„Westbalkan“ – Versionsunterschied
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{{Dieser Artikel| behandelt den politischen Begriff. Zum westlichen Teil des Balkangebirges siehe [[Balkangebirge]].}} |
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[[Datei:Western Balkans countries.PNG|mini|Die „westbalkanischen“<br />Staaten von Nord nach Süd:<br />{{Serbien}}<br />{{Bosnien und Herzegowina}}<br />{{Montenegro}}<br />{{Kosovo}}<br />{{Albanien}}<br />{{Nordmazedonien}}]] |
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'''Westbalkan''' ([[Serbokroatische Sprache|serbokroatisch]]: ''Zapadni Balkan''/Западни Балкан, [[Albanische Sprache|albanisch]]: ''Ballkani Perëndimor'') ist ein politischer Sammelbegriff für fünf [[Nachfolgestaat]]en [[Jugoslawien]]s und [[Albanien]]. Jene Staaten, die der [[Europäische Union|Europäischen Union]] beigetreten sind, also [[Slowenien]] (2004) und [[Kroatien]] (2013), werden heute im Allgemeinen nicht mehr zu diesem Begriff gezählt. Der Westbalkan wird teilweise als „Innenhof“ der Europäischen Union bezeichnet, weil er ausschließlich von EU-Staaten umgeben ist.<ref>[https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/roth-frankfurter-allgemeine/2102814 Der Westbalkan ist Europas Innenhof, Interview mit Michael Roth, 2. Juni 2018] auf Auswaertiges.amt.de, abgerufen am 14. Juli 2024 </ref><ref>[[Michael Martens]]: Von Verbündeten zu Gegenspielern - Washington arbeitet auf dem Balkan gegen die EU, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31. März 2020 </ref><br /> Auf dem Westbalkan mit einer Fläche von 208.000 km² leben etwa 19 Millionen Menschen. |
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Die politisch-bedingte Wortschöpfung '''Westbalkan''' wurde Anfang des dritten Jahrtausends von EU-Politikern als neutralerer und kürzerer geographischer Gesamtbegriff für die Bezeichnung „Nachfolgestaaten des [[Jugoslawien|ehemaligen Jugoslawiens]]“ geschaffen. Es ist dies lediglich ein [[Terminus technicus]], der von den Institutionen der EU verwendet wird. |
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[[Datei:ct002411.jpg|mini|Ethnische Gruppen auf dem Westbalkan (2008, englische Karte). Zu dieser Zeit wurde [[Kroatien]] noch zum Westbalkan gezählt.]] |
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== Staaten des "Westbalkans" == |
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Der Westbalkan umfaßt im Allgemeinen die Staaten des ehemaligen [[Jugoslawien]]s einschließlich [[Albanien]]. Betrachtet man allerdings die geographische und kulturelle Lage in [[Südosteuropa]] im Allgemeinen, so ist ersichtlich, dass es sinnlos ist, einzelne Staaten aus dem geographisch-neutralen Begriff Südosteuropa auszunehmen, geschweige denn eine willkürliche Einteilung nach "westbalkanischen" Ländern vorzunehmen, zumal die meisten dieser Staaten während des 20. Jahrhunderts zum ehemaligen Staat Jugoslawien gehörten. In der Politik mag dies allerdings gegebenenfalls sinnvoll erscheinen oder zur Vereinfachung dienen. |
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== Begriffsverwendung == |
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Eine nähere Analyse des Westbalkan-Begriffes und der einzelnen Staaten, zeigt die eigentlich willkürliche Einteilung auf. Europäische Politiker einigten sich darauf, diejenigen Staaten, welche sich zum Zeitpunkt der Einteilung im unmittelbaren Beitrittsprozess zur Europäischen Union befanden, aus dem "Westbalkan"-Begriff auszulassen. Somit werden [[Slowenien]], [[Bulgarien]] und [[Rumänien]] nicht zum "Westbalkan" gezählt. [[Kroatien]], dass in unmittelbarer Folge offizieller EU-Beitrittskandidat wurde, erfuhr nicht dieselbe Behandlung. |
