„Kanji“ – Versionsunterschied
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[[Bild:Hanzi (traditional).png|right]] |
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|Schrift = Kanji |
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'''Kanji''' ({{Audio|ja-kanji.ogg|漢字}}) ist die Bezeichnung für [[chinesische Schrift]]zeichen, wie sie in der [[japanische Sprache|japanischen Sprache]] verwendet werden. Der Name ist abgeleitet von der chinesischen [[Han-Dynastie]], zu deren Zeit die chinesische Schrift vereinheitlicht und das erste große Zeichenlexikon erstellt wurde. Neben den Kanji sind in der [[Japanische Schrift|japanischen Schrift]] noch die Silbenschriften [[Hiragana]] und [[Katakana]] gebräuchlich. |
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|Typ = [[Logogramm|Logographisch]] |
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|Erfinder = |
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|Jahr = |
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|Sprachen = [[Japanische Sprache|Japanisch]] |
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|Zeitraum = seit ca. 500 n. Chr. |
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|Regionen = |
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|Offiziell = {{JPN}}<br />{{PLW}} (auf [[Angaur]]) |
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|Abgeleitet = [[Hiragana]]<br />[[Katakana]] |
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|Fam1 = [[Chinesische Schriftzeichen]] |
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|Verwandt = [[Chinesische Schriftzeichen|Hanzi]], [[Hanja]], [[Chữ Nôm]] |
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|Besonderheiten = |
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|Unicode = U+4E00…U+9FC6<br />U+3400…U+4DBF<br />U+20000…U+2A6DF<br />U+2A700..U+2B734<br />U+2B740..U+2B81D<br />U+2B820..U+2CEA1 |
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|ISO15924 = Hani<br />Japan (Kanji, Hiragana, Katakana) |
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|Beispiel = [[Datei:Hanzi (traditional).svg|rahmenlos|hochkant=0.5|class=skin-invert-image|zentriert]] |
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}} |
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'''Kanji''' {{IPA|kaɴdʑi|Tondatei=ja-kanji.ogg}} sind die in der [[Japanische Schrift|japanischen Schrifttradition]] verwendeten [[Chinesische Schrift|Schriftzeichen chinesischen Ursprungs]]. Das Wort ''Kanji'' wird mit chinesischen Schriftzeichen geschrieben als {{lang|ja|漢字}} {{IPA|xæ̀ntsz̩̀|Tondatei=Zh-han4zi4.ogg}}, in [[Hiragana]]-Schrift als {{lang|ja|かんじ}}. Die Schriftzeichen, die ausschließlich in Japan erschaffen wurden, heißen [[#Kokuji|Kokuji]] – {{lang|ja|国字|de=Nationale Schriftzeichen}} – bzw. [[Kokuji|Wasei kanji]] – {{lang|ja|和製漢字|de=Japanische Schriftzeichen}} – und sind Teil des japanischen ''Kanji''-Schriftsystems. Diese Schriftzeichen werden wie alle übrigen durch mosaikartige Komposition von chinesischen Schriftelementen zusammengesetzt. Die Nutzung der heute durch die Schriftreform „leicht modifizierten“ Kanji – [[Shinjitai]] – in Japan im Vergleich zu China sind letztlich grafische bzw. historische Varietäten derselben Schriftzeichen (vergleiche [[Allograph]]). Mit [[Shinjitai#Beispiele|einigen Ausnahmen]] unterscheiden sie sich nur leicht von den [[Kurzzeichen#Beispiele|allgemeinen Standardschreibweisen]] im heutigen Ursprungsland [[Volksrepublik China|China]] – [[Kurzzeichen]]<ref group="Anm.">In der [[Volksrepublik China]] ([[Festlandchina]]) haben sowohl die vereinfachte Schriftzeichen ([[Kurzzeichen]]) als auch die Langzeichen amtlich ihre Gültigkeit. Die Langzeichen werden schulisch nicht gelehrt bzw. als gängige Standardschrift genutzt oder geprüft. Jedoch gehört es weiterhin offiziell zum Schrifttum in China. Es bleibt jedem privat überlassen sich mit den historischen Langzeichen zu beschäftigen, beispielsweise in der [[Chinesische Kalligrafie|chinesischen Kalligraphie]], alte historische Schriften o. Ä.</ref> – bzw. [[Republik China (Taiwan)|Taiwan]], [[Hongkong]], [[Macau]] – [[Langzeichen]]. |
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== Verwendung == |
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Eingegliedert in moderne japanische Hiragana-Texte bezeichnen ''Kanji'' heute [[Nomen|Nomina]] oder [[Wortstamm|Wortstämme]] von [[Verb]]en und [[Adjektiv]]en.<ref>''Elementary Japanese for College Students.'' Compiled by Serge Eliséeff, Edwin O. Reischauer and Takehiko Yoshihashi. Harvard Univ. Press, Cambridge 1959, Part II, S. 3.</ref> |
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Die [[#Geschichte|frühesten japanischen Texte]] – [[Kanbun]] – sind ausschließlich in Kanji geschrieben. Ein Kanji konnte dabei für ein japanisches Wort, (bedeutungsunabhängig) für einen japanischen Sprachlaut („Lesung“ dieses Kanji) oder auch für einen kleinen [[Man’yōgana#Gisho|Rebus]] stehen. |
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==Chinesische Schriftzeichen: Unterschiede Japanisch-Chinesisch== |
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[[Bild:kanji1.jpg|thumb|Traditionelle und vereinfachte Zeichen]] |
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Obwohl die Kanji aus den chinesischen Schriftzeichen entstanden sind, sind beide nicht völlig identisch. |
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*Einerseits wurden nicht alle Schriftzeichen übernommen, andererseits wurden einige Zeichen, die sogenannten [[Kokuji]], in Japan entwickelt. |
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*Die chinesischen Schriftzeichen wurden sowohl in China als auch in Japan im Laufe der Zeit vereinfacht, zuletzt 1947 bzw. 1945. Die Vereinfachungen fanden allerdings nicht koordiniert statt, weswegen eine ganze Reihe von Zeichen heutzutage in drei Varianten existiert, als traditionelles Zeichen, vereinfachtes Zeichen und als japanische Variante. |
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*Die Aussprache ist unterschiedlich. |
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*Während im Chinesischen alle Wörter, auch grammatische Partikel und Fremdwörter, mit chinesischen Schriftzeichen geschrieben werden, werden im Japanischen nur bedeutungstragende Elemente wie Nomen und der Stamm der Verben in Kanji geschrieben, den Rest übernehmen die Silbenschriftzeichen. |
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== Etymologie == |
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Das [[Logogramm]] {{lang|ja|字}} in der Bedeutung „Schriftzeichen“ wird im [[Chinesische Sprache|Chinesischen]] nach [[Pinyin]] als ''zì'' ({{Audio|Zh-zì.ogg|Hörbeispiel von zì (zi4)}})<ref group="Anm.">Das Logogramm {{lang|zh-Hani|字}} wird im Hochchinesischen nach Pinyin als ''zì (zi4)'' im [[Töne des Hochchinesischen#Einteilung|vierten Ton]] ({{AudioSymbol|tooltip=Hörbeispiel von zì (zi4)|verweis=Zh-zì.ogg}}) ausgesprochen, im Regiolekt [[Kantonesische Sprache|Kantonesisch]] wird das Schriftzeichen {{lang|zh-Hani|字}} nach [[Jyutping]] als ''zi6 (zi<sup>6</sup>)'' im sechsten Ton ({{AudioSymbol|tooltip=Hörbeispiel von zi6|verweis=LL-Q9186-Luilui6666-字.wav}}) ausgesprochen.</ref> phonetisch realisiert, im Japanischen als ''ji''; d. h. das Wort ''ji'' ist letztlich ein chinesisches [[Lehnwort]] im [[Japanische Sprache|Japanischen]], obwohl es heute kaum noch als solches wahrgenommen wird. |
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[[Bild:Hanji.jpg|left]] |
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[[Image:Kaeriten.png|80px|thumb|right|[[Kanbun]] ]] |
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Die ältesten archäologischen Funde chinesischer Schriftzeichen in Japan sind Gravierungen auf Bronzeschwertern, die in [[Kofun]]-Gräbern gefunden wurden, um das 3. bis 5. Jahrhundert. Gleichzeitig wird Japan auch in chinesischen Quellen aus dem 3. Jahrhundert erwähnt. Wann genau allerdings die ersten Gelehrten und Bücher aus China und Korea nach Japan kamen und dort die Schriftkultur begründeten, ist unbekannt. |
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Das chinesische Schriftzeichen {{lang|ja|漢}} – [[Pinyin]] ''hàn'' – nimmt Bezug auf die historische [[Han-Dynastie]], die die chinesische Identität prägte. Es erscheint in der japanischen Lautung als ''kan''. ''Kanji'' bedeutet also „Schriftzeichen des [[Han (Ethnie)|Han-Volks]]“. |
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Es heißt in japanischen Legenden, dass ein in [[Baekje]] wirkender chinesischer Gelehrter namens [[Wani]] (王仁, [[Koreanische Sprache|koreanisch]] ''Wang-In'', chin. ''Wang-Ren'') die chinesischen Schriftzeichen im späten [[4. Jahrhundert]] nach Japan brachte, als er an den Hof des [[Yamato]]-Reiches eingeladen wurde, um den [[Konfuzianismus]] zu lehren und dabei die chinesischen Bücher ''[[Analekte des Konfuzius]]'' und den ''[[Tausend-Zeichen-Klassiker]]'' nach Japan brachte. Wani wird im [[Kojiki]] und im [[Nihon Shoki]] erwähnt. Ob Wani wirklich lebte oder nur eine fiktive Person ist, ist unklar, genauso wenig die Korrektheit der Jahreszahlen. Die heute bekannte Version vom ''Tausend-Zeichen-Klassiker'' ist zur Zeit der Regentschaft von Kaiser [[Liang Wu Di]] ([[502]]-[[549]]) entstanden. |
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== Chinesische Schriftzeichen == |
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Es wird von einigen Wissenschaftlern für möglich gehalten, dass bereits im [[3. Jahrhundert]] chinesische Werke ihren Weg nach Japan fanden. Als gesichert gilt, dass spätestens ab dem [[5. Jahrhundert]] unserer Zeitrechnung die Kanji in mehreren Wellen aus verschiedenen Teilen Chinas importiert wurden. Die chinesische Sprache war in jedem Fall die erste Schriftsprache in Japan, und nach ihrer Einführung wurden alle Texte in Japan auf Chinesisch geschrieben. Der japanische Begriff für die klassische chinesische Literatur ist [[Kanbun]]. |
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[[Datei:Kanji1 de.svg|mini|class=skin-invert-image|Traditionelle und vereinfachte Zeichen]] |
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Zur Zeit der chinesischen [[Han-Dynastie]] wurde das erste Zeichenlexikon – das [[Shuowen Jiezi]] – erstellt, nachdem bereits in der vorherigen [[Qin-Dynastie]] die [[chinesische Schrift]] vereinheitlicht worden war. |
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=== Unterschiede zwischen japanischen und chinesischen Schriftzeichen === |
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Der Versuch des Yamato-Hofes, nach chinesischem Vorbild eine Verwaltung gestützt auf [[Literat]]en-Beamte zu schaffen, scheiterte jedoch und die Ämter blieben in der Hand der alten Adelsclans. Die chinesischen Klassiker blieben trotzdem eine wichtige Basis des japanischen Staatswesens. Es wurde eine Methode entwickelt, die chinesischen Klassiker mit kleinen Vermerken zu versehen, so dass sich chinesische Texte japanisch lesen ließen. Insbesondere müssen dabei die Schriftzeichen in einer anderen Reihenfolge gelesen werden, da das Verb im Chinesischen an zweiter Stelle steht, in japanischen Sätzen dagegen am Schluss. |
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Obwohl die japanischen Kanji aus diesen Schriftzeichen entstanden sind, gibt es heute einige Unterschiede zwischen ihnen – [[Chinesische Schrift|Hanzi]] ({{AudioSymbol|tooltip=Hörbeispiel nach der chinesischen Aussprache als ''hanzi''|verweis=Zh-hànzì.ogg}}) und Kanji ({{AudioSymbol|tooltip=Hörbeispiel nach der japanischen Aussprache als ''kanji''|verweis=Ja-kanji.ogg}}). |
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* Einerseits wurden nicht alle Schriftzeichen übernommen, andererseits wurden einige Zeichen, die sogenannten [[Kokuji]], in Japan entwickelt. |
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Im nächsten Schritt wurden die chinesischen Schriftzeichen in japanischer Syntax angeordnet, um japanische Sätze zu schreiben. Die Schriftzeichen wurden zuerst ausschließlich chinesisch gelesen, mit einer Anpassung an die japanische [[Phonetik]], der Ursprung der heutigen [[On-Lesung]]. Nun ging man parallel dazu über, existierende japanische Worte mit chinesischen Schriftzeichen zu schreiben, weswegen viele Schriftzeichen eine zweite Lesung, die [[Kun-Lesung]], bekamen. Um die [[Konjugation (Grammatik)|Konjugationsendungen]] an japanischen Verben zu schreiben, die das chinesische nicht kennt, wurden einzelne Schriftzeichen nur noch der Phonetik nach verwendet und verloren ihre Bedeutung, die sogenannte [[Manyogana]]. Aus den Manyogana entwickelten sich die heutigen Silbenschriften Hiragana und Katakana. |
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* Die chinesischen Schriftzeichen wurden sowohl in China als auch in Japan im Laufe der Zeit vereinfacht, in Japan zuletzt 1946 ''([[Shinjitai]])''. Diese Vereinfachungen wurden allerdings nicht zwischen den einzelnen Ländern koordiniert, weswegen eine ganze Reihe von Zeichen heutzutage in drei verschiedenen Varianten existiert – als [[Langzeichen]], [[Kurzzeichen]] und als japanische Variante ''(Shinjitai)''. In der Praxis werden diese Schriftzeichen einerseits zwischen deren Form als Langzeichen ([[Republik China (Taiwan)|Taiwan]], [[Hongkong]], [[Macau]], [[Japan]], teilweise in [[Korea]]) und Kurzzeichen ([[Volksrepublik China]], [[Malaysia]], [[Singapur]]), andererseits zwischen deren Ursprung als ländereigene spezifische Schriftzeichen (''Kokuji'' oder ''Wasei kanji'' in Japan, ''[[Gukja]]'' ({{lang|ko|국자}} – {{lang|ko|國字}}) oder ''[[Gukja|Hangukje hanja]]'' ({{lang|ko|한국제 한자}} – {{lang|ko|韓國製漢字}}) in Korea, ''Hanzi'' ([[Kurzzeichen|Kurzz.]]: {{lang|zh-Hans|汉字}} [[Langzeichen|Langzz.]]: {{lang|zh-Hant|漢字}}) in China) unterschieden. Die historische japanische [[Schriftreform in Japan|Kyūjitai]] („alte Schriftart“) entspricht weitgehend den Formen der Langzeichen in China. |
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* Die Aussprache ist unterschiedlich zum heutigen [[Hochchinesisch|modernen Hochchinesisch]], d. h. modernen Standardchinesisch, jedoch gibt es auch Übereinstimmungen. Eine linguistische Übereinstimmung in der Aussprache ist gelegentlich auch in einer der [[Chinesische Sprachen|verschiedenen chinesischen Sprachen]], also [[Chinesische Sprachen#Chinesische Sprachen und ihre geographische Verbreitung|chinesischen Dialekten]] bzw. [[Regiolekt]]en, wiederzufinden. |
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* Durch die historische Entwicklung im jeweils eigenen Land weicht die Bedeutung derselben Schriftzeichen manchmal voneinander ab. |
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* Während im Chinesischen alle Wörter, auch grammatische Partikeln und Fremdwörter, mit chinesischen Schriftzeichen geschrieben werden, werden im Japanischen nur bedeutungstragende Elemente wie [[Nomen]] und Stämme von [[Verb]]en und [[Adjektiv]]en in Kanji geschrieben, den Rest übernehmen die [[Mora (Einheit)|Morenschriftzeichen]] ''[[Hiragana]]'' und ''[[Katakana]]''. |
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== Geschichte == |
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Für einige japanische Begriffe gab es keine Kanji. In Japan, der Inselnation, spielte der Fischfang eine größere Rolle als in China, und insbesondere für viele Fische fehlten Schriftzeichen. In Japan wurde daher eine Reihe von Schriftzeichen nach den chinesischen Regeln geschaffen, mehr als die Hälfte davon Namen für Fische. |
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[[Datei:Kaeriten.png|80px|mini|class=skin-invert-image|[[Kanbun]]]] |
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Der älteste Beleg für die Verwendung chinesischer Schriftzeichen in Japan sind Gravierungen auf Bronzeschwertern wie dem [[Inariyama-Schwert]] oder dem [[Siebenarmiges Schwert|Siebenarmigen Schwert]], die in Hügelgräbern ([[Kofun]]) aus dem 3. bis 5. Jahrhundert n. Chr. gefunden wurden. Japan wird auch in chinesischen Quellen aus dem 3. Jahrhundert erwähnt. Die ältesten in Japan gefundenen chinesischen Schriftzeichen stammen aus dem Jahr 57 und finden sich auf dem goldenen Siegel von [[Na-koku|Na]]. |
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Wann die ersten Gelehrten und Bücher aus China und Korea nach Japan kamen und dort die [[Schriftkultur]] begründeten, ist nicht genau belegt. Es heißt in japanischen Legenden, dass ein in [[Baekje]] wirkender koreanischer Gelehrter namens [[Wani (Gelehrter)|Wani]] ({{lang|ja|王仁}}, [[Koreanische Sprache|kor.]] {{lang|ko|왕인}} ''Wang-In'', [[Hochchinesisch|chin.]] ''Wángrén'') die chinesischen Schriftzeichen im späten 4. Jahrhundert nach Japan brachte.<ref name="wani">Volker Grassmuck: ''Die japanische Schrift und ihre Digitalisierung.'' In: Winfried Nöth, Karin Wenz (Hrsg.): ''Intervalle 2. Medientheorie und digitale Medien.'' Kassel University Press, Kassel 1999., ISBN 3-933146-05-4 [http://waste.informatik.hu-berlin.de/~grassmuck/Texts/jp-schrift.html (Kapitel auch online)]; Unterabschnitt „Die Zeichen der ''Han''“</ref><ref>W G Aston: Nihongi: Chronicles of Japan From the Earliest Times to A, Teil 697, Routledge, 2010, S. 87 [https://books.google.de/books?id=JQ_JBQAAQBAJ&pg=PT87&lpg=PT87&dq=wangi+japan+chinese+characters&source=bl&ots=a_6KelP53_&sig=lpJgUxKmS2heAK2UNb7rDvi1iiE&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjE8uSh3-7bAhVqSZoKHXocBo4Q6AEIjQEwDA#v=onepage&q=wangi%20japan%20chinese%20characters&f=false books.google.de]</ref> Er wurde an den Hof des [[Yamato-Reich]]es eingeladen, um den [[Konfuzianismus]] zu lehren, und brachte dabei die chinesischen Bücher ''[[Analekten des Konfuzius]]'' und den ''[[Tausend-Zeichen-Klassiker]]'' nach Japan. Wani wird in den historischen Aufzeichnungen [[Kojiki]] und [[Nihon Shoki]] erwähnt. Ob Wani wirklich lebte oder nur eine fiktive Person ist, ist ebenso unsicher wie die Korrektheit der Jahreszahlen. Die heute bekannte Version des ''Tausend-Zeichen-Klassikers'' entstand zur Zeit der Regentschaft von Kaiser [[Liang Wu Di]] (502–549). |
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Noch in der [[Meiji-Zeit]] war die Kun-Lesung der Kanji nicht standardisiert. Die Schriftzeichen konnten nach persönlichen Vorlieben mit bestimmten Wörtern assoziiert werden. Erst die Schriftreform aus dem Jahr 1900 setzte hier Standards. Eine weitere Entwicklung der Meiji-Zeit war die Einführung einer verpflichtenden Grundschulbildung. |
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Einige Wissenschaftler halten es für möglich, dass bereits im 3. Jahrhundert chinesische Werke ihren Weg nach Japan fanden. Als gesichert gilt, dass spätestens ab dem 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung die Kanji in mehreren Wellen aus verschiedenen Teilen Chinas importiert wurden. Die ersten geschriebenen Texte in Japan waren also in chinesischer Sprache verfasst, auch die von japanischen Gelehrten. Der japanische Begriff für die klassische chinesische Literatur ist [[Kanbun]]. |
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Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurde die Anzahl der „für den Alltag gebräuchlichen Schriftzeichen“ vom Bildungsministerium auf zuerst 1.850 und im Jahr [[1981]] auf 1.945 ([[Jōyō Kanji|''Tōyō''- bzw. ''Jōyō''-Kanji]]) festgelegt, die auch in der [[Schule]] gelehrt werden. Amtliche Texte und viele Zeitungen beschränken sich auf diese Zeichen und geben alle anderen Begriffe in Kana wieder. Daneben gibt es weitere ca. 580 sogenannte [[Jinmeiyō Kanji]], die nur für die Verwendung in japanischen Eigennamen offiziell sind. |
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Der Versuch des Yamato-Hofes, nach chinesischem Vorbild eine Verwaltung gestützt auf [[Literat]]en-Beamte zu schaffen, scheiterte jedoch, und die Ämter blieben in der Hand der alten [[Adel]]sclans (Uji). Die chinesischen Klassiker blieben trotzdem eine wichtige Basis des japanischen Staatswesens. Es wurde eine Methode entwickelt, die chinesischen Klassiker mit kleinen Vermerken zu versehen, sodass sich chinesische Texte japanisch lesen ließen. Insbesondere müssen dabei die Schriftzeichen in einer anderen Reihenfolge gelesen werden, da das Verb im Chinesischen an zweiter Stelle steht (SVO), in japanischen Sätzen dagegen am Schluss. |
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Grundsätzlich entsprechen die Kanji den traditionellen chinesischen [[Langzeichen]]. Einige Zeichen wurden mit der Tōyō-Reform aber in einer ähnlichen Weise vereinfacht wie die [[Kurzzeichen]] bei der [[chinesische Schriftreform von 1955|chinesischen Schriftreform von 1955]]. |
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Im nächsten Schritt wurden die chinesischen Schriftzeichen in japanischer Syntax angeordnet, um japanische Sätze zu schreiben. Die Schriftzeichen wurden zuerst ausschließlich chinesisch gelesen, mit einer Anpassung an die japanische [[Phonetik]], der Ursprung der heutigen [[On-Lesung]]. Nun ging man parallel dazu über, existierende japanische Worte mit chinesischen Schriftzeichen zu schreiben, weswegen viele Schriftzeichen eine zweite Lesung, die [[Kun-Lesung]], bekamen. Um die [[Konjugation (Grammatik)|Konjugationsendungen]] an japanischen Verben zu schreiben, die das Chinesische nicht kennt, wurden einzelne Schriftzeichen nur noch phonetisch verwendet und verloren ihre Bedeutung. Aus diesen sogenannten [[Man’yōgana]] entwickelten sich die heutigen Silbenschriften [[Hiragana]] und [[Katakana]]. |
