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„Staatsrat der DDR“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Staatsratsgebäude 2017 001.jpg|mini|[[Staatsratsgebäude]] in Berlin, früherer Sitz des ehemaligen Staatsrats]]
[[image:Fenster_im_Staatsrat.jpg|thumb|250px|Ausschnitt aus dem Fenster im Gebäude des ehemaligen Staatsrates der DDR von [[Walter Womacka]] in Berlin.]]
Der '''Staatsrat der DDR''' war von 1960 bis 1990 das [[kollektiv]]e [[Staatsoberhaupt]] der [[Deutsche Demokratische Republik|Deutschen Demokratischen Republik]].
Der '''Staatsrat''' war in der [[Deutsche Demokratische Republik|Deutschen Demokratischen Republik]] das formal höchste kollektive Gremium, das mit Gesetz über die Bildung des Staatsrates vom 12. September 1960 als Nachfolgeorgan des Amtes des Präsidenten der DDR nach dem Tod [[Wilhelm Pieck]]s geschaffen wurde. Damit wurde der Staatsaufbau der DDR dem sowjetischen Vorbild weiter angeglichen.


Völkerrechtlich musste die Funktion des Staatsoberhauptes von einer Einzelperson ausgeübt werden, weshalb die [[Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik|DDR-Verfassung]] den ''Staatsratsvorsitzenden'' als völkerrechtliche Vertretung der DDR bestimmte. Der Staatsrat wurde 1990, sechs Monate vor der [[Deutsche Wiedervereinigung|Wiedervereinigung]], per Gesetz wieder aufgelöst. Die völkerrechtliche Vertretung ging übergangsweise auf die [[Volkskammer]]präsidentin, [[Sabine Bergmann-Pohl]] ([[Christlich-Demokratische Union Deutschlands (DDR)|CDU]]), über.
Der Vorsitzende des Staatsrates war laut [[Verfassung der DDR]] von 1968 und diplomatischem Protokoll das formelle [[Staatsoberhaupt]] der DDR, im Gegensatz zu den nachrangigen obersten Staatsrepräsentanten des Vorsitzenden des [[Ministerrat (DDR)|Ministerrates]] als Chef der Regierung der DDR und dem Präsidenten der [[Volkskammer]] als Parlamentschef. Erster [[Staatsratsvorsitzender]] war [[Walter Ulbricht]]. Der Staatsrat bestand neben dem Vorsitzenden und seinen Stellvertretern aus 16 Mitgliedern und einem Sekretär. Sekretär des Staatsrates war bis 1971 [[Otto Gotsche]]. Die Mitglieder des Staatsrates wurden jeweils für fünf Jahre von der Volkskammer gewählt. Im Zuge der Entmachtung Ulbrichts verlor der von ihm geschaffene Staatsrat als Beratungs- und Entscheidungsgremium ab 1970 stark an Einfluss.


== Entwicklung in der DDR ==
Zu seinen Aufgaben gehörten gemäß Artikel 66-75 der Verfassung der DDR die Ausschreibung von Wahlen zur Volkskammer und den anderen Volksvertretungen, die Berufung der Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates, die Ausübung des Amnestie- und Begnadigungsrechts, die verbindliche Auslegung und Verkündung von Gesetzen, die Ratifizierung von internationalen Verträgen, die Akkreditierung diplomatischer Vertreter und die Verleihung staatlicher Orden und Auszeichnungen. Der Staatsrat übernahm auch Ehrenpatenschaften für kinderreiche Familien.
[[Datei:Verfassungsdiagramm DDR 1974.svg|mini|Schaubild der Verfassung der DDR von 1968/74]]


Der Staatsrat der DDR wurde 1960 nach dem Tod des ersten und einzigen [[Präsident der DDR|Präsidenten der DDR]], [[Wilhelm Pieck]], als Nachfolgeorgan geschaffen. Grundlage war das „Gesetz über die Bildung des Staatsrates“ vom 12. September 1960, das die [[Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik|Verfassung der DDR]] von 1949 entsprechend änderte.
Wichtige praktische Bedeutung hatte das Sekretariat des Staatsrates mit circa 200 Mitarbeitern als Bearbeiter der [[Eingabe]]n von Bürgern (im DDR-Jargon so genannte Staatsratseingaben), formal im Eingabenerlass vom 27. Februar 1961 geregelt. Behörden und Betriebe waren zur Auskunft und Zusammenarbeit verpflichtet. Beschlüsse des Staatsrates erfolgten per Erlass mit Gesetzeskraft.


Der Staatsrat bestand aus dem Vorsitzenden, seinen Stellvertretern, 16 weiteren Mitgliedern und einem Sekretär. Der Vorsitzende, die Stellvertreter des Vorsitzenden, die Mitglieder und der Sekretär des Staatsrates wurden für zunächst vier, seit 1974 fünf Jahre von der [[Volkskammer]] gewählt.
Weitere Staatsratsvorsitzende waren in der Folge [[Willi Stoph]], [[Erich Honecker]] und [[Egon Krenz]], die beiden letzteren auch zugleich Generalsekretäre des [[Zentralkomitee]]s der [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands|SED]] und Vorsitzende des [[Politbüro]]s der SED, welches die eigentlich einflussreichsten Funktionen im Machtgefüge der DDR waren. Letzter Staatsratsvorsitzender der DDR war während der [[Wende (DDR)|Wendezeit]] 1989/1990 [[Manfred Gerlach]]. Stellvertretende Staatsratsvorsitzende waren jeweils alle Parteivorsitzenden der DDR-[[Blockpartei]]en.


Erster [[Vorsitzender des Staatsrats|Staatsratsvorsitzender]] war [[Walter Ulbricht]], der gleichzeitig Erster Sekretär des [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands#Zentralkomitee|Zentralkomitees (ZK) der SED]] und Vorsitzender des [[Nationaler Verteidigungsrat der DDR|Nationalen Verteidigungsrates der DDR]] (NVR) war. Die Stellung des Vorsitzenden des Staatsrats war zunächst noch hervorgehoben. So hieß es in Artikel 66 Absatz 2 der Verfassung von 1968: „Der Vorsitzende des Staatsrates vertritt die Deutsche Demokratische Republik völkerrechtlich.“
Am [[5. April]] [[1990]] wurde der Staatsrat bei der konstituierenden Sitzung der ersten frei gewählten Volkskammer durch eine Verfassungsänderung abgeschafft. Da für die absehbar kurze Übergangsphase bis zur [[Deutsche Wiedervereinigung|Vereinigung]] mit der [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]] das Amt des Staatspräsidenten nicht mehr eingeführt wurde, wurde gemäß dem neuen Artikel 75a der DDR-Verfassung das Präsidium der Volkskammer mit den Befugnissen des Staatsrates und der Präsident der Volkskammer mit den Befugnissen des Staatsratsvorsitzenden betraut. [[Sabine Bergmann-Pohl]] war damit als Volkskammerpräsidentin vom 5. April bis zum 2. Oktober 1990 das letzte Staatsoberhaupt der DDR.


Das relativ unbedeutende Amt verblieb Ulbricht als einziges nach seiner Entmachtung durch [[Erich Honecker]] im Jahr 1971. Nach Ulbrichts Tod wurde 1973 [[Willi Stoph]] Staatsratsvorsitzender. Durch die Verfassungsänderung 1974 verlor der Staatsratsvorsitzende formal seine herausgehobene Stellung. Faktisch wurde aber auch später die Funktion des Staatsoberhauptes allein vom Vorsitzenden des Staatsrates ausgeübt – die anderen Mitglieder des Staatsrates hatten in der Praxis kaum Einfluss. Das Amt des Sekretärs hatte bis 1971 [[Otto Gotsche]] und danach [[Heinz Eichler (Politiker)|Heinz Eichler]] inne.
Ähnliche oberste kollektive Staatsräte gab es in der [[Sowjetunion]], der Volksrepublik [[Polen]], in [[Rumänien]] sowie in Ex-[[Jugoslawien]].


Honecker, der bereits seit 1971 Erster Sekretär des ZK der SED und Vorsitzender des NVR war, übernahm 1976 auch das Amt des Vorsitzenden des Staatsrats und hatte damit, wie zuvor Ulbricht, die höchsten Ämter in Partei und Staat in [[Personalunion]] inne.
== Gebäude des Staatsrates der DDR ==
[[Bild:Palast der Republik Fernsehturm.jpg|thumb|350px|right|Überblick über die Gesamtanlage am früheren Marx-Engels-Platz vom Fernsehturm: das Staatsratsgebäude ist links hinter dem [[Palast der Republik]] zu sehen]]
[[Bild:500mark-ddr-rev.jpg|thumb|250px|Staatsratsgebäude auf dem nie in Umlauf gekommenen 500 Mark-der-DDR Geldschein]]
Der Staatsrat hatte seinen Sitz am Marx-Engels-Platz 1 (seit 1994 wieder [[Schloßplatz (Berlin)|Schloßplatz]]) in [[Berlin-Mitte]]. Hier fanden vor allem Auszeichnungsveranstaltungen und diplomatische Empfänge statt. Das Gebäude wurde in den Jahren 1963 bis 1964 errichtet. In die Fassade asymmetrisch integriert ist das so genannte „[[Karl Liebknecht|Karl-Liebknecht]]-Portal“, das ehemalige Portal IV des [[Berliner Stadtschloss|Stadtschlosses]], von dessen Balkon aus Karl Liebknecht am 9. November 1918 die „sozialistische Republik“ ausgerufen hatte. Es besteht jedoch nur noch zu 20 Prozent aus Originalteilen. Die farbigen Glasfenster im Treppenhaus wurden von [[Walter Womacka]] gestaltet.


=== Aufgaben ===
Von 1999 bis 2001 zur Fertigstellung des neuen [[Bundeskanzleramt (Deutschland)|Bundeskanzleramtes]] am Reichstagsgebäude hatte der damalige Bundeskanzler [[Gerhard Schröder]] seinen Berliner Dienstsitz im Staatsratsgebäude.
Der Staatsrat war laut Artikel 66 ff. der Verfassung der DDR von 1968 das formelle [[Staatsoberhaupt]] der DDR. Ferner gab es die nachrangigen obersten Staatsrepräsentanten, den Vorsitzenden des [[Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik|Ministerrates]] als Chef der Regierung der DDR und den Präsidenten der Volkskammer als Parlamentsvorsteher.


Die Sitzungen des Staatsrat der DDR fanden in der Regel einmal im Monat statt.
Das seit 1993 unter [[Denkmalschutz]] stehende Gebäude wurde von 2003 bis 2005 für 35 Millionen Euro grundsaniert und für Schulzwecke umgebaut. Die Machtsymbole der DDR sind bei der denkmalgerechten Sanierung erhalten geblieben, darunter das Glasbild von Womacka sowie ein Mosaik des DDR-Staatswappens mit Hammer und Zirkel nach einem Entwurf von [[Heinrich Jungbloedt]] in einem Vorlesungssaal.


Zu seinen Aufgaben gehörten gemäß Artikel 66–75 der Verfassung der DDR
Seit Anfang [[2006]] nutzen zwei private Hochschulen, die Managerhochschule [[European School of Management and Technology]] (ESMT) sowie die [[Hertie School of Governance]], das ehemalige Staatsratsgebäude.
* die Ausschreibung von Wahlen zur [[Volkskammer]] und den anderen Volksvertretungen,
* die Berufung der Mitglieder des [[Nationaler Verteidigungsrat der DDR|Nationalen Verteidigungsrates]],
* die Ausübung des Amnestie- und Begnadigungsrechts,
* die [[Ratifikation|Ratifizierung]] von internationalen Verträgen,
* die [[Akkreditierung (Diplomatie)|Akkreditierung]] diplomatischer Vertreter,
* die Verleihung [[Liste der staatlichen und nichtstaatlichen Auszeichnungen der DDR|staatlicher Orden und Auszeichnungen]],
* die Übernahme von Ehrenpatenschaften für kinderreiche Familien.

Bis 1974 konnte der Staatsrat Erlasse mit Gesetzeskraft beschließen und Vorlagen an die Volkskammer behandeln. Er legte die Verfassung und Gesetze verbindlich aus und entschied über den Abschluss von Staatsverträgen. Im Zuge der Entmachtung Ulbrichts verlor der von ihm geschaffene Staatsrat als Beratungs- und Entscheidungsgremium stark an Einflussmöglichkeiten, was sich in der Verfassungsänderung von 1974 manifestierte. Seitdem war er im Wesentlichen ein Repräsentationsorgan.

Wichtige praktische Bedeutung hatte das Sekretariat des Staatsrates mit seinen circa 200 Mitarbeitern als Bearbeiter der [[Petition|Eingaben]] von Bürgern (im DDR-Jargon so genannte Staatsratseingaben), formal im [[Gesetz über die Bearbeitung der Eingaben der Bürger|Eingabenerlass vom 27. Februar 1961]] geregelt. Behörden und Betriebe waren zur Auskunft und Zusammenarbeit verpflichtet.

[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-Z0624-038, Berlin, DDR-Staatsratsitzung.jpg|mini|800px|zentriert|Sitzung des Staatsrates am 25. Juni 1981. In der Mitte [[Erich Honecker]].]]

=== Sitz des Staatsrates ===
[[Datei:Schloss schönhausen.jpg|mini|Schloss Schönhausen]]

Der Staatsrat hatte nach seiner Gründung 1960 seinen Sitz im [[Schloss Schönhausen]], in dem bis dahin [[Wilhelm Pieck]] als Präsident der DDR residiert hatte. Im Jahr 1964 bezog der Staatsrat das eigens für ihn erbaute [[Staatsratsgebäude]] am [[Schloßplatz (Berlin)|Marx-Engels-Platz]] in [[Berlin-Mitte]], wo er bis zu seiner Auflösung 1990 verblieb.

== Abschaffung in der Wende ==
Nach der Absetzung Honeckers während der [[Wende und friedliche Revolution in der DDR|Friedlichen Revolution in der DDR]] übernahm [[Egon Krenz]] zunächst dessen Ämter. Bereits sechs Wochen später, am 6. Dezember 1989, wählte die Volkskammer den [[Liberal-Demokratische Partei Deutschlands|LDPD]]-Vorsitzenden [[Manfred Gerlach]] zum Staatsratsvorsitzenden. Dies entsprach der von ihr am 1. Dezember 1989 beschlossenen Streichung der Führungsrolle der [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands|SED]] aus der DDR-Verfassung.

Am 5. April 1990 wurde der Staatsrat bei der konstituierenden Sitzung der ersten frei gewählten Volkskammer durch eine Verfassungsänderung abgeschafft. Da für die absehbar kurze Übergangsphase bis zur [[Deutsche Wiedervereinigung|Vereinigung]] mit der [[Deutschland|Bundesrepublik Deutschland]] das Amt des Staatspräsidenten nicht mehr eingeführt werden sollte, wurde mit Artikel 75a der DDR-Verfassung das Präsidium der Volkskammer mit den Befugnissen des Staatsrates und der Präsident der Volkskammer mit den Befugnissen des Staatsratsvorsitzenden betraut. [[Sabine Bergmann-Pohl]] war damit als Volkskammerpräsidentin vom 5. April bis zum 2. Oktober 1990 das letzte Staatsoberhaupt der DDR.

== Staatsräte in anderen Ländern ==
Ähnliche oberste kollektive Staatsräte gab es in der [[Sowjetunion]] ([[Präsidium des Obersten Sowjets]]), den Volksrepubliken [[Bulgarien]] und [[Polen]] (''[[Staatsrat (Polen)|Rada Państwa]]''), in [[Rumänien]], in [[Jugoslawien]] und in [[Nordkorea]] ([[Präsidium der Obersten Volksversammlung]]).

== Siehe auch ==
* [[Liste der Mitglieder des Staatsrats der DDR]]
* [[Präsidium des Obersten Sowjets]]