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Der Begriff wurde als [[Terminus technicus]] auf dem EU-Gipfel im Dezember 1998 in den Sprachgebrauch der [[Europäische Union|Europäischen Union]] eingeführt. Er sollte diejenigen [[Südosteuropa|südosteuropäischen]] Staaten bezeichnen, die nach dem Beitritt [[Rumänien]]s und [[Bulgarien]]s das nächste strategische Erweiterungsziel der EU darstellen.<ref>Camelia E. Ratiu: ''Balkangovernance,'' in: Georg Simonis, Helmut Elbers (Hrsg.): ''Externe EU-Governance''. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-17941-4, S. 135 [http://books.google.de/books?id=yADigsZLuCwC&pg=PA135]</ref> Er wird weiterhin primär von den Institutionen der EU und in der sozialwissenschaftlichen Forschung verwendet. Die EU wollte einen zusammenfassenden Begriff für diese Staaten schaffen, der kurz und prägnant sowie neutral ist. |
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Trotz dieser ursprünglichen Intention der EU gibt es Ressentiments gegen diesen Begriff, die in den teilweise negativen Konnotationen des Teilbegriffs [[Balkanhalbinsel|Balkan]] begründet sind. |
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Der Großteil Sloweniens wurde ohnehin nie als zum [[Balkan]] zugehörig erachtet. Slowenien pflegt jedoch gute wirtschaftliche Kontakte zu den restlichen Ländern Südosteuropas. Da [[Slowenien]] bereits [[2004]] in die [[Europäische Union]] aufgenommen wurde, entschied man sich dazu, diesen Staat aus dem Begriff ''Westbalkan'' auszulassen. Man fügte andererseits aber [[Albanien]], das sich ebenfalls im Annäherungsprozeß zur EU befand, jedoch keinen Nachfolgestaat Jugoslawiens darstellte, der ''Westbalkan-Gruppe'' hinzu. Die beiden EU-Kandidatenländer [[Bulgarien]] und [[Rumänien]], welche sich ebenfalls auf der [[Balkanhalbinsel]] befinden, werden politisch-gesehen getrennt vom ''Westbalkan'' betrachtet. Als allgemeine Bezeichnung empfiehlt sich allerdings vielmehr die Verwendung des unpolitischen und international-anerkannteren Begriffes [[Südosteuropa]]. |
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Kritik am Begriff „Westbalkan“ entzündet sich in erster Linie am Teilwort „[[Balkanhalbinsel|Balkan]]“. Obwohl es ursprünglich ein neutraler geographischer Begriff war, der das [[Balkangebirge]] bzw. die [[Balkanhalbinsel]] bezeichnete, ist der Begriff heute historisch vorbelastet. Schon [[Bismarck]] wird der Spruch nachgesagt, der Balkan sei nicht die Knochen eines einzigen [[Pommern|pommerschen]] [[Grenadier]]s wert. Viele verbinden mit dem Balkan-Begriff politische Instabilität, Kleinstaaterei, wirtschaftliche Rückständigkeit u. ä. Diese Sichtweise ist vor allem in Mittel- und Westeuropa verbreitet.<ref name="inst.at">{{Webarchiv |url=http://www.inst.at/berge/perspektiven/angelova.htm |text=Archivierte Kopie |wayback=20060903050232 }}</ref> Beispielsweise ist für Kroatien die Zuordnung zu [[Mitteleuropa]] ein Mittel der Abgrenzung von der Krisenregion Balkan.<ref>[http://www.stagn.de/empfehlung-grossgliederung-europa-pdf Großgliederung Europas nach kulturräumlichen Kriterien] Europa Regional, 13. Jahrgang, 2005, Heft 4, S. 164</ref> |
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{{Siehe auch|Balkanisierung}} |
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Der Begriff ''Westbalkan'' kann ausschließlich als politische Abkürzung oder Einteilung gewisser Staaten gelten und folgt nicht unbedingt geographischen oder kulturellen Merkmalen dieser Region. Der ''Westbalkan'' umfaßt folgende Länder: |
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In einigen Staaten der Balkanhalbinsel ist der Begriff „Balkan“ hingegen überwiegend positiv besetzt. Dies ist vor allem in Bulgarien der Fall, auf dessen Staatsgebiet das Balkangebirge zu 95 % verläuft. Die negativen Konnotationen des Balkan-Begriffs sind den Bulgaren zwar durchaus bewusst, aber sie empfinden sie als auswärtige Sichtweise, die mit Vorurteilen behaftet ist. Für die Bulgaren ist der Balkan Teil der nationalen Identität, ''trotz'' der überwiegend europäischen Ausrichtung der dortigen Bevölkerung.<ref name="inst.at" /> |
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*{{flagicon|Croatia}} [[Kroatien]] |