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Im modernen Japanisch werden die Kanji verwendet, um Nomen und die Wortstämme von Adjektiven und Verben zu schreiben. Partikel, Konjunktionen und grammatische Endungen (Okurigana) werden in Hiragana geschrieben. [[Onomatopoesie|Onomatopoetische]] Ausdrücke und Fremdwörter ([[Gairaigo]]) werden in Katakana geschrieben. |
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Für einige japanische Begriffe gab es keine Kanji. In Japan, der Inselnation, spielte der Fischfang eine größere Rolle als in China, und insbesondere für viele Fische fehlten Schriftzeichen. In Japan wurde daher eine Reihe von Schriftzeichen nach den chinesischen Regeln geschaffen, mehr als die Hälfte davon sind Namen für Fische. |
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Einige (nicht-chinesische) Fremdworte, die zum Teil noch aus dem 16. Jahrhundert stammen, wie etwa ''tabako'' (煙草 oder 莨, „Tabak“) oder [[Tempura]] (天婦羅 oder 天麩羅) besitzen auch eine historische Schreibung in Kanji, die entweder nach Bedeutung, wie bei ''tempura'', oder phonetisch, wie bei ''tabako'' gebildet wurde. Diese Schreibungen bezeichnet man als [[Ateji]]. Oft werden diese Fremdworte heutzutage in Hiragana geschrieben, entweder weil sie nicht mehr als Fremdworte empfunden werden, oder weil die Kanji-Schreibung zu kompliziert ist. |
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Noch in der [[Meiji-Zeit]] war die Kun-Lesung der Kanji nicht standardisiert. Die Schriftzeichen konnten nach persönlichen Vorlieben mit bestimmten Wörtern assoziiert werden. Erst die Schriftreform aus dem Jahr 1900 setzte hier Standards. Eine weitere Entwicklung der Meiji-Zeit war die Einführung einer verpflichtenden Grundschulbildung. |
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Durch den starken [[Korea#Geschichte|chinesischen Einfluss auf Korea]] waren Kanji (kor. [[Hanja]]) traditionell auch in Korea gebräuchlich, seit der [[Kabo-Reform]] Ende des 19. Jh. sind diese aber weitgehend durch die [[Hangul]]-Zeichen ersetzt worden. |
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Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurde die Anzahl der „für den Alltag gebräuchlichen Schriftzeichen“ vom Bildungsministerium auf zuerst 1.850 und im Jahr 1981 auf 1.945 ([[Jōyō Kanji|''Tōyō''- bzw. ''Jōyō''-Kanji]]) festgelegt, die auch in der [[Schule]] gelehrt werden. Seit 2010 gilt eine neue Jōyō-Kanji-Liste mit 2.136 Zeichen, bei der 196 neue Kanji hinzugefügt und fünf (vor allem solche für historische Mengenmaße) aus der alten Liste entfernt wurden.<ref name="Felix Lill">Felix Lill: ''Den Wald vor lauter Zeichen nicht. Selbst Muttersprachler kapitulieren vor der Fülle der Kanji – einer chinesisch-japanischen Zeichenschrift.'' In: ''Die Zeit.'' 7. Mai 2015, S. 38.</ref> Amtliche Texte und viele Zeitungen beschränken sich auf diese Zeichen und geben alle anderen Begriffe in [[Japanische Schrift#Kana|Kana]] wieder. Daneben gibt es weitere über 900 sogenannte [[Jinmeiyō-Kanji]], die nur für die Verwendung in japanischen Eigennamen offiziell sind. |
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==Systematisierung== |
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Grundsätzlich entsprechen die Kanji den traditionellen chinesischen [[Langzeichen]]. Einige Zeichen wurden mit der Tōyō-Reform aber in einer ähnlichen Weise vereinfacht wie die [[Kurzzeichen]] bei der [[Chinesische Schriftreform|chinesischen Schriftreform von 1955]]. |
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Der buddhistische Lehrmeister [[Xu Shen]] teilte in seinem Werk ''Shuōwén Jiězì'' (說文解字) etwa 100 n. Chr. die chinesischen Schriftzeichen in sechs Kategorien ein (jap. 六書 ''rikusho''). |
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Im modernen Japanisch werden die Kanji verwendet, um Nomen und die Wortstämme von Adjektiven und Verben zu schreiben. Partikeln, Konjunktionen und grammatische Endungen (Okurigana) werden in Hiragana geschrieben. [[Onomatopoesie|Onomatopoetische]] Ausdrücke und Fremdwörter ([[Gairaigo]], {{lang|ja|外来語}}) werden in Katakana geschrieben, erstere bisweilen auch in Hiragana. |
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===Piktogramme=== |
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{| border="1" cellpadding="3" rules="all" style="float:right; clear:right; margin:5px 0 1em 1em; border-style: solid; border-width: 1px; border-collapse:collapse" |
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|[[Bild:Ma arch.png]] || [[Bild:Ma sigil.png]] || <span style="font-size: 400%">馬</span> |
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|- |
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| align=center colspan=3 |<small>Piktogramm „Pferd“</small> |
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|} |
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Die [[Piktogramm]]e (象形文字 ''shōkeimoji'') sind graphische Repräsentationen der Objekte, die sie darstellen. In der alten [[Siegelschrift]] war diese Ableitung noch sehr deutlich zu erkennen, doch auch in den abstrakteren modernen Schriftsätzen lässt sie sich nachvollziehen. Beispielsweise stellt das Schriftzeichen 門 ein Tor dar, 木 einen Baum, 人 einen Menschen, 女 eine Frau usw. |
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Einige (nicht-chinesische) Fremdwörter, die zum Teil noch aus dem 16. Jahrhundert stammen, etwa ''tabako'' ({{lang|ja|煙草}} oder {{lang|ja|莨}}, „Tabak“) oder [[Tempura]] ({{lang|ja|天婦羅}} oder {{lang|ja|天麩羅}}), besitzen auch eine historische Schreibung in Kanji, die entweder nach Bedeutung wie bei ''tabako'', oder phonetisch, wie bei ''tempura'', gebildet wurde. Diese Schreibungen bezeichnet man als [[Ateji]] ({{lang|ja|当て字}}). Oft werden diese Fremdwörter heutzutage in [[Hiragana]] geschrieben: nicht in [[Katakana]], weil sie nicht mehr als Fremdwörter empfunden werden, und nicht in Kanji, weil die Kanji-Schreibung zu kompliziert ist. |
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===Logogramme=== |
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Durch den starken [[Geschichte Koreas|chinesischen Einfluss auf Korea]] waren Kanji (kor. [[Hanja]]) traditionell auch in Korea gebräuchlich, seit der [[Kabo-Reform]] Ende des 19. Jh. sind diese aber weitgehend durch die [[Hangeul]]-Zeichen ersetzt worden. |
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Um abstraktere Begriffe darzustellen, wurden einfache Zeichensymbole, sogenannte Indikatoren oder [[Logogramm]]e (jap. 指事文字 ''shijimoji'') verwendet. |
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== Systematisierung == |
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Beispiele sind 上 „oben“ und 下 „unten“, oder auch 回 „drehen“. |
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Der buddhistische Lehrmeister [[Xu Shen]] teilte in seinem Werk Shuowen Jiezi etwa 100 n. Chr. die chinesischen Schriftzeichen in [[Sechs Kategorien chinesischer Schriftzeichen|sechs Kategorien]] ein ({{jaS|六書|rikusho}}). |
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=== Die Sechs Kategorien === |
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{{Hauptartikel|Sechs Kategorien chinesischer Schriftzeichen}} |
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==== Piktogramme ==== |
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Komplexer sind die [[Ideogramm]]e (会意文字 ''kaiimoji''), kombinierte Piktogramme oder Logogramme, die eine neue Bedeutung ergeben. Ein typisches Beispiel ist die Verbindung aus 日 „Sonne“ und 月 „Mond“, die das Zeichen 明 in der Bedeutung „hell“ ergeben. Ein weiteres ist das Schriftzeichen für „Bergpass“ 峠, das aus 山 „Berg“ und oben und unten gebildet wurde, oder die Schriftzeichen für 林 „Hain“ und 森 „Wald“, die aus Verdopplung beziehungsweise Verdreifachung des Schriftzeichens 木 „Baum“ gebildet wurden. |
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{| class="wikitable" style="text-align:center; width:70px;" |
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! colspan="7"| Beispiel eines Piktogramms – „Pferd“<ref name="Schriftzeichen_Pferd_01" /><ref name="Schriftzeichen_Pferd_02" /><ref name="Schriftzeichen_Pferd_03" /><ref>[[commons:Commons:Ancient Chinese characters project|Commons:Ancient Chinese characters project]]</ref> |
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|- |
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| [[Datei:馬-oracle.svg|60px|class=skin-invert-image|rechts]] |
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| [[Datei:馬-bronze.svg|60px|class=skin-invert-image|rechts]] |
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| [[Datei:馬-bigseal.svg|60px|class=skin-invert-image|rechts]] |
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| [[Datei:馬-seal.svg|60px|class=skin-invert-image|rechts]] |
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| [[Datei:馬-clerical.svg|60px|class=skin-invert-image|rechts]] |
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| [[Datei:馬-kaishu.svg|60px|class=skin-invert-image|rechts]] |
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|- |
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| [[Orakelknochen]] |
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| [[Bronzeinschrift]] |
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| Große [[Siegelschrift]] |
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| Kleine [[Siegelschrift]] |
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| [[Chinesische Kanzleischrift|Kanzleischrift]] |
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| [[Regelschrift]] |
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|} |
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Die [[Piktogramm]]e ({{lang|ja|象形文字|shōkeimoji}}) sind graphische Repräsentationen der Objekte, die sie darstellen. In der alten [[Siegelschrift]] war diese Ableitung noch sehr deutlich zu erkennen, doch auch in den abstrakteren modernen Schriftsätzen lässt sie sich nachvollziehen. Beispielsweise stellt das Schriftzeichen {{lang|ja|門}} ein Tor dar, {{lang|ja|木}} einen Baum, {{lang|ja|人}} einen Menschen, {{lang|ja|女}} eine Frau usw. |
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==== Ideogramme ==== |
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Nicht immer sind diese Zusammensetzungen eindeutig. Es kommt zum Beispiel vor, dass zwei Zeichen auf unterschiedliche Art kombiniert werden und dann eine unterschiedliche Bedeutung haben. Ein Beispiel: Die Schriftzeichen 心 „Herz“ und 亡 „Leiche“ werden zum Beispiel horizontal zum Zeichen 忘 „vergessen“ und vertikal zum Zeichen 忙 „beschäftigt“ zusammengesetzt. |
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Um abstraktere Begriffe darzustellen, wurden einfache Zeichensymbole, sogenannte Indikatoren oder [[Ideogramm]]e ({{jaS|指事文字|shijimoji}}) verwendet. |
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Beispiele sind {{lang|ja|上}} „oben“ und {{lang|ja|下}} „unten“, oder auch {{lang|ja|回}} „drehen“. |
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===Phonogramme=== |
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Diese ersten drei Kategorien erwecken den Eindruck, dass die chinesische Schrift und damit die Kanji eine Symbolschrift wäre, und dass sich aus der Form der Schriftzeichen die Bedeutung ergäbe. Tatsächlich hat die rein bildliche Darstellung jedoch nicht ausgereicht, um alle benötigten Begriffe darzustellen, und weniger als 20% der heute verwendeten Zeichen gehören einer der ersten drei Kategorien an. Statt dessen gehört bei weitem die Mehrheit der chinesischen Schriftzeichen der folgenden vierten Kategorie an, die soetwas wie den Standard darstellt, während die anderen Ausnahmen bilden. |
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==== Logogramme ==== |
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Die [[Phonogramm]]e, auch als phonetische Ideogramme (形声文字 ''keiseimoji'') bezeichnet, lassen sich in zwei Teile aufspalten, ein [[Signifikum]], das einen Hinweis auf die Bedeutung gibt, und ein [[Phonetikum]], das auf die Aussprache verweist. Schriftzeichen können sowohl waagerecht als auch senkrecht geteilt sein. Das Signifikum steht in den meisten Fällen links bzw. oben, das Phonetikum damit rechts bzw. unten. |
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Komplexer sind die [[Logogramm]]e ({{lang|ja|会意文字|kaiimoji}}), kombinierte Piktogramme oder Ideogramme, die eine neue Bedeutung ergeben. Ein typisches Beispiel ist die Verbindung aus {{lang|ja|日}} „Sonne“ und {{lang|ja|月}} „Mond“, die das Zeichen {{lang|ja|明}} in der Bedeutung „hell“ ergeben. Ein weiteres ist das Schriftzeichen für „Bergpass“ {{lang|ja|峠}}, das aus {{lang|ja|山}} „Berg“, „oben“ und „unten“ gebildet wurde, oder die Schriftzeichen für {{lang|ja|林}} „Hain“ und {{lang|ja|森}} „Wald“, die aus Verdopplung beziehungsweise Verdreifachung des Schriftzeichens {{lang|ja|木}} „Baum“ gebildet wurden. |
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Nicht immer sind diese Zusammensetzungen eindeutig. Es kommt zum Beispiel vor, dass zwei Zeichen auf unterschiedliche Art kombiniert werden und dann eine unterschiedliche Bedeutung haben. Ein Beispiel: Die Schriftzeichen {{lang|ja|心}} „Herz“ und {{lang|ja|亡}} „sterben“ werden zum Beispiel vertikal zum Zeichen {{lang|ja|忘}} „vergessen“ und horizontal zum Zeichen {{lang|ja|忙}} „beschäftigt“ zusammengesetzt. |
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Um zum Beispiel Schriftzeichen für die zahlreichen verschiedenen Baumarten zu erhalten, wurde das Signifikum 木 „Baum“ auf der linken Seite mit einem zweiten Schriftzeichen auf der rechten Seite kombiniert, das so ähnlich ausgesprochen wurde wie die Baumart. So entstanden die Schriftzeichen 桜 „Kirsche“, 梅 „Pflaume“, 杏 „Aprikose“ und 松 „Kiefer“. Das Signifikum kann auch eine übertragene Bedeutung haben, im Falle des Baums zum Beispiel „Ding aus Holz“, zum Beispiel ein Regal 棚 oder ein Webstuhl 機. |
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==== Phonogramme ==== |
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Zur Zeit der [[Han-Dynastie]] wurden dann auch Schriftzeichen, die auf der rechten Seite das gleiche Phonetikum 寺 (詩, 持, 時, 侍, 待) besaßen, im klassischen Chinesisch auch gleich ausgesprochen wurden. Teilweise hat sich das bis ins heutige Japanisch erhalten, allerdings hat es zahlreiche Lautverschiebungen und andere Änderungen gegeben, weswegen diese Regel im modernen Japanisch nicht mehr gilt. So werden zum Beispiel die fünf Zeichen 寺, 詩, 持, 時, 侍 alle [[On-Lesung|sinojapanisch]] ''ji'' gelesen, 待 liest man jedoch ''tai''. |
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Diese ersten drei Kategorien erwecken den Eindruck, dass die chinesische Schrift und damit die Kanji eine Symbolschrift wäre, und dass sich aus der Form der Schriftzeichen die Bedeutung ergäbe. Tatsächlich hat die rein bildliche Darstellung jedoch nicht ausgereicht, um alle benötigten Begriffe darzustellen, und weniger als 20 % der heute verwendeten Zeichen gehören einer der ersten drei Kategorien an. Stattdessen gehört bei weitem die Mehrheit der chinesischen Schriftzeichen der folgenden vierten Kategorie an, die so etwas wie den Standard darstellt, während die anderen Ausnahmen bilden. |
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Die [[Phonographie (Linguistik)|Phonogramme]], auch als phonetische Ideogramme ({{lang|ja|形声文字|keiseimoji}}) bezeichnet, lassen sich in zwei Teile aufspalten, ein [[Signifikum]], das einen Hinweis auf die Bedeutung gibt, und ein [[Phonetikum]], das auf die Aussprache verweist. Schriftzeichen können sowohl waagerecht als auch senkrecht geteilt sein. Das Signifikum steht in den meisten Fällen links bzw. oben, das Phonetikum damit rechts bzw. unten. |
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===Ableitungen=== |
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Um zum Beispiel Schriftzeichen für die zahlreichen verschiedenen Baumarten zu erhalten, wurde das Signifikum {{lang|ja|木}} „Baum“ auf der linken Seite mit einem zweiten Schriftzeichen auf der rechten Seite kombiniert, das so ähnlich ausgesprochen wurde wie die Baumart. So entstanden die Schriftzeichen {{lang|ja|桜}} „Kirsche“, {{lang|ja|梅}} „Pflaume“, {{lang|ja|杏}} „Aprikose“ und {{lang|ja|松}} „Kiefer“. Das Signifikum kann auch eine übertragene Bedeutung haben, im Falle des Baums zum Beispiel „Ding aus Holz“, zum Beispiel ein Regal {{lang|ja|棚}} oder ein Webstuhl {{lang|ja|機}}. |
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Die Kategorie der Ableitungen (転注文字 ''tenchūmoji'') ist recht vage definiert. Es handelt sich um Schriftzeichen, die neben ihrer ursprünglichen Bedeutung weitere, damit assoziierte Bedeutungen erhalten haben, und in dieser Bedeutung auch anders ausgesprochen werden. Bei vielen Zeichen, hat sich die Verwendung auch komplett verschoben und die ursprüngliche Bedeutung ist verloren gegangen. |
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Zur Zeit der [[Han-Dynastie]] wurden dann auch Schriftzeichen, die auf der rechten Seite das gleiche Phonetikum {{zh|kurz=1|c=寺}} ({{zh|kurz=1|t=詩}}, {{zh|kurz=1|c=持}}, {{zh|kurz=1|t=時}}, {{zh|kurz=1|c=侍}}, {{zh|kurz=1|c=待}}) besaßen, im klassischen Chinesisch auch gleich ausgesprochen. Teilweise hat sich das bis ins heutige Japanisch erhalten, allerdings hat es zahlreiche Lautverschiebungen und andere Änderungen gegeben, weswegen diese Regel im modernen Japanisch nicht mehr gilt. So werden zum Beispiel die fünf Zeichen {{lang|ja|寺}}, {{lang|ja|詩}}, {{lang|ja|持}}, {{lang|ja|時}}, {{lang|ja|侍}} alle [[On-Lesung|sinojapanisch]] ''ji'' oder ''shi'' gelesen, {{lang|ja|待}} liest man jedoch ''tai''. |
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Ein Beispiel aus der Gruppe ist das Schriftzeichen 楽, das erstens die Bedeutung „Musik“ (''gaku'') und zweitens, davon abgeleitet, „Fröhlichkeit“ (''raku'') hat. |
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==== Ableitungen ==== |
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Die Kategorie der [[Derivation (Linguistik)|Ableitungen]] ({{lang|ja|転注文字|tenchūmoji}}) ist recht vage definiert. Es handelt sich um Schriftzeichen, die neben ihrer ursprünglichen Bedeutung weitere, mit dieser assoziierte Bedeutungen erhalten haben und in der neuen Bedeutung auch anders ausgesprochen werden. Bei vielen Zeichen hat sich die Verwendung komplett verschoben und die ursprüngliche Bedeutung ist verloren gegangen. |
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Ein Beispiel aus der Gruppe ist das Schriftzeichen {{lang|ja|楽}}, das erstens die Bedeutung „Musik“ ''(gaku)'' und zweitens, davon abgeleitet, „Fröhlichkeit“ ''(raku)'' hat. |
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Eine weitere Gruppe sind phonetisch entlehnte Schriftzeichen (仮借文字 ''kashamoji''). Diese entstanden als Piktogramme, zum Beispiel 永 für „schwimmen“. Als jedoch ein Schriftzeichen für das im Altchinesisch gleich ausgesprochene Wort „ewig“ gebraucht wurde, wurde die Bedeutung des Schriftzeichens übertragen. Für das Wort „Schwimmen“ wurde ein neues Phonogramm erschaffen, in dem man [[Radikal 85|drei Wassertropfen]] (氵) angefügt hat: 泳. Die gleiche Aussprache beider zeichen hat sich bis ins heutige Chinesisch erhalten (yǒng). Ein anderes Beispiel ist das Schriftzeichen für „kommen“ 来, das ursprünglich „Weizen“ (heute: 麦) bedeutete. |
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==== Entlehnungen ==== |
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Eine weitere Gruppe sind phonetisch [[Entlehnung|entlehnte]] Schriftzeichen ({{lang|ja|仮借文字|kashamoji}}). Diese entstanden als Piktogramme, zum Beispiel {{lang|ja|永}} für „schwimmen“. Als jedoch ein Schriftzeichen für das im Altchinesisch gleich ausgesprochene Wort „ewig“ gebraucht wurde, wurde die Bedeutung des Schriftzeichens übertragen. Für das Wort „Schwimmen“ wurde ein neues Phonogramm erschaffen, in dem man [[Radikal 85|drei Wassertropfen]] ({{lang|ja|氵}}) angefügt hat: {{lang|ja|泳}}. Die gleiche Aussprache beider Zeichen hat sich bis ins heutige Chinesisch erhalten (yǒng). Ein anderes Beispiel ist das Schriftzeichen für „kommen“ {{lang|ja|来}}, das ursprünglich „Weizen“ (heute: {{lang|ja|麦}}) bedeutete. |
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Die folgenden Kategorien für Schriftzeichen sind japan-spezifisch. |
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=== Kokkun === |
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Eine Reihe von Schriftzeichen hat bei der Übernahme oder im Laufe der Jahrhunderte eine veränderte Bedeutung bekommen. Diese wird als ''kokkun'' (国訓) |
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Die folgenden Kategorien für Schriftzeichen sind Japan-spezifisch. |
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Eine Reihe von Schriftzeichen hat bei der Übernahme oder im Lauf der Jahrhunderte eine veränderte Bedeutung bekommen. Diese wird als '''''kokkun''''' ({{lang|ja|国訓}}) |
