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„Henri Rousseau“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Henri Rousseau - Myself- Portrait – Landscape - Google Art Project.jpg|mini|hochkant|''Selbstporträt'', 1890, [[Nationalgalerie Prag]]]]
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'''Henri Julien Félix Rousseau''', genannt „Le Douanier Rousseau“ (Der Zöllner Rousseau) (* [[21. Mai]] [[1844]] in [[Laval (Mayenne)|Laval]]; † [[2. September]] [[1910]] in [[Paris]]) war ein [[autodidakt]]ischer [[Frankreich|französischer]] Maler. Sein Stil wird dem [[Spätimpressionismus|Postimpressionismus]] und der [[Naive Kunst|Naiven Kunst]] zugeordnet. Er gilt als einer der Wegbereiter des [[Surrealismus]].
[[Image:Rousseau09.jpg|thumb|right|Henri Rousseau (Selbstportrait)]]
'''Henri Rousseau''' (* [[20. Mai]] [[1844]] in [[Laval (Mayenne)|Laval]], [[Frankreich]]; † [[2. September]] [[1910]] in [[Paris]], [[Frankreich]]) war ein französischer Maler. Er gilt als einer der Wegbereiter des [[Surrealismus]].


== Leben ==
== Leben ==
[[Datei:Portrait de l'artiste à la lampe - Henri Rousseau.jpg|mini|hochkant|''Selbstporträt'', 1902/1903, [[Musée Picasso]], Paris]]
Henri Rousseau wurde 1844 im kleinen Städtchen Laval im Nordwesten Frankreichs als Sohn des Klempnermeisters und Eisenwarenhändlers Julien Rousseau und seiner Frau Eleonore geboren.
[[Datei:La muse inspirant le poète.jpg|mini|hochkant|''La Muse inspirant le poète'', 1909, abgebildet sind Apollinaire und Marie Laurencin.]]


Henri Rousseau war Sohn des Klempnermeisters und Eisenwarenhändlers Julien Rousseau und seiner Frau Eleonore. Früh begann er sich für Dichtung und Musik zu interessieren. Nach der Schulzeit diente er als [[Klarinette|Klarinettist]] in einem [[Infanterie]]regiment. Nach dem Militärdienst wurde er beim Zoll angestellt. Daher sein Name ''Le Douanier'' („der Zöllner“).
Er galt als schwacher Schüler, liebte aber Dichtung und Musik. Schon 1860 war sein Name in der Schülerliste nicht mehr aufgeführt. '''[[Alfred Jarry]] – der übrigens auch in Laval geboren wurde – und [[Guillaume Apollinaire]] haben Rousseaus Leben frühzeitig zur Legende collagiert. Viel bedurfte es dazu nicht, denn er lebte in all seiner Einfachheit und Naivität bereits „sagenhaft“.''' Inzwischen ist aber manches Detail seines Lebenslaufes nicht mehr nachzuweisen, aber immer wieder erzählt. Beispiel: er habe als Soldat den [[Geschichte Mexikos|Mexikofeldzug der Franzosen]] mitgemacht. Tatsache ist aber, dass er, wegen begangener Unregelmäßigkeiten in seiner Lehre in einem Advokatenbüro angeklagt, in Uniform vor Gericht erschien. Nun diente er als [[Klarinette|Klarinettist]] in einem [[Infanterie]]regiment. Nach dem Militärdienst gelang es ihm, beim Zoll angestellt zu werden. Daher sein Name „Le Douanier“ (der Zöllner).
[[Datei:Henri Rousseau - Portrait of a Woman (1895).jpg|mini|hochkant|''Portrait de femme'', um 1895, Musée Picasso, Paris. Picasso erwarb das Bild 1908 für fünf Franc. Der Kauf war der Anlass zu einem bekannten Bankett im [[Bateau-Lavoir]], Paris, das Picasso zu Ehren Rousseaus gab.]]


1869 heiratete er die 18-jährige Schneiderin Clémence Boitard, die ihm bis zu ihrem frühen Tod 1888 in 19 Jahren neun Kinder gebar. Von diesen überlebte nur Tochter Julia den Vater. Rousseaus Enkelin Jeanne war später Klavierlehrerin in [[Cherbourg]]. Nach dem Tod seiner Frau Clémence ließ sich Rousseau im Jahre 1884 frühpensionieren. Schon vorher aber hatte er zu malen begonnen.
1869 heiratete er die 18-jährige Schneiderin Clémence Boitard. Mit ihr hatte er neun Kinder. Von diesen überlebte ihn nur Tochter Julia. Nach dem Tod seiner Frau 1888 ließ sich Rousseau im Jahre 1893 frühpensionieren. Schon vorher hatte er zu malen begonnen.


Leben und Malerei führte Rousseau immer einfach, und doch verbarg sich hinter dieser scheinbaren Bedürfnislosigkeit ein tiefer Ehrgeiz – nämlich mit seinen Bildern Anerkennung zu finden. Der erste, der die Bedeutung seiner Bilder verstand, war der junge Alfred Jarry. Durch ihn lernte er [[Paul Gauguin]] kennen. In Gauguins Atelier traf er [[Stéphane Mallarmé|Mallarmé]], [[August Strindberg|Strindberg]] und [[Edgar Degas|Degas]]. Bald stellte er selbst in den Salons der Unabhängigen aus. Wichtig war die Freundschaft mit [[Guillaume Apollinaire]], durch den er mitten in die künstlerische [[Avantgarde]] hineinkam.
Der Erste, der die Bedeutung seiner Bilder erkannte, war der junge [[Alfred Jarry]]. Durch ihn lernte er [[Paul Gauguin]] kennen. In dessen Atelier traf er [[Stéphane Mallarmé]], [[August Strindberg]] und [[Edgar Degas]]. Bald stellte er selbst im [[Salon des Indépendants]] aus.