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*{{flagicon|Bosnia and Herzegovina}} [[Bosnien und Herzegowina]] |
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*{{flagicon|Serbia and Montenegro}} [[Serbien und Montenegro]] |
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*{{flagicon|Macedonia}} [[Mazedonien]] |
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*{{flagicon|Albania}} [[Albanien]] |
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== Staaten des Westbalkans und Kennzahlen == |
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== Sonderstellung Kroatiens == |
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Der politische Begriff „Westbalkan“ umfasst jene Staaten auf der Balkanhalbinsel, die noch keine EU-Mitglieder sind, also das ehemalige Jugoslawien mit Ausnahme Sloweniens und Kroatiens sowie Albanien. Diese sechs Staaten werden im Allgemeinen (zusammen mit anderen, also z. B. mit [[Rumänien]], [[Bulgarien]], [[Republik Moldau|Moldau]] und [[Griechenland]]) zu [[Südosteuropa]] gezählt. Der Begriff „Südosteuropa“ ist historisch weniger vorbelastet als ein Begriff, der das Wort „Balkan“ enthält, weswegen die oben genannten Staaten üblicherweise als „südosteuropäisch“ eingestuft werden.<ref>https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/BR/BRSITZ/BRSITZ_00728/fnameorig_055010.html</ref><ref>http://www.seeurope.net/?q=node/49</ref><ref>http://www.seeurope.net/</ref><ref>http://www.setimes.com/</ref> |
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[[Kroatien]] befindet sich in dieser Staatengruppe in einer besonderen und gleichzeitig paradoxen Lage. Als Bestandteil [[Österreich-Ungarn]]s gehörte Kroatien (genauso wie Slowenien) mit traditionell [[Römisch-katholische Kirche|katholischer]] Bevölkerungsmehrheit jahrhundertelang zum mitteleuropäischen [[Kultur]]kreis. Aufgrund negativer [[Geschichte Kroatiens|historischer Erfahrungen]] distanzieren sich die [[Kroaten]] jedoch eher vom [[Balkanhalbinsel|Balkan]] und betonen vielmehr die eigene historische Verbundenheit mit [[Mitteleuropa]]. |
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Die Westbalkan-Gruppe wird nachfolgend mit einigen Daten aufgelistet: |
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Kroatien ist noch kein Mitglied der [[Europäische Union|Europäischen Union]] und zählt daher aus politischen Gründen wohl noch zum ''"Westbalkan"''. Die Unterschiede zu anderen Staaten Südosteuropas sind allerdings deutlich erkennbar. Weshalb man den EU Mitglieds- oder Kandidatenländern [[Slowenien]], [[Bulgarien]] und [[Rumänien]] wiederum einen anderen Status als Kroatien gibt, ist nicht unbedingt nachvollziehbar. |
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Das EU-Kandidatenland Kroatien wird oft auch als „wirtschaftlicher Motor“ Südosteuropas bezeichnet. Dem Staat wird auch viel Südosteuropa-Kompetenz zugesprochen. Vermutlich entschloss man sich daher Kroatien als ''"Westbalkan"''-Staat zu kategorisieren. Viele Politiker sehen in Kroatien großes Potential als erfahrener Vermittler zur krisengeschüttelten Balkan-Region und erhoffen sich dadurch mehr Stabilität für Europa. |
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! Mitgliedstaat |
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! [[Bruttoinlandsprodukt|BIP]]<br />pro Kopf (2021) |
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! [[Staatsschulden|Staatsschulden-<br />quote]] (2019) |
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! CO<sub>2</sub>-Emission<br />pro Kopf (2020) |
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! [[Index der menschlichen Entwicklung|Index der<br />menschlichen<br />Entwicklung]] (2021) |
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| style="text-align:left" | {{Albanien}} |
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| 6.373 $ |
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| 68 |
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| 1,7 t |
