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„Fluktuationstheorem“ – Versionsunterschied

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{{Dieser Artikel| beschreibt das Verhalten der mittleren Arbeit in Bezug auf die Freie Energie. Das Fluktuationstheorem sollte nicht mit dem sogenannten [[Fluktuations-Dissipations-Theorem]] verwechselt werden: Letzteres ist zwar selbst für große Ensembles nützlich, in verschiedener Hinsicht etwas allgemeiner und ebenfalls rigoros, aber nur bei linearem Antwortverhalten gültig.}}
Beim '''Fluktuationstheorem''' handelt es sich um eine Gleichung aus der [[Statistische Physik|statistischen Physik]], und zwar um eine der wenigen heutzutage bekannten exakten Relationen, die für beliebig weit aus dem Gleichgewicht getriebene System gültig sind. Das Fluktuationstheorem setzt für solch ein System die Wahrscheinlichkeit von [[Entropie|entropieerzeugenden]] zu entropievernichtenden [[Trajektorie]]n in Beziehung. Obwohl für beliebige Systeme gültig, ist eine sinnvolle Anwendung für das Fluktuationstheorem nur für kleine System, wie nur wenige mikrometergroße Kügelchen, anwendbar. Im Folgenden kann man sich eine Trajektorie als die Bahn eines solchen Kügelchens, das durch eine Flüssigkeit gezogen wird, vorstellen.


Beim '''Fluktuationstheorem''' handelt es sich um ein [[Theorem]] aus der [[Statistische Physik|statistischen Physik]], und zwar um eine der wenigen heutzutage bekannten exakten Relationen, die für beliebig weit aus dem [[Thermodynamisches Gleichgewicht|Gleichgewicht]] getriebene Systeme gültig sind. Das Fluktuationstheorem setzt für solch ein System die Wahrscheinlichkeit von [[Entropieproduktion|entropieerzeugenden]] zu entropievernichtenden [[Trajektorie (Physik)|Trajektorien]] in Beziehung. Dies ist insbesondere von Bedeutung für mikroskopisch kleine Systeme.
[[Image:Workdistribution.png|thumb|right|300px|Arbeitsverteilung von 1000 Trajektorien.]]
Mittels der Kraft entlang des Weges der Trajektorie lässt sich durch aufintegrieren die Arbeit berechnen, die nötig ist, um das Kügelchen vom Anfang zum Ende der Trajektorie zu ziehen. Wiederholt man dieses Ziehexperiment sehr häufig, erhält man eine Verteilung von Arbeitswerten, für jede Trajektorie einen leicht unterschiedlichen Wert. Die Abbildung rechts zeigt eine solche Verteilung für 1000 Trajektorien. Laut dem [[2. Hauptsatz der Thermodynamik]] muss die mittlere Arbeit größer oder gleich der Änderung des zugrundeliegenden thermodynamischen Potentials (hier die freie Enthalpie <math>G</math> sein:
:<math> \Delta G \ge \langle W\rangle </math>
Die integrale Form des Fluktuationstheorems (auch [[Jarzynskis Gleichung]] genannt) besagt
:<math> e^{\beta \Delta G}=\langle e^{\beta W}\rangle </math>
wobei <math>\beta=1/k_B T</math> ist mit <math>T</math> der [[Temperatur]] und <math>k_B</math> de [[Boltzmannkonstante]]. Vorraussetzung hierbei ist, dass der Anfangszustand ein Gleichgewichtszustand ist, der Endzustand kann beliebig weit ins Nichtgleichgewicht getrieben sein.


In makroskopischen Systemen hingegen entsprechen typischen Trajektorien große Entropieänderungen, und das Theorem liefert eine verschwindend kleine Wahrscheinlichkeit für entropievernichtende Trajektorien (in Übereinstimmung mit dem [[2. Hauptsatz der Thermodynamik]]).
Der Grund für diese bemerkenswerte Gleichheit der exponentiellen Mittelung liegt daran, dass es neben vielen entropieerzeugenden Trajektorien (also solchen, bei denen man mehr Arbeit aufwenden muss als die Höhe der Potentialbarriere) es auch einige entropievernichtende Trajektorien gibt. Diese kommen durch Fluktuationen des umgebenden Mediums zustande. Für obiges Beispiel bedeutet das, dass die [[Brownsche Molekularbewegung]] das Kügelchen zufällig in Ziehrichtung stößt, also beim Überqueren der Potentialbarriere hilft. Solche entropievernichtenden Trajektorien wurden in der Literatur teilweise als den ‚’2. Hauptsatz verletzend’’ bezeichnet. Dies geschah allerdings etwas Effekt heischend, da der 2. Hauptsatz nur für Mittelwerte gilt.


== Nicht-Gleichgewichtssysteme ==
Eine Form des Fluktuationstheorem ist die Version von Crooks. Hier wird die Arbeitsverteilung der Arbeitswerte in Relation gebracht zur Verteilung der zeitumgekehrten Trajektorien, also solche, wo Start- und Endpunkt vertauscht sind. Auch hier muss jeweils im Gleichgewicht gestartet werden, während der Endpunkt beliebig weit im Nichtgleichgewicht liegen kann. Das Crooks Fluktuationstheorem schreibt sich dann als
[[Datei:Workdistribution.png|mini|300px|Arbeitsverteilung von 1000 Trajektorien]]
:<math> \frac{P_F(W)}{P_R(W)}=e^{\beta W_{diss}}</math>
Gegenstand des Fluktuationstheorems sind Systeme in Kontakt mit einem [[Wärmebad]], die durch Ändern von Parametern den Gleichgewichtszustand verlassen. Die Parameter ändern sich dabei bei jeder Wiederholung des Experiments in gleicher Weise, und von Interesse ist dabei u.&nbsp;a. die zu leistende Arbeit <math>W</math>.
wobei <math>W_{diss}=W- \Delta G</math> die dissipative Arbeit ist, also der Teil der Gesamtarbeitr, der beim ziehen in Wärme umgewandelt wird. <math>P_F</math> gibt die Verteilung der Hintrajektorien an, <math>P_R</math> die der Rücktrajektorien. Aufgrund der engen Beziehung zwischen dissipativer Arbeit und Entropie, lässt sich das Crooks Fluktuationstheoren auch schreiben als:

:<math> \frac{P_F(\Delta s)}{P_R(\Delta s)}=e^{\Delta s }</math>,
Ein ''Beispiel'' ist ein mikrometergroßes Kügelchen, das von einem Kraftfeld <math>F\left(\textbf{x}\right)</math> durch eine Flüssigkeit gezogen wird. Das Kraftfeld wird zu einem gegebenen Zeitpunkt eingeschaltet und wirkt über ein Zeitintervall gegebener Dauer, d.&nbsp;h. der Parameter ist hier die Stärke des Kraftfeldes. Die zu leistende Arbeit ergibt sich als Integral der Kraft entlang der Trajektorie. Wiederholt man das Experiment, so ergeben sich aufgrund thermischer Fluktuationen mehr oder weniger unterschiedliche Werte – es resultiert eine Verteilung von Arbeitswerten.
wobei <math>\Delta s</math> die Entropieproduktion einer einzelnen Trajektorie darstellt.
Die Abbildung rechts zeigt eine solche Verteilung für 1000 Trajektorien.
Neben vielen entropieerzeugenden Trajektorien (also solchen, bei denen Reibungsarbeit aufzuwenden ist) gibt es auch einige entropievernichtende Trajektorien. Diese kommen durch Fluktuationen des umgebenden Mediums zustande. Für das Beispiel bedeutet das, dass die [[Brownsche Molekularbewegung]] das Kügelchen zufällig in Ziehrichtung stößt. Solche entropievernichtenden Trajektorien wurden in der Literatur teilweise als „den 2. Hauptsatz verletzend“ bezeichnet. Dies ist falsch, da der 2. Hauptsatz nur für Mittelwerte gilt.

== Fluktuationstheorem von Crooks ==
Das [[Crooks-Fluktuationstheorem|Fluktuationstheorem von Crooks]]<ref name="Cro99">{{cite journal|author= Gavin E. Crooks| title=Entropy production fluctuation theorem and the nonequilibrium work relation for free energy differences | journal=[[Physical Review E]] | year=1999 | volume=60 | pages=2721–2726| doi=10.1103/PhysRevE.60.2721}}</ref> verknüpft die Wahrscheinlichkeit <math>P_F(W)</math> externer Arbeit <math>W</math> in einem Prozess mit der Wahrscheinlichkeit <math>P_R(-W)</math> externer Arbeit <math>-W</math> im zeitumgekehrten Prozess (mit vertauschtem Start- und Endpunkt). Es muss jeweils im Gleichgewicht gestartet werden, während der Endpunkt beliebig weit im Nichtgleichgewicht liegen kann. Das Crooks-Fluktuationstheorem lautet
:<math> \frac{P_F(W)}{P_R(-W)}=e^{\beta W_\text{diss}} = e^{\Delta S/k_\text{B}},</math>
wobei <math>W_\text{diss}=W- \Delta F</math> die dissipative Arbeit ist, also der Teil der Gesamtarbeit, die während des Änderns der Parameter in Wärme umgewandelt wird. Das Symbol <math>\beta</math> steht für <math>\beta=1/(k_\text{B} T)</math>, mit der [[Temperatur]] <math>T</math> und der [[Boltzmannkonstante]] <math>k_\text{B}</math>.

Die zweite Gleichung ist Folge der Proportionalität von dissipativer Arbeit und [[Entropieproduktion]] <math>\Delta S=W_\text{diss}/{T}</math>.

== Literatur ==
* {{Literatur |Autor=E. M. Sevick, R. Prabhakar, S. R. Williams, D. J. Searles |Titel=Fluctuation Theorems |Sammelwerk=Annual Review of Physical Chemistry |Band=59 |Datum=2008 |Seiten=603-633 |Sprache=en |arXiv=0709.3888 |DOI=10.1146/annurev.physchem.58.032806.104555}}
* {{Literatur |Autor=Klaus Stierstadt |Titel=Thermodynamik |TitelErg=Von der Mikrophysik zur Makrophysik |Verlag=Springer |Datum=2010 |Kapitel=Kapitel 13.2 |DOI=10.1007/978-3-642-05098-5}}

== Einzelnachweise ==
<references />

[[Kategorie:Nichtgleichgewichtsthermodynamik]]
[[Kategorie:Statistische Physik]]

Aktuelle Version vom 23. Januar 2025, 10:25 Uhr

Beim Fluktuationstheorem handelt es sich um ein Theorem aus der statistischen Physik, und zwar um eine der wenigen heutzutage bekannten exakten Relationen, die für beliebig weit aus dem Gleichgewicht getriebene Systeme gültig sind. Das Fluktuationstheorem setzt für solch ein System die Wahrscheinlichkeit von entropieerzeugenden zu entropievernichtenden Trajektorien in Beziehung. Dies ist insbesondere von Bedeutung für mikroskopisch kleine Systeme.

In makroskopischen Systemen hingegen entsprechen typischen Trajektorien große Entropieänderungen, und das Theorem liefert eine verschwindend kleine Wahrscheinlichkeit für entropievernichtende Trajektorien (in Übereinstimmung mit dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik).

Nicht-Gleichgewichtssysteme

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Arbeitsverteilung von 1000 Trajektorien

Gegenstand des Fluktuationstheorems sind Systeme in Kontakt mit einem Wärmebad, die durch Ändern von Parametern den Gleichgewichtszustand verlassen. Die Parameter ändern sich dabei bei jeder Wiederholung des Experiments in gleicher Weise, und von Interesse ist dabei u. a. die zu leistende Arbeit .

Ein Beispiel ist ein mikrometergroßes Kügelchen, das von einem Kraftfeld durch eine Flüssigkeit gezogen wird. Das Kraftfeld wird zu einem gegebenen Zeitpunkt eingeschaltet und wirkt über ein Zeitintervall gegebener Dauer, d. h. der Parameter ist hier die Stärke des Kraftfeldes. Die zu leistende Arbeit ergibt sich als Integral der Kraft entlang der Trajektorie. Wiederholt man das Experiment, so ergeben sich aufgrund thermischer Fluktuationen mehr oder weniger unterschiedliche Werte – es resultiert eine Verteilung von Arbeitswerten. Die Abbildung rechts zeigt eine solche Verteilung für 1000 Trajektorien. Neben vielen entropieerzeugenden Trajektorien (also solchen, bei denen Reibungsarbeit aufzuwenden ist) gibt es auch einige entropievernichtende Trajektorien. Diese kommen durch Fluktuationen des umgebenden Mediums zustande. Für das Beispiel bedeutet das, dass die Brownsche Molekularbewegung das Kügelchen zufällig in Ziehrichtung stößt. Solche entropievernichtenden Trajektorien wurden in der Literatur teilweise als „den 2. Hauptsatz verletzend“ bezeichnet. Dies ist falsch, da der 2. Hauptsatz nur für Mittelwerte gilt.

Fluktuationstheorem von Crooks

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Das Fluktuationstheorem von Crooks[1] verknüpft die Wahrscheinlichkeit externer Arbeit in einem Prozess mit der Wahrscheinlichkeit externer Arbeit im zeitumgekehrten Prozess (mit vertauschtem Start- und Endpunkt). Es muss jeweils im Gleichgewicht gestartet werden, während der Endpunkt beliebig weit im Nichtgleichgewicht liegen kann. Das Crooks-Fluktuationstheorem lautet

wobei die dissipative Arbeit ist, also der Teil der Gesamtarbeit, die während des Änderns der Parameter in Wärme umgewandelt wird. Das Symbol steht für , mit der Temperatur und der Boltzmannkonstante .

Die zweite Gleichung ist Folge der Proportionalität von dissipativer Arbeit und Entropieproduktion .

Einzelnachweise

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  1. Gavin E. Crooks: Entropy production fluctuation theorem and the nonequilibrium work relation for free energy differences. In: Physical Review E. 60. Jahrgang, 1999, S. 2721–2726, doi:10.1103/PhysRevE.60.2721.