Rousseau gab inzwischen Geigenunterricht, um seine karge Rente aufzubessern. In den bescheidenen Räumen des Zöllners trafen sich außer Schülern und Eltern Apollinaire, [[Robert Delaunay|Delaunay]] (der Rousseaus treuer Freund wurde, seine Malerei verstand und ihn durch Ankauf seiner Bilder unterstützte) Picasso, [[Georges Braque| Braque]], [[Max Jacob]], [[Maurice de Vlaminck|Vlaminck]], [[Constantin Brancusi|Brancusi]], [[Marie Laurencin]], [[Philippe Soupault]] und weitere.
Wichtig war die Freundschaft mit [[Guillaume Apollinaire]], durch den er Beziehungen zur künstlerischen [[Avantgarde]] anknüpfen konnte. Rousseau gab inzwischen Violinunterricht, um seine karge Rente aufzubessern. Er traf [[Robert Delaunay]], [[Pablo Picasso]], [[Georges Braque]], [[Max Jacob (Malerdichter)|Max Jacob]], [[Maurice de Vlaminck]], [[Constantin Brâncuși]], [[Marie Laurencin]], [[Philippe Soupault]] und weitere.


Gelegentlich geriet Rousseau mit dem Gesetzt in Konflikt. Als der Richter ihn wegen Scheckbetrugs zu zwei Jahren Gefängnis verurteilte, diese aber zur [[Bewährung]] aussetzte, versprach er dem Richter überschwänglich, das Porträt seiner Gattin zu malen.
Gelegentlich geriet Rousseau mit dem Gesetz in Konflikt. Als der Richter ihn wegen Scheckbetruges zu zwei Jahren Gefängnis verurteilte, diese aber zur Bewährung aussetzte, versprach er dem Richter, dessen Gattin zu porträtieren.


Henri Rousseau starb am 2. September 1910 im Hospital Necker in Paris nach einer [[Blutvergiftung]]. Sieben Menschen waren bei seinem Begräbnis anwesend: Robert Delaunay und dessen Frau [[Sonja Delaunay-Terk|Sonja Terk]], die Maler [[Paul Signac]] und [[Julio Ortiz de Zárate]], der rumänische Bildhauer Brâncuși, Rousseaus Hauswirt Armand Queval und der Schriftsteller Apollinaire.
Erwähnenswert ist auch das Bankett, das Picasso 1908 für Rousseau im [[Bateau Lavoir]] veranstaltete: es war ein [[Happening]], Rousseau aber nahm es durchaus als Ehrung. Außer all den Künstlern nahm halb [[Montmartre]] daran teil. [[Gertrude Stein]], die mit ihrer Lebensgefährtin [[Alice B. Toklas]] auch anwesend war, erinnert sich: „Guillaume Apollinaire stand auf und hielt eine feierliche Ansprache…. Er schloss mit einem Gedicht, das er halb singend vortrug, und dann stimmte jeder in den Refrain ein: ‚La peinture de ce Rousseau’…“ Überliefert ist auch Rousseaus Bemerkung zu Picasso: „Wir beiden sind die größten Maler des Jahrhunderts, du in der ägyptischen und ich in der modernen Weise…“.


Apollinaire schrieb das [[Epitaph]], dessen Zeilen Brâncuși in den Grabstein meißelte:
Henri Rousseau starb am 2. September 1910 im Hospital Necker in Paris nach einer [[Blutvergiftung]]. Sieben Menschen waren bei seinem Begräbnis anwesend: die Maler [[Paul Signac]] und Ortiz de Zarate, Robert Delaunay und dessen Frau [[Sonja Delaunay-Terk|Sonja Terk]], der Bildhauer Brancusi, Rousseaus Hauswirt Armand Queval und Guillaume Apollinaire. Letzterer schrieb den Epitaph, den Brancusi in den Grabstein meißelte:
<poem>
: ''„Freundlicher Rousseau, du hörst uns.''
Freundlicher Rousseau, du hörst uns.
: ''Wir grüssen dich,''
Wir grüßen dich,
: ''Delaunay, seine Frau, Monsieur Queval und ich.''
Delaunay, seine Frau, Monsieur Queval und ich.
: ''Lass unsere Koffer zollfrei durch die Pforte des Himmels,''
Lass unsere Koffer zollfrei durch die Pforte des Himmels,
: ''Wir bringen dir Pinsel, Farben und Leinwand,''
Wir bringen dir Pinsel, Farben und Leinwand,
: ''Damit du malest in der geheiligten Muße des wahren Lichts''
Damit du malest in der geheiligten Muße des wahren Lichts
: ''Wie einst mein Bildnis:''
Wie einst mein Bildnis:
: ''Das Angesicht der Sterne.“''
Das Angesicht der Sterne
</poem>


== Werk ==
== Werk ==
{{Hauptartikel|Werkverzeichnis von Henri Rousseau}}
[[Bild:Henri Rousseau 005.jpg|thumb|250px|Henri Rousseau: Der Traum, 1910]]
{{Belege fehlen}}
Die Realität hat bei Rousseau nicht abbildhaften Charakter. Rousseau selbst erklärte sie mehrfach als Traum. Ihre Elemente erscheinen isoliert und idealisiert. '''Sie treten unverbunden und überraschend nebeneinander.''' Der Hintergrund ist genauso scharf gesehen und klar gezeichnet wie die Phänomene des Vordergrundes. Die klassische Perspektive ist außer Kraft. Die Figuren erscheinen in frontaler Sicht oder in strengem Profil.
Die Realität ist bei Rousseau nicht abbildhaft, sie ist vielmehr ein Traum. Die einzelnen Elemente seiner Bilder sind idealisiert und dennoch vereinfacht. Sie treten unverbunden und überraschend nebeneinander. Der Hintergrund ist genauso scharf gesehen wie der Vordergrund. Die Figuren erscheinen in frontaler Sicht oder in strengem Profil.

<!-- Rousseau stellte Wirklichkeit her. Außerhalb der gängigen optischen Klischees der normalen Wirklichkeitserfahrung erlebte er ein Ding und stellte es gleichzeitig als [[Gleichnis]], als [[Petroleumlampe]], als Kerze, als Baum hin. -->
<!-- Rousseau stellte Wirklichkeit her. Außerhalb der gängigen optischen Klischees der normalen Wirklichkeitserfahrung erlebte er ein Ding und stellte es gleichzeitig als [[Gleichnis]], als [[Petroleumlampe]], als Kerze, als Baum hin. -->
Rousseau liebte klare Konturen, harte Kontraste ohne Übergänge. Er verwendete leuchtende [[Kontaktfarbe]]n ohne Schatten, doch war seine Palette reich an farblichen [[Nuance]]n. In seinem Bild ''Der Traum'' (der Yadwiga) schimmert der Urwald in mehr als fünfzig Grüntönen.
Rousseau liebte klare Konturen und harte Kontraste ohne Übergänge. Er verwendete leuchtende [[Kontaktfarbe]]n ohne Schatten, doch war seine Palette reich an farblichen [[Nuance]]n. In seinem Bild ''Der Traum'' (der Yadwiga) schimmert der Urwald in mehr als fünfzig Grüntönen.


Schließlich war noch ein anderer Moment der Farbgebung Rousseaus sowohl für die neusachliche wie für die surrealistische Malerei [[René Magritte]]s oder [[Yves Tanguy]]s wichtig: Der sparsame, überlegte, beinahe anonyme Farbauftrag, der sorgfältig die Pinselspuren verbarg und keine Handschrift verriet. Jede Eitelkeit des Machens war Rousseau fremd. Es ging ihm nicht um die Herstellung malerischer Texturen, sondern um seine Gegenstände.
Das Licht der Bilder Rousseaus gibt vielen Kritikern Rätsel auf. Es ist ein inneres, kein bestimmbares, reales Licht. Es erzeugt keine Atmosphäre, wirft keine Schatten, stiftet keinen natürlichen Zusammenhang wie das Licht der [[Impressionist]]en. Es ist oft nicht einmal möglich, eindeutig zu bestimmen, ob es Taglicht oder Mondlicht ist.


Rousseaus Motive wurden teilweise vom botanischen Garten in Paris und Weltausstellungen inspiriert. Er besuchte die Weltausstellungen von [[Weltausstellung Paris 1878|1878]], [[Weltausstellung Paris 1889|1889]] und [[Weltausstellung Paris 1900|1900]] in Paris. Sein erstes Dschungelbild ''Überrascht!'' soll aus den Eindrücken der Weltausstellung 1889 entstanden sein. Außerdem erhielt er 1884 auf Empfehlung des Malers [[Félix Auguste Clément]] eine Kopiererlaubnis für die französischen Nationalmuseen. Hier beeindruckte ihn besonders die Teppichserie ''Die Dame mit dem Einhorn''. Diese soll seine Dschungelbilder inspiriert haben.<ref>{{Literatur |Autor=Marina Schneede |Titel=Henri Rousseau |Verlag=Harenberg Edition |Ort=Dortmund |Datum=1994 |ISBN=978-3-611-00406-3 |Seiten=9-10}}</ref>
Schließlich war noch ein anderer Moment der Farbgebung Rousseaus sowohl für die neusachliche wie für die surrealistische Malerei eines [[René Magritte|Magritte]] oder [[Yves Tanguy|Tanguy]] wichtig: der sparsame, überlegte, beinahe anonyme Farbauftrag, der sorgfältig die Pinselspuren verbarg und keine Handschrift verriet. Jede Eitelkeit des Machens war Rousseau fremd. Es ging ihm nicht um die Herstellung malerischer Texturen, sondern um seine Gegenstände.


==Zitate==
== Rezeption ==
[[Image:Henri Rousseau 002.jpg|thumb|250px|Henri Rousseau: Brücke in Sèvres, 1908]]
[[Datei:Henri Rousseau 005.jpg|mini|''Der Traum'', 1910, [[Museum of Modern Art]], New York]]
[[Datei:Henri Rousseau 010.jpg|mini|''[[Die schlafende Zigeunerin]],'' 1897]]
Apollinaire hat Henri Rousseau den “[[Paolo Uccello|Ucello]] unseres Jahrhunderts” genannt. Er sah in ihm den Primitiven eines neuen Zeitalters (der zu sein übrigens auch [[Paul Cézanne|Cézanne]] für sich in Anspruch genommen hatte), in dessen Bildern mit ihren poetischen Chiffren zugleich naiv und in großer Klarheit viel von dem vorweggenommen schien, was Kunst der Moderne – wie sie sich rund um Apollinaire entfaltete – zu leisten aufgetragen war.
[[Datei:Henri Rousseau 002.jpg|mini|''Brücke in Sèvres'', 1908, [[Eremitage (Sankt Petersburg)]]]]
Aus dem gleichen Grunde faszinierte er [[Wassily Kandinsky|Kandinsky]]. Sein Aufsatz „Über die Formfrage“ im „Almanach des [[Blauer Reiter|Blauen Reiters]]“ von 1912, mit nicht weniger als sieben Reproduktionen nach Bildern Rousseaus illustriert, enthält die oft aufgenommene Unterscheidung der „vom Geist aus den Vorratskammern der Materie herausgerissenen Verkörperungsformen“ nach zwei Polen hin, der großen Abstraktion und der großen Realistik. „Diese zwei Pole eröffnen zwei Wege, die schließlich zu einem Ziel führen.“ Während Kandinsky sich berufen fühlte, den ersten Weg einzuschlagen, sah er als seinen Widerpart Rousseau den Weg der neuen großen Realistik gehen, beide Revolutionäre am Anfang eines je neuen Weges.
Apollinaire hat Henri Rousseau den „[[Paolo Uccello|Uccello]] unseres Jahrhunderts“ genannt. Er sah in ihm den Primitiven eines neuen Zeitalters (der zu sein übrigens auch [[Paul Cézanne|Cézanne]] für sich in Anspruch genommen hatte), in dessen Bildern mit ihren poetischen Chiffren zugleich naiv und in großer Klarheit viel von dem vorweggenommen schien, was Kunst der Moderne – wie sie sich rund um Apollinaire entfaltete – zu leisten aufgetragen war. Aus dem gleichen Grunde faszinierte er [[Wassily Kandinsky|Kandinsky]]. Sein Aufsatz „Über die Formfrage“ im „Almanach des [[Blauer Reiter|Blauen Reiters]]“ von 1912, mit nicht weniger als sieben Reproduktionen nach Bildern Rousseaus illustriert, enthält die oft aufgenommene Unterscheidung der „vom Geist aus den Vorratskammern der Materie herausgerissenen Verkörperungsformen“ nach zwei Polen hin, der großen Abstraktion und der großen Realistik. „Diese zwei Pole eröffnen zwei Wege, die schließlich zu einem Ziel führen.“ Während Kandinsky sich berufen fühlte, den ersten Weg einzuschlagen, sah er als seinen Widerpart Rousseau den Weg der neuen großen Realistik gehen, beide Revolutionäre am Anfang eines je neuen Weges.


[[Tristan Tzara]] huldigte in Rousseau einem Künstler, der nicht nur einen neuen Stil der Malerei, sondern auch einen eigenen Lebensstil begründet hatte. Die von dem in seiner Naivität unbeirrbaren und unverführbaren Rousseau gelebte Einheit von Kunst und Leben musste gerade den so wenig naiven [[Dada|Dadaisten]] beeindrucken.
[[Tristan Tzara]] huldigte in Rousseau einem Künstler, der nicht nur einen neuen Stil der Malerei, sondern auch einen eigenen Lebensstil begründet hatte. Die von dem in seiner Naivität unbeirrbaren und unverführbaren Rousseau gelebte Einheit von Kunst und Leben musste gerade den so wenig naiven [[Dada]]isten beeindrucken.


[[André Breton]] meinte „mit Rousseau könnten wir zum ersten Mal von ‚Magischem Realismus’ sprechen“.
Der Surrealist [[André Breton]] resümierte, „mit Rousseau könnten wir zum ersten Mal von ‚[[Magischer Realismus|Magischem Realismus]]’ sprechen“.


[[Philippe Soupault]] schrieb 1927 eine [[Monographie]] über Rousseau, in dem er liebevoll von seinen Erlebnissen mit dem Douanier erzählt.
[[Philippe Soupault]] schrieb 1927 eine [[Monografie]] über Rousseau, in der er liebevoll von seinen Erlebnissen mit dem ''Douanier'' erzählt.
[[Datei:Henri Rousseau (Franz Marc) DSC1692.jpg|mini|[[Franz Marc]]: ''Bildnis Henri Rousseau'', 1911, [[Städtische Galerie im Lenbachhaus]], München]]
Lise und [[Oto Bihalji-Merin]] schreiben über ihn: „Aus der Perspektive seiner weltuntauglichen Armut projizierte Rousseau kindliche Wachträume voller Schönheit und Ruhm. So bildhaft und intensiv empfand er seine Traumwelt, dass er im Zwielicht von Zuversicht und Ahnung die Grenzen des Wirklichen überschritt und selbst davon überzeugt war, dass ihn der Präsident der Republik zu einer Soirée eingeladen, der grobe Portier ihn jedoch seiner ärmlichen Kleidung wegen zurückgewiesen habe.“ Und Apollinaire: „Wenige Maler sind zu ihren Lebzeiten so verhöhnt worden wie der Zöllner, und wenige Menschen traten den Spöttereien, den Grobheiten, mit denen man ihn überschüttete, mit ruhigerer Stirn entgegen.“<ref>Lise und Oto Bihalji-Merin: ''Leben und Werk des Malers Henri Rousseau.'' Verlag der Kunst, Dresden 1971.</ref>


[[Otto Pankok]] schuf das Gemälde ''Henri Rousseau, Maler und Zöllner.'' Im Hintergrund, an der Wand hängend, sind zwei klein- und ein großformatiges Rousseau-Werke dupliziert.<ref>Als [[Frontispiz]] bei Lise und Oto Bihalji-Merin (1971) in s/w reproduziert, Vermerk „Kriegsverlust“. Das Bild gilt als verschollen, es ist bisher auch nicht datierbar.</ref>
Lise und [[Oto Bihalij-Merin]] schreiben über ihn: „ Aus der Perspektive seiner weltuntauglichen Armut projizierte Rousseau kindliche Wachträume voller Schönheit und Ruhm. So bildhaft und intensiv empfand er seine Traumwelt, dass er im Zwielicht von Zuversicht und Ahnung die Grenzen des Wirklichen überschritt und selbst davon überzeugt war, dass ihn der Präsident der Republik zu einer Soirée eingeladen, der grobe Portier ihn jedoch seiner ärmlichen Kleidung wegen zurückgewiesen habe.“ Und Apollinaire: „Wenige Maler sind zu ihren Lebzeiten so verhöhnt worden wie der Zöllner, und wenige Menschen traten den Spöttereien, den Grobheiten, mit denen man ihn überschüttete, mit ruhigerer Stirn entgegen.“

[[Franz Marc]] porträtierte ihn postum im Jahr 1911; das mit [[Stanniol]] hinterlegte [[Hinterglasmalerei|Hinterglasbild]] gehört zum Bestand der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München.

== Ausstellungen (Auswahl) ==
* 1911: [[Wilhelm Uhde (Kunsthändler)|Wilhelm Uhde]], ein in Paris lebender deutscher Kunsthändler, organisierte ein Jahr nach dem Tod Rousseaus eine Gedenkausstellung im Salon des Indépendants. Er veröffentlichte auch die erste Biographie des Künstlers.
* [[Herwarth Walden]] präsentierte 1913 in Berlin beim [[Erster Deutscher Herbstsalon|Ersten Deutschen Herbstsalon]] 20 Bilder – unverkäuflich, vornehmlich aus dem Besitz von [[Robert Delaunay]].
* [[documenta 1]] in [[Kassel]] 1955: Bei der Ausstellung wurden Werke der [[Naive Kunst|Naiven Malerei]] einbezogen, so dass Bilder von Henri Rousseau, [[Louis Vivin]] und [[Séraphine Louis]] gezeigt wurden.
* ''Henri Rousseau.'' [[Fondation Beyeler]] in [[Riehen]], 7. Februar – 9. Mai 2010.<ref>Ausstellung: ''[http://previousexhibitions.fondationbeyeler.ch/d/html_11sonderaus/39rousseau/index.php Henri Rousseau.]'' In: ''[[Fondation Beyeler]]'', (deutsch), aufgerufen am 4. April 2016.</ref>
* ''Le Douanier Rousseau.'' [[Dogenpalast]] in [[Venedig]], 6. März – 6. September 2015.<ref>Ausstellung: ''[http://www.musee-orsay.fr/de/veranstaltungen/ausstellungen/ausserhalb/ausstellungen/article/le-douanier-rousseau-42977.html?tx_ttnews%5BbackPid%5D=253&cHash=32b2342143 Le Douanier Rousseau.]'' In: ''[[Musée d’Orsay]]'', (deutsch), aufgerufen am 4. April 2016.</ref>
* ''Der Schatten der Avantgarde. Rousseau und die vergessenen Meister.'' [[Museum Folkwang]] in Essen, [[Kurator (Museum)|Kuratoren]]: [[Kasper König]] und Falk Wolf, 2. Oktober 2015 – 10. Januar 2016.<ref>Ausstellung: ''[https://www.museum-folkwang.de/de/aktuelles/ausstellungen/archiv/der-schatten-der-avantgarde.html Der Schatten der Avantgarde. Rousseau und die vergessenen Meister.]'' In: ''[[Museum Folkwang]]'', aufgerufen am 4. April 2016.</ref>
* ''Le Douanier Rousseau. L’innocence archaïque.'' (''Henri „Le Douanier“ Rousseau. Die archaische Unschuld.'') [[Musée d’Orsay]], 22. März – 17. Juli 2016.<ref>Ausstellung: ''{{Webarchiv|url=http://www.musee-orsay.fr/de/veranstaltungen/ausstellungen/im-musee-dorsay/ausstellungen-im-musee-dorsay/article/le-douanier-rousseau-43250.html?tx_ttnews%5BbackPid%5D=254&cHash=4c135943b9 |wayback=20160404201733 |text=Henri „Le Douanier“ Rousseau. Die archaische Unschuld. }}'' In: ''[[Musée d’Orsay]]'', (deutsch), aufgerufen am 4. April 2016.</ref> Katalog.
* ''Douanier Rousseau: Painter’s Paradise Lost.'' ''(Douanier Rousseau: Verlorenes Paradies des Malers.)'' [[Nationalgalerie Prag]], 15. September 2016 – 15. Januar 2017.<ref>{{Internetquelle |autor=Liquid Design s.r.o. |url=http://www.ngprague.cz/en/exposition-detail/henri-rousseau/ |titel=Národní galerie v Praze |zugriff=2018-01-23 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20180124073221/http://www.ngprague.cz/en/exposition-detail/henri-rousseau/ |archiv-datum=2018-01-24 |offline=ja |archiv-bot=2023-05-28 19:38:13 InternetArchiveBot }}</ref>
* ''Ausstellung 01. [[André Bauchant]] | [[Camille Bombois]] | [[Séraphine Louis]] | Henri Rousseau | [[Louis Vivin]]''. [[Sammlung Zander]], Köln (25. November 2023 – 24. April 2024).<ref>{{Internetquelle |autor=Sammlung Zander |url=https://sammlung-zander.de/aktuelles/ |titel=Sammlung Zander – Aktuell |sprache=de-DE |abruf=2025-05-14}}</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==
<small>-- chronologisch --</small>
*Lise und Otto Bihalji-Merin: ''Leben und Werk des Malers Henri Rousseau''. Verlag der Kunst, Dresden 1971.
*Jean Bouret: ''Henri Rousseau''. Bruckmann, München 1963
* [[Wilhelm Uhde (Kunsthändler)|Wilhelm Uhde]]: ''Henri Rousseau.'' Rudolf Kaemmerer, Berlin 1923.
*Henri Perruchot: ''Henri Rousseau. Eine Biographie''. Bechtle, Esslingen 1959
* Henri Perruchot: ''Henri Rousseau. Eine Biographie.'' Bechtle, Esslingen 1959.
* [[Werner Helwig]]: ''Die Geheimnisse eines Zöllners. Henri Rousseau.'' Mohn, Gütersloh 1962.
*Henri Rousseau: ''Die Gegenwart und das Vergangene. Gedichte und Gemälde''. Brandstätter, Wien und München 1986 ISBN 3-85447-207-2
*Werner Schmalenbach: ''Henri Rousseau. Träume vom Dschungel''. Prestel, München 1998 ISBN 3-7913-1951-5
* Jean Bouret: ''Henri Rousseau.'' Bruckmann, München 1963.
* [[Dora Vallier]]: ''Das Gesamtwerk von Rousseau.'' Kunstkreis, Luzern 1969.
*Wilhelm Uhde: ''Henri Rousseau'' Rudolf Kaemmerer Verlag, Berlin und Dresden 1923
* Lise und [[Oto Bihalji-Merin]]: ''Leben und Werk des Malers Henri Rousseau.'' Verlag der Kunst, Dresden 1971.
* Otto und Lise Bihalji-Merin, Ingrid Krause: ''Die Kunst der Naiven. Themen und Beziehungen''. 1. Auflage. Verlag: Haus der Kunst, München 1975, S. 74.
* Anatole Jakovsky: ''Peintres'' ''naïfs - Lexikon der Laienmaler aus aller Welt''. 1. Auflage. Basilius Presse Basel, Basel 1976, ISBN 3-85560-034-1, S.&nbsp;518–519.
* Henri Rousseau: ''Die Gegenwart und das Vergangene. Gedichte und Gemälde.'' Brandstätter, Wien 1986, ISBN 3-85447-207-2.
* Cornelia Stabenow: ''Rousseau'', TASCHEN, Köln 1991/2018, ISBN 978-3-8365-4597-6.
* [[Marina Schneede]]: Henri Rousseau. Harenberg Edition, Dortmund 1994, ISBN 978-3-611-00406-3.
* [[Werner Schmalenbach]]: ''Henri Rousseau. Träume vom Dschungel.'' Prestel, München 1998, ISBN 3-7913-1951-5.
* Emil Schwarz: ''Kunst ist die Kunst der Entscheidung. Hommage à Henri Rousseau.'' Eine dichterische Justierung mit dem Essay ''Der Garten der Sehnsucht''. NAP Verlag, Zürich 2010, ISBN 978-3-9523615-3-5.
* Manja Wilkens: ''Welche Moderne? In- und Outsider der Avantgarde''. Herausgegeben von [[Frédéric Bußmann]] und [[Reinhard Spieler]] für die [[Kunstsammlungen Chemnitz]] und das Sprengel Museum Hannover, Distanz Verlag, Bielefeld 2023.
* [[Susanne Zander]] (Hrsg.): ''26 Künstler*innen. Arbeiten aus der Sammlung Zander.'' Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, Köln 2023, ISBN 978-3-7533-0380-2.

== Film ==
* ''Der Maler Henri Rousseau oder Die Geburt der Moderne.'' (OT: ''Le douanier Rousseau, ou l’éclosion moderne.'') Dokumentarfilm, Frankreich, 2015, 52:26 Min., Buch und Regie: Nicolas Autheman, Produktion: [[arte]] France, Les Films du Tambour de Soie, Musée d’Orsay, Erstsendung: 3. April 2016 bei arte, [http://www.arte.tv/guide/de/062250-000-A/der-maler-henri-rousseau-oder-die-geburt-der-moderne Inhaltsangabe] von arte. Dokumentation anlässlich einer Rousseau-Ausstellung im [[Musée d’Orsay]] vom 22. März bis 17. Juli 2016.
* ''Always on Sunday.'' Dokumentarfilm, England, 1965, 45:11 Min., Buch und Regie: Ken Russell, mit Oliver Reed als Sprecher. Produktion: BBC.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commons|Henri Rousseau}}
{{Commons}}
* {{DNB-Portal|118603418}}
{{Wikiquote}}
* {{Zeno-Künstler|Kunstwerke/A/Rousseau,+Henri}}
* {{PND|118603418}}


== Einzelnachweise ==
[[Kategorie:Mann|Rousseau, Henri]]
<references />
[[Kategorie:Franzose|Rousseau, Henri]]
[[Kategorie:Französischer Maler|Rousseau, Henri]]
[[Kategorie:Künstler|Rousseau, Henri]]
[[Kategorie:Geboren 1844|Rousseau, Henri]]
[[Kategorie:Gestorben 1910|Rousseau, Henri]]


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{{Personendaten|

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[[Kategorie:Maler (Frankreich)]]
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[[Kategorie:Mann]]

{{Personendaten
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|GEBURTSDATUM=[[20. Mai]] [[1844]]
|GEBURTSDATUM=21. Mai 1844
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}}
}}

[[en:Henri Rousseau]]
[[es:Henri Rousseau]]
[[fi:Henri Rousseau]]
[[fr:Henri Rousseau]]
[[he:אנרי רוסו]]
[[it:Henri Rousseau]]
[[ja:アンリ・ルソー]]
[[nl:Henri Rousseau]]
[[pt:Henri Rousseau]]
[[ro:Henri Rousseau le Douanier]]
[[ru:Руссо, Анри]]
[[sk:Henri Rousseau]]
[[sv:Henri Rousseau]]

Aktuelle Version vom 6. Juni 2025, 11:11 Uhr

Selbstporträt, 1890, Nationalgalerie Prag

Henri Julien Félix Rousseau, genannt „Le Douanier Rousseau“ (Der Zöllner Rousseau) (* 21. Mai 1844 in Laval; † 2. September 1910 in Paris) war ein autodidaktischer französischer Maler. Sein Stil wird dem Postimpressionismus und der Naiven Kunst zugeordnet. Er gilt als einer der Wegbereiter des Surrealismus.

Selbstporträt, 1902/1903, Musée Picasso, Paris
La Muse inspirant le poète, 1909, abgebildet sind Apollinaire und Marie Laurencin.

Henri Rousseau war Sohn des Klempnermeisters und Eisenwarenhändlers Julien Rousseau und seiner Frau Eleonore. Früh begann er sich für Dichtung und Musik zu interessieren. Nach der Schulzeit diente er als Klarinettist in einem Infanterieregiment. Nach dem Militärdienst wurde er beim Zoll angestellt. Daher sein Name Le Douanier („der Zöllner“).

Portrait de femme, um 1895, Musée Picasso, Paris. Picasso erwarb das Bild 1908 für fünf Franc. Der Kauf war der Anlass zu einem bekannten Bankett im Bateau-Lavoir, Paris, das Picasso zu Ehren Rousseaus gab.

1869 heiratete er die 18-jährige Schneiderin Clémence Boitard. Mit ihr hatte er neun Kinder. Von diesen überlebte ihn nur Tochter Julia. Nach dem Tod seiner Frau 1888 ließ sich Rousseau im Jahre 1893 frühpensionieren. Schon vorher hatte er zu malen begonnen.

Der Erste, der die Bedeutung seiner Bilder erkannte, war der junge Alfred Jarry. Durch ihn lernte er Paul Gauguin kennen. In dessen Atelier traf er Stéphane Mallarmé, August Strindberg und Edgar Degas. Bald stellte er selbst im Salon des Indépendants aus.

