„Atomkreuzer“ – Versionsunterschied
[ungesichtete Version] | [gesichtete Version] |
K →Atomkreuzer der sowjetischen und russischen Marine: link fix Nachimow |
Linkfix mit AWB |
||
(131 dazwischenliegende Versionen von 80 Benutzern werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
[[ |
[[Datei:Nuclear Warships formation.jpg|mini|Sechs Atomkreuzer der US Navy in Formation]] |
||
'''Atomkreuzer''' ist ein Schiffstyp, der nuklear getriebene [[Kreuzer (Schiff)|Kreuzer]] bezeichnet. Die ersten Schiffe dieser Gattung wurden in den 1960er Jahren in Dienst gestellt. In Amerika und Russland wurden seitdem 13 Atomkreuzer gebaut, von denen heute nur noch zwei russische Einheiten in Dienst stehen. Sämtliche dieser Kreuzer waren [[Lenkwaffenkreuzer]], weshalb sie die Designation (in amerikanischer Nomenklatur) ''CGN'' für ''Cruiser Guided Missile nuclear powered'' erhielten. |
|||
Als '''Atomkreuzer''' werden [[Reaktorschiff|nuklear]] getriebene [[Kreuzer (Schiffstyp)|Kreuzer]] bezeichnet. Die ersten Schiffe dieser Gattung wurden in den 1960er Jahren während des [[Kalter Krieg|Kalten Krieges]] in Dienst gestellt. In den [[Vereinigte Staaten|USA]] und der [[Sowjetunion]] wurden insgesamt 13 Atomkreuzer gebaut, von denen gegenwärtig nur noch zwei heute [[Russland|russische]] Einheiten im Dienst sind. Sämtliche Schiffe dieser Gattung waren [[Lenkwaffenkreuzer]], weshalb sie in US-amerikanischer Nomenklatur die Bezeichnung ''CGN'' für ''Cruiser Guided Missile nuclear powered'' erhielten. |
|||
==Geschichte== |
|||
===Atomkreuzer der US Navy=== |
|||
Die [[United States Navy]] hat insgesamt neun Atomkreuzer in Dienst gestellt. Diese wurden allesamt in den 1990er Jahren deaktiviert. |
|||
== Geschichte == |
|||
====Baugeschichte==== |
|||
=== US Navy (Amerikanische Marine) === |
|||
[[Bild:C2-CG09Underway.jpg|thumb|right|200px|Die ''USS Long Beach'', erster Atomkreuzer der Welt]] |
|||
Die [[United States Navy]] hat zwischen 1961 und 1980 insgesamt neun Atomkreuzer in Dienst gestellt. Sie wurden allesamt in den 1990er Jahren deaktiviert. |
|||
Der erste Atomkreuzer, der weltweit in Dienst gestellt wurde, war die ''[[USS Long Beach (CGN-9)]]'', die ab 1961 aktiv war. Damit wurde sie parallel zum ersten nuklear getriebenen Flugzeugträger ''[[USS Enterprise (CVN-65)]]'' gebaut und fertiggestellt. Ein Jahr später folgte mit der ''[[USS Bainbridge (CGN-25)]]'' die zweite Einheit. Der dritte Atomkreuzer der US Navy war die ''[[USS Truxtun (CGN-35)]]'', der 1967 in Dienst gestellt. Diese drei Schiffe waren Prototypen, die aus den konventionell getriebenen Kreuzerklasse [[Leahy-Klasse|''Leahy'']] respektive [[Belknap-Klasse|''Belknap'']] entwickelt wurden. |
|||
[[Datei:USS Long Beach (CGN-9) underway at sea, circa in the 1960s.jpg|mini|Die USS ''Long Beach'', erster Atomkreuzer der Welt]] |
|||
Nach diesen drei einzelnen Einheiten folgte ab 1970 der Bau der ersten Klasse von Atomkreuzern. Die ''[[California-Klasse]]'' sollte drei Einheiten umfassen, die letzte Einheit wurde jedoch gestrichen, da die Kosten der Klasse zu hoch waren. Die beiden Einheiten wurde schließlich 1974 und 1975 in Dienst gestellt. Die nächste Klasse an Atomkreuzern war die ''[[Virginia-Klasse (Kreuzer)|Virginia-Klasse]]''. Diese sollte die Massenentwicklung an Atomkreuzern in der US Navy darstellen. Zeitweise waren bis zu 23 Einheiten geplant. Tatsächlich wurden nur vier Einheiten gebaut, die 1976, 1977, 1978 und 1980 fertiggestellt wurden. Allerdings wurden auch bei diesen vier Schiffen der Kostenrahmen weit überschritten, woran auch die [[Inflation]] in den 1970er Schuld hatte. |
|||
Der erste Atomkreuzer, der weltweit in Dienst gestellt wurde, war 1961 die ''[[Long Beach (Schiff)|Long Beach]]'' der [[United States Navy|US Navy]]. Damit wurde sie parallel zum ersten nuklear getriebenen Flugzeugträger ''[[Enterprise (Schiff, 1961)|Enterprise]]'' gebaut und fertiggestellt. Ein Jahr später folgte mit der ''[[Bainbridge (Schiff, 1962)|Bainbridge]]'' die zweite Einheit. Der dritte Atomkreuzer der US Navy war die ''[[Truxtun (Schiff, 1967)|Truxtun]]'', die 1967 in Dienst gestellt wurde. Diese drei Schiffe waren Prototypen, die aus den konventionell getriebenen Kreuzerklassen ''[[Leahy-Klasse|Leahy]]'' respektive ''[[Belknap-Klasse|Belknap]]'' entwickelt wurden. |
|||
In den 1980er Jahren wurde das [[Aegis-Kampfsystem]] entwickelt. Dieses war normalen Luftabwehrradaren weit überlegen und sollte auf der neuen Generation von Kreuzern eingesetzt werden. Laut ursprünglichen Plänen sollte es ab der fünften Einheit der ''Virginia-Klasse'' installiert werden. Stattdessen wurde die [[Ticonderoga-Klasse (Kreuzer)|''Ticonderoga-Klasse'']] für das System entwickelt. Durch diese von Gasturbinen getriebene Klasse war die Entwicklung von Atomkreuzern in der US Navy praktisch beendet. |
|||