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|State Council of the German Democratic Republic|Staatsrat der DDR}}
* [http://www.stadtentwicklung.berlin.de/cgi-bin/hidaweb/getdoc.pl?DEF=%2Fopt%2Fwww%2Fhtdocs%2Fdaten%2FMidas;DATEN=%2Fopt%2Fwww%2Fhtdocs%2Fdaten%2Fdaten;THE=%2Fopt%2Fwww%2Fhtdocs%2Fdaten%2Fidx;PIC=8540;KBPICTYP=jpg;PICDIR=..%2Fmfpic;FCT=g;LIST_TPL=lda_list.tpl;DOK_TPL=lda_doc.tpl;USER=main;AnzCol=4;N_5000=7;N_5104=0;N_5110=8;N_5116=1;N_5117=2;N_9456=3;N_5230=4;N_5064=5;N_3100=6;R_5000=%3D;R_5104=%3D;R_5110=%3D;R_5116=%3D;R_5117=%3D;R_9456=%3D;R_5230=%3D;R_5064=%3D;R_3100=%3D;O_5000=and;O_5116=and;O_5117=and;O_9456=and;O_5230=and;O_5064=and;O_3100=and;i5104=;i5110=mitte;i5116=breite%20stra%DFe;i5117=;i9456=;i5230=;i5064=;i3100=;i5000=&KEY=obj%2009020048 Eintrag zum Staatsratsgebäude der DDR in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen]
* ''Gesetz über die Bildung des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik'' vom 12. September 1960. Im ''[[Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik|Gesetzblatt der DDR]]'', Teil I Nr. 53 vom 13. September 1960, S. 505f., [https://ddrgbl.mkrst.net/data/DDR-GBl%201960%20I.pdf Digitalisat].
* [https://www.ardmediathek.de/video/aktuelle-kamera/beratungen-im-staatsrat-der-ddr/ard/Y3JpZDovL2hyLW9ubGluZS8xMzE3NTU Beratungen im Staatsrat der DDR] [[Deutscher Fernsehfunk]], 25. Oktober 1965 (Video im [[ARD Retro|ARD-Retro]]-Angebot der [[ARD Mediathek]]).

{{Navigationsleiste Staatsratsvorsitzende der DDR}}

{{Normdaten|TYP=k|GND=1001862-1|LCCN=n50073759|NDL=|VIAF=249725728}}


[[Kategorie:Behörde (DDR)]]
[[Kategorie:Behörde (DDR)]]
[[Kategorie:Geschichte der DDR]]
[[Kategorie:Mitglied des Staatsrates der DDR]]
[[Kategorie:Bauwerk in Berlin]]
[[Kategorie:Behördengründung 1960]]

Aktuelle Version vom 13. April 2025, 19:39 Uhr

Staatsratsgebäude in Berlin, früherer Sitz des ehemaligen Staatsrats

Der Staatsrat der DDR war von 1960 bis 1990 das kollektive Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik.

Völkerrechtlich musste die Funktion des Staatsoberhauptes von einer Einzelperson ausgeübt werden, weshalb die DDR-Verfassung den Staatsratsvorsitzenden als völkerrechtliche Vertretung der DDR bestimmte. Der Staatsrat wurde 1990, sechs Monate vor der Wiedervereinigung, per Gesetz wieder aufgelöst. Die völkerrechtliche Vertretung ging übergangsweise auf die Volkskammerpräsidentin, Sabine Bergmann-Pohl (CDU), über.

Entwicklung in der DDR

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Schaubild der Verfassung der DDR von 1968/74

Der Staatsrat der DDR wurde 1960 nach dem Tod des ersten und einzigen Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, als Nachfolgeorgan geschaffen. Grundlage war das „Gesetz über die Bildung des Staatsrates“ vom 12. September 1960, das die Verfassung der DDR von 1949 entsprechend änderte.

Der Staatsrat bestand aus dem Vorsitzenden, seinen Stellvertretern, 16 weiteren Mitgliedern und einem Sekretär. Der Vorsitzende, die Stellvertreter des Vorsitzenden, die Mitglieder und der Sekretär des Staatsrates wurden für zunächst vier, seit 1974 fünf Jahre von der Volkskammer gewählt.

Erster Staatsratsvorsitzender war Walter Ulbricht, der gleichzeitig Erster Sekretär des Zentralkomitees (ZK) der SED und Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates der DDR (NVR) war. Die Stellung des Vorsitzenden des Staatsrats war zunächst noch hervorgehoben. So hieß es in Artikel 66 Absatz 2 der Verfassung von 1968: „Der Vorsitzende des Staatsrates vertritt die Deutsche Demokratische Republik völkerrechtlich.“

Das relativ unbedeutende Amt verblieb Ulbricht als einziges nach seiner Entmachtung durch Erich Honecker im Jahr 1971. Nach Ulbrichts Tod wurde 1973 Willi Stoph Staatsratsvorsitzender. Durch die Verfassungsänderung 1974 verlor der Staatsratsvorsitzende formal seine herausgehobene Stellung. Faktisch wurde aber auch später die Funktion des Staatsoberhauptes allein vom Vorsitzenden des Staatsrates ausgeübt – die anderen Mitglieder des Staatsrates hatten in der Praxis kaum Einfluss. Das Amt des Sekretärs hatte bis 1971 Otto Gotsche und danach Heinz Eichler inne.

