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„Raymond Davis junior“ – Versionsunterschied

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'''Raymond Davis Jr.''' (* [[14. Oktober]] [[1914]] in [[Washington (D.C.)]]; † [[31. Mai]] [[2006]] in [[Blue Point]], [[New York]]) war ein [[Vereinigte Staaten|US]]-amerikanischer [[Chemiker]], der [[2002]] mit dem [[Nobelpreis für Physik]] „''für bahnbrechende Arbeiten in der [[Astrophysik]], insbesondere für den Nachweis [[Universum|kosmischer]] [[Neutrino]]s''“ ausgezeichnet wurde.

'''Raymond Davis Jr.''' (* [[14. Oktober]] [[1914]] in [[Washington, D.C.]]; † [[31. Mai]] [[2006]] in [[Blue Point (New York)|Blue Point]], [[New York (Bundesstaat)|New York]]) war ein [[Vereinigte Staaten|US-amerikanischer]] [[Chemiker]] und [[Physiker]], der 2002 mit dem [[Nobelpreis für Physik]] „für bahnbrechende Arbeiten in der [[Astrophysik]], insbesondere für den Nachweis [[Universum|kosmischer]] [[Neutrino]]s“ ausgezeichnet wurde.


[[Bild:Brotfabrik.JPG|thumb|Raymond David Jr.]]
== Leben ==
== Leben ==


Raymond Davis wurde als Sohn eines Photographen und seiner Frau ''Ida Rogers Younger'' am 14. Oktober 1914 in Washington (D.C.) geboren. Durch den Einfluss seines Vaters, der am [[National Institute of Standards and Technology]] arbeitete und später Leiter des Bereichs Photographische Technik wurde, obwohl er die High School nicht beendet hatte, begann er schon früh eigene Experimente und Gerätschaften zu entwickeln.
Raymond Davis wurde als Sohn eines Fotografen und seiner Frau Ida Rogers Younger am 14. Oktober 1914 in Washington D.C. geboren. Durch den Einfluss seines Vaters, der am [[National Institute of Standards and Technology]] arbeitete und später Leiter des Bereichs Fotografische Technik wurde, obwohl er die High School nicht beendet hatte, begann er schon früh eigene Experimente und Gerätschaften zu entwickeln.


Nach dem Besuch öffentlicher Schulen in Washington schloss er sein Studium der Chemie an der [[University of Maryland]] [[1938]] mit dem Diplom ab. Nach einem Jahr bei [[Dow Chemical]] in [[Midland (Michigan)|Midland]], [[Michigan]], ging er wieder zurück an die Universität in Maryland, [[1942]] [[Promotion (Doktor)|promovierte]] er an der [[Yale University]] in Physikalischer Chemie und trat als Reserveoffizier in die Armee ein. Die folgenden Jahre verbrachte er vor allem im Dugway Proving Ground in [[Utah]] mit der Beobachtung von Tests mit chemischen Waffen. Nach seiner Entlassung aus der Army [[1945]] arbeitete er bei [[Monsanto Chemical]] in [[Miamisburg]] (Ohio) an radiochemischen Methoden, die für die Atomenergiekommission von Interesse waren. Im Frühjahr [[1948]] ging er ans [[Brookhaven National Laboratory]] (BNL), das für die Entwicklung ziviler Anwendungen der Atomenergie neu gegründet worden war. Dort traf er auch seine Frau ''Anna Torrey'', die in der Biologieabteilung des BNL beschäftigt war, die beiden heirateten Ende [[1948]]. Sie haben fünf Kinder, ''Andrew'', ''Martha Kumler'', ''Nancy Klemm'', ''Roger'' und ''Alan''. Er verabschiedete sich [[1984]] vom BNL und ging als Professor an das Department of Physics and Astronomy der ''Universität von Maryland''.
Nach dem Besuch öffentlicher Schulen in Washington schloss er sein Studium der [[Chemie]] an der [[University of Maryland]] 1938 mit dem Diplom ab. Nach einem Jahr bei [[Dow Chemical]] in [[Midland (Michigan)|Midland]], [[Michigan]], ging er wieder zurück an die Universität in Maryland, 1942 [[Promotion (Doktor)|promovierte]] er an der [[Yale University]] in [[Physikalische Chemie|Physikalischer Chemie]] und trat als Reserveoffizier in die Armee ein. Die folgenden Jahre verbrachte er vor allem im Dugway Proving Ground in [[Utah]] mit der Beobachtung von Tests mit chemischen Waffen. Nach seiner Entlassung aus der Army 1945 arbeitete er bei [[Monsanto Chemical]] in [[Miamisburg]] (Ohio) an [[Radiochemie|radiochemischen]] Methoden, die für die [[United States Atomic Energy Commission|Atomenergiekommission]] von Interesse waren. Im Frühjahr 1948 ging er ans [[Brookhaven National Laboratory]] (BNL), das für die Entwicklung ziviler Anwendungen der Atomenergie neu gegründet worden war. Dort traf er auch seine Frau Anna Torrey, die in der Biologieabteilung des BNL beschäftigt war, die beiden heirateten Ende 1948. Sie haben fünf Kinder, Andrew, Martha Kumler, Nancy Klemm, Roger und Alan. Er verabschiedete sich 1984 vom BNL und ging als Professor an das Department of Physics and Astronomy der [[University of Pennsylvania]] in [[Philadelphia]].


== Werk ==
== Werk ==


Davis bekam beim BNL keine feste Aufgabe zugewiesen, sondern er konnte sich ein Gebiet seiner Wahl aussuchen - er entschied sich für die Neutrinophysik. Neutrinos existierten zu dieser Zeit nur als theoretisches Postulat, experimentelle Arbeiten dazu gab es noch nicht - es war somit ein ideales Betätigungsfeld, um seine Erfahrungen in der Radiochemie einzubringen.
Davis bekam beim BNL keine feste Aufgabe zugewiesen, sondern er konnte sich ein Gebiet seiner Wahl aussuchen er entschied sich für die Neutrinophysik. Neutrinos existierten zu dieser Zeit nur als theoretisches Postulat, experimentelle Arbeiten dazu gab es noch nicht es war somit ein ideales Betätigungsfeld, um seine Erfahrungen in der Radiochemie einzubringen.


Sein erstes Experiment war die Umsetzung einer Idee von [[Bruno Pontecorvo]] aus dem Jahre [[1946]] zum Nachweis der in einem Kernreaktor entstehenden Neutrinos mit der Reaktion <sup>37</sup>Cl + ν → <sup>37</sup>Ar + e. Zu diesem Zweck baute er am Forschungsreaktor des BNL einen 1000-Gallonen-Tank mit [[Tetrachlormethan|Kohlenstofftetrachlorid]], [[1955]] einen größeren in der Nähe eines Reaktors in [[Savannah River]]. Diese Experimente verliefen jedoch negativ. Später stellte sich heraus, dass das zu dieser Zeit favorisierte Postulat der Identität von Neutrinos und Antineutrinos falsch war - es konnte deshalb kein Nachweis gelingen, da im Reaktor Antineutrinos erzeugt werden, während die Nachweisreaktion auf Neutrinos sensitiv ist. Bemerkenswert ist jedoch, dass Davis eine 20fach höhere Empfindlichkeit für den Neutrinofluss erreicht hatte als sie [[1956]] zum experimentellen Nachweis der Reaktor-Neutrinos durch [[Frederick Reines|Reines]], der dafür den Physiknobelpreis [[1995]] erhielt, und ''Cowan'' notwendig waren.
Sein erstes Experiment war die Umsetzung einer Idee von [[Bruno Pontecorvo]] aus dem Jahre 1946 zum Nachweis der in einem Kernreaktor entstehenden Neutrinos mit der Reaktion <sup>37</sup>Cl + ν → <sup>37</sup>Ar + e. Zu diesem Zweck baute er am Forschungsreaktor des BNL einen 1000-[[Gallone]]n-Tank mit [[Tetrachlormethan|Kohlenstofftetrachlorid]], 1955 einen größeren in der Nähe eines Reaktors in der [[Savannah River Site]]. Diese Experimente verliefen jedoch negativ. Später stellte sich heraus, dass das zu dieser Zeit favorisierte Postulat der [[Majorana-Fermion|Identität von Neutrinos und Antineutrinos]] falsch war es konnte deshalb kein Nachweis gelingen, da im Reaktor Antineutrinos erzeugt werden, während die Nachweisreaktion auf Neutrinos sensitiv ist. Bemerkenswert ist jedoch, dass Davis eine 20-fach höhere Empfindlichkeit für den Neutrinofluss erreicht hatte als sie 1956 zum experimentellen Nachweis der Reaktor-Neutrinos durch [[Frederick Reines]], der dafür den Physiknobelpreis 1995 erhielt, und [[Clyde L. Cowan]] notwendig waren.


Im Anschluss an die Savannah-Experimente wandte er sich dem Problem der Sonnenneutrinos zu, einem Thema, das ihn Zeit seines Lebens beschäftigen sollte. Hierzu baute er eine Pilotanlage in der ''Barberton-Limestone-Mine'' in der Nähe von [[Akron]], Ohio. In den [[1960er]]n baute er in der ''Homestake-Goldmine'' in [[Lead]], South Dakota, in etwa 1400 Meter Tiefe einen 100.000-Gallonen-Tank mit [[Perchlorethylen]]. Obwohl die ersten Messungen ergebnislos blieben, verfeinerte er die Messtechniken soweit, dass er um 1970 erstmals Sonnenneutrinos nachweisen konnte. Der gemessene Fluss lag jedoch nur bei etwa einem Drittel des von [[John N. Bahcall]] postulierten Flusses - das [[Sonnenneutrinoproblem]] sollte für die folgenden Jahre die Theoretiker und Experimentatoren beschäftigen und erst durch die Entdeckung der [[Neutrinooszillation]]en gelöst werden.
Im Anschluss an die Savannah-Experimente wandte er sich dem Problem der Sonnenneutrinos zu, einem Thema, das ihn zeit seines Lebens beschäftigen sollte. Hierzu baute er eine Pilotanlage in der ''Barberton-Limestone-Mine'' in der Nähe von [[Akron]], Ohio. In den 1960ern baute er in der ''[[Homestake-Experiment|Homestake-Goldmine]]'' in [[Lead (South Dakota)|Lead]], South Dakota, in etwa 1400 Meter Tiefe einen 100.000-Gallonen-Tank mit [[Perchlorethylen]]. Obwohl die ersten Messungen ergebnislos blieben, verfeinerte er die Messtechniken so weit, dass er um 1970 erstmals Sonnenneutrinos nachweisen konnte. Der gemessene Fluss lag jedoch nur bei etwa einem Drittel des von [[John N. Bahcall]] postulierten Flusses das Sonnenneutrinoproblem sollte für die folgenden Jahre die Theoretiker und Experimentatoren beschäftigen und erst durch die Entdeckung der [[Neutrinooszillation]]en gelöst werden.


== Würdigung ==
== Würdigung ==


Davis war Zeit seines Lebens ein Einzelkämpfer, der durch seine Arbeit die Grundlagen der modernen Neutrinophysik gelegt hat. Dies gelang ihm weniger durch seine Ergebnisse als durch seinen kompromisslosen Kampf, das „Unmessbare“ zu messen. Er überzeugte die Fachwelt durch die Demonstration einer zuverlässigen Messbarkeit auch von Reaktionsraten mit wenigen Ereignissen pro Monat. Erst durch seine Messungen gewannen auch andere Forscher Vertrauen in die Machbarkeit und konzipierten Experimente wie das [[SNO]], [[Gallex]] oder [[Super-Kamiokande]]. Damit konnte das Tor zu einer „neuen“ Physik jenseits des akzeptierten [[Standardmodell]]s geöffnet werden.
Davis war zeit seines Lebens ein Einzelkämpfer, der durch seine Arbeit die Grundlagen der modernen Neutrinophysik gelegt hat. Dies gelang ihm weniger durch seine Ergebnisse als durch seinen kompromisslosen Kampf, das „Unmessbare“ zu messen. Er überzeugte die Fachwelt durch die Demonstration einer zuverlässigen Messbarkeit auch von Reaktionsraten mit wenigen Ereignissen pro Monat. Erst durch seine Messungen gewannen auch andere Forscher Vertrauen in die Machbarkeit und konzipierten Experimente wie das [[Sudbury Neutrino Observatory|SNO]], [[GALLEX]] oder [[Super-Kamiokande]]. Damit konnte das Tor zu einer „neuen“ Physik jenseits des akzeptierten [[Standardmodell]]s geöffnet werden.


Für seine Leistungen wurde er [[2002]] zusammen mit [[Masatoshi Koshiba]] [[2002]] mit der Hälfte des [[Nobelpreis für Physik|Nobelpreises für Physik]] ausgezeichnet, die andere Hälfte ging an [[Riccardo Giacconi]].
Für seine Leistungen wurde er 2002 zusammen mit [[Masatoshi Koshiba]] mit der Hälfte des [[Nobelpreis für Physik|Nobelpreises für Physik]] ausgezeichnet, die andere Hälfte ging an [[Riccardo Giacconi]].


Davis war zum Zeitpunkt der Verleihung 88 Jahre alt und damit der älteste Mensch, der je einen Nobelpreis bekam.
Davis war zum Zeitpunkt der Verleihung 88 Jahre alt und war bis 2018 der älteste Mensch, der je einen Nobelpreis bekommen hat.<!--[[Leonid Hurwicz]] bekam den [[Preis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank im Gedenken an Alfred Nobel]] mit 90 Jahren-->


== Auszeichnungen ==
== Auszeichnungen ==


* [[Boris-Pregel-Preis]], New York Academy of Sciences (NYAS), 1957
* [[Boris-Pregel-Preis]], New York Academy of Sciences (NYAS), 1957
* [[Cyrus-B.-Comstock-Preis]], [[National Academy of Sciences|United States National Academy of Sciences (NAS)]], 1978
* [[Comstock-Preis für Physik]], [[National Academy of Sciences|United States National Academy of Sciences (NAS)]], 1978
* Ernennung zum Mitglied der National Academy of Sciences, 1982
* [[Tom-W.-Bonner-Preis]], [[American Physical Society|American Physical Society (APS)]], 1988
* Ernennung zum Mitglied der [[American Academy of Arts and Sciences]], 1985
* [[Ehrendoktorwürde|Ehrendoktor]], [[University of Pennsylvania|University of Pennsylvania (Penn)]], 1990
* [[W.K.H.-Panofsky-Preis]], American Physical Society (APS), 1992
* [[Tom-W.-Bonner-Preis für Kernphysik]], [[American Physical Society|American Physical Society (APS)]], 1988
* [[Ehrendoktor]], [[University of Pennsylvania|University of Pennsylvania (Penn)]], 1990
* [[Panofsky-Preis]], American Physical Society (APS), 1992
* [[Beatrice-M.-Tinsley-Preis]], [[American Astronomical Society|American Astronomical Society (AAS)]], 1995
* [[Beatrice-M.-Tinsley-Preis]], [[American Astronomical Society|American Astronomical Society (AAS)]], 1995
* [[George-Ellery-Hale-Preis]], American Astronomical Society (AAS), 1996
* [[George-Ellery-Hale-Preis]], American Astronomical Society (AAS), 1996
* Ehrendoktor, Laurentian University, 1997
* [[Ehrendoktor]], [[Laurentian University]], 1997
* [[Bruno-Pontecorvo-Preis]], Joint Institute for Nuclear Research (JINAR), [[Dubna]], 1999
* [[Bruno-Pontecorvo-Preis]], [[Vereinigtes Institut für Kernforschung|Joint Institute for Nuclear Research (JINR)]], [[Dubna (Moskau)|Dubna]], 1999
* [[Wolf-Preis]], [[Wolf-Preis|Wolf Foundation]], 2000
* [[Wolf-Preis]], [[Wolf-Preis|Wolf Foundation]], 2000
* Ehrendoktor, [[University of Chicago]], 2000
* Ehrendoktor, [[University of Chicago]], 2000
* [[US National Medal of Science]], 2001
* [[National Medal of Science]], 2001
* [[Nobelpreis]] für Physik, 2002
* [[Nobelpreis]] für Physik, 2002


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Raymond Davis, Jr.}}
* {{nobel-ph|2002|Raymond Davis Jr.}}
* {{nobel-ph|2002|Raymond Davis Jr.}}
* [https://www.nytimes.com/2006/06/02/nyregion/02davis.html „Raymond Davis Jr., Nobelist Who Caught Neutrinos, Dies at 91“], [[The New York Times|New York Times]], 2. Juni 2006
* [http://raymond-davis.sytes.net/ Raymond Davis Jr.], Autobiography in English
* [https://history.aip.org/phn/11506009.html Biographie bei der APS]
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[[Kategorie:Mann|Davis Jr., Raymond]]
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Aktuelle Version vom 6. Januar 2025, 10:28 Uhr

Raymond Davis Jr.

Raymond Davis Jr. (* 14. Oktober 1914 in Washington, D.C.; † 31. Mai 2006 in Blue Point, New York) war ein US-amerikanischer Chemiker und Physiker, der 2002 mit dem Nobelpreis für Physik „für bahnbrechende Arbeiten in der Astrophysik, insbesondere für den Nachweis kosmischer Neutrinos“ ausgezeichnet wurde.

Raymond Davis wurde als Sohn eines Fotografen und seiner Frau Ida Rogers Younger am 14. Oktober 1914 in Washington D.C. geboren. Durch den Einfluss seines Vaters, der am National Institute of Standards and Technology arbeitete und später Leiter des Bereichs Fotografische Technik wurde, obwohl er die High School nicht beendet hatte, begann er schon früh eigene Experimente und Gerätschaften zu entwickeln.

Nach dem Besuch öffentlicher Schulen in Washington schloss er sein Studium der Chemie an der University of Maryland 1938 mit dem Diplom ab. Nach einem Jahr bei Dow Chemical in Midland, Michigan, ging er wieder zurück an die Universität in Maryland, 1942 promovierte er an der Yale University in Physikalischer Chemie und trat als Reserveoffizier in die Armee ein. Die folgenden Jahre verbrachte er vor allem im Dugway Proving Ground in Utah mit der Beobachtung von Tests mit chemischen Waffen. Nach seiner Entlassung aus der Army 1945 arbeitete er bei Monsanto Chemical in Miamisburg (Ohio) an radiochemischen Methoden, die für die Atomenergiekommission von Interesse waren. Im Frühjahr 1948 ging er ans Brookhaven National Laboratory (BNL), das für die Entwicklung ziviler Anwendungen der Atomenergie neu gegründet worden war. Dort traf er auch seine Frau Anna Torrey, die in der Biologieabteilung des BNL beschäftigt war, die beiden heirateten Ende 1948. Sie haben fünf Kinder, Andrew, Martha Kumler, Nancy Klemm, Roger und Alan. Er verabschiedete sich 1984 vom BNL und ging als Professor an das Department of Physics and Astronomy der University of Pennsylvania in Philadelphia.

Davis bekam beim BNL keine feste Aufgabe zugewiesen, sondern er konnte sich ein Gebiet seiner Wahl aussuchen – er entschied sich für die Neutrinophysik. Neutrinos existierten zu dieser Zeit nur als theoretisches Postulat, experimentelle Arbeiten dazu gab es noch nicht – es war somit ein ideales Betätigungsfeld, um seine Erfahrungen in der Radiochemie einzubringen.

Sein erstes Experiment war die Umsetzung einer Idee von Bruno Pontecorvo aus dem Jahre 1946 zum Nachweis der in einem Kernreaktor entstehenden Neutrinos mit der Reaktion 37Cl + ν → 37Ar + e. Zu diesem Zweck baute er am Forschungsreaktor des BNL einen 1000-Gallonen-Tank mit Kohlenstofftetrachlorid, 1955 einen größeren in der Nähe eines Reaktors in der Savannah River Site. Diese Experimente verliefen jedoch negativ. Später stellte sich heraus, dass das zu dieser Zeit favorisierte Postulat der Identität von Neutrinos und Antineutrinos falsch war – es konnte deshalb kein Nachweis gelingen, da im Reaktor Antineutrinos erzeugt werden, während die Nachweisreaktion auf Neutrinos sensitiv ist. Bemerkenswert ist jedoch, dass Davis eine 20-fach höhere Empfindlichkeit für den Neutrinofluss erreicht hatte als sie 1956 zum experimentellen Nachweis der Reaktor-Neutrinos durch Frederick Reines, der dafür den Physiknobelpreis 1995 erhielt, und Clyde L. Cowan notwendig waren.

Im Anschluss an die Savannah-Experimente wandte er sich dem Problem der Sonnenneutrinos zu, einem Thema, das ihn zeit seines Lebens beschäftigen sollte. Hierzu baute er eine Pilotanlage in der Barberton-Limestone-Mine in der Nähe von Akron, Ohio. In den 1960ern baute er in der Homestake-Goldmine in Lead, South Dakota, in etwa 1400 Meter Tiefe einen 100.000-Gallonen-Tank mit Perchlorethylen. Obwohl die ersten Messungen ergebnislos blieben, verfeinerte er die Messtechniken so weit, dass er um 1970 erstmals Sonnenneutrinos nachweisen konnte. Der gemessene Fluss lag jedoch nur bei etwa einem Drittel des von John N. Bahcall postulierten Flusses – das Sonnenneutrinoproblem sollte für die folgenden Jahre die Theoretiker und Experimentatoren beschäftigen und erst durch die Entdeckung der Neutrinooszillationen gelöst werden.

Davis war zeit seines Lebens ein Einzelkämpfer, der durch seine Arbeit die Grundlagen der modernen Neutrinophysik gelegt hat. Dies gelang ihm weniger durch seine Ergebnisse als durch seinen kompromisslosen Kampf, das „Unmessbare“ zu messen. Er überzeugte die Fachwelt durch die Demonstration einer zuverlässigen Messbarkeit auch von Reaktionsraten mit wenigen Ereignissen pro Monat. Erst durch seine Messungen gewannen auch andere Forscher Vertrauen in die Machbarkeit und konzipierten Experimente wie das SNO, GALLEX oder Super-Kamiokande. Damit konnte das Tor zu einer „neuen“ Physik jenseits des akzeptierten Standardmodells geöffnet werden.

Für seine Leistungen wurde er 2002 zusammen mit Masatoshi Koshiba mit der Hälfte des Nobelpreises für Physik ausgezeichnet, die andere Hälfte ging an Riccardo Giacconi.

Davis war zum Zeitpunkt der Verleihung 88 Jahre alt und war bis 2018 der älteste Mensch, der je einen Nobelpreis bekommen hat.

Commons: Raymond Davis, Jr. – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien