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„Heiliger“ – Versionsunterschied

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{{Dieser Artikel|befasst sich mit dem religiösen Begriff. Zum Personennamen Heiliger siehe [[Heiliger (Begriffsklärung)]].}}
Als '''Heiliger''' wird eine Persönlichkeit bezeichnet, die als der jeweiligen Gottheit besonders nahe stehend betrachtet, oder als ein in religiöser und ethischer Hinsicht vollkommener Mensch angesehen wird. Dabei wird das allgemeine Konzept der [[Heiligkeit]] individualisiert und auf einen einzelnen Menschen angewendet.


[[Datei:Europe Patron saints Mosaic.jpg|mini|Die Heiligen [[Kyrill von Saloniki|Kyrill]], [[Katharina von Siena]], [[Methodios von Olympos|Methodius]], [[Birgitta von Schweden]], [[Benedikt von Nursia]] und [[Edith Stein|Teresia Benedicta vom Kreuz]]. Diese Heiligen bezeichnet die katholische Kirche auch als [[Patrone Europas]].]]
Die Anerkennung eines Heiligen kann religiösen oder politischen Autoritäten vorbehalten sein, oder sich in der [[Akklamation]] und Verehrung durch das gläubige Volk vollziehen, eine wichtige Rolle spielt dabei das Auftreten übernatürlicher Phänomene („[[Wunder]]“) im Zusammenhang mit dem Heiligen. Die darauf folgende – zumeist postume – [[Kult|kultische]] Verehrung eines solchen Heiligen bezeichnet man als '''Heiligenverehrung'''.

Im allgemeinen Sprachgebrauch verweisen die Begriffe des Heiligen und der Heiligenverehrung gemeinhin auf die entsprechenden [[Christentum|christlichen]] Vorstellungen. Auch wenn die Begriffe eng mit der christlichen Volksreligiosität assoziiert werden, so sind doch beide Phänomene auch in nicht-christlichen Religionen zu finden.


In religiösen Vorstellungen ist ein '''Heiliger''' ein Mensch, der einer Gottheit besonders nahestehend beziehungsweise als in religiöser und ethischer Hinsicht vorbildlich angesehen wird. Die Anerkennung von Heiligen kann religiösen oder politischen Autoritäten vorbehalten sein oder sich in der [[Akklamation]] und Verehrung durch das gläubige Volk vollziehen; eine wichtige Rolle kann dabei das Auftreten von als übernatürlich interpretierten Phänomenen ([[Wunder]]) im Zusammenhang mit den Heiligen spielen. Die darauf folgende – zumeist posthume – [[kult]]ische Verehrung von Heiligen bezeichnet man als [[Heiligenverehrung]].


== Religionswissenschaftliche Definition ==
== Religionswissenschaftliche Definition ==
Der Begriff des „Heiligen“ ist [[Religionswissenschaft|religionswissenschaftlich]] bisher nicht befriedigend definiert. Zum einen ist aufgrund der differierenden Anforderungen, die verschiedene [[Religion]]en an einen „Heiligen“ stellen, keine für alle Religionen allgemeingültige Definition möglich. Zum anderen überschneidet sich der religiöse Typ des „Heiligen“ mit mehreren anderen religiöser Autoritätstypen und es ist bisher nicht gelungen, eine deutlich unterscheidende Charakteristik zu finden.
Der Begriff des Heiligen ist [[religionswissenschaft]]lich nicht befriedigend definiert. Zum einen ist aufgrund der differierenden Anforderungen, die verschiedene [[Religion]]en an einen Heiligen stellen, keine für alle Religionen allgemeingültige Definition möglich. Zum anderen überschneidet sich der religiöse Typ des Heiligen mit mehreren anderen religiöser Autoritätstypen, und es ist bisher nicht gelungen, eine deutlich unterscheidende Charakteristik zu finden.
[[Datei:Das Martyrium des hl. Bartholomäus oder das doppelte Martyrium Öl auf Leinwand 250x285cm 2014-15 (1).jpeg|mini|[[Aris Kalaizis]]: ''Das Martyrium des hl. Bartholomäus'', 2014/2015]]


Die im Diskurs religiöser Autoritäten skizzierten Typen können sich in wichtigen Punkten überschneiden, wie es etwa beim Typ des „Heiligen“ und beim Typ des [[Märtyrer]]s der Fall ist. Ein Automatismus in dem Sinne, dass jeder Märtyrer auch als Heiliger anzusehen, oder jeder Heilige notwendig auch ein Märtyrer zu sein hätte, ist damit aber noch nicht gegeben.
Die Grenzen der im Diskurs religiöser [[Autorität]]en skizzierten Typen sind fließend und können sich in wichtigen Punkten überschneiden. Ein für alle Religionen allgemeingültiger Begriff ist nicht gegeben.


Typologische Gemeinsamkeiten dieser Art weist der „Heilige“ besonders mit dem Märtyrer und dem [[Heros]] auf: Sein Grab bzw. der Aufbewahrungsort seiner [[Reliquie]]n entwickelt sich zu einem kultischen Zentrum besonderen Ranges. Es ist das Ziel allgemeiner Verehrung, von [[Pilger|Pilgerreisen]] und wird oft als Zentrum einer [[Nekropole]] genutzt. Allen drei Typen wird eine Mittlerfunktion als Fürsprecher der Gläubigen gegenüber der göttlichen Autorität zugeschrieben.
Typologische Gemeinsamkeiten dieser Art weist der Heilige besonders mit dem [[Märtyrer]] und dem [[Heros]] auf: Sein Grab oder der Aufbewahrungsort seiner [[Reliquie]]n entwickelt sich zu einem kultischen Zentrum. Es ist das Ziel allgemeiner Verehrung, von [[Pilger]]reisen und wird oft als Zentrum einer [[Nekropole]] genutzt. Allen drei Typen wird eine Funktion als Fürsprecher der Gläubigen gegenüber der göttlichen Autorität zugeschrieben.


Eine Verehrung ist oft wie beim Heros bereits zu Lebzeiten gegeben, kann aber wie beim Märtyrer auch erst nach dem [[Tod]] erfolgen. Ein Unterschied zum Typ des Märtyrers liegt darin, dass der letztere die religiöse Vollkommenheit per definitionem nicht durch seinen Lebenswandel, sondern erst durch die Art seines Sterben erlangt, während beim Heiligen sich die Vollkommenheit ohne ein solches Martyrium wesentlich durch sein voraufgegangenes Leben erweist. Im Gegensatz zum Heros fehlt ihm die göttliche oder halbgöttliche Abstammung.
Eine Verehrung ist oft wie beim Heros bereits zu Lebzeiten gegeben, kann aber wie beim Märtyrer auch nach dem [[Tod]] erfolgen. Ein Unterschied zum Typen des Märtyrers liegt darin, dass er die religiöse Vollkommenheit nicht durch seinen Lebenswandel, sondern durch die Art seines Sterbens erlangte. Beim Heiligen erweist sich die Vollkommenheit ohne ein solches Martyrium durch sein voraufgegangenes Leben. Im Gegensatz zum Heros fehlt ihm die göttliche oder halbgöttliche Abstammung.


Der „Heilige“ kann zwar dem Typ des Angehörigen einer klerikalen Institution (also der [[Priester|Priesterschaft]] oder dem [[Mönch|Mönchtum]]) angehören, muss dies aber nicht. Weiterhin kann der Heilige das [[Charisma]] des [[Religionsstifter]]s oder [[Reformator]]s besitzen, im Gegensatz zu diesen ist aber sein Ziel nicht Verkündigung einer (Glaubens-)lehre und anschließende Bildung einer Gläubigenschar, sondern das Hervortreten durch sein religiös vorbildliches Leben.
Der Heilige kann zwar [[Kleriker]] sein oder dem „gottgeweihten Stand“ ''([[Vita consecrata]])'' angehören, muss es aber nicht. Weiterhin kann der Heilige das [[Charisma]] des [[Religionsstifter]]s oder [[Reformator]]s besitzen, im Gegensatz zu ihnen ist aber sein Ziel nicht Verkündigung einer (Glaubens-)Lehre und anschließende Bildung einer Gläubigenschar, sondern das Hervortreten durch sein religiös vorbildliches Leben.


Vom mythischen Heilsbringer schließlich unterscheidet ihn sein Wirken in der real überlieferten, wenn auch oft in der Tradierung unzuverlässigen, Geschichte und der fehlende [[Erlösung|Erlösungsaspekt]] seines Lebens.
Vom mythischen Heilsbringer schließlich unterscheidet ihn sein Wirken in der real überlieferten, wenn auch oft in der Tradierung unzuverlässigen Geschichte und dem fehlenden [[Erlösung]]saspekt seines Lebens.


Die Deklaration und Verehrung von Heiligen erfüllt ein urreligiöses Bedürfnis der Menschen nach Vorbildern in ihrem Glauben und gleichzeitige Bestätigung desselben. Die als vorbildlich anerkannten Mitglieder der Glaubensgemeinschaft verlassen zwar die [[Diesseits|diesseitige]] – menschliche – Gemeinschaft. Sie bieten jedoch die Möglichkeit, den Kontakt zwischen Diesseits und [[Jenseits]] zu halten, denn obwohl sie in die jeweilige göttliche Herrlichkeit aufgenommen worden sind, bleiben sie über ihr Grab, ihre Reliquien und ihre Verehrung im Diesseits präsent und bilden so eine Verbindung zu der von den noch lebenden Gläubigen selbst angestrebten Erlösung. Über die ihnen während oder nach ihrem Leben zugeschriebenen Wundertaten geben sie den Gläubigen eine positive Antwort auf die Frage nach der Sinn- und Wahrhaftigkeit der jeweiligen Religion.
Die Deklaration und Verehrung von Heiligen erfüllt ein urreligiöses Bedürfnis der Menschen nach Vorbildern in ihrem Glauben und gleichzeitige Bestätigung desselben. Die als vorbildlich anerkannten Mitglieder der Glaubensgemeinschaft verlassen zwar die [[Diesseits|diesseitige]] – menschliche – Gemeinschaft. Sie bieten jedoch die Möglichkeit, den Kontakt zwischen Diesseits und [[Jenseits]] zu halten, denn obwohl sie in die jeweilige göttliche Herrlichkeit aufgenommen worden sind, bleiben sie über ihr Grab, ihre Reliquien und ihre Verehrung im Diesseits präsent und bilden so eine Verbindung zu der von den noch lebenden Gläubigen selbst angestrebten Erlösung. Über die ihnen während oder nach ihrem Leben zugeschriebenen Wundertaten geben sie den Gläubigen eine positive Antwort auf die Frage nach der Sinn- und Wahrhaftigkeit der jeweiligen Religion.


== Nach Religion ==
=== {{Anker|ch_h}}Christentum ===
Die [[christliche Theologie]] ist geprägt von einem Doppelkonzept von Heiligkeit: Das Heilige schlechthin ist [[Gott]] selbst, jedoch nicht im Sinne einer [[Transzendenz|transzendenten]] Statik, also eines Zustandes in göttlichen Sphären ohne Auswirkung auf das Diesseits. Vielmehr wird Gottes Heiligkeit als [[Immanenz|immanente]] Dynamik verstanden, die alle irdischen Dinge für sich aussondern kann und damit Grund ihrer Heiligkeit ist. Im [[Neues Testament|Neuen Testament]] wird diese Sicht modifiziert. Nun ist es [[Jesus Christus]], der in seiner einzigartigen Beziehung zum Vater durch seinen Tod und [[Auferstehung Jesu Christi|seine Auferstehung]] Heiligkeit in denen bewirkt, die ihm nachfolgen.

Christliche Heiligkeit tritt in zwei Komponenten auf. Einerseits erwählt sich Gott sowohl im [[Altes Testament|Alten]] als auch im Neuen Testament ein „heiliges Volk“: das [[Volk Israel]] und das so bezeichnete „neue heilige Volk“ der [[Ekklesiologie|Kirche]]. Andererseits tritt immer das Konzept der individuellen Heiligkeit einer Einzelperson auf. Die individuelle Heiligkeit ist dabei aber stets nur Manifestation einer Heiligkeit als Glied der Kirche, die in ihrer Gesamtheit ja die „Gemeinschaft der Heiligen“ ''(communio sanctorum)'' darstellt. Im [[Katechismus der Katholischen Kirche]] heißt es dazu: „Wenn die Kirche gewisse Gläubige heiligspricht, das heißt feierlich erklärt, daß diese die Tugenden heldenhaft geübt und in Treue zur Gnade Gottes gelebt haben, anerkennt die Kirche die Macht des Geistes der Heiligkeit, der in ihr ist. Sie stärkt die Hoffnung der Gläubigen, indem sie ihnen die Heiligen als Vorbilder und Fürsprecher gibt.“<ref>''Katechismus der Katholischen Kirche'', 828.</ref>

==== Antike und Mittelalter ====
[[Datei:Polycarp.jpg|mini|[[Polykarp von Smyrna]], einer der ersten Heiligen, der als Märtyrer verehrt wurde]]

Die [[frühchristlich]]e Heiligenverehrung schloss sich an die aus dem [[Jüdischer Glaube|jüdischen Glauben]] bekannten Formen an. Dort waren seit langem der [[Hohepriester]] als Übermittler des [[Aaronitischer Segen|Aaronitischen Segens]] sowie das [[Martyrium]] bekannt.

Die hohepriesterliche Mittlerfunktion wurde ganz auf Christus übertragen und erst nach der theologischen Klarstellung früher [[Kirchenvater|Väter der Kirche]], dass die Verehrung anderer Menschen, die Christus nachgefolgt waren, die Einzigartigkeit der Mittlerfunktion Christi nicht beeinträchtige, begann die [[Urkirche]], Märtyrer und die [[Apostel]] anzurufen.

Der erste Beleg einer Märtyrerverehrung ist der um 160 geschriebene Bericht über [[Polykarp von Smyrna]], in der westlichen Kirche breitete sich die Märtyrerverehrung wahrscheinlich während der [[Christenverfolgungen im Römischen Reich#Gesamtstaatliche Verfolgungen|Verfolgungen]] im 3. Jahrhundert aus und verband sich unter dem Einfluss [[Tertullian]]s zu einer Verehrung der Märtyrer als Heilige. Anfänglich war diese Verehrung auf den Todestag und die Grabstätte des Märtyrers beschränkt, mit dem Aufkommen der [[Reliquienverehrung]] vervielfachten sich aber die räumlichen und zeitlichen Möglichkeiten der Verehrung. Der erste greifbare Beleg des Verständnisses der Heiligen als Fürsprecher bei Gott findet sich in einem Graffito an der römischen Kirche [[San Sebastiano alle Catacombe|San Sebastiano]] aus dem Jahr 260.

Mit dem Wandel des Christentums zur [[Staatsreligion]] des [[Römisches Reich|Römischen Reiches]] weitete sich der Heiligenbegriff, da nach dem Ende der Verfolgungen das Martyrium nun nicht mehr höchstes Zeugnis eines christlichen Lebens sein konnte. Nach und nach wurden – unter dem bestimmenden Einfluss [[Clemens von Alexandria|Clemens’ von Alexandria]] – sogenannte „Bekenner“ ''(confessores)'', die zwar verfolgt worden, aber dem Martyrium entgangen waren, und Menschen mit einem „engelgleichen Leben“, deren radikal [[Askese|asketisch]]-[[Jungfrau|jungfräuliches]] Leben als ständiger Kampf gegen die Verführungen des [[Satan]]s verstanden wurde, in den Kreis der verehrungswürdigen „Heiligen“ aufgenommen.

[[Datei:Gentile da Fabriano 077.jpg|mini|links|hochkant|Der hl. [[Franz von Assisi]], Ordensmann und Bekenner]]

Seit dem [[Frühmittelalter]] wurden zunehmend entweder große Lichtgestalten der Christenheit ([[Kirchenlehrer]], Könige, sog. „[[Militärheiliger|Ritter- und Soldatenheilige]]“) oder Menschen, die ein Alternativkonzept zum alltäglichen christlichen Leben boten ([[Franz von Assisi|Franziskus]], [[Benedikt von Nursia|Benedikt]]), vom Volk regional als Heilige verehrt. Bei den „Adelsheiligen“, also Herrschern, Bischöfen oder Ordensgründern, ging die Initiative der Verehrung in den meisten Fällen von deren Nachfolgern im Amt oder Mitgliedern ihrer Dynastie aus, die dadurch auch sich selbst eine stärkere Legitimität zu verschaffen hofften. Die kirchliche Anerkennung folgte im Allgemeinen erst später. Um von offizieller Seite Beliebigkeit und Ausufern der Heiligenkulte zu verhindern, bemühten sich die Päpste, das alleinige Recht zur [[Heiligsprechung]] und damit die Kontrolle der Heiligenverehrung zu erlangen, zumal diese aufgrund ihrer Bedeutung für die Beglaubigung politischer und dynastischer Legitimität und nicht zuletzt auch aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für die Kult- und Wallfahrtsorte einen gewichtigen machtpolitischen Faktor darstellte. Im Jahr 993 fand die erste päpstliche Heiligsprechung ([[Ulrich von Augsburg]]) statt, im Verlauf des 11. und 12. Jahrhunderts konnten sich die Päpste schließlich gegen die konkurrierenden Instanzen der [[Konzil]]ien und Ortsbischöfe durchsetzen. [[Alexander III. (Papst)|Alexander III.]] dekretierte im Jahr 1171 die alleinige Zuständigkeit des Papstes für Heiligsprechungen. Aber allgemein verbindlich wurde diese Alleinzuständigkeit erst durch den ''[[Liber Extra]]'' von 1234, einen Nachtrag zum ''[[Decretum Gratiani]]''.<ref name="ws" /> Im Mittelalter handhabte die römische Kurie die Heiligsprechung zurückhaltend und kanonisierte nur 79 Personen, während die Volksfrömmigkeit auch ohne päpstliche Beteiligung zur selben Zeit Hunderte neuer Heiliger hervorbrachte.<ref>{{RGG|3|1542||Heilige/Heiligenverehrung II. Kirchengeschichtlich|Ulrich Köpf}}</ref>

[[Datei:TheTrinity Altar- virgins.jpg|mini|Chor der hl. [[Geweihte Jungfrau|Jungfrauen]]]]

Die christliche Theologie unterscheidet gemäß der sachlichen und terminologischen Klärung des [[Zweites Konzil von Nicäa|Zweiten Konzils von Nicäa]] im Jahre 787 die Anbetung (griech. ''λατρεια'', lat. ''adoratio''), die allein Gott vorbehalten ist, von der Verehrung (griech. ''δουλεια'', lat. ''veneratio''), die den Heiligen und ihren [[Reliquie]]n zukommt. Die sogenannte ''[[Dulia]]'' ist grundsätzlich von der ''[[Latrie]]'', der Anbetung, zu unterscheiden. Innerhalb der ''Dulia'', der Verehrung, wird noch die ''Hyperdulia ''(„Hochverehrung“) unterschieden, die ausschließlich der [[Jungfrau Maria]] zukommt.

Bereits [[Ambrosius von Mailand]] hatte im 4. Jahrhundert den römischen Begriff des „patronus“ für die Heiligen verwendet, der die Schutzfunktion des Patrons im [[Römisches Klientelwesen|Klientelwesen]] der römischen Gesellschaft beinhaltete. Der im [[Hochmittelalter]] zur vollen Ausbildung gelangte Gedanke, sich für Nationen und Diözesen, Kirchen und Städte ([[Stadtpatron]]), später gar Stände und Berufe eigene [[Schutzpatron]]e zu erwählen, unter deren Schutz und Hilfe man sich stellen wollte, machen das transformierte Verständnis der „Heiligen“ deutlich. Reliquienanhäufung und Drang nach Wundern waren die theologisch unerwünschten Folgen. Das [[Viertes Laterankonzil|Vierte Laterankonzil]] verurteilte zwar, „dass die Gläubigen mit phantastischen Geschichten oder gefälschten Dokumenten getäuscht werden, wie es an sehr vielen Orten aus Gewinnsucht zu geschehen pflegt.“ Aber es konnte die Entwicklung in der Praxis nicht aufhalten. Der Charakter der Heiligen als Vorbilder im christlichen Leben ''(Imitatio Christi)'' trat zugunsten der zugeschriebenen Funktionen als Helfer zurück. Die Gläubigen wählten sich zur Fürbitte gezielt Heilige (häufig als Krankheitspatrone)<ref>Max Höfler: ''Die Kalender-Heiligen als Krankheits-Patrone beim bayerischen Volk.'' In: ''Zeitschrift des Vereins für Volkskunde'' 1, 1891, S. 292–306.</ref> aus, denen man bestimmte Attribute zuschrieb.<ref>[[Anton Pachinger|Anton M. Pachinger]]: ''Über Krankheitspatrone auf Heiligenbildern.'' In: ''Sudhoffs Archiv'' 2, 1909, S. 351–374.</ref><ref>Anton M. Pachinger: ''Über Krankheitspatrone auf Medaillen.'' In: ''Sudhoffs Archiv'' 3, 1910, S. 227–268.</ref> Blasius wird beispielsweise gegen Halskrankheiten angerufen, Sebastian gegen die [[Pest]]. Auch die Entwicklung des Kultes der [[vierzehn Nothelfer]] fällt in diesen Zusammenhang.

==== Neuzeit ====
Erst die [[Reformation]] brachte deutliche Kritik an der herrschenden Situation vor. Eine Rolle der Heiligen als direkte Mittler des Erbetenen wurde mit Verweis auf die [[Bibel]] strikt abgelehnt und die Einzigartigkeit der Heilsmittlerschaft Christi wieder in den Vordergrund gerückt. Nach der theologischen Festigung des [[Luthertum]]s wurde in der Pflege des Gedächtnisses verschiedener altkirchlicher Heiliger keine Gefahr mehr gesehen. Das Heiligengedächtnis wurde in der ''[[Confessio Augustana|Confessio Augustana XXI]]'' als Moment der persönlichen Stärkung im Glauben befürwortet und anerkannt. Zu den anerkannten „alten“ Heiligen traten zusätzlich [[Kirchenreform|Vorreformatoren]] wie [[Jan Hus]] und dann auch Akteure der Reformation – insbesondere Luther selbst – hinzu, so dass verschiedene Theologen Züge einer „Lutherverehrung“ zu erkennen glauben, die sich u. a. in den Lutherbildern in protestantischen Gottesdiensträumen manifestiere.

[[Datei:Byzantinische Ikone Madonna von Zvonik.jpg|hochkant|mini|Ikonendarstellung der hl. [[Jungfrau Maria]]]]
[[Datei:Listopad - Kalendář koruny české na obyčejný rok 1867 - detail.jpg|hochkant|mini|Der Monat November im tschechischen Kalender für 1867 (Detail). Der Kalender der Heiligen ist nicht nur für Katholiken, sondern auch für Protestanten angegeben.]]
Im Gegensatz zu den lutherisch geprägten Protestanten lehnten die [[Reformierte Kirche|Reformierten]] die Heiligenverehrung insgesamt ab. [[Ulrich Zwingli]] und [[Johannes Calvin]] sahen in Wallfahrten und Reliquienverehrung ein Werk des [[Satan]]s und betonten die Gültigkeit des alttestamentlichen [[Bilderverbot]]s, gegen das die Heiligenverehrung verstoße.

Das [[Konzil von Trient]] legte im Jahr 1563 die römisch-katholische Dogmatik in der Frage der Heiligenverehrung genauer fest: Da die Heiligen im Himmel mit [[Jesus Christus|Christus]] herrschten, sei es „gut und nützlich“, sie demütig um Beistand anzurufen, um von Gott durch den alleinigen Erlöser und Heiland Jesus Christus Wohltaten zu erlangen (DH 1821). Ziel der Heiligenverehrung ist damit Gott. Das [[Zweites Vatikanisches Konzil|Zweite Vatikanische Konzil]] bestätigte diese Lehre und verwies nochmals darauf, dass die Fürbitte der Heiligen bei Gott nicht „heilskonstitutiv“ wie die hohepriesterliche Mittlerfunktion Christi sei (LG 48–69). Die apostolische Konstitution [[Lumen gentium]] führt aus, dass die Heiligen „zwar Schicksalsgenossen unserer Menschlichkeit“ seien, dennoch aber „vollkommener dem Bilde Christi gleichgestaltet“ würden. „Wie die christliche Gemeinschaft unter den Erdenpilgern uns näher zu Christus bringt, so verbindet auch die Gemeinschaft mit den Heiligen uns mit Christus, von dem als Quelle und Haupt jegliche Gnade und das Leben des Gottesvolkes selbst ausgehen.“ (LG 50).
Das Direktorium über die Volksfrömmigkeit und Liturgie hält fest, die Heiligenfeste verkündigten Christus „in seinen Knechten“, indem sie als Feste der Glieder des Leibes Christi dessen Haupt, Christus selbst, verherrlichten.<ref>''Direktorium über die Volksfrömmigkeit und die Liturgie'' (= ''Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls'', Nr. 160). 2001, S. 168.</ref>

In den [[Ostkirchen]] ist die Verehrung von Heiligen ein selbstverständlicher Bestandteil des geistigen Lebens. Seit dem 4. Jahrhundert ist die Darstellungen von Heiligen in [[Ikone]]n belegt. Die Verehrung äußert sich bis heute im Malen und Verehren von Ikonen, dem Verfassen und Lesen von [[Hagiographie|Heiligenviten]] sowie der wieder verstärkt auftretenden [[Heiligsprechung|Kanonisation]]. Wie in der katholischen Kirche auch werden die Gräber und Reliquien besucht und verehrt, Menschen, Kirchen und Orte nach ihnen benannt und ihr [[Gedenktag]] im [[Kirchenjahr]] liturgisch gefeiert. Die Wallfahrt des Pilgers zum Heiligengrab und zuletzt das Sehen, Berühren und Küssen der Reliquie oder der Ikone ist in den Ostkirchen präsenter als im Westen und dient dazu, an der besonderen Gottesnähe des Heiligen selbst teilzuhaben.

Die [[altkatholische Kirche]] betrachtet die Verehrung von Heiligen als sinnvoll, unabhängig davon, wie einzelne als Heilige anerkannt und zur Verehrung empfohlen werden. Dabei bleibe allerdings wichtig, dass sich die Heiligenverehrung deutlich von der Form der Anbetung und des Kultes unterscheide, die allein Gottvater, Jesus Christus und dem Heiligen Geist zustehe. Im alt-katholischen Gottesdienst und Gebetsleben wird daher in der Regel nur Gott direkt angeredet. Von den Heiligen wird lediglich erwähnt, dass die Gläubigen in Gemeinschaft mit ihnen stehen, und sie werden als Vorbilder im Glauben vorgestellt. Verehrt werden dabei vor allem Heilige der ungeteilten Kirche des ersten Jahrtausends sowie aus der späteren Zeit Christen, die als besondere Vor- und Leitbilder ökumenische Anerkennung erreicht haben, wie beispielsweise [[Franz von Assisi]], [[Teresa von Avila]], [[Dietrich Bonhoeffer]], [[Martin Luther King]], [[Edith Stein]] oder [[Oscar Romero]].<ref name="Heilige, Heiligenverehrung">{{Internetquelle| url=http://www.alt-katholisch.de/information/haeufig-gestellte-fragen/heilige-heiligenverehrung.html |titel=Heilige, Heiligenverehrung |hrsg=Website des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland |abruf=2016-12-12 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20150127050444/http://www.alt-katholisch.de/information/haeufig-gestellte-fragen/heilige-heiligenverehrung.html |archiv-datum=2015-01-27}}</ref>

Seit etwa den 1960er-Jahren verlieren kanonisierte Heilige in Teilen einer säkularisierten („westlichen“) Welt an Bedeutung, historische Legenden und mythische Berichte werden zurückgedrängt zugunsten zeitgeschichtlicher Erfahrungen vorbildhafter Menschen ([[Mohandas Karamchand Gandhi|Gandhi]], [[Mutter Teresa]], [[Martin Luther King]]), die als Vorbilder für Altruismus und Humanität dienen. Die Verehrung dieser neuen Vorbilder ist nicht an [[Konfession]]en oder Religionen gebunden und spiegelt das Aufkommen von [[Vorbild|Idolen]] in der Jugendkultur wider.<ref>Vgl. dazu Werner Groß: ''Die Heiligenverehrung in der Glaubenspraxis der Gegenwart.'' In: [[Peter Dinzelbacher]], [[Dieter R. Bauer]] (Hrsg.): ''Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart.'' Ostfildern 1990, S. 358–372, hier S. 370, sowie [[Hubertus Lutterbach]]: ''Tot und heilig? Personenkult um „Gottesmenschen“ in Mittelalter und Gegenwart.'' Darmstadt 2008, S. 104ff.</ref> Andererseits nahmen die Selig- und Heiligsprechungsverfahren der römisch-katholischen Kirche seit dem Pontifikat Papst [[Johannes Paul II.|Johannes Pauls II.]] einen deutlichen Aufschwung, zu dessen weltweiter Rezeption die mediale Übertragung der Gottesdienstfeiern beitrug: Von den seit der Konstitution ''Immensa aeterna'' aus dem Jahr 1588 insgesamt 839 heiliggesprochenen Personen wurden 482 durch Johannes Paul II. kanonisiert.<ref>Katholische Presseagentur Österreich: [http://www.kathpress.co.at/site/nachrichten/database/61974.html 839 Heiligsprechungen in der Kirche der Neuzeit] vom 26. April 2014.</ref>

