„Wasserballastbahn“ – Versionsunterschied
[ungesichtete Version] | [gesichtete Version] |
Link eingefügt |
+ |
||
(176 dazwischenliegende Versionen von 87 Benutzern werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
Eine '''Wasserballastbahn''' ist eine [[Standseilbahn]] ohne |
Eine '''Wasserballastbahn''' ist eine [[Standseilbahn]] oder [[Luftseilbahn]] ohne Antriebsmaschine, die die Schwerkraft als Antriebskraft nutzt. Ein Synonym dafür ist '''Wassergewichtsseilbahn'''. |
||
== Bauweise und Antrieb == |
|||
Frühe Standseilbahnen wurden durch Wasserballast angetrieben. Hierbei ist in beiden Fahrzeugen ein Wassertank angebracht. Beim unteren Fahrzeug wird der Tank geleert, beim oberen Fahrzeug wird der Tank gefüllt. Der Wasserbalast wird dabei nach der Differenz der auf- bzw. abwärts fahrenden Fahrgäste, bis 80 l pro Fahrgast, berechnet. Darauf zieht das schwerere obere Fahrzeug das leichtere nach oben. Die Geschwindigkeit wird mittels in den Fahrzeugen angebrachten Bremsen reguliert. Diese Art des Antriebs konnte früher jedoch nur in den Sommermonaten eingesetzt werden, da im Winter die Wassertanks zufroren. Das Befüllen der Wassertanks dauerte auch recht lange, darum wurden die meisten Bahnen auf elektrischen Antrieb umgestellt. |
|||
[[Datei:Schema-Wasserballastbahnen.png|mini|hochkant=1.4|Schematische Gleisbild-Darstellung von Wasserballastbahnen. Beispielhaft für drei Grundtypen sind: die [[Malbergbahn Bad Ems|Malbergbahn]] in Bad Ems, Deutschland, – stillgelegt (links), die [[Nerobergbahn]] in Wiesbaden, Deutschland (Mitte) und die [[Standseilbahn Neuveville–Saint-Pierre]] in Freiburg, Schweiz (rechts).]] |
|||
Nur einige wenige Wasserballastbahnen haben weltweit überlebt. |
|||
[[Datei:Nerobergbahn-1907.jpg|mini|[[Nerobergbahn]] in Wiesbaden (1907)]] |
|||
Die beiden Wagen der Anlage sind durch ein [[Seil|Zugseil]] miteinander verbunden, das über eine [[Seilscheibe]] in der Bergstation läuft. Die Wagen halten sich ungefähr im [[Kräftegleichgewicht|Gleichgewicht]], so dass für den Antrieb der Bahn nur die Kraft aufgebracht werden muss, um das System aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dies erfolgt, indem die [[Masse (Physik)|Masse]] des in der Bergstation stehenden Wagens mit Wasser künstlich erhöht wird, so dass die auf diese zusätzliche Masse wirkende [[Gewichtskraft|Schwerkraft]] die Bahn bewegen kann. |
|||
Erfinder dieses Systems war der auch im [[Zahnradbahn]]bau bekannte Ingenieur [[Niklaus Riggenbach]]. |
|||
Beide Wagen besitzen deshalb einen [[Ballast]]<nowiki />wassertank. Zwischen zwei Fahrten wird beim Wagen in der Bergstation Wasser in den Tank gefüllt, während beim Wagen in der Talstation der Tank geleert wird. Das obere schwerere talwärts fahrende Fahrzeug zieht nun das untere leichtere die Steigung hinauf. Die benötigte Wassermenge richtet sich nach der Gewichtsdifferenz zwischen den beiden Wagen, wobei für jeden Fahrgast etwa 80 Liter angenommen werden. Weil während der Fahrt die Seillänge und somit das Gewicht des Seils