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| 0,796 |
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| style="text-align:left" | {{Bosnien und Herzegowina}} |
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| 6.712 $ |
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| 33 |
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| 6,7 t |
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| 0,78 |
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| style="text-align:left" | {{Kosovo}} |
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| 5.126 $ |
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| 18 |
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| 5 t <small>(2016)</small> |
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| <small>keine Daten erhoben</small> |
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| 79 |
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| 8,3 t <small>(mit Serbien)</small> |
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| style="text-align:left" | {{Nordmazedonien}} |
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Die [[Außengrenzen der Europäischen Union|Außengrenze der Europäischen Union]] zur Westbalkan-Enklave beträgt (an Land) 2.819 km, etwa ein Fünftel der Gesamtaußengrenze, und die zweitlängste nach der Ostgrenze. |
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== Unterschiedliche Regelung bei der Einreisevisumspflicht in EU Staaten == |
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*Die Bürger Kroatiens benötigen für Reisen in Staaten der [[Europäische Union|europäischen Union]] kein [[Visum]]. |
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*Die Bürger der anderen Staaten können nicht ohne weiteres in die EU einreisen und müssen zunächst bei der Botschaft des jeweiligen EU Landes ein kostenpflichtiges Visum beantragen. |
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== Europapolitik == |
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== Bedeutung der europäischen Perspektive == |
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Der Westbalkan gilt seit dem [[Zerfall Jugoslawiens]] (1991) auch über die Zeit der folgenden Kriegshandlungen bis um 2000 als politisch instabil. Dazu zählen ungeklärte Aufarbeitungen der Staaten untereinander ebenso wie ungeklärte Fragen mit den Nachbarstaaten sowie eine insgesamt wirtschaftlich schlechte Lage und innerstaatliche Probleme wie Korruption oder Minderheitenfragen.<ref>{{Internetquelle |autor=Dimitris Takos |url=https://tdhj.org/blog/post/complexities-western-balkans/ |titel=Unravelling Some Complexities Of The Western Balkans |werk=TDHJ |datum=2023-08-31 |sprache=en |abruf=2024-10-01}}</ref> |
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Die europäische Perspektive für die Staaten der betroffenen Region gilt auch als wichtigstes Kriterium für die Entwicklung der gesamten Region und somit für die Erhaltung des Friedens in Europa. Daher ist es politisch oft einfacher vom ''"Westbalkan"'' zu sprechen, will man diejenigen Staaten bezeichnen, die noch keine EU-Mitgliedsländer sind. Es empfiehlt sich aber in Zukunft eher den neutraleren und korrekteren Begriff [[Südosteuropa]] für alle Staaten dieser Region zu verwenden, oder die einzelnen Staaten jeweils gesondert zu benennen. |
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Trotz des prinzipiellen Willens der EU, auch diese „Lücke“ im Verbund Europas zu schließen, stehen noch viele offene Fragen aus. |
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Im Rahmen einer Annäherung an die Europäische Union wird oft auch die [[Central European Free Trade Agreement|CEFTA]] (engl. ''Central European Free Trade Agreement'') erwähnt. Dies ist eine Wirtschafts-Organisation, welche die ''Westbalkan''-Staaten und diverse andere Staaten der Region (einschließlich [[Moldawien]]) umfassen wird. Sie soll politische Stabilität durch wirtschaftliche Zusammenschlüsse auf dem Balkan gewährleisten. |
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{{Siehe auch|Internationale Konflikte der Nachfolgestaaten Jugoslawiens}} |
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=== Bedeutung der europäischen Perspektive und transatlantischen Integration === |
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Albanien und Kroatien sind seit April 2009 Mitglied der [[NATO]], [[Montenegro]] seit Juni 2017 und [[Nordmazedonien]] seit März 2020. Bosnien und Herzegowina zählt zu den nächsten Beitrittskandidaten. Die europäische Perspektive für die Westbalkan-Staaten gilt auch als wichtigstes Kriterium für die [[Regionale Integration|Entwicklung der gesamten Region]] und somit für die Erhaltung des Friedens in [[Europa]].<ref>{{Literatur |Autor=Tado, Jurić |Titel=Westbalkan-Erweiterung der EU. Europäisierungsprozess in Bosnien und Herzegowina, Serbien und Kroatien – ein Vergleich |Verlag=Dr. Kovač |Ort=Hamburg |Datum=2013 |ISBN=978-3-8300-7377-2}}</ref> Deswegen ist der Beitritt der betreffenden Staaten das nächste strategische Erweiterungsziel der EU, das beim europäischen Gipfel von Juni 2003 in [[Porto Carras]] bei [[Thessaloniki]] festgelegt wurde<ref>[http://europa.eu/rapid/press-release_PRES-03-163_de.htm Erklärung zum Gipfeltreffen EU – westliche Balkanstaaten] Pressemitteilung der Europäischen Kommission, Thessaloniki, 21. Juni 2003.</ref> (siehe [[Versprechen von Thessaloniki]]). |
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Bisher ist nur die Republik Kroatien Mitglied der [[Europäische Union|Europäischen Union]]. Albanien, Bosnien und Herzegowina (noch ohne Verhandlungen), Serbien, Nordmazedonien und Montenegro besitzen einen Beitrittskandidatenstatus. |
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Der Kosovo hat sich um die Mitgliedschaft beworben. |
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Im Vorfeld wurde von allen Westbalkanstaaten ein [[Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen]] (SAA) mit der EU unterzeichnet. Dieses Abkommen gilt als Vorstufe für einen Kandidatenstatus. Auch der Beitritt zum [[Mitteleuropäisches Freihandelsabkommen|Mitteleuropäischen Freihandelsabkommen]] (CEFTA), das dem Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen dient, gilt als vorbereitende Maßnahme für eine EU-Kandidatur. Derzeit (2022) gehören [[Moldawien]] und die Westbalkan-Staaten der CEFTA an. |
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=== Visumpflicht bei Einreisen in Schengen-Staaten === |
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{{Siehe auch|Schengener Abkommen}} |
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Zum 19. Dezember 2009 wurde die [[Visum]]pflicht für Staatsangehörige Mazedoniens, Montenegros und Serbiens für Aufenthalte im [[Schengen-Raum]] von bis zu 90 Tagen im Halbjahr aufgehoben, sofern sie Inhaber eines biometrischen Passes sind. Zum 15. Dezember 2010 wurde die Visumpflicht entsprechend auch für Bürger aus Albanien sowie Bosnien und Herzegowina aufgehoben. Für Staatsangehörige ohne biometrischen Pass besteht diese Pflicht jedoch fort. Bürger des Kosovo unterlagen noch bis 2023 der Visumpflicht, auch wenn sie Inhaber eines serbischen Passes waren. |
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=== Westbalkankonferenzen === |
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Die ''[[Westbalkankonferenz]]'' ist eine 2013 begonnene Tagungsreihe, in der aktuelle Probleme der Beziehung der EU zu diesen Staaten und die EU-Beitrittsverhandlungen besprochen werden. |
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=== Berliner Prozess === |
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Im Jahr 2014 begann auf Initiative Deutschlands der ''[[Berliner Prozess]]'', um eine engere Bindung der Region an die EU herbeizuführen. Die politische Lage in der Region gilt als instabil und von vielen [[Geopolitik|geopolitischen]] Interessen geprägt.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.agrarzeitung.de/nachrichten/politik/aussenhandelspolitik-agrarattach-fuer-westbalkan-deutschland-vertieft-agrarpolitische-zusammenarbeit-109104 |titel=Außenhandelspolitik: Agrarattaché für Westbalkan |sprache=de-DE |abruf=2023-10-04}}</ref> |
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=== Flüchtlingsthematik === |
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Im Rahmen der [[Europäische Flüchtlingskrise|Flüchtlingskrise 2015]] wurde die [[Westbalkanroute]] zum zentralen Problemfeld. Die [[Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei|Türkisch-Bulgarische Grenze]] war durch einen Grenzzaun gesichert worden und wurde streng kontrolliert, sodass die – ganz innerhalb der EU verlaufende – Ostbalkanroute der Migration weitgehend zum Erliegen kam. Die [[Grenze zwischen Griechenland und Nordmazedonien|Griechisch-Mazedonische Grenze]] (wie die seinerzeitige Bezeichnung noch lautete) war hingegen für einige Zeit die Hauptmigrationsroute nach Zentraleuropa. Sie ist bis heute ein Problemfeld der [[EU-Flüchtlingspolitik]], wenn auch in weit geringerem Umfang als 2015/16. |
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== Weblinks == |
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* [https://www.esiweb.org/?lang=de&id=145 Berichte der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI) zum Westbalkan und zur EU-Erweiterung] |
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== Einzelnachweise == |
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<references responsive /> |
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[[Kategorie:Regionale Staatengruppe in Europa|Balkan #West]] |
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[[Kategorie:EU-Begriff]] |
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[[Kategorie:Balkan]] |
[[Kategorie:Balkan]] |
Aktuelle Version vom 23. April 2025, 16:14 Uhr
Staaten von Nord nach Süd:






Westbalkan (serbokroatisch: Zapadni Balkan/Западни Балкан, albanisch: Ballkani Perëndimor) ist ein politischer Sammelbegriff für fünf Nachfolgestaaten Jugoslawiens und Albanien. Jene Staaten, die der Europäischen Union beigetreten sind, also Slowenien (2004) und Kroatien (2013), werden heute im Allgemeinen nicht mehr zu diesem Begriff gezählt. Der Westbalkan wird teilweise als „Innenhof“ der Europäischen Union bezeichnet, weil er ausschließlich von EU-Staaten umgeben ist.[1][2]
Auf dem Westbalkan mit einer Fläche von 208.000 km² leben etwa 19 Millionen Menschen.

Begriffsverwendung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Begriff wurde als Terminus technicus auf dem EU-Gipfel im Dezember 1998 in den Sprachgebrauch der Europäischen Union eingeführt. Er sollte diejenigen südosteuropäischen Staaten bezeichnen, die nach dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens das nächste strategische Erweiterungsziel der EU darstellen.[3] Er wird weiterhin primär von den Institutionen der EU und in der sozialwissenschaftlichen Forschung verwendet. Die EU wollte einen zusammenfassenden Begriff für diese Staaten schaffen, der kurz und prägnant sowie neutral ist.
Trotz dieser ursprünglichen Intention der EU gibt es Ressentiments gegen diesen Begriff, die in den teilweise negativen Konnotationen des Teilbegriffs Balkan begründet sind. Kritik am Begriff „Westbalkan“ entzündet sich in erster Linie am Teilwort „Balkan“. Obwohl es ursprünglich ein neutraler geographischer Begriff war, der das Balkangebirge bzw. die Balkanhalbinsel bezeichnete, ist der Begriff heute historisch vorbelastet. Schon Bismarck wird der Spruch nachgesagt, der Balkan sei nicht die Knochen eines einzigen pommerschen Grenadiers wert. Viele verbinden mit dem Balkan-Begriff politische Instabilität, Kleinstaaterei, wirtschaftliche Rückständigkeit u. ä. Diese Sichtweise ist vor allem in Mittel- und Westeuropa verbreitet.[4] Beispielsweise ist für Kroatien die Zuordnung zu Mitteleuropa ein Mittel der Abgrenzung von der Krisenregion Balkan.[5]
In einigen Staaten der Balkanhalbinsel ist der Begriff „Balkan“ hingegen überwiegend positiv besetzt. Dies ist vor allem in Bulgarien der Fall, auf dessen Staatsgebiet das Balkangebirge zu 95 % verläuft. Die negativen Konnotationen des Balkan-Begriffs sind den Bulgaren zwar durchaus bewusst, aber sie empfinden sie als auswärtige Sichtweise, die mit Vorurteilen behaftet ist. Für die Bulgaren ist der Balkan Teil der nationalen Identität, trotz der überwiegend europäischen Ausrichtung der dortigen Bevölkerung.[4]
Staaten des Westbalkans und Kennzahlen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der politische Begriff „Westbalkan“ umfasst jene Staaten auf der Balkanhalbinsel, die noch keine EU-Mitglieder sind, also das ehemalige Jugoslawien mit Ausnahme Sloweniens und Kroatiens sowie Albanien. Diese sechs Staaten werden im Allgemeinen (zusammen mit anderen, also z. B. mit Rumänien, Bulgarien, Moldau und Griechenland) zu Südosteuropa gezählt. Der Begriff „Südosteuropa“ ist historisch weniger vorbelastet als ein Begriff, der das Wort „Balkan“ enthält, weswegen die oben genannten Staaten üblicherweise als „südosteuropäisch“ eingestuft werden.[6][7][8][9]
Die Westbalkan-Gruppe wird nachfolgend mit einigen Daten aufgelistet:
Mitgliedstaat | BIP pro Kopf (2021) |
Staatsschulden- quote (2019) |
CO2-Emission pro Kopf (2020) |
Index der menschlichen Entwicklung (2021) |
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6.373 $ | 68 | 1,7 t | 0,796 |
![]() |
6.712 $ | 33 | 6,7 t | 0,78 |
![]() |
5.126 $ | 18 | 5 t (2016) | keine Daten erhoben |
![]() |
9.433 $ | 79 | 8,3 t (mit Serbien) | 0,832 |
![]() |
6.714 $ | 40 | 3,7 t | 0,77 |
![]() |
9.178 $ | 53 | 8,3 t (mit Serbien) | 0,802 |
Die Außengrenze der Europäischen Union zur Westbalkan-Enklave beträgt (an Land) 2.819 km, etwa ein Fünftel der Gesamtaußengrenze, und die zweitlängste nach der Ostgrenze.
Europapolitik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Westbalkan gilt seit dem Zerfall Jugoslawiens (1991) auch über die Zeit der folgenden Kriegshandlungen bis um 2000 als politisch instabil. Dazu zählen ungeklärte Aufarbeitungen der Staaten untereinander ebenso wie ungeklärte Fragen mit den Nachbarstaaten sowie eine insgesamt wirtschaftlich schlechte Lage und innerstaatliche Probleme wie Korruption oder Minderheitenfragen.[10]
Trotz des prinzipiellen Willens der EU, auch diese „Lücke“ im Verbund Europas zu schließen, stehen noch viele offene Fragen aus.
Bedeutung der europäischen Perspektive und transatlantischen Integration
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Albanien und Kroatien sind seit April 2009 Mitglied der NATO, Montenegro seit Juni 2017 und Nordmazedonien seit März 2020. Bosnien und Herzegowina zählt zu den nächsten Beitrittskandidaten. Die europäische Perspektive für die Westbalkan-Staaten gilt auch als wichtigstes Kriterium für die Entwicklung der gesamten Region und somit für die Erhaltung des Friedens in Europa.[11] Deswegen ist der Beitritt der betreffenden Staaten das nächste strategische Erweiterungsziel der EU, das beim europäischen Gipfel von Juni 2003 in Porto Carras bei Thessaloniki festgelegt wurde[12] (siehe Versprechen von Thessaloniki).
Bisher ist nur die Republik Kroatien Mitglied der Europäischen Union. Albanien, Bosnien und Herzegowina (noch ohne Verhandlungen), Serbien, Nordmazedonien und Montenegro besitzen einen Beitrittskandidatenstatus. Der Kosovo hat sich um die Mitgliedschaft beworben. Im Vorfeld wurde von allen Westbalkanstaaten ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU unterzeichnet. Dieses Abkommen gilt als Vorstufe für einen Kandidatenstatus. Auch der Beitritt zum Mitteleuropäischen Freihandelsabkommen (CEFTA), das dem Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen dient, gilt als vorbereitende Maßnahme für eine EU-Kandidatur. Derzeit (2022) gehören Moldawien und die Westbalkan-Staaten der CEFTA an.
Visumpflicht bei Einreisen in Schengen-Staaten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zum 19. Dezember 2009 wurde die Visumpflicht für Staatsangehörige Mazedoniens, Montenegros und Serbiens für Aufenthalte im Schengen-Raum von bis zu 90 Tagen im Halbjahr aufgehoben, sofern sie Inhaber eines biometrischen Passes sind. Zum 15. Dezember 2010 wurde die Visumpflicht entsprechend auch für Bürger aus Albanien sowie Bosnien und Herzegowina aufgehoben. Für Staatsangehörige ohne biometrischen Pass besteht diese Pflicht jedoch fort. Bürger des Kosovo unterlagen noch bis 2023 der Visumpflicht, auch wenn sie Inhaber eines serbischen Passes waren.
Westbalkankonferenzen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Westbalkankonferenz ist eine 2013 begonnene Tagungsreihe, in der aktuelle Probleme der Beziehung der EU zu diesen Staaten und die EU-Beitrittsverhandlungen besprochen werden.
Berliner Prozess
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Jahr 2014 begann auf Initiative Deutschlands der Berliner Prozess, um eine engere Bindung der Region an die EU herbeizuführen. Die politische Lage in der Region gilt als instabil und von vielen geopolitischen Interessen geprägt.[13]
Flüchtlingsthematik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Rahmen der Flüchtlingskrise 2015 wurde die Westbalkanroute zum zentralen Problemfeld. Die Türkisch-Bulgarische Grenze war durch einen Grenzzaun gesichert worden und wurde streng kontrolliert, sodass die – ganz innerhalb der EU verlaufende – Ostbalkanroute der Migration weitgehend zum Erliegen kam. Die Griechisch-Mazedonische Grenze (wie die seinerzeitige Bezeichnung noch lautete) war hingegen für einige Zeit die Hauptmigrationsroute nach Zentraleuropa. Sie ist bis heute ein Problemfeld der EU-Flüchtlingspolitik, wenn auch in weit geringerem Umfang als 2015/16.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Der Westbalkan ist Europas Innenhof, Interview mit Michael Roth, 2. Juni 2018 auf Auswaertiges.amt.de, abgerufen am 14. Juli 2024
- ↑ Michael Martens: Von Verbündeten zu Gegenspielern - Washington arbeitet auf dem Balkan gegen die EU, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31. März 2020
- ↑ Camelia E. Ratiu: Balkangovernance, in: Georg Simonis, Helmut Elbers (Hrsg.): Externe EU-Governance. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-17941-4, S. 135 [1]
- ↑ a b Archivierte Kopie ( vom 3. September 2006 im Internet Archive)
- ↑ Großgliederung Europas nach kulturräumlichen Kriterien Europa Regional, 13. Jahrgang, 2005, Heft 4, S. 164
- ↑ https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/BR/BRSITZ/BRSITZ_00728/fnameorig_055010.html
- ↑ http://www.seeurope.net/?q=node/49
- ↑ http://www.seeurope.net/
- ↑ http://www.setimes.com/
- ↑ Dimitris Takos: Unravelling Some Complexities Of The Western Balkans. In: TDHJ. 31. August 2023, abgerufen am 1. Oktober 2024 (englisch).
- ↑ Tado, Jurić: Westbalkan-Erweiterung der EU. Europäisierungsprozess in Bosnien und Herzegowina, Serbien und Kroatien – ein Vergleich. Dr. Kovač, Hamburg 2013, ISBN 978-3-8300-7377-2.
- ↑ Erklärung zum Gipfeltreffen EU – westliche Balkanstaaten Pressemitteilung der Europäischen Kommission, Thessaloniki, 21. Juni 2003.
- ↑ Außenhandelspolitik: Agrarattaché für Westbalkan. Abgerufen am 4. Oktober 2023 (deutsch).
Koordinaten: 43° N, 20° O