Die römisch-katholische Theologin [[Doris Reisinger]] verlangte 2022 „eine wachsende Menge an Laien beiderlei Geschlechts, denen die Kirche bestätigt, ein heiliges Leben geführt zu haben“, und zwar ohne Keuschheitsgelübde und Martyrium. Unter den Heiligsprechungen der letzten 122 Jahre sei einer Untersuchung zufolge der „typische Heilige“ in der römisch-katholischen Kirche „ein weißer europäischer Priester“, während die afrikanische Mutter, der asiatische Familienvater, die lateinamerikanische Ärztin und der australische Arbeiter fehlten; weibliche Wege zur Heiligkeit seien sexuelle Gewalt und Tod durch einen Vergewaltiger.<ref>{{Internetquelle | titel=Theologin Reisinger fordert neuen Umgang mit Heiligsprechungen | url=https://www.katholisch.de/artikel/41727-theologin-reisinger-fordert-neuen-umgang-mit-heiligsprechungen | werk=katholisch.de | datum=2022-10-27 | abruf=2022-11-10}}</ref>


[[Franziskus (Papst)|Papst Franziskus]] regte im November 2024 einen „Gedenktag für Alltagsheilige“ an, der ab 2025 jeweils am 9. November begangen werden soll. An diesem Tag solle an „Nebenan-Heilige“, lokal bedeutsame Persönlichkeiten, erinnert werden, die Vorbilder für Christen vor Ort seien; er denke an treue Eheleute, Männer und Frauen, die in verschiedenen Berufen ihre Familien unterstützen, junge Menschen, die Jesus mit Begeisterung folgen, Priester, Ordensfrauen und -männer, die durch ihr Leben im Glauben ein Vorbild seien. Auch dürfe man die Armen, Kranken und Leidenden nicht vergessen, die in ihrer Schwäche bei Gott Halt finden.<ref>{{Internetquelle | titel=Papst führt Gedenktag für "Alltags-" und "Nebenan-Heilige" ein | url=https://www.katholisch.de/artikel/57576-papst-fuehrt-gedenktag-fuer-alltags-und-nebenan-heilige-ein | werk=katholisch.de | datum=2024-11-16 | abruf=2024-11-24}}</ref>
== Christliche Heiligkeit ==
Die [[christliche Theologie]] ist geprägt von einem Doppelkonzept von Heiligkeit: Das Heilige schlechthin ist [[Gott]] selbst, jedoch nicht im Sinne einer [[Transzendenz|transzendenten]] Statik, also eines Zustandes in göttlichen Sphären ohne Auswirkung auf das Diesseits. Vielmehr wird Gottes Heiligkeit als [[Immanenz|immanente]] Dynamik verstanden, die alle irdischen Dinge für sich aussondern kann und damit Grund ihrer Heiligkeit ist.
Im [[Neues Testament|Neuen Testament]] wird diese Sicht modifiziert. Nun ist es [[Jesus Christus]], der in seiner einzigartigen Beziehung zum Vater durch seinen Tod und seine [[Auferstehung]] Heiligkeit in denen, die ihm nachfolgen, bewirkt.


{{Siehe auch|Liste der Seligen und Heiligen|Liste von Heiligsprechungen|Heiligenkalender}}
Christliche Heiligkeit tritt in zwei Komponenten auf. Einerseits erwählt sich Gott sowohl im [[Altes Testament|Alten]] als auch im Neuen Testament ein „heiliges Volk“: Das [[Volk Israel]] und das so bezeichnete „neue heilige Volk“ der [[Kirche]]. Andererseits tritt auch immer das Konzept der individuellen Heiligkeit einer Einzelperson auf, die durch die Verwirklichung der Nachfolge Christi einen besonderen Grad der [[Gnade]] und des angebotenen [[Heil]]s erreicht hat. Die individuelle Heiligkeit ist dabei aber stets nur Manifestation einer Heiligkeit als Glied der Kirche, die in ihrer Gesamtheit ja die „communio sanctorum“, also die „Gemeinschaft der Heiligen“, darstellt.


==== Volksheilige ====
Christliche Heilige im [[Umgangssprache|umgangssprachlichen]] Sinn zeichnen sich also dadurch aus, dass sie bereits eine höhere Stufe der Gnade erreicht haben, die aber prinzipiell für jeden Gläubigen als Glied der Kirche möglich ist. Der Theologe Wolfgang Beinert drückt es kompakt so aus: „Sie [die Heiligkeit des Einzelnen] wird in der Taufe begründet als seinshafte Qualität und entfaltet sich in der personalen Annahme des göttlichen Rufes durch Übernahme der Gesinnung Jesu in einem moralisch heiligen Leben (Eph 1,4; 5,1; Phil 2,5; 4,8; Kol 1,22; I Petr 1,15f; 2,9; Tit 1,7-9 u.ö.)“
Als ''Volksheilige'' werden unter den Heiligen und [[Seligsprechung|Seligen]] vor allem der römisch-katholischen Kirche jene bezeichnet, die im Volk besonders hohe Verehrung und Beliebtheit genießen. Häufig sind die Feste dieser Heiligen mit besonderem Brauchtum verbunden, wie etwa der Gedenktag der heiligen [[Barbara von Nikomedien|Barbara]] mit dem Schneiden von [[Barbarazweig]]en oder dem „[[Bärbeletreiben]]“, der des heiligen [[Nikolaus von Myra|Nikolaus]] mit dem Beschenken der Kinder, des heiligen [[Martin von Tours|Martin]]<ref>[[Manfred Becker-Huberti]], ''Der heilige Martin von Tours – ein Volksheiliger im Wandel der Zeiten.'' In: ''L’Osservatore Romano.'' Nr. 45, 1996.</ref> mit dem [[Martinstag#Sankt-Martins-Umzug|Martinszug]] und dem [[Martinisingen]], der hl. [[Lucia von Syrakus|Lucia]] vor allem in Schweden mit dem [[Luciafest]], einer Lichtfeier. Zum Luciafest wie auch zum Gedenktag der hl. [[Agatha von Catania|Agatha]] werden auch [[Gebildbrot]]e gebacken.<ref>https://www.kath.ch/newsd/stichwort-agathabrot/</ref> Leben und Wirken vieler Volksheiliger wurden im Laufe der Zeit in Form von Legenden ausgeschmückt.


Bei der Betrachtung, wer jeweils zu den Volksheiligen zählt, kann es neben zeitlichen auch regionale Unterschiede geben. So gilt etwa in Frankreich auch [[Johanna von Orleans]] als Volksheilige, in den spanischsprachigen Ländern wird [[Teresa von Avila]] besonders verehrt, in Schweden zählt neben der hl. Lucia auch die hl. [[Birgitta von Schweden|Birgitta]] zu den Volksheiligen. Im englischsprachigen Raum und im [[Rheinland]] ist [[Judas Thaddäus]] als [[Schutzpatron]] in aussichtslos erscheinenden Anliegen bekannt. Die vielen Kirchen mit dem [[Patrozinium]] der heiligen [[Margarethenkirche|Margaretha]] oder [[Katharina von Alexandria |Katharina]], frommen [[Bruderschaft]]en oder [[Zunft|Zünfte]] im europäischen Raum gehen auf die hohe Verehrung zurück, die diese Heiligen im Volk genossen.
[[bild:Polycarp.jpg|thumb|Der erste verehrte Märtyrer: Polycarp]]Die [[Urchristentum|frühchristliche]] Heiligenverehrung schloss sich an die aus dem [[Judentum|jüdischen Glauben]] bekannten Formen an. Dort waren seit langem der [[Hohepriester]] als „amtlicher Fürbitter“ der Menschen, die Mittlerschaft der [[Engel]] zwischen Gott und den Menschen, die Verehrung großer Gestalten der Vergangenheit sowie das Martyrium bekannt.


Zu den Volksheiligen zählen neben anderen die [[Maria (Mutter Jesu)|Gottesmutter Maria]] und deren Mutter [[Anna (Heilige)|Anna]], die heiligen [[Josef von Nazaret|Josef]] und [[Franziskus von Assisi|Franziskus]], die hll. [[Antonius der Große|Antonius der Einsiedler]], [[Jodok (Heiliger)|Jodokus]] und [[Antonius von Padua]],<ref>Paolo Scandaletti, ''Antonius von Padua. Volksheiliger und Kirchenlehrer'', Verlag Styria, 1988.</ref> die [[vierzehn Nothelfer]], die hl. [[Cäcilia von Rom|Cäcilia]], der hl. [[Sebastian (Heiliger)|Sebastian]], der hl. [[Blasius von Sebaste|Blasius]], dessen Gedenktag mit der Spendung des [[Blasiussegen]]s verbunden ist,<ref>Hans Hollerweger: ''Blasiussegen.'' In: [[Lexikon für Theologie und Kirche]], 3. Auflage, Band 2. Herder-Verlag, Freiburg im Breisgau 1994, Sp.&nbsp;519&nbsp;f.</ref> in neuerer Zeit auch [[Therese von Lisieux]], [[Konrad von Parzham]]<ref>{{Webarchiv|url=https://www.heimatzeitung.de/startseite/aufmacher/2917456_Region-feiert-200.-Geburtstag-des-Volksheiligen-Bruder-Konrad.html?em_cnt=2917456 |wayback=20191025085353 |text=Archivierte Kopie}}</ref> und, vor allem im italienischen Raum, [[Pio von Pietrelcina]].<ref>{{Internetquelle |url=https://www.morgenpost.de/printarchiv/panorama/article102567129/Ein-Volksheiliger-wird-ausgegraben.html |titel=Ein Volksheiliger wird ausgegraben |werk=morgenpost.de |datum=2008-01-09 |abruf=2024-02-11}}</ref> Legendarisch ist die „heilige [[Kümmernis]]“,<ref>{{LThK|[[Anton Dörrer]]|Kümmernis|3|6|525f}}</ref> die auch Wilgefortis genannt wurde.
Die hohepriesterliche Mittlerfunktion wurde ganz auf Christus übertragen und erst nach der theologischen Klarstellung früher [[Kirchenvater|Väter der Kirche]], dass die Verehrung anderer Menschen, die Christus nachgefolgt waren, die Einzigartigkeit der Mittlerfunktion Christi nicht beeinträchtige, begann die Urkirche Märtyrer und die [[Apostel]] anzurufen.


{{Siehe auch|Kanonheiliger|Wetterheiliger}}
Der erste Beleg einer Märtyrerverehrung ist der um [[160]] geschriebene Bericht über [[Polykarp von Smyrna]], in der westlichen Kirche breitete sich die Märtyrerverehrung wahrscheinlich während der [[Christenverfolgung|Verfolgungen]] im 3. Jahrhundert aus und verband sich unter dem Einfluss [[Tertullian]]s zu einer Verehrung der Märtyrer als Heiliger. Anfänglich war diese Verehrung auf den Todestag und die Grabstätte des Märtyrers beschränkt, mit dem Aufkommen der Reliquienverehrung vervielfachten sich aber die räumlichen und zeitlichen Möglichkeiten der Verehrung. Der erste greifbare Beleg des Verständnisses der Heiligen als Fürsprecher bei Gott findet sich in einem Graffito an der römischen Kirche [[San Sebastiano]] aus dem Jahr [[260]].


==== Verehrung christlicher Heiliger außerhalb des Christentums ====
Mit dem Wandel des Christentums zur [[Staatsreligion]] des [[Römisches Reich|Römischen Reiches]] weitete sich auch der Heiligenbegriff, da das Martyrium wegen der abgestellten Verfolgungen nun nicht mehr höchstes Zeugnis eines christlichen Lebens sein konnte. Nach und nach wurden - unter dem bestimmenden Einfluss [[Clemens von Alexandria|Clemens' von Alexandria]] - so genannte „confessores“, also Bekenner, die zwar verfolgt worden, aber dem Martyrium entgangen waren, und Menschen mit einem „engelgleichen Leben“, deren radikal [[Askese|asketisch]]-[[Ehelosigkeit|jungfräuliches]] Leben als ständiger Kampf gegen die Verführungen des [[Satan]]s verstanden wurde, in den Kreis der verehrungswürdigen „Heiligen“ aufgenommen. Einen vorläufigen Schlusspunkt unter diese Erweiterungen setzte das [[Konzil von Ephesus]], das [[431]] mit der Verleihung des Titels der „Gottgebärerin“ an [[Maria (Mutter Jesu)|Maria]] die [[Marienverehrung]] offiziell sanktionierte.
Im [[haiti]]anischen [[Voodoo]] werden vereinzelt christliche Heilige wie [[Maria (Mutter Jesu)|Maria]], [[Simon Petrus]], [[Jakobus der Ältere]], [[Philomena von Rom]], [[Patrick von Irland]] und [[Ulrich von Augsburg]] in Gestalt von [[Loa (Voodoo)|Voodoo-Geistwesen]] verehrt; hierbei handelt es sich um einen Fall von [[Synkretismus]].<ref>[[Webster University]]: [http://faculty.webster.edu/corbetre/haiti/voodoo/biglist.htm ''Descriptions of Various Loa of Voodoo'', 1990]</ref>


Die [[kuba]]nische [[Santería]] setzt zahlreiche [[Orisha]] (gute Geister) in analoger Weise mit christlichen Heiligen gleich, wovon deutlich mehr Heilige als im Voodoo betroffen sind und die Gleichsetzung den Kern der Religion bildet.
[[Image:14Nothelfer.JPG|thumb|Heiligenverehrung: Die 14 Nothelfer auf einem [[Marterl]]]] Zwar war die christliche Theologie stets bemüht, die Anbetung (griech. ''λατρεια'', lat. ''adoratio'') allein Gott vorzubehalten und den Heiligen und ihren Reliquien lediglich Verehrung (griech. ''δουλεια'' (lat. ''veneratio'') zukommen zu lassen, gemäß der sachlichen und terminologischen Klärung, die das [[Zweites Konzil von Nicäa|Zweite Konzil von Nicäa]] [[787]] eingeführt hatte. In der Praxis waren die Ausdrucksformen und Anrufungen jedoch schon seit der Spätantike oft kaum noch unterscheidbar, und der theologische Begriff der Heiligkeit wurde im Laufe des [[Mittelalter]]s in der religiösen Praxis des Volksglaubens noch zusätzlich dadurch verwischt, dass die Fürbitt- und schließlich die Helferfunktion für Angelegenheiten des diesseitigen Lebens stark in den Vordergrund traten.


=== Judentum ===
Seit dem [[Frühmittelalter]] wurden zunehmend entweder große Lichtgestalten der Christenheit ([[Kirchenlehrer]], Könige, sog. „Ritter- und Soldatenheilige“ usw.) oder Menschen, die ein Alternativkonzept zum alltäglichen christlichen Leben boten ([[Franz von Assisi|Franziskus]], [[Benedikt von Nursia|Benedikt]]) vom Volk als Heilige verehrt, die kirchliche Anerkennung folgte im Allgemeinen erst später. Um von offizieller Seite Beliebigkeit und Ausufern der Heiligenkulte zu verhindern, bemühten sich die Päpste, das alleinige Recht zur [[Heiligsprechung]] und damit die Kontrolle der Heiligenverehrung zu erlangen, zumal diese aufgrund ihrer Bedeutung für die Beglaubigung politischer und dynastischer Legitimität und nicht zuletzt auch aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für die Kult- und Wallfahrtsorte auch einen gewichtigen machtpolitischen Faktor darstellte. Im Jahr 993 fand die erste päpstliche Heiligsprechung (Ulrich von Augsburg) statt, im Verlauf des 11. und 12. Jahrhunderts konnten sich die Päpste schließlich gegen die konkurrierende Instanzen der [[Synode]]n und Ortsbischöfe durchsetzen. Alexander III. dekretierte 1171 die alleinige Zuständigkeit des Papstes für Heiligsprechungen.
[[Datei:Hebron-(Abraham)-Mosche.JPG|miniatur|Das Grab der Erzväter in Hebron beherbergt sowohl eine Synagoge als auch eine Moschee.]]
Im Judentum allgemein ist „קדוש“ („kadosch“, hebräisch: ''heilig'') ein Wort, das zunächst ''abgesondert'' bedeutet und damit im Gegenteil zu ''[[profan]]'' (im Sinne von ''weltlich'', ''normal'', ''alltäglich'') steht.


Im [[Orthodoxes Judentum|orthodoxen Judentum]] wird auf eine [[Person|persönliche]] Heiligkeit nur äußerst zurückhaltend eingegangen. Als heilig im jüdischen Sinne gelten hauptsächlich [[Kehillah|jüdische Gemeinden]]. In der religiösen Praxis bildete sich aber de facto trotzdem bereits in alttestamentlicher Zeit die Heiligenverehrung heraus, was sich an der Existenz vieler Heiligengräber festmachen lässt.
Bereits Ambrosius hatte im 4. Jahrhundert den römischen Begriff des „patronus“ für die Heiligen verwendet, der die Schutzfunktion des Patrons im [[Römisches Klientelwesen|Klientelwesen]] der römischen Gesellschaft beinhaltete. Der im [[Hochmittelalter]] zur vollen Ausbildung gelangte Gedanke, sich für Nationen und Diözesen, Kirchen und Städte ([[Stadtpatron]]), später gar Stände und Berufe eigene [[Schutzpatron]]e zu erwählen, unter deren Schutz und Hilfe man sich stellen wollte, machen das transformierte Verständnis der „Heiligen“ deutlich, Reliquienanhäufung und Drang nach Wundern waren die theologisch unerwünschten Folgen. Der Charakter der Heiligen als Vorbilder im christlichen Leben („imitatio Christi“) trat zugunsten der zugeschriebenen Funktionen als Helfer zurück. Die Gläubigen wählten sich zur Fürbitte gezielt Heilige aus, denen man bestimmte Attribute zuschrieb. Blasius half beispielsweise gegen Halskrankheiten, Sebastian gegen die Pest. Auch die Entwicklung des Kultes der „[[Vierzehn Nothelfer]]“ fällt in diesen Zusammenhang.


Einer gewissen Verehrung der [[Prophet]]en (besonders [[Mose]]) wurde auch von offizieller Seite kein Widerstand entgegengebracht, seit der Zeit des [[Makkabäer|makkabäischen]] Widerstandskampfes gewann auch das [[Märtyrer]]tum an Bedeutung. Seit der [[Spätantike]] entwickelte sich in der Volksfrömmigkeit ein regelrechter Gräberkult um Grabstätten besonders frommer Juden, oft werden sogar [[Synagoge]]n über oder in der Nähe eines Grabes erbaut. Besonders stark trat der Typ des Heiligen im osteuropäischen [[Chassidismus]] auf, der im „[[Zaddik]]“ einen Heilsbringer mit einer besonders engen Gottesbeziehung und einer Mittlerqualität von Gottes Gnade für die Menschen verehrte.
Erst die [[Reformation]] brachte deutliche Kritik an der herrschenden Situation vor. Eine Rolle der Heiligen als direkte Mittler des Erbetenen wurde mit Verweis auf die [[Bibel]] strikt abgelehnt und die Einzigartigkeit der Heilsmittlerschaft Christi wieder in den Vordergrund gerückt. Wohl aber wurde das Heiligengedächtnis als Moment der persönlichen Stärkung im Glauben zum Beispiel in der [[Confessio Augustana|Confessio Augustana XXI]] befürwortet und anerkannt.


Auch im heutigen Judentum spielen Heiligengräber als [[Wallfahrt]]sziele eine Rolle. Prominente Beispiele hierfür sind die Gräber der [[Erzvater|Erzväter]] in Hebron, das [[Davidsgrab]] in Jerusalem, das Grab des [[Kabbala|kabbalistischen]] [[Rabbiner]]s [[Schimon ben Jochai]] in Meron oder des [[Chabad]]-Führers [[Menachem Mendel Schneerson]].
Im Gegensatz zu den [[Luthertum|lutherisch]] geprägten Protestanten lehnten die [[Reformierte]]n die Heiligenverehrung insgesamt ab. [[Zwingli]] und [[Calvin]] sahen in Wallfahrten und Reliquienverehrung ein Werk des [[Satan]]s und betonten die Gültigkeit des alttestamentlichen [[Bilderverbot]]s, gegen das die Heiligenverehrung verstoße.


Die alttestamentlichen Patriarchen und Propheten wurden auch in die Reihe der christlichen und islamischen Heiligen aufgenommen.
Auch wenn die katholische Theologie in der Frage der Heiligenverehrung stets derselben Auffassung wie [[Luther]] und [[Melanchthon]] war, blieb die Vermischung von verkappter Anbetung und Verehrung doch ein deutliches Kennzeichen der [[Volksfrömmigkeit]] bis in die heutige Zeit. Auf dem [[Konzil von Trient]] wurde [[1563]] die katholische Dogmatik in der Frage der Heiligenverehrung geschärft: Da die Heiligen im Himmel mit Christus herrschten, sei es „gut und nützlich“, sie demütig um Beistand anzurufen, um von Gott durch den alleinigen Erlöser und Heiland Jesus Christus Wohltaten zu erlangen (DH 1821). Als Ziel der Heiligenverehrung wird damit Gott festgeschrieben, im [[Zweites Vatikanisches Konzil|zweiten Vaticanum]] wird diese Auffassung bestätigt und nochmals darauf verwiesen, dass die Fürbitte der Heiligen bei Gott nicht „heilskonstitutiv“ wie die hohepriesterliche Mittlerfunktion Christi sei (LG 48-69).


=== Islam ===
In den [[Ostkirchen]] ist die Verehrung von Heiligen ein selbstverständlicher Bestandteil des geistigen Lebens. Sie äußert sich bis heute im Malen und Verehren von [[Ikone]]n, dem Verfassen und Lesen von Heiligenviten sowie der wieder verstärkt auftretenden [[Kanonisation]]. Wie in der katholischen Kirche auch werden die Gräber und Reliquien besucht und verehrt, Menschen, Kirchen und Orte nach ihnen benannt und ihr Gedächtnistag (i. d. R. der Todestag) im [[Kirchenjahr]] liturgisch gefeiert.
[[Datei:Chebika Marabout.JPG|miniatur|Verehrungsstätte ''(mašhad)'' eines [[Marabout]], die selten vom tatsächlichen Grab ''(turba)'' unterschieden wird. Das Kuppelgebäude heißt ''[[qubba]]'' (nahe der tunesischen Oase [[Chebika]]).]]


Im [[Islam]] hat sich eine Verehrung Heiliger, die dem christlichen Verständnis eines Heiligen nahekommt, bereits früh herausgebildet. Schon bald nach ihrem Tod wurden etwa in der [[Schiiten|schiitischen]] Richtung [[ʿAlī ibn Abī Tālib]], der Schwiegersohn [[Mohammed]]s, und seine Söhne [[Hasan ibn Ali]] und [[Husain ibn Ali]] als Heilige verehrt. Auch bei den [[Sunniten]] treten solche Heilige auf, unter anderem [[al-Chidr]] (al-Ḫiḍr, „der grüne Mann“). Seine enge Beziehung zum Propheten [[Elija]] kommt im türkischen Frühlingsfest [[Hıdrellez]] zum Ausdruck; von orientalischen Christen wird al-Chidr mit dem heiligen [[Georg (Heiliger)|Georg]] identifiziert.
Seit etwa den 1960er Jahren verlieren „Heiliggesprochene“ als „Heilige“ in weiten Teilen der christlichen Welt zunehmend an Bedeutung. Historische Legenden und mythische Berichte werden zurück gedrängt zugunsten zeitgeschichtlicher Erfahrungen vorbildhafter Menschen ([[Gandhi]], [[Mutter Teresa]], [[Martin Luther King]]), die als Vorbilder für Altruismus und Humanität dienen. Die Verehrung dieser neuen Vorbilder ist nicht an [[Konfession]]en oder Religionen gebunden und spiegelt das Aufkommen von [[Idol]]en in der Jugendkultur wider.


Viele Heilige wurden als „Freunde Gottes“ ([[Walī#Walī als Gottesfreund|''auliyāʾ Allāh'']]) bezeichnet. Hierbei handelt es sich um einen Begriff, der schon im Koran (Sure 10:62) vorkommt. Auch wenn der „Freund Gottes“ ein durchgehend gehorsames und gottgefälliges Leben geführt hat, rückt er nicht durch eigene Leistung, sondern vielmehr erst durch Allahs Wirken in eine Nähe zu jenem. Es gibt kein offizielles Heiligsprechungsverfahren, und die Verehrung einer Person als Heiligem ergibt sich aus dem Konsens der Gläubigen. Daher kann nicht nur Menschen aus der Zeit nach Mohammed, sondern auch Propheten und Patriarchen aus der Zeit zuvor die Heiligkeit zugesprochen werden.
== Heiligkeit im Judentum ==
[[Bild:Hebron-(Abraham)-Mosche.JPG|thumb|Das Grab der Erzväter in Hebron beherbergt sowohl eine jüdische Synagoge als auch eine muslimische Moschee]] In der orthodoxen Theologie wird auf eine persönliche Heiligkeit nur äußerst zurückhaltend eingegangen. Wie auch im Christentum ist die alleinige und originäre Quelle der Heiligkeit Gott und die Bezeichnung „heilig“ steht allein Gottes erwähltem Volk, dem Volk Israel, zu. In der religiösen Praxis bildete sich aber de facto bereits in alttestamentlicher Zeit die Heiligenverehrung heraus, was sich an der Existenz vieler Heiligengräber festmachen lässt.


Das Bild des Heiligen im Islam ist davon geprägt, dass Heilige Fürsprecher und Mittler zwischen den Gläubigen und dem verborgenen Allah sind, Wunder wirken können und als Wächter des Glaubens gelten. Viele Gräber von islamischen Heiligen sind bis heute Ziel von [[Ziyāra]]-Wallfahrten. Andere Orte werden besucht, weil sie in irgendeiner anderen Beziehung zum betreffenden Heiligen stehen. Die Wallfahrtsorte werden von den Pilgern als Kraftquelle gesehen, da die [[Spiritualität|spirituelle]] Energie ''([[Baraka (Segenskraft)|Baraka]])'' eines Heiligen nach muslimischer Auffassung auch über den irdischen Tod hinaus wirkt, teilweise sogar für stärker gehalten wird als zu Lebzeiten. Der Heilige erhält seine Baraka über eine spirituelle Kette ''([[Silsila]]),'' die ihn mit der Familie des Propheten verbindet.
Einer gewissen Verehrung der [[Prophet|Propheten]] wurde auch von offizieller Seite kein Widerstand entgegen gebracht, seit der Zeit des [[Makkabäer|makkabäischen]] Widerstandskampfes gewann auch das Märtyrertum an Bedeutung. Seit der Spät[[antike]] entwickelte sich in der Volksfrömmigkeit ein regelrechter Gräberkult um Grabstätten besonders frommer Juden, oft werden sogar [[Synagoge]]n über oder in der Nähe eines Grabes erbaut. Besonders stark trat der Typ des Heiligen im osteuropischen [[Chassidismus]] auf, der im „Saddiq“ einen beinahe übermenschliche Heilsbringer verehrte, der als Mittler von Gottes Gnade für die Menschen betrachtet wurde.


Die spätere islamische Heiligenverehrung bezieht sich meist auf bekannte [[Mystiker]] ([[Sufismus|Sufis]]). Häufig wirkten diese auch als Oberhaupt ''([[Scheich]])'' eines Sufiordens ''([[Tariqa]]),'' wie sie verstärkt ab dem 12. und 13. Jahrhundert entstanden. Zu jener Zeit, die als eine erste Blütezeit des Sufismus gilt, fanden die islamischen Mystiker eine große Resonanz auch in der breiten Bevölkerung, wodurch sich noch heute die starke auf diese Personen bezogene Verehrung erklären lässt. Einer der international bekanntesten Heiligen ist [[ʿAbd al-Qādir al-Dschīlānī]], dessen Grab in [[Bagdad]] Pilger aus der ganzen islamischen Welt angezogen hat. Träume von ʿAbd al-Qādir al-Dschīlānī spielen auch eine große Rolle in der islamischen Mystik.<ref>Vgl. Elizabeth Sirriyeh: ''Dreams and Visions in the World of Islam. A History of Muslim Dreaming and Foreknowing.'' I.B. Tauris, London, 2015. S. 163.</ref> So soll er zum Beispiel dem westafrikanischen religiösen Anführer [[Usman dan Fodio]] erschienen sein und ihm das „Schwert der Wahrheit“ verliehen haben.
Auch im heutigen Judentum spielen Heiligengräber als [[Wallfahrt]]sziele eine wichtige Rolle. Prominente Beispiele hierfür sind die Gräber der [[Erzvater|Erzväter]] in Hebron, das [[David (Israel)|Davidsgrab]] in Jerusalem oder das Grab des [[Kabbala|kabbalistischen]] [[Rabbiner]]s [[Schimon ben Jochai]] in Meron.