zwischen der Seilscheibe und dem talwärts fahrenden Wagen stetig zunimmt und gleichzeitig das Seilgewicht des bergwärts fahrenden Wagens abnimmt, muss während der Fahrt die Geschwindigkeit reguliert werden. Dies geschieht mit Bremsen in den Fahrzeugen, die meistens auf eine [[Zahnstange]] im [[Oberbau (Eisenbahn)|Gleisbett]] wirken, und besonders bei längeren Anlagen auch durch Wasserablassen aus dem talwärts fahrenden Wagen. Einige Bahnen haben zum Ausgleich des Seilgewichts ein Unterseil, das in der Talstation ebenfalls über eine Umlenkrolle geführt wird. |
|||
Mit Wasserballast verkehrende Standseilbahnen: |
|||
* [[Neroberg-Bahn]], Deutschland; seit 1888 [http://www.info-wiesbaden.de/stadt_land/wiesbaden/ziele.htm Webseite] |
|||
* Funiculaire Neuveville-St.Pierre (Funi) in Fribourg, Schweiz; seit 1899 [http://www.seilbahn-nostalgie.ch/fribourg.html Webseite] |
|||
* Lynton-Lynmouth Cliff Railway, England; seit 1890 [http://www.funimag.com/funimag19/Lynton04.htm Webseite mit Funktionsweise (englisch)] |
|||
Das für den Betrieb der Bahn notwendige Wasser wurde in der Regel einem Gewässer bei der Bergstation entnommen. An Orten, wo bei der Bergstation kein Wasser aus der Umgebung zur Verfügung stand, wurde dies von der Talstation mit Pumpen durch eine die Trasse entlang laufende [[Rohrleitung|Druckleitung]] in ein [[Reservoir]] bei der Bergstation gefördert. |
|||
Von Wasserballast auf elektrischen Betrieb umgestellte Bahnen: |
|||
* [[Heidelberger Bergbahn]] (Molkenkurbahn), Deutschland; von [[1890]] - [[1907]] [http://www.standseilbahn.de/heidelberg/ Webseite] |
|||
Die Gleisanlage ist in der Regel eingleisig und in der Mitte mit einer Ausweichstelle versehen. Durch die besondere Weichenkonstruktion der [[Abtsche Weiche|Abtschen Weiche]] wird jeder Wagen automatisch auf eines der beiden Ausweichgleise geführt. Die schmale Trasse reduziert den Platzbedarf und den Aufwand für die Erstellung von Brücken und Tunneln. |
|||
* [[Festungsbahn Salzburg]], Österreich; von [[1892]] - [[1959]] [http://www.travelwriter.at/ueber/sehenswuerdigkeiten/in-oesterreich/salzburg/salzburg/salzburg-felsenbahn.shtml Webseite] |
|||
* [[Chemin de fer funiculaire Territet-Glion]], Schweiz; von [[1883]] - [[1975]] |
|||
Obwohl das Wasser billig zu beschaffen war (sofern es nicht zur Bergstation hinauf gepumpt werden musste, wofür entsprechend Energie benötigt wurde), hatte der Betrieb mit Wasserballast Nachteile. Der Winterbetrieb wurde gefährlich, sobald die Gefahr des Vereisens der Wassertanks oder der Bremszahnstange bestand. Ebenso erwies sich die Zwangspause, die bis zur nächsten Fahrt durch das erneute Befüllen notwendig war, als nachteilig. Außerdem erhöhten das hohe Betriebsgewicht und die große Achslast der Wagen den Wartungsaufwand der gesamten Anlage. Daher haben weltweit nur wenige Bahnen mit Wasserballastbetrieb überlebt. Die meisten wurden auf [[Elektrische Bahnen|elektrisch]]en Betrieb umgestellt oder eingestellt. |
|||
* [[Marzilibahn]], Schweiz; von [[1885]] - [[1973]] |