Wichtig war die Freundschaft mit Guillaume Apollinaire, durch den er Beziehungen zur künstlerischen Avantgarde anknüpfen konnte. Rousseau gab inzwischen Violinunterricht, um seine karge Rente aufzubessern. Er traf Robert Delaunay, Pablo Picasso, Georges Braque, Max Jacob, Maurice de Vlaminck, Constantin Brâncuși, Marie Laurencin, Philippe Soupault und weitere.

Gelegentlich geriet Rousseau mit dem Gesetz in Konflikt. Als der Richter ihn wegen Scheckbetruges zu zwei Jahren Gefängnis verurteilte, diese aber zur Bewährung aussetzte, versprach er dem Richter, dessen Gattin zu porträtieren.

Henri Rousseau starb am 2. September 1910 im Hospital Necker in Paris nach einer Blutvergiftung. Sieben Menschen waren bei seinem Begräbnis anwesend: Robert Delaunay und dessen Frau Sonja Terk, die Maler Paul Signac und Julio Ortiz de Zárate, der rumänische Bildhauer Brâncuși, Rousseaus Hauswirt Armand Queval und der Schriftsteller Apollinaire.

Apollinaire schrieb das Epitaph, dessen Zeilen Brâncuși in den Grabstein meißelte:

Freundlicher Rousseau, du hörst uns.
Wir grüßen dich,
Delaunay, seine Frau, Monsieur Queval und ich.
Lass unsere Koffer zollfrei durch die Pforte des Himmels,
Wir bringen dir Pinsel, Farben und Leinwand,
Damit du malest in der geheiligten Muße des wahren Lichts
Wie einst mein Bildnis:
Das Angesicht der Sterne

Die Realität ist bei Rousseau nicht abbildhaft, sie ist vielmehr ein Traum. Die einzelnen Elemente seiner Bilder sind idealisiert und dennoch vereinfacht. Sie treten unverbunden und überraschend nebeneinander. Der Hintergrund ist genauso scharf gesehen wie der Vordergrund. Die Figuren erscheinen in frontaler Sicht oder in strengem Profil. Rousseau liebte klare Konturen und harte Kontraste ohne Übergänge. Er verwendete leuchtende Kontaktfarben ohne Schatten, doch war seine Palette reich an farblichen Nuancen. In seinem Bild Der Traum (der Yadwiga) schimmert der Urwald in mehr als fünfzig Grüntönen.

Schließlich war noch ein anderer Moment der Farbgebung Rousseaus sowohl für die neusachliche wie für die surrealistische Malerei René Magrittes oder Yves Tanguys wichtig: Der sparsame, überlegte, beinahe anonyme Farbauftrag, der sorgfältig die Pinselspuren verbarg und keine Handschrift verriet. Jede Eitelkeit des Machens war Rousseau fremd. Es ging ihm nicht um die Herstellung malerischer Texturen, sondern um seine Gegenstände.

Rousseaus Motive wurden teilweise vom botanischen Garten in Paris und Weltausstellungen inspiriert. Er besuchte die Weltausstellungen von 1878, 1889 und 1900 in Paris. Sein erstes Dschungelbild Überrascht! soll aus den Eindrücken der Weltausstellung 1889 entstanden sein. Außerdem erhielt er 1884 auf Empfehlung des Malers Félix Auguste Clément eine Kopiererlaubnis für die französischen Nationalmuseen. Hier beeindruckte ihn besonders die Teppichserie Die Dame mit dem Einhorn. Diese soll seine Dschungelbilder inspiriert haben.[1]

Der Traum, 1910, Museum of Modern Art, New York
Die schlafende Zigeunerin, 1897
Brücke in Sèvres, 1908, Eremitage (Sankt Petersburg)

Apollinaire hat Henri Rousseau den „Uccello unseres Jahrhunderts“ genannt. Er sah in ihm den Primitiven eines neuen Zeitalters (der zu sein übrigens auch Cézanne für sich in Anspruch genommen hatte), in dessen Bildern mit ihren poetischen Chiffren zugleich naiv und in großer Klarheit viel von dem vorweggenommen schien, was Kunst der Moderne – wie sie sich rund um Apollinaire entfaltete – zu leisten aufgetragen war. Aus dem gleichen Grunde faszinierte er Kandinsky. Sein Aufsatz „Über die Formfrage“ im „Almanach des Blauen Reiters“ von 1912, mit nicht weniger als sieben Reproduktionen nach Bildern Rousseaus illustriert, enthält die oft aufgenommene Unterscheidung der „vom Geist aus den Vorratskammern der Materie herausgerissenen Verkörperungsformen“ nach zwei Polen hin, der großen Abstraktion und der großen Realistik. „Diese zwei Pole eröffnen zwei Wege, die schließlich zu einem Ziel führen.“ Während Kandinsky sich berufen fühlte, den ersten Weg einzuschlagen, sah er als seinen Widerpart Rousseau den Weg der neuen großen Realistik gehen, beide Revolutionäre am Anfang eines je neuen Weges.

Tristan Tzara huldigte in Rousseau einem Künstler, der nicht nur einen neuen Stil der Malerei, sondern auch einen eigenen Lebensstil begründet hatte. Die von dem in seiner Naivität unbeirrbaren und unverführbaren Rousseau gelebte Einheit von Kunst und Leben musste gerade den so wenig naiven Dadaisten beeindrucken.

Der Surrealist André Breton resümierte, „mit Rousseau könnten wir zum ersten Mal von ‚Magischem Realismus’ sprechen“.

Philippe Soupault schrieb 1927 eine Monografie über Rousseau, in der er liebevoll von seinen Erlebnissen mit dem Douanier erzählt.

Franz Marc: Bildnis Henri Rousseau, 1911, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München

Lise und Oto Bihalji-Merin schreiben über ihn: „Aus der Perspektive seiner weltuntauglichen Armut projizierte Rousseau kindliche Wachträume voller Schönheit und Ruhm. So bildhaft und intensiv empfand er seine Traumwelt, dass er im Zwielicht von Zuversicht und Ahnung die Grenzen des Wirklichen überschritt und selbst davon überzeugt war, dass ihn der Präsident der Republik zu einer Soirée eingeladen, der grobe Portier ihn jedoch seiner ärmlichen Kleidung wegen zurückgewiesen habe.“ Und Apollinaire: „Wenige Maler sind zu ihren Lebzeiten so verhöhnt worden wie der Zöllner, und wenige Menschen traten den Spöttereien, den Grobheiten, mit denen man ihn überschüttete, mit ruhigerer Stirn entgegen.“[2]

Otto Pankok schuf das Gemälde Henri Rousseau, Maler und Zöllner. Im Hintergrund, an der Wand hängend, sind zwei klein- und ein großformatiges Rousseau-Werke dupliziert.[3]

Franz Marc porträtierte ihn postum im Jahr 1911; das mit Stanniol hinterlegte Hinterglasbild gehört zum Bestand der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München.

Ausstellungen (Auswahl)

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-- chronologisch --

  • Wilhelm Uhde: Henri Rousseau. Rudolf Kaemmerer, Berlin 1923.
  • Henri Perruchot: Henri Rousseau. Eine Biographie. Bechtle, Esslingen 1959.
  • Werner Helwig: Die Geheimnisse eines Zöllners. Henri Rousseau. Mohn, Gütersloh 1962.
  • Jean Bouret: Henri Rousseau. Bruckmann, München 1963.
  • Dora Vallier: Das Gesamtwerk von Rousseau. Kunstkreis, Luzern 1969.
  • Lise und Oto Bihalji-Merin: Leben und Werk des Malers Henri Rousseau. Verlag der Kunst, Dresden 1971.
  • Otto und Lise Bihalji-Merin, Ingrid Krause: Die Kunst der Naiven. Themen und Beziehungen. 1. Auflage. Verlag: Haus der Kunst, München 1975, S. 74.
  • Anatole Jakovsky: Peintres naïfs - Lexikon der Laienmaler aus aller Welt. 1. Auflage. Basilius Presse Basel, Basel 1976, ISBN 3-85560-034-1, S. 518–519.
  • Henri Rousseau: Die Gegenwart und das Vergangene. Gedichte und Gemälde. Brandstätter, Wien 1986, ISBN 3-85447-207-2.
  • Cornelia Stabenow: Rousseau, TASCHEN, Köln 1991/2018, ISBN 978-3-8365-4597-6.
  • Marina Schneede: Henri Rousseau. Harenberg Edition, Dortmund 1994, ISBN 978-3-611-00406-3.
  • Werner Schmalenbach: Henri Rousseau. Träume vom Dschungel. Prestel, München 1998, ISBN 3-7913-1951-5.
  • Emil Schwarz: Kunst ist die Kunst der Entscheidung. Hommage à Henri Rousseau. Eine dichterische Justierung mit dem Essay Der Garten der Sehnsucht. NAP Verlag, Zürich 2010, ISBN 978-3-9523615-3-5.
  • Manja Wilkens: Welche Moderne? In- und Outsider der Avantgarde. Herausgegeben von Frédéric Bußmann und Reinhard Spieler für die Kunstsammlungen Chemnitz und das Sprengel Museum Hannover, Distanz Verlag, Bielefeld 2023.
  • Susanne Zander (Hrsg.): 26 Künstler*innen. Arbeiten aus der Sammlung Zander. Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König, Köln 2023, ISBN 978-3-7533-0380-2.
  • Der Maler Henri Rousseau oder Die Geburt der Moderne. (OT: Le douanier Rousseau, ou l’éclosion moderne.) Dokumentarfilm, Frankreich, 2015, 52:26 Min., Buch und Regie: Nicolas Autheman, Produktion: arte France, Les Films du Tambour de Soie, Musée d’Orsay, Erstsendung: 3. April 2016 bei arte, Inhaltsangabe von arte. Dokumentation anlässlich einer Rousseau-Ausstellung im Musée d’Orsay vom 22. März bis 17. Juli 2016.
  • Always on Sunday. Dokumentarfilm, England, 1965, 45:11 Min., Buch und Regie: Ken Russell, mit Oliver Reed als Sprecher. Produktion: BBC.
Commons: Henri Rousseau – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Marina Schneede: Henri Rousseau. Harenberg Edition, Dortmund 1994, ISBN 978-3-611-00406-3, S. 9–10.
  2. Lise und Oto Bihalji-Merin: Leben und Werk des Malers Henri Rousseau. Verlag der Kunst, Dresden 1971.
  3. Als Frontispiz bei Lise und Oto Bihalji-Merin (1971) in s/w reproduziert, Vermerk „Kriegsverlust“. Das Bild gilt als verschollen, es ist bisher auch nicht datierbar.
  4. Ausstellung: Henri Rousseau. In: Fondation Beyeler, (deutsch), aufgerufen am 4. April 2016.
  5. Ausstellung: Le Douanier Rousseau. In: Musée d’Orsay, (deutsch), aufgerufen am 4. April 2016.
  6. Ausstellung: Der Schatten der Avantgarde. Rousseau und die vergessenen Meister. In: Museum Folkwang, aufgerufen am 4. April 2016.
  7. Ausstellung: Henri „Le Douanier“ Rousseau. Die archaische Unschuld. (Memento vom 4. April 2016 im Internet Archive) In: Musée d’Orsay, (deutsch), aufgerufen am 4. April 2016.
  8. Liquid Design s.r.o.: Národní galerie v Praze. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. Januar 2018; abgerufen am 23. Januar 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ngprague.cz
  9. Sammlung Zander: Sammlung Zander – Aktuell. Abgerufen am 14. Mai 2025 (deutsch).