orf.at/stories/115579/ Finnischen Bärenhunden ist es zu heiß], [[ORF]], 13. Juni 2006 |
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* [http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=1187625 Bruno in Oberbayern angefahren], ''sz-online'', 15. Juni 2006 <small>''„Oswald Pockstaller zeigt in seiner Heimat im tiroler Achenkich den umgeklappten Rückspiegel seines Autos.....“''</small> |
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* [http://www.nytimes.com/2006/06/16/world/europe/16bear.html?ex=1308110400&en=5c989449e6351939&ei=5090&partner=rssuserland&emc=rss „Herr Bruno macht Picknick“], [[New York Times]], 16. Juni 2006 |
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* [http://tirol.orf.at/stories/116641/ JJ1 offenbar wieder in Tirol], [[ORF]], 18. Juni 2006 |
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* [http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,423720,00.html „Interview mit Wildtier-Forscher: "Bruno war ein Halbstarker" “], [[Spiegel Online]], 26. Juni 2006 |
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* [http://www.sueddeutsche.de/app/service/voting/do/index.html/339 „Umfrage: War der Abschuss von Bruno notwendig?“], [[Süddeutsche Zeitung]], 26. Juni 2006 |
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* [http://www.brunoderbaer.de Online-Spiel und Kondolenzblog „Bruno der Bär“] |
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'''Projekte''' |
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* [http://ec.europa.eu/environment/life/home.htm] Life-Projekt der [[EU|Europäischen Gemeinschaft]], im Zuge dessen die Wiederansiedelung von Bären in den Alpen gefördert wird. |
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Aktuelle Version vom 10. März 2025, 23:53 Uhr

JJ1, bekannt geworden als „Bruno“ (* 2004 im Naturpark Adamello-Brenta, Trentino; † 26. Juni 2006 nahe Bayrischzell, Bayern), war ein Braunbär, der im Mai 2006 aus der italienischen Provinz Trient nach Norden wanderte, sich längere Zeit im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet aufhielt und mehrfach die Landesgrenze überschritt. Er war seit über 170 Jahren der erste Braunbär, der in Deutschland in freier Wildbahn gesichtet wurde. Der letzte bekannte Braunbär war 1835 im bayerischen Ruhpolding erlegt worden; erst 2019 ließ sich wieder ein Bär in Bayern nachweisen.
Während seiner Streifzüge schlug Bruno auch Haus- und Nutztiere, vor allem Schafe, zum Teil auch innerhalb von Siedlungen oder in deren Nähe. Daraufhin stufte die Bayerische Staatsregierung ihn als „Problembären“ ein, der eine Bedrohung für den Menschen darstelle, und gab ihn – trotz deutlicher Proteste – schließlich zum Abschuss frei. Diese Freigabe wurde nach massiver Kritik seitens Experten und in öffentlichen Diskussionen zeitweise zurückgezogen. Drei Wochen lang versuchte man mit verschiedenen Methoden, Bruno lebend zu fangen. Am 26. Juni 2006 erlegten ihn vier Männer in der Nähe der Rotwand in Bayern.
Bruno wurde während seiner Wanderung zu einem Politikum und internationalen Medienereignis, über das unter anderem auch die New York Times[1] berichtete. Zahlreiche Menschen und Gruppen solidarisierten sich mit dem Bären. Der Kadaver wurde präpariert und ist seit dem 27. März 2008 im Schloss Nymphenburg im Museum Mensch und Natur ausgestellt, wo auch das Präparat des 1835 in Bayern geschossenen Braunbären zu sehen ist.
Herkunft und Name
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1996 initiierte der italienische Naturpark Adamello-Brenta in Strembo das EU-LIFE-Projekt Life Ursus zum Schutz des Braunbären im Brenta-Gebiet. In den Jahren 2004 und 2005 wurde das Projekt im Rahmen eines LIFE-Nature-Kooperationsprojekts weitergeführt. Ziele des Projekts waren die Wiederansiedlung des Braunbären im Alpenraum und die Vernetzung der dort noch bestehenden Bärenpopulationen. An diesem Projekt waren die Länder Italien mit der Provinz Trient und der Region Friaul-Julisch Venetien, Österreich mit Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark sowie Slowenien beteiligt.
Die Population im Naturpark Adamello-Brenta bestand Ende des 20. Jahrhunderts nur noch aus zwei bis drei Individuen, ein Überleben dieser Population ohne Bestandsstützung war extrem unwahrscheinlich. Im Rahmen dieser Projekte wurden daher im Naturpark Adamello-Brenta von 1999 bis 2002 insgesamt zehn Bären aus Slowenien freigelassen. Seitdem wurden in der Region elf Junge geboren; 2006 schätzte man den Bestand auf etwa 18 bis 20 Bären.[2]
JJ1 wurde dort 2004 geboren, er konnte während seiner Wanderung durch DNS-Analysen von Fellresten identifiziert werden. Sein Vater wird als „Joze“ (* 1994) geführt, seine Mutter heißt „Jurka“ (* 1998), beide stammen aus Slowenien. Als Erstgeborener erhielt er den aus deren Anfangsbuchstaben gebildeten Namen „JJ1“. Da die Verwendung von Anfangsbuchstaben als Namensersatz oder Spitzname vor allem in den USA üblich ist, wurde JJ1 im deutschen Sprachraum meist „Jay-Jay-One“ (statt des deutschen „Jot-Jot-Eins“ oder dem österreichischen „Jee-Jee-Eins“) ausgesprochen.
Zu Beginn seiner Wanderung erhielt JJ1 von österreichischen Medien den Spitznamen Bruno, einige Zeitungen, wie die Augsburger Allgemeine und ihre Regionalausgaben, nannten ihn hingegen Beppo.
Sein jüngerer Bruder, „JJ2“ (genannt Lumpaz), war 2005 im Engadin in der Schweiz und in Nauders in Tirol unterwegs, gilt aber seit Herbst 2005 als verschwunden. Ein weiterer Bruder, der Schweizer Risikobär „JJ3“, wurde am 14. April 2008 erlegt, weil er keine Menschenscheu zeigte und mehrfach Abfallcontainer plünderte.
Nach derzeitigen Erkenntnissen soll seine Schwester „JJ4“ (genannt Gaia) am 5. April 2023 bei Caldes in der Provinz Trient den 26-jährigen Jogger Andrea Papi angegriffen und tödlich verletzt haben. Die Mutter bezeichnete den Tod ihres Sohnes als ein „Opfer mit Ankündigung“. Da JJ4 bereits im Sommer 2020 am Monte Peller einen Mann und seinen Sohn angegriffen und schwer verletzt hatte, hatte sie nach Anordnung durch den Landeshauptmann der Provinz Trento Maurizio Fugatti eigentlich getötet werden sollen, was eine Entscheidung des Regionalen Verwaltungsgerichts jedoch verhindert hatte.[3][4][5][6] Die Berufungsinstanz bestätigte das Urteil. „JJ4“ wurde daraufhin gefangen und wartet im Casteller Gehege bei Trento auf ihre Umsiedlung in ein Bärengehege in Rumänien.[7] Bärin „JJ4“ Gaia soll nun doch nicht nach Rumänien, sondern im Herbst 2024, sobald ihr dortiges Gehege fertig ist, in den Alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald umziehen, wo sich ihre/Brunos Mutter Jurka (Mutter von JJ1 bis JJ5) bereits seit August 2010 befindet.[8]
Nach dem vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz veröffentlichten Sektionsbericht hatte JJ1 zum Zeitpunkt seines Todes eine Widerristhöhe von 91 cm, seine Scheitel-Steiß-Länge betrug 130 cm, die Kopflänge 32 cm und er wog 110 Kilogramm.
Wanderung
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Bruno wurde in der Umgebung des italienischen Naturparks Adamello-Brenta zuletzt am 25. April 2006 durch die DNS-Analyse von Fellresten nachgewiesen. Am 4. Mai hielt er sich beim Ort Reschen unmittelbar südlich der österreichischen Grenze auf. Er wurde in Österreich erstmals am 5. Mai 2006 gesichtet.
Seitdem ließ sich seine Wanderroute anhand der erbeuteten Haustiere recht gut dokumentieren. Er wanderte im Westen Österreichs durch die Bezirke Bludenz (Nr. 2 auf der Skizze) und Reutte (Nr. 3 und 4) zuerst nach Westen, dann nach Nordosten. Am 20. Mai wurde er zum ersten Mal in Deutschland im oberbayerischen Kreis Garmisch-Partenkirchen (Nr. 5) nachgewiesen. Bereits am 25. Mai verließ er Bayern wieder und hielt sich mindestens bis zum 29. Mai in Tirol auf. Am 3. oder 4. Juni wurde er wieder im Kreis Garmisch-Partenkirchen nachgewiesen, auch danach wechselte er bis zu seiner Tötung mehrfach zwischen Bayern und Österreich.
JJ1 wanderte offenbar täglich beziehungsweise nächtlich größere Strecken und hielt sich nur sehr selten länger als einen Tag in einem Gebiet auf. Nachweise an aufeinanderfolgenden Tagen waren in direkter Linie 2 bis 17 km voneinander entfernt, meist über 10 km. Die von JJ1 zurückgelegten Laufstrecken waren sicher noch erheblich größer.
Verhalten von JJ1 und Reaktionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als problematisch erachtetes Verhalten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]JJ1 hatte 2005 und 2006 schon in Italien mehrfach Bienenstöcke aufgebrochen und war in Schafställe eingedrungen. In Bayern und Österreich erbeutete er nach bisherigen Erkenntnissen im Zeitraum 10. Mai bis 26. Juni zehnmal Schafe, dabei wurden jeweils ein bis vier Schafe getötet. In Bayern und Tirol soll er nach Angaben des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 20. Mai bis 26. Juni 2006 31 Schafe getötet haben. In einem weiteren Fall tötete JJ1 mehrere Ziegen. Außerdem war er in diesem Zeitraum in drei Bienenstöcke, zwei Hühnerställe und einen Kaninchenstall eingedrungen und hatte dort Schäden verursacht.
Ausflügler, die JJ1 am 24. Juni 2006 im Landkreis Miesbach sichteten, gefährdeten sich selbst, indem sie den Bären mit Mountainbikes verfolgten – bis dieser umkehrte und seinerseits auf die Menschen zuging.[9]
Bewertung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In allen europäischen Ländern mit Bärenvorkommen werden regelmäßig in einem gewissen Umfang Bienenstöcke, Kaninchen- oder Hühnerställe geplündert und Schafe in abgelegenen Schafställen oder -pferchen erbeutet. Raubtiere töten beim Eindringen in einen Pferch oder Stall häufig viele Schafe, da die Schafe nicht fliehen können und durch ihre Fluchtversuche immer wieder die reflexartige Tötungshandlung auslösen. Da in einer solchen Extremsituation die Menge der getöteten Tiere den momentanen Nahrungsbedarf weit übersteigt, wird dann zwangsläufig nur ein kleiner Teil der getöteten Tiere gefressen. Ein entsprechendes Verhalten zeigen in solchen Fällen auch Hunde, Wölfe und viele Marder.
Um die Akzeptanz der Bevölkerung für den Schutz des Braunbären zu gewährleisten, wurden daher in mehreren europäischen Ländern Managementpläne entwickelt, die einen abgestuften Katalog von Maßnahmen zur Verhinderung oder zumindest Minimierung der von Bären verursachten Schäden beinhalten. Das wichtigste Mittel gegen solche Übergriffe sind Schutzmaßnahmen, wie beispielsweise der Bau von Elektrozäunen. Nachweislich durch Bären entstandene Schäden werden ersetzt. Bei wiederholten Schäden vergrämt man die Tiere, wobei in erster Linie Gummigeschosse oder Knallkörper zum Einsatz kommen. Die Tötung von Braunbären ist in diesen Managementplänen nicht grundsätzlich ausgeschlossen, allerdings nur dann vorgesehen, wenn sie gegenüber Menschen aggressiv auftreten.
Jurka, die Mutter von JJ1, verursachte in der Provinz Trient in den letzten Jahren mehrfach Schäden in Ställen und Bienenstöcken; mit hoher Wahrscheinlichkeit erlernte JJ1 diese Art der Ernährung von ihr. Die Tötung von Jurka wurde in Italien nie erwogen, da sie (ebenso wie JJ1) nie aggressiv gegenüber Menschen auftrat. Im Trentino wurde Jurka gefangen und mit einem Sender versehen, damit sie gezielter vergrämt werden kann, sobald sie sich in Siedlungsnähe begibt. Sie änderte ihr Verhalten nicht und musste schließlich gefangen und in ein Gehege gebracht werden.[10] Seit dem 26. August 2010 lebt sie im Alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald in Bad Rippoldsau-Schapbach.[11]
JJ3, der später geborene Bruder von JJ1, wanderte 2007 in die Schweiz ein, auch er näherte sich Siedlungen, wurde mit einem Sender markiert und vergrämt. Nachdem diese Versuche nicht zum Erfolg führten und er überdies keine Scheu vor Menschen zeigte und mehrfach Abfallcontainer plünderte, wurde er Mitte April 2008 von der Schweizer Wildhut erlegt.[12]
JJ4, die Schwester von Bruno, wurde 2023 in Caldes eingefangen, nachdem sie einen Jogger angegriffen und getötet hatte.
Erste Abschussgenehmigung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wegen seines Verhaltens, sich menschlichen Siedlungen zu nähern, und der dadurch entstehenden potentiellen Gefährdung erließ die Bayerische Staatsregierung bereits Ende Mai eine Abschussgenehmigung. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz stufte das Verhalten des Bären als „abnormal“ ein. Umweltminister Werner Schnappauf verkündete darüber hinaus, der Bär sei ganz offensichtlich „außer Rand und Band“. Nach Angaben des Sprechers des bayerischen Umweltministeriums, Roland Eichhorn, sei „wiederholt, aber vergeblich“ versucht worden, der Mutter Jurka des Problembären JJ1 (bekannt als „Bruno“) das Herannahen an menschliche Siedlungen durch sogenannte Vergrämung – unter anderem mit Beschuss durch Gummikugeln – auszutreiben. „Die Mutter hat quasi ein langes Vorstrafenregister.“ Der Jungbär sei von der Mutter auch dahingehend konditioniert worden, dass er niemals an eine Stelle zurückkehre, an der er ein anderes Tier gerissen habe.[13]
Auch im Land Tirol wurde Ende Mai eine Abschussgenehmigung für den Bezirk Reutte (Außerfern) erteilt und eine Ausweitung auf das ganze Bundesland diskutiert.
Aufgrund massiver Proteste der Natur- und Tierschutzverbände sowie von Seiten der Öffentlichkeit wurde diese Abschussgenehmigung am 2. Juni wieder zurückgezogen. Unter anderen forderte auch der NABU-Bundesverband die sofortige Rücknahme der Abschussgenehmigung und, entsprechend den Managementplänen anderer Länder, die Vergrämung oder den Fang und die Besenderung von JJ1. Stattdessen fokussierte sich die Diskussion jedoch sehr schnell auf die beiden Alternativen Fang und anschließende Gehegehaltung oder Tötung. Die Bayerische Staatsregierung ließ sich dabei vom WWF beraten, der diese Haltung nachdrücklich unterstützte.
Fangversuche
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Zusammenarbeit mit dem WWF wurde zunächst versucht, JJ1 mittels einer speziellen Röhrenfalle einzufangen.[14] Bei der in Montana hergestellten, knapp 3.200 Euro teuren und vom WWF finanzierten Falle handelte es sich um eine sogenannte Culvert-Trap, wie sie auch in Nordamerika zur Umsiedlung von Bären verwendet wird, die in der Nähe von Siedlungen auftauchen. Die Versuche blieben erfolglos, insbesondere wegen der geringen Ortstreue von JJ1. Eine Suchaktion, die in der Nacht auf den 9. Juni 2006 im Gemeindegebiet von Zirl (Tirol) durchgeführt wurde, verlief ebenfalls erfolglos. Man konnte nur ein paar Bärenspuren sowie ein totes und ein verletztes Schaf finden.[15]
Um das Tier systematisch aufzuspüren, wurde daraufhin ein finnisches Team von vier Bärenjägern mit der Suche beauftragt. Unterstützung bekamen sie von schwedischen und norwegischen Elchhunden. Dabei handelt es sich um spezielle Hunde, die überwiegend gegen wehrhaftes Wild eingesetzt werden und speziell ausgebildet sind, um Bären und Elche zu stellen und diese von Menschen abzulenken. Außerdem sind sie mit leuchtend orangefarbenen Westen ausgestattet, die GPS-Ortungssender enthalten, um sie jederzeit wiederfinden zu können.
Vor ihrem Einsatz in den Alpen wurde ihnen das Fell kürzer geschoren, um sie vor der sommerlichen Hitze zu schützen. Am Sonntag, dem 19. Juni, traf ein weiterer Bärenjäger mit dem laut bayerischem Umweltministerium besten finnischen Bärenhund ein.[16]
Das Team wurde auch von einem österreichischen Betäubungsexperten, dem Wiener Professor für Wildtiermedizin und Artenschutz, Chris Walzer, begleitet. Da man mit Blasrohren oder normalen Betäubungsgewehren zu nah an den Bären hätte herangehen müssen, war ein Spezialgewehr erforderlich, das auf eine Entfernung von 80 Metern Betäubungspfeile verschießen konnte. Bären haben eine außerordentlich dicke Fettschicht, darum versagen konventionelle Betäubungsmethoden.
Der sofortige Einsatz der Jäger scheiterte zunächst an bürokratischen Hürden, da geprüft werden musste, ob finnische Jäger grenzüberschreitend in Deutschland und Österreich bewaffnet eingreifen dürfen. Nach einer Einigung der Länder Tirol und Bayern gab es dann für die finnischen Sucher grünes Licht, am darauf folgenden Wochenende mit der Suche zu beginnen. Den Bärenfängern wurde zwei Wochen Zeit eingeräumt, den Bären aufzuspüren.
Am Sonntag, dem 11. Juni, begann die inzwischen eingetroffene Bärenhundestaffel im Bezirk Schwaz mit der organisierten Suche. Zwar konnte der Standort von JJ1 einige Male recht genau eingegrenzt werden; es gelang jedoch nicht, sich ihm auf weniger als 600 m zu nähern. Wesentliche Probleme waren die geringe Ortstreue von JJ1, hohe Temperaturen, Wetterunbilden sowie die Unwegsamkeit des alpinen Geländes. Am 23. Juni wurde der Einsatz der fünf finnischen Spezialisten ergebnislos abgebrochen. Der Einsatz dieses Teams kostete 30.000 Euro, die sich Bayern und Tirol teilten.[9]
Erneute Abschussgenehmigung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 23. Juni 2006 wurde die Abschussgenehmigung wieder in Kraft gesetzt. Auch der Landeshauptmann von Tirol war für den Abschuss. Während man dort die gesetzlichen Grundlagen für einen Abschuss des Bären schuf, entbrannte in Bayern ein Streit darüber, wer dafür zuständig sein könnte: Der Landesjagdverband wollte sich keinesfalls aktiv an einer Hatz auf JJ1 beteiligen. So sollte die Polizei diese Aufgabe übernehmen. Das Innenministerium verwies aber darauf, dass die Polizei lediglich unterstützend, beispielsweise mit Hubschraubern und Personal, tätig werden könne, für die Jagd auf Großwild fehle jedoch die Kompetenz.
Reaktionen der Öffentlichkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Neuerteilung der Abschussgenehmigung stieß dabei immer noch auf vehementen Protest von Experten und Tierschützern.[17] Ein Streitpunkt war, ab wann die neue Abschussgenehmigung ihre Gültigkeit erlangte. Hier kursierten sowohl der 26. Juni für Bayern als auch der 27. Juni für Tirol in den Medien, das bayerische Ministerium selbst nannte den 25. Juni, obwohl in einer Allgemeinverfügung des zuständigen Regierungsbezirks Oberbayern vom 23. Juni 2006 „der sofortige Vollzug der vorstehenden Ausnahmegenehmigung als Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse“ angeordnet wurde. Zitat: „Die Allgemeinverfügung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.“[18]
Kritisiert wurde auch, unter anderem seitens der Jägerschaft, dass Werner Schnappauf eine Abschussgenehmigung gutheiße, obwohl der Bär ein geschütztes Tier und entsprechend dem bayerischen Jagdgesetz kein jagbares Wild sei. Somit liege eine Kompetenzüberschreitung, wenn nicht gar die Anstiftung zum Wildfrevel vor.
Tötung von JJ1
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach vier Wochen erfolgloser Versuche, „Bruno“ zu fangen, wurde er nur drei Tage nach der Abschussfreigabe am Morgen des 26. Juni 2006 um 4:50 Uhr auf der 1500 m hoch gelegenen Kümpflalm, einer Alm in der Nähe der Rotwand im Spitzingseegebiet, im Gemeindebereich Bayrischzell (Landkreis Miesbach) erschossen. Er erlag Verletzungen im rechten Lungenflügel und Leberlappen.[19]
Der am 28. Juni 2006 veröffentlichte Obduktionsbericht bestätigte, dass der Bär an inneren Verletzungen starb.[20] Am 6. Juli 2006 gab Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf das Ergebnis der genetischen Auswertung bekannt, welches bestätigte, dass der abgeschossene Bär tatsächlich JJ1 war. Auf eine entsprechende Anfrage der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag verweigerte Schnappauf detailliertere Angaben zum Abschuss: „Aussagen zum Gewehrtyp, zu Kaliber und Munition können nicht gemacht werden, um die Anonymität der Beteiligten zu wahren.“[21]
Zunächst war unklar, wer für den Abschuss verantwortlich war. Die örtliche Jägerschaft distanzierte sich von Anschuldigungen und gab an, sich bereits frühzeitig gegen einen Abschuss des Braunbären ausgesprochen zu haben, da dieser in Deutschland geschützt sei und überhaupt nicht gejagt werden dürfe. Der Abschuss sei vielmehr durch ein staatlich beauftragtes Sicherheitsteam erfolgt. Später wurde bekannt, dass tags zuvor im Landratsamt von Miesbach eine „Eingreiftruppe“ zusammengestellt worden war, die bei einer erneuten Sichtung des Tieres so schnell wie möglich vor Ort gebracht werden sollte. Als der Bär am Abend des 25. Juni im Bereich des Rotwandhauses tatsächlich gesichtet wurde, brach diese Eingreiftruppe auf. Sie erreichte die Kümpflalm gegen Mitternacht. Als die Gruppe am nächsten Morgen die Hütte um 4:50 Uhr verließ, war der Bär 150 m entfernt.[22]
Von Seiten des Bayerischen Umweltministeriums hieß es, der Abschuss sei „von jagdkundigen Personen“ vorgenommen worden. Weitere Details über den Schützen oder den Vorgang selbst wurden jedoch nicht genannt. Bis heute ist nichts Genaueres über das „beauftragte Sicherheitsteam“ bekannt, um deren Identität zu schützen.[23]
Reaktionen auf die Tötung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Allgemein
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach der Tötung von JJ1 gingen laut zuständiger Staatsanwaltschaft München II dort und bei weiteren Anklagebehörden sowie bei der Polizei „eine Flut von Anzeigen“ ein, unter anderem gegen den damaligen bayerischen Umweltminister Werner Schnappauf.[24]
Am 7. Juli 2006 gab die Münchner Staatsanwaltschaft bekannt, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei, da „keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen“. Die Begründung für die Abschussgenehmigung sei nachvollziehbar und ein vorsätzlicher oder sorgfaltswidriger Verstoß gegen Strafnormen scheide daher aus. Außerdem verstoße der Abschuss auch nicht gegen das Jagdrecht, „da der Braunbär nicht zu den Tierarten zählt, die durch das Jagdrecht geschützt sind“.[25]
Verbände
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Der Bund Naturschutz in Bayern e. V. (BN) bedauerte, dass 170 Jahre nach der Ausrottung des Bären in Bayern durch den Menschen das erste wiederkehrende Tier bereits nach wenigen Wochen getötet wurde.
- Der Deutsche Tierschutzbund prüfte rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen.[26]
- Der WWF bedauerte den Abschuss, wies jedoch darauf hin, dass es sich um ein verhaltensauffälliges Tier gehandelt hatte.
- Die Tierschutzstiftung Vier Pfoten, die sich in Rumänien um Tanzbären kümmert und in Mecklenburg-Vorpommern den Bärenwald Müritz, eine Auffangstation für Braunbären aus schlechten Haltungsbedingungen, betreibt, kritisierte den Abschuss und kündigte an, dessen Rechtmäßigkeit zu prüfen und gegebenenfalls weitere juristische Schritte zu unternehmen. Im Jahr 2008 kritisierte die Organisation die Verharmlosung der wahren Situation durch eine in dieser Zeit gedrehte Filmkomödie zur Jagd auf Bruno und sah in der Art der Einbeziehung gefangener Bären einen Missbrauch der Tiere zu Belustigungszwecken. Allgemein kritisierte sie, dass sich seit dem Abschuss von Bruno in Deutschland nur wenig zum Schutz wildlebender Braunbären getan habe.[27]
- Die Stiftung für Bären ernannte den 26. Juni, den Abschusstag des seit 171 Jahren ersten heimischen Bären, zum Bärengedenktag und nutzt seither diesen Tag, um auf das Schicksal des Bären Bruno aufmerksam zu machen, auch um sich damit gegen weitere Tötungen einzusetzen und für die Wiederansiedelung des Braunbären in Deutschland zu werben.[28]
- Die Stiftungen Vier Pfoten und Stiftung für Bären boten an, den ebenfalls verhaltensauffällig gewordenen Bruder Brunos, den Jungbären JJ3, zu übernehmen. Die ablehnende Antwort des Schweizer Bundesamtes für Umwelt traf bei den Stiftungen ein, nachdem JJ3 bereits getötet worden war, wenige Tage zuvor hatten die Behörden einen Abschuss noch negiert.[29]
Politik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die SPD-Landtagsfraktion Bayern forderte den Rücktritt von Umweltminister Werner Schnappauf.[30]
- Der Umweltstaatssekretär Bayerns, Otmar Bernhard, bezeichnete den Abschuss von JJ1 als äußerst bedauerlich, aber objektiv unvermeidbar.[31] Des Weiteren erklärte Bernhard, dass die Identität des Schützen nicht preisgegeben werden solle. Die Frage nach Beteiligung eines Polizisten an der Abschussaktion ließ er unbeantwortet. „Es sind Jagdkundige, und dabei bleibt es“, sagte Ministeriumssprecher Roland Eichhorn zu den Fragen nach den Bärenjägern.[32] Bereits wenige Stunden nach der Tötung trafen Morddrohungen gegen den Todesschützen bei dem örtlichen Jagdverein ein.
- Italien legte am 28. Juni 2006 Protest gegen die Tötung von JJ1 bei der EU-Kommission ein.[33] Die italienische Regierung will damit erreichen, dass der Artenschutz auf EU-Ebene geregelt wird. JJ1 war Teil des von der EU finanzierten Projektes „Life Ursus“ gewesen, dessen Ziel es ist, im Grenzgebiet Italien-Österreich-Deutschland wieder Bären anzusiedeln. Ein Abschuss komme nur dann in Frage, wenn ein Tier eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle – das sei bei JJ1 nicht der Fall gewesen, äußerte sich der WWF-Veterinär Alessandro de Guelmi, der maßgeblich für die Tierwelt der italienischen Alpen verantwortlich ist.
- Der damalige Umweltminister Deutschlands, Sigmar Gabriel, verlangte im Zusammenhang mit den Vorfällen um Braunbär JJ1 einen europaweit einheitlich geregelten Schutz von Raub- und Wildtieren: „Auch diese Tiere haben ein Recht zu leben, nicht nur im Zoo, sondern in ihrer natürlichen Umgebung.“ Gabriel ging zwar davon aus, dass die Bayerische Staatsregierung ihre Vorgehensweise sicherlich gut begründen konnte, fragte sich jedoch, „ob es nicht auch möglich gewesen wäre, Bruno zu betäuben oder mit Hartgummigeschossen zu vergrämen statt ihn zu erschießen“.
- Am 4. Juli 2006 trafen sich in Trient Bärenexperten aus Italien, Deutschland, Österreich und der Schweiz, wobei vor allem wildbiologische Fragen diskutiert wurden. Weitere Beratungen über das sogenannte Bärenmanagement fanden im August 2006 in Chur statt.
- Der italienische Umweltminister Alfonso Pecoraro Scanio forderte das bayerische Umweltministerium in einem Schreiben offiziell dazu auf, den Kadaver an Italien zurückzugeben. „Der Braunbär war Teil eines auf italienischem Staatsgebiet durchgeführten Projekts zur Wiedereingliederung der Braunbären in der Adamello-Brenta-Gruppe und ist somit Eigentum des italienischen Staates.“ Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf lehnte das Ansinnen seines italienischen Kollegen jedoch ab. Ein Wildtier gehöre seiner Meinung nach niemandem, und mit dem rechtmäßigen Abschuss sei das Eigentumsrecht an dem Kadaver an den Freistaat Bayern übergegangen. Dort werde er wissenschaftlichen Zwecken zur Verfügung gestellt. Überdies warf er den Italienern vor, mit ihrer misslungenen Vergrämungsstrategie nicht fachgerecht vorgegangen zu sein.
- Am 31. Januar 2008 verabschiedete der Tiroler Landtag eine Novelle zum Tiroler Jagdgesetz, das den Abschuss von „Problembären“ erleichtert. Anlass für diese Änderung war die Weigerung eines Jagdpächters gewesen, in seinem Revier den Abschuss des Bären JJ1 zuzulassen, obwohl eine Abschussgenehmigung des Landes Tirol vorlag.
Institutionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Henning Wiesner, Direktor des Tierparks Hellabrunn, empörte sich darüber, dass der Bär nicht betäubt und mit einem GPS-Halsband versehen wurde. Das hätte die Ortung des Bären mit einer Genauigkeit von etwa 5 m möglich gemacht, so dass man jederzeit Gegenmaßnahmen bei Annäherungen an menschliche Wohngebiete hätte einleiten können. Am Wochenende noch habe sich gezeigt, wie leicht sich Menschen dem Bären hätten nähern können (auf etwa 10–15 m), so dass der Einsatz von Betäubungsgewehr (circa 30 m Reichweite) oder Blasrohr (ungefähr 10 m Reichweite) möglich gewesen wäre.
Die staatliche italienische Waldpolizei CFS kündigte an, einen Helikopter auf den Namen Orso Bruno (Bär Bruno) zu taufen.[34] Sie kritisierte die Erschießung des Tieres, dessen Auswilderung in Italien die Folge eines schwierigen und gut funktionierenden Programmes zur Wiedereinführung der Bären in den Alpen gewesen ist.
Einzelpersonen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 30. Juni 2008 reichte ein Münchner Rechtsanwalt gegen den Freistaat Bayern und die Regierung von Oberbayern beim Verwaltungsgericht München eine Klage ein auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abschusses des Bären Bruno. Er stützte seine Klage unter anderem auf die bayerische Verfassung, der zufolge Tiere als Lebewesen geachtet und geschützt seien. Seiner Auffassung nach habe keine Notstandslage bestanden, die den Abschuss des seltenen Tieres gerechtfertigt hätte. Die Akten über die Angelegenheit seien unvollständig, vermutlich von der Regierung von Oberbayern bereinigt worden, Vorgänge und handelnde Personen nicht dokumentiert. Er äußerte Zweifel daran, dass die Grundsätze des Wildtierschutzes sowie das rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsgebot berücksichtigt wurden. Er wolle mit der Klage bewirken, dass ähnliche Vorgehensweisen zukünftig verhindert werden können.[35]
Die Klage wurde sowohl vom Verwaltungsgericht als auch in zweiter Instanz vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung zurückgewiesen, dass der einzelne Bürger durch die darin so beschriebene „Maßnahme der Entnahme des Bären aus der Natur“ nicht direkt betroffen und daher nicht klagebefugt sei.[36]
Die Bezeichnung „Problembär“
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Entstehung und Verwendung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Zusammenhang mit dem Auftreten des Braunbären hatte sich zeitweise ein Begriff etabliert, der bisher in Deutschland unbekannt war: „Problembär“. In politischen Zusammenhängen wurde der Begriff als Synonym für JJ1 verwendet, was die Tagespresse und einige Gruppierungen aufgriffen und auch auf andere Zusammenhänge übertrugen. Bei der Wahl zum Wort des Jahres 2006 erreichte das Wort den siebten Platz.
Geprägt wurde dieser Begriff schon in den 1990er Jahren in der österreichischen Medienberichterstattung aufgrund von Zwischenfällen mit Bären in Niederösterreich und der Steiermark. Der ehemalige Moderator der ORF-Fernsehsendung „Inlandsreport“, Helmut Brandstätter, erklärte im Jahre 1994 das Wort „Problembär“ scherzhaft zum „Wort des Jahres“.
In Deutschland populär und zu einem zeitweise das Tagesgeschehen mitbestimmenden Wort wurde dieser Ausdruck durch eine Rede des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber Ende Mai 2006, der im Rahmen einer Pressekonferenz die Abschussgenehmigung rechtfertigte.[37] Stoiber erkannte zwar die Bedeutung des Bären als Zeichen gelungenen Naturschutzes an, verwies aber auf die bestehende Problematik der mangelnden Scheu dieses Bären vor dem Menschen. Hierbei unterschied Stoiber zwischen „Normalbären“ mit erwartungsgemäßem Verhalten, weiter sogenannten „Schadbären“ (einem Begriff, der in der Staatskanzlei breite Verwendung fand und auf Werner Schnappauf zurückging) sowie schließlich den „Problembären“, zu denen er auch JJ1 zählte. Aufgrund der ständig fehlgeschlagenen Fangversuche und der weiterhin stattfindenden Schäden wurde JJ1 später auch als sogenannter „Risikobär“ bezeichnet.
Die als unreflektiert empfundene Einstufung des Bären durch den bayerischen Ministerpräsidenten sorgte in der Öffentlichkeit für Aufsehen und gab Anlass für heitere wie kritische Kommentare in den Medien. Sie wurde in Radiospots sowie im Internet in Form von Parodien mehrfach kabarettistisch aufbereitet. So wurde Stoiber unter anderem als „Stoibär“ oder „Schlaubär“ bezeichnet, ferner war spöttisch von der „Stoiber'schen Bärenkunde“ die Rede.
Übertragung auf Personen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die mit der Rechtfertigung der Verfolgung des Bären in Zusammenhang gebrachten Komposita „Problem-“, „Schad-“ und „Risikobär“ fanden in der Folge vielfältige Verwendungen und Abwandlungen. Mehrfach tauchten sie in den Medien im Hinblick auf Personen oder Personengruppen auf, die gerade für ein negatives Presse-Echo sorgen. So sprachen Medien am 27. Juni 2006 in einem Artikel im Bezug auf den bayerischen Umweltminister, der die Abschussgenehmigung erteilt hatte, von einem „Problemminister“.[38] In anderen Medien war in ähnlichen Zusammenhängen die Rede von einem „Risikominister“ und von „Schadpolitikern“.
Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen das Satiremagazin Titanic wegen dessen Titelbild, auf dem sein Konterfei abgebildet und darunter „Problembär außer Rand und Band: Knallt die Bestie ab!“ zu lesen war.[39] Im Mai 2008 übertitelte die Frankfurter Rundschau einen Artikel über den damaligen Bundeswirtschaftsminister Michael Glos mit der Überschrift „Neues vom Problembären“. Die Süddeutsche Zeitung griff den Ausdruck im März 2011 erneut auf und nannte Rainer Brüderle einen Problembären, da er sich aus Sicht der Zeitung um die Nachfolge von Guido Westerwelle als Parteiführer gebracht hätte.[40]
Ähnliche Begriffe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Schweiz wird die Bezeichnung Problembär amtlich verwendet und dient zur Risikoschätzung bei der Beurteilung des Gefahrenpotentials eines individuellen Bären aufgrund seines Verhaltens.