|||
* [[Polybahn]], Schweiz; von [[1889]] - [[1897]] |
|||
== Geschichte == |
|||
* [[Mühleggbahn]], Schweiz; von [[1894]] - [[1950]] |
|||
[[Datei:Elevador do Bom Jesus.jpg|mini|Elevador do Bom Jesus in [[Braga]] (Portugal), älteste noch in Betrieb stehende Anlage der Welt]] |
|||
* [[Bergbahn Lauterbrunnen-Mürren]], Schweiz; von [[1891]] - [[1901]] |
|||
[[Datei:Fribourg Standseilbahn 1K4A6022.jpg|mini|Historische und einzige noch in Betrieb stehende Wasserballastbahn in der Schweiz: „Funi“ in [[Freiburg im Üechtland|Freiburg]]]] |
|||
* [[Turmbergbahn]] in Karlsruhe, Deutschland; von [[1888]] - [[1966]] |
|||
Die älteste Anlage war vermutlich die 1845 eröffnete ''[[Prospect Park Incline Railway]]'' bei den [[Niagarafälle]]n in den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]]. Die Anlage wurde später auf elektrischen Betrieb umgebaut und 1908 nach einem Unfall stillgelegt.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.niagarafrontier.com/inclinecrash.html |titel=Niagara Falls 1907 Incline Railway Crash |zugriff=5. September 2009 |sprache=englisch}}</ref> |
|||
Die älteste Anlage in Europa ist die 1879 eröffnete [[Giessbachbahn]], welche 1948 auf elektrischen Betrieb umgebaut wurde. 1882 wurde in [[Braga]] (Portugal) der [[Elevador do Bom Jesus]] eröffnet, welcher weltweit die älteste immer noch mit Wasserballast betriebene Anlage ist. |
|||
In Deutschland ist mit der [[Nerobergbahn]] in [[Wiesbaden]] nur noch eine einzige Bahn übrig geblieben. Auch in der Schweiz fährt nur noch eine Bahn, die [[Standseilbahn Neuveville–Saint-Pierre]] in [[Freiburg im Üechtland|Freiburg]]. |
|||
== Bahnen == |
|||
<small>(Sortierung jeweils nach Eröffnungsjahr)</small> |
|||
[[Datei:Lynmouth.railway.arp.750pix.jpg|mini|Wagen der [[Lynton and Lynmouth Cliff Railway]]]] |
|||
[[Datei:Folkestone, Leas Cliff Funicular railway, tracks and lifts.jpg|mini|[[Leas Lift]] in [[Folkestone]]]] |
|||
[[Datei:Obermatt-zingel1.jpg|mini|hochkant|Materialseilbahn Obermatt-Unter Zingel im [[Engelbergertal]]]] |
|||
=== Mit Wasserballast verkehrende Standseilbahnen === |
|||
* [[Elevador do Bom Jesus]], [[Braga]], Portugal (in Betrieb seit 1882, älteste der Welt) |
|||
* [[Saltburn Cliff Lift]], [[Saltburn-by-the-Sea]], [[North Yorkshire]], Großbritannien (in Betrieb seit 1884) |
|||
* [[Leas Lift]] in [[Folkestone]], Großbritannien (in Betrieb seit 1885) |
|||
* [[Nerobergbahn]] [[Wiesbaden]], Deutschland (in Betrieb seit 1888) |
|||
* [[Lynton and Lynmouth Cliff Railway]], Großbritannien (in Betrieb seit 1890) |
|||
* [[Standseilbahn Neuveville–Saint-Pierre]] (Funi), [[Freiburg im Üechtland|Freiburg]], Schweiz (in Betrieb seit 1899) |
|||
* [[Centre for Alternative Technology Railway|Water-balanced cliff railway]], [[Centre for Alternative Technology]], [[Machynlleth]], Powys, Wales, Großbritannien (in Betrieb seit 1992) |
|||
=== Mit Wasserballast verkehrende Luftseilbahnen === |
|||
* [[Materialseilbahn Obermatt–Unter Zingel|Materialseilbahn Obermatt – Unter Zingel]] (in Betrieb seit 1923) |
|||
* [[Riedji#Materialseilbahn|Materialseilbahn St. Niklaus Dorf – Riedji]] (in Betrieb seit 1937) |
|||
=== Auf elektrischen Betrieb umgestellte Wasserballastbahnen === |
|||
Hier sind nur einige Beispiele aufgeführt, da sehr viele [[Bahn (Verkehr)|Bahnen]] zuerst mit Wasserballast betrieben wurden. <!-- Bitte hier nicht versuchen alle Bahnen, die jemals mit Wasser gefahren sind, einzutragen ! --> |
|||
==== Deutschland ==== |
|||
* [[Turmbergbahn]], Karlsruhe (eröffnet 1888, umgestellt 1966) |
|||
* [[Heidelberger Bergbahn]] (Molkenkurbahn) (eröffnet 1890, umgestellt 1907) |
|||
==== Österreich ==== |
|||
* [[Festungsbahn Salzburg]] (eröffnet 1892, umgestellt 1959) |
|||
==== Schweiz ==== |
|||
<small>(vollständige Liste aller Standseilbahnen im öffentlichen Personenverkehr<ref name=":w">Hans G. Wägli: ''Bahnprofil Schweiz 1980''. Generalsekretariat SBB, S. 71, 73.</ref>)</small> |
|||
*[[Giessbachbahn]], Berner Oberland (eröffnet 1879, umgestellt 1912 auf Antrieb mit [[Pelton-Turbine]],<ref>{{Literatur |Autor= |Titel=Giessbach Standseilbahn |Hrsg=Grand Hotel Giessbach |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum= |ISBN= |Seiten=6 |Online=https://www.giessbach.ch/de/abtsche-weiche.html?file=files/doc/div/Giessbach%20Standseilbahn.pdf}}</ref> 1948 auf elektrischen Antrieb) |
|||
*[[Transports Montreux-Vevey-Riviera#Chemin de fer funiculaire Territet–Glion|Chemin de fer funiculaire Territet-Glion]] (eröffnet 1883, umgestellt 1975) |
|||
*[[Drahtseilbahn Gütsch]], Luzern (eröffnet 1884, umgestellt 1961) |
|||
*[[Marzilibahn]], Bern (eröffnet 1885, umgestellt 1973) |
|||
*[[Standseilbahn Lugano–Bahnhof SBB]] (eröffnet 1886, umgestellt 1955) |
|||
*[[Biel-Magglingen-Bahn]] (eröffnet 1887, umgestellt 1923) |
|||
*[[Thunersee-Beatenberg-Bahn]] (eröffnet 1889, umgestellt 1911) |
|||
*[[Polybahn]], Zürich (eröffnet 1889, umgestellt 1897) |
|||
*[[Funiculaire Écluse – Plan]], [[Neuenburg NE|Neuenburg]] (eröffnet 1890, umgestellt 1907) |
|||
*[[Bergbahn Lauterbrunnen–Mürren|Lauterbrunnen–Grütschalp]] (eröffnet 1891, umgestellt 1901, Luftseilbahn ab 2006) |
|||
*[[Bergbahn Rheineck–Walzenhausen]] (eröffnet 1896, Zahnradbahn ab 1958) |
|||
*[[Standseilbahn Cossonay]] (eröffnet 1897, umgestellt 1982) |
|||
==== Frankreich ==== |
|||
* [[Funiculaire de Montmartre]], Paris (eröffnet 1900, umgestellt 1931) |
|||
==== Italien ==== |
|||
* [[Standseilbahn Mondovì]], [[Mondovì]] (eröffnet 1886, umgestellt 1926) |
|||
* [[Standseilbahn Orvieto]], Orvieto (eröffnet 1888, umgestellt 1990) |
|||
* [[Standseilbahn Sankt Anna]], Genua (eröffnet 1891, umgestellt 1979/1980) |
|||
==== Tschechien ==== |
|||
* [[Letná-Standseilbahn]], Prag (eröffnet 1891, umgestellt 1903) |
|||
* [[Petřín-Standseilbahn]], Prag (eröffnet 1891, umgestellt 1932) |
|||
==== Kanada ==== |
|||
* [[Funiculaire du Vieux-Québec]], [[Québec (Stadt)]] (eröffnet 1879, umgestellt 1907, [[Schrägaufzug]] ab 1998) |
|||
=== Auf Zahnradbetrieb umgestellte Wasserballastbahnen === |
|||
* [[Mühleggbahn]], St. Gallen (eröffnet 1894, umgestellt 1950, Schrägaufzug ab 1975) |
|||
* [[Bergbahn Rheineck–Walzenhausen]] (eröffnet 1896, umgestellt 1958) |
|||
=== Stillgelegte Wasserballastbahnen === |
|||
==== Deutschland ==== |
|||
*[[Krahnenbergbahn]] in Andernach am Rhein (eröffnet 1895, Betrieb eingestellt 1941) |
|||
*[[Malbergbahn]] in Bad Ems (eröffnet 1887, stillgelegt 1979) |
|||
*[[Standseilbahn Eschberg]] in Saarbrücken-Eschberg (eröffnet 1895, stillgelegt 1926) |
|||
==== Schweiz ==== |
|||
[[Datei:Plan incliné hydraulique, construit en 1881 par E. Merle d'Aubigne, ingenieur du Service de Eaux. Material Decauville. Albumine, sur papier collé, sur carton fort crème, vers 1881, BGE, Centre d'iconographie genevoise.jpeg|mini|upright|[[Decauville#Wasserballastbahn in Genf|Genfer Wasserballastbahn]]]] |
|||
*[[Gütschbahn]] in Luzern, Schweiz (eröffnet 1892, umgestellt 1960, Betrieb eingestellt 2008, seit 2015 Schräglift) |
|||
*[[Wartensteinbahn]] im Kanton St. Gallen, Schweiz (eröffnet 1892, Betrieb eingestellt 1963) |
|||
* Schokoladenfabrik [[Chocolat Suchard]] in [[Neuenburg NE|Neuchâtel]]-[[Serrières NE|Serrières]], Schweiz (eröffnet 1892, Betrieb eingestellt 1954)<ref>{{Internetquelle |url=http://www.funimag.com/suisse/Suchard01.htm |titel=Michel Azéma: Suchard chocolate factory. Funimag, The first web magazine about funiculars. |zugriff=6. Jänner 1996 |sprache=englisch}}</ref> |
|||
*[[Decauville#Wasserballastbahn in Genf|Genfer Wasserballastbahn]], um 1882 eröffnete [[Decauville]]-Materialseilsbahn zum [[Bois de la Bâtie]], stillgelegt |
|||
*[[Zahnradbahn Lausanne–Ouchy|Chemin de fer Lausanne–Signal]] (eröffnet 1899, stillgelegt 1948) |
|||
==== Übrige Länder ==== |
|||
*[[Funiculaire de Notre-Dame-de-la-Garde]] in [[Marseille]], Frankreich (eröffnet 1892, Betrieb eingestellt 1967) |
|||
* Pochwalinskij und [[Nischni Nowgoroder Kreml|Kremljowskij]] in [[Nischni Nowgorod]], Russland (eröffnet 15. Juli 1896, Betrieb eingestellt zu Beginn des 20. Jahrhunderts) |
|||
== Siehe auch == |
|||
* [[Bergbahn]] |
|||
== Literatur == |
|||
* [[Walter Hefti]]: ''Schienenseilbahnen in aller Welt. Schiefe Seilebenen, Standseilbahnen, Kabelbahnen.'' Birkhäuser Verlag, Basel u. a. 1975, ISBN 3-7643-0726-9. |
|||
* {{Literatur |Autor=Hans Waldburger |Titel=Die letzten Drahtseilbahnen mit Wassergewichtsantrieb |Hrsg= |Sammelwerk=Eisenbahn Amateur |Band= |Nummer=10 |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum=1979 |ISBN= |Seiten=593–597}} |
|||
== Weblinks == |
|||
{{Commonscat|Water-powered funicular|Wasserballastbahnen}} |
|||
* [http://www.seilbahn-nostalgie.ch/ Seilbahn-Nostalgie] (Website von Claude Gentil, Schweiz) |
|||
== Einzelnachweise == |
|||
<references /> |
|||
[[Kategorie:Wasserballastbahn| ]] |
|||
[[Kategorie:Seilbahnbauart]] |
Aktuelle Version vom 1. Dezember 2024, 20:46 Uhr
Eine Wasserballastbahn ist eine Standseilbahn oder Luftseilbahn ohne Antriebsmaschine, die die Schwerkraft als Antriebskraft nutzt. Ein Synonym dafür ist Wassergewichtsseilbahn.
Bauweise und Antrieb
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die beiden Wagen der Anlage sind durch ein Zugseil miteinander verbunden, das über eine Seilscheibe in der Bergstation läuft. Die Wagen halten sich ungefähr im Gleichgewicht, so dass für den Antrieb der Bahn nur die Kraft aufgebracht werden muss, um das System aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dies erfolgt, indem die Masse des in der Bergstation stehenden Wagens mit Wasser künstlich erhöht wird, so dass die auf diese zusätzliche Masse wirkende Schwerkraft die Bahn bewegen kann.
Beide Wagen besitzen deshalb einen Ballastwassertank. Zwischen zwei Fahrten wird beim Wagen in der Bergstation Wasser in den Tank gefüllt, während beim Wagen in der Talstation der Tank geleert wird. Das obere schwerere talwärts fahrende Fahrzeug zieht nun das untere leichtere die Steigung hinauf. Die benötigte Wassermenge richtet sich nach der Gewichtsdifferenz zwischen den beiden Wagen, wobei für jeden Fahrgast etwa 80 Liter angenommen werden. Weil während der Fahrt die Seillänge und somit das Gewicht des Seils zwischen der Seilscheibe und dem talwärts fahrenden Wagen stetig zunimmt und gleichzeitig das Seilgewicht des bergwärts fahrenden Wagens abnimmt, muss während der Fahrt die Geschwindigkeit reguliert werden. Dies geschieht mit Bremsen in den Fahrzeugen, die meistens auf eine Zahnstange im Gleisbett wirken, und besonders bei längeren Anlagen auch durch Wasserablassen aus dem talwärts fahrenden Wagen. Einige Bahnen haben zum Ausgleich des Seilgewichts ein Unterseil, das in der Talstation ebenfalls über eine Umlenkrolle geführt wird.
Das für den Betrieb der Bahn notwendige Wasser wurde in der Regel einem Gewässer bei der Bergstation entnommen. An Orten, wo bei der Bergstation kein Wasser aus der Umgebung zur Verfügung stand, wurde dies von der Talstation mit Pumpen durch eine die Trasse entlang laufende Druckleitung in ein Reservoir bei der Bergstation gefördert.
Die Gleisanlage ist in der Regel eingleisig und in der Mitte mit einer Ausweichstelle versehen. Durch die besondere Weichenkonstruktion der Abtschen Weiche wird jeder Wagen automatisch auf eines der beiden Ausweichgleise geführt. Die schmale Trasse reduziert den Platzbedarf und den Aufwand für die Erstellung von Brücken und Tunneln.
Obwohl das Wasser billig zu beschaffen war (sofern es nicht zur Bergstation hinauf gepumpt werden musste, wofür entsprechend Energie benötigt wurde), hatte der Betrieb mit Wasserballast Nachteile. Der Winterbetrieb wurde gefährlich, sobald die Gefahr des Vereisens der Wassertanks oder der Bremszahnstange bestand. Ebenso erwies sich die Zwangspause, die bis zur nächsten Fahrt durch das erneute Befüllen notwendig war, als nachteilig. Außerdem erhöhten das hohe Betriebsgewicht und die große Achslast der Wagen den Wartungsaufwand der gesamten Anlage. Daher haben weltweit nur wenige Bahnen mit Wasserballastbetrieb überlebt. Die meisten wurden auf elektrischen Betrieb umgestellt oder eingestellt.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die älteste Anlage war vermutlich die 1845 eröffnete Prospect Park Incline Railway bei den Niagarafällen in den Vereinigten Staaten. Die Anlage wurde später auf elektrischen Betrieb umgebaut und 1908 nach einem Unfall stillgelegt.[1]
Die älteste Anlage in Europa ist die 1879 eröffnete Giessbachbahn, welche 1948 auf elektrischen Betrieb umgebaut wurde. 1882 wurde in Braga (Portugal) der Elevador do Bom Jesus eröffnet, welcher weltweit die älteste immer noch mit Wasserballast betriebene Anlage ist.
In Deutschland ist mit der Nerobergbahn in Wiesbaden nur noch eine einzige Bahn übrig geblieben. Auch in der Schweiz fährt nur noch eine Bahn, die Standseilbahn Neuveville–Saint-Pierre in Freiburg.
Bahnen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten](Sortierung jeweils nach Eröffnungsjahr)



Mit Wasserballast verkehrende Standseilbahnen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Elevador do Bom Jesus, Braga, Portugal (in Betrieb seit 1882, älteste der Welt)
- Saltburn Cliff Lift, Saltburn-by-the-Sea, North Yorkshire, Großbritannien (in Betrieb seit 1884)
- Leas Lift in Folkestone, Großbritannien (in Betrieb seit 1885)
- Nerobergbahn Wiesbaden, Deutschland (in Betrieb seit 1888)
- Lynton and Lynmouth Cliff Railway, Großbritannien (in Betrieb seit 1890)
- Standseilbahn Neuveville–Saint-Pierre (Funi), Freiburg, Schweiz (in Betrieb seit 1899)
- Water-balanced cliff railway, Centre for Alternative Technology, Machynlleth, Powys, Wales, Großbritannien (in Betrieb seit 1992)
Mit Wasserballast verkehrende Luftseilbahnen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Materialseilbahn Obermatt – Unter Zingel (in Betrieb seit 1923)
- Materialseilbahn St. Niklaus Dorf – Riedji (in Betrieb seit 1937)
Auf elektrischen Betrieb umgestellte Wasserballastbahnen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hier sind nur einige Beispiele aufgeführt, da sehr viele Bahnen zuerst mit Wasserballast betrieben wurden.
Deutschland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Turmbergbahn, Karlsruhe (eröffnet 1888, umgestellt 1966)
- Heidelberger Bergbahn (Molkenkurbahn) (eröffnet 1890, umgestellt 1907)
Österreich
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Festungsbahn Salzburg (eröffnet 1892, umgestellt 1959)
Schweiz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten](vollständige Liste aller Standseilbahnen im öffentlichen Personenverkehr[2])
- Giessbachbahn, Berner Oberland (eröffnet 1879, umgestellt 1912 auf Antrieb mit Pelton-Turbine,[3] 1948 auf elektrischen Antrieb)
- Chemin de fer funiculaire Territet-Glion (eröffnet 1883, umgestellt 1975)
- Drahtseilbahn Gütsch, Luzern (eröffnet 1884, umgestellt 1961)
- Marzilibahn, Bern (eröffnet 1885, umgestellt 1973)
- Standseilbahn Lugano–Bahnhof SBB (eröffnet 1886, umgestellt 1955)