Honecker, der bereits seit 1971 Erster Sekretär des ZK der SED und Vorsitzender des NVR war, übernahm 1976 auch das Amt des Vorsitzenden des Staatsrats und hatte damit, wie zuvor Ulbricht, die höchsten Ämter in Partei und Staat in Personalunion inne.

Der Staatsrat war laut Artikel 66 ff. der Verfassung der DDR von 1968 das formelle Staatsoberhaupt der DDR. Ferner gab es die nachrangigen obersten Staatsrepräsentanten, den Vorsitzenden des Ministerrates als Chef der Regierung der DDR und den Präsidenten der Volkskammer als Parlamentsvorsteher.

Die Sitzungen des Staatsrat der DDR fanden in der Regel einmal im Monat statt.

Zu seinen Aufgaben gehörten gemäß Artikel 66–75 der Verfassung der DDR

Bis 1974 konnte der Staatsrat Erlasse mit Gesetzeskraft beschließen und Vorlagen an die Volkskammer behandeln. Er legte die Verfassung und Gesetze verbindlich aus und entschied über den Abschluss von Staatsverträgen. Im Zuge der Entmachtung Ulbrichts verlor der von ihm geschaffene Staatsrat als Beratungs- und Entscheidungsgremium stark an Einflussmöglichkeiten, was sich in der Verfassungsänderung von 1974 manifestierte. Seitdem war er im Wesentlichen ein Repräsentationsorgan.

Wichtige praktische Bedeutung hatte das Sekretariat des Staatsrates mit seinen circa 200 Mitarbeitern als Bearbeiter der Eingaben von Bürgern (im DDR-Jargon so genannte Staatsratseingaben), formal im Eingabenerlass vom 27. Februar 1961 geregelt. Behörden und Betriebe waren zur Auskunft und Zusammenarbeit verpflichtet.

Sitzung des Staatsrates am 25. Juni 1981. In der Mitte Erich Honecker.

Sitz des Staatsrates

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Schloss Schönhausen

Der Staatsrat hatte nach seiner Gründung 1960 seinen Sitz im Schloss Schönhausen, in dem bis dahin Wilhelm Pieck als Präsident der DDR residiert hatte. Im Jahr 1964 bezog der Staatsrat das eigens für ihn erbaute Staatsratsgebäude am Marx-Engels-Platz in Berlin-Mitte, wo er bis zu seiner Auflösung 1990 verblieb.

Abschaffung in der Wende

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Nach der Absetzung Honeckers während der Friedlichen Revolution in der DDR übernahm Egon Krenz zunächst dessen Ämter. Bereits sechs Wochen später, am 6. Dezember 1989, wählte die Volkskammer den LDPD-Vorsitzenden Manfred Gerlach zum Staatsratsvorsitzenden. Dies entsprach der von ihr am 1. Dezember 1989 beschlossenen Streichung der Führungsrolle der SED aus der DDR-Verfassung.

Am 5. April 1990 wurde der Staatsrat bei der konstituierenden Sitzung der ersten frei gewählten Volkskammer durch eine Verfassungsänderung abgeschafft. Da für die absehbar kurze Übergangsphase bis zur Vereinigung mit der Bundesrepublik Deutschland das Amt des Staatspräsidenten nicht mehr eingeführt werden sollte, wurde mit Artikel 75a der DDR-Verfassung das Präsidium der Volkskammer mit den Befugnissen des Staatsrates und der Präsident der Volkskammer mit den Befugnissen des Staatsratsvorsitzenden betraut. Sabine Bergmann-Pohl war damit als Volkskammerpräsidentin vom 5. April bis zum 2. Oktober 1990 das letzte Staatsoberhaupt der DDR.

Staatsräte in anderen Ländern

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Ähnliche oberste kollektive Staatsräte gab es in der Sowjetunion (Präsidium des Obersten Sowjets), den Volksrepubliken Bulgarien und Polen (Rada Państwa), in Rumänien, in Jugoslawien und in Nordkorea (Präsidium der Obersten Volksversammlung).

Commons: Staatsrat der DDR – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien