„Homologie (Biologie)“ – Versionsunterschied
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[[Datei:Homology vertebrates-de.svg|mini|hochkant=1.5|Homologie der [[Vorderextremität]]en bei Wirbeltieren]] |
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Unter '''Homologie''' (v. [[Griechische Sprache|griech.]] ομολογεω, ''homologeo'', übereinstimmen) versteht man die grundsätzlichen Übereinstimmungen von Organen, Organsystemen, Körperstrukturen oder [[Verhalten (Biologie)|Verhaltensweisen]] bei unterschiedlichen systematischen [[Taxon|Taxa]]. |
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[[Datei:Gegenbaur 1870 hand homology.png|mini|hochkant=1.5|Homologe Handknochen bei verschiedenen Säugetieren:<ref>Abbildung aus: [[Carl Gegenbaur|Gegenbaur]] 1870</ref><br />'''I''' Mensch '''II''' Hund '''III''' Schwein '''IV''' Kuh '''V''' Tapir '''VI''' Pferd]] |
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[[Datei:Evolution der Hand.webm|mini|Video: Evolution der Hand|thumbtime=13]] |
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Als '''Homologie''' ({{grcS|ὁμολογεῖν|homologein}} „übereinstimmen“) bezeichnet man in der [[Systematik (Biologie)|biologischen Systematik]] und der [[Vergleichende Anatomie|vergleichenden Anatomie]] die grundsätzliche Übereinstimmung von [[Organ (Biologie)|Organen]], [[Organsystem]]en, Körperstrukturen, [[Physiologie|physiologischen Prozessen]] oder [[Verhalten (Biologie)|Verhaltensweisen]] zweier [[Taxon|Taxa]] aufgrund ihres gemeinsamen [[evolution]]ären Ursprungs. In diesem Artikel wird also auf die Homologie im Sinne des [[Phänotyp]]s eingegangen. |
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Homologe Merkmale gehen auf Merkmale des gemeinsamen Vorfahren zurück, sie sind also [[Gleichwertigkeit|gleichwertig]] bezüglich ihrer stammesgeschichtlichen Herkunft. Die ursprünglichen Merkmale können sich danach in verschiedene Richtungen entwickelt haben und in unterschiedlichen Funktionen gebraucht werden. |
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Die Ähnlichkeiten dieser Merkmale gehen [[Evolution|evolutionär]] auf ein und die selbe Struktur bei einem gemeinsamem Vorfahren zurück, können sich aber auseinander entwickelt haben und müssen nicht (mehr) die gleichen Funktionen erfüllen, das heißt sie sind bezüglich ihrer Herkunft [[äquivalent]]. |
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{{Zitat |
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„Ein Merkmal zweier oder mehrerer [[Taxon|Taxa]] ist homolog, wenn es sich von dem selben (oder einem entsprechenden) Merkmal ihres nächsten gemeinsamen Vorfahren ableitet.<ref>[“Mayr, Ernst (1997). ''Das ist Leben - die Wissenschaft vom Leben'', Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg; S. 189. ISBN 3-8274-1015-0]</ref> |
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|Text=Ein Merkmal zweier oder mehrerer Taxa ist homolog, wenn es sich von demselben (oder einem entsprechenden) Merkmal ihres nächsten gemeinsamen Vorfahren ableitet. |
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|Autor=[[Ernst Mayr]] |
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|Quelle=''Das ist Leben – die Wissenschaft vom Leben'' |
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|ref=<ref>Ernst Mayr: ''Das ist Leben – die Wissenschaft vom Leben''. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 1997. S. 189</ref>}} |
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Homologe Merkmale spielen bei der Erstellung von [[Stammbaum|Stammbäumen]] in der klassischen biologischen Systematik eine wichtige Rolle. |
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== Begriffsabgrenzung: Homologie in der Genetik und Zytogenetik == |
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In der Genetik und Evolutionsbiologie wird der Begriff der Homologie auch auf [[Gen]]e angewandt, die in unterschiedlichen Spezies ähnliche oder identische Funktionen haben und in ihrer Sequenz auf einen gemeinsamen Vorläufer zurückzuführen sind. In diesem Fall kann die Homologie zusätzlich in [[Paralogie]] und [[Orthologie]] unterteilt werden. |
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'''Zytogenetik''' |
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{{Hauptartikel|Homologenpaar|Zytogenetik}} |
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Bei der Betrachtung der [[Chromosomen]] einer [[Zelle (Biologie)|Zelle]] wird der Begriff Homologie in einem anderen Zusammenhang verwendet. Hier bezeichnet man jene zwei Chromosomen als homolog, welche die gleichen [[Gen]]e enthalten. Wenn es sich um einen Organismus mit geschlechtlicher Fortpflanzung handelt, wurde je eines der beiden homologen Chromosomen vom Vater und eines von der Mutter ererbt. |
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Auch bei Vergleichen zwischen zwei nahe verwandten Arten können Chromosomen homologisiert werden, die auf einen gemeinsamen Vorläufer zurückzuführen sind. In diesem erweiterten Sinn sind zwei Chromosomen verschiedener Arten homolog, wenn sie einen sehr ähnlichen Inhalt aufweisen. |
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== Klassisches Verständnis == |
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'''Genetik''' |
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1843 führte [[Richard Owen]] (1804-1902) den Begriff ''Homologie'' ein. Er war noch ein dem [[Kreationismus|Schöpfungsgedanken]] verpflichteter britischer [[Paläontologe]] und [[Morphologie (Biologie)|Morphologe]]. Aufgrund der Unveränderlichkeit der Arten können sich auch ihre kennzeichnenden Merkmale nicht verändern. Die Organismen wurden nach dem Muster verschiedener Typen geschaffen, Merkmalsähnlichkeiten beruhen auf „gewollten“ Variationen im Baumuster dieser Typen. |
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{{Hauptartikel|Homologie (Genetik)}} |
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In der Genetik und [[Evolutionsbiologie]] wird der Begriff der Homologie auch auf der Ebene der Gene angewandt, die in ihrer Sequenz auf einen gemeinsamen Vorläufer zurückzuführen sind. |
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Mit der Einführung der [[Evolutionstheorie]] (1859) von Charles Darwin wurde es notwendig, den Homologiebegriff mit der Veränderlichkeit der Arten in Einklang zu bringen. Es wurde das Konzept der abstrakten „Baupläne“ entwickelt. |
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== Begriffsgeschichte == |
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=== Methode der Homologisierung === |
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In vordarwinscher Zeit verband man mit dem Begriff der Homologie die Ähnlichkeit von Merkmalen bei verschiedenen Spezies unabhängig von ihrer Form und Funktion, aber in Abhängigkeit von ihrer Lage oder ihrer Entwicklung im Organismus.<ref>Manfred Laubichler: ''Das Forschungsprogramm der evolutionären Entwicklungsbiologie'', in: ''Philosophie der Biologie''. Hrsg. [[Ulrich Krohs]] und Georg Toepfer, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005, S. 328</ref> Arbeiten dazu finden sich beim französischen Arzt [[Félix Vicq d’Azyr]] (um 1770) und etwas später bei [[Goethe]] (1790).<ref>''Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären'', gedruckt bei Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1790</ref> Der Begründer der [[Paläontologie]] [[Georges Cuvier]] ordnete (etwa ab 1803) Fossilien aufgrund des anatomischen Vergleichs homologer Strukturen mit rezenten Organismen erfolgreich in den Stammbaum ein. 1843 führte [[Richard Owen]] (1804–1892) den Begriff „''Homology''“ in die Literatur ein. Mit der Erkenntnis der Veränderlichkeit der Arten, von Darwin 1859 veröffentlicht, wurde es notwendig, Owens ursprüngliche „Erklärung“ der Homologien zu korrigieren. Anstelle der Strukturierung nach Lage oder Entwicklung wurden Homologien mehr und mehr in Abhängigkeit von der Abstammung definiert. Wobei die Vielzahl der gefundenen Homologien die evolutionäre Theorie Darwins schon zu Beginn förderte. In Unkenntnis der Vererbungsregeln wurde zunächst ein Konzept von abstrakten „Bauplänen“ postuliert, bis das Auftreten von Homologien schließlich durch die Erkenntnisse der Genetiker tatsächlich aufgeklärt wurde. |
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Grundannahme: Je ähnlicher verschiedene Organismen sind, um so größer ist ihre Verwandtschaft. |
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== Homologiekriterien == |
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Da aber viele entfernt verwandte Organismen auf Grund einer ähnlichen Lebensweise auch sehr ähnlich aussehen ([[Konvergenz]], siehe [[Analogie_(Biologie)|Analogie]]), sehr nah verwandte Arten aber in unterschiedlichen Lebensräume sehr unterschiedlich aussehen können ([[Divergenz]]), ist es bei einem Vergleich von Organismen notwendig, von diesen Einflüssen zu abstrahieren: Ihre individuellen Baupläne werden durch "Homologisieren" auf abstrakten Bauplänen zurückgeführt. Dabei werden alle Ausformungen der Merkmale, die auf Anpassung an eine gemeinsame Lebensweise zurückgeführt werden können, eliminiert, die von der Lebensweise „verformten“ Merkmale (Änderungen in der Größenrelation, Reduktion, Verschmelzung, Funktionsänderung, Ortsänderung im Gefügesystem) „entzerrt“ (siehe [[Homologie_(Biologie)#Homologiekriterien|Homologiekriterien]]) und zu einem abstrakten „Bauplan“ vereinheitlicht, der als charakteristisch für die jeweilige Verwandtschaftsgruppe gilt. |
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Um eine ''Homologie zwischen anatomischen Merkmalen'' festzustellen, wurden 1952 von dem Zoologen [[Adolf Remane]] (1898–1976) die drei Hauptkriterien „Lage“, „Struktur“ und „Kontinuität“ vorgeschlagen. Von diesen dreien muss mindestens eines zutreffen, damit man von einer „Homologie“ sprechen kann. Anhand der Ähnlichkeiten lasse sich dann auf die Verwandtschaft der Organismen, und damit eine Homologie rückschließen. |
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=== 1. Kriterium der Lage === |
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Je näher diese betrachteten Organismen verwandt sind, um so detaillierter und komplexer ist ihr gemeinsamer Bauplan. Weit entfernt verwandte Organismen können nur auf einen einfachen, mit wenigen generellen Merkmalen ausgestattenten Bauplan zurück geführt werden. |
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Strukturen sind dann homolog, wenn sie trotz unterschiedlicher Ausprägung in Gestalt und Anzahl in einem vergleichbaren Gefügesystem stets die gleiche Lagebeziehung aufweisen. |
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Beispiele: |
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Auf der Suche nach dem [[fehlendes Glied|fehlenden Glied]] (''missing link'') gemeinsamer Vorfahren können diese abstrakten Baupläne als Vorlage dienen. |
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* Innerhalb der Klasse der Insekten erfüllen die verschieden gestalteten Insektenbeine das Kriterium der Lage, denn sie sind alle am Thorax des Tieres angesetzt. |
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* Innerhalb der Klasse der Wirbeltiere gilt ähnliches für die Verdauungsorgane, die sich in Mund–Speiseröhre–Magen–Darm–After gliedern lassen. |
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* Ebenso der Aufbau des Herzens bei Säugetieren (linke Kammer, rechte Kammer, linker und rechter Vorhof sowie ihre Anbindung an die Blutgefäße). |
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* Aufbau der Vordergliedmaßen von [[Landwirbeltiere]]n. Der Grundbauplan besteht aus Knochen, die in der Abfolge von einem Oberarmknochen, zwei Unterarmknochen, mehreren Handwurzelknochen, fünf Mittelhandknochen und fünf Fingern, wobei der Daumen zwei Fingerknochen hat und die restlichen vier jeweils aus drei Fingerknochen angelegt werden. |
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: Trotz identischer innerer Struktur kann das Aussehen und die Funktion der Vordergliedmaßen bei verschiedenen Wirbeltiereklassen sehr verschieden sein, denn sie dienen dem Laufen, Graben, Fliegen, Greifen oder Schwimmen. Im Verlauf der stammesgeschichtlichen Entwicklung haben sich Spezialisierungen der Vorderextremität herausgebildet. Erst der gleiche Grundbauplan weist auf gemeinsame Vorfahren hin, von denen aus sich die Entwicklung zu den heutigen Formen vollzogen hat. |
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=== 2. Kriterium der spezifischen Qualität und Struktur === |
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Auf Grund der Komplexität der Bau- und Leistungsmerkmale von Organismen, konzentriert sich die Homologisierung in der Regel auf einzelne Organsysteme. |
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Ähnliche Strukturen können auch ohne Rücksicht auf die gleiche Lage homologisiert werden, wenn sie in zahlreichen Merkmalen übereinstimmen. Die Sicherheit wächst mit dem Grad der Komplexität der verglichenen Struktur. Maßgeblich für das Homologiekriterium der spezifischen Qualität ist also der „innere Aufbau“ eines Organs oder einer Struktur. |
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Durch Heranziehen mehrerer Kriterien ergibt sich ein multidimensionaler Ähnlichkeitsraum. (In dem unten angeführten hypothetischen Beispiel wird nur ein Merkmal herangezogen!) |
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Beispiele: |
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Ein Vergleich von Bau- und Leistungsmerkmalen heute lebender Arten und von Fossilfunden erlaubt ein Ordnen nach Ähnlichkeiten. Je weiter die Vergleichsobjekte voneinander entfernt sind, desto weniger gemeinsame Merkmale haben sie. Um später größerer Sicherheit bei der Beurteilung des Verwandtschaftsgrades zu haben, müssen möglichst viele morphologische, anatomische, cytologische, physiologische, chemische, ontogenetische, ethologische Merkmale herangezogen werden. Dadurch ergibt sich ein multidimensionaler Ähnlichkeitsraum. (In dem unten angeführten hypothetischen Beispiel wird nur ein Merkmal herangezogen!) |
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* Nach dem Homologiekriterium der spezifischen Qualität sind der menschliche Zahn und die Hautschuppe eines [[Haie|Hais]] homolog, weil die äußerste Schicht aus [[Zahnschmelz]] und die darunterliegende Schicht aus [[Dentin]] besteht. Da sich Zähne wie Placoidschuppen als Spezifikationen eines urtümlich knöchernen Außenskeletts verstehen lassen, sind beide Strukturen tatsächlich homolog. |
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|[[Bild:Homologie.jpg|thumb|Modellstammbaum zur Methode der Homologisierung]] |
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|An den „Knoten“ dieses Stammbaumes sind die gemeinsamen Baupläne zu finden, die mit abnehmender Verwandtschaft immer abstrakter und merkmalsärmer werden. |
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=== 3. Kriterium der Kontinuität (Stetigkeit) === |
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=== Homologiekriterien === |
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Organe sind dann homolog, wenn sie trotz unterschiedlicher Lage durch Zwischenformen, die sich homologisieren lassen, in Verbindung gebracht werden können. |
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Sie wurden 1952 von [[Adolf Remane]] (1898-1976) entwickelt, der davon überzeugt war, aus der Feststellung der Homologie a priori die Verwandtschaft der Organismen feststellen zu können. |
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==== Kriterium der Lage ==== |
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Strukturen sind dann homolog, wenn sie trotz unterschiedlicher Ausprägung in Gestalt und Anzahl in einem vergleichbaren Gefügesystem stets die gleiche Lagebeziehung aufweisen.. |
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Beispiele: |
Beispiele: |
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* Bestimmte Teile des Blutgefäßsystems ([[Halsschlagader]]) von Säugetieren lassen sich aufgrund von Embryonalstadien („Kiemenspalte“) mit den [[Kiemen]]­bogenarterien der Fische homologisieren. |
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* Vordergliedmaßen der [[Landwirbeltiere]]. Der Grundbauplan besteht aus der Abfolge von einem Oberarmknochen, zwei Unterarmknochen, mehreren Handwurzelknochen, fünf Mittelhandknochen und fünf Fingern mit je drei Fingerknochen. |
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* die [[Schwimmblase]] von [[Knochenfische]]n und die Lunge von [[Landwirbeltiere]]n sind homolog, da sich die Entwicklung von der Schwimmblase zur Lunge mit Hilfe der [[Amphibien]] und [[Sauropsida|Sauropsiden]] nachvollziehen lässt. |
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: Bei gleichem Grundaufbau kann aber tatsächliche Struktur und die Funktion der Vordergliedmaßen der Wirbeltiere sehr verschieden sein. Sie dienen dem Laufen, Graben, Fliegen oder Schwimmen. Im Verlauf der stammesgeschichtlichen Entwicklung haben sich Spezialisierungen dieser Teile herausgebildet. |
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==== Rezente Zwischenformen ==== |
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Der gleiche Grundbauplan weist auf gemeinsame Vorfahren hin, von denen aus sich die Entwicklung zu den heutigen Formen vollzogen hat. |
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Beispiel: Die Homologie des [[Articulare]] und [[Quadratum]] der [[Amphibien]], [[Reptilien]] und [[Vögel]] mit [[Amboss (Anatomie)|Amboss]] und [[Hammer (Anatomie)|Hammer]] im [[Mittelohr]] der [[Säugetiere]], sowie der hyomandibularen Columella der Vögel, Reptilien und Amphibien mit dem [[Steigbügel (Anatomie)|Steigbügel]] der Säugetiere wurde bereits 1837 von [[Karl Bogislaus Reichert|Carl Bogislaus Reichert]] (1811–1883) entdeckt. |
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==== Rudimente und Atavismen ==== |
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* Auch bei den Insektenbeinen ist das Kriterium der Lage erfüllt. |
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Ein weiterer anatomischer Beleg für die Evolution sind [[Rudimente]]. Darunter versteht man rückgebildete Reste von Organen, die ihre Funktion verloren haben und dadurch überflüssig geworden sind. Zum Beispiel ist der Beckengürtel beim Bartenwal ein Rudiment. Erlangen diese Organe im Laufe der Zeit keine neuen Funktionen, können sie ganz verloren gehen: So ist die Blindschleiche keine Schlange, sondern eine Eidechse, deren Extremitäten vollständig zurückgebildet sind. In seltenen Fällen können rückgebildete Organe wieder auftreten, etwa beim Menschen der Fortsatz des Steißbeins als Schwanz. Man spricht in diesen Fällen von [[Atavismus|Atavismen]]. |
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* Verdauungsorgane der Wirbeltiere (Mund - Speiseröhre - Magen - Darm - After), |
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* des Säugetierherzens (linke Kammer, rechte Kammer, zwei Vorhöfe) |
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==== Embryonale Zwischenformen ==== |
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Während des embryonalen Entwicklungsprozesses werden Homologien zu spezifischen Arten sichtbar, die allerdings nur von ephemerer (vorübergehender) Dauer und beim endgültig entwickelten Lebewesen nicht mehr feststellbar sind. Diese Zwischenformen führten [[Ernst Haeckel]] zu der Annahme, dass jedes Säugetier während seiner [[embryo]]nalen Entwicklung ([[Ontogenese]]) in kurzer Zeit eine vollständige [[Phylogenese]] (vollständige Stammesentwicklung seiner Art) durchläuft. Er formulierte dies in der [[Biogenetische Grundregel|Biogenetischen Grundregel]], deren moderne Fassung so formuliert ist, dass in jedem Stadium der Ontogenese tiefgreifend umgestaltende Veränderungen von evolutionärer Bedeutung auftreten können. |
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Beispiele: |
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==== Kriterium der spezifischen Qualität ==== |
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* Der menschliche Embryo weist in einem bestimmten Entwicklungsstadium eine Kiemenspalte (Kiemenanlage) und damit eine unverkennbare Ähnlichkeit mit den Fischen auf, die später wieder verschwindet. |
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In der Erklärung des "Kriteriums der Lage" wird bereits auf den Aufbau von Organen eingegangen. Der Aufbau eines Organs ist bei dem Homologiekriterium der spezifischen Qualität ebenso wichtig, nur tiefgreifender. Hierbei ist nicht der "grobe" Aufbau eines Organs gemeint, sondern der stoffliche oder mikrobiologische. |
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* Der [[Vogelskelett|Vogelflügel]] ist mit der Hand des Menschen homologisierbar, da der Vogelembryo noch eine Hand mit fünf Fingern aufweist, die im Laufe seiner Entwicklung durch Verschmelzung und Reduktion umgebaut werden. |
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==== Fossile Zwischenformen ==== |
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Beispiel: Nach dem Homologiekriterium der spezifischen Qualität sind der menschliche Zahn und die Hautschuppe eines [[Hai]]s homolog, weil die äußerste Schicht aus [[Zahnschmelz]], die darunterliegende Schicht aus [[Dentin]] und letztendlich aus Nerven besteht. |
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Anhand von gefundenen und restaurierten [[Fossil]]ien von [[Mosaikform|Brückentiere]]n lässt sich die schrittweise Entwicklung der Evolution belegen. Dies geschieht entweder durch [[Progressionsreihe (Biologie)|Progressionsreihe]]n oder [[Regressionsreihe]]n, also eine nachvollziehbare Entwicklung von weniger komplexen Strukturen zu sehr komplexen Strukturen bzw. umgekehrt. |
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Beispiel: [[Archaeopteryx]]. Der sogenannte Urvogel zeigt den Übergang zwischen Landbewohnern und dem Lebensraum Luft, da er sowohl [[Merkmal]]e von [[Reptilien]] als auch von [[Vögeln]] besitzt. |
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==== Kriterium der Stetigkeit / Kontinuität ==== |
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(Verknüpfung durch Zwischenformen) |
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==== Ethologische Übergänge ==== |
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Organe sind auch dann homolog, wenn Zwischenformen (z.B. durch Fossilien) bekannt sind. Denn so kann eine stammesgeschichtliche Entwicklung nachvollziehbar sein und der Begriff homolog benutzt werden. |
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Auch ähnliche [[Verhalten (Biologie)|Verhaltensweisen]] können homolog sein, wie speziell die klassische [[Ethologie|ethologische Forschung]] herausgearbeitet hat. |
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Beispiele: das (angeborene) [[Balz]]verhalten innerhalb verwandter Vogelgruppen, etwa von verschiedenen [[Entenvögel|Entenarten]] oder [[Hühnervögel|Hühnerartigen]]. |
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== Homologie bei den Geschlechtsorganen == |
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Unähnliche oder unterschiedlich gelegene Strukturen können als homolog angesehen werden, wenn sie sich durch Zwischenformen, also durch eine kontinuierliche Entwicklungsreihe verbinden lassen. |
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[[Datei:Weibliche Geschlechtsgänge bei Säugetieren 1.png|mini|links|hochkant=1.6|Weibliche Geschlechtsgänge bei Säugetieren verschiedener Taxa, homologe Organe in der gleichen Farbe.]] |
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[[Datei:Entsprechungen der Organe im Genitalsystem des Menschen.png|mini|hochkant=1.2|Einander entsprechende Organe bei Mann und Frau.]] |
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Ebenso wie homologe [[Gliedmaßen]] oder homologe [[Sinnesorgan]]e usw. gelten die [[Geschlechtsorgan]]e verschiedener Taxa der Säugetiere, wenn sie aus denselben Organen bei gemeinsamen Vorfahren entstanden sind, als homolog. Aber auch auf die Geschlechtsorgane von Individuen ''derselben'' Spezies, die jeweils aus denselben [[Anlage (Biologie)|embryonalen Anlagen]] hervorgehen, die während ihrer [[Geschlechtsorgan#Ontogenetische Entwicklung der Geschlechtsorgane|Ontogenese]] im weiblichen und männlichen Geschlecht unterschiedliche Formen ausbilden, wird in der Fachliteratur der Homologiebegriff angewandt. Es gibt jedoch auch Geschlechtsorgane mit ähnlicher Form und Funktion, die nicht homolog sind, da sie aus verschiedenen Geschlechtsgängen ([[Urnierengang]] bzw. [[Müller-Gang]]) hervorgehen, namentlich die [[Eileiter]] und die [[Samenleiter]] des Menschen.<ref>[[Rüdiger Wehner]], [[Walter Gehring]]: ''Zoologie'' (= ''Flexibles Taschenbuch: Bio.''). 22., völlig neubearbearbeitet. Auflage, Thieme, Stuttgart 1990, ISBN 3-13-367422-6, S. 746.</ref><ref>[[Michael Schünke]], [[Erik Schulte]], [[Udo Schumacher]]: PROMETHEUS - LernAtlas der Anatomie - Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. Thieme Verlag, 6. Auflage, Stuttgart New York, 2022, S. 230, 236–245. ISBN 978-3-13-244413-3.</ref> |
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== Analogie == |
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===== [[Rezent (Biologie)|rezente]] Zwischenformen ===== |
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{{Hauptartikel|Analogie (Biologie)}} |
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Beispiel: die Homologie des [[Articulare]] und [[Quadratum]] der [[Amphibien]], [[Reptilien]] und [[Vögel]] mit [[Amboss_(Anatomie)|Amboss]] und [[Hammer (Anatomie)|Hammer]] im [[Mittelohr]] der [[Säugetiere]] sowie der hyomandibularen Columella der Vögel, Reptilien und Amphibien mit dem [[Steigbügel (Anatomie)|Steigbügel]] der Säugetiere wurde bereits [[1837]] von [[Carl Bogislaus Reichert]] (1811-1883) entdeckt. |
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Die Ähnlichkeit eines Merkmals ist nicht immer auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückzuführen. Waren verschiedene Arten einem ähnlichen Selektionsdruck ausgesetzt, können sie ähnliche Merkmale auch unabhängig voneinander entwickeln. Sind solche ''analogen Merkmale'' vorhanden, spricht man von konvergenter Entwicklung oder kurz von Konvergenz oder Analogie. Analogien erfüllen ähnliche Aufgaben, sind aber ''nicht'' auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückzuführen. Sie beruhen daher auch nicht auf gemeinsamen Erbanlagen und sind nicht geeignet, eine enge evolutive Verwandtschaft zu begründen. Vereinfacht ausgedrückt beruhen homologe Merkmale auf gemeinsamen Vorfahren und analoge Merkmale auf gemeinsamer Umwelt. |
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Ein Beispiel für Analogie sind die [[Flügel (Vogel)|Flügel der Vögel]] und die [[Flughaut|Flügel der Fledermäuse]] bezüglich der Tragfläche. Federn und Flughaut sind nicht aus einem gemeinsamen fliegenden Vorfahren hervorgegangen, sondern unabhängig voneinander zweimal entstanden. Weitere Beispiele für analoge Merkmale sind: |
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===== [[Rudiment]]e und [[Atavismus|Atavismen]] ===== |
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* Beinlosigkeit bei [[Schlangen]] und bei [[Eidechse]]n |
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* die zum Graben geeigneten Vorderextremitäten von Maulwurf (Säugetier) und Maulwurfsgrille (Insekt) |
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* die stechend-saugenden Rüssel von Wanzen (Hemiptera) und Stechmücken (Diptera) |
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* [[Sukkulenz]] bei [[Kakteen]] der Neuen Welt und bei einigen [[Wolfsmilchgewächse|Euphorbiaceen]] der Alten Welt |
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* Weiße oder nicht gefärbte [[Ei]]er bei Vögeln, die in [[Höhle]]n brüten |
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Die Unterscheidung zwischen analogen und homologen Merkmalen ist nicht in jedem Fall zweifelsfrei möglich, sie ist skalenabhängig, d. h. bei unterschiedlichen Zeit- und Betrachtungsebenen muss dasselbe Merkmal unterschiedlich bewertet werden. Beispielsweise sind die zum Fliegen verwendeten Vorderextremitäten von Vögeln und Fledermäusen anatomisch homolog. Betrachtet man aber anstelle z. B. des Knochenbaus das Merkmal „Flugfähigkeit“, handelt es sich um eine Analogie (da der letzte gemeinsame Vorfahre zwar eine anatomisch entsprechende Vorderextremität mit denselben Knochen besaß, aber nicht flugfähig war). Fachleute verwenden bei der Verwandtschaftsanalyse möglichst keine Merkmale, die „bekanntermaßen zu Konvergenz neigen“.<ref>Douglas F. Futuyma: ''Evolutionsbiologie'', Birkhäuser, Basel 1990, S. 334 f und 346f.</ref> |
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===== [[Embryo|embryonale]] Zwischenformen ===== |
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Beispiel: Der [[Vogelskelett|Vogelflügel]] ist mit der Hand des Menschen homologisierbar, da der Vogelembryo noch eine Hand mit fünf Fingern aufweist, die im Laufe seiner Entwicklung durch Verschmelzung und Reduktion umgebaut werden. |
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Umgekehrt beobachtet man bei nahe verwandten Arten homologe Merkmale, die durch divergente Entwicklungen, [[Gendrift]] oder [[Flaschenhalseffekt]] ganz unterschiedlich erscheinen, manchmal sind Homologien auf den ersten Blick gar nicht mehr erkennbar, beispielsweise wenn ein Merkmal bei der einen Art vollständig reduziert wird. Ohne Fossilfunde, Embryonalstadien, genetische Untersuchungen oder die Kenntnis von Zwischenstadien bei rezenten Arten ist dann schwer entscheidbar, wie die Abwesenheit dieses Merkmals zu deuten ist. Zum Beispiel sind [[Nacktschnecke]]n trotz des Fehlens eines Gehäuses mit den gehäusetragenden [[Schnecken]] eng verwandt, denn die gemeinsamen Vorfahren trugen ein Gehäuse, welches die Nacktschnecken dann verloren haben. |
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===== [[fossil]]e Zwischenformen ===== |
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Beispiel: [[Archaeopteryx]] |
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Anstelle des Begriffs Analogie wird in der neueren Fachliteratur der umfassendere Ausdruck ''[[Homoplasie]]'' als Gegensatz zur Homologie bevorzugt.<ref>vgl. z. B. Anastasia Thanukos: ''Bringing homologies into focus. Evolution: Education and outreach'', 1, 2008, S. 498–504. {{doi|10.1007/s12052-008-0080-5}}.</ref> Homoplasie umfasst neben analoger Entwicklung außerdem die parallele Evolution (z. B. parallele Entwicklung eines Streifenmusters mit unterschiedlicher molekularer Grundlage aus einem ungestreiften Vorfahren bei zwei Fischarten) und die evolutionäre Rückentwicklung, bei der ein verlorenes Merkmal in einer Entwicklungslinie durch [[Mutation]] erneut auftritt. Während anatomische Rückentwicklungen sehr selten sind (ein Beispiel wäre die Wiederentwicklung funktionsfähiger Flügel innerhalb der flugunfähigen [[Gespenstschrecken]]<ref>Michael F. Whiting, Sven Bradler, Taylor Maxwell: ''Loss and recovery of wings in stick insects.'' In: ''[[Nature]]'', Band 421, 2003, S. 264–267. {{doi|10.1038/nature01313}}.</ref>) spielt sie beim Vergleich homologer DNA-Sequenzen eine sehr große Rolle, da aufgrund der vier Basenpaare hier nur vier Permutationen für jede Position möglich sind. |
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=== Weitere Beispiele === |
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* Die [[Flosse|Brustflossen]] von [[Delfine]]n und die [[Vorderbeine]] anderer [[Tetrapoda|Tetrapoden]] |
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* [[Schwimmblase]] von [[Fische]]n und Lunge von [[Landwirbeltiere]]n |
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* [[Kiemen]]bogenarterien der [[Fische]] und [[Halsschlagader]]n der [[Säugetiere]] |
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== Verständnis der phylogenetischen Systematik == |
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Auch [[Verhalten (Biologie)|Verhaltensweisen]] können homolog sein, wie speziell die klassische [[Ethologie|ethologische Forschung]] herausgearbeitet hat. Beispiel: das [[Balz]]verhalten einiger [[Ente]]narten. |
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Merkmale, die auf einen gemeinsamen Ursprung in der Phylogenese zurückzuführen sind, sind homolog. Daher gehörten Homologien zu den ersten Kriterien, die genutzt wurden, um Verwandtschaften zwischen den Taxa zu begründen. |
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1950 wird von [[Willi Hennig]] der Begriff der Homologie durch die Begriffe der phylogenetischen Systematik (Kladismus) ergänzt bzw. präzisiert: |
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=== Homologie vs. Analogie === |
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* [[Apomorphie]] liegt bei einem vergleichsweise abgeleiteten (in der Stammesgeschichte später erworbenen) Merkmal vor. |
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* Homolog sind Strukturen, die sich auf einen gemeinsamen Bauplan zurückführen lassen. Ihre unterschiedliche Ausprägung wird durch [[Divergenz]] erklärt. Ein Beispiel: Die Flügel der Vögel und der Fledermäuse sind bezüglich des Armskelettes homolog, da die Reihenfolge der Knochen, also Oberarmknochen, Elle und Speiche, Handwurzelkochen, Mittelhandknochen und Fingerknochen, gleich geblieben ist.Kurz: Gleicher Bauplan aber andere Funktion |
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* [[Plesiomorphie]] liegt bei einem vergleichsweise ursprünglichen (also stammesgeschichtlich früher erworbenen) Merkmal vor. |
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* [[Analogie (Biologie)|Analog]] sind Strukturen, die sich nicht auf einen gemeinsamen Bauplan zurückführen lassen. Ihre ähnliche Ausprägung wird durch [[Konvergenz (Biologie)|Konvergenz]] erklärt. Ein Beispiel: Flügel der Vögel und Fledermäuse sind bezüglich der Tragfläche - Federn bzw. Flughaut - analog. Ebenso die [[Flügel]] von [[Insekten]] und [[Vögel]]n. Kurz: Anderer Bauplan aber gleiche Funktion. |
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* [[Autapomorphie]] ist der Neuerwerb von Merkmalen in einer Stammart (Beispiel: die Feder bei der Stammart aller [[Vögel]]). |
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* [[Synapomorphie]] ist das Auftreten von abgeleiteten Merkmalen einer Stammart bei ihren beiden Tochterarten und deren Nachfahren (Beispiel: Echoortung bei [[Zahnwale|Zahnwalen]] und [[Bartenwale|Bartenwalen]]). |
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* [[Symplesiomorphie]] ist das Auftreten von gemeinsamen Merkmalen bei verschiedenen Arten, das nicht auf deren letzte gemeinsame Stammart zurückzuführen ist, sondern auf eine noch ältere Stammart, die auch der Vorfahre anderer Arten ist (Beispiel: Haare bei [[Schimpanse]] und [[Mensch]]). |
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Die Bewertung der Merkmale ist also abhängig von der Leserichtung (ursprünglich vs. abgeleitet) und Homologie (Rückführung auf einen gemeinsamen Grundplan): Das Merkmal „Neurocranium“ ist eine Autapomorphie der [[Schädeltiere]], eine Synapomorphie aller zu den Schädeltieren gehörenden Gruppen und eine Plesiomorphie für einzelne zu den Schädeltieren gehörende Gruppen. Der apomorphe Merkmalszustand ist an den Grundplan geknüpft, in dem er zuerst auftritt, in Grundplänen, die aus der weiteren Aufspaltung der resultierenden Gruppe hervorgehen ist dasselbe Merkmal dann im plesiomorphen Zustand. |
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Die [[Analogie (Biologie)|analogen Strukturen oder Verhaltensweisen]] erfüllen in den einzelnen Organismen den gleichen Zweck, sind also bezüglich ihrer Funktion [[äquivalent]], jedoch ''nicht'' auf gemeinsame Vorfahren zurückzuführen. Vereinfacht ausgedrückt sind homologe Merkmale ''ursprungsgleich'', analoge Merkmale ''funktionsgleich''. |
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Der Begriff des Bauplans wird durch den Begriff ''Grundplan'' oder ''Grundmuster'' ersetzt. Letzterer ist definiert als die Summe aller Plesiomorphien und Autapomorphien der letzten gemeinsamen Stammart einer monophyletischen Gruppe. |
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=== Problematik === |
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Zur Anwendung dieses Konzeptes siehe [[Kladistik]] und [[phylogenetische Systematik]], zu seiner Kritik siehe [[Kritische Evolutionstheorie]]. |
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Die Hauptproblematik des typologischen Homologie-Konzepts besteht darin, dass die Richtung der auseinander strebenden Entwicklung homologer Organe erst aus ihrer Phylogenie verstanden werden kann. Es müsste also vor dem Erkennen der Homologie die phylogenetische Verwandtschaft bekannt sein. |
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== Literatur == |
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* Ähnlichkeiten sind nicht immer auf enge phylogenetische Verwandtschaft zurückzuführen, es können auch Anpassungsähnlichkeiten ([[Analogie (Biologie)|Analogien]]) oder „Verlustähnlichkeiten“ sein (aus dem fehlenden Haarkleid bei [[Wale]]n und [[Seekühe]]n kann man nicht auf eine enge Verwandtschaft schließen). |
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* Unterschiede sind nicht immer auf entfernte phylogenetische Verwandtschaft zurückzuführen sie können auch durch divergente Entwicklung von Schwesterarten in unterschiedlichen Lebensräumen, durch „[[Gendrift]]“ oder durch Neuerwerb von Merkmalen entstanden sein. |
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|Autor=Walter M. Fitch |
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* Homologe und dabei ähnliche Merkmale können im Laufe der Evolution soweit auseinander entwickelt werden, dass ihre ursprüngliche Homologie mit Hilfe der Homologiekriterien nicht mehr erkannt werden kann. Dies tritt vor allem dann ein, wenn das Merkmal bei der einen Art verloren geht. Es kann somit nicht entschieden werden, ob die Abwesenheit eines Merkmals primär oder sekundär ist. (So sind [[Nacktschnecken]] trotz des Fehlens eines Gehäuses mit den Gehäuse tragenden [[Schnecken]] eng verwandt.) |
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|Titel=Homology: a personal view on some of the problems |
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|Sammelwerk=[[Trends in Genetics]] |
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|Band=16 |
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|Nummer=5 |
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|Datum=2000-05 |
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|Seiten=227–231 |
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|DOI=10.1016/S0168-9525(00)02005-9 |
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== Weblinks == |
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== Verständnis der phylogenetischen Systematik == |
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* [https://www1.biologie.uni-hamburg.de/b-online/e43/43e.htm Homologie und Analogie; Parallelismus und Konvergenz] |
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Merkmale sind dann homolog, wenn sie auf einen gemeinsamen Ursprung in der Phylogenese zurückzuführen sind. Homologie kann also erst dann festgestellt werden, wenn die Verwandtschaft bekannt ist. |
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1950 wird von [[Willi Hennig]] der Begriff der Homologie durch die Begriffe der phylogenetischen Systematik ersetzt: |
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* [[Apomorphie]] liegt bei einem vergleichsweise abgeleiteten (in der Phylogenie später erworbenen) Merkmal vor. |
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* [[Autapomorphie]] ist der Neuerwerb von Merkmalen in einer Stammart. |
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* [[Synapomorphie]] ist das Auftreten von Merkmalen einer Stammart bei ihren beiden Tochterarten. |
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* [[Symplesiomorphie]] ist das Auftreten von gemeinsamen Merkmalen bei Arten die nicht Tochterarten sind, die aber auf eine frühere Stammart zurückzuführen sind. |
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Die Bewertung ist also abhängig vom kommunizierten Grundplan: Das Merkmal "Neurocranium" ist eine Autapomorphie der [[Schädeltiere]], eine Synapomorphie aller zu den Schädeltieren gehörenden Gruppen und eine Plesiomorphie für einzelne zu den Schädeltieren gehörende Gruppen. Der apomorphe Merkmalszustand ist an den Grundplan geknüpft, in dem er zuerst auftritt, in Grundplänen die aus der weiteren Aufspaltung der resultierenden Gruppe hervorgehen ist dasselbe Merkmal dann im plesiomorphen Zustand. |
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Der Begriff des Bauplans wird durch den Begriff ''Grundmuster'' ersetzt. Das ist die Summe aller Plesiomorphien und Autapomorphien einer Art. |
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Zur Anwendung dieses Konzeptes siehe [[Kladistik]] und [[phylogenetische Systematik]]. |
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== Anmerkungen == |
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* [http://www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/e43/43e.htm Homologie und Analogie; Parallelismus und Konvergenz] |
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[[Kategorie:Evolution]] |
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[[Kategorie:Taxonomie]] |
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Aktuelle Version vom 19. April 2024, 19:31 Uhr


I Mensch II Hund III Schwein IV Kuh V Tapir VI Pferd
Als Homologie (altgriechisch ὁμολογεῖν homologein „übereinstimmen“) bezeichnet man in der biologischen Systematik und der vergleichenden Anatomie die grundsätzliche Übereinstimmung von Organen, Organsystemen, Körperstrukturen, physiologischen Prozessen oder Verhaltensweisen zweier Taxa aufgrund ihres gemeinsamen evolutionären Ursprungs. In diesem Artikel wird also auf die Homologie im Sinne des Phänotyps eingegangen.
Homologe Merkmale gehen auf Merkmale des gemeinsamen Vorfahren zurück, sie sind also gleichwertig bezüglich ihrer stammesgeschichtlichen Herkunft. Die ursprünglichen Merkmale können sich danach in verschiedene Richtungen entwickelt haben und in unterschiedlichen Funktionen gebraucht werden.
„Ein Merkmal zweier oder mehrerer Taxa ist homolog, wenn es sich von demselben (oder einem entsprechenden) Merkmal ihres nächsten gemeinsamen Vorfahren ableitet.“
Homologe Merkmale spielen bei der Erstellung von Stammbäumen in der klassischen biologischen Systematik eine wichtige Rolle.
Begriffsabgrenzung: Homologie in der Genetik und Zytogenetik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zytogenetik
Bei der Betrachtung der Chromosomen einer Zelle wird der Begriff Homologie in einem anderen Zusammenhang verwendet. Hier bezeichnet man jene zwei Chromosomen als homolog, welche die gleichen Gene enthalten. Wenn es sich um einen Organismus mit geschlechtlicher Fortpflanzung handelt, wurde je eines der beiden homologen Chromosomen vom Vater und eines von der Mutter ererbt.
Auch bei Vergleichen zwischen zwei nahe verwandten Arten können Chromosomen homologisiert werden, die auf einen gemeinsamen Vorläufer zurückzuführen sind. In diesem erweiterten Sinn sind zwei Chromosomen verschiedener Arten homolog, wenn sie einen sehr ähnlichen Inhalt aufweisen.
Genetik
In der Genetik und Evolutionsbiologie wird der Begriff der Homologie auch auf der Ebene der Gene angewandt, die in ihrer Sequenz auf einen gemeinsamen Vorläufer zurückzuführen sind.
Begriffsgeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In vordarwinscher Zeit verband man mit dem Begriff der Homologie die Ähnlichkeit von Merkmalen bei verschiedenen Spezies unabhängig von ihrer Form und Funktion, aber in Abhängigkeit von ihrer Lage oder ihrer Entwicklung im Organismus.[3] Arbeiten dazu finden sich beim französischen Arzt Félix Vicq d’Azyr (um 1770) und etwas später bei Goethe (1790).[4] Der Begründer der Paläontologie Georges Cuvier ordnete (etwa ab 1803) Fossilien aufgrund des anatomischen Vergleichs homologer Strukturen mit rezenten Organismen erfolgreich in den Stammbaum ein. 1843 führte Richard Owen (1804–1892) den Begriff „Homology“ in die Literatur ein. Mit der Erkenntnis der Veränderlichkeit der Arten, von Darwin 1859 veröffentlicht, wurde es notwendig, Owens ursprüngliche „Erklärung“ der Homologien zu korrigieren. Anstelle der Strukturierung nach Lage oder Entwicklung wurden Homologien mehr und mehr in Abhängigkeit von der Abstammung definiert. Wobei die Vielzahl der gefundenen Homologien die evolutionäre Theorie Darwins schon zu Beginn förderte. In Unkenntnis der Vererbungsregeln wurde zunächst ein Konzept von abstrakten „Bauplänen“ postuliert, bis das Auftreten von Homologien schließlich durch die Erkenntnisse der Genetiker tatsächlich aufgeklärt wurde.
Homologiekriterien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Um eine Homologie zwischen anatomischen Merkmalen festzustellen, wurden 1952 von dem Zoologen Adolf Remane (1898–1976) die drei Hauptkriterien „Lage“, „Struktur“ und „Kontinuität“ vorgeschlagen. Von diesen dreien muss mindestens eines zutreffen, damit man von einer „Homologie“ sprechen kann. Anhand der Ähnlichkeiten lasse sich dann auf die Verwandtschaft der Organismen, und damit eine Homologie rückschließen.
1. Kriterium der Lage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Strukturen sind dann homolog, wenn sie trotz unterschiedlicher Ausprägung in Gestalt und Anzahl in einem vergleichbaren Gefügesystem stets die gleiche Lagebeziehung aufweisen.
Beispiele:
- Innerhalb der Klasse der Insekten erfüllen die verschieden gestalteten Insektenbeine das Kriterium der Lage, denn sie sind alle am Thorax des Tieres angesetzt.
- Innerhalb der Klasse der Wirbeltiere gilt ähnliches für die Verdauungsorgane, die sich in Mund–Speiseröhre–Magen–Darm–After gliedern lassen.
- Ebenso der Aufbau des Herzens bei Säugetieren (linke Kammer, rechte Kammer, linker und rechter Vorhof sowie ihre Anbindung an die Blutgefäße).
- Aufbau der Vordergliedmaßen von Landwirbeltieren. Der Grundbauplan besteht aus Knochen, die in der Abfolge von einem Oberarmknochen, zwei Unterarmknochen, mehreren Handwurzelknochen, fünf Mittelhandknochen und fünf Fingern, wobei der Daumen zwei Fingerknochen hat und die restlichen vier jeweils aus drei Fingerknochen angelegt werden.
- Trotz identischer innerer Struktur kann das Aussehen und die Funktion der Vordergliedmaßen bei verschiedenen Wirbeltiereklassen sehr verschieden sein, denn sie dienen dem Laufen, Graben, Fliegen, Greifen oder Schwimmen. Im Verlauf der stammesgeschichtlichen Entwicklung haben sich Spezialisierungen der Vorderextremität herausgebildet. Erst der gleiche Grundbauplan weist auf gemeinsame Vorfahren hin, von denen aus sich die Entwicklung zu den heutigen Formen vollzogen hat.
2. Kriterium der spezifischen Qualität und Struktur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ähnliche Strukturen können auch ohne Rücksicht auf die gleiche Lage homologisiert werden, wenn sie in zahlreichen Merkmalen übereinstimmen. Die Sicherheit wächst mit dem Grad der Komplexität der verglichenen Struktur. Maßgeblich für das Homologiekriterium der spezifischen Qualität ist also der „innere Aufbau“ eines Organs oder einer Struktur.
Beispiele:
- Nach dem Homologiekriterium der spezifischen Qualität sind der menschliche Zahn und die Hautschuppe eines Hais homolog, weil die äußerste Schicht aus Zahnschmelz und die darunterliegende Schicht aus Dentin besteht. Da sich Zähne wie Placoidschuppen als Spezifikationen eines urtümlich knöchernen Außenskeletts verstehen lassen, sind beide Strukturen tatsächlich homolog.
3. Kriterium der Kontinuität (Stetigkeit)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Organe sind dann homolog, wenn sie trotz unterschiedlicher Lage durch Zwischenformen, die sich homologisieren lassen, in Verbindung gebracht werden können.
Beispiele:
- Bestimmte Teile des Blutgefäßsystems (Halsschlagader) von Säugetieren lassen sich aufgrund von Embryonalstadien („Kiemenspalte“) mit den Kiemenbogenarterien der Fische homologisieren.
- die Schwimmblase von Knochenfischen und die Lunge von Landwirbeltieren sind homolog, da sich die Entwicklung von der Schwimmblase zur Lunge mit Hilfe der Amphibien und Sauropsiden nachvollziehen lässt.
Rezente Zwischenformen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Beispiel: Die Homologie des Articulare und Quadratum der Amphibien, Reptilien und Vögel mit Amboss und Hammer im Mittelohr der Säugetiere, sowie der hyomandibularen Columella der Vögel, Reptilien und Amphibien mit dem Steigbügel der Säugetiere wurde bereits 1837 von Carl Bogislaus Reichert (1811–1883) entdeckt.
Rudimente und Atavismen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein weiterer anatomischer Beleg für die Evolution sind Rudimente. Darunter versteht man rückgebildete Reste von Organen, die ihre Funktion verloren haben und dadurch überflüssig geworden sind. Zum Beispiel ist der Beckengürtel beim Bartenwal ein Rudiment. Erlangen diese Organe im Laufe der Zeit keine neuen Funktionen, können sie ganz verloren gehen: So ist die Blindschleiche keine Schlange, sondern eine Eidechse, deren Extremitäten vollständig zurückgebildet sind. In seltenen Fällen können rückgebildete Organe wieder auftreten, etwa beim Menschen der Fortsatz des Steißbeins als Schwanz. Man spricht in diesen Fällen von Atavismen.
Embryonale Zwischenformen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während des embryonalen Entwicklungsprozesses werden Homologien zu spezifischen Arten sichtbar, die allerdings nur von ephemerer (vorübergehender) Dauer und beim endgültig entwickelten Lebewesen nicht mehr feststellbar sind. Diese Zwischenformen führten Ernst Haeckel zu der Annahme, dass jedes Säugetier während seiner embryonalen Entwicklung (Ontogenese) in kurzer Zeit eine vollständige Phylogenese (vollständige Stammesentwicklung seiner Art) durchläuft. Er formulierte dies in der Biogenetischen Grundregel, deren moderne Fassung so formuliert ist, dass in jedem Stadium der Ontogenese tiefgreifend umgestaltende Veränderungen von evolutionärer Bedeutung auftreten können.
Beispiele:
- Der menschliche Embryo weist in einem bestimmten Entwicklungsstadium eine Kiemenspalte (Kiemenanlage) und damit eine unverkennbare Ähnlichkeit mit den Fischen auf, die später wieder verschwindet.
- Der Vogelflügel ist mit der Hand des Menschen homologisierbar, da der Vogelembryo noch eine Hand mit fünf Fingern aufweist, die im Laufe seiner Entwicklung durch Verschmelzung und Reduktion umgebaut werden.
Fossile Zwischenformen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anhand von gefundenen und restaurierten Fossilien von Brückentieren lässt sich die schrittweise Entwicklung der Evolution belegen. Dies geschieht entweder durch Progressionsreihen oder Regressionsreihen, also eine nachvollziehbare Entwicklung von weniger komplexen Strukturen zu sehr komplexen Strukturen bzw. umgekehrt.
Beispiel: Archaeopteryx. Der sogenannte Urvogel zeigt den Übergang zwischen Landbewohnern und dem Lebensraum Luft, da er sowohl Merkmale von Reptilien als auch von Vögeln besitzt.
Ethologische Übergänge
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auch ähnliche Verhaltensweisen können homolog sein, wie speziell die klassische ethologische Forschung herausgearbeitet hat. Beispiele: das (angeborene) Balzverhalten innerhalb verwandter Vogelgruppen, etwa von verschiedenen Entenarten oder Hühnerartigen.
Homologie bei den Geschlechtsorganen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ebenso wie homologe Gliedmaßen oder homologe Sinnesorgane usw. gelten die Geschlechtsorgane verschiedener Taxa der Säugetiere, wenn sie aus denselben Organen bei gemeinsamen Vorfahren entstanden sind, als homolog. Aber auch auf die Geschlechtsorgane von Individuen derselben Spezies, die jeweils aus denselben embryonalen Anlagen hervorgehen, die während ihrer Ontogenese im weiblichen und männlichen Geschlecht unterschiedliche Formen ausbilden, wird in der Fachliteratur der Homologiebegriff angewandt. Es gibt jedoch auch Geschlechtsorgane mit ähnlicher Form und Funktion, die nicht homolog sind, da sie aus verschiedenen Geschlechtsgängen (Urnierengang bzw. Müller-Gang) hervorgehen, namentlich die Eileiter und die Samenleiter des Menschen.[5][6]
Analogie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Ähnlichkeit eines Merkmals ist nicht immer auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückzuführen. Waren verschiedene Arten einem ähnlichen Selektionsdruck ausgesetzt, können sie ähnliche Merkmale auch unabhängig voneinander entwickeln. Sind solche analogen Merkmale vorhanden, spricht man von konvergenter Entwicklung oder kurz von Konvergenz oder Analogie. Analogien erfüllen ähnliche Aufgaben, sind aber nicht auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückzuführen. Sie beruhen daher auch nicht auf gemeinsamen Erbanlagen und sind nicht geeignet, eine enge evolutive Verwandtschaft zu begründen. Vereinfacht ausgedrückt beruhen homologe Merkmale auf gemeinsamen Vorfahren und analoge Merkmale auf gemeinsamer Umwelt.
Ein Beispiel für Analogie sind die Flügel der Vögel und die Flügel der Fledermäuse bezüglich der Tragfläche. Federn und Flughaut sind nicht aus einem gemeinsamen fliegenden Vorfahren hervorgegangen, sondern unabhängig voneinander zweimal entstanden. Weitere Beispiele für analoge Merkmale sind:
- Beinlosigkeit bei Schlangen und bei Eidechsen
- die zum Graben geeigneten Vorderextremitäten von Maulwurf (Säugetier) und Maulwurfsgrille (Insekt)
- die stechend-saugenden Rüssel von Wanzen (Hemiptera) und Stechmücken (Diptera)
- Sukkulenz bei Kakteen der Neuen Welt und bei einigen Euphorbiaceen der Alten Welt
- Weiße oder nicht gefärbte Eier bei Vögeln, die in Höhlen brüten
Die Unterscheidung zwischen analogen und homologen Merkmalen ist nicht in jedem Fall zweifelsfrei möglich, sie ist skalenabhängig, d. h. bei unterschiedlichen Zeit- und Betrachtungsebenen muss dasselbe Merkmal unterschiedlich bewertet werden. Beispielsweise sind die zum Fliegen verwendeten Vorderextremitäten von Vögeln und Fledermäusen anatomisch homolog. Betrachtet man aber anstelle z. B. des Knochenbaus das Merkmal „Flugfähigkeit“, handelt es sich um eine Analogie (da der letzte gemeinsame Vorfahre zwar eine anatomisch entsprechende Vorderextremität mit denselben Knochen besaß, aber nicht flugfähig war). Fachleute verwenden bei der Verwandtschaftsanalyse möglichst keine Merkmale, die „bekanntermaßen zu Konvergenz neigen“.[7]
Umgekehrt beobachtet man bei nahe verwandten Arten homologe Merkmale, die durch divergente Entwicklungen, Gendrift oder Flaschenhalseffekt ganz unterschiedlich erscheinen, manchmal sind Homologien auf den ersten Blick gar nicht mehr erkennbar, beispielsweise wenn ein Merkmal bei der einen Art vollständig reduziert wird. Ohne Fossilfunde, Embryonalstadien, genetische Untersuchungen oder die Kenntnis von Zwischenstadien bei rezenten Arten ist dann schwer entscheidbar, wie die Abwesenheit dieses Merkmals zu deuten ist. Zum Beispiel sind Nacktschnecken trotz des Fehlens eines Gehäuses mit den gehäusetragenden Schnecken eng verwandt, denn die gemeinsamen Vorfahren trugen ein Gehäuse, welches die Nacktschnecken dann verloren haben.
Anstelle des Begriffs Analogie wird in der neueren Fachliteratur der umfassendere Ausdruck Homoplasie als Gegensatz zur Homologie bevorzugt.[8] Homoplasie umfasst neben analoger Entwicklung außerdem die parallele Evolution (z. B. parallele Entwicklung eines Streifenmusters mit unterschiedlicher molekularer Grundlage aus einem ungestreiften Vorfahren bei zwei Fischarten) und die evolutionäre Rückentwicklung, bei der ein verlorenes Merkmal in einer Entwicklungslinie durch Mutation erneut auftritt. Während anatomische Rückentwicklungen sehr selten sind (ein Beispiel wäre die Wiederentwicklung funktionsfähiger Flügel innerhalb der flugunfähigen Gespenstschrecken[9]) spielt sie beim Vergleich homologer DNA-Sequenzen eine sehr große Rolle, da aufgrund der vier Basenpaare hier nur vier Permutationen für jede Position möglich sind.
Verständnis der phylogenetischen Systematik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Merkmale, die auf einen gemeinsamen Ursprung in der Phylogenese zurückzuführen sind, sind homolog. Daher gehörten Homologien zu den ersten Kriterien, die genutzt wurden, um Verwandtschaften zwischen den Taxa zu begründen.
1950 wird von Willi Hennig der Begriff der Homologie durch die Begriffe der phylogenetischen Systematik (Kladismus) ergänzt bzw. präzisiert:
- Apomorphie liegt bei einem vergleichsweise abgeleiteten (in der Stammesgeschichte später erworbenen) Merkmal vor.
- Plesiomorphie liegt bei einem vergleichsweise ursprünglichen (also stammesgeschichtlich früher erworbenen) Merkmal vor.
- Autapomorphie ist der Neuerwerb von Merkmalen in einer Stammart (Beispiel: die Feder bei der Stammart aller Vögel).
- Synapomorphie ist das Auftreten von abgeleiteten Merkmalen einer Stammart bei ihren beiden Tochterarten und deren Nachfahren (Beispiel: Echoortung bei Zahnwalen und Bartenwalen).
- Symplesiomorphie ist das Auftreten von gemeinsamen Merkmalen bei verschiedenen Arten, das nicht auf deren letzte gemeinsame Stammart zurückzuführen ist, sondern auf eine noch ältere Stammart, die auch der Vorfahre anderer Arten ist (Beispiel: Haare bei Schimpanse und Mensch).
Die Bewertung der Merkmale ist also abhängig von der Leserichtung (ursprünglich vs. abgeleitet) und Homologie (Rückführung auf einen gemeinsamen Grundplan): Das Merkmal „Neurocranium“ ist eine Autapomorphie der Schädeltiere, eine Synapomorphie aller zu den Schädeltieren gehörenden Gruppen und eine Plesiomorphie für einzelne zu den Schädeltieren gehörende Gruppen. Der apomorphe Merkmalszustand ist an den Grundplan geknüpft, in dem er zuerst auftritt, in Grundplänen, die aus der weiteren Aufspaltung der resultierenden Gruppe hervorgehen ist dasselbe Merkmal dann im plesiomorphen Zustand.
Der Begriff des Bauplans wird durch den Begriff Grundplan oder Grundmuster ersetzt. Letzterer ist definiert als die Summe aller Plesiomorphien und Autapomorphien der letzten gemeinsamen Stammart einer monophyletischen Gruppe.
Zur Anwendung dieses Konzeptes siehe Kladistik und phylogenetische Systematik, zu seiner Kritik siehe Kritische Evolutionstheorie.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Walter M. Fitch: Homology: a personal view on some of the problems. In: Trends in Genetics. Band 16, Nr. 5, Mai 2000, S. 227–231, doi:10.1016/S0168-9525(00)02005-9, PMID 10782117.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Abbildung aus: Gegenbaur 1870
- ↑ Ernst Mayr: Das ist Leben – die Wissenschaft vom Leben. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 1997. S. 189
- ↑ Manfred Laubichler: Das Forschungsprogramm der evolutionären Entwicklungsbiologie, in: Philosophie der Biologie. Hrsg. Ulrich Krohs und Georg Toepfer, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005, S. 328
- ↑ Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären, gedruckt bei Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1790
- ↑ Rüdiger Wehner, Walter Gehring: Zoologie (= Flexibles Taschenbuch: Bio.). 22., völlig neubearbearbeitet. Auflage, Thieme, Stuttgart 1990, ISBN 3-13-367422-6, S. 746.
- ↑ Michael Schünke, Erik Schulte, Udo Schumacher: PROMETHEUS - LernAtlas der Anatomie - Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. Thieme Verlag, 6. Auflage, Stuttgart New York, 2022, S. 230, 236–245. ISBN 978-3-13-244413-3.
- ↑ Douglas F. Futuyma: Evolutionsbiologie, Birkhäuser, Basel 1990, S. 334 f und 346f.
- ↑ vgl. z. B. Anastasia Thanukos: Bringing homologies into focus. Evolution: Education and outreach, 1, 2008, S. 498–504. doi:10.1007/s12052-008-0080-5.
- ↑ Michael F. Whiting, Sven Bradler, Taylor Maxwell: Loss and recovery of wings in stick insects. In: Nature, Band 421, 2003, S. 264–267. doi:10.1038/nature01313.