In manchen Regionen der USA und Kanada, wie beispielsweise in New York und in der Nähe der Hudson Bay, kommen wildlebende Bären häufig vor. Einzelne Tiere haben sich daran gewöhnt, in der Nähe von Siedlungen oder Campern nach Futter zu suchen. Diese werden als Nuisance Bears („lästige Bären“, „Störbären“) bezeichnet. Solche Bären werden jedoch nicht abgeschossen. Auch das Einfangen und Verbringen von solchen Bären wird nur in unausweichlichen Fällen durchgeführt. Eher rät man den Menschen dazu, Abfälle und Nahrungsmittel außerhalb der Reichweite von Bären zu lagern.
Ausstellung
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Brunos Kadaver wurde präpariert und ist seit dem 26. März 2008 im Münchner Museum Mensch und Natur ausgestellt. Der Bär wird beim Honigstehlen gezeigt. Die Szene bezieht sich auf ein Ereignis vom 16. Juni 2006. Damals beraubte Bruno im oberbayerischen Kochel am See einen Bienenstock. Um die Situation möglichst echt darzustellen, wurden nicht nur der Bär, sondern auch rund 1000 Bienen präpariert und zwischen Waben und Bienenkästen platziert. Zum Schutz vor den Besuchern steht die Szenerie hinter Glas. Die italienische Regierung erhebt einen Anspruch auf den Kadaver, der von der Bayerischen Staatsregierung nicht anerkannt wird.[41]
Künstlerische Bearbeitungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Gerhard Falkner veröffentlichte 2008 die Novelle Bruno. Falkner verarbeitet hier das Auftreten und den Abschuss des Bären JJ1 literarisch. Falkner verlegt dabei die Wanderroute des Bären in die Schweiz und den Ort des Abschusses in die Nähe von Leuk im Wallis. Andere historische Details lässt er dagegen unverändert, insbesondere das Datum des Abschusses.[42]
- Felix Mitterer schrieb das Drehbuch zu der Filmkomödie Der Bär ist los! Die Geschichte von Bruno, die von der Jagd auf Bruno inspiriert wurde, sich aber von den tatsächlichen Ereignissen entfernt und für den Bären ein Happy End hat. Hauptdarsteller sind Nadeshda Brennicke, Fritz Karl und Harald Krassnitzer. Ausgestrahlt wurde der Film von ORF und ARD am 25. Februar 2009.[43] Tierschutzinstitutionen kritisierten den Film, weil er die wahren Ereignisse verschleiere und die mitspielenden Bären nicht artgerecht behandelt würden.[27]
- Heinz Vogel, ein Arzt aus Vorarlberg hat 2012 den Stoff zu einem Bilderbuch für Erwachsene und Kinder verarbeitet. Das Buch zeigt einen anderen möglichen Lebensverlauf für JJ1 auf als den tatsächlich erlittenen.[44]
- Die Karlsruher Band „fok o'locos“ hat mit ihrer Ballade Bruno[45] dem Bären ein musikalisches Denkmal gesetzt, ebenso die österreichische Band „Die Quote“ mit ihrem Song Beiß eam die Hand o.[46]
- Die Edition Lebenswert veröffentlichte 2008 das Buch Gespräche mit Bruno – Requiem für einen Braunbären von Peter Raba, illustriert von Robert Holzach. Im inneren Dialog mit Peter Raba gibt Bruno Antworten.[47]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bruno Hespeler: Brunos Heimkehr. Bär, Wolf und Luchs kommen wieder. Ängste, Risiken und Hoffnungen. Edition Raetia live, Bozen 2006, ISBN 978-88-7283-281-3.
- Petra Fohrmann: Bruno alias JJ1. Reisetagebuch eines Bären. Nicolai, Berlin 2006, ISBN 978-3-89479-255-8.
- Josef H. Reichholf: Der Bär ist los: Ein kritischer Lagebericht zu den Überlebenschancen unserer Großtiere. Herbig, München 2007, ISBN 978-3-7766-2510-3.
- Ilja Richter, Erich Rauschenbach (Illustrator): Bruno – Von Bären und Menschen. Boje, Köln 2007, ISBN 978-3-414-82047-1.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Braunbär Bruno: „Völlig irrationale Angst“, Interview von Angelika Unger mit Bruno Hespeler, stern.de, 26. Juni 2007.
- Life-Projekt ( vom 25. Januar 2013 im Internet Archive) der Europäischen Gemeinschaft, durch das die Wiederansiedelung von Bären in den Alpen gefördert wird. (englisch)
- Alpenbären: Bange vor Brunos Brüdern. In: Spiegel Online, 6. April 2007.
- Large Carnivores Report 2018 (Bären-Report 2012 der Provinz Trento, englische Version)
- Rapporto Orso e grandi carnivori der Provinz Trento, alle Berichte von 2007 bis 2018 (ital. und engl.)
- arte Re: Gefahr durch Bären - Ausbreitung auf leisen Sohlen, 30. November 2023 (verfügbar bis zum 29/11/2024), dto. auf YouTube
- Podcast in der ARD Audiothek Wild Crimes: Warum „Problembär“ Bruno sterben musste (Staffel 1), 3. Juni 2024
- ARD Dokumentarfilm/BR Fernsehen Gefährlich nah · Wenn Bären töten 3. Juni 2024
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ MARK LANDLER: Herr Bruno Is Having a Picnic, but He's No Teddy Bear. In: The New York Times. 16. Juni 2006, abgerufen am 1. November 2011 (englisch).
- ↑ „Bruno, der Bär ohne Pass“ – ARD-Sendung (29. April 2013) von Hannes Jänicke
- ↑ Schwester von „Problembär“ Bruno tötete Jogger, Aachener Zeitung, 12. April 2023
- ↑ Luzi Bernet: Schwester von «Problembär» Bruno tötete den Jogger — Geht’s den Bären in Norditalien jetzt an den Kragen?, NZZ, 12. April 2023, abgerufen am 13. April 2023
- ↑ Marc Beise: Jagd auf Brunos Schwester, Süddeutsche Zeitung, 13. April 2023
- ↑ Bärin JJ4 könnte „unschuldig“ sein. In: orf.at. 9. Mai 2023, abgerufen am 10. Mai 2023.
- ↑ Julius Müller-Meiningen: Italien: Bärenjagd im Urlaubsgebiet, Streit um Wildtiere. In: augsburger-allgemeine.de. 15. September 2023, abgerufen am 26. Februar 2024.
- ↑ Neue Heimat Schwarzwald - Bärin Gaia kommt nach Deutschland. 22. Mai 2024, abgerufen am 8. Juni 2024.
- ↑ a b Mountainbiker verfolgten „Bruno“ – von heute an zum Abschuß frei. In: Hamburger Abendblatt, S. 22, 26. Juni 2006
- ↑ Trentiner Bärin Jurka gefangen. In: KORA-News. 2. Juli 2007, archiviert vom am 6. September 2012; abgerufen am 2. Februar 2023.
- ↑ Jurka. In: Alternativer Bärenpark Schwarzwald. Abgerufen am 23. Juli 2022.
- ↑ Risikobär JJ3 erlegt. In: KORA-News. 15. April 2008, archiviert vom am 22. April 2008; abgerufen am 2. Februar 2023.
- ↑ „Streunender Braunbär ist kein Unbekannter mehr“, Mitteldeutsche Zeitung, mz-web.de, 30. Mai 2006, abgerufen am 21. Juni 2021
- ↑ Bruno Problembär Röhrenfalle mit Bild WWF.de
- ↑ Bruno, der ABM-Bär. In: Süddeutsche Zeitung, 8. Juni 2006
- ↑ Spur in Österreich: Neue Rätsel um Bär Bruno. sueddeutsche.de, 19. Juni 2006
- ↑ Ab Montag droht Bruno der Abschuss. ( vom 21. Juni 2009 im Internet Archive) In: Netzeitung, 23. Juni 2006
- ↑ Allgemeinverfügung. (PDF) Regierung von Oberbayern, 23. Juni 2006, archiviert vom am 28. September 2007; abgerufen am 20. August 2011.
- ↑ FOCUS Online: Töten oder erziehen. Abgerufen am 7. Juni 2021.
- ↑ „Bruno“-Obduktion: Bär starb an inneren Verletzungen. In: ORF.at. Archiviert vom am 15. Juli 2012; abgerufen am 2. Februar 2023.
- ↑ DNA-Analyse bestätigt: Der tote Bär war JJ1. In: Badische Zeitung online. 7. Juli 2006, archiviert vom am 11. Dezember 2007; abgerufen am 20. August 2011.
- ↑ Wie Bruno sein Ende fand auf: sueddeutsche.de, 27. Juni 2006
- ↑ Zum zehnten Todestag: Wer erschoss Bruno? 25. Juni 2016, abgerufen am 7. Juni 2021.
- ↑ orf.at zu Reaktionen zum Tode JJ1
- ↑ Keine Anhaltspunkte für eine Straftat: Tod von „Bruno“ landet nicht vor dem Richter. In: news.at. 7. Juli 2006, archiviert vom am 21. August 2021; abgerufen am 2. Februar 2023.
- ↑ Trauer um Bruno: Deutscher Tierschutzbund prüft rechtliche Schritte. Deutscher Tierschutzbund, 26. Juni 2006, archiviert vom am 22. Juli 2006; abgerufen am 2. Februar 2023.
- ↑ a b VIER PFOTEN und STIFTUNG FÜR BÄREN kritisieren Bruno-Film. (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Februar 2017. Suche in Webarchiven) In: vier-pfoten.de.
- ↑ baer.de: Bärengedenktag am 26. Juni ( vom 19. November 2010 im Internet Archive)
- ↑ Stiftung für Tierschutz und Stiftung für Bären verurteilen den Abschuss des Braunbären JJ3. (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Februar 2017. Suche in Webarchiven) In: vier-pfoten.de.
- ↑ SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag: Bärentöter Schnappauf muss seinen Hut nehmen, 26. Juni 2006
- ↑ Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz: Pressemitteilung ( vom 11. September 2012 im Webarchiv archive.today), 26. Juni 2006
- ↑ n-tv: Bayerns Bär erlegt, 26. Juni 2006
- ↑ Italien protestiert bei EU-Kommission gegen „Brunos“ Tod. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. Juni 2006
- ↑ Italiens Waldpolizei tauft Helikopter Orso Bruno. ( vom 16. Januar 2008 im Internet Archive) In: Tages-Anzeiger, 27. Juni 2006
- ↑ Ekkehard Müller-Jentsch: Jäger im Visier – Rache für Bruno. Süddeutsche Zeitung, 8. Dezember 2008, abgerufen am 2. Februar 2023.
- ↑ Dokumentation des Klägers, Rechtsanwalt Rudolf P. B. Riechwald ( vom 4. März 2016 im Internet Archive)
- ↑ Transkript von Stoibers Erklärung mit Link zur MP3-Datei auf stoibaer.de, abgerufen am 17. August 2013.
- ↑ Schnappauf wird zum Problem-Minister In: Stern, 27. Juni 2006
- ↑ Lars Langenau: SPD verklagt „Titanic“, Spiegel Online, 3. Juli 2006
- ↑ Süddeutsche Zeitung: Brüderle und die Atomlüge – Ein Problembär erlegt sich selbst
- ↑ BBC: Battle over Bruno the bear's body (englisch)
- ↑ Gerhard Falkner: Bruno. Novelle, 1. Auflage, Berlin Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-8270-0785-8
- ↑ Vorpremiere: „Bruno“-Film mit Happy End auf ORF am 16. Februar 2009 (abgerufen am 24. Oktober 2013)
- ↑ Heinz Vogel: Das abenteuerliche Leben des JJ1 alias Bruno alias Beppo. Ein Bilderbuch für Erwachsene und Kinder. Bucher Verlag. Hohenems, Wien, Vaduz, 2012, ISBN 978-3-99018-147-8
- ↑ „Bruno“ von „fok o'locos“
- ↑ „Beiß eam die Hand o“ von „Die Quote“. (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Februar 2017. Suche in Webarchiven)
- ↑ Peter Raba: Gespräche mit Bruno – Requiem für einen Braunbären. 1. Auflage. Edition Lebenswert, Murnau 2008, ISBN 978-3-9812194-6-3.