- Biel-Magglingen-Bahn (eröffnet 1887, umgestellt 1923)
- Thunersee-Beatenberg-Bahn (eröffnet 1889, umgestellt 1911)
- Polybahn, Zürich (eröffnet 1889, umgestellt 1897)
- Funiculaire Écluse – Plan, Neuenburg (eröffnet 1890, umgestellt 1907)
- Lauterbrunnen–Grütschalp (eröffnet 1891, umgestellt 1901, Luftseilbahn ab 2006)
- Bergbahn Rheineck–Walzenhausen (eröffnet 1896, Zahnradbahn ab 1958)
- Standseilbahn Cossonay (eröffnet 1897, umgestellt 1982)
Frankreich
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Funiculaire de Montmartre, Paris (eröffnet 1900, umgestellt 1931)
Italien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Standseilbahn Mondovì, Mondovì (eröffnet 1886, umgestellt 1926)
- Standseilbahn Orvieto, Orvieto (eröffnet 1888, umgestellt 1990)
- Standseilbahn Sankt Anna, Genua (eröffnet 1891, umgestellt 1979/1980)
Tschechien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Letná-Standseilbahn, Prag (eröffnet 1891, umgestellt 1903)
- Petřín-Standseilbahn, Prag (eröffnet 1891, umgestellt 1932)
Kanada
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Funiculaire du Vieux-Québec, Québec (Stadt) (eröffnet 1879, umgestellt 1907, Schrägaufzug ab 1998)
Auf Zahnradbetrieb umgestellte Wasserballastbahnen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Mühleggbahn, St. Gallen (eröffnet 1894, umgestellt 1950, Schrägaufzug ab 1975)
- Bergbahn Rheineck–Walzenhausen (eröffnet 1896, umgestellt 1958)
Stillgelegte Wasserballastbahnen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Deutschland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Krahnenbergbahn in Andernach am Rhein (eröffnet 1895, Betrieb eingestellt 1941)
- Malbergbahn in Bad Ems (eröffnet 1887, stillgelegt 1979)
- Standseilbahn Eschberg in Saarbrücken-Eschberg (eröffnet 1895, stillgelegt 1926)
Schweiz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Gütschbahn in Luzern, Schweiz (eröffnet 1892, umgestellt 1960, Betrieb eingestellt 2008, seit 2015 Schräglift)
- Wartensteinbahn im Kanton St. Gallen, Schweiz (eröffnet 1892, Betrieb eingestellt 1963)
- Schokoladenfabrik Chocolat Suchard in Neuchâtel-Serrières, Schweiz (eröffnet 1892, Betrieb eingestellt 1954)[4]
- Genfer Wasserballastbahn, um 1882 eröffnete Decauville-Materialseilsbahn zum Bois de la Bâtie, stillgelegt
- Chemin de fer Lausanne–Signal (eröffnet 1899, stillgelegt 1948)
Übrige Länder
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Funiculaire de Notre-Dame-de-la-Garde in Marseille, Frankreich (eröffnet 1892, Betrieb eingestellt 1967)
- Pochwalinskij und Kremljowskij in Nischni Nowgorod, Russland (eröffnet 15. Juli 1896, Betrieb eingestellt zu Beginn des 20. Jahrhunderts)
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Walter Hefti: Schienenseilbahnen in aller Welt. Schiefe Seilebenen, Standseilbahnen, Kabelbahnen. Birkhäuser Verlag, Basel u. a. 1975, ISBN 3-7643-0726-9.
- Hans Waldburger: Die letzten Drahtseilbahnen mit Wassergewichtsantrieb. In: Eisenbahn Amateur. Nr. 10, 1979, S. 593–597.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Seilbahn-Nostalgie (Website von Claude Gentil, Schweiz)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Niagara Falls 1907 Incline Railway Crash. Abgerufen am 5. September 2009 (englisch).
- ↑ Hans G. Wägli: Bahnprofil Schweiz 1980. Generalsekretariat SBB, S. 71, 73.
- ↑ Grand Hotel Giessbach (Hrsg.): Giessbach Standseilbahn. S. 6 (giessbach.ch [PDF]).
- ↑ Michel Azéma: Suchard chocolate factory. Funimag, The first web magazine about funiculars. Abgerufen am 6. Januar 1996 (englisch).