In einigen sunnitischen Gruppen wie der Bewegung der [[Wahhabiten]] ([[Salafismus]]) und den [[Ahl-i Hadīth]] wird eine Heiligenverehrung explizit bekämpft, da sie dem Prinzip der absoluten Einzigartigkeit und Erhabenheit eines Gottes ''([[tauhid]])'' zuwiderlaufe und ein nicht auf Gott, sondern auf Menschen gerichteter Kult sei. Bei der Ablehnung der Heiligenverehrung beruft man sich in diesen Kreisen auf den [[Koran]] ([[Sure 9]]:31; 10:19).
== Heiligkeit im Islam ==
[[Bild:Chebika_Marabout.JPG|thumb|250px|Grab eines [[Marabut]] im tunesischen Chebika]]Aus der [[Orthodoxie|orthodoxen]] Theologie des Islam muss die Heiligenverehrung eigentlich mit Blick auf den [[Koran]] (9,31; 10,19) abgelehnt werden. Andere Stellen jedoch (10,63-65) setzen die Existenz der „Freunde Allahs“ bereits als gegeben voraus und so hat sich dennoch im Islam bereits sehr früh eine Verehrung Heiliger durchgesetzt, die dem christlichen Verständnis eines Heiligen sehr nahe kommt. Schon bald nach ihrem Tod wurden etwa in der [[Schiiten|schiitischen]] Richtung [[ʿAlī ibn Abī Tālib]], der Schwiegersohn [[Mohammed]]s, und seine Söhne [[Hassan ibn Ali]] und [[Hussein ibn Ali]] als Heilige verehrt, auch bei den [[Sunniten]] treten solche Heilige auf, u. a. die Sagengestalt „al-Chadir“ („der grüne Mann“).


→ ''Siehe auch:'' [[Marabout]], [[Derwisch]], [[:Kategorie:Sufi]], [[Volksislam]]
Des Weiteren bezieht sich die spätere Heiligenverehrung meist auf bekannte [[Mystiker]] ([[Sufi]]s). Häufig wirkten diese auch als Oberhaupt ([[Sheikh]]) eines Sufiordens ([[Tariqa]]), wie sie verstärkt ab dem [[12. Jahrhundert|12.]] und [[13. Jahrhundert]] entstanden. Zu jener Zeit, die als die Blütezeit des [[Sufismus]] gilt, fanden die islamischen Mystiker eine große Resonanz in der breiten Bevölkerung (vor allem in den nordafrikanischen Ländern), wodurch sich noch heute die starke Verehrung der Heiligen nicht nur unter den Mystikern erklären lässt.


=== Indische Religionen ===
Das Bild des Heiligen im Islam ist davon geprägt, dass Heilige Fürsprecher und Mittler zwischen den Gläubigen und dem verborgenen [[Allah]] sind, Wunder wirken können und als Wächter des Glaubens gelten. Ihre Grabstätten sind bis in die heutige Zeit Wallfahrtsorte, die von den Pilgern als Kraftquelle gesehen werden, da die [[Spiritualität|spirituelle]] Energie eines Heiligen nach muslimischer Auffassung auch über den irdischen Tod hinaus wirkt.
[[Datei:Buddha-Vajrapani-Herakles.JPG|mini|hochkant|Der Bodhisattva Vajrapani (rechts) in einer an [[Herakles]] erinnernden Darstellung neben dem [[Buddha]].]]
Heilige der indischen Religionen des [[Hinduismus]], [[Buddhismus]] und [[Jainismus]] lassen sich grob dadurch charakterisieren, dass sie in radikaler [[Askese]] und [[Meditation]] einen höheren Bewusstseinsstand ([[Erleuchtung]]) erreicht haben sollen. Der Mittlercharakter zwischen göttlicher Autorität und Menschen tritt bei den verbreiteten atheistischen oder agnostischen Konzepten entsprechend nicht auf.


Die ungenaue Kategorie des „Hinduismus“ macht eine allgemein gültige Definition eines „hinduistischen Heiligen“ praktisch unmöglich. Dennoch lässt sich eine relativ weit verbreitete Verehrung bestimmter religiöser Lehrer, die in ihrer Zeit das Gesicht des Hinduismus prägten, wie [[Namdev]], [[Dnyaneshwar]], [[Tukaram]], [[Shankara]], [[Ramakrishna]] oder auch [[Gandhi]], beobachten.
''Siehe auch:'' [[Marabut]], [[Ghauth]], [[Derwisch]], [[Sheikh]], [[Liste bekannter Sufis]]


Im Buddhismus ist die Vorstellung von Heiligen konkreter vorhanden. Der [[Hinayana]]-Buddhismus sieht die individuelle Heiligkeit darin gegeben, dass ein Mensch, der [[Arhat]], nach streng asketischem Leben und Beachtung der Lehren [[Buddha]]s bereits zu Lebzeiten das [[Nirwana|Nirvana]] erreicht und damit aus dem [[Samsara|Kreislauf der Wiedergeburten]] ausscheidet. Auch [[Siddhartha Gautama]], der die [[Vier Edle Wahrheiten|vier edlen Wahrheiten]] erkannt und in der [[Meditation]] zu vollkommener innerer Ruhe gefunden hat, fällt unter die Kategorie des Heiligen.
== Heiligkeit in den indischen Religionen ==
[[Bild:Mahatma_Gandhi.jpg|thumb|Mahatma Gandhi]] Heilige der indischen Religionen des [[Hinduismus]], [[Buddhismus]] und [[Jainismus]] lassen sich grob dadurch charakterisieren, dass sie in radikaler [[Askese]] und [[Meditation]] einen höheren Bewusstseinsstand erreicht haben sollen. Der Mittlercharakter zwischen göttlicher Autorität und Menschen tritt bei den verbreiteten atheistischen oder agnostischen Konzepten entsprechend nicht auf.


Der bereits im Hinayana präsente Gedanke einer Verehrung der Reliquien Buddhas setzte sich im [[Mahayana]] verstärkt fort. Hier werden zusätzlich die [[Bodhisattva]]s als Heilige verehrt, weil sie zwar die Erleuchtung bereits erlangt haben, aus [[Altruismus]] aber auf das Nirvana verzichten und andere Menschen ebenfalls zur Erleuchtung führen wollen. Über ihren Gräbern und Reliquien wurden [[Stupa]]s errichtet, die auch heute noch beispielsweise in Thailand in Ehrerbietung barfuß rechtsherum andächtig umschritten wird, zumeist verbunden mit Blumen-, Weihrauch- und Kerzen-Opfern. Berühmte Heilige des tibetischen Buddhismus sind z.&nbsp;B. [[Padmasambhava]], [[Milarepa]] und [[Tsongkhapa]].
Die ungenaue Kategorie des „Hinduismus“ macht eine allgemein gültige Definition eines „hinduistischen Heiligen“ praktisch unmöglich. Es lässt sich aber eine relativ weit verbreitete Verehrung bestimmter religiöser Lehrer, die in ihrer Zeit das Gesicht des Hinduismus prägten, wie [[Shankara]], [[Ramakrishna]] oder auch [[Gandhi]], beobachten.


Im [[Jainismus]] schließlich werden 63 exemplarische Menschen, darunter die 24 sogenannten [[Tirthankara]]s („Furtbereiter“, „Bahnbrecher“), als Heilige verehrt, weil sie, obwohl sie selbst bereits Erlösung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten gefunden haben, in immer wiederkehrenden Abständen den Menschen den Weg zur Erleuchtung aufgezeigt haben.
Im Buddhismus ist die Vorstellung von Heiligen konkreter vorhanden. Der [[Hinayana]] sieht die individuelle Heiligkeit darin gegeben, dass ein Mensch nach streng asketischem Leben und Beachtung der Lehren [[Buddha]]s das [[Nirvana]] erreicht und damit aus dem [[Samsara|Kreislauf der Wiedergeburten]] ausscheidet. Der bereits im Hinayana präsente Gedanke einer Verehrung der Reliquien Buddhas setzte sich im [[Mahayana]] verstärkt fort. Hier werden zusätzlich die [[Bodhisattva]]s als Heilige verehrt, weil sie zwar die Erleuchtung bereits erlangt haben, aus Altruismus („Mitleid“) aber auf das Nirvana verzichten und andere Menschen ebenfalls zur Erleuchtung führen wollen.


[[Datei:Confuciustombqufu.jpg|miniatur|hochkant|Konfuziusgrab in [[Qufu]]]]
Im [[Jainismus]] schließlich werden 63 exemplarische Menschen, darunter die 24 so genannten [[Tirthankara]]s („Furtbereiter, Bahnbrecher“), als Heilige verehrt, weil sie, obwohl sie selbst bereits Erlösung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten gefunden haben, in immer wiederkehrenden Abständen den Menschen den Weg zur Erleuchtung aufgezeigt haben.


== Heiligkeit in den chinesischen Religionen ==
=== Chinesische Religionen ===
[[Bild:Confuciustombqufu.jpg|thumb|Konfuziusgrab in [[Qufu]]]] Im [[Konfuzianismus]] war der Begriff des „Heiligen“ stets mit dem des „[[Adeliger|Adeligen]]“ konnotiert, der die [[Tugend]]en der Güte, [[Pietät]] und Liebe in sich vereint. Neben [[Konfuzius]] selbst und seinen Schülern zählten dazu vor allem ideale mythische Herrschern und die regierenden Kaisern.
Im [[Konfuzianismus]] war der Begriff des „Heiligen“ (聖人 – [[Shengren]]) stets mit dem des „Edlen“ (君子) konnotiert, der die fünf konfuzianischen Kardinaltugenden, Menschlichkeit (Ren, 仁), Gerechtigkeit (Yi, 義), Ethisches Verhalten (Li, {{lang|zh-Hans|礼}}), Weisheit (Zhi, 智) und Aufrichtigkeit (Xin, 信) in sich vereint. Neben [[Konfuzius]] selbst und seinen Schülern zählten dazu vor allem ideale [[Urkaiser Chinas|mythische Herrscher]] und die regierenden Kaiser.


Der [[Taoismus]] dagegen verehrte verschiedene historische Gestalten, denen zugeschrieben wurde, in Übereinstimmung mit dem [[Tao]] gelebt zu haben (z. B. die so genannten „Acht [[Unsterblichkeit|Unsterblichen]]). Sie werden oft als magisch Begabte vorgestellt, die vor Krankheit und Tod bewahren können.
Der [[Daoismus]] dagegen verehrte verschiedene historische Gestalten, denen zugeschrieben wurde, in Übereinstimmung mit dem [[Dao]] gelebt zu haben (z.&nbsp;B. die sogenannten [[Acht Unsterbliche]]n“). Sie werden oft als mit übernatürlichen Fähigkeiten versehen vorgestellt, die auch vor Krankheit und Tod bewahren können, und sie sind [[Xian (Mythologie)|Unsterbliche]]. Sie gelten im [[Pantheon des Daoismus]] häufig auch als Gottheiten.


== Verwandte Themen ==
== Siehe auch ==
* [[Heiligenverehrung]]
* [[Hagiographie]]
* [[Liste der Seligen und Heiligen]]
* [[Liste der Seligen und Heiligen]]
* [[Liste heiliger und seliger Ehepaare]]
* [[Heiligsprechung]]
* [[Heiligenkalender]]
* [[Wetterheiliger]]


== Literatur ==
== Literatur ==
* Arnold Angenendt: ''Corpus incorruptum. Eine Leitidee der mittelalterlichen Reliequienverehrung.'' In: Saeculum 42 (1991), S. 320-348.
* [[Arnold Angenendt]]: ''Corpus incorruptum. Eine Leitidee der mittelalterlichen Reliquienverehrung.'' In: ''Saeculum.'' Bd. 42, Nr. 3/4, 1991, S. 320–348, {{doi|10.7788/saeculum.1991.42.34.320}}.
* Arnold Angenendt: ''Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart.'' München 1997. ISBN 3406428673
* Arnold Angenendt: ''Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart.'' 2., überarbeitete Auflage. Beck, München 1997, ISBN 3-406-42867-3.
* Theofried Baumeister: ''Artikel „Heiligenverehrung I“''. In: Reallexikon für Antike und Christentum, Bd. 14, Stuttgart 1988, Sp. 96-150. ISBN 3777288357
* [[Theofried Baumeister]]: ''Heiligenverehrung I.'' In: ''[[Reallexikon für Antike und Christentum]].'' Band 14: ''Heilig – Hexe.'' Hiersemann, Stuttgart 1988, ISBN 3-7772-8835-7, Sp. 96–150.
* Wolfgang Beinert: ''Die Heiligen in der Reflexion der Kirche. Die Heiligen heute ehren.'' Freiburg u. a. 1983.
* [[Wolfgang Beinert (Theologe)|Wolfgang Beinert]] (Hrsg.): ''Die Heiligen heute ehren. Eine theologisch-pastorale Handreichung.'' Freiburg (Breisgau) u. a. 1983, ISBN 3-451-19544-5.
* Jürgen Beyer [[et al.]] (Hrsg.): ''Confessional sanctity. (c. 1550 – c. 1800)'' (= ''Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz.'' Beiheft 51). Von Zabern, Mainz 2003, ISBN 3-8053-2998-9.
* Jürgen Frembgen: ''Reise zu Gott. Sufis und Derwische im Islam.'' München 2000. ISBN 340645920X
* Joseph Braun: ''Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst.'' Stuttgart 1943; anastatischer Nachdruck München 1964.
* Theodor Klauser: ''Christlicher Märtyrerkult, heidnischer Heroenkult und die spätjüdische Heiligenverehrung.'' Köln 1969. ISBN B0000BUE1H
* [[Peter Brown (Historiker)|Peter Brown]]: ''The Cult of the Saints. Its Rise and Funktion in Latin Christianity'' (= ''The Haskell Lectures on History of Religions.'' 2). University of Chicago Press, Chicago IL 1981, ISBN 0-226-07621-0.
* Gabriele Miller: ''Artikel „Heilige“''. In: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 4, Freiburg u. a. 1995, Sp. 1274-1276.
* [[Siglind Bruhn]]: ''Saints in the Limelight. Representations of the Religious Quest on the Post-1945 Operatic Stage'' (= ''Dimension & Diversity Series. Studies in 20th Century Music.'' Bd. 5). Pendragon Press, Hillsdale, NY 2003, ISBN 1-576-47096-2.
* [[Peter Dinzelbacher]], [[Dieter R. Bauer]] (Hrsg.): ''Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart.'' Schwabenverlag, Ostfildern 1990, ISBN 3-7966-0679-2.
* [[Jürgen Wasim Frembgen]]: ''Reise zu Gott. Sufis und Derwische im Islam.'' (= ''Beck’sche Reihe,'' 1380). C. H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-45920-X.
* [[Peter Gemeinhardt]]: ''Die Heiligen. Von den frühchristlichen Märtyrern bis zur Gegenwart'' (= ''Beck’sche Reihe,'' 2498). C. H. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-58798-6.
* Rosa Giorgi: '' Die Heiligen. Geschichte und Legende.'' (= ''Bildlexikon der Kunst,'' Band 2). Parthas, Berlin 2003, ISBN 3-932529-57-X.
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Saints|Heiliger}}
* [http://heiligenlexikon.de Heiligenlexikon]
{{Wiktionary}}
* [http://www.heilige.de Heilige und Namenspatrone]
* [https://hds.hebis.de/herder/Search/Results?lookfor=heilige+und+selige&trackSearchEvent=Einfache+Suche&type=allfields&search=new&submit=Suchen Literatur über Heilige und Selige in Ostmitteleuropa] im Bibliotheks- und Bibliographieportal / [[Herder-Institut (Marburg)]]
* [http://www.religion-frauen.de.vu/ Heilige und selige Frauen]
* Kurt Messmer: [https://blog.nationalmuseum.ch/2020/12/georg-martin-nikolaus-zeitlose-humanitaet/ ''Georg, Martin, Nikolaus – zeitlose ''] Im Blog des [[Schweizerisches Nationalmuseum|Schweizerischen Nationalmuseums]] vom 4. Dezember 2020
* [http://www.people.freenet.de/sehnde-kat/ Heiligenlieder]
* [http://www.kloster-roggenburg.de/klro.04/kloster/info.php?cID=41&vaterKnoten=4 Prämonstratenser-Heilige]


== Einzelnachweise ==
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<references>
[[Kategorie:Christentum]]
<ref name="ws">Winfried Schulz: Artikel „Heiligsprechung“ in: ''Lexikon für Theologie und Kirche'' Bd. 4. Herder Verlag 2006. Sp. 1328–1331, 1329.</ref>
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</references>
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Aktuelle Version vom 31. Mai 2025, 13:34 Uhr

Die Heiligen Kyrill, Katharina von Siena, Methodius, Birgitta von Schweden, Benedikt von Nursia und Teresia Benedicta vom Kreuz. Diese Heiligen bezeichnet die katholische Kirche auch als Patrone Europas.

In religiösen Vorstellungen ist ein Heiliger ein Mensch, der einer Gottheit besonders nahestehend beziehungsweise als in religiöser und ethischer Hinsicht vorbildlich angesehen wird. Die Anerkennung von Heiligen kann religiösen oder politischen Autoritäten vorbehalten sein oder sich in der Akklamation und Verehrung durch das gläubige Volk vollziehen; eine wichtige Rolle kann dabei das Auftreten von als übernatürlich interpretierten Phänomenen (Wunder) im Zusammenhang mit den Heiligen spielen. Die darauf folgende – zumeist posthume – kultische Verehrung von Heiligen bezeichnet man als Heiligenverehrung.

Religionswissenschaftliche Definition

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Der Begriff des Heiligen ist religionswissenschaftlich nicht befriedigend definiert. Zum einen ist aufgrund der differierenden Anforderungen, die verschiedene Religionen an einen Heiligen stellen, keine für alle Religionen allgemeingültige Definition möglich. Zum anderen überschneidet sich der religiöse Typ des Heiligen mit mehreren anderen religiöser Autoritätstypen, und es ist bisher nicht gelungen, eine deutlich unterscheidende Charakteristik zu finden.

Aris Kalaizis: Das Martyrium des hl. Bartholomäus, 2014/2015

Die Grenzen der im Diskurs religiöser Autoritäten skizzierten Typen sind fließend und können sich in wichtigen Punkten überschneiden. Ein für alle Religionen allgemeingültiger Begriff ist nicht gegeben.

Typologische Gemeinsamkeiten dieser Art weist der Heilige besonders mit dem Märtyrer und dem Heros auf: Sein Grab oder der Aufbewahrungsort seiner Reliquien entwickelt sich zu einem kultischen Zentrum. Es ist das Ziel allgemeiner Verehrung, von Pilgerreisen und wird oft als Zentrum einer Nekropole genutzt. Allen drei Typen wird eine Funktion als Fürsprecher der Gläubigen gegenüber der göttlichen Autorität zugeschrieben.

Eine Verehrung ist oft wie beim Heros bereits zu Lebzeiten gegeben, kann aber wie beim Märtyrer auch nach dem Tod erfolgen. Ein Unterschied zum Typen des Märtyrers liegt darin, dass er die religiöse Vollkommenheit nicht durch seinen Lebenswandel, sondern durch die Art seines Sterbens erlangte. Beim Heiligen erweist sich die Vollkommenheit ohne ein solches Martyrium durch sein voraufgegangenes Leben. Im Gegensatz zum Heros fehlt ihm die göttliche oder halbgöttliche Abstammung.

Der Heilige kann zwar Kleriker sein oder dem „gottgeweihten Stand“ (Vita consecrata) angehören, muss es aber nicht. Weiterhin kann der Heilige das Charisma des Religionsstifters oder Reformators besitzen, im Gegensatz zu ihnen ist aber sein Ziel nicht Verkündigung einer (Glaubens-)Lehre und anschließende Bildung einer Gläubigenschar, sondern das Hervortreten durch sein religiös vorbildliches Leben.

Vom mythischen Heilsbringer schließlich unterscheidet ihn sein Wirken in der real überlieferten, wenn auch oft in der Tradierung unzuverlässigen Geschichte und dem fehlenden Erlösungsaspekt seines Lebens.

Die Deklaration und Verehrung von Heiligen erfüllt ein urreligiöses Bedürfnis der Menschen nach Vorbildern in ihrem Glauben und gleichzeitige Bestätigung desselben. Die als vorbildlich anerkannten Mitglieder der Glaubensgemeinschaft verlassen zwar die diesseitige – menschliche – Gemeinschaft. Sie bieten jedoch die Möglichkeit, den Kontakt zwischen Diesseits und Jenseits zu halten, denn obwohl sie in die jeweilige göttliche Herrlichkeit aufgenommen worden sind, bleiben sie über ihr Grab, ihre Reliquien und ihre Verehrung im Diesseits präsent und bilden so eine Verbindung zu der von den noch lebenden Gläubigen selbst angestrebten Erlösung. Über die ihnen während oder nach ihrem Leben zugeschriebenen Wundertaten geben sie den Gläubigen eine positive Antwort auf die Frage nach der Sinn- und Wahrhaftigkeit der jeweiligen Religion.

Die christliche Theologie ist geprägt von einem Doppelkonzept von Heiligkeit: Das Heilige schlechthin ist Gott selbst, jedoch nicht im Sinne einer transzendenten Statik, also eines Zustandes in göttlichen Sphären ohne Auswirkung auf das Diesseits. Vielmehr wird Gottes Heiligkeit als immanente Dynamik verstanden, die alle irdischen Dinge für sich aussondern kann und damit Grund ihrer Heiligkeit ist. Im Neuen Testament wird diese Sicht modifiziert. Nun ist es Jesus Christus, der in seiner einzigartigen Beziehung zum Vater durch seinen Tod und seine Auferstehung Heiligkeit in denen bewirkt, die ihm nachfolgen.

Christliche Heiligkeit tritt in zwei Komponenten auf. Einerseits erwählt sich Gott sowohl im Alten als auch im Neuen Testament ein „heiliges Volk“: das Volk Israel und das so bezeichnete „neue heilige Volk“ der Kirche. Andererseits tritt immer das Konzept der individuellen Heiligkeit einer Einzelperson auf. Die individuelle Heiligkeit ist dabei aber stets nur Manifestation einer Heiligkeit als Glied der Kirche, die in ihrer Gesamtheit ja die „Gemeinschaft der Heiligen“ (communio sanctorum) darstellt. Im Katechismus der Katholischen Kirche heißt es dazu: „Wenn die Kirche gewisse Gläubige heiligspricht, das heißt feierlich erklärt, daß diese die Tugenden heldenhaft geübt und in Treue zur Gnade Gottes gelebt haben, anerkennt die Kirche die Macht des Geistes der Heiligkeit, der in ihr ist. Sie stärkt die Hoffnung der Gläubigen, indem sie ihnen die Heiligen als Vorbilder und Fürsprecher gibt.“[1]

Antike und Mittelalter

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Polykarp von Smyrna, einer der ersten Heiligen, der als Märtyrer verehrt wurde

Die frühchristliche Heiligenverehrung schloss sich an die aus dem jüdischen Glauben bekannten Formen an. Dort waren seit langem der Hohepriester als Übermittler des Aaronitischen Segens sowie das Martyrium bekannt.

Die hohepriesterliche Mittlerfunktion wurde ganz auf Christus übertragen und erst nach der theologischen Klarstellung früher Väter der Kirche, dass die Verehrung anderer Menschen, die Christus nachgefolgt waren, die Einzigartigkeit der Mittlerfunktion Christi nicht beeinträchtige, begann die Urkirche, Märtyrer und die Apostel anzurufen.

Der erste Beleg einer Märtyrerverehrung ist der um 160 geschriebene Bericht über Polykarp von Smyrna, in der westlichen Kirche breitete sich die Märtyrerverehrung wahrscheinlich während der Verfolgungen im 3. Jahrhundert aus und verband sich unter dem Einfluss Tertullians zu einer Verehrung der Märtyrer als Heilige. Anfänglich war diese Verehrung auf den Todestag und die Grabstätte des Märtyrers beschränkt, mit dem Aufkommen der Reliquienverehrung vervielfachten sich aber die räumlichen und zeitlichen Möglichkeiten der Verehrung. Der erste greifbare Beleg des Verständnisses der Heiligen als Fürsprecher bei Gott findet sich in einem Graffito an der römischen Kirche San Sebastiano aus dem Jahr 260.

Mit dem Wandel des Christentums zur Staatsreligion des Römischen Reiches weitete sich der Heiligenbegriff, da nach dem Ende der Verfolgungen das Martyrium nun nicht mehr höchstes Zeugnis eines christlichen Lebens sein konnte. Nach und nach wurden – unter dem bestimmenden Einfluss Clemens’ von Alexandria – sogenannte „Bekenner“ (confessores), die zwar verfolgt worden, aber dem Martyrium entgangen waren, und Menschen mit einem „engelgleichen Leben“, deren radikal asketisch-jungfräuliches Leben als ständiger Kampf gegen die Verführungen des Satans verstanden wurde, in den Kreis der verehrungswürdigen „Heiligen“ aufgenommen.

Der hl. Franz von Assisi, Ordensmann und Bekenner

Seit dem Frühmittelalter wurden zunehmend entweder große Lichtgestalten der Christenheit (Kirchenlehrer, Könige, sog. „Ritter- und Soldatenheilige“) oder Menschen, die ein Alternativkonzept zum alltäglichen christlichen Leben boten (Franziskus, Benedikt), vom Volk regional als Heilige verehrt. Bei den „Adelsheiligen“, also Herrschern, Bischöfen oder Ordensgründern, ging die Initiative der Verehrung in den meisten Fällen von deren Nachfolgern im Amt oder Mitgliedern ihrer Dynastie aus, die dadurch auch sich selbst eine stärkere Legitimität zu verschaffen hofften. Die kirchliche Anerkennung folgte im Allgemeinen erst später. Um von offizieller Seite Beliebigkeit und Ausufern der Heiligenkulte zu verhindern, bemühten sich die Päpste, das alleinige Recht zur Heiligsprechung und damit die Kontrolle der Heiligenverehrung zu erlangen, zumal diese aufgrund ihrer Bedeutung für die Beglaubigung politischer und dynastischer Legitimität und nicht zuletzt auch aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für die Kult- und Wallfahrtsorte einen gewichtigen machtpolitischen Faktor darstellte. Im Jahr 993 fand die erste päpstliche Heiligsprechung (Ulrich von Augsburg) statt, im Verlauf des 11. und 12. Jahrhunderts konnten sich die Päpste schließlich gegen die konkurrierenden Instanzen der Konzilien und Ortsbischöfe durchsetzen. Alexander III. dekretierte im Jahr 1171 die alleinige Zuständigkeit des Papstes für Heiligsprechungen. Aber allgemein verbindlich wurde diese Alleinzuständigkeit erst durch den Liber Extra von 1234, einen Nachtrag zum Decretum Gratiani.[2] Im Mittelalter handhabte die römische Kurie die Heiligsprechung zurückhaltend und kanonisierte nur 79 Personen, während die Volksfrömmigkeit auch ohne päpstliche Beteiligung zur selben Zeit Hunderte neuer Heiliger hervorbrachte.[3]

Chor der hl. Jungfrauen

Die christliche Theologie unterscheidet gemäß der sachlichen und terminologischen Klärung des Zweiten Konzils von Nicäa im Jahre 787 die Anbetung (griech. λατρεια, lat. adoratio), die allein Gott vorbehalten ist, von der Verehrung (griech. δουλεια, lat. veneratio), die den Heiligen und ihren Reliquien zukommt. Die sogenannte Dulia ist grundsätzlich von der Latrie, der Anbetung, zu unterscheiden. Innerhalb der Dulia, der Verehrung, wird noch die Hyperdulia („Hochverehrung“) unterschieden, die ausschließlich der Jungfrau Maria zukommt.

Bereits Ambrosius von Mailand hatte im 4. Jahrhundert den römischen Begriff des „patronus“ für die Heiligen verwendet, der die Schutzfunktion des Patrons im Klientelwesen der römischen Gesellschaft beinhaltete. Der im Hochmittelalter zur vollen Ausbildung gelangte Gedanke, sich für Nationen und Diözesen, Kirchen und Städte (Stadtpatron), später gar Stände und Berufe eigene Schutzpatrone zu erwählen, unter deren Schutz und Hilfe man sich stellen wollte, machen das transformierte Verständnis der „Heiligen“ deutlich. Reliquienanhäufung und Drang nach Wundern waren die theologisch unerwünschten Folgen. Das Vierte Laterankonzil verurteilte zwar, „dass die Gläubigen mit phantastischen Geschichten oder gefälschten Dokumenten getäuscht werden, wie es an sehr vielen Orten aus Gewinnsucht zu geschehen pflegt.“ Aber es konnte die Entwicklung in der Praxis nicht aufhalten. Der Charakter der Heiligen als Vorbilder im christlichen Leben (Imitatio Christi) trat zugunsten der zugeschriebenen Funktionen als Helfer zurück. Die Gläubigen wählten sich zur Fürbitte gezielt Heilige (häufig als Krankheitspatrone)[4] aus, denen man bestimmte Attribute zuschrieb.[5][6] Blasius wird beispielsweise gegen Halskrankheiten angerufen, Sebastian gegen die Pest. Auch die Entwicklung des Kultes der vierzehn Nothelfer fällt in diesen Zusammenhang.

Erst die Reformation brachte deutliche Kritik an der herrschenden Situation vor. Eine Rolle der Heiligen als direkte Mittler des Erbetenen wurde mit Verweis auf die Bibel strikt abgelehnt und die Einzigartigkeit der Heilsmittlerschaft Christi wieder in den Vordergrund gerückt. Nach der theologischen Festigung des Luthertums wurde in der Pflege des Gedächtnisses verschiedener altkirchlicher Heiliger keine Gefahr mehr gesehen. Das Heiligengedächtnis wurde in der Confessio Augustana XXI als Moment der persönlichen Stärkung im Glauben befürwortet und anerkannt. Zu den anerkannten „alten“ Heiligen traten zusätzlich Vorreformatoren wie Jan Hus und dann auch Akteure der Reformation – insbesondere Luther selbst – hinzu, so dass verschiedene Theologen Züge einer „Lutherverehrung“ zu erkennen glauben, die sich u. a. in den Lutherbildern in protestantischen Gottesdiensträumen manifestiere.

Ikonendarstellung der hl. Jungfrau Maria
Der Monat November im tschechischen Kalender für 1867 (Detail). Der Kalender der Heiligen ist nicht nur für Katholiken, sondern auch für Protestanten angegeben.

Im Gegensatz zu den lutherisch geprägten Protestanten lehnten die Reformierten die Heiligenverehrung insgesamt ab. Ulrich Zwingli und Johannes Calvin sahen in Wallfahrten und Reliquienverehrung ein Werk des Satans und betonten die Gültigkeit des alttestamentlichen Bilderverbots, gegen das die Heiligenverehrung verstoße.

Das Konzil von Trient legte im Jahr 1563 die römisch-katholische Dogmatik in der Frage der Heiligenverehrung genauer fest: Da die Heiligen im Himmel mit Christus herrschten, sei es „gut und nützlich“, sie demütig um Beistand anzurufen, um von Gott durch den alleinigen Erlöser und Heiland Jesus Christus Wohltaten zu erlangen (DH 1821). Ziel der Heiligenverehrung ist damit Gott. Das Zweite Vatikanische Konzil bestätigte diese Lehre und verwies nochmals darauf, dass die Fürbitte der Heiligen bei Gott nicht „heilskonstitutiv“ wie die hohepriesterliche Mittlerfunktion Christi sei (LG 48–69). Die apostolische Konstitution Lumen gentium führt aus, dass die Heiligen „zwar Schicksalsgenossen unserer Menschlichkeit“ seien, dennoch aber „vollkommener dem Bilde Christi gleichgestaltet“ würden. „Wie die christliche Gemeinschaft unter den Erdenpilgern uns näher zu Christus bringt, so verbindet auch die Gemeinschaft mit den Heiligen uns mit Christus, von dem als Quelle und Haupt jegliche Gnade und das Leben des Gottesvolkes selbst ausgehen.“ (LG 50). Das Direktorium über die Volksfrömmigkeit und Liturgie hält fest, die Heiligenfeste verkündigten Christus „in seinen Knechten“, indem sie als Feste der Glieder des Leibes Christi dessen Haupt, Christus selbst, verherrlichten.[7]

In den Ostkirchen ist die Verehrung von Heiligen ein selbstverständlicher Bestandteil des geistigen Lebens. Seit dem 4. Jahrhundert ist die Darstellungen von Heiligen in Ikonen belegt. Die Verehrung äußert sich bis heute im Malen und Verehren von Ikonen, dem Verfassen und Lesen von Heiligenviten sowie der wieder verstärkt auftretenden Kanonisation. Wie in der katholischen Kirche auch werden die Gräber und Reliquien besucht und verehrt, Menschen, Kirchen und Orte nach ihnen benannt und ihr Gedenktag im Kirchenjahr liturgisch gefeiert. Die Wallfahrt des Pilgers zum Heiligengrab und zuletzt das Sehen, Berühren und Küssen der Reliquie oder der Ikone ist in den Ostkirchen präsenter als im Westen und dient dazu, an der besonderen Gottesnähe des Heiligen selbst teilzuhaben.

Die altkatholische Kirche betrachtet die Verehrung von Heiligen als sinnvoll, unabhängig davon, wie einzelne als Heilige anerkannt und zur Verehrung empfohlen werden. Dabei bleibe allerdings wichtig, dass sich die Heiligenverehrung deutlich von der Form der Anbetung und des Kultes unterscheide, die allein Gottvater, Jesus Christus und dem Heiligen Geist zustehe. Im alt-katholischen Gottesdienst und Gebetsleben wird daher in der Regel nur Gott direkt angeredet. Von den Heiligen wird lediglich erwähnt, dass die Gläubigen in Gemeinschaft mit ihnen stehen, und sie werden als Vorbilder im Glauben vorgestellt. Verehrt werden dabei vor allem Heilige der ungeteilten Kirche des ersten Jahrtausends sowie aus der späteren Zeit Christen, die als besondere Vor- und Leitbilder ökumenische Anerkennung erreicht haben, wie beispielsweise Franz von Assisi, Teresa von Avila, Dietrich Bonhoeffer, Martin Luther King, Edith Stein oder Oscar Romero.[8]

Seit etwa den 1960er-Jahren verlieren kanonisierte Heilige in Teilen einer säkularisierten („westlichen“) Welt an Bedeutung, historische Legenden und mythische Berichte werden zurückgedrängt zugunsten zeitgeschichtlicher Erfahrungen vorbildhafter Menschen (Gandhi, Mutter Teresa, Martin Luther King), die als Vorbilder für Altruismus und Humanität dienen. Die Verehrung dieser neuen Vorbilder ist nicht an Konfessionen oder Religionen gebunden und spiegelt das Aufkommen von Idolen in der Jugendkultur wider.[9] Andererseits nahmen die Selig- und Heiligsprechungsverfahren der römisch-katholischen Kirche seit dem Pontifikat Papst Johannes Pauls II. einen deutlichen Aufschwung, zu dessen weltweiter Rezeption die mediale Übertragung der Gottesdienstfeiern beitrug: Von den seit der Konstitution Immensa aeterna aus dem Jahr 1588 insgesamt 839 heiliggesprochenen Personen wurden 482 durch Johannes Paul II. kanonisiert.[10]

Die römisch-katholische Theologin Doris Reisinger verlangte 2022 „eine wachsende Menge an Laien beiderlei Geschlechts, denen die Kirche bestätigt, ein heiliges Leben geführt zu haben“, und zwar ohne Keuschheitsgelübde und Martyrium. Unter den Heiligsprechungen der letzten 122 Jahre sei einer Untersuchung zufolge der „typische Heilige“ in der römisch-katholischen Kirche „ein weißer europäischer Priester“, während die afrikanische Mutter, der asiatische Familienvater, die lateinamerikanische Ärztin und der australische Arbeiter fehlten; weibliche Wege zur Heiligkeit seien sexuelle Gewalt und Tod durch einen Vergewaltiger.[11]

Papst Franziskus regte im November 2024 einen „Gedenktag für Alltagsheilige“ an, der ab 2025 jeweils am 9. November begangen werden soll. An diesem Tag solle an „Nebenan-Heilige“, lokal bedeutsame Persönlichkeiten, erinnert werden, die Vorbilder für Christen vor Ort seien; er denke an treue Eheleute, Männer und Frauen, die in verschiedenen Berufen ihre Familien unterstützen, junge Menschen, die Jesus mit Begeisterung folgen, Priester, Ordensfrauen und -männer, die durch ihr Leben im Glauben ein Vorbild seien. Auch dürfe man die Armen, Kranken und Leidenden nicht vergessen, die in ihrer Schwäche bei Gott Halt finden.[12]

Als Volksheilige werden unter den Heiligen und Seligen vor allem der römisch-katholischen Kirche jene bezeichnet, die im Volk besonders hohe Verehrung und Beliebtheit genießen. Häufig sind die Feste dieser Heiligen mit besonderem Brauchtum verbunden, wie etwa der Gedenktag der heiligen Barbara mit dem Schneiden von Barbarazweigen oder dem „Bärbeletreiben“, der des heiligen Nikolaus mit dem Beschenken der Kinder, des heiligen Martin[13] mit dem Martinszug und dem Martinisingen, der hl. Lucia vor allem in Schweden mit dem Luciafest, einer Lichtfeier. Zum Luciafest wie auch zum Gedenktag der hl. Agatha werden auch Gebildbrote gebacken.[14] Leben und Wirken vieler Volksheiliger wurden im Laufe der Zeit in Form von Legenden ausgeschmückt.

Bei der Betrachtung, wer jeweils zu den Volksheiligen zählt, kann es neben zeitlichen auch regionale Unterschiede geben. So gilt etwa in Frankreich auch Johanna von Orleans als Volksheilige, in den spanischsprachigen Ländern wird Teresa von Avila besonders verehrt, in Schweden zählt neben der hl. Lucia auch die hl. Birgitta zu den Volksheiligen. Im englischsprachigen Raum und im Rheinland ist Judas Thaddäus als Schutzpatron in aussichtslos erscheinenden Anliegen bekannt. Die vielen Kirchen mit dem Patrozinium der heiligen Margaretha oder Katharina, frommen Bruderschaften oder Zünfte im europäischen Raum gehen auf die hohe Verehrung zurück, die diese Heiligen im Volk genossen.

Zu den Volksheiligen zählen neben anderen die Gottesmutter Maria und deren Mutter Anna, die heiligen Josef und Franziskus, die hll. Antonius der Einsiedler, Jodokus und Antonius von Padua,[15] die vierzehn Nothelfer, die hl. Cäcilia, der hl. Sebastian, der hl. Blasius, dessen Gedenktag mit der Spendung des Blasiussegens verbunden ist,[16] in neuerer Zeit auch Therese von Lisieux, Konrad von Parzham[17] und, vor allem im italienischen Raum, Pio von Pietrelcina.[18] Legendarisch ist die „heilige Kümmernis“,[19] die auch Wilgefortis genannt wurde.

Verehrung christlicher Heiliger außerhalb des Christentums

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Im haitianischen Voodoo werden vereinzelt christliche Heilige wie Maria, Simon Petrus, Jakobus der Ältere, Philomena von Rom, Patrick von Irland und Ulrich von Augsburg in Gestalt von Voodoo-Geistwesen verehrt; hierbei handelt es sich um einen Fall von Synkretismus.[20]

Die kubanische Santería setzt zahlreiche Orisha (gute Geister) in analoger Weise mit christlichen Heiligen gleich, wovon deutlich mehr Heilige als im Voodoo betroffen sind und die Gleichsetzung den Kern der Religion bildet.

Das Grab der Erzväter in Hebron beherbergt sowohl eine Synagoge als auch eine Moschee.

Im Judentum allgemein ist „קדוש“ („kadosch“, hebräisch: heilig) ein Wort, das zunächst abgesondert bedeutet und damit im Gegenteil zu profan (im Sinne von weltlich, normal, alltäglich) steht.

Im orthodoxen Judentum wird auf eine persönliche Heiligkeit nur äußerst zurückhaltend eingegangen. Als heilig im jüdischen Sinne gelten hauptsächlich jüdische Gemeinden. In der religiösen Praxis bildete sich aber de facto trotzdem bereits in alttestamentlicher Zeit die Heiligenverehrung heraus, was sich an der Existenz vieler Heiligengräber festmachen lässt.

Einer gewissen Verehrung der Propheten (besonders Mose) wurde auch von offizieller Seite kein Widerstand entgegengebracht, seit der Zeit des makkabäischen Widerstandskampfes gewann auch das Märtyrertum an Bedeutung. Seit der Spätantike entwickelte sich in der Volksfrömmigkeit ein regelrechter Gräberkult um Grabstätten besonders frommer Juden, oft werden sogar Synagogen über oder in der Nähe eines Grabes erbaut. Besonders stark trat der Typ des Heiligen im osteuropäischen Chassidismus auf, der im „Zaddik“ einen Heilsbringer mit einer besonders engen Gottesbeziehung und einer Mittlerqualität von Gottes Gnade für die Menschen verehrte.

Auch im heutigen Judentum spielen Heiligengräber als Wallfahrtsziele eine Rolle. Prominente Beispiele hierfür sind die Gräber der Erzväter in Hebron, das Davidsgrab in Jerusalem, das Grab des kabbalistischen Rabbiners Schimon ben Jochai in Meron oder des Chabad-Führers Menachem Mendel Schneerson.

Die alttestamentlichen Patriarchen und Propheten wurden auch in die Reihe der christlichen und islamischen Heiligen aufgenommen.

Verehrungsstätte (mašhad) eines Marabout, die selten vom tatsächlichen Grab (turba) unterschieden wird. Das Kuppelgebäude heißt qubba (nahe der tunesischen Oase Chebika).

Im Islam hat sich eine Verehrung Heiliger, die dem christlichen Verständnis eines Heiligen nahekommt, bereits früh herausgebildet. Schon bald nach ihrem Tod wurden etwa in der schiitischen Richtung ʿAlī ibn Abī Tālib, der Schwiegersohn Mohammeds, und seine Söhne Hasan ibn Ali und Husain ibn Ali als Heilige verehrt. Auch bei den Sunniten treten solche Heilige auf, unter anderem al-Chidr (al-Ḫiḍr, „der grüne Mann“). Seine enge Beziehung zum Propheten Elija kommt im türkischen Frühlingsfest Hıdrellez zum Ausdruck; von orientalischen Christen wird al-Chidr mit dem heiligen Georg identifiziert.

Viele Heilige wurden als „Freunde Gottes“ (auliyāʾ Allāh) bezeichnet. Hierbei handelt es sich um einen Begriff, der schon im Koran (Sure 10:62) vorkommt. Auch wenn der „Freund Gottes“ ein durchgehend gehorsames und gottgefälliges Leben geführt hat, rückt er nicht durch eigene Leistung, sondern vielmehr erst durch Allahs Wirken in eine Nähe zu jenem. Es gibt kein offizielles Heiligsprechungsverfahren, und die Verehrung einer Person als Heiligem ergibt sich aus dem Konsens der Gläubigen. Daher kann nicht nur Menschen aus der Zeit nach Mohammed, sondern auch Propheten und Patriarchen aus der Zeit zuvor die Heiligkeit zugesprochen werden.

Das Bild des Heiligen im Islam ist davon geprägt, dass Heilige Fürsprecher und Mittler zwischen den Gläubigen und dem verborgenen Allah sind, Wunder wirken können und als Wächter des Glaubens gelten. Viele Gräber von islamischen Heiligen sind bis heute Ziel von Ziyāra-Wallfahrten. Andere Orte werden besucht, weil sie in irgendeiner anderen Beziehung zum betreffenden Heiligen stehen. Die Wallfahrtsorte werden von den Pilgern als Kraftquelle gesehen, da die spirituelle Energie (Baraka) eines Heiligen nach muslimischer Auffassung auch über den irdischen Tod hinaus wirkt, teilweise sogar für stärker gehalten wird als zu Lebzeiten. Der Heilige erhält seine Baraka über eine spirituelle Kette (Silsila), die ihn mit der Familie des Propheten verbindet.

Die spätere islamische Heiligenverehrung bezieht sich meist auf bekannte Mystiker (Sufis). Häufig wirkten diese auch als Oberhaupt (Scheich) eines Sufiordens (Tariqa), wie sie verstärkt ab dem 12. und 13. Jahrhundert entstanden. Zu jener Zeit, die als eine erste Blütezeit des Sufismus gilt, fanden die islamischen Mystiker eine große Resonanz auch in der breiten Bevölkerung, wodurch sich noch heute die starke auf diese Personen bezogene Verehrung erklären lässt. Einer der international bekanntesten Heiligen ist ʿAbd al-Qādir al-Dschīlānī, dessen Grab in Bagdad Pilger aus der ganzen islamischen Welt angezogen hat. Träume von ʿAbd al-Qādir al-Dschīlānī spielen auch eine große Rolle in der islamischen Mystik.[21] So soll er zum Beispiel dem westafrikanischen religiösen Anführer Usman dan Fodio erschienen sein und ihm das „Schwert der Wahrheit“ verliehen haben.

In einigen sunnitischen Gruppen wie der Bewegung der Wahhabiten (Salafismus) und den Ahl-i Hadīth wird eine Heiligenverehrung explizit bekämpft, da sie dem Prinzip der absoluten Einzigartigkeit und Erhabenheit eines Gottes (tauhid) zuwiderlaufe und ein nicht auf Gott, sondern auf Menschen gerichteter Kult sei. Bei der Ablehnung der Heiligenverehrung beruft man sich in diesen Kreisen auf den Koran (Sure 9:31; 10:19).

Siehe auch: Marabout, Derwisch, Kategorie:Sufi, Volksislam

Indische Religionen

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Der Bodhisattva Vajrapani (rechts) in einer an Herakles erinnernden Darstellung neben dem Buddha.

Heilige der indischen Religionen des Hinduismus, Buddhismus und Jainismus lassen sich grob dadurch charakterisieren, dass sie in radikaler Askese und Meditation einen höheren Bewusstseinsstand (Erleuchtung) erreicht haben sollen. Der Mittlercharakter zwischen göttlicher Autorität und Menschen tritt bei den verbreiteten atheistischen oder agnostischen Konzepten entsprechend nicht auf.

Die ungenaue Kategorie des „Hinduismus“ macht eine allgemein gültige Definition eines „hinduistischen Heiligen“ praktisch unmöglich. Dennoch lässt sich eine relativ weit verbreitete Verehrung bestimmter religiöser Lehrer, die in ihrer Zeit das Gesicht des Hinduismus prägten, wie Namdev, Dnyaneshwar, Tukaram, Shankara, Ramakrishna oder auch Gandhi, beobachten.

Im Buddhismus ist die Vorstellung von Heiligen konkreter vorhanden. Der Hinayana-Buddhismus sieht die individuelle Heiligkeit darin gegeben, dass ein Mensch, der Arhat, nach streng asketischem Leben und Beachtung der Lehren Buddhas bereits zu Lebzeiten das Nirvana erreicht und damit aus dem Kreislauf der Wiedergeburten ausscheidet. Auch Siddhartha Gautama, der die vier edlen Wahrheiten erkannt und in der Meditation zu vollkommener innerer Ruhe gefunden hat, fällt unter die Kategorie des Heiligen.

Der bereits im Hinayana präsente Gedanke einer Verehrung der Reliquien Buddhas setzte sich im Mahayana verstärkt fort. Hier werden zusätzlich die Bodhisattvas als Heilige verehrt, weil sie zwar die Erleuchtung bereits erlangt haben, aus Altruismus aber auf das Nirvana verzichten und andere Menschen ebenfalls zur Erleuchtung führen wollen. Über ihren Gräbern und Reliquien wurden Stupas errichtet, die auch heute noch beispielsweise in Thailand in Ehrerbietung barfuß rechtsherum andächtig umschritten wird, zumeist verbunden mit Blumen-, Weihrauch- und Kerzen-Opfern. Berühmte Heilige des tibetischen Buddhismus sind z. B. Padmasambhava, Milarepa und Tsongkhapa.

Im Jainismus schließlich werden 63 exemplarische Menschen, darunter die 24 sogenannten Tirthankaras („Furtbereiter“, „Bahnbrecher“), als Heilige verehrt, weil sie, obwohl sie selbst bereits Erlösung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten gefunden haben, in immer wiederkehrenden Abständen den Menschen den Weg zur Erleuchtung aufgezeigt haben.

Konfuziusgrab in Qufu

Chinesische Religionen

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Im Konfuzianismus war der Begriff des „Heiligen“ (聖人 – Shengren) stets mit dem des „Edlen“ (君子) konnotiert, der die fünf konfuzianischen Kardinaltugenden, Menschlichkeit (Ren, 仁), Gerechtigkeit (Yi, 義), Ethisches Verhalten (Li, ), Weisheit (Zhi, 智) und Aufrichtigkeit (Xin, 信) in sich vereint. Neben Konfuzius selbst und seinen Schülern zählten dazu vor allem ideale mythische Herrscher und die regierenden Kaiser.

Der Daoismus dagegen verehrte verschiedene historische Gestalten, denen zugeschrieben wurde, in Übereinstimmung mit dem Dao gelebt zu haben (z. B. die sogenannten „Acht Unsterblichen“). Sie werden oft als mit übernatürlichen Fähigkeiten versehen vorgestellt, die auch vor Krankheit und Tod bewahren können, und sie sind Unsterbliche. Sie gelten im Pantheon des Daoismus häufig auch als Gottheiten.

  • Arnold Angenendt: Corpus incorruptum. Eine Leitidee der mittelalterlichen Reliquienverehrung. In: Saeculum. Bd. 42, Nr. 3/4, 1991, S. 320–348, doi:10.7788/saeculum.1991.42.34.320.
  • Arnold Angenendt: Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart. 2., überarbeitete Auflage. Beck, München 1997, ISBN 3-406-42867-3.
  • Theofried Baumeister: Heiligenverehrung I. In: Reallexikon für Antike und Christentum. Band 14: Heilig – Hexe. Hiersemann, Stuttgart 1988, ISBN 3-7772-8835-7, Sp. 96–150.
  • Wolfgang Beinert (Hrsg.): Die Heiligen heute ehren. Eine theologisch-pastorale Handreichung. Freiburg (Breisgau) u. a. 1983, ISBN 3-451-19544-5.
  • Jürgen Beyer et al. (Hrsg.): Confessional sanctity. (c. 1550 – c. 1800) (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz. Beiheft 51). Von Zabern, Mainz 2003, ISBN 3-8053-2998-9.
  • Joseph Braun: Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst. Stuttgart 1943; anastatischer Nachdruck München 1964.
  • Peter Brown: The Cult of the Saints. Its Rise and Funktion in Latin Christianity (= The Haskell Lectures on History of Religions. 2). University of Chicago Press, Chicago IL 1981, ISBN 0-226-07621-0.
  • Siglind Bruhn: Saints in the Limelight. Representations of the Religious Quest on the Post-1945 Operatic Stage (= Dimension & Diversity Series. Studies in 20th Century Music. Bd. 5). Pendragon Press, Hillsdale, NY 2003, ISBN 1-576-47096-2.
  • Peter Dinzelbacher, Dieter R. Bauer (Hrsg.): Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart. Schwabenverlag, Ostfildern 1990, ISBN 3-7966-0679-2.
  • Jürgen Wasim Frembgen: Reise zu Gott. Sufis und Derwische im Islam. (= Beck’sche Reihe, 1380). C. H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-45920-X.
  • Peter Gemeinhardt: Die Heiligen. Von den frühchristlichen Märtyrern bis zur Gegenwart (= Beck’sche Reihe, 2498). C. H. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-58798-6.
  • Rosa Giorgi: Die Heiligen. Geschichte und Legende. (= Bildlexikon der Kunst, Band 2). Parthas, Berlin 2003, ISBN 3-932529-57-X.
  • Erhard Gorys: Lexikon der Heiligen (= Kleine digitale Bibliothek. Bd. 48). CD-ROM. Directmedia Publishing, Berlin 2007, ISBN 978-3-89853-348-5.
  • John Stratton Hawley (Hrsg.): Saints and Virtues (= Comparative Studies in Religion and Society. Bd. 2). University of California Press, Berkeley CA u. a. 1987, ISBN 0-520-05984-0.
  • Carol Piper Heming: Protestants and the Cult of the Saints in German-speaking Europe, 1517–1531 (= Sixteenth Century Essays & Studies, Bd. 65). Truman State University Press, Kirksville Missouri 2003, ISBN 1-931112-23-1.
  • Daniel Hess, Markus Prummer: Helden, Märtyrer, Heilige. Wege ins Paradies. Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2019, ISBN 978-3-946217-18-3.
  • James Howard-Johnston, Paul Antony Hayward (Hrsg.): The cult of saints in late antiquity and the middle ages. Essays on the contribution of Peter Brown. Oxford University Press, Oxford 1999, ISBN 0-19-826978-1.
  • Heimo Kaindl (Hrsg.): Zwischen Ehrfurcht und Schauder. Reliquienkult gestern und heute. Diözesanmuseum Graz, Graz 2005, ISBN 3-901810-16-1.
  • Theodor Klauser: Christlicher Märtyrerkult, heidnischer Heroenkult und die spätjüdische Heiligenverehrung (= Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen. Geisteswissenschaften. Bd. 91, ISSN 0570-5649). Westdeutscher Verlag, Köln u. a. 1960.
  • Günter Lanczkowski, Göran Larsson, Karl Hausberger, Christian Hannick, Frieder Schulz: Heilige / Heiligenverehrung. In: Theologische Realenzyklopädie. Band 14: Heilig – Hexe. Hiersemann, Stuttgart 1988, ISBN 3-7772-8835-7, Sp. 641–672.
  • Lexikon der Heiligen und Heiligenverehrung. 3 Bände. Herder, Freiburg (Breisgau) u. a. 2003, ISBN 3-451-28190-2.
  • Hubertus Lutterbach: Tot und heilig? Personenkult um „Gottesmenschen“ in Mittelalter und Gegenwart. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-534-20841-8.
  • Esther Meier: Handbuch der Heiligen.
  • Gabriele Miller: Heilige. In: Lexikon für Theologie und Kirche. Band 4: Franca bis Hermenegild. Herder, Freiburg (Breisgau) u. a. 1995, ISBN 3-451-22004-0, Sp. 1274–1276.
  • Helmut Moll: Selige und heilige Ehepaare. Dominus, Augsburg 2016, ISBN 978-3-940879-48-6.
  • Veit Neumann (Hrsg.): Heilige. Hagiographie als Theologie. Echter-Verlag, Würzburg 2020, ISBN 978-3-429-05433-5.
  • Walter Nigg: Große Heilige. Diogenes, Zürich 1993, ISBN 978-3-257-06526-8 (Erstausgabe 1947, Artemis Verlag).
  • Friedrich Prinz: Das wahre Leben der Heiligen. Zwölf historische Porträts von Kaiserin Helena bis Franz von Assisi. Beck, München 2003, ISBN 3-406-50223-7.
  • Otto Wimmer: Handbuch der Namen und Heiligen, mit einer Geschichte des christlichen Kalenders. 3. Aufl. Innsbruck/Wien/München 1966; ab 4. Aufl. 1982, von Otto Wimmer und Hartmann Melzer, unter dem Titel Lexikon der Namen und Heiligen.
  • Norbert Wolf: Die Macht der Heiligen und ihrer Bilder. Philipp Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-010505-6.
Commons: Heiliger – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Heiliger – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Katechismus der Katholischen Kirche, 828.
  2. Winfried Schulz: Artikel „Heiligsprechung“ in: Lexikon für Theologie und Kirche Bd. 4. Herder Verlag 2006. Sp. 1328–1331, 1329.
  3. Ulrich Köpf: Heilige/Heiligenverehrung II. Kirchengeschichtlich. In: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 4. Auflage. Band 3, Mohr-Siebeck, Tübingen 2000, Sp. 1542.
  4. Max Höfler: Die Kalender-Heiligen als Krankheits-Patrone beim bayerischen Volk. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 1, 1891, S. 292–306.
  5. Anton M. Pachinger: Über Krankheitspatrone auf Heiligenbildern. In: Sudhoffs Archiv 2, 1909, S. 351–374.
  6. Anton M. Pachinger: Über Krankheitspatrone auf Medaillen. In: Sudhoffs Archiv 3, 1910, S. 227–268.
  7. Direktorium über die Volksfrömmigkeit und die Liturgie (= Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 160). 2001, S. 168.
  8. Heilige, Heiligenverehrung. Website des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland, archiviert vom Original am 27. Januar 2015; abgerufen am 12. Dezember 2016.
  9. Vgl. dazu Werner Groß: Die Heiligenverehrung in der Glaubenspraxis der Gegenwart. In: Peter Dinzelbacher, Dieter R. Bauer (Hrsg.): Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart. Ostfildern 1990, S. 358–372, hier S. 370, sowie Hubertus Lutterbach: Tot und heilig? Personenkult um „Gottesmenschen“ in Mittelalter und Gegenwart. Darmstadt 2008, S. 104ff.
  10. Katholische Presseagentur Österreich: 839 Heiligsprechungen in der Kirche der Neuzeit vom 26. April 2014.
  11. Theologin Reisinger fordert neuen Umgang mit Heiligsprechungen. In: katholisch.de. 27. Oktober 2022, abgerufen am 10. November 2022.
  12. Papst führt Gedenktag für "Alltags-" und "Nebenan-Heilige" ein. In: katholisch.de. 16. November 2024, abgerufen am 24. November 2024.
  13. Manfred Becker-Huberti, Der heilige Martin von Tours – ein Volksheiliger im Wandel der Zeiten. In: L’Osservatore Romano. Nr. 45, 1996.
  14. https://www.kath.ch/newsd/stichwort-agathabrot/
  15. Paolo Scandaletti, Antonius von Padua. Volksheiliger und Kirchenlehrer, Verlag Styria, 1988.
  16. Hans Hollerweger: Blasiussegen. In: Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Auflage, Band 2. Herder-Verlag, Freiburg im Breisgau 1994, Sp. 519 f.
  17. Archivierte Kopie (Memento vom 25. Oktober 2019 im Internet Archive)
  18. Ein Volksheiliger wird ausgegraben. In: morgenpost.de. 9. Januar 2008, abgerufen am 11. Februar 2024.
  19. Anton Dörrer: Kümmernis. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 6. Herder, Freiburg im Breisgau 1997, Sp. 525 f.
  20. Webster University: Descriptions of Various Loa of Voodoo, 1990
  21. Vgl. Elizabeth Sirriyeh: Dreams and Visions in the World of Islam. A History of Muslim Dreaming and Foreknowing. I.B. Tauris, London, 2015. S. 163.