Nach diesen drei einzelnen Einheiten folgte ab 1970 der Bau der ersten Klasse von Atomkreuzern. Die ''[[California-Klasse]]'' sollte drei Einheiten umfassen, die letzte Einheit wurde aus Kostengründen gestrichen. Die beiden Einheiten wurden schließlich 1974 und 1975 in Dienst gestellt. Die nächste Klasse von Atomkreuzern war die [[Virginia-Klasse (1976)|''Virginia''-Klasse]]. Diese Klasse sollte die Massenentwicklung von Atomkreuzern in der US Navy einleiten. Zeitweise waren bis zu 23 Einheiten geplant. Tatsächlich wurden nur vier Einheiten gebaut, die 1976, 1977, 1978 und 1980 in Dienst gestellt wurden. Allerdings wurde auch bei diesen vier Schiffen der Kostenrahmen weit überschritten, was auch auf die [[Inflation]] in den 1970er Jahren zurückzuführen war. |
|||
Die Außerdienststellung der neun Schiffe der US Navy erfolgte in den 1990er Jahren. Die drei einzelnen Einheiten hatten zu dieser Zeit das Ende ihrer vorgesehenen Lebensdauer von ca. 30 Jahren erreicht und auch drei (''USS Long Beach'') beziehungsweise jeweils zwei (''USS Bainbridge'' und ''USS Truxtun'') Erneuerungen des nuklearen Brennstoffs durchlaufen. Bei den sechs späteren Einheiten war dies jedoch nicht nicht der Fall. Die ''California-'' und ''Virginia-''Einheiten wurden zwischen 1974 und 1980 in Dienst gestellt und erreichten damit nur zwischen 16 und 25 Jahre Einsatzzeit, wurden Anfang der 1990er Jahre gar noch einer gründlichen Überholung unterzogen. Bei diesen Schiffen hätte jedoch Mitte/Ende der 1990er Jahren eine Erneuerung des Brennstoffes angelegen, so dass die Schiffe aus Kostengründen deaktiviert wurden. |
|||
In den 1980er Jahren wurde das [[Aegis-Kampfsystem]] entwickelt. Dieses war normalen Luftabwehrradarsystemen weit überlegen und sollte auf der neuen Generation von Kreuzern eingesetzt werden. Laut ursprünglichen Plänen sollte es ab der fünften Einheit der ''Virginia-Klasse'' installiert werden, alternativ hätte es auf der ''[[CGN-42-Klasse]]'' Verwendung gefunden. Stattdessen wurde die [[Ticonderoga-Klasse (1983)|''Ticonderoga''-Klasse]] für das System entwickelt. Durch diese von Gasturbinen getriebene Klasse war die Entwicklung von Atomkreuzern in der US Navy praktisch beendet. |
|||
====Klassifizierung und Namensgebung==== |
|||
[[Bild:USS South Carolina (CGN-37).JPG|thumb|right|200px|Die ''USS South Carolina'' wurde als ''DLGN'' in Dienst gestellt]] |
|||
Bereits bei ''USS Long Beach'' gab es Unklarheiten über die Klassifizierung. Neben ''CGN'' war auch ''CLGN'' mit dem ''L'' für ''light''/''leicht'' im Gespräch. Ab ''USS Bainbridge'' bis zu ''[[USS South Carolina (CGN-37)]]'' (der zweiten Einheit der ''California-Klasse'') wurden die Einheiten bei Indienststellung als ''DLGN'' bezeichnet. Diese Abkürzung steht für ''Destroyer Leader Guided Missile nuclear powered'' oder ''Zerstörerführer mit Lenkwaffen und Atomantrieb''. Im allgemeinen Sprachgebrauch wurden die Einheiten jedoch als [[Fregatte]]n bezeichnet. Diese Klassifizierung wurde zum 30. Juni 1975 aufgelöst und alle ''DLGN'' wurden zu ''CGN'' umklassifiziert. |
|||
Die Außerdienststellung der neun Schiffe der US Navy erfolgte in den 1990er Jahren. Die drei einzelnen Einheiten hatten zu dieser Zeit das Ende ihrer vorgesehenen Lebensdauer von ca. 30 Jahren erreicht und auch drei ''(USS Long Beach)'' beziehungsweise jeweils zwei (''USS Bainbridge'' und ''USS Truxtun'') Erneuerungen des nuklearen Brennstoffs durchlaufen. Bei den sechs späteren Einheiten war dies jedoch nicht der Fall. Die ''California-'' und ''Virginia-''Einheiten wurden zwischen 1974 und 1980 in Dienst gestellt und erreichten damit nur zwischen 16 und 25 Jahre Einsatzzeit. Sie waren Anfang der 1990er Jahre sogar noch einer gründlichen Überholung unterzogen worden. Bei diesen Schiffen wäre jedoch Mitte/Ende der 1990er Jahre eine Erneuerung der Brennstäbe erforderlich geworden, so dass die Schiffe aus Kostengründen deaktiviert wurden. |
|||
Auch die Namensgebung der Schiffe folgte keiner klaren Linie. Die ''USS Long Beach'' wurde, wie bei Kreuzern üblich, nach einer Stadt benannt. ''USS Bainbridge'' und ''USS Truxtun'', wurden, wie bis 1975 bei Zerstörern üblich nach Kriegsteilnehmern der US Navy benannt, die durch herausragende Tapferkeit ein Vorbild für ihre Kameraden waren oder aus anderen Gründen ausgezeichnet wurden. Die restlichen sechs Schiffe wurden nach Bundesstaaten benannt. Dies zeigt, dass die US Navy die Schiffe hoch einschätzte, da nur ''capital ships'' nach Bundesstaaten benannt werden. Zu diesem Zeitpunkt war dieses Vorrecht den [[Schlachtschiff]]en vorbehalten. |
|||
=== |
=== Sowjetische und russische Marine === |
||
[[ |
[[Datei:Nuclear cruiser Frunze.jpg|mini|Die ''Frunse'' 1985 auf See]] |
||
Die [[sowjetische Marine]] begann mit dem Bau von Atomkreuzern erst wesentlich später. Die erste Einheit der ''[[Kirow-Klasse]]'', die ''Kirow'', wurde 1973 auf Kiel gelegt und erst 1980 in Dienst gestellt, somit zeitgleich mit dem Indienststellung der letzten amerikanischen Atomkreuzer. Die zweite Einheit, ''Frunse'' folgte 1985, die dritte, genannt ''Kalinin'' 1988. Das vierte Schiff der Klasse, die ''Juri Andropow'', wurde 1986 auf Kiel gelegt, aber nach langen Verzögerungen erst 1996 bei der [[Russische Marine|russischen Marine]] in Dienst gestellt. Eine fünfte Einheit wurde zwar auf Kiel gelegt, jedoch 1992 noch vor der Vollendung in der Werft abgebrochen. |
|||
Die [[sowjetische Marine]] begann mit dem Bau von Atomkreuzern erst wesentlich später. Die erste Einheit des [[Projekt 1144|Projekts 1144]], die ''[[Projekt 1144#Admiral Uschakow (Kirow)|Kirow]]'', wurde 1973 auf Kiel gelegt und erst 1980 in Dienst gestellt, somit zeitgleich mit der Indienststellung der letzten amerikanischen Atomkreuzer. Die zweite Einheit, die ''[[Projekt 1144#Admiral Lasarew (Frunse)|Frunse]]'' folgte 1985, die dritte, genannt ''[[Admiral Nachimow (Schiff, 1988)|Kalinin]]'' 1988. Das vierte Schiff der Klasse, die ''[[Pjotr Weliki (Schiff, 1998)|Juri Andropow]]'', wurde 1986 auf Kiel gelegt, aber nach langen Verzögerungen erst 1998 bei der nunmehrigen [[Russische Marine|russischen Marine]] in Dienst gestellt. Eine fünfte Einheit wurde zwar auf Kiel gelegt, jedoch 1992 noch vor der Vollendung in der Werft abgebrochen. |
|||
Die Einheiten wurden von der NATO als [[Schlachtkreuzer]] klassifiziert. Aur Grund der überwiegenden Bewaffnung mit Raketen passt jedoch auch die ''Kirow-Klasse'' eher in die Klassifikation Lenkwaffenkreuzer. Die vier Schiffe wurden nach wichtigen Persönlichkeiten der kommunistischen Sowjetunion, nämlich [[Sergei Mironowitsch Kirow]], [[Michail Frunse]], [[Michail Iwanowitsch Kalinin]] und [[Juri Wladimirowitsch Andropow]] benannt. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden die Einheiten umbenannt, die ''Kirow'' hieß seitdem ''Admiral Uschakow'' nach [[Fjodor Fjodorowitsch Uschakow]], die ''Frunse'' ''Admiral Lasarew'' nach [[Michail Petrowitsch Lasarew]], die ''Kalinin'' hieß seitdem ''Admiral Nakhimov'', nach [[Pawel Stepanowitsch Nachimow|Pawel Nachimow]] und die ''Juri Andropow'' wurde ''Pyotr Velikiy'' genannt, [[Peter der Große]]. |
|||
Die ''Admiral Uschakow'' sowie die ''Admiral Lasarew'' wurden 2021 abgewrackt.<ref>{{Internetquelle | autor= | url=https://www.navyrecognition.com/index.php/news/defence-news/2019/april/6991-russia-four-submarines-and-two-cruisers-to-be-scrapped-by-2021.html | titel=Russia: four submarines and two cruisers to be scrapped by 2021 | werk= | hrsg=www.navyrecognition.com | datum=2019-04 | seiten= | archiv-url= | archiv-datum= | abruf=2023-05-29 | format= | sprache=en | kommentar= | zitat= | offline= }}</ref> Derzeit ist nur die ''Pjotr Weliki'' – ehemals ''Juri Andropow'' – als [[Flaggschiff]] in aktivem Dienst. |
|||
Das erste Schiff der Klasse wurde 1999 zur Überholung in die Werft gebracht, 2001 aber abgeschrieben und zerlegt. Die zweite Einheit ist seit Mitte der 1990er Jahre inaktiv. Die dritte Einheit wird momentan überholt und soll 2007 wieder seetüchtig sein, die ''Peter der Große'' ist aktiv und dient als [[Flaggschiff]]. |
|||
== Klassifizierung und Namensgebung == |
|||
==Technik & Besatzung== |
|||
[[Datei:USS South Carolina (CGN-37) underway in the Atlantic Ocean on 1 November 1984 (6405117).jpg|mini|Die USS ''South Carolina'' wurde als ''DLGN'' in Dienst gestellt]] |
|||
[[Bild:CGN38 virginia2.jpg|thumb|right|200px|Die Bewaffnung von Atomkreuzern besteht hauptsächlich aus Lenkraketen]] |
|||
Abgesehen von ''USS Bainbridge'' und ''USS Truxtun'' mit ca. 9.000 [[Standard-Tonne|Tonnen]] hatten alle Atomkreuzer Verdrängungen von über 10.000 Tonnen. Die größten Verdränger unter den Atomkreuzern waren die ''Kirows'' mit ca. 25.000 Tonnen. Diese waren mit Längen von über 250 Metern neben den Schlachschiffen der ''[[Iowa-Klasse]]'' auch die größten Kampfschiffe (abgesehen von den Flugzeugträgern), die jemals gebaut wurden. Die amerikanischen Atomkreuzer waren zwischen 170 und 220 Meter lang. Atomreaktoren in Schiffe mit um 5.000 Tonnen (wie sie in den 1960er Jahren normal waren) einzubauen, hat nie funktioniert. Da die bereits genannten kleinsten Atomkreuzer Modifikationen von konventionell getriebenen Einheiten waren, ist auch bekannt, dass die atomare Antriebsanlage die Verdrängung eines Schiffes um rund 1.000 Tonnen erhöht. |
|||
=== US Navy === |
|||
Jeder der 13 Atomkreuzer hatte zwei [[Druckwasserreaktor]]en an Bord. Die Einheiten der ''Kirov-Klasse'' hatten zudem ein ''CONAS''-System an Bord, mit dem der durch den Reaktor gewonnene Dampf zusätzlich konventionell erhitzt werden konnte. Die Schiffe waren zwar nicht schneller als konventionell getriebene, sondern können wie diese knapp über 30 Knoten laufen, haben jedoch eine quasi unbegrenzte Reichweite. Diese lag mit einer Reaktorfüllung in den 1990er Jahren bei ca. 700.000 Seemeilen, zu Beginn, als der [[Kernenergieantrieb]] auf Schiffen noch jung war, bei höchstens der Hälfte. |
|||
Bereits bei der ''USS Long Beach'' gab es Unklarheiten über die Klassifizierung. Neben ''CGN'' war auch ''CLGN'' mit dem ''L'' für ''light''/''leicht'' im Gespräch. Ab der ''Bainbridge'' bis zur ''[[South Carolina (Schiff, 1975)|South Carolina]]'' (der zweiten Einheit der ''California''-Klasse) wurden die Einheiten bei Indienststellung als ''DLGN'' bezeichnet. Diese Abkürzung steht für ''Destroyer Leader Guided Missile nuclear powered'' oder ''nuklear angetriebener Lenkwaffenzerstörerführer''. Im allgemeinen Sprachgebrauch wurden Einheiten, deren Kennung mit ''DL'' begann, jedoch als ''Large Frigates'' ''(Große [[Fregatte]]n)'' bezeichnet. Da diese Bezeichnung in keinem Verhältnis zur Größe und militärischen Bedeutung der Atomkreuzer stand, wurde die Klassifizierung zum 30. Juni 1975 geändert und alle ''DLGN'' wurden zu ''CGN'' umklassifiziert. |
|||
Die Namensgebung der Schiffe folgte keiner klaren Linie. Die ''USS Long Beach'' wurde, wie bei Kreuzern üblich, nach einer Stadt benannt. Die ''USS Bainbridge'' und die ''USS Truxtun'', wurden, wie bis 1975 bei Zerstörern üblich, nach Kriegsteilnehmern der US Navy benannt, die durch herausragende Tapferkeit ein Vorbild für ihre Kameraden waren oder aus anderen Gründen ausgezeichnet wurden. Die restlichen sechs Schiffe wurden nach Bundesstaaten benannt. Dies zeigt, dass die Schiffe in der US-Navy einen hohen Stellenwert hatten, da nur ''capital ships'' nach Bundesstaaten benannt werden. Zu diesem Zeitpunkt war dies ausschließlich [[Schlachtschiff]]en vorbehalten. |
|||
Die Decks aller Einheiten sehen, gerade verglichen mit früheren und späteren sowjetischen Einheiten, leer aus, was die Schiffe auf den ersten Blick schwach bewaffnet erscheinen lässt. Jedoch liegt ein Großteil der Bewaffnung unter dem Deck und besteht aus Lenkraketen. Wenn diese in einem [[Vertical Launching System]] gelagert sind, sind an Deck etwa nur die Mündungsklappen zu sehen. |
|||
=== Sowjetische und russische Marine === |
|||
Ein Nachteil der Atomkreuzer ist, dass durch den Nuklearantrieb die Besatzungszahl in die Höhe getrieben wird. So werden mehr Besatzungsmitglieder zur Wartung und Kontrolle der Reaktoren benötigt, außerdem müssen diese teilweise hochspezialisierte Techniker sein, die schwer in Regierungsdienst zu halten sind. Dies sowie die regelmäßig notwendige Nachfüllung des Reaktors, treiben die Unterhaltskosten der Schiffe in die Höhe. Zusätzlich ist bereits der Bau der Schiffe wesentlich teurer als der vergleichbarer konventionell angetriebener Einheiten. |
|||
Die Einheiten wurden von der [[NATO]] als [[Schlachtkreuzer]] klassifiziert, womit man der immensen Größe im Vergleich zu Atomkreuzern westlicher Bauart Rechnung trug. Die vier Schiffe wurden nach wichtigen Persönlichkeiten der Sowjetunion, nämlich [[Sergei Mironowitsch Kirow|Sergei Kirow]], [[Michail Wassiljewitsch Frunse|Michail Frunse]], [[Michail Iwanowitsch Kalinin|Michail Kalinin]] und [[Juri Wladimirowitsch Andropow|Juri Andropow]] benannt. Nach dem [[Zerfall der Sowjetunion]] erhielten die Einheiten neue Namen. Aus der ''Kirow'' wurde die ''Admiral Uschakow'', benannt nach [[Fjodor Fjodorowitsch Uschakow|Fjodor Uschakow]], die ''Frunse'' wurde umgetauft zu ''Admiral Lasarew'' nach [[Michail Petrowitsch Lasarew|Michail Lasarew]], die ''Kalinin'' nach [[Pawel Stepanowitsch Nachimow|Pawel Nachimow]] in ''Admiral Nachimow'' umbenannt und aus der ''Juri Andropow'' wurde zu Ehren von [[Peter I. (Russland)|Peter dem Großen]] die ''Pjotr Weliki''. |
|||
== Technik und Besatzung == |
|||
==Einsatzprofil== |
|||
[[Datei:USS Virginia (CGN-38) launching a RIM-66 Standard missile.jpg|mini|Die Bewaffnung von Atomkreuzern besteht hauptsächlich aus Lenkraketen]] |
|||
[[Bild:Operation Sea Orbit Ships.jpg|thumb|left|200px|Nukleare Kampfgruppe 1964 im Mittelmeer]] |
|||
Die Atomkreuzer der US Navy, teilweise abgesehen von ''USS Long Beach'', die Langstreckenluftabwehrraketen an Bord hatte, passen nicht in die typische Kreuzer-Definition. Ihnen fehlt bis in die 1980er Jahre die Fähigkeit, abseits einer Flotte zu operieren, da die nötige Bewaffnung für Angriffe auf Schiffe und auf weit entfernte Luftziele nicht installiert war. Stattdessen waren sie bereits vom Design her klar als Geleitschutz (zuständig für Luftabwehr und [[U-Jagd]]) für die ebenfalls nuklear getriebenen Flugzeugträger der ''[[Nimitz-Klasse]]'' positioniert worden. In den 1980er Jahren wurden die Atomkreuzer der US Navy mit [[Seezielflugkörper]]n ''[[AGM-84 Harpoon]]'' ausgerüstet, wodurch die Kapazität der Schiffe um Angriffe auf Seeziele erweitert wurde. Die vier ''Virginias'' und die ''USS Long Beach'' erhielten außerdem [[Armored Box Launcher]] mit [[Marschflugkörper]]n Typ ''[[BGM-109 Tomahawk]]'', die Angriffe auf Landziele ermöglichten. |
|||
Abgesehen von der ''USS Bainbridge'' und der ''USS Truxtun'' mit je ca. 9.000 [[Tonne (Einheit)#Long ton|Tonnen]] hatten alle Atomkreuzer eine Verdrängung von über 10.000 Tonnen. Die größten Atomkreuzer waren die ''Kirows'' mit ca. 25.000 Tonnen. Der Einbau von Atomreaktoren in Schiffe mit nur 5.000 Tonnen Verdrängung, wie sie in den 1960er Jahren üblich war, ist der US Navy aus Gewichtsgründen nie gelungen. Da die bereits genannten kleinsten Atomkreuzer Modifikationen von konventionell getriebenen Einheiten waren, ist auch bekannt, dass die atomare Antriebsanlage die Verdrängung eines Schiffes um rund 1.000 Tonnen erhöht. Die Schiffe sind zwischen 170 und 220 Meter (US Navy) beziehungsweise 250 Meter (Sowjetische Marine) lang. Diese sind auch die größten je gebauten Lenkwaffenkreuzer. |
|||
Die Navy wollte mit den Atomkreuzern vermehrt nur-nukleare [[Trägerkampfgruppe]]n bilden. Dafür sollte ein Verhältnis Atomkreuzer:Träger von mindestens 2:1, idealerweise 4:1, hergestellt werden. Zwischen diesen Werten blieb die Navy bis in die 1980er hinein, da aber die Produktion von Atomträgern weiterging, rutschte die Ratio auf 1,3:1 ab. Die gewollten ''Nuclear Task-Forces'' kamen nur einmal im tatsächlichen Einsatz zum Einsatz: 1979 wurde im Rahmen der [[Geiselnahme von Teheran]] eine Gruppe bestehend aus ''[[USS Nimitz (CVN-68)]]'', ''[[USS Texas (CGN-39)]]'' und ''[[USS California (CGN-36)]]'' aus dem Mittelmeer in den persischen Golf geschickt; eine Fahrt, die die Schiffe mit hoher Geschwindigkeit durchführten. Dies ist auch der grundsätzliche Vorteil der atomar getriebenen Kreuzer: Sie können lange Distanzen zusammen mit dem Träger auch mit hoher Geschwindigkeit zurücklegen und müssen am Zielort nicht bunkern, sondern sind sofort einsatzbereit. Diese Fähigkeit testete die Navy bereits 1964, als ''USS Enterprise'', ''USS Long Beach'' und ''USS Bainbridge'' in der [[Operation Sea Orbit]] in nur 65 Tagen eine komplette Weltumrundung durchführten. |
|||
Jeder der 13 Atomkreuzer hatte zwei [[Druckwasserreaktor]]en an Bord. Die Einheiten der ''Kirow-Klasse'' hatten zudem ein ''[[CONAS-Antrieb|CONAS]]''-System an Bord, mit dem der durch den Reaktor gewonnene Dampf zusätzlich konventionell erhitzt werden konnte. Die atomar getriebenen Kreuzer waren zwar nicht schneller als konventionell getriebene Kriegsschiffe und können wie diese knapp über 30 [[Knoten (Einheit)|Knoten]] laufen. Ihr besonderer Antrieb ermöglicht allerdings eine nahezu unbegrenzte Reichweite. Diese lag mit einer Reaktorfüllung in den 1990er Jahren bei ca. 700.000 [[Seemeile]]n. Zu Beginn, als der [[Kernenergieantrieb]] auf Schiffen noch neu war, lag die Reichweite noch bei höchstens der Hälfte. |
|||
[[Image:Nuclear cruiser Kirov.jpg|thumb|right|200px|Die erste Einheit der ''Kirow-Klasse'' 1992 mit Begleitschutz]] |
|||
Die sowjetischen beziehungsweise russischen Atomkreuzer waren von Beginn an sehr viel mehr an den klassischen Kreuzer-Begriff angelehnt. Sie waren als Offensiv-Einheiten mit Anti-Schiff- und Anti-Luft-Kapazität sowie mit der Möglichkeit zur U-Jagd geplant. Somit dienten sie als Flaggschiffe innerhalb der sowjetischen/russischen Flotte. Als solche wären sie im Ernstfall von kleineren Einheiten wie Fregatten und Zerstören gedeckt worden. |
|||
Wesentlicher Nachteil der Atomkreuzer ist, dass durch den Nuklearantrieb die Besatzungszahl in die Höhe getrieben wird. So wird hochqualifiziertes Fachpersonal zur Wartung und Kontrolle der Reaktoren benötigt, außerdem müssen dieses Atomingenieure sein, die schwer im Regierungsdienst zu halten sind. Dies sowie die regelmäßig notwendige Nachfüllung des Reaktors treiben die Unterhaltskosten der Schiffe in die Höhe. Zusätzlich ist bereits der Bau der Schiffe wesentlich teurer als der vergleichbarer konventionell angetriebener Einheiten. |
|||
==Liste der Atomkreuzer== |
|||
{| width="100%"> |
|||
! United States Navy!! Sowjetische/Russische Marine |
|||
|- |
|||
| width="45%" valign="top"| |
|||
* [[USS Long Beach (CGN-9)]] |
|||
* [[USS Bainbridge (CGN-25)]] |
|||
* [[USS Truxtun (CGN-35)]] |
|||
* [[California-Klasse]] |
|||
** [[USS California (CGN-36)]] |
|||
** [[USS South Carolina (CGN-37)]] |
|||
* [[Virginia-Klasse (Kreuzer)|Virginia-Klasse]] |
|||
** [[USS Virginia (CGN-38)]] |
|||
** [[USS Texas (CGN-39)]] |
|||
** [[USS Mississippi (CGN-40)]] |
|||
** [[USS Arkansas (CGN-41)]] |
|||
== Einsatzprofil == |
|||
| width="45%" valign="top"| |
|||
=== US Navy === |
|||
* [[Kirow-Klasse]] |
|||
[[Datei:USS Enterprise (CVAN-65), USS Long Beach (CGN-9) and USS Bainbridge (DLGN-25) underway in the Mediterranean Sea during Operation Sea Orbit, in 1964 (KN-9027).jpg|mini|Nukleare Kampfgruppe 1964 im Mittelmeer]] |
|||
** ''Kirow/Admiral Uschakow'' |
|||
** ''Frunse/Admiral Lasarew'' |
|||
** ''Kalinin/Admiral Nakhimow'' |
|||
** ''Juri Andropow/Pyotr Velikiy'' |
|||
|} |
|||
Die Atomkreuzer der US Navy, teilweise abgesehen von der ''USS Long Beach'', die Langstreckenluftabwehrraketen an Bord hatte, passen nicht in die typische Kreuzer-Definition, nämlich die Fähigkeit, ohne Begleitschiffe auf sich gestellt zu operieren. Denn ihnen fehlte bis in die 1980er Jahre die nötige Bewaffnung für Angriffe auf Schiffe und auf weit entfernte Luftziele. Stattdessen waren sie bereits vom Design her klar als Geleitschutz (zuständig für Luftabwehr und [[U-Jagd]]) für die ebenfalls nuklear getriebenen [[Flugzeugträger]] der ''[[Nimitz-Klasse]]'' konzipiert worden. In den 1980er Jahren wurden die Atomkreuzer der US Navy mit [[Seezielflugkörper]]n ''[[AGM-84 Harpoon]]'' ausgerüstet, wodurch die Kampfkraft gegen Seeziele deutlich erweitert wurde. Die vier ''Virginias'' und die ''USS Long Beach'' erhielten außerdem [[Armored Box Launcher]] mit [[Marschflugkörper]]n Typ ''[[BGM-109 Tomahawk]]'', die taktische und nukleare Angriffe auf Landziele ermöglichten. |
|||
==Literatur== |
|||
*Wilhelm M. Donko, Die Atomkreuzer der U.S. Navy, Bernard & Graefe Verlag Koblenz 1987, ISBN 3-7637-5836-4 |
|||
*Stefan Terzibaschitsch: Seemacht USA, Bernard & Graefe Verlag, Bonn, ISBN 3860475762 |
|||
Die US Navy wollte mit den Atomkreuzern vermehrt nur-nukleare [[Trägerkampfgruppe]]n bilden. Dafür sollte ein Verhältnis Atomkreuzer: Träger von mindestens 2:1, idealerweise 4:1, hergestellt werden. Die Navy blieb zwischen diesen Vorgaben bis in die 1980er hinein, da aber die Produktion von Atomträgern weiterging, rutschte das Verhältnis auf 1,3:1 ab. Die gewollten ''Nuclear Task-Forces'' kamen nur einmal tatsächlich zum Einsatz: 1979 wurde im Rahmen der [[Geiselnahme von Teheran]] eine Gruppe aus dem Flugzeugträger ''[[Nimitz (Schiff)|Nimitz]]'', sowie den Atomkreuzern ''[[Texas (Schiff, 1977)|Texas]]'' und ''[[California (Schiff, 1974)|California]]'' bestehend aus dem Mittelmeer in den persischen Golf entsandt. |
|||
{{Kandidat Lesenswert}} |
|||
Diese Fahrt wurde von den Schiffen mit hoher Geschwindigkeit durchgeführt, was auch der grundsätzliche Vorteil der atomar getriebenen Kreuzer ist: Sie sind in der Lage, auch über längere Distanzen mit gleich bleibend hoher Geschwindigkeit zusammen mit dem Träger in andere Operationsgebiete verlegt zu werden und dort sofort einsatzbereit zu sein, ohne dass ein erneutes [[Bunkern]] erforderlich wäre. |
|||
Diese Fähigkeit testete die Navy bereits 1964, als die ''Enterprise'', die ''Long Beach'' sowie die ''Bainbridge'' in der [[Operation Sea Orbit]] in nur 65 Tagen eine komplette Weltumrundung durchführten. |
|||
=== Sowjetische und russische Marine === |
|||
[[Datei:Nuclear cruiser Kirov.jpg|mini|Links die ''Kirow'', [[Typschiff]] ihrer Klasse, rechts daneben die ''[[Marschall Ustinow]]'', ein konventioneller [[Projekt 1164|Slawa]]-Kreuzer (1992)]] |
|||
Die sowjetischen bzw. russischen Atomkreuzer waren von Beginn an sehr viel mehr an den klassischen Kreuzer-Begriff angelehnt. Sie waren als Offensiv-Einheiten mit Anti-Schiff-, Anti-Luft- und Anti-U-Boot-Kapazitäten geplant, also als „Allroundeinheit“ für Einzeloperationen. Somit dienten sie als Flaggschiffe innerhalb der sowjetischen und später russischen Flotte. Als solche wären sie im Ernstfall von kleineren Einheiten wie [[Fregatte]]n und [[Zerstörer]]n unterstützt worden. |
|||
== Liste der Atomkreuzer == |
|||
=== United States Navy === |
|||
* ''[[Long Beach (Schiff)|Long Beach]]'' |
|||
* ''[[Bainbridge (Schiff, 1962)|Bainbridge]]'' |
|||
* ''[[Truxtun (Schiff, 1967)|Truxtun]]'' |
|||
* [[California-Klasse|''California''-Klasse]] |
|||
** ''[[California (Schiff, 1974)|California]]'' |
|||
** ''[[South Carolina (Schiff, 1975)|South Carolina]]'' |
|||
* [[Virginia-Klasse (1976)|''Virginia''-Klasse]] |
|||
** ''[[Virginia (Schiff, 1976)|Virginia]]'' |
|||
** ''[[Texas (Schiff, 1977)|Texas]]'' |
|||
** ''[[Mississippi (Schiff, 1978)|Mississippi]]'' |
|||
** ''[[Arkansas (Schiff, 1980)|Arkansas]]'' |
|||
=== Sowjetische/Russische Marine === |
|||
* [[Projekt 1144|Projekt 1144 (Kirow-Klasse)]] |
|||
** ''Admiral Uschakow'' (ex-''Kirow'') |
|||
** ''Admiral Lasarew'' (ex-''Frunse'') |
|||
** ''[[Admiral Nachimow (Schiff, 1988)|Admiral Nachimow]]'' (ex-''Kalinin'') |
|||
** ''[[Pjotr Weliki (Schiff, 1998)|Pjotr Weliki]]'' (ex-''Juri Andropow'') |
|||
== Literatur == |
|||
* Wilhelm M. Donko: ''Die Atomkreuzer der U.S. Navy.'' Bernard & Graefe Verlag, Koblenz 1987, ISBN 3-7637-5836-4 |
|||
* [[Stefan Terzibaschitsch]]: ''Seemacht USA.'' Bernard & Graefe Verlag, Bonn, ISBN 3-86047-576-2 |
|||
== Einzelnachweise == |
|||
<references /> |
|||
{{Lesenswert|10. Juni 2006|17692599}} |
|||
{{Gesprochener Artikel |
|||
|artikel = Atomkreuzer |
|||
|dateiname = De-Atomkreuzer-article.ogg |
|||
|dauer = 17:43 |
|||
|größe = 7,7 MB |
|||
|sprecher = Blik |
|||
|geschlecht = männlich |
|||
|dialekt = Hochdeutsch |
|||
|oldid = 165505916 |
|||
|artikeldatum = 2017-05-14 |
|||
}} |
|||
[[Kategorie:Kreuzer]] |
|||
[[Kategorie:Militärschiffstyp]] |
[[Kategorie:Militärschiffstyp]] |
||
[[Kategorie:Schiff mit Nuklearantrieb|!Atomkreuzer]] |
Aktuelle Version vom 12. Februar 2025, 23:56 Uhr

Als Atomkreuzer werden nuklear getriebene Kreuzer bezeichnet. Die ersten Schiffe dieser Gattung wurden in den 1960er Jahren während des Kalten Krieges in Dienst gestellt. In den USA und der Sowjetunion wurden insgesamt 13 Atomkreuzer gebaut, von denen gegenwärtig nur noch zwei heute russische Einheiten im Dienst sind. Sämtliche Schiffe dieser Gattung waren Lenkwaffenkreuzer, weshalb sie in US-amerikanischer Nomenklatur die Bezeichnung CGN für Cruiser Guided Missile nuclear powered erhielten.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]US Navy (Amerikanische Marine)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die United States Navy hat zwischen 1961 und 1980 insgesamt neun Atomkreuzer in Dienst gestellt. Sie wurden allesamt in den 1990er Jahren deaktiviert.

Der erste Atomkreuzer, der weltweit in Dienst gestellt wurde, war 1961 die Long Beach der US Navy. Damit wurde sie parallel zum ersten nuklear getriebenen Flugzeugträger Enterprise gebaut und fertiggestellt. Ein Jahr später folgte mit der Bainbridge die zweite Einheit. Der dritte Atomkreuzer der US Navy war die Truxtun, die 1967 in Dienst gestellt wurde. Diese drei Schiffe waren Prototypen, die aus den konventionell getriebenen Kreuzerklassen Leahy respektive Belknap entwickelt wurden.
Nach diesen drei einzelnen Einheiten folgte ab 1970 der Bau der ersten Klasse von Atomkreuzern. Die California-Klasse sollte drei Einheiten umfassen, die letzte Einheit wurde aus Kostengründen gestrichen. Die beiden Einheiten wurden schließlich 1974 und 1975 in Dienst gestellt. Die nächste Klasse von Atomkreuzern war die Virginia-Klasse. Diese Klasse sollte die Massenentwicklung von Atomkreuzern in der US Navy einleiten. Zeitweise waren bis zu 23 Einheiten geplant. Tatsächlich wurden nur vier Einheiten gebaut, die 1976, 1977, 1978 und 1980 in Dienst gestellt wurden. Allerdings wurde auch bei diesen vier Schiffen der Kostenrahmen weit überschritten, was auch auf die Inflation in den 1970er Jahren zurückzuführen war.
In den 1980er Jahren wurde das Aegis-Kampfsystem entwickelt. Dieses war normalen Luftabwehrradarsystemen weit überlegen und sollte auf der neuen Generation von Kreuzern eingesetzt werden. Laut ursprünglichen Plänen sollte es ab der fünften Einheit der Virginia-Klasse installiert werden, alternativ hätte es auf der CGN-42-Klasse Verwendung gefunden. Stattdessen wurde die Ticonderoga-Klasse für das System entwickelt. Durch diese von Gasturbinen getriebene Klasse war die Entwicklung von Atomkreuzern in der US Navy praktisch beendet.
Die Außerdienststellung der neun Schiffe der US Navy erfolgte in den 1990er Jahren. Die drei einzelnen Einheiten hatten zu dieser Zeit das Ende ihrer vorgesehenen Lebensdauer von ca. 30 Jahren erreicht und auch drei (USS Long Beach) beziehungsweise jeweils zwei (USS Bainbridge und USS Truxtun) Erneuerungen des nuklearen Brennstoffs durchlaufen. Bei den sechs späteren Einheiten war dies jedoch nicht der Fall. Die California- und Virginia-Einheiten wurden zwischen 1974 und 1980 in Dienst gestellt und erreichten damit nur zwischen 16 und 25 Jahre Einsatzzeit. Sie waren Anfang der 1990er Jahre sogar noch einer gründlichen Überholung unterzogen worden. Bei diesen Schiffen wäre jedoch Mitte/Ende der 1990er Jahre eine Erneuerung der Brennstäbe erforderlich geworden, so dass die Schiffe aus Kostengründen deaktiviert wurden.
Sowjetische und russische Marine
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die sowjetische Marine begann mit dem Bau von Atomkreuzern erst wesentlich später. Die erste Einheit des Projekts 1144, die Kirow, wurde 1973 auf Kiel gelegt und erst 1980 in Dienst gestellt, somit zeitgleich mit der Indienststellung der letzten amerikanischen Atomkreuzer. Die zweite Einheit, die Frunse folgte 1985, die dritte, genannt Kalinin 1988. Das vierte Schiff der Klasse, die Juri Andropow, wurde 1986 auf Kiel gelegt, aber nach langen Verzögerungen erst 1998 bei der nunmehrigen russischen Marine in Dienst gestellt. Eine fünfte Einheit wurde zwar auf Kiel gelegt, jedoch 1992 noch vor der Vollendung in der Werft abgebrochen.
Die Admiral Uschakow sowie die Admiral Lasarew wurden 2021 abgewrackt.[1] Derzeit ist nur die Pjotr Weliki – ehemals Juri Andropow – als Flaggschiff in aktivem Dienst.
Klassifizierung und Namensgebung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
US Navy
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bereits bei der USS Long Beach gab es Unklarheiten über die Klassifizierung. Neben CGN war auch CLGN mit dem L für light/leicht im Gespräch. Ab der Bainbridge bis zur South Carolina (der zweiten Einheit der California-Klasse) wurden die Einheiten bei Indienststellung als DLGN bezeichnet. Diese Abkürzung steht für Destroyer Leader Guided Missile nuclear powered oder nuklear angetriebener Lenkwaffenzerstörerführer. Im allgemeinen Sprachgebrauch wurden Einheiten, deren Kennung mit DL begann, jedoch als Large Frigates (Große Fregatten) bezeichnet. Da diese Bezeichnung in keinem Verhältnis zur Größe und militärischen Bedeutung der Atomkreuzer stand, wurde die Klassifizierung zum 30. Juni 1975 geändert und alle DLGN wurden zu CGN umklassifiziert.
Die Namensgebung der Schiffe folgte keiner klaren Linie. Die USS Long Beach wurde, wie bei Kreuzern üblich, nach einer Stadt benannt. Die USS Bainbridge und die USS Truxtun, wurden, wie bis 1975 bei Zerstörern üblich, nach Kriegsteilnehmern der US Navy benannt, die durch herausragende Tapferkeit ein Vorbild für ihre Kameraden waren oder aus anderen Gründen ausgezeichnet wurden. Die restlichen sechs Schiffe wurden nach Bundesstaaten benannt. Dies zeigt, dass die Schiffe in der US-Navy einen hohen Stellenwert hatten, da nur capital ships nach Bundesstaaten benannt werden. Zu diesem Zeitpunkt war dies ausschließlich Schlachtschiffen vorbehalten.
Sowjetische und russische Marine
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Einheiten wurden von der NATO als Schlachtkreuzer klassifiziert, womit man der immensen Größe im Vergleich zu Atomkreuzern westlicher Bauart Rechnung trug. Die vier Schiffe wurden nach wichtigen Persönlichkeiten der Sowjetunion, nämlich Sergei Kirow, Michail Frunse, Michail Kalinin und Juri Andropow benannt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion erhielten die Einheiten neue Namen. Aus der Kirow wurde die Admiral Uschakow, benannt nach Fjodor Uschakow, die Frunse wurde umgetauft zu Admiral Lasarew nach Michail Lasarew, die Kalinin nach Pawel Nachimow in Admiral Nachimow umbenannt und aus der Juri Andropow wurde zu Ehren von Peter dem Großen die Pjotr Weliki.
Technik und Besatzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Abgesehen von der USS Bainbridge und der USS Truxtun mit je ca. 9.000 Tonnen hatten alle Atomkreuzer eine Verdrängung von über 10.000 Tonnen. Die größten Atomkreuzer waren die Kirows mit ca. 25.000 Tonnen. Der Einbau von Atomreaktoren in Schiffe mit nur 5.000 Tonnen Verdrängung, wie sie in den 1960er Jahren üblich war, ist der US Navy aus Gewichtsgründen nie gelungen. Da die bereits genannten kleinsten Atomkreuzer Modifikationen von konventionell getriebenen Einheiten waren, ist auch bekannt, dass die atomare Antriebsanlage die Verdrängung eines Schiffes um rund 1.000 Tonnen erhöht. Die Schiffe sind zwischen 170 und 220 Meter (US Navy) beziehungsweise 250 Meter (Sowjetische Marine) lang. Diese sind auch die größten je gebauten Lenkwaffenkreuzer.
Jeder der 13 Atomkreuzer hatte zwei Druckwasserreaktoren an Bord. Die Einheiten der Kirow-Klasse hatten zudem ein CONAS-System an Bord, mit dem der durch den Reaktor gewonnene Dampf zusätzlich konventionell erhitzt werden konnte. Die atomar getriebenen Kreuzer waren zwar nicht schneller als konventionell getriebene Kriegsschiffe und können wie diese knapp über 30 Knoten laufen. Ihr besonderer Antrieb ermöglicht allerdings eine nahezu unbegrenzte Reichweite. Diese lag mit einer Reaktorfüllung in den 1990er Jahren bei ca. 700.000 Seemeilen. Zu Beginn, als der Kernenergieantrieb auf Schiffen noch neu war, lag die Reichweite noch bei höchstens der Hälfte.
Wesentlicher Nachteil der Atomkreuzer ist, dass durch den Nuklearantrieb die Besatzungszahl in die Höhe getrieben wird. So wird hochqualifiziertes Fachpersonal zur Wartung und Kontrolle der Reaktoren benötigt, außerdem müssen dieses Atomingenieure sein, die schwer im Regierungsdienst zu halten sind. Dies sowie die regelmäßig notwendige Nachfüllung des Reaktors treiben die Unterhaltskosten der Schiffe in die Höhe. Zusätzlich ist bereits der Bau der Schiffe wesentlich teurer als der vergleichbarer konventionell angetriebener Einheiten.
Einsatzprofil
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]US Navy
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Atomkreuzer der US Navy, teilweise abgesehen von der USS Long Beach, die Langstreckenluftabwehrraketen an Bord hatte, passen nicht in die typische Kreuzer-Definition, nämlich die Fähigkeit, ohne Begleitschiffe auf sich gestellt zu operieren. Denn ihnen fehlte bis in die 1980er Jahre die nötige Bewaffnung für Angriffe auf Schiffe und auf weit entfernte Luftziele. Stattdessen waren sie bereits vom Design her klar als Geleitschutz (zuständig für Luftabwehr und U-Jagd) für die ebenfalls nuklear getriebenen Flugzeugträger der Nimitz-Klasse konzipiert worden. In den 1980er Jahren wurden die Atomkreuzer der US Navy mit Seezielflugkörpern AGM-84 Harpoon ausgerüstet, wodurch die Kampfkraft gegen Seeziele deutlich erweitert wurde. Die vier Virginias und die USS Long Beach erhielten außerdem Armored Box Launcher mit Marschflugkörpern Typ BGM-109 Tomahawk, die taktische und nukleare Angriffe auf Landziele ermöglichten.
Die US Navy wollte mit den Atomkreuzern vermehrt nur-nukleare Trägerkampfgruppen bilden. Dafür sollte ein Verhältnis Atomkreuzer: Träger von mindestens 2:1, idealerweise 4:1, hergestellt werden. Die Navy blieb zwischen diesen Vorgaben bis in die 1980er hinein, da aber die Produktion von Atomträgern weiterging, rutschte das Verhältnis auf 1,3:1 ab. Die gewollten Nuclear Task-Forces kamen nur einmal tatsächlich zum Einsatz: 1979 wurde im Rahmen der Geiselnahme von Teheran eine Gruppe aus dem Flugzeugträger Nimitz, sowie den Atomkreuzern Texas und California bestehend aus dem Mittelmeer in den persischen Golf entsandt. Diese Fahrt wurde von den Schiffen mit hoher Geschwindigkeit durchgeführt, was auch der grundsätzliche Vorteil der atomar getriebenen Kreuzer ist: Sie sind in der Lage, auch über längere Distanzen mit gleich bleibend hoher Geschwindigkeit zusammen mit dem Träger in andere Operationsgebiete verlegt zu werden und dort sofort einsatzbereit zu sein, ohne dass ein erneutes Bunkern erforderlich wäre. Diese Fähigkeit testete die Navy bereits 1964, als die Enterprise, die Long Beach sowie die Bainbridge in der Operation Sea Orbit in nur 65 Tagen eine komplette Weltumrundung durchführten.
Sowjetische und russische Marine
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die sowjetischen bzw. russischen Atomkreuzer waren von Beginn an sehr viel mehr an den klassischen Kreuzer-Begriff angelehnt. Sie waren als Offensiv-Einheiten mit Anti-Schiff-, Anti-Luft- und Anti-U-Boot-Kapazitäten geplant, also als „Allroundeinheit“ für Einzeloperationen. Somit dienten sie als Flaggschiffe innerhalb der sowjetischen und später russischen Flotte. Als solche wären sie im Ernstfall von kleineren Einheiten wie Fregatten und Zerstörern unterstützt worden.
Liste der Atomkreuzer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]United States Navy
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sowjetische/Russische Marine
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Projekt 1144 (Kirow-Klasse)
- Admiral Uschakow (ex-Kirow)
- Admiral Lasarew (ex-Frunse)
- Admiral Nachimow (ex-Kalinin)
- Pjotr Weliki (ex-Juri Andropow)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Wilhelm M. Donko: Die Atomkreuzer der U.S. Navy. Bernard & Graefe Verlag, Koblenz 1987, ISBN 3-7637-5836-4
- Stefan Terzibaschitsch: Seemacht USA. Bernard & Graefe Verlag, Bonn, ISBN 3-86047-576-2
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Russia: four submarines and two cruisers to be scrapped by 2021. www.navyrecognition.com, April 2019, abgerufen am 29. Mai 2023 (englisch).