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bezeichnet. Beispiele sind: |
bezeichnet. Beispiele sind: |
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* 沖 jap. ''oki'': hohe See; chin. ''chōng'': spülen |
* {{lang|ja|沖}} jap. ''chū'', '''''oki''''': hohe See; chin. ''chōng'': spülen |
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* 椿 jap. ''tsubaki'': [[Kamelie]]; chin. ''chūn'': [[Chinesischer Surenbaum]] |
* {{lang|ja|椿}} jap. ''chin'', ''chun'', '''''tsubaki''''': [[Kamelie]]; chin. ''chūn'': [[Chinesischer Surenbaum]] |
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* {{lang|ja|茸}} jap. ''jō'', ''nyu'', '''''kinoko''''', '''''take''''': [[Pilze|Pilz]], [[Baumpilz|Schwamm]]; chin. ''róng'': [[Spross]], Trieb, Keim, [[Gefege|Bast]] eines Geweihs; Geweihknospe; flaumig, saftig und zart |
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<!-- * 森 jap. ''mori'' Wald; chin. ''sēn'' gloomy, majestic, luxuriant growth) -- falsches Beispiel: hat im chin. zwei Bedeutungen, eine davon ist Wald) --> |
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Den umgekehrten Fall gibt es auch, dass in Japan Schriftzeichen noch in ihrer ursprünglichen Bedeutung verwendet werden, während in China längst eine neue Bedeutung dominiert. |
Den umgekehrten Fall gibt es auch, dass in Japan Schriftzeichen noch in ihrer ursprünglichen Bedeutung verwendet werden, während in China längst eine neue Bedeutung dominiert. |
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===Kokuji=== |
=== Kokuji === |
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{{Hauptartikel|Kokuji}} |
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Neben den Unterschieden in Form, Verwendung, Aussprache und Bedeutung gibt es auch Kanji, die in China gänzlich unbekannt sind, weil sie japanische Erfindungen sind. Diese ''Kokuji'' (国字; „Landeszeichen“) oder ''Wasei Kanji'' (和製漢字 „in Japan geschaffene Kanji“), insgesamt einige hundert, wurden in Japan nach der Logik der chinesischen Schriftzeichen erschaffen. Ein Großteil der Zeichen sind Bezeichnungen für Fischarten, da in Japan als Inselnation wesentlich mehr Fischfang betrieben wurde. |
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Neben den Unterschieden in Form, Verwendung, Aussprache und Bedeutung gibt es auch Kanji, die in China unbekannt sind, weil sie japanische Erfindungen sind. Diese ''Kokuji'' ({{lang|ja|国字|de=Landeszeichen}}) oder ''Wasei Kanji'' ({{lang|ja|和製漢字|de=in Japan erschaffene Kanji}}), insgesamt einige hundert, wurden in Japan nach der Logik der chinesischen Schriftzeichen geschaffen. Ein Großteil der Zeichen sind wie schon erwähnt Bezeichnungen für Fischarten. |
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* 峠 |
* {{lang|ja|峠|tōge}} (Bergpass) |
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* 榊 |
* {{lang|ja|榊|sakaki}} ([[Sperrstrauch]]) |
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* 畑 |
* {{lang|ja|畑|hatake}} (Trockenfeld) |
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* 辻 |
* {{lang|ja|辻|tsuji}} (Straßenkreuzung) |
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* 働 |
* {{lang|ja|働|DŌ}}, ''hatara(ku)'' (arbeiten) |
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* {{lang|ja|躾|shitsuke}} (Disziplin) |
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* {{lang|ja|粁|kiromētoru}} (Kilometer) |
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* {{lang|ja|瓱|miriguramu}} (Milligramm) |
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== Systematik == |
== Systematik der Radikale == |
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[[ |
[[Datei:Radical052.png|mini|100px|Radikal 52]] |
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Das älteste Lexikon für chinesische [[Schriftzeichen]] ist das |
Das älteste chinesische Lexikon für chinesische [[Schriftzeichen]] ist das Shuowen Jiezi aus dem Jahr 121 n. Chr. Die Schriftzeichen sind dort nach einem System von Elementarzeichen, den sog. [[Radikal (chinesische Schrift)|Radikalen]], eingeteilt. Das Shuowen Jiezi kannte 512 Radikale, diese Zahl wurde jedoch immer weiter reduziert, sodass die heute am weitesten verbreitete [[Liste traditioneller Radikale]] 214 Klassenzeichen verwendet. Diese Einteilung wurde vor allem durch das [[Kangxi-Wörterbuch|Kangxi Zidian]] aus dem Jahre 1716 unterstützt, das bereits ca. 49.000 Schriftzeichen enthält. Wörterbücher für vereinfachte Schriftzeichen verwenden eine andere Anzahl an Radikalen, oftmals sind es [[227 Radikale]]. Auch japanische Wörterbücher verwenden unterschiedliche Radikalanzahlen, die meisten Werke richten sich nach den 214 traditionellen. |
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Wird ein Schriftzeichen als Radikal eingesetzt, verändert es oft seine Form. Das Schriftzeichen 火 „Feuer“ beispielsweise ist, wenn es wie in 焼 links steht, ohne weiteres erkennbar, wenn es die untere Hälfte wie in 災 belegt ebenfalls, in vielen Zeichen sind jedoch nur noch vier Striche (灬) davon übrig wie in 然 |
Wird ein Schriftzeichen als Radikal eingesetzt, verändert es oft seine Form. Das Schriftzeichen {{lang|ja|火}} – „Feuer“ – beispielsweise ist, wenn es wie in {{lang|ja|焼}} – „gebacken“ – links steht, ohne weiteres erkennbar, wenn es die untere Hälfte wie in {{lang|ja|災}} –„Katastrophe“ – belegt ebenfalls, in vielen Zeichen sind jedoch nur noch vier Striche ({{lang|ja|灬}}) davon übrig wie in {{lang|ja|然}} – „natürlich“. |
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In vielen Zeichen ist das Radikal mit dem Signifikum (siehe [[#Phonogramme]]) identisch, |
In vielen Zeichen ist das Radikal mit dem Signifikum (siehe unter [[#Phonogramme|Phonogramme]]) identisch, sodass zwischen beiden Begriffen oft kein Unterschied gemacht wird. Das führt aber zu Verwirrung, da nicht jedes Signifikum auch ein Radikal ist und daher einige Zeichen unter einem anderen Radikal als dem Signifikum einsortiert werden. |
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<div style="clear:both;"></div> |
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<br clear=all> |
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==Lesungen== |
== Lesungen == |
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Während im Chinesischen die Schriftzeichen in den meisten Fällen nur auf eine oder zwei Arten gelesen werden können (in der klassischen Schriftsprache existieren oft drei, vier oder mehr Lesungen, die im modernen Hochchinesisch aber kaum Anwendung finden), ist es im Japanischen etwas komplizierter. Es gibt grundsätzlich zwei Kategorien von Lesungen: die [[On-Lesung|sinojapanische Lesung]] ({{lang|ja|音読み|on’yomi}}), die aus dem Chinesischen übernommen wurde, und die [[Kun-Lesung|japanische Lesung]] ({{lang|ja|訓読み|kun’yomi}}), bei der [[Altjapanische Sprache|altjapanische]] Wörter chinesischen Schriftzeichen zugeordnet wurden. |
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Die meisten Schriftzeichen haben genau eine sinojapanische Lesung, allerdings wurden teilweise verschiedene Lesungen aus unterschiedlichen Zeitepochen und/oder chinesischen Dialekten übernommen, sodass einige Schriftzeichen auch zwei, ganz selten drei haben. Die in Japan entwickelten Kokuji haben meist gar keine On-Lesung. |
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Während im Chinesischen die Schriftzeichen in den meisten Fällen nur auf eine Art gelesen werden können, maximal auf zwei oder drei, ist die Sache im Japanischen etwas komplizierter. Es gibt zwei grundsätzliche Kategorien von Lesungen: die [[On-Lesung|sinojapanische Lesung]] (音読み ''on'yomi''), die aus dem Chinesischen übernommen wurde, und die [[Kun-Lesung|reinjapanische Lesung]] (訓読み ''kun'yomi''), bei der altjapanische Wörter chinesischen Schriftzeichen zugeordnet wurden. |
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Bei den japanischen Lesungen ist es noch unübersichtlicher. Eher selten gebrauchte Schriftzeichen haben meist keine Kun-Lesung, während häufig gebrauchte Zeichen drei, vier oder noch mehr aufweisen können. |
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Die meisten Schriftzeichen haben genau eine sinojapanische Lesung, allerdings wurden teilweise verschiedene Lesungen aus unterschiedlichen Zeit-Epochen oder chinesischen Dialekten übernommen, so dass einige Schriftzeichen auch zwei, ganz selten drei haben. Die in Japan entwickelten Kokuji haben meist gar keine On-Lesung. |
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Einer der Spitzenreiter ist das Schriftzeichen {{lang|ja|生}} mit der Bedeutung „Leben, Geburt“, das in NTCs Wörterbuch zwei On-Lesungen, 17 Kun-Lesungen und noch 4 Speziallesungen ([[Jukujikun]]) aufweist. |
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Bei den reinjapanischen Lesungen ist es noch unübersichtlicher. Eher selten gebrauchte Schriftzeichen haben meist keine Kun-Lesung, während häufig gebrauchte Zeichen drei, vier oder noch mehr aufweisen können. |
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In japanischen Kanji-Lexika und in Japanisch-Lehrbüchern wird die On-Lesung in der Regel in [[Katakana]] angegeben, die Kun-Lesung in [[Hiragana]]. Dies dient vor allem der Übersichtlichkeit. |
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Einer der Spitzenreiter ist das Schriftzeichen 生 mit der Bedeutung „Leben, Geburt“, das in NTCs Wörterbuch zwei On-Lesungen, 17 (!) Kun-Lesungen und noch 4 Speziallesungen ([[Jukujikun]]) aufweist. |
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=== Beispiel === |
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In japanischen Kanji-Lexika und in Japanisch-Lehrbüchern wird die On-Lesung in der Regel in Katakana angegeben, die Kun-Lesung in Hiragana. Dies dient vor allem der Übersichtlichkeit. |
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Das Schriftzeichen {{jaS|大}} mit der Bedeutung „groß“ hat die Kun-Lesung ''ō'' und zwei On-Lesungen, ''tai'' und ''dai''.<ref>[[Hary Gunarto]]: ''Building Dictionary as Basic Tool for Machine Translation in Natural Language Processing Applications'', Journal of Ritsumeikan Studies in Language and Culture, April 2004, 15/3, S. 177–185 [http://gunarto.org/kanji/kanji.php Kanji]</ref> |
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{| class="wikitable" |
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!Wort !! Romaji !! Lesung !! Bedeutung !! Bemerkung |
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|style="font-size:120%;"| {{lang|ja|大きい}} || '''ō'''kii || [[Kun-Lesung|Kun]] || groß || angehängte Hiragana-Zeichen ({{lang|ja|きい}}) sind ein Hinweis auf Kun-Lesung |
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|- |
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|style="font-size:120%;"| {{lang|ja|大げさ}} || '''ō'''gesa || Kun || übertrieben || angehängte Hiragana-Zeichen ({{lang|ja|げさ}}) sind ein Hinweis auf Kun-Lesung |
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|- |
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|style="font-size:120%;"| {{lang|ja|大口}} || '''ō'''kuchi || Kun || Prahlerei || Kanji-[[Komposition (Grammatik)|Kompositum]] – Schriftzeichen[[Komposition (Grammatik)|zusammensetzung]] – mit Kun-Lesungen |
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|- |
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|style="font-size:120%;"| {{lang|ja|大陸}} || '''tai'''riku || [[On-Lesung|On]] || Kontinent || Kanji-Kompositum mit On-Lesungen |
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|- |
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|style="font-size:120%;"| {{lang|ja|大気}} || '''tai'''ki || On || Atmosphäre || Kanji-Kompositum mit On-Lesungen |
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|- |
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|style="font-size:120%;"| {{lang|ja|大使}} || '''tai'''shi || On || Botschafter || Kanji-Kompositum mit On-Lesungen |
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|- |
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|style="font-size:120%;"| {{lang|ja|大学}} || '''dai'''gaku || On || Universität, Hochschule || Kanji-Kompositum mit On-Lesungen |
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|- style="white-space:nowrap" |
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|style="font-size:120%;"| {{lang|ja|大丈夫}} || '''dai'''jōbu || On || alles in Ordnung || Kanji-Kompositum mit On-Lesungen |
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|- style="white-space:nowrap" |
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|style="font-size:120%;"| {{lang|ja|大好き}} || '''dai'''suki || On ({{lang|ja|大}}), Kun ({{lang|ja|好}})||etw. sehr mögen|| Mischung aus On- und Kun-Lesungen ([[Jūbako-yomi]]) |
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|style="font-size:120%;"| {{lang|ja|大人}} || '''''o'''tona'' || [[Jukujikun]] || Erwachsener || Sonderlesung (unabhängig von Kun- und On-Lesungen der Einzelzeichen) |
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=== Sinojapanische Lesung === |
=== Sinojapanische Lesung === |
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{{Hauptartikel|On-Lesung}} |
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Die sinojapanische Lesung oder On-Lesung entspricht der chinesischen Lesung, wobei sie sich im Laufe der Zeit an die japanische Phonetik angepasst hat. Dazu kommt, dass Lesungen in mehreren Epochen nach Japan übernommen worden sind, sodass man heute mehrere unterschiedliche On-Lesungen unterscheiden kann: |
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* Die Go-on ({{lang|ja|呉音}}), benannt nach der historischen südostchinesischen [[Wu-Dynastie]], 3. Jh. |
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Die sinojapanische Lesung oder On-Lesung entspricht der chinesischen Lesung, wobei sie sich im Laufe der Zeit an die japanische Phonetik angepasst hat. Dazu kommt, dass Lesungen in mehreren Epochen nach Japan übernommen worden sind, so dass man heute mehrere unterschiedliche On-Lesungen unterscheiden kann: |
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* Die Kan-on ({{lang|ja|漢音}}), zwar benannt nach der [[Han-Dynastie]], 3. Jh. v. Chr. bis 3. Jh., von der Aussprache aber eher entsprechend der Zeit der [[Tang-Dynastie]], 7. bis 9. Jh., abgeleitet vom Dialekt der Hauptstadt [[Chang’an]]. |
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* Die Tō-on ({{lang|ja|唐音}}), vom Namen her nach der [[Tang-Dynastie]], von der Aussprache aber eher der [[Song-Dynastie]], 10. bis 13. Jh., und der [[Ming-Dynastie]], 14. bis 17. Jh., entsprechend, ein Sammelbegriff für alle neuen Lesungen von der japanischen [[Heian-Zeit]] bis zur [[Edo-Zeit]]. |
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* Die Kan’yō-on ({{lang|ja|慣用音|de=gewohnte Lesung}}), „falsche“ Lesungen, die sich als Standard durchgesetzt haben. |
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(Zur '''sprachhistorischen Bedeutung''' dieser Ausdrücke: Siehe [[On-Lesung]].) |
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*Die '''Go-on''' (呉音), benannt nach der historischen südostchinesischen [[Wu-Dynastie]], 5. bis 6. Jh. |
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*Die '''Kan-on''' (漢音), zwar benannt nach der [[Han-Dynastie]], von der Aussprache aber eher entsprechend der Zeit der [[Tang-Dynastie]], 7. bis 9. Jh., abgeleitet vom Dialekt der Hauptstadt [[Chang'an]]. |
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*Die '''Tō-on''' (唐音), vom Namen her nach der [[Tang-Dynastie]], von der Aussprache aber eher der [[Song-Dynastie]] und der [[Ming-Dynastie]] entsprechend, ein Sammelbegriff für alle neuen Lesungen von der japanischen [[Heian-Zeit]] bis zur [[Edo-Zeit]]. |
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*Die '''Kan'yō-on''' (慣用音), „falsche“ Lesungen, die sich als Standard durchgesetzt haben. |
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Da sich mit den Jahrhunderten nicht nur die Lesungen, sondern auch die Bedeutung und Verwendung einzelner Zeichen verändert haben, entsprechen unterschiedliche On-Lesungen |
Da sich mit den Jahrhunderten nicht nur die Lesungen, sondern auch die Bedeutung und Verwendung einzelner Zeichen verändert haben, entsprechen unterschiedliche On-Lesungen oft unterschiedlichen Bedeutungen. |
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{| class="wikitable" |
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{| border="2" cellspacing="0" cellpadding="4" rules="all" class="hintergrundfarbe1 rahmenfarbe1" style="margin:1em 1em 1em 0; border-style:solid; border-width:1px; border-collapse:collapse; empty-cells:show" |
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|+Beispiele |
|+ Beispiele |
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! Kanji |
! Kanji |
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! Bedeutung |
! Bedeutung |
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! Kan'yō-on |
! Kan'yō-on |
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|- |
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! style="font-size:120%;"| {{lang|ja|明}} |
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! <big>明</big> |
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| hell |
| hell |
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| ''myō'' |
| ''myō'' |
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| * |
| * |
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|- |
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! style="font-size:120%;"| {{lang|ja|行}} |
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! <big>行</big> |
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| gehen |
| gehen |
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| ''gyō'' |
| ''gyō'' |
||
Zeile 156: | Zeile 229: | ||
| * |
| * |
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|- |
|- |
||
! style="font-size:120%;"| {{lang|ja|極}} |
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! <big>極</big> |
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| extrem |
| extrem |
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| ''goku'' |
| ''goku'' |
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Zeile 163: | Zeile 236: | ||
| * |
| * |
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|- |
|- |
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! style="font-size:120%;"| {{lang|ja|珠}} |
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! <big>珠</big> |
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| Perle |
| Perle |
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| * |
| * |
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| ''shu'' |
| ''shu'' |
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| * |
| * |
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| ''ju'', ''zu'' |
| ''ju'', ''zu'' |
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|- |
|- |
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! style="font-size:120%;"| {{lang|ja|度}} |
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! <big>度</big> |
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| Grad |
| Grad |
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| ''do'' |
| ''do'' |
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|} |
|} |
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Die gebräuchlichste Lesung ist die Kan-on. |
Die gebräuchlichste Lesung ist die Kan-on. Tō-on findet sich in Wörtern wie {{lang|ja|椅子|isu}}, „Stuhl“ und {{lang|ja|布団}} ''[[futon]]''. Die Go-on tritt vor allem bei buddhistischen Begriffen wie {{lang|ja|極楽|gokuraku}} „Paradies“ auf. |
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Aus zwei Gründen ist die On-Lesung den heutigen [[ |
Aus zwei Gründen ist die On-Lesung den heutigen [[Südchinesische Dialekte|südchinesischen Dialekten]] ähnlicher als den [[Mandarin (Sprache)#Hauptdialekte|nordchinesischen]], die als Basis für die moderne [[hochchinesisch]]e Sprache gedient haben. Chinesische Seefahrer und Händler, die die Sprache verbreiteten, stammten vor allem aus den [[Südchina|südlichen Provinzen]]. Zum anderen sind die südchinesischen Dialekte näher an der klassischen Chinesischen Aussprache, die die Basis für die Onyomi bilden, während die nordchinesischen in den letzten Jahrhunderten eine starke [[Lautverschiebung]] erlebten. |
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Die On-Lesung ist typischerweise eine einsilbige Lesung, da jedes Zeichen einer chinesischen Silbe entspricht. Im Japanischen besteht eine Silbe aus einem Konsonant und einem folgenden Vokal oder nur aus einem Vokal. Das [[Klassisches Chinesisch|klassische Chinesisch]] des 6. bis 10. |
Die On-Lesung ist typischerweise eine einsilbige Lesung, da jedes Zeichen einer chinesischen Silbe entspricht. Im Japanischen besteht eine Silbe aus einem [[Konsonant]]en und einem folgenden [[Vokal]] oder nur aus einem Vokal. Das [[Klassisches Chinesisch|klassische Chinesisch]] des 6. bis 10. Jahrhunderts ([[Mittelchinesisch]]) kannte jedoch mehrere Endlaute für Silben: neben dem noch heute erhaltenen [[Nasal (Phonetik)|Nasal]] auch eine Reihe von [[Plosiv]]en, die im modernen Chinesisch verloren gegangen sind. In der On-Lesung zahlreicher Kanji haben sie sich jedoch als eine der Silben ''ku'', ''ki'', ''tsu'' oder ''chi'' erhalten. Der [[Nasal (Phonetik)|Nasallaut]] ist entweder als ''n'' erhalten geblieben oder hat sich zu einem verlängerten Vokal, meist ''ei'' oder ''ou'' abgeschliffen. |
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Die [[Palatalisierung]] der Konsonanten in Silben wie ''gya'', ''nyu'' oder ''cho'' hat sich auch erst durch die Abschleifung von sinojapanischen Wörtern entwickelt, bei „reinjapanischen“ Wörtern kommt sie nicht vor. |
Die [[Palatalisierung]] der Konsonanten in Silben wie ''gya'', ''nyu'' oder ''cho'' hat sich auch erst durch die Abschleifung von sinojapanischen Wörtern entwickelt, bei „reinjapanischen“ Wörtern kommt sie nicht vor. |
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Die Onyomi wird vor allem bei [[Komposition (Grammatik)|Komposita]] aus mindestens zwei Schriftzeichen verwendet, in den meisten Fällen Nomen |
Die Onyomi wird vor allem bei [[Komposition (Grammatik)|Komposita]] aus mindestens zwei Schriftzeichen verwendet, in den meisten Fällen Nomen, [[Japanische Grammatik#Suru-Verben|Suru-Verben]] und [[Japanische Grammatik#Na-Adjektive|Na-Adjektive]]. Einzeln stehende Kanji werden üblicherweise in der Kun-Lesung ausgesprochen, aber auch hier gibt es einige Ausnahmen, vor allem, wenn keine Kun-Lesung existiert. |
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Ein Problem bei der On-Lesung ist die Vielzahl der [[Homophon]]e. Es gibt beispielsweise über 80 Schriftzeichen, die alle ''shō'' gelesen werden können. Bei Kombinationen von häufig vorkommenden Silben wie ''sōshō'' gibt es meist ein halbes Dutzend Wörter, die so gelesen werden, im Fall von ''sōshō'' sind das unter anderem 宗匠 „Meister“, 相称 „Symmetrie“, 創傷 „Wunde“ und 総称 „generell“. |
Ein Problem bei der On-Lesung ist die Vielzahl der [[Homophon]]e. Es gibt beispielsweise über 80 Schriftzeichen, die alle ''shō'' gelesen werden können. Bei Kombinationen von häufig vorkommenden Silben wie ''sōshō'' gibt es meist ein halbes Dutzend Wörter, die so gelesen werden, im Fall von ''sōshō'' sind das unter anderem {{lang|ja|宗匠}} „Meister“, {{lang|ja|相称}} „Symmetrie“, {{lang|ja|創傷}} „Wunde“ und {{lang|ja|総称}} „generell“. |
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Eine Sonderform der On-Lesung sind die sogenannten [[Ateji]], Schriftzeichen, die rein phonetisch verwendet werden, um ein bestimmtes Wort zu schreiben. Meist handelt es sich um alte nicht-chinesische Fremdwörter, die vor dem 19. Jahrhundert ins Japanische übernommen wurden. Ein Beispiel ist die heute nur noch selten verwendete Kanji-Schreibung von [[Tempura]] (天麩羅). |
Eine Sonderform der On-Lesung sind die sogenannten [[Ateji]], Schriftzeichen, die rein phonetisch verwendet werden, um ein bestimmtes Wort zu schreiben. Meist handelt es sich um alte nicht-chinesische Fremdwörter, die vor dem 19. Jahrhundert ins Japanische übernommen wurden. Ein Beispiel ist die heute nur noch selten verwendete Kanji-Schreibung von [[Tempura]] ({{lang|ja|天麩羅}}). |
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Ähnlich den lateinischen und griechischen Lehnwörtern im Deutschen werden die sinojapanischen Komposita vor allem für Fachbegriffe und „gehobenes Vokabular“ verwendet. Einige Komposita gehen auf bereits vorhandene chinesische Wörter zurück, andere sind japanische Kreationen. Tatsächlich ist bei einer Reihe |
Ähnlich den lateinischen und griechischen Lehnwörtern im Deutschen werden die sinojapanischen Komposita vor allem für Fachbegriffe und „gehobenes Vokabular“ verwendet. Einige Komposita gehen auf bereits vorhandene chinesische Wörter zurück, andere sind japanische Kreationen. Tatsächlich ist bei einer Reihe moderner Komposita wie „[[Philosophie]]“ ({{lang|ja|哲学|tetsugaku}}) umstritten, ob diese zuerst in China geschaffen und dann in Japan übernommen wurden oder umgekehrt. |
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In Japan geschaffene Schriftzeichen haben in der Regel keine On-Lesung, zum Beispiel das Zeichen 込, das nur für das Verb 込む |
In Japan geschaffene Schriftzeichen haben in der Regel keine On-Lesung, zum Beispiel das Zeichen {{lang|ja|込}}, das nur für das Verb {{lang|ja|込む|komu}} „sich drängen; hereinkommen“ verwendet wird. In anderen Fällen hat man ähnlich den chinesischen phonetischen Ideogrammen eine On-Lesung auf das neue Zeichen übertragen, wie beim Schriftzeichen {{lang|ja|働}} „arbeiten“ mit Kun’yomi ''hataraku'' und On’yomi ''dō'', und {{lang|ja|腺}} „Drüse“, das nicht nur die übertragene Bedeutung vom Schriftzeichen {{lang|ja|泉|sen}}, „Quelle“ übernommen hat, sondern auch die Lesung. |
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=== Japanische Lesung === |
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{{Hauptartikel|Kun-Lesung}} |
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Die |
Die japanische oder Kun-Lesung wird bei japanischen Wörtern verwendet, die chinesischen Schriftzeichen der Bedeutung nach zugewiesen wurden. Ein Beispiel ist das Schriftzeichen {{lang|ja|東}} „Osten“, dessen aus dem chinesischen übernommene On-Lesung ''tō'' lautet. Im Altjapanischen existierten bereits zwei Wörter mit der Bedeutung Osten, ''higashi'' und ''azuma'', diese wurden nun zur Kun-Lesung des Zeichens. Manche Zeichen wie {{lang|ja|版|han}} „Druckplatte“ werden immer sinojapanisch gelesen und haben keine Kun-Lesung. Andere wie das bereits erwähnte {{lang|ja|生}} haben dagegen über 20, darunter Verben wie {{lang|ja|生きる|ikiru}}, „leben“ und {{lang|ja|生む|umu}} „Kinder haben“ und Adjektive wie ''nama'' „roh, unverarbeitet“. |
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Die meisten Verben sind |
Die meisten Verben sind Kun’yomi-Lesungen, wobei das Kanji für den Wortstamm steht und die Konjugationsendung durch angehängte [[Hiragana]] ([[Okurigana]]) gebildet wird. Oft gibt es aber gleich mehrere Verben, die mit einem Schriftzeichen geschrieben werden, in diesem Fall schreibt man mehr Silben in Hiragana aus, um die Verben zu unterscheiden. Im Fall von {{lang|ja|生}} wären die Verben {{lang|ja|生きる|ikiru}}, „leben“ und {{lang|ja|生ける|ikeru}}, „am Leben halten“ nicht zu unterschieden, wenn nur das Schriftzeichen selbst mit der Endung -ru ({{lang|ja|生る}}) stehen würde. |
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Die |
Die Kun’yomi besteht, der [[Japanische Sprache#Phonologie|japanischen Phonetik]] entsprechend, aus Silben, die aus Konsonant + Vokal oder nur aus einem Vokal bestehen. Die meisten dieser Lesungen sind zwei oder drei Silben lang. |
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Richtlinien für die Zuordnung zwischen Schriftzeichen und Kun-Lesung |
Richtlinien für die Zuordnung zwischen Schriftzeichen und Kun-Lesung wurden erst mit der Schriftreform aus dem Jahr 1900 festgeschrieben. Bis dahin konnte nach persönlichen Vorlieben entschieden werden, mit welchem Schriftzeichen welches Wort geschrieben wird. Auch im modernen Japanisch stehen für viele Wörter mehrere Schriftzeichen zur Auswahl. In vielen Fällen sind die Bedeutungen gleich oder unterscheiden sich nur in Nuancen. So kann das Verb ''arawareru'' als {{lang|ja|現れる}} und als {{lang|ja|表れる}} geschrieben werden. In beiden Fällen bedeutet es „auftauchen, zum Vorschein kommen“. Ersteres Zeichen wird eher verwendet, wenn sich das Verb auf Personen, Dinge oder Ereignisse bezieht, zweiteres für Gefühle. Teilweise sind die Unterschiede so subtil, dass Wörterbücher sie gar nicht auflisten. |
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Bei anderen Wörtern ist der Unterschied deutlicher. Beispielsweise bedeutet ''naosu'' in der Schreibung 治す |
Bei anderen Wörtern ist der Unterschied deutlicher. Beispielsweise bedeutet ''naosu'' in der Schreibung {{lang|ja|治す}} „heilen“, als {{lang|ja|直す}} bedeutet es „reparieren“. |
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Üblicherweise wird die Kun-Lesung verwendet, wenn ein Schriftzeichen allein steht, die sogenannte ''seikun'' (正訓). Daneben gibt es noch die sogenannte [[Jukujikun]] |
Üblicherweise wird die Kun-Lesung verwendet, wenn ein Schriftzeichen allein steht, die sogenannte ''seikun'' ({{lang|ja|正訓}}). Daneben gibt es noch die sogenannte [[Jukujikun]] Lesungen, bei der zwei oder mehr Zeichen zusammen ein Wort bilden und nur in dieser Kombination auf eine bestimmte Art gelesen werden. |
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=== Nanori === |
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Der Ursprung der Kun-Lesungen ist unbekannt oder zumindest umstritten. Einzelne Hypothesen postulieren Ähnlichkeiten zu so unterschiedlichen Quellen wie [[austronesische Sprachen|austronesischen Sprachen]], [[dravidische Sprachen|dravidischen Sprachen]] und [[mandschu-tungusische Sprachen|mandschu-tungusischen Sprachen]]. Die glaubwürdigste Hypothese ist, dass ein Großteil der Wörter mit der [[Yayoi-Zeit|Yayoi-Bevölkerung]] nach Japan kam und Verwandtschaft zur Sprache von [[Goryeo]], einem alten koreanischen Reich aufweist. Die Forschung zu dieser Frage ist aber noch nicht abgeschlossen. |
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Einige Kanji haben Lesungen, die nur in Personen- oder Ortsnamen vorkommen, die sogenannten ''[[nanori]]''. Diese Lesungen können unterschiedlichen Ursprungs sein. In Ortsnamen halten sich oft alte Wörter oder Lesungen, die in der modernen Sprache nicht mehr verwendet werden. Ein Beispiel ist die Lesung ''nii'' für das Zeichen {{lang|ja|新}} „neu“ in den Namen [[Niigata]] ({{lang|ja|新潟}}) und [[Niijima]] ({{lang|ja|新島}}). In [[Okinawa]] stammen viele Ortsnamen aus den [[Ryūkyū-Sprachen]], in Nordjapan aus der [[Ainu (Sprache)|Ainu-Sprache]]. |
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Bei einigen der bekannteren Ortsnamen werden die Schriftzeichen sinojapanisch gelesen, darunter [[Tokio|Tōkyō]] ({{lang|ja|東京}}), [[Kyōto]] ({{lang|ja|京都}}), [[Beppu]] ({{lang|ja|別府}}), der [[Fujisan]] ({{lang|ja|富士山}}) und [[Japan]] selbst ({{lang|ja|日本|Nihon}}). Solche Ortsnamen sind aber meist neueren Datums, traditionell tragen Städte und Gemeinden reinjapanische Namen, wie [[Ōsaka]] ({{lang|ja|大阪}}), [[Aomori]] ({{lang|ja|青森}}) und [[Hakone (Kanagawa)|Hakone]] ({{lang|ja|箱根}}). |
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===Nanori=== |
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[[Japanischer Name#Aufbau|Familiennamen]] wie Yamada ({{lang|ja|山田}}), Tanaka ({{lang|ja|田中}}) und Suzuki ({{lang|ja|鈴木}}) stehen ebenfalls in der Kun-Lesung, mit wenigen Ausnahmen in On-Lesung wie Satō ({{lang|ja|佐藤}}). Bei Vornamen sind die Lesungen gemischt, manche werden reinjapanisch, manche in On-Lesung, manche von allem abweichend gelesen. Manche japanische Vornamen werden auch nur in Katakana oder Hiragana geschrieben. Kanji, die gern bei Namen verwendet werden, haben oft fünf oder sechs verschiedene Lesungen, die auch ausschließlich bei Namen verwendet werden. Beliebte Vornamen, besonders bei Jungen, können bis zu zwei Dutzend verschiedene Schreibungen haben. Aus diesem Grund müssen Japaner auf japanischen Formularen immer Schreibung ''und'' Lesung ihres Namens angeben. |
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Einige Kanji haben Lesungen, die nur in Personen- oder Ortsnamen vorkommen, die sogenannten ''[[nanori]]''. Diese Lesungen können unterschiedlichen Ursprungs sein. In Ortsnamen halten sich oft alte Wörter oder Lesungen, die in der modernen Sprache nicht mehr verwendet werden. Ein Beispiel ist die Lesung ''nii'' für das Zeichen 新 „neu“ in den Namen [[Niigata]] (新潟) und [[Niijima]] (新島). In [[Okinawa]] stammen viele Ortsnamen aus den [[Ryūkyū-Sprachen]], in Nordjapan aus der [[Ainu (Sprache)|Ainu-Sprache]]. |
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: ''siehe:'' [[Japanischer Name]] |
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Bei einigen der bekannteren Ortsnamen werden die Schriftzeichen sinojapanisch gelesen, darunter [[Tōkyō]] (東京), [[Kyōto]] (京都), [[Beppu]] (別府), der [[Fujisan]] (富士山) und [[Japan]] selbst (日本 Nihon). Solche Ortsnamen sind aber meist neueren Datums, traditionell tragen Städte und Gemeinden reinjapanische Namen, wie [[Ōsaka]] (大阪), Aomori (青森) und Hakone (箱根). |
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=== Gikun === |
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Familiennamen wie [[Yamada]] (山田), Tanaka (田中) und Suzuki (鈴木) stehen ebenfalls in der Kun-Lesung, mit wenigen Ausnahmen in On-Lesung wie [[Satō]] (佐藤). Bei Vornamen herrscht dagegen üppiger Wildwuchs, manche werden reinjapanisch, manche in On-Lesung, manche von allem abweichend gelesen. Manche japanischen Vornamen werden auch nur in Katakana oder Hiragana geschrieben. Kanji, die gern bei Namen verwendet werden, haben oft fünf oder sechs verschiedene Lesungen, die auch ausschließlich bei Namen verwendet werden. Beliebte Vornamen, besonders bei Jungen, können bis zu zwei Dutzend verschiedene Schreibungen haben. Das ist der Grund, warum Japaner auf japanischen Formularen immer Schreibung ''und'' Lesung (in Silbenschrift) ihres Namens mit angeben müssen. |
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''Gikun'' ({{lang|ja|義訓}}) werden Lesungen genannt, die nicht der Standard On- oder Kun-Lesung entsprechen. Die meisten Gikun sind [[Jukujikun]] ({{lang|ja|熟字訓}}), Kun-Lesungen, bei denen ein japanisches Wort mit zwei Schriftzeichen geschrieben wird, weil das chinesische Wort mit der gleichen Bedeutung ebenfalls eine Zeichenkombination ist. Gikun kommen außerdem bei Sprichwörtern und Redewendungen vor. Einige Gikun sind auch Familiennamen. |
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=== Ateji === |
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:''siehe'': [[Japanischer Name]] |
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Eine weitere Kategorie sind Kanji, die rein phonetisch verwendet werden, um bestimmte Fremdwörter zu schreiben, die sogenannten ''[[Ateji]]''. Im modernen Japanisch übernehmen diese Funktion die ''[[Katakana]]''. |
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=== Verwendung der Lesungen === |
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===Gikun=== |
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Schriftzeichen, die allein stehen, werden in der Regel in Kun-Lesung gelesen, Wörter in [[Komposition (Grammatik)|Komposita]] ({{lang|ja|熟語|jukugo}}), also aus mehreren Kanji, dagegen in On-Lesung. Die beiden Schriftzeichen für Osten ({{lang|ja|東}}) und Norden ({{lang|ja|北}}) werden nach dieser Regel, wenn sie ein eigenständiges Wort bilden, japanisch als ''higashi'' bzw. ''kita'' gelesen, im Kompositum Nordosten ({{lang|ja|東北}}) ist die Lesung jedoch sinojapanisch ''tōhoku''. |
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Diese Regel lässt sich mit einiger Sicherheit auf viele Wörter anwenden, beispielsweise {{lang|ja|情報|jōhō}} „Information“, {{lang|ja|学校|gakkō}} „Schule“, und {{lang|ja|新幹線|[[Shinkansen]]}}. |
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''Gikun'' (義訓) werden Lesungen genannt, die nicht der Standard On- oder Kun-Lesung entsprechen. Die meisten Gikun sind [[Jukujikun]], Kun-Lesungen, bei denen ein japanisches Wort mit zwei Schriftzeichen geschrieben wird, weil das chinesische Wort mit der gleichen Bedeutung ebenfalls eine Zeichenkombination ist. Gikun kommen außerdem bei Sprichwörtern und Redewendungen vor. Einige Gikun sind auch Familiennamen. |
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Einige Wörter werden mit Schriftzeichen geschrieben, die in ''on’yomi'' gelesen werden, obwohl sie alleine stehen: {{lang|ja|愛|ai}} „Liebe“, {{lang|ja|禅|[[Zen]]}}, {{lang|ja|点|ten}} „Punkt“. Bei einigen Schriftzeichen ist sowohl die On- als auch die Kun-Lesung möglich, wenn sie allein stehen, beispielsweise bei {{lang|ja|間}} „Zwischenraum“, das alleinstehend ''kan'' oder ''ken'' (On-Lesung), ''aida'', ''ma'' oder ''ai'' (Kun-Lesung) gelesen werden kann. Die Bedeutung ist in allen fünf Fällen mehr oder weniger gleich, es sind nur idiomatische Wendungen, in denen jeweils eine Lesung üblich ist. |
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===Ateji=== |
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Kanji, an denen in Hiragana geschriebene grammatische Endungen ''(Okurigana)'' „kleben“, werden in ''kun’yomi'' gelesen. Das betrifft vor allem konjugierbare Wörter (siehe [[japanische Grammatik]]), also Verben wie {{lang|ja|見る|miru}} „sehen“ und Adjektive wie {{lang|ja|新しい|atarashii}} „neu“. An Nomen hängen manchmal Okurigana, wie bei {{lang|ja|情け|nasake}} „Sympathie“, aber nicht immer, zum Beispiel bei {{lang|ja|月|tsuki}} „Mond“. |
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Eine weitere Kategorie sind Kanji, die rein phonetisch verwendet werden, um bestimmte Fremdwörter zu schreiben, die sogenannten ''[[Ateji]]''. Im modernen Japanisch übernehmen diese Funktion die Katakana. |
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Okurigana sind manchmal schwer von Partikeln und anderen in Hiragana geschriebenen Wörtern zu unterscheiden. Die üblichsten Partikeln ({{lang|ja|で}}, {{lang|ja|に}}, {{lang|ja|を}}, {{lang|ja|は}}) treten allerdings selten oder nie als Okurigana auf. In einigen Fällen hilft es jedoch nur, das Wort zu kennen, so wird {{lang|ja|確か|tashika}} „sicherlich“ durch ein {{lang|ja|か|ka}} markiert, das auch als Partikel vorkommt, z. B. als Fragepartikel. |
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===Wann welche Lesung verwendet wird=== |
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Umgekehrt gibt es Komposita, die nicht sinojapanisch gelesen, vor allem aus der Kultur, aus dem Bereich der [[Japanische Küche|japanischen Küche]] und aus dem [[Shintō]]. Um anzuzeigen, dass diese Komposita japanisch gelesen werden sollen, werden häufig ebenfalls Okurigana angehängt. Beispiele sind das Gericht {{lang|ja|唐揚げ|[[Karaage]]}} (auch {{lang|ja|空揚げ}} geschrieben) oder die Faltkunst {{lang|ja|折り紙|[[Origami]]}}. Die Okurigana sind jedoch nicht zwingend, bei häufig verwendeten Begriffen wird vorausgesetzt, dass der Leser weiß, worum es sich handelt, und die Zeichen werden eingespart. Man findet daher für die beiden Beispiele auch {{lang|ja|唐揚|karaage}} (bzw. {{lang|ja|空揚}}) und {{lang|ja|折紙|origami}} in Texten. Weitere Beispiele sind {{lang|ja|手紙|tegami}} „Brief“, {{lang|ja|日傘|higasa}} „Sonnenschirm“ und {{lang|ja|神風|[[Kamikaze]]}} (On-Lesung: [[Shimpū Tokkōtai|Shinpū]]). |
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Die allgemeine Regel lautet, dass wenn ein Schriftzeichen allein steht, es in Kun-Lesung gelesen wird. Wenn es in einem Kompositum (熟語 ''jukugo'') steht, also als ein Begriff in mehreren Kanji, wird es dagegen in On-Lesung gelesen. Die beiden Schriftzeichen für Osten (東) und Norden (北) werden nach dieser Regel, wenn sie ein eigenständiges Wort bilden, reinjapanisch als ''higashi'' bzw. ''kita'' gelesen. Im Kompositum Nordosten (東北) ist die Lesung jedoch sinojapanisch als ''tōhoku''. |
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Darüber hinaus existieren auch einige seltene Komposita, bei denen japanische und sinojapanische Lesung gemischt sind. Dies wird entweder [[Jūbako-yomi]] (On-Kun) oder [[Yutō-yomi]] (Kun-On) genannt. Beide Begriffe sind nach Wörtern benannt, bei denen dieser Sonderfall auftritt. Das eine ist {{lang|ja|重箱|jūbako}}, die Bezeichnung für eine mehrteilige Holzschachtel, in der Essen serviert wurde, und {{lang|ja|湯桶|yutō}} „Wassereimer“. |
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Diese Regel läßt sich mit einiger Sicherheit auf viele Wörter anwenden, beispielsweise 情報 ''jōhō'' „Information“, 学校 ''gakkō'' „Schule“, und 新幹線 ''[[Shinkansen]]''. |
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Wie bei einzeln stehenden Zeichen gilt auch für Komposita, dass teilweise für die gleichen Zeichen mehrere Lesungen existieren. Wenn die Lesungen die gleiche Bedeutung haben, ist es oft nur eine Frage der persönlichen [[Präferenz|Vorliebe]]. Manchmal kommen historische Lesungen noch in Redewendungen vor. Bei anderen Wörtern haben unterschiedliche Lesungen auch unterschiedliche Bedeutungen, hier kommt es darauf an, das richtige der [[Homograph]]en aus dem Kontext zu erschließen. Ein Beispiel ist {{lang|ja|上手}}, eine Kombination aus {{lang|ja|上}} „oben“ und {{lang|ja|手}} „Hand“. Üblicherweise wird es ''jōzu'' gelesen und bedeutet „geschickt, etwas gut beherrschen“. Es kann jedoch auch ''uwate'' oder ''kamite'' gelesen werden und bedeutet dann „oberer Teil“. Zusätzlich ist es, mit angefügtem {{lang|ja|い}} ({{lang|ja|上手い}}), eine weniger gebräuchliche Schreibung des Wortes ''umai'' „geschickt“ (meist {{lang|ja|旨い}}). |
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Einigen Schriftzeichen wurde nie eine reinjapanische Lesung gegeben, statt dessen werden sie auch in der ''onyomi'' gelesen, wenn sie alleine stehen: 愛 ''ai'' „Liebe“, 禅 ''[[Zen]]'', 点 ''ten'' „Punkt“. Fies wird es bei Schriftzeichen wie [[:en:wikt:間]] „Zwischenraum“, das alleinstehend ''kan'' oder ''ken'' (On-Lesung), ''aida'', ''ma'' oder ''ai'' (Kun-Lesung) gelesen werden kann. Die Bedeutung ist in allen 5 Fällen mehr oder weniger gleich, es sind nur idiomatische Wendungen, in denen jeweils eine Lesung üblich ist. |
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=== Aussprachehilfen === |
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Kanji, an denen in Hiragana geschriebene grammatische Endungen (''Okurigana'') „kleben“, werden in ''kunyomi'' gelesen. Das betriff vor allem konjugierbare Wörter (siehe [[japanische Grammatik]]), also Verben wie 見る ''miru'' „sehen“ und Adjektive wie 新しい ''atarashii'' „neu“. An Nomen hängen manchmal Okurigana, wie bei 情け ''nasake'' „Sympathie“, aber nicht immer, zum Beispiel bei 月 ''tsuki'' „Mond“. |
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Wegen der großen Uneinheitlichkeit werden unregelmäßige und unübliche Lesungen durch kleine Hiragana (seltener Katakana) über oder neben den Schriftzeichen markiert. Diese werden [[Furigana]] genannt. Alternativ werden auch sogenannte ''[[kumimoji]]'' verwendet, die stattdessen in der Textzeile / -spalte hinter oder unter dem Schriftzeichen stehen. |
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Sie finden sich unter anderem: |
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Dabei braucht es ein bisschen Übung, Okurigana von Partikel und anderen, in Hiragana geschriebenen Wörtern zu unterscheiden. In den meisten Fällen ist das eindeutig, weil die üblichsten Partikel (て, に, を, は) selten oder nie als Okurigana auftauchen. Bei einigen Fällen hilft jedoch nur, wenn man das Wort kennt, so wird 確か ''tashika'' „sicherlich“ durch ein か ''ka'' markiert, das auch als Partikel vorkommt, z.B. in 何か ''nanika'' „irgendetwas“ und als Fragepartikel. |
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* in Kinderbüchern und Schulbüchern |
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* bei Namen von Orten, Personen, Tempeln, Gottheiten, Flüssen, Bergen… |
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* bei Sprachspielereien des Autors, vor allem in [[Manga]] |
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* bei Lehnworten, die in Kanji geschrieben, bei denen aber die Aussprache nicht On- oder Kun-Lesung entspricht (oft auf Speisekarten in China-Restaurants in Japan) |
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* seltene oder historische Kanji |
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* Fachbegriffe, vor allem aus dem Buddhismus |
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== Vor- und Nachteile == |
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Hier kommen wir schon zur ersten Ausnahme: Nicht jedes Kompositum wird auch sinojapanisch gelesen. Es gibt eine ganze Reihe reinjapanisch gelesener Begriffe, vor allem aus der Kultur, aus dem Bereich der [[Japanische Küche|japanischen Küche]], und aus dem [[Shintō]]. Um anzuzeigen, dass diese Komposita reinjapanisch gelesen werden sollen, werden ebenfalls Okurigana angehängt. Beispiele sind 空揚げ (auch: 唐揚げ) ''[[karaage]]'' (ein Gericht) und 折り紙 ''[[Origami]]''. Die Okurigana sind jedoch nicht zwingend, bei häufig verwendeten Begriffen wird vorausgesetzt, dass der Leser weiß, worum es sich handelt, und die Zeichen werden eingespart. Man findet daher für die beiden Beispiele auch 空揚 und 折紙 in Texten. Weitere Beispiele sind 手紙 ''tegami'' „Brief“, 日傘 ''higasa'' „Sonnenschirm“ und 神風 ''[[Kamikaze]]''. |
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Und da es bei Sprachen zu jeder Regel und Ausnahme im tatsächlichen Sprachgebrauch noch Obskuritäten gibt, existieren es auch einige seltene Komposita, bei denen reinjapanische und sinojapanische Lesung gemisch ist. Dies wird entweder [[Jūbako-yomi]] (On-Kun) oder [[Yutō-yomi]] (Kun-On) genannt. Beide Begriffe sind nach Wörtern benannt, bei denen dieser Sonderfall auftritt. Das eine ist 重箱 ''jūbako'', die Bezeichnung für eine mehrteilige Holzschachtel, in der Essen serviert wurde, und 湯桶 ''yutō'' „Wassereimer“. |
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Wie bei einzeln stehenden Zeichen gilt auch für Komposita, dass teilweise für die gleichen Zeichen mehrere Lesungen existieren. Wenn die Lesungen die gleiche Bedeutung haben, ist es oft nur eine Frage der persönlichen Präferenz. Manchmal kommen historische Lesungen noch in Redewendungen vor. Bei anderen Wörtern haben unterschiedliche Lesungen auch unterschiedliche Bedeutungen, hier kommt es darauf an, das richtige der [[Homograph]]en aus dem Kontext zu erschließen. Ein Beispiel ist 上手, eine Kombination aus 上 „oben“ und 手 „Hand“. Üblicherweise wird es ''jōzu'' gelesen und bedeutet „geschickt, etwas gut beherrschen“. Es kann jedoch auch ''uwate'' oder ''kamite'' gelesen werden und bedeutet dann „oberer Teil“. Zusätzlich ist es, mit angefügtem い (上手い) eine weniger gebräuchliche Schreibung des Wortes ''umai'' „geschickt“ (meist 旨い). |
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===Aussprachehilfen=== |
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Wegen der vielen Uneinheitlichkeiten (um das Wort Chaos zu vermeiden), werden unregelmäßige und unübliche Lesungen durch kleine Hiragana (seltener Katakana) über oder neben den Schriftzeichen markiert. Diese werden [[Furigana]] genannt. Alternativ werden auch sogenannte ''[[kumimoji]]'' verwendet, die statt dessen in der Textzeile / -spalte hinter / unter dem Schriftzeichen stehen. |
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Sie finden sich unter unter anderem: |
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*in Kinderbüchern und Schulbüchern |
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*bei Namen von Orten, Personen, Tempeln, Gottheiten, Flüssen, Bergen... |
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*bei Sprachspielereien des Autors, vor allem in Manga |
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*bei Lehnworten, die in Kanji geschrieben, bei denen aber die Aussprache nicht On- oder Kun-Lesung entspricht (oft auf Menüs in China-Restaurants in Japan) |
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*seltene oder historische Kanji |
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*Fachbegriffe, vor allem aus dem Buddhismus |
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==Vorteile== |
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Japanische Texte für Erwachsene lassen sich bei Bedarf mit hoher Geschwindigkeit „querlesen“. Da der wesentliche Inhalt mit Kanji geschrieben wird und auch komplexe Begriffe mit nur wenigen Kanji dargestellt werden können, kann man durch Springen von Kanji zu Kanji unter Nichtbeachtung der anderen Zeichensysteme den Sinn eines Textes rasch erfassen. Andererseits kann man am Gesamtanteil und dem Schwierigkeitsgrad der Kanji eines Textes erkennen, für welche Alters- bzw. Bildungsgruppe er vorzugsweise geschrieben wurde. |
Japanische Texte für Erwachsene lassen sich bei Bedarf mit hoher Geschwindigkeit „querlesen“. Da der wesentliche Inhalt mit Kanji geschrieben wird und auch komplexe Begriffe mit nur wenigen Kanji dargestellt werden können, kann man durch Springen von Kanji zu Kanji unter Nichtbeachtung der anderen Zeichensysteme den Sinn eines Textes rasch erfassen. Andererseits kann man am Gesamtanteil und dem Schwierigkeitsgrad der Kanji eines Textes erkennen, für welche Alters- bzw. Bildungsgruppe er vorzugsweise geschrieben wurde. |
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Der große Nachteil der Kanji ist der hohe Lernaufwand, sowohl für Japaner als auch für Ausländer, die die Sprache erlernen. So müssen japanische Kinder schon im Kindergarten die ersten Schriftzeichen (die Silbenschrift [[Hiragana]]) erlernen, und den vollen Umfang der im normalen Schriftverkehr verwendeten Zeichen beherrschen sie im Schnitt erst in der Oberschule. Für das Verständnis von Fachtexten ist das Erlernen zusätzlicher Zeichen Voraussetzung. |
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==Vereinfachungen und Reformen== |
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Am 16. November 1946 wurde vom japanischen Bildungsministerium eine Liste von 1850 Schriftzeichen, den [[Tōyō-Kanji]] herausgegeben, die seitdem zusammen mit den Kana die Basis des japanischen Schriftsystems bilden. Für jedes Schuljahr wurde für die Schriftzeichen ein fester Lehrplan erstellt. |
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== Vereinfachungen und Reformen == |
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In dieser Liste wurde auch eine ganze Reihe Schriftzeichen in ihrer Schreibung vereinfacht, um das Erlernen der Schrift zu erleichtern. Der Standard wurde in der „Tōyō-Kanji Schriftzeichen-Formenliste“ (当用漢字字体表 ''Tōyō Kanji Jitai Hyō'') fixiert. Die alte Schriftform wurde von diesem Moment an als „alte Schriftzeichen“ (旧字体 bzw. 舊字體 ''Kyūjitai'' bezeichnet. In den meisten Fällen entsprechen die ''Kyūjitai'' den chinesischen [[Langzeichen]]. Die neuen Formen wurden entsprechend als ''Shinjitai'' (新字体) bezeichnet. Von den Shinjitai abweichende Varianten sollten nicht mehr verwendet werden. Es handelt sich jedoch nur um Richtlinien, so dass viele Schriftzeichen weiterhin nach persönlichen Vorlieben in Gebrauch sind. |
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Am 16. November 1946 wurde vom japanischen Bildungsministerium eine Liste von 1850 Schriftzeichen, den [[Tōyō-Kanji]], herausgegeben, die seitdem zusammen mit den Kana die Basis des japanischen Schriftsystems bilden. Für jedes Schuljahr wurde für die Schriftzeichen ein fester Lehrplan erstellt. |
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In dieser Liste wurde auch eine ganze Reihe Schriftzeichen in ihrer Schreibung vereinfacht, um das Erlernen der Schrift zu erleichtern. Der Standard wurde in der „Tōyō-Kanji-Schriftzeichen-Formenliste“ ({{lang|ja|当用漢字字体表|Tōyō Kanji Jitai Hyō}}) fixiert. Die alte Schriftform wurde von diesem Moment an als „alte Schriftzeichen“ ({{lang|ja|旧字体}} bzw. {{lang|ja|舊字體}} ''[[Kyūjitai]]'') bezeichnet. In den meisten Fällen entsprechen die ''Kyūjitai'' den chinesischen [[Langzeichen]]. Die neuen Formen wurden entsprechend als ''[[Shinjitai]]'' ({{lang|ja|新字体}}) bezeichnet. Von den Shinjitai abweichende Varianten sollten nicht mehr verwendet werden. Es handelt sich jedoch nur um Richtlinien, sodass viele Schriftzeichen weiterhin nach persönlichen Vorlieben in Gebrauch sind. |
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Beispiele |
Beispiele |
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* 國 国 |
* {{lang|ja-Hant|國}} → {{lang|ja|国|kuni}} (Land, Provinz) |
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* 號 |
* {{lang|ja-Hant|號}} → {{lang|ja|号|gō}} (Nummer, Zeichen, Künstlername) |
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* 變 |
* {{lang|ja-Hant|變}} → {{lang|ja|変|hen}} (sonderbar, ulkig), ''ka(waru)'' (ändern) |
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Viele dieser Vereinfachungen waren bereits als handschriftliche Abkürzungen (略字 |
Viele dieser Vereinfachungen waren bereits als handschriftliche Abkürzungen ({{lang|ja|略字|ryakuji}}) in Gebrauch, die im Gegensatz zu den vollständigen Formen ({{lang|ja|正字|seiji}}) nur im informellen Kontext gebraucht wurden. Einige Zeichen wurden in Japan und der Volksrepublik China auf die gleiche Weise vereinfacht, ein Großteil jedoch nicht, wobei die chinesische Vereinfachung meist tiefgreifender ist als die japanische. Obwohl beide Reformen etwa zeitgleich durchgeführt wurden, hat man sich angesichts der damaligen politischen Lage nicht abgesprochen. |
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Die vereinfachten Formen |
Die vereinfachten Formen ''(Shinjitai)'' werden nur bei Schriftzeichen angewendet, die sich auf der Liste der [[Jōyō-Kanji]] finden, seltene Zeichen ''(Hyōgaiji)'' stehen dagegen immer noch in der traditionellen Form, selbst wenn sie Elemente enthalten, die in anderen Schriftzeichen vereinfacht wurden. Konsequent hat die Reform nur die Zeitung [[Asahi Shimbun]] durchgeführt, die die Vereinfachung auch auf diese sonstigen Zeichen anwendete. Die vereinfachten Zeichenformen jenseits der Jōyō-Kanji werden daher als [[Asahi-Zeichen]] bezeichnet. |
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==Gesamtzahl der Kanji== |
== Gesamtzahl der Kanji == |
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Die tatsächliche Anzahl der Kanji ist eine Auslegungssache. Das ''[[Daikanwa Jiten]]'' ist mit seinen rund 50.000 Schriftzeichen nahezu umfassend. Es gibt allerdings historische wie auch neuere chinesische Wörterbücher, die über 80.000 Schriftzeichen enthalten. Von vielen Schriftzeichen sind dabei seltene historische Varianten aufgeführt und einzeln gezählt. Für den Alltag ausreichende Schriftzeichenwörterbücher enthalten zwischen 4.400 (NTC's New Japanese-English Character Dictionary) und 13.000 (Super Daijirin) Schriftzeichen. |
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Die Liste der [[Jōyō-Kanji]], die in der Schule gelehrt werden, umfasst 2.136 Zeichen. In akademischen Fächern wie Jura, Medizin oder buddhistischer Theologie ist die Kenntnis von bis zu 1.000 weiteren Kanji notwendig, um die Fachbegriffe zu verstehen. Gebildete Japaner beherrschen nicht selten (zumindest passiv) über 5.000 Kanji, was vor allem zum Lesen von literarischen Texten notwendig ist. |
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Die tatsächliche Anzahl der Kanji ist eine Auslegungssache. Das ''[[Daikanwa Jiten]]'' ist mit seinen rund 50.000 Schriftzeichen nahezu umfassend. Es gibt allerdings neuere chinesische Wörterbücher, die über 80.000 Schriftzeichen enthalten. Von vielen Schriftzeichen sind dabei seltene historische Varianten aufgeführt und einzeln gezählt. Für den Alltag ausreichende Schriftzeichenwörterbücher enthalten zwischen 4400 (NTC's New Japanese-English Character Dictionary) und 13.000 (Super Daijirin) Schriftzeichen. |
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=== Kyōiku-Kanji === |
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Die [[Jōyō-Kanji]], die in der Schule gelehrt werden, umfassen 1.945 Zeichen. In akademischen Fächern wie Jura, Medizin oder buddhistischer Theologie ist die Kenntnis von bis zu 1.000 weiteren Kanji notwendig, um die Fachbegriffe zu verstehen. Gebildete Japaner beherrschen nicht selten (zumindest passiv) über 5.000 Kanji, was vor allem zum Lesen von literarischen Texten notwendig ist. |
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Die [[Kyōiku-Kanji]] ({{lang|ja|教育漢字|de=Bildungs-Kanji, Unterrichts-Kanji}}) umfassen die Schriftzeichen, die japanische Kinder in der Grundschule lernen. Die Zahl der Zeichen auf der Liste ist mit der Zeit langsam gewachsen, von ursprünglich 881 im Jahr 1946 bis zuletzt (seit 2020) 1026. Es gibt eine Liste, in der für jedes Schuljahr die zu lernenden Kanji aufgeführt sind, amtlich genannt als ''gakunen-betsu kanji haitōhyō'' ({{lang|ja|学年別漢字配当表|de=Zuteilungsliste der verschiedenen Kanji nach Schuljahr}}), oder umgangssprachlich kurz als ''gakushū kanji'' ({{lang|ja|学習漢字|de=Lern-Kanji}}). |
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=== Jōyō-Kanji === |
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Die [[Jōyō-Kanji]] ({{lang|ja|常用漢字}}, „Alltagsgebrauch-Kanji“) enthalten zusätzlich zu den Kyōiku-Kanji alle Zeichen, die in der Mittel- und Oberschule gelehrt werden, insgesamt 2.136 Kanji. In Texten, die sich nicht an ein Fachpublikum wenden, werden die meisten Schriftzeichen, die nicht zu den Jōyō-Kanji gehören, mit [[Furigana]]-Lesungen versehen. Die Jōyō-Kanji-Liste wurden 1981 eingeführt. Sie ersetzte die (1.850 Zeichen umfassenden) [[Tōyō-Kanji]] aus dem Jahr 1946 und bestand ursprünglich aus 1.945 Zeichen, bis im Jahr 2010 bei einer Aktualisierung der Liste 196 neue Kanji hinzugefügt und fünf entfernt wurden. |
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=== Jinmeiyō-Kanji === |
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Die [[Kyōiku-Kanji]] (教育漢字, „Lehrplan-Kanji“) umfassen die 1006 Schriftzeichen, die japanische Kinder in der Grundschule lernen. Bis 1981 betrug deren Zahl 881. Es gibt eine Liste, in der für jedes Schuljahr die zu lernenden Kanji aufgeführt sind, genannt ''gakunen-betsu kanji haitōhyō'' (学年別漢字配当表), oder kurz ''gakushū kanji''. |
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Die [[Jinmeiyō-Kanji]] ({{lang|ja|人名用漢字}}, „Namens-Kanji“) sind eine Liste von aktuell 863 Schriftzeichen, die zusätzlich zu den Jōyō-Kanji in japanischen Namen (Vornamen, Familiennamen, geographischen Namen) verwendet werden dürfen. Diese Liste wurde seit 1946 mehrfach verlängert. |
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== Kanji Kentei == |
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Dreimal jährlich führt die japanische Regierung den sogenannten [[Kanji-Kentei]]-Test ({{lang|ja|日本漢字能力検定試験|Nihon kanji nōryoku kentei shiken}}) durch, der die Fähigkeit der Kanji-Lesung und -schreibung überprüfen soll. Er umfasst insgesamt zwölf Stufen; auf der höchsten, für erfolgreiche Absolventen besonders prestigeträchtigen Stufe (Stufe 1) wird eine Kenntnis von ca. 6.000 Kanji vorausgesetzt. Beim Kanji Kentei im März 2015, den insgesamt 741.377 Teilnehmer ablegten, bestanden 85 Teilnehmer den Test der Stufe 1.<ref name="Felix Lill" /> |
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The [[Jōyō-Kanji]] (常用漢字) enthalten zusätzlich zu den [[Kyōiku-Kanji]] alle Zeichen, die in der Mittel- und Oberschule gelehrt werden, insgesamt damit 1.945 Kanji. In Texten, die sich nicht an ein Fachpublikum werden, werden die meisten Schriftzeichen, die nicht zu den Jōyō-Kanji gehören, mit Furigana-Lesungen versehen. Die Jōyō-Kanji-Liste wurde 1981 eingeführt und ersetzte die [[Tōyō-Kanji]], eine ähnliche Liste aus dem Jahr 1946, die allerdings nur 1850 Zeichen enthielt. |
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== Siehe auch == |
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===Jinmeiyō-Kanji=== |
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* [[Hanja]] (Sinokoreanisch) |
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* [[Vietnamesische Schrift#Chữ Nho und Hán Tự|Hán Tự]] (Sinovietnamesisch) |
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* [[Han-Vereinheitlichung]] |
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== Literatur == |
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Die Jinmeiyō-Kanji, (人名用漢字; „Namens-Kanji“) sind eine weiter auf 2.928 Schriftzeichen verlängerte Liste, die alle Schriftzeichen enthält, die legal in japanischen Namen (Vornamen, Familiennamen, geographischen Namen) verwendet werden dürfen. Diese Liste wurde seit 1946 mehrfach verlängert. |
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* {{Literatur |
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|Autor=[[John DeFrancis]] |
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|Titel=The Chinese Language. Fact and Fantasy |
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|Verlag=University of Hawaii Press |
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|Ort=Honolulu |
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|Datum=1990 |
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|Sprache=en |
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|ISBN=0-8248-1068-6}} |
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* {{Literatur |
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|Autor=[[William C. Hannas]] |
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|Titel=Asia’s Orthographic Dilemma |
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|Verlag=University of Hawaii Press |
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|Ort=Honolulu |
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|Datum=1997 |
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|Sprache=en |
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|ISBN=0-8248-1892-X<!-- ISBN 0-8248-1842-3 (Hardcover) --> |
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|Kommentar=Paperback}} |
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* {{Literatur |
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|Autor=[[James W. Heisig]], [[Robert Rauther]] |
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|Titel=Die Kanji lernen und behalten Bände 1 bis 3. Neue Folge |
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|Ort=Frankfurt am Main |
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|Datum=2013 |
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|Sprache=de |
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|ISBN=978-3-465-04191-7}} |
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* {{Literatur |
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|Autor=[[Stephen Kaiser]] |
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|Titel=Introduction to the Japanese Writing System |
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|Sammelwerk=Kodansha’s Compact Kanji Guide |
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|Verlag=Kondansha International |
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|Ort=Tokio |
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|Datum=1991 |
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|Sprache=en |
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|ISBN=4-7700-1553-4}} |
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* {{Literatur |
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|Autor=[[Joyce Yumi Mitamura]], [[Yasuko Kosaka Mitamura]] |
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|Titel=Let’s Learn Kanji |
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|Verlag=Kodansha International |
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|Ort=Tokio |
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|Datum=1997 |
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|Sprache=en |
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|ISBN=4-7700-2068-6}} |
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* {{Literatur |
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|Autor=[[Jürgen Stalph]] |
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|Titel=Grundlagen einer Grammatik der sinojapanischen Schrift |
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|Reihe=Veröffentlichungen des Ostasien-Instituts der Ruhr-Universität Bochum |
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|Verlag=Otto Harrassowitz |
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|Ort=Wiesbaden |
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|Datum=1989 |
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|Sprache=de |
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|ISBN=3-447-02944-7}} |
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* {{Literatur |
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|Autor=[[J. Marshall Unger]] |
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|Titel=Literacy and Script Reform in Occupation Japan. Reading Between the Lines |
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|Verlag=Oxford University Press |
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|Ort=New York u. a. |
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|Datum=1996 |
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|Sprache=en |
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|ISBN=0-19-510166-9}} |
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== Anmerkungen == |
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<references group="Anm." /> |
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== Weblinks == |
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Von der japanischen Regierung wird der [[Kanji-Kentei]]-Test (日本漢字能力検定試験 ''Nihon kanji nōryoku kentei shiken'') durchgeführt, der die Fähigkeit, Kanji zu lesen und zu schreiben misst. Insgesamt umfasst der Test 12 Stufen, auf der höchsten wird die Kenntnis von 6.000 Kanji vorausgesetzt. |
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{{Commons|Chinese characters|Chinesische Schriftzeichen|audio=0|video=0}} |
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{{Commonscat|Ancient Chinese characters|audio=0|video=0}} |
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{{Wiktionary}} |
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* [http://www.japanesestudies.org.uk/articles/2005/Tomoda.html Change in Script Usage in Japanese: A Longitudinal Study of Japanese Government White Papers on Labor], discussion paper by Takako Tomoda in the [http://www.japanesestudies.org.uk/ ''Electronic Journal of Contemporary Japanese Studies''], [[19. August]] [[2005]]. |
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=== Wörterbücher === |
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* [https://lingweb.eva.mpg.de/kanji/ Japanisch-Deutsches Zeichenlexikon] 7150 Zeichen – von Hans-Jörg Bibiko (deutsch, japanisch) |
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* [http://db.yamasa.org/ocjs/kanjidic.nsf/MainPage?OpenForm Das Online Kanji Wörterbuch – {{lang|ja|オンライン日本語学習}}] – mit verschiedenen Beispielen – auf yamasa.org |
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* [https://jisho.org/ Japanese Kanji Dictionary] auf jisho.org (englisch, japanisch) |
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* [https://tangorin.com/kanji Japanese Kanji Dictionary] auf tangorin.com (englisch, japanisch) |
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* [http://www.romajidesu.com/kanji/ Japanese Kanji Dictionary] auf romajidesu.com (englisch, japanisch) |
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<!-- Links auf fünf begrenzt, veralteter Archivlink, bitte nicht löschen, thx! * [https://www.yamasa.org/en/kanji.html OCJS Online Japanese Dictionary] auf yamasa.org (deutsch, englisch, japanisch) --> |
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=== Trainer === |
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* [https://kanji-trainer.org/index.php?ln_neu=de Kanji-trainer.org] In: kanji-trainer.org, Kostenloses Kanji-Lernprogramm nach Karteikartenprinzip mit Erklärungen der Bestandteile und Merksätzen zu allen Zeichen |
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{{Commons|Chinese Characters|Chinesische Schriftzeichen}} |
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* [http://lernmaterialien.mkengel.de/ Kostenlose Schreibübungen] In: mkengel.de, für JLPT-, Kankentest-, Kyōiku-, Jōyō-Kanji und mehr |
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* [http://www.asahi-net.or.jp/~ik2r-myr/kanji/german/kanji1g.htm Üben Sie Kanji] In: asahi-net.or.jp, Java-Applet zum Lernen und Üben der Kanji |
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* [[Hanja]] (Sinokoreanisch) |
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* [[Han Tu]] (Sinovietnamesisch) |
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=== Tool und Helferlein === |
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==Quellen== |
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* [https://kanji.sljfaq.org/draw.de.html ''Kanji-Schreiber''] |
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* [https://mykeyboard.org/de/japanisch/ ''Virtuelle japanische Tastatur – Online''] |
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* [https://easypronunciation.com/en/japanese-kanji-to-romaji-converter Japanisch-Umschriftkonverter] – Kanji in [[Internationales Phonetisches Alphabet|IPA]], [[Japanische Schrift#Rōmaji|Romaji]], [[Japanische Schrift#Kana|Kana]] (japanisch, englisch) |
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* [https://toolbox.lotusfa.com/ipa/japanese/index.html Japanisch-Umschriftkonverter] – Kanji in IPA (japanisch, englisch) |
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== Einzelnachweise == |
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* DeFrancis, John (1990). ''The Chinese Language: Fact and Fantasy''. Honolulu: University of Hawaii Press. ISBN 0824810686. |
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<references> |
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* Hannas, William. C. (1997). ''Asia's Orthographic Dilemma''. Honolulu: University of Hawaii Press. ISBN 082481892X (paperback); ISBN 0824818423 (hardcover). |
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<ref name="Schriftzeichen_Pferd_01"> |
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* Kaiser, Stephen (1991). Introduction to the Japanese Writing System. In ''Kodansha's Compact Kanji Guide''. Tokyo: Kondansha International. ISBN 4-7700-1553-4. |
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{{Internetquelle |
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* Mitamura, Joyce Yumi and Mitamura, Yasuko Kosaka (1997). ''Let's Learn Kanji''. Tokyo: Kondansha International. ISBN 4-7700-2068-6. |
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|autor=Richard Sears |
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* Unger, J. Marshall (1996). ''Literacy and Script Reform in Occupation Japan: Reading Between the Lines''. ISBN 0195101669 |
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</references> |
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{{Lesenswert|21. Juli 2006|19234255}} |
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==Weblinks== |
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*[http://www.bibiko.de/kanji/index.html Japanisch-Deutsches Zeichenlexikon] 7106 Zeichen - von Hans-Jörg Bibiko |
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*[http://homepage2.nifty.com/TAB01645 Dictionary of Kokuji] in Japanese |
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*[http://www.japanesestudies.org.uk/articles/2005/Tomoda.html Change in Script Usage in Japanese: A Longitudinal Study of Japanese Government White Papers on Labor], discussion paper by Takako Tomoda in the [http://www.japanesestudies.org.uk/ ''Electronic Journal of Contemporary Japanese Studies''], [[19 August]] [[2005]]. |
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*[http://www.csse.monash.edu.au/cgi-bin/cgiwrap/jwb/wwwjdic?1KG Kanji to hiragana converter] |
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*[http://www.csse.monash.edu.au/~jwb/cgi-bin/wwwjdic.cgi?1C Jim Breem's WWWJDIC server] used to find Kanji from English or romanized Japanese |
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*[http://zhongwen.com/cgi-bin/zipu.cgi?b5=%B5%BD Zhongwen] Chinese characters and culture |
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*[http://www.csse.monash.edu.au/~jwb/kanjitypes.html Kyōiku Kanji nach Kategorie] |
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*[http://www.sljfaq.org/afaq/kokuji-list.html sci.lang.japan AFAQ list - Kokuji] |
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*[http://kan-chan.stbbs.net/word/ryakuji.html] [http://hac.cside.com/bunsho/1shou/39setu.html] - Handschriftliche Zeichenabkürzungen |
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*[http://www.saiga-jp.com/kanji_dictionary.html Japanese Kanji Dictionary] |
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{{Normdaten|TYP=s|GND=4135854-5}} |
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[[Kategorie:Japanische Schrift]] |
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[[Kategorie:Schriftzeichen]] |
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[[is:Kanji]] |
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[[vi:Kanji]] |
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[[zh:日文汉字]] |
Aktuelle Version vom 24. November 2024, 15:52 Uhr
Kanji | ||
---|---|---|
Schrifttyp | Logographisch | |
Sprachen | Japanisch | |
Verwendungszeit | seit ca. 500 n. Chr. | |
Offiziell in | ![]() ![]() | |
Abstammung | Chinesische Schriftzeichen Kanji | |
Abgeleitete | Hiragana Katakana | |
Verwandte | Hanzi, Hanja, Chữ Nôm | |
Unicodeblock | U+4E00…U+9FC6 U+3400…U+4DBF U+20000…U+2A6DF U+2A700..U+2B734 U+2B740..U+2B81D U+2B820..U+2CEA1 | |
ISO 15924 | Hani Japan (Kanji, Hiragana, Katakana) | |
![]() |
Kanji japanischen Schrifttradition verwendeten Schriftzeichen chinesischen Ursprungs. Das Wort Kanji wird mit chinesischen Schriftzeichen geschrieben als 漢字 , in Hiragana-Schrift als かんじ. Die Schriftzeichen, die ausschließlich in Japan erschaffen wurden, heißen Kokuji – 国字 ‚Nationale Schriftzeichen‘ – bzw. Wasei kanji – 和製漢字 ‚Japanische Schriftzeichen‘ – und sind Teil des japanischen Kanji-Schriftsystems. Diese Schriftzeichen werden wie alle übrigen durch mosaikartige Komposition von chinesischen Schriftelementen zusammengesetzt. Die Nutzung der heute durch die Schriftreform „leicht modifizierten“ Kanji – Shinjitai – in Japan im Vergleich zu China sind letztlich grafische bzw. historische Varietäten derselben Schriftzeichen (vergleiche Allograph). Mit einigen Ausnahmen unterscheiden sie sich nur leicht von den allgemeinen Standardschreibweisen im heutigen Ursprungsland China – Kurzzeichen[Anm. 1] – bzw. Taiwan, Hongkong, Macau – Langzeichen.
sind die in derVerwendung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eingegliedert in moderne japanische Hiragana-Texte bezeichnen Kanji heute Nomina oder Wortstämme von Verben und Adjektiven.[1]
Die frühesten japanischen Texte – Kanbun – sind ausschließlich in Kanji geschrieben. Ein Kanji konnte dabei für ein japanisches Wort, (bedeutungsunabhängig) für einen japanischen Sprachlaut („Lesung“ dieses Kanji) oder auch für einen kleinen Rebus stehen.
Etymologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Logogramm 字 in der Bedeutung „Schriftzeichen“ wird im Chinesischen nach Pinyin als zì ( )[Anm. 2] phonetisch realisiert, im Japanischen als ji; d. h. das Wort ji ist letztlich ein chinesisches Lehnwort im Japanischen, obwohl es heute kaum noch als solches wahrgenommen wird.
Das chinesische Schriftzeichen 漢 – Pinyin hàn – nimmt Bezug auf die historische Han-Dynastie, die die chinesische Identität prägte. Es erscheint in der japanischen Lautung als kan. Kanji bedeutet also „Schriftzeichen des Han-Volks“.
Chinesische Schriftzeichen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Zur Zeit der chinesischen Han-Dynastie wurde das erste Zeichenlexikon – das Shuowen Jiezi – erstellt, nachdem bereits in der vorherigen Qin-Dynastie die chinesische Schrift vereinheitlicht worden war.
Unterschiede zwischen japanischen und chinesischen Schriftzeichen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Obwohl die japanischen Kanji aus diesen Schriftzeichen entstanden sind, gibt es heute einige Unterschiede zwischen ihnen – Hanzi ( ) und Kanji ( ).
- Einerseits wurden nicht alle Schriftzeichen übernommen, andererseits wurden einige Zeichen, die sogenannten Kokuji, in Japan entwickelt.
- Die chinesischen Schriftzeichen wurden sowohl in China als auch in Japan im Laufe der Zeit vereinfacht, in Japan zuletzt 1946 (Shinjitai). Diese Vereinfachungen wurden allerdings nicht zwischen den einzelnen Ländern koordiniert, weswegen eine ganze Reihe von Zeichen heutzutage in drei verschiedenen Varianten existiert – als Langzeichen, Kurzzeichen und als japanische Variante (Shinjitai). In der Praxis werden diese Schriftzeichen einerseits zwischen deren Form als Langzeichen (Taiwan, Hongkong, Macau, Japan, teilweise in Korea) und Kurzzeichen (Volksrepublik China, Malaysia, Singapur), andererseits zwischen deren Ursprung als ländereigene spezifische Schriftzeichen (Kokuji oder Wasei kanji in Japan, Gukja (국자 – 國字) oder Hangukje hanja (한국제 한자 – 韓國製漢字) in Korea, Hanzi (Kurzz.: 汉字 Langzz.: 漢字) in China) unterschieden. Die historische japanische Kyūjitai („alte Schriftart“) entspricht weitgehend den Formen der Langzeichen in China.
- Die Aussprache ist unterschiedlich zum heutigen modernen Hochchinesisch, d. h. modernen Standardchinesisch, jedoch gibt es auch Übereinstimmungen. Eine linguistische Übereinstimmung in der Aussprache ist gelegentlich auch in einer der verschiedenen chinesischen Sprachen, also chinesischen Dialekten bzw. Regiolekten, wiederzufinden.
- Durch die historische Entwicklung im jeweils eigenen Land weicht die Bedeutung derselben Schriftzeichen manchmal voneinander ab.
- Während im Chinesischen alle Wörter, auch grammatische Partikeln und Fremdwörter, mit chinesischen Schriftzeichen geschrieben werden, werden im Japanischen nur bedeutungstragende Elemente wie Nomen und Stämme von Verben und Adjektiven in Kanji geschrieben, den Rest übernehmen die Morenschriftzeichen Hiragana und Katakana.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der älteste Beleg für die Verwendung chinesischer Schriftzeichen in Japan sind Gravierungen auf Bronzeschwertern wie dem Inariyama-Schwert oder dem Siebenarmigen Schwert, die in Hügelgräbern (Kofun) aus dem 3. bis 5. Jahrhundert n. Chr. gefunden wurden. Japan wird auch in chinesischen Quellen aus dem 3. Jahrhundert erwähnt. Die ältesten in Japan gefundenen chinesischen Schriftzeichen stammen aus dem Jahr 57 und finden sich auf dem goldenen Siegel von Na.
Wann die ersten Gelehrten und Bücher aus China und Korea nach Japan kamen und dort die Schriftkultur begründeten, ist nicht genau belegt. Es heißt in japanischen Legenden, dass ein in Baekje wirkender koreanischer Gelehrter namens Wani (王仁, kor. 왕인 Wang-In, chin. Wángrén) die chinesischen Schriftzeichen im späten 4. Jahrhundert nach Japan brachte.[2][3] Er wurde an den Hof des Yamato-Reiches eingeladen, um den Konfuzianismus zu lehren, und brachte dabei die chinesischen Bücher Analekten des Konfuzius und den Tausend-Zeichen-Klassiker nach Japan. Wani wird in den historischen Aufzeichnungen Kojiki und Nihon Shoki erwähnt. Ob Wani wirklich lebte oder nur eine fiktive Person ist, ist ebenso unsicher wie die Korrektheit der Jahreszahlen. Die heute bekannte Version des Tausend-Zeichen-Klassikers entstand zur Zeit der Regentschaft von Kaiser Liang Wu Di (502–549).
Einige Wissenschaftler halten es für möglich, dass bereits im 3. Jahrhundert chinesische Werke ihren Weg nach Japan fanden. Als gesichert gilt, dass spätestens ab dem 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung die Kanji in mehreren Wellen aus verschiedenen Teilen Chinas importiert wurden. Die ersten geschriebenen Texte in Japan waren also in chinesischer Sprache verfasst, auch die von japanischen Gelehrten. Der japanische Begriff für die klassische chinesische Literatur ist Kanbun.
Der Versuch des Yamato-Hofes, nach chinesischem Vorbild eine Verwaltung gestützt auf Literaten-Beamte zu schaffen, scheiterte jedoch, und die Ämter blieben in der Hand der alten Adelsclans (Uji). Die chinesischen Klassiker blieben trotzdem eine wichtige Basis des japanischen Staatswesens. Es wurde eine Methode entwickelt, die chinesischen Klassiker mit kleinen Vermerken zu versehen, sodass sich chinesische Texte japanisch lesen ließen. Insbesondere müssen dabei die Schriftzeichen in einer anderen Reihenfolge gelesen werden, da das Verb im Chinesischen an zweiter Stelle steht (SVO), in japanischen Sätzen dagegen am Schluss.
Im nächsten Schritt wurden die chinesischen Schriftzeichen in japanischer Syntax angeordnet, um japanische Sätze zu schreiben. Die Schriftzeichen wurden zuerst ausschließlich chinesisch gelesen, mit einer Anpassung an die japanische Phonetik, der Ursprung der heutigen On-Lesung. Nun ging man parallel dazu über, existierende japanische Worte mit chinesischen Schriftzeichen zu schreiben, weswegen viele Schriftzeichen eine zweite Lesung, die Kun-Lesung, bekamen. Um die Konjugationsendungen an japanischen Verben zu schreiben, die das Chinesische nicht kennt, wurden einzelne Schriftzeichen nur noch phonetisch verwendet und verloren ihre Bedeutung. Aus diesen sogenannten Man’yōgana entwickelten sich die heutigen Silbenschriften Hiragana und Katakana.
Für einige japanische Begriffe gab es keine Kanji. In Japan, der Inselnation, spielte der Fischfang eine größere Rolle als in China, und insbesondere für viele Fische fehlten Schriftzeichen. In Japan wurde daher eine Reihe von Schriftzeichen nach den chinesischen Regeln geschaffen, mehr als die Hälfte davon sind Namen für Fische.
Noch in der Meiji-Zeit war die Kun-Lesung der Kanji nicht standardisiert. Die Schriftzeichen konnten nach persönlichen Vorlieben mit bestimmten Wörtern assoziiert werden. Erst die Schriftreform aus dem Jahr 1900 setzte hier Standards. Eine weitere Entwicklung der Meiji-Zeit war die Einführung einer verpflichtenden Grundschulbildung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Anzahl der „für den Alltag gebräuchlichen Schriftzeichen“ vom Bildungsministerium auf zuerst 1.850 und im Jahr 1981 auf 1.945 (Tōyō- bzw. Jōyō-Kanji) festgelegt, die auch in der Schule gelehrt werden. Seit 2010 gilt eine neue Jōyō-Kanji-Liste mit 2.136 Zeichen, bei der 196 neue Kanji hinzugefügt und fünf (vor allem solche für historische Mengenmaße) aus der alten Liste entfernt wurden.[4] Amtliche Texte und viele Zeitungen beschränken sich auf diese Zeichen und geben alle anderen Begriffe in Kana wieder. Daneben gibt es weitere über 900 sogenannte Jinmeiyō-Kanji, die nur für die Verwendung in japanischen Eigennamen offiziell sind.
Grundsätzlich entsprechen die Kanji den traditionellen chinesischen Langzeichen. Einige Zeichen wurden mit der Tōyō-Reform aber in einer ähnlichen Weise vereinfacht wie die Kurzzeichen bei der chinesischen Schriftreform von 1955.
Im modernen Japanisch werden die Kanji verwendet, um Nomen und die Wortstämme von Adjektiven und Verben zu schreiben. Partikeln, Konjunktionen und grammatische Endungen (Okurigana) werden in Hiragana geschrieben. Onomatopoetische Ausdrücke und Fremdwörter (Gairaigo, 外来語) werden in Katakana geschrieben, erstere bisweilen auch in Hiragana.
Einige (nicht-chinesische) Fremdwörter, die zum Teil noch aus dem 16. Jahrhundert stammen, etwa tabako (煙草 oder 莨, „Tabak“) oder Tempura (天婦羅 oder 天麩羅), besitzen auch eine historische Schreibung in Kanji, die entweder nach Bedeutung wie bei tabako, oder phonetisch, wie bei tempura, gebildet wurde. Diese Schreibungen bezeichnet man als Ateji (当て字). Oft werden diese Fremdwörter heutzutage in Hiragana geschrieben: nicht in Katakana, weil sie nicht mehr als Fremdwörter empfunden werden, und nicht in Kanji, weil die Kanji-Schreibung zu kompliziert ist.
Durch den starken chinesischen Einfluss auf Korea waren Kanji (kor. Hanja) traditionell auch in Korea gebräuchlich, seit der Kabo-Reform Ende des 19. Jh. sind diese aber weitgehend durch die Hangeul-Zeichen ersetzt worden.
Systematisierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der buddhistische Lehrmeister Xu Shen teilte in seinem Werk Shuowen Jiezi etwa 100 n. Chr. die chinesischen Schriftzeichen in sechs Kategorien ein (japanisch 六書 rikusho).
Die Sechs Kategorien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Piktogramme
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Beispiel eines Piktogramms – „Pferd“[5][6][7][8] | ||||||
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![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() | |
Orakelknochen | Bronzeinschrift | Große Siegelschrift | Kleine Siegelschrift | Kanzleischrift | Regelschrift |
Die Piktogramme (象形文字 shōkeimoji) sind graphische Repräsentationen der Objekte, die sie darstellen. In der alten Siegelschrift war diese Ableitung noch sehr deutlich zu erkennen, doch auch in den abstrakteren modernen Schriftsätzen lässt sie sich nachvollziehen. Beispielsweise stellt das Schriftzeichen 門 ein Tor dar, 木 einen Baum, 人 einen Menschen, 女 eine Frau usw.
Ideogramme
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Um abstraktere Begriffe darzustellen, wurden einfache Zeichensymbole, sogenannte Indikatoren oder Ideogramme (japanisch 指事文字 shijimoji) verwendet.
Beispiele sind 上 „oben“ und 下 „unten“, oder auch 回 „drehen“.
Logogramme
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Komplexer sind die Logogramme (会意文字 kaiimoji), kombinierte Piktogramme oder Ideogramme, die eine neue Bedeutung ergeben. Ein typisches Beispiel ist die Verbindung aus 日 „Sonne“ und 月 „Mond“, die das Zeichen 明 in der Bedeutung „hell“ ergeben. Ein weiteres ist das Schriftzeichen für „Bergpass“ 峠, das aus 山 „Berg“, „oben“ und „unten“ gebildet wurde, oder die Schriftzeichen für 林 „Hain“ und 森 „Wald“, die aus Verdopplung beziehungsweise Verdreifachung des Schriftzeichens 木 „Baum“ gebildet wurden.
Nicht immer sind diese Zusammensetzungen eindeutig. Es kommt zum Beispiel vor, dass zwei Zeichen auf unterschiedliche Art kombiniert werden und dann eine unterschiedliche Bedeutung haben. Ein Beispiel: Die Schriftzeichen 心 „Herz“ und 亡 „sterben“ werden zum Beispiel vertikal zum Zeichen 忘 „vergessen“ und horizontal zum Zeichen 忙 „beschäftigt“ zusammengesetzt.
Phonogramme
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Diese ersten drei Kategorien erwecken den Eindruck, dass die chinesische Schrift und damit die Kanji eine Symbolschrift wäre, und dass sich aus der Form der Schriftzeichen die Bedeutung ergäbe. Tatsächlich hat die rein bildliche Darstellung jedoch nicht ausgereicht, um alle benötigten Begriffe darzustellen, und weniger als 20 % der heute verwendeten Zeichen gehören einer der ersten drei Kategorien an. Stattdessen gehört bei weitem die Mehrheit der chinesischen Schriftzeichen der folgenden vierten Kategorie an, die so etwas wie den Standard darstellt, während die anderen Ausnahmen bilden.
Die Phonogramme, auch als phonetische Ideogramme (形声文字 keiseimoji) bezeichnet, lassen sich in zwei Teile aufspalten, ein Signifikum, das einen Hinweis auf die Bedeutung gibt, und ein Phonetikum, das auf die Aussprache verweist. Schriftzeichen können sowohl waagerecht als auch senkrecht geteilt sein. Das Signifikum steht in den meisten Fällen links bzw. oben, das Phonetikum damit rechts bzw. unten.
Um zum Beispiel Schriftzeichen für die zahlreichen verschiedenen Baumarten zu erhalten, wurde das Signifikum 木 „Baum“ auf der linken Seite mit einem zweiten Schriftzeichen auf der rechten Seite kombiniert, das so ähnlich ausgesprochen wurde wie die Baumart. So entstanden die Schriftzeichen 桜 „Kirsche“, 梅 „Pflaume“, 杏 „Aprikose“ und 松 „Kiefer“. Das Signifikum kann auch eine übertragene Bedeutung haben, im Falle des Baums zum Beispiel „Ding aus Holz“, zum Beispiel ein Regal 棚 oder ein Webstuhl 機.
Zur Zeit der Han-Dynastie wurden dann auch Schriftzeichen, die auf der rechten Seite das gleiche Phonetikum 寺 (詩, 持, 時, 侍, 待) besaßen, im klassischen Chinesisch auch gleich ausgesprochen. Teilweise hat sich das bis ins heutige Japanisch erhalten, allerdings hat es zahlreiche Lautverschiebungen und andere Änderungen gegeben, weswegen diese Regel im modernen Japanisch nicht mehr gilt. So werden zum Beispiel die fünf Zeichen 寺, 詩, 持, 時, 侍 alle sinojapanisch ji oder shi gelesen, 待 liest man jedoch tai.
Ableitungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kategorie der Ableitungen (転注文字 tenchūmoji) ist recht vage definiert. Es handelt sich um Schriftzeichen, die neben ihrer ursprünglichen Bedeutung weitere, mit dieser assoziierte Bedeutungen erhalten haben und in der neuen Bedeutung auch anders ausgesprochen werden. Bei vielen Zeichen hat sich die Verwendung komplett verschoben und die ursprüngliche Bedeutung ist verloren gegangen.
Ein Beispiel aus der Gruppe ist das Schriftzeichen 楽, das erstens die Bedeutung „Musik“ (gaku) und zweitens, davon abgeleitet, „Fröhlichkeit“ (raku) hat.
Entlehnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine weitere Gruppe sind phonetisch entlehnte Schriftzeichen (仮借文字 kashamoji). Diese entstanden als Piktogramme, zum Beispiel 永 für „schwimmen“. Als jedoch ein Schriftzeichen für das im Altchinesisch gleich ausgesprochene Wort „ewig“ gebraucht wurde, wurde die Bedeutung des Schriftzeichens übertragen. Für das Wort „Schwimmen“ wurde ein neues Phonogramm erschaffen, in dem man drei Wassertropfen (氵) angefügt hat: 泳. Die gleiche Aussprache beider Zeichen hat sich bis ins heutige Chinesisch erhalten (yǒng). Ein anderes Beispiel ist das Schriftzeichen für „kommen“ 来, das ursprünglich „Weizen“ (heute: 麦) bedeutete.
Kokkun
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die folgenden Kategorien für Schriftzeichen sind Japan-spezifisch.
Eine Reihe von Schriftzeichen hat bei der Übernahme oder im Lauf der Jahrhunderte eine veränderte Bedeutung bekommen. Diese wird als kokkun (国訓) bezeichnet. Beispiele sind:
- 沖 jap. chū, oki: hohe See; chin. chōng: spülen
- 椿 jap. chin, chun, tsubaki: Kamelie; chin. chūn: Chinesischer Surenbaum
- 茸 jap. jō, nyu, kinoko, take: Pilz, Schwamm; chin. róng: Spross, Trieb, Keim, Bast eines Geweihs; Geweihknospe; flaumig, saftig und zart
Den umgekehrten Fall gibt es auch, dass in Japan Schriftzeichen noch in ihrer ursprünglichen Bedeutung verwendet werden, während in China längst eine neue Bedeutung dominiert.
Kokuji
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben den Unterschieden in Form, Verwendung, Aussprache und Bedeutung gibt es auch Kanji, die in China unbekannt sind, weil sie japanische Erfindungen sind. Diese Kokuji (国字 ‚Landeszeichen‘) oder Wasei Kanji (和製漢字 ‚in Japan erschaffene Kanji‘), insgesamt einige hundert, wurden in Japan nach der Logik der chinesischen Schriftzeichen geschaffen. Ein Großteil der Zeichen sind wie schon erwähnt Bezeichnungen für Fischarten.
- 峠 tōge (Bergpass)
- 榊 sakaki (Sperrstrauch)
- 畑 hatake (Trockenfeld)
- 辻 tsuji (Straßenkreuzung)
- 働 DŌ, hatara(ku) (arbeiten)
- 躾 shitsuke (Disziplin)
- 粁 kiromētoru (Kilometer)
- 瓱 miriguramu (Milligramm)
Systematik der Radikale
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Das älteste chinesische Lexikon für chinesische Schriftzeichen ist das Shuowen Jiezi aus dem Jahr 121 n. Chr. Die Schriftzeichen sind dort nach einem System von Elementarzeichen, den sog. Radikalen, eingeteilt. Das Shuowen Jiezi kannte 512 Radikale, diese Zahl wurde jedoch immer weiter reduziert, sodass die heute am weitesten verbreitete Liste traditioneller Radikale 214 Klassenzeichen verwendet. Diese Einteilung wurde vor allem durch das Kangxi Zidian aus dem Jahre 1716 unterstützt, das bereits ca. 49.000 Schriftzeichen enthält. Wörterbücher für vereinfachte Schriftzeichen verwenden eine andere Anzahl an Radikalen, oftmals sind es 227 Radikale. Auch japanische Wörterbücher verwenden unterschiedliche Radikalanzahlen, die meisten Werke richten sich nach den 214 traditionellen.
Wird ein Schriftzeichen als Radikal eingesetzt, verändert es oft seine Form. Das Schriftzeichen 火 – „Feuer“ – beispielsweise ist, wenn es wie in 焼 – „gebacken“ – links steht, ohne weiteres erkennbar, wenn es die untere Hälfte wie in 災 –„Katastrophe“ – belegt ebenfalls, in vielen Zeichen sind jedoch nur noch vier Striche (灬) davon übrig wie in 然 – „natürlich“.
In vielen Zeichen ist das Radikal mit dem Signifikum (siehe unter Phonogramme) identisch, sodass zwischen beiden Begriffen oft kein Unterschied gemacht wird. Das führt aber zu Verwirrung, da nicht jedes Signifikum auch ein Radikal ist und daher einige Zeichen unter einem anderen Radikal als dem Signifikum einsortiert werden.
Lesungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während im Chinesischen die Schriftzeichen in den meisten Fällen nur auf eine oder zwei Arten gelesen werden können (in der klassischen Schriftsprache existieren oft drei, vier oder mehr Lesungen, die im modernen Hochchinesisch aber kaum Anwendung finden), ist es im Japanischen etwas komplizierter. Es gibt grundsätzlich zwei Kategorien von Lesungen: die sinojapanische Lesung (音読み on’yomi), die aus dem Chinesischen übernommen wurde, und die japanische Lesung (訓読み kun’yomi), bei der altjapanische Wörter chinesischen Schriftzeichen zugeordnet wurden.
Die meisten Schriftzeichen haben genau eine sinojapanische Lesung, allerdings wurden teilweise verschiedene Lesungen aus unterschiedlichen Zeitepochen und/oder chinesischen Dialekten übernommen, sodass einige Schriftzeichen auch zwei, ganz selten drei haben. Die in Japan entwickelten Kokuji haben meist gar keine On-Lesung.
Bei den japanischen Lesungen ist es noch unübersichtlicher. Eher selten gebrauchte Schriftzeichen haben meist keine Kun-Lesung, während häufig gebrauchte Zeichen drei, vier oder noch mehr aufweisen können.
Einer der Spitzenreiter ist das Schriftzeichen 生 mit der Bedeutung „Leben, Geburt“, das in NTCs Wörterbuch zwei On-Lesungen, 17 Kun-Lesungen und noch 4 Speziallesungen (Jukujikun) aufweist.
In japanischen Kanji-Lexika und in Japanisch-Lehrbüchern wird die On-Lesung in der Regel in Katakana angegeben, die Kun-Lesung in Hiragana. Dies dient vor allem der Übersichtlichkeit.
Beispiel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Schriftzeichen japanisch 大 mit der Bedeutung „groß“ hat die Kun-Lesung ō und zwei On-Lesungen, tai und dai.[9]
Wort | Romaji | Lesung | Bedeutung | Bemerkung |
---|---|---|---|---|
大きい | ōkii | Kun | groß | angehängte Hiragana-Zeichen (きい) sind ein Hinweis auf Kun-Lesung |
大げさ | ōgesa | Kun | übertrieben | angehängte Hiragana-Zeichen (げさ) sind ein Hinweis auf Kun-Lesung |
大口 | ōkuchi | Kun | Prahlerei | Kanji-Kompositum – Schriftzeichenzusammensetzung – mit Kun-Lesungen |
大陸 | tairiku | On | Kontinent | Kanji-Kompositum mit On-Lesungen |
大気 | taiki | On | Atmosphäre | Kanji-Kompositum mit On-Lesungen |
大使 | taishi | On | Botschafter | Kanji-Kompositum mit On-Lesungen |
大学 | daigaku | On | Universität, Hochschule | Kanji-Kompositum mit On-Lesungen |
大丈夫 | daijōbu | On | alles in Ordnung | Kanji-Kompositum mit On-Lesungen |
大好き | daisuki | On (大), Kun (好) | etw. sehr mögen | Mischung aus On- und Kun-Lesungen (Jūbako-yomi) |
大人 | otona | Jukujikun | Erwachsener | Sonderlesung (unabhängig von Kun- und On-Lesungen der Einzelzeichen) |
Sinojapanische Lesung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die sinojapanische Lesung oder On-Lesung entspricht der chinesischen Lesung, wobei sie sich im Laufe der Zeit an die japanische Phonetik angepasst hat. Dazu kommt, dass Lesungen in mehreren Epochen nach Japan übernommen worden sind, sodass man heute mehrere unterschiedliche On-Lesungen unterscheiden kann:
- Die Go-on (呉音), benannt nach der historischen südostchinesischen Wu-Dynastie, 3. Jh.
- Die Kan-on (漢音), zwar benannt nach der Han-Dynastie, 3. Jh. v. Chr. bis 3. Jh., von der Aussprache aber eher entsprechend der Zeit der Tang-Dynastie, 7. bis 9. Jh., abgeleitet vom Dialekt der Hauptstadt Chang’an.
- Die Tō-on (唐音), vom Namen her nach der Tang-Dynastie, von der Aussprache aber eher der Song-Dynastie, 10. bis 13. Jh., und der Ming-Dynastie, 14. bis 17. Jh., entsprechend, ein Sammelbegriff für alle neuen Lesungen von der japanischen Heian-Zeit bis zur Edo-Zeit.
- Die Kan’yō-on (慣用音 ‚gewohnte Lesung‘), „falsche“ Lesungen, die sich als Standard durchgesetzt haben.
(Zur sprachhistorischen Bedeutung dieser Ausdrücke: Siehe On-Lesung.)
Da sich mit den Jahrhunderten nicht nur die Lesungen, sondern auch die Bedeutung und Verwendung einzelner Zeichen verändert haben, entsprechen unterschiedliche On-Lesungen oft unterschiedlichen Bedeutungen.
Kanji | Bedeutung | Go-on | Kan-on | Tō-on | Kan'yō-on |
---|---|---|---|---|---|
明 | hell | myō | mei | min | * |
行 | gehen | gyō | kō | an | * |
極 | extrem | goku | kyoku | * | * |
珠 | Perle | * | shu | * | ju, zu |
度 | Grad | do | taku | to | * |
Die gebräuchlichste Lesung ist die Kan-on. Tō-on findet sich in Wörtern wie 椅子 isu, „Stuhl“ und 布団 futon. Die Go-on tritt vor allem bei buddhistischen Begriffen wie 極楽 gokuraku „Paradies“ auf.
Aus zwei Gründen ist die On-Lesung den heutigen südchinesischen Dialekten ähnlicher als den nordchinesischen, die als Basis für die moderne hochchinesische Sprache gedient haben. Chinesische Seefahrer und Händler, die die Sprache verbreiteten, stammten vor allem aus den südlichen Provinzen. Zum anderen sind die südchinesischen Dialekte näher an der klassischen Chinesischen Aussprache, die die Basis für die Onyomi bilden, während die nordchinesischen in den letzten Jahrhunderten eine starke Lautverschiebung erlebten.
Die On-Lesung ist typischerweise eine einsilbige Lesung, da jedes Zeichen einer chinesischen Silbe entspricht. Im Japanischen besteht eine Silbe aus einem Konsonanten und einem folgenden Vokal oder nur aus einem Vokal. Das klassische Chinesisch des 6. bis 10. Jahrhunderts (Mittelchinesisch) kannte jedoch mehrere Endlaute für Silben: neben dem noch heute erhaltenen Nasal auch eine Reihe von Plosiven, die im modernen Chinesisch verloren gegangen sind. In der On-Lesung zahlreicher Kanji haben sie sich jedoch als eine der Silben ku, ki, tsu oder chi erhalten. Der Nasallaut ist entweder als n erhalten geblieben oder hat sich zu einem verlängerten Vokal, meist ei oder ou abgeschliffen.
Die Palatalisierung der Konsonanten in Silben wie gya, nyu oder cho hat sich auch erst durch die Abschleifung von sinojapanischen Wörtern entwickelt, bei „reinjapanischen“ Wörtern kommt sie nicht vor.
Die Onyomi wird vor allem bei Komposita aus mindestens zwei Schriftzeichen verwendet, in den meisten Fällen Nomen, Suru-Verben und Na-Adjektive. Einzeln stehende Kanji werden üblicherweise in der Kun-Lesung ausgesprochen, aber auch hier gibt es einige Ausnahmen, vor allem, wenn keine Kun-Lesung existiert.
Ein Problem bei der On-Lesung ist die Vielzahl der Homophone. Es gibt beispielsweise über 80 Schriftzeichen, die alle shō gelesen werden können. Bei Kombinationen von häufig vorkommenden Silben wie sōshō gibt es meist ein halbes Dutzend Wörter, die so gelesen werden, im Fall von sōshō sind das unter anderem 宗匠 „Meister“, 相称 „Symmetrie“, 創傷 „Wunde“ und 総称 „generell“.
Eine Sonderform der On-Lesung sind die sogenannten Ateji, Schriftzeichen, die rein phonetisch verwendet werden, um ein bestimmtes Wort zu schreiben. Meist handelt es sich um alte nicht-chinesische Fremdwörter, die vor dem 19. Jahrhundert ins Japanische übernommen wurden. Ein Beispiel ist die heute nur noch selten verwendete Kanji-Schreibung von Tempura (天麩羅).
Ähnlich den lateinischen und griechischen Lehnwörtern im Deutschen werden die sinojapanischen Komposita vor allem für Fachbegriffe und „gehobenes Vokabular“ verwendet. Einige Komposita gehen auf bereits vorhandene chinesische Wörter zurück, andere sind japanische Kreationen. Tatsächlich ist bei einer Reihe moderner Komposita wie „Philosophie“ (哲学 tetsugaku) umstritten, ob diese zuerst in China geschaffen und dann in Japan übernommen wurden oder umgekehrt.
In Japan geschaffene Schriftzeichen haben in der Regel keine On-Lesung, zum Beispiel das Zeichen 込, das nur für das Verb 込む komu „sich drängen; hereinkommen“ verwendet wird. In anderen Fällen hat man ähnlich den chinesischen phonetischen Ideogrammen eine On-Lesung auf das neue Zeichen übertragen, wie beim Schriftzeichen 働 „arbeiten“ mit Kun’yomi hataraku und On’yomi dō, und 腺 „Drüse“, das nicht nur die übertragene Bedeutung vom Schriftzeichen 泉 sen, „Quelle“ übernommen hat, sondern auch die Lesung.
Japanische Lesung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die japanische oder Kun-Lesung wird bei japanischen Wörtern verwendet, die chinesischen Schriftzeichen der Bedeutung nach zugewiesen wurden. Ein Beispiel ist das Schriftzeichen 東 „Osten“, dessen aus dem chinesischen übernommene On-Lesung tō lautet. Im Altjapanischen existierten bereits zwei Wörter mit der Bedeutung Osten, higashi und azuma, diese wurden nun zur Kun-Lesung des Zeichens. Manche Zeichen wie 版 han „Druckplatte“ werden immer sinojapanisch gelesen und haben keine Kun-Lesung. Andere wie das bereits erwähnte 生 haben dagegen über 20, darunter Verben wie 生きる ikiru, „leben“ und 生む umu „Kinder haben“ und Adjektive wie nama „roh, unverarbeitet“.
Die meisten Verben sind Kun’yomi-Lesungen, wobei das Kanji für den Wortstamm steht und die Konjugationsendung durch angehängte Hiragana (Okurigana) gebildet wird. Oft gibt es aber gleich mehrere Verben, die mit einem Schriftzeichen geschrieben werden, in diesem Fall schreibt man mehr Silben in Hiragana aus, um die Verben zu unterscheiden. Im Fall von 生 wären die Verben 生きる ikiru, „leben“ und 生ける ikeru, „am Leben halten“ nicht zu unterschieden, wenn nur das Schriftzeichen selbst mit der Endung -ru (生る) stehen würde.
Die Kun’yomi besteht, der japanischen Phonetik entsprechend, aus Silben, die aus Konsonant + Vokal oder nur aus einem Vokal bestehen. Die meisten dieser Lesungen sind zwei oder drei Silben lang.
Richtlinien für die Zuordnung zwischen Schriftzeichen und Kun-Lesung wurden erst mit der Schriftreform aus dem Jahr 1900 festgeschrieben. Bis dahin konnte nach persönlichen Vorlieben entschieden werden, mit welchem Schriftzeichen welches Wort geschrieben wird. Auch im modernen Japanisch stehen für viele Wörter mehrere Schriftzeichen zur Auswahl. In vielen Fällen sind die Bedeutungen gleich oder unterscheiden sich nur in Nuancen. So kann das Verb arawareru als 現れる und als 表れる geschrieben werden. In beiden Fällen bedeutet es „auftauchen, zum Vorschein kommen“. Ersteres Zeichen wird eher verwendet, wenn sich das Verb auf Personen, Dinge oder Ereignisse bezieht, zweiteres für Gefühle. Teilweise sind die Unterschiede so subtil, dass Wörterbücher sie gar nicht auflisten.
Bei anderen Wörtern ist der Unterschied deutlicher. Beispielsweise bedeutet naosu in der Schreibung 治す „heilen“, als 直す bedeutet es „reparieren“.
Üblicherweise wird die Kun-Lesung verwendet, wenn ein Schriftzeichen allein steht, die sogenannte seikun (正訓). Daneben gibt es noch die sogenannte Jukujikun Lesungen, bei der zwei oder mehr Zeichen zusammen ein Wort bilden und nur in dieser Kombination auf eine bestimmte Art gelesen werden.
Nanori
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einige Kanji haben Lesungen, die nur in Personen- oder Ortsnamen vorkommen, die sogenannten nanori. Diese Lesungen können unterschiedlichen Ursprungs sein. In Ortsnamen halten sich oft alte Wörter oder Lesungen, die in der modernen Sprache nicht mehr verwendet werden. Ein Beispiel ist die Lesung nii für das Zeichen 新 „neu“ in den Namen Niigata (新潟) und Niijima (新島). In Okinawa stammen viele Ortsnamen aus den Ryūkyū-Sprachen, in Nordjapan aus der Ainu-Sprache.
Bei einigen der bekannteren Ortsnamen werden die Schriftzeichen sinojapanisch gelesen, darunter Tōkyō (東京), Kyōto (京都), Beppu (別府), der Fujisan (富士山) und Japan selbst (日本 Nihon). Solche Ortsnamen sind aber meist neueren Datums, traditionell tragen Städte und Gemeinden reinjapanische Namen, wie Ōsaka (大阪), Aomori (青森) und Hakone (箱根).
Familiennamen wie Yamada (山田), Tanaka (田中) und Suzuki (鈴木) stehen ebenfalls in der Kun-Lesung, mit wenigen Ausnahmen in On-Lesung wie Satō (佐藤). Bei Vornamen sind die Lesungen gemischt, manche werden reinjapanisch, manche in On-Lesung, manche von allem abweichend gelesen. Manche japanische Vornamen werden auch nur in Katakana oder Hiragana geschrieben. Kanji, die gern bei Namen verwendet werden, haben oft fünf oder sechs verschiedene Lesungen, die auch ausschließlich bei Namen verwendet werden. Beliebte Vornamen, besonders bei Jungen, können bis zu zwei Dutzend verschiedene Schreibungen haben. Aus diesem Grund müssen Japaner auf japanischen Formularen immer Schreibung und Lesung ihres Namens angeben.
- siehe: Japanischer Name
Gikun
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gikun (義訓) werden Lesungen genannt, die nicht der Standard On- oder Kun-Lesung entsprechen. Die meisten Gikun sind Jukujikun (熟字訓), Kun-Lesungen, bei denen ein japanisches Wort mit zwei Schriftzeichen geschrieben wird, weil das chinesische Wort mit der gleichen Bedeutung ebenfalls eine Zeichenkombination ist. Gikun kommen außerdem bei Sprichwörtern und Redewendungen vor. Einige Gikun sind auch Familiennamen.
Ateji
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine weitere Kategorie sind Kanji, die rein phonetisch verwendet werden, um bestimmte Fremdwörter zu schreiben, die sogenannten Ateji. Im modernen Japanisch übernehmen diese Funktion die Katakana.
Verwendung der Lesungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schriftzeichen, die allein stehen, werden in der Regel in Kun-Lesung gelesen, Wörter in Komposita (熟語 jukugo), also aus mehreren Kanji, dagegen in On-Lesung. Die beiden Schriftzeichen für Osten (東) und Norden (北) werden nach dieser Regel, wenn sie ein eigenständiges Wort bilden, japanisch als higashi bzw. kita gelesen, im Kompositum Nordosten (東北) ist die Lesung jedoch sinojapanisch tōhoku.
Diese Regel lässt sich mit einiger Sicherheit auf viele Wörter anwenden, beispielsweise 情報 jōhō „Information“, 学校 gakkō „Schule“, und 新幹線 Shinkansen.
Einige Wörter werden mit Schriftzeichen geschrieben, die in on’yomi gelesen werden, obwohl sie alleine stehen: 愛 ai „Liebe“, 禅 Zen, 点 ten „Punkt“. Bei einigen Schriftzeichen ist sowohl die On- als auch die Kun-Lesung möglich, wenn sie allein stehen, beispielsweise bei 間 „Zwischenraum“, das alleinstehend kan oder ken (On-Lesung), aida, ma oder ai (Kun-Lesung) gelesen werden kann. Die Bedeutung ist in allen fünf Fällen mehr oder weniger gleich, es sind nur idiomatische Wendungen, in denen jeweils eine Lesung üblich ist.
Kanji, an denen in Hiragana geschriebene grammatische Endungen (Okurigana) „kleben“, werden in kun’yomi gelesen. Das betrifft vor allem konjugierbare Wörter (siehe japanische Grammatik), also Verben wie 見る miru „sehen“ und Adjektive wie 新しい atarashii „neu“. An Nomen hängen manchmal Okurigana, wie bei 情け nasake „Sympathie“, aber nicht immer, zum Beispiel bei 月 tsuki „Mond“.
Okurigana sind manchmal schwer von Partikeln und anderen in Hiragana geschriebenen Wörtern zu unterscheiden. Die üblichsten Partikeln (で, に, を, は) treten allerdings selten oder nie als Okurigana auf. In einigen Fällen hilft es jedoch nur, das Wort zu kennen, so wird 確か tashika „sicherlich“ durch ein か ka markiert, das auch als Partikel vorkommt, z. B. als Fragepartikel.
Umgekehrt gibt es Komposita, die nicht sinojapanisch gelesen, vor allem aus der Kultur, aus dem Bereich der japanischen Küche und aus dem Shintō. Um anzuzeigen, dass diese Komposita japanisch gelesen werden sollen, werden häufig ebenfalls Okurigana angehängt. Beispiele sind das Gericht 唐揚げ Karaage (auch 空揚げ geschrieben) oder die Faltkunst 折り紙 Origami. Die Okurigana sind jedoch nicht zwingend, bei häufig verwendeten Begriffen wird vorausgesetzt, dass der Leser weiß, worum es sich handelt, und die Zeichen werden eingespart. Man findet daher für die beiden Beispiele auch 唐揚 karaage (bzw. 空揚) und 折紙 origami in Texten. Weitere Beispiele sind 手紙 tegami „Brief“, 日傘 higasa „Sonnenschirm“ und 神風 Kamikaze (On-Lesung: Shinpū).
Darüber hinaus existieren auch einige seltene Komposita, bei denen japanische und sinojapanische Lesung gemischt sind. Dies wird entweder Jūbako-yomi (On-Kun) oder Yutō-yomi (Kun-On) genannt. Beide Begriffe sind nach Wörtern benannt, bei denen dieser Sonderfall auftritt. Das eine ist 重箱 jūbako, die Bezeichnung für eine mehrteilige Holzschachtel, in der Essen serviert wurde, und 湯桶 yutō „Wassereimer“.
Wie bei einzeln stehenden Zeichen gilt auch für Komposita, dass teilweise für die gleichen Zeichen mehrere Lesungen existieren. Wenn die Lesungen die gleiche Bedeutung haben, ist es oft nur eine Frage der persönlichen Vorliebe. Manchmal kommen historische Lesungen noch in Redewendungen vor. Bei anderen Wörtern haben unterschiedliche Lesungen auch unterschiedliche Bedeutungen, hier kommt es darauf an, das richtige der Homographen aus dem Kontext zu erschließen. Ein Beispiel ist 上手, eine Kombination aus 上 „oben“ und 手 „Hand“. Üblicherweise wird es jōzu gelesen und bedeutet „geschickt, etwas gut beherrschen“. Es kann jedoch auch uwate oder kamite gelesen werden und bedeutet dann „oberer Teil“. Zusätzlich ist es, mit angefügtem い (上手い), eine weniger gebräuchliche Schreibung des Wortes umai „geschickt“ (meist 旨い).
Aussprachehilfen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wegen der großen Uneinheitlichkeit werden unregelmäßige und unübliche Lesungen durch kleine Hiragana (seltener Katakana) über oder neben den Schriftzeichen markiert. Diese werden Furigana genannt. Alternativ werden auch sogenannte kumimoji verwendet, die stattdessen in der Textzeile / -spalte hinter oder unter dem Schriftzeichen stehen.
Sie finden sich unter anderem:
- in Kinderbüchern und Schulbüchern
- bei Namen von Orten, Personen, Tempeln, Gottheiten, Flüssen, Bergen…
- bei Sprachspielereien des Autors, vor allem in Manga
- bei Lehnworten, die in Kanji geschrieben, bei denen aber die Aussprache nicht On- oder Kun-Lesung entspricht (oft auf Speisekarten in China-Restaurants in Japan)
- seltene oder historische Kanji
- Fachbegriffe, vor allem aus dem Buddhismus
Vor- und Nachteile
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Japanische Texte für Erwachsene lassen sich bei Bedarf mit hoher Geschwindigkeit „querlesen“. Da der wesentliche Inhalt mit Kanji geschrieben wird und auch komplexe Begriffe mit nur wenigen Kanji dargestellt werden können, kann man durch Springen von Kanji zu Kanji unter Nichtbeachtung der anderen Zeichensysteme den Sinn eines Textes rasch erfassen. Andererseits kann man am Gesamtanteil und dem Schwierigkeitsgrad der Kanji eines Textes erkennen, für welche Alters- bzw. Bildungsgruppe er vorzugsweise geschrieben wurde.
Der große Nachteil der Kanji ist der hohe Lernaufwand, sowohl für Japaner als auch für Ausländer, die die Sprache erlernen. So müssen japanische Kinder schon im Kindergarten die ersten Schriftzeichen (die Silbenschrift Hiragana) erlernen, und den vollen Umfang der im normalen Schriftverkehr verwendeten Zeichen beherrschen sie im Schnitt erst in der Oberschule. Für das Verständnis von Fachtexten ist das Erlernen zusätzlicher Zeichen Voraussetzung.
Vereinfachungen und Reformen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 16. November 1946 wurde vom japanischen Bildungsministerium eine Liste von 1850 Schriftzeichen, den Tōyō-Kanji, herausgegeben, die seitdem zusammen mit den Kana die Basis des japanischen Schriftsystems bilden. Für jedes Schuljahr wurde für die Schriftzeichen ein fester Lehrplan erstellt.
In dieser Liste wurde auch eine ganze Reihe Schriftzeichen in ihrer Schreibung vereinfacht, um das Erlernen der Schrift zu erleichtern. Der Standard wurde in der „Tōyō-Kanji-Schriftzeichen-Formenliste“ (当用漢字字体表 Tōyō Kanji Jitai Hyō) fixiert. Die alte Schriftform wurde von diesem Moment an als „alte Schriftzeichen“ (旧字体 bzw. 舊字體 Kyūjitai) bezeichnet. In den meisten Fällen entsprechen die Kyūjitai den chinesischen Langzeichen. Die neuen Formen wurden entsprechend als Shinjitai (新字体) bezeichnet. Von den Shinjitai abweichende Varianten sollten nicht mehr verwendet werden. Es handelt sich jedoch nur um Richtlinien, sodass viele Schriftzeichen weiterhin nach persönlichen Vorlieben in Gebrauch sind.
Beispiele
- 國 → 国 kuni (Land, Provinz)
- 號 → 号 gō (Nummer, Zeichen, Künstlername)
- 變 → 変 hen (sonderbar, ulkig), ka(waru) (ändern)
Viele dieser Vereinfachungen waren bereits als handschriftliche Abkürzungen (略字 ryakuji) in Gebrauch, die im Gegensatz zu den vollständigen Formen (正字 seiji) nur im informellen Kontext gebraucht wurden. Einige Zeichen wurden in Japan und der Volksrepublik China auf die gleiche Weise vereinfacht, ein Großteil jedoch nicht, wobei die chinesische Vereinfachung meist tiefgreifender ist als die japanische. Obwohl beide Reformen etwa zeitgleich durchgeführt wurden, hat man sich angesichts der damaligen politischen Lage nicht abgesprochen.
Die vereinfachten Formen (Shinjitai) werden nur bei Schriftzeichen angewendet, die sich auf der Liste der Jōyō-Kanji finden, seltene Zeichen (Hyōgaiji) stehen dagegen immer noch in der traditionellen Form, selbst wenn sie Elemente enthalten, die in anderen Schriftzeichen vereinfacht wurden. Konsequent hat die Reform nur die Zeitung Asahi Shimbun durchgeführt, die die Vereinfachung auch auf diese sonstigen Zeichen anwendete. Die vereinfachten Zeichenformen jenseits der Jōyō-Kanji werden daher als Asahi-Zeichen bezeichnet.
Gesamtzahl der Kanji
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die tatsächliche Anzahl der Kanji ist eine Auslegungssache. Das Daikanwa Jiten ist mit seinen rund 50.000 Schriftzeichen nahezu umfassend. Es gibt allerdings historische wie auch neuere chinesische Wörterbücher, die über 80.000 Schriftzeichen enthalten. Von vielen Schriftzeichen sind dabei seltene historische Varianten aufgeführt und einzeln gezählt. Für den Alltag ausreichende Schriftzeichenwörterbücher enthalten zwischen 4.400 (NTC's New Japanese-English Character Dictionary) und 13.000 (Super Daijirin) Schriftzeichen.
Die Liste der Jōyō-Kanji, die in der Schule gelehrt werden, umfasst 2.136 Zeichen. In akademischen Fächern wie Jura, Medizin oder buddhistischer Theologie ist die Kenntnis von bis zu 1.000 weiteren Kanji notwendig, um die Fachbegriffe zu verstehen. Gebildete Japaner beherrschen nicht selten (zumindest passiv) über 5.000 Kanji, was vor allem zum Lesen von literarischen Texten notwendig ist.
Kyōiku-Kanji
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kyōiku-Kanji (教育漢字 ‚Bildungs-Kanji, Unterrichts-Kanji‘) umfassen die Schriftzeichen, die japanische Kinder in der Grundschule lernen. Die Zahl der Zeichen auf der Liste ist mit der Zeit langsam gewachsen, von ursprünglich 881 im Jahr 1946 bis zuletzt (seit 2020) 1026. Es gibt eine Liste, in der für jedes Schuljahr die zu lernenden Kanji aufgeführt sind, amtlich genannt als gakunen-betsu kanji haitōhyō (学年別漢字配当表 ‚Zuteilungsliste der verschiedenen Kanji nach Schuljahr‘), oder umgangssprachlich kurz als gakushū kanji (学習漢字 ‚Lern-Kanji‘).
Jōyō-Kanji
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Jōyō-Kanji (常用漢字, „Alltagsgebrauch-Kanji“) enthalten zusätzlich zu den Kyōiku-Kanji alle Zeichen, die in der Mittel- und Oberschule gelehrt werden, insgesamt 2.136 Kanji. In Texten, die sich nicht an ein Fachpublikum wenden, werden die meisten Schriftzeichen, die nicht zu den Jōyō-Kanji gehören, mit Furigana-Lesungen versehen. Die Jōyō-Kanji-Liste wurden 1981 eingeführt. Sie ersetzte die (1.850 Zeichen umfassenden) Tōyō-Kanji aus dem Jahr 1946 und bestand ursprünglich aus 1.945 Zeichen, bis im Jahr 2010 bei einer Aktualisierung der Liste 196 neue Kanji hinzugefügt und fünf entfernt wurden.
Jinmeiyō-Kanji
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Jinmeiyō-Kanji (人名用漢字, „Namens-Kanji“) sind eine Liste von aktuell 863 Schriftzeichen, die zusätzlich zu den Jōyō-Kanji in japanischen Namen (Vornamen, Familiennamen, geographischen Namen) verwendet werden dürfen. Diese Liste wurde seit 1946 mehrfach verlängert.
Kanji Kentei
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Dreimal jährlich führt die japanische Regierung den sogenannten Kanji-Kentei-Test (日本漢字能力検定試験 Nihon kanji nōryoku kentei shiken) durch, der die Fähigkeit der Kanji-Lesung und -schreibung überprüfen soll. Er umfasst insgesamt zwölf Stufen; auf der höchsten, für erfolgreiche Absolventen besonders prestigeträchtigen Stufe (Stufe 1) wird eine Kenntnis von ca. 6.000 Kanji vorausgesetzt. Beim Kanji Kentei im März 2015, den insgesamt 741.377 Teilnehmer ablegten, bestanden 85 Teilnehmer den Test der Stufe 1.[4]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hanja (Sinokoreanisch)
- Hán Tự (Sinovietnamesisch)
- Han-Vereinheitlichung
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- John DeFrancis: The Chinese Language. Fact and Fantasy. University of Hawaii Press, Honolulu 1990, ISBN 0-8248-1068-6 (englisch).
- William C. Hannas: Asia’s Orthographic Dilemma. University of Hawaii Press, Honolulu 1997, ISBN 0-8248-1892-X (englisch, Paperback).
- James W. Heisig, Robert Rauther: Die Kanji lernen und behalten Bände 1 bis 3. Neue Folge. Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-465-04191-7.
- Stephen Kaiser: Introduction to the Japanese Writing System. In: Kodansha’s Compact Kanji Guide. Kondansha International, Tokio 1991, ISBN 4-7700-1553-4 (englisch).
- Joyce Yumi Mitamura, Yasuko Kosaka Mitamura: Let’s Learn Kanji. Kodansha International, Tokio 1997, ISBN 4-7700-2068-6 (englisch).
- Jürgen Stalph: Grundlagen einer Grammatik der sinojapanischen Schrift (= Veröffentlichungen des Ostasien-Instituts der Ruhr-Universität Bochum). Otto Harrassowitz, Wiesbaden 1989, ISBN 3-447-02944-7.
- J. Marshall Unger: Literacy and Script Reform in Occupation Japan. Reading Between the Lines. Oxford University Press, New York u. a. 1996, ISBN 0-19-510166-9 (englisch).
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ In der Volksrepublik China (Festlandchina) haben sowohl die vereinfachte Schriftzeichen (Kurzzeichen) als auch die Langzeichen amtlich ihre Gültigkeit. Die Langzeichen werden schulisch nicht gelehrt bzw. als gängige Standardschrift genutzt oder geprüft. Jedoch gehört es weiterhin offiziell zum Schrifttum in China. Es bleibt jedem privat überlassen sich mit den historischen Langzeichen zu beschäftigen, beispielsweise in der chinesischen Kalligraphie, alte historische Schriften o. Ä.
- ↑ Das Logogramm 字 wird im Hochchinesischen nach Pinyin als zì (zi4) im vierten Ton ( ) ausgesprochen, im Regiolekt Kantonesisch wird das Schriftzeichen 字 nach Jyutping als zi6 (zi6) im sechsten Ton ( ) ausgesprochen.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Change in Script Usage in Japanese: A Longitudinal Study of Japanese Government White Papers on Labor, discussion paper by Takako Tomoda in the Electronic Journal of Contemporary Japanese Studies, 19. August 2005.
Wörterbücher
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Japanisch-Deutsches Zeichenlexikon 7150 Zeichen – von Hans-Jörg Bibiko (deutsch, japanisch)
- Das Online Kanji Wörterbuch – オンライン日本語学習 – mit verschiedenen Beispielen – auf yamasa.org
- Japanese Kanji Dictionary auf jisho.org (englisch, japanisch)
- Japanese Kanji Dictionary auf tangorin.com (englisch, japanisch)
- Japanese Kanji Dictionary auf romajidesu.com (englisch, japanisch)
Trainer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Kanji-trainer.org In: kanji-trainer.org, Kostenloses Kanji-Lernprogramm nach Karteikartenprinzip mit Erklärungen der Bestandteile und Merksätzen zu allen Zeichen
- Kostenlose Schreibübungen In: mkengel.de, für JLPT-, Kankentest-, Kyōiku-, Jōyō-Kanji und mehr
- Üben Sie Kanji In: asahi-net.or.jp, Java-Applet zum Lernen und Üben der Kanji
Tool und Helferlein
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Kanji-Schreiber
- Virtuelle japanische Tastatur – Online
- Japanisch-Umschriftkonverter – Kanji in IPA, Romaji, Kana (japanisch, englisch)
- Japanisch-Umschriftkonverter – Kanji in IPA (japanisch, englisch)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Elementary Japanese for College Students. Compiled by Serge Eliséeff, Edwin O. Reischauer and Takehiko Yoshihashi. Harvard Univ. Press, Cambridge 1959, Part II, S. 3.
- ↑ Volker Grassmuck: Die japanische Schrift und ihre Digitalisierung. In: Winfried Nöth, Karin Wenz (Hrsg.): Intervalle 2. Medientheorie und digitale Medien. Kassel University Press, Kassel 1999., ISBN 3-933146-05-4 (Kapitel auch online); Unterabschnitt „Die Zeichen der Han“
- ↑ W G Aston: Nihongi: Chronicles of Japan From the Earliest Times to A, Teil 697, Routledge, 2010, S. 87 books.google.de
- ↑ a b Felix Lill: Den Wald vor lauter Zeichen nicht. Selbst Muttersprachler kapitulieren vor der Fülle der Kanji – einer chinesisch-japanischen Zeichenschrift. In: Die Zeit. 7. Mai 2015, S. 38.
- ↑ Richard Sears: 馬. In: hanziyuan.net. Abgerufen am 20. Juni 2020 (chinesisch, englisch).
- ↑ 馬. In: tangorin.com. Abgerufen am 20. Juni 2020 (japanisch, englisch).
- ↑ 馬. In: Wadoku. Abgerufen am 20. Juni 2020 (deutsch, japanisch).
- ↑ Commons:Ancient Chinese characters project
- ↑ Hary Gunarto: Building Dictionary as Basic Tool for Machine Translation in Natural Language Processing Applications, Journal of Ritsumeikan Studies in Language and Culture, April 2004, 15/3, S. 177–185 Kanji