„Ekklesiologie (Quäkertum)“ – Versionsunterschied
[ungesichtete Version] | [gesichtete Version] |
InternetArchiveBot hat 1 Archivlink(s) ergänzt und 0 Link(s) als defekt/tot markiert.) #IABot (v2.0.9.5 |
|||
(776 dazwischenliegende Versionen von mehr als 100 Benutzern, die nicht angezeigt werden) | |||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
Dieser Artikel beschreibt die [[Ekklesiologie]] der [[Quäkertum|Quäker]]. |
|||
Die '''Religiöse Gesellschaft der Freunde''' (so die offizielle Bezeichnung der '''Quäker''') ist eine Religionsgemeinschaft christlichen Ursprungs, die vor allem in den englischsprachigen Teilen der Welt und in Afrika verbreitet ist. |
|||
Sie ist in der Mitte des [[17. Jahrhundert]]s im Nordwesten Englands entstanden. |
|||
[[George Fox]] (1624-1691), ein Handwerker und Laienprediger, wird als Gründer der Quäkerbewegung angesehen. |
|||
== Verständnis der Mitgliedschaft == |
|||
Der Name ''Quäker'' stammt vom englischen ''to quake'' = beben, zittern. |
|||
=== Anfänge === |
|||
Über die Frage, ''wer'' ein Mitglied ist oder ''was'' jemanden dazu macht, wird kontrovers diskutiert.<ref>So zum Beispiel in den Artikeln |
|||
* in der Zeitschrift ''Quäker'', Jg. 83 (2008), Nr. 5 (Sep./Okt.), {{ISSN|1619-0394}}, herausgegeben von der Religiösen Gesellschaft der Freunde (Quäker) Deutsche Jahresversammlung e. V. |
|||
* von Olaf Radicke: ''Widerrede betreffend eines Artikels über die Mitgliedschaft'', 13. Oktober 2008, {{Webarchiv|url=http://www.the-independent-friend.de/?q=node/295 |wayback=20140312044925 |text=www.the-independent-friend.de |archiv-bot=2024-12-02 19:52:19 InternetArchiveBot }}</ref> |
|||
Historisch lassen sich die folgenden Formen und Verständnisse der Mitgliedschaft antreffen. Am Anfang stand die Mitgliedschaft ''by convincement'', da sich das Quäkertum erst in einem Prozess aus anderen Seekerbewegungen herausgebildet und ausdifferenziert hat. So war man Quäker, weil man sich zu einer bestimmten Überzeugung bekannte (und sie auch lebte). Während der ersten 85 Jahre gab es somit keine formale Mitgliedschaft.<ref>[https://neym.org/faith-and-practice/membership ''Membership in the Religious Society of Friends''], auf der Website des ''New England Yearly Meeting of Friends'', abgerufen am 12. April 2024.</ref> Mit den Gründungen der Monats-, Vierteljahres- und Jahresversammlungen gegen Ende der Verfolgungszeit bildete sich auch eine konstitutionelle Auffassung von Mitgliedschaft. |
|||
Bis dato war das Quäkertum ''eine'' Erweckungsbewegung unter vielen, die – wie andere auch – für sich in Anspruch nahm, das „wahre Christentum“ wiederentdeckt zu haben. Quäker ''sein'' oder ''nicht sein'', war gleichbedeutend mit ''Christ sein'' oder ''nicht Christ sein''. Das wird zum Beispiel in den Schriften von [[William Penn]] deutlich, wenn er schreibt:<ref>William Penn: ''Ohne Kreuz keine Krone'' (engl. ''No Kross No Krown''). 1825, Kapitel 2, § 10 ([http://de.wikisource.org/wiki/Ohne_Kreuz_keine_Krone online]).</ref> |
|||
Zusammen mit den [[Mennoniten]] und den [[Brethren]] zählen die Quäker zu den drei historischen [[Friedenskirchen]]. |
|||
:„Aus dieser Einsicht nun, die dir in deinen traurigen Abfall vom ursprünglichen Christenthume, und in die wahre Ursache desselben, — die in nichts anders, als in deiner Vernachlässigung des täglichen Kreuzes Christi bestehet, — hier gegeben ist, wird es dir leicht seyn, dir selbst von dem Mittel zu deiner Wiederherstellung einen klaren Begriff zu machen. Denn, zu derselben Thür, aus welcher du hinausgegangen bist, mußt du auch wieder hereingehen; oder: so wie du dadurch, daß du das tägliche Kreuz sinken ließest, und dich demselben entzogest, dich um deinen glücklichen Zustand gebracht hast, eben so muß auch dein Wiederaufnehmen und dein tägliches ausdauerndes Tragen desselben dich wieder herstellen. Es ist ein und dasselbe Mittel, durch welches Sünder und Abtrünnige zu Jüngern Jesu gemacht werden.“ |
|||
Das heißt: nicht das Bekenntnis oder die äußerliche rituelle Taufe lassen einen Menschen zum Mitglied der Kirche werden, sondern sein Lebenswandel und Überzeugung. Und so kommt er zu dem Schluss:<ref>William Penn: ''Ohne Kreuz keine Krone'', Kapitel 6, § 12 ([http://de.wikisource.org/wiki/Ohne_Kreuz_keine_Krone/Kap.6 online]).</ref> |
|||
:''Denn sowie es damals ein äußeres gesetzliches Jerusalem gab, so giebt es jetzt ein evangelisches, geistliches Jerusalem, die Kirche Gottes, die aus den Gläubigen bestehet.'' |
|||
=== In der etablierten Gemeinschaft === |
|||
Mit der Konstituierung der Strukturen der Quäkergemeinschaft wurde es dann üblich, dass Mitglieder durch eine Monatsversammlung aufgenommen wurden. Das Prozedere dazu wurde in der ''Ordnung des Zusammenlebens'' (engl. ''The Book of Discipline'') festgelegt. Dabei ging es aber nicht um das Abfragen von Glaubensbekenntnissen, sondern es wurde in erster Linie nachgeforscht, ob der Lebenswandel einer – in ihrem Verständnis – christlichen Überzeugung entsprach. Hier bei mussten die vier [[Quäkerzeugnis]]se (Friedenszeugnis, Einfachheit, Integrität, Gleichheit) eingehalten werden, aber auch sittliches Verhalten (kein Alkohol, kein Tabak, kein Vergnügen, kein außerehelicher Geschlechtsverkehr etc.) musste gezeigt werden. Das Tragen eines Bartes konnte im 18. Jahrhundert schon ein Hindernis für die Mitgliedschaft darstellen.<ref>Claus Bernet: ''„Der Christus so zu Jerusalem eingeritten, sey ein Dieb und Huren Sohn“: Der Prozeß der Dechristianisierung in Preußen um 1800''. In: ''Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte'', Neunte Folge, Band 18 (2008), Heft 1, S. 19–51, hier S. 44.</ref> Den Grund für dieses neue Verfahren nennt unter anderem Joseph Gurney Bevan in einer Schrift von 1792:<ref>Joseph Gurney Bevan: ''Abriss der Geschichte, der Lehre und der Zucht der Freunde, die man Quaker nennet. Aufgesezt auf Verlangen Ihrer Abgeordneten in London Wegen der Drangsale''. James Phillips, London 1792; abgedruckt in: Claus Bernet (Hrsg.): ''Deutsche Quäkerschriften'', Band 2: ''Deutsche Quäkerschriften des 18. Jahrhunderts''. Olms, Hildesheim 2007, ISBN 978-3-487-13408-6, S. 30–31.</ref> |
|||
:''Ob wir es daher gleich, zur aufbewahrung der zeugnisse die uns anvertrauet sind, und zur erhaltung des friedens und guter ordnung in der gesellschaft, für nötig halten, darfs die welche wir zu unseren mitgliedern aufnemen, vorläufig von den lehren solten überzeugt seyn, die wir für wesentlich halten; so fordern wir dennoch von ihnen kein förmliches unterschrieben irgend einiger artikel, weder als eine bedingung unter welcher sie mitglieder werden, noch auch um sich dienste der kirche fähig zu machen. Wir urteilen daher lieber von den menschen nach ihren früchten, indem wir uns auf die hülfe dessen, der durch seine propheten versprochen hat 'ein geist des rechts dem zu seyn, der zu gerichte sitzet.' Ohne dergleichen ist es gefährlich mitglieder in eine geselschaft aufzunemen.'' |
|||
So wie die Jahresversammlungen weltweit unterschiedliche ''Ordnungen des Zusammenlebens'' haben, so kann sich im Detail das Aufnahmeverfahren anders gestalten. Nach wie vor ist aber in keinem Flügel der Quäkertums eine (Glaubens-)Taufe üblich, ein Priester oder Pastor nötig oder das Sprechen eines bestimmten Glaubensbekenntnisses. Die [[Deutsche Jahresversammlung]] hat zum Beispiel die Besonderheit, dass die Mitglieder nicht von der Monatsversammlung aufgenommen werden, sondern von der Vierteljahresversammlung (im Deutschen "Bezirksversammlung") und von der Jahresversammlung als Mitglieder geführt werden. Das hängt unter anderem damit zusammen, das viele keine Monatsversammlung regelmäßig besuchen können. Im deutschsprachigen Raum gibt es zudem noch eine weit verbreitete „Doppelmitgliedschaft“. |
|||
=== Besondere Formen der Mitgliedschaft === |
|||
Irgendwann bürgerte sich die ''Birthright Membership'' ein, also die Mitgliedschaft durch die Geburt in einer Quäkerfamilie. Auch hierüber wurde und wird z. T. noch gestritten. In den meisten Quäkergemeinschaften in Nordamerika und Europa gibt es diesen Status der Mitgliedschaft nicht. |
|||
Mit dem Begriff „Freund der Freunde“ werden Personen benannt, die der Quäkergemeinschaft sehr nahestehen, aber nicht formal Mitglied einer Versammlung sind. In der Ordnung des Zusammenlebens zum Beispiel des Ohio Yearly Meeting.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.ohioyearlymeeting.org/discipline.htm |wayback=20090307121429 |text=''The Book of Discipline'' des Ohio Yearly Meeting }}</ref> gibt es noch weitere Begriffe der Mitgliedschaft: „Waiting Membership“, „Affiliate Membership“ und „Full and Active Membership“. Mit „Jungfreunde“ sind Jugendliche und junge Erwachsene gemeint, die in enger Verbindung zur Quäkergemeinschaft stehen, sei es durch Jugendgruppen oder Quäkereltern. |
|||
== Lehre == |
|||
Das Quäkertum ist eine Religion ohne Dogma und festgelegtes Glaubensbekenntnis. In der Folge reformatorischen Verständnisses glauben auch die Quäker, dass jeder Mensch in direkten Kontakt mit Gott treten kann und keiner "kirchlichen" Vermittlung bedarf (Priestertum aller Gläubigen). |
|||
== Wahrnehmung und Beurteilung der Umwelt == |
|||
Quäker glauben, dass die Wirklichkeit Gottes größer ist, als alle menschlichen Aussagen über sie. Ihre religiöse Erfahrung versuchen die ''Freunde'' mit Bildern zu umschreiben. Sie sprechen z.B. von "dem von Gott in jedem Menschen" (engl.: "that of God in everyone") oder vom ''Inneren Licht'' ("the Light Within"), dem "Inneren Christus" ("the Christ Whithin") oder dem "Geist der Wahrheit" ("the Spirit Within"). |
|||
In den Anfängen der Quäkerbewegung hatten Außenstehende oft große Probleme, Quäker von anderen – in ihren Augen – Sekten zu unterscheiden. In Kontinentaleuropa und vor allem in Deutschland gab es im 17. und 18. Jahrhundert eine Reihe von Hetzschriften gegen Quäker, in denen sie für ihnen wesensfremde Dinge angegriffen wurden, so zum Beispiel „[[Vielweiberei]]“, was unter Quäkern nie ein Thema war.<ref>Siehe hierzu auch [[Sünne Juterczenka]]: ''Über Gott und die Welt – Endzeitvisionen, Reformdebatten und die europäische Quäkermission in der Frühen Neuzeit.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-525-35458-2.</ref> |
|||
Die Quäker glauben weiterhin, dass sich die individuelle Glaubensüberzeugung eines Menschen nur sehr unzureichend in Worten ausdrücken lässt, daher findet man in der Quäkertradition keine allgemein verbindlichen Lehrmeinungen. Demzufolge hat die persönliche Glaubensüberzeugung des Einzelnen im Kreis der ''Freunde'' einen sehr hohen Stellenwert. (Geoge Fox: "You may say Christ saith this, and the apostles say this, '''but what canst thou say ?''' Art thou a child of the Light and hast thou walked in the Light, and what thou speakest is it inwardly from God ?") |
|||
Oft wurden sie auch mit [[Mennoniten]] verwechselt oder diesen gleichgestellt. So gab es einen jahrelangen Streit unter Historikern, welcher Denomination die Auswanderer unter [[Franz Daniel Pastorius]] zuzurechnen seien. |
|||
Quäker kennen auch keine besonderen [[Sakrament]]e, sondern halten das ganze Leben für ein Sakrament. Dementsprechend wird keine Unterscheidung zwischen [[heilig]] und [[profan]] gemacht. |
|||
{{Zitat|Über diese Auswanderung entzündete sich eine heftige Diskussion. Es ging dabei um die Frage, welcher Denomination die Auswanderer zuzurechnen seien. Die Diskussion ist wissenschaftshistorisch sowohl für Mennoniten- wie auch für Quäkerforscher von Interesse [...]. Die Diskussion eröffnete Christian Neff [...] mit dem Aufsatz 'Die Quäker in Kriegsheim bei Worms' (1911) [Dann folgte ein jahrelanger Schlagabtausch an dem sich beteiligen: W.Hubben mit drei Aufsätzen, (1926, 1928, 1938), W. Hull und S.W. Pennypacker (1927), F. Nieper und D. Cattepoel (1937), W. Fellmann, W.Niepoth (1953) und abschließend Boecken (1982)] Die damalige Auseinandersetzungen haben die wissenschaftlichen Beziehungen beider Kirchen, die in Deutschland nur wenige gegenseitige Kontakte pflegen, leider nachhaltig gestört. Wissenschaftshistorisch ist zu bemerken, daß der Irrtum Hulls nicht zu korrigieren ist, erst jüngst wurden von renommierter Seite die Krefelder Auswanderer irrtümlich wieder als Mennoniten bezeichnet.|Claus Bernet: ''Quäker und Mennoniten''. In: ders: ''400 Jahre Mennoniten in Krefeld''. Mennonitischer Geschichtsverein, Bolanden 2008, ISBN 978-3-921881-26-2, dort S. 50 und 51.}} |
|||
Seit Beginn ihres Auftretens, um 1650, liegt bei den Quäkern eine starke Betonung auf sozialer Verantwortung und sozialem Handeln. Dies geht unter anderem auf die oben beschriebene Überzeugung zurück, dass in jedem Menschen „etwas von Gott“ ist. Hieraus leitet sich für die ''Freunde'' zwingend die unverletzliche und unveräußerliche Würde eines jeden Menschen ab - unabhängig von Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, gesellschaftlichem Stand etc. Daher z.B. konsequenter Pazifismus, Kampf für Gleichberechtigung von Frau und Mann, für würdevollen, gleichberechtigten Umgang mit so genannten Minderheiten aller Art. |
|||
Bis heute sprechen einige – vor allem evangelikale – Gruppen dem Quäkertum ab, eine christliche Gemeinschaft zu sein. Kritisiert wird zum einen das fehlende Bekenntnis, die fehlende Taufe und das Verständnis von der [[Rechtfertigung (Theologie)|Rechtfertigung]]. Da – wie oben schon geschildert – der Lebenswandel ein entscheidendes Kriterium für die Aufnahme von Mitgliedern ist, wird hier der Gedanke der [[Werkgerechtigkeit]] zum Vorwurf gemacht. |
|||
== Glossar == |
|||
Quäker betonen das [[Allgemeines Priestertum|Priestertum aller Gläubigen]]. In der Zeit der frühen Quäker gab es zwar [[Prediger]] und Predigerinnen - dies ist jedoch heute in der liberalen |
|||
Für die im Artikel verwendeten Fachbegriffe siehe den Artikel [[Glossar Quäkertum]]. |
|||
"nicht programmierten" Form des Quäkertums, in Europa und in den USA, nicht mehr der Fall. |
|||
== Einzelnachweise == |
|||
In dieser "nicht programmierten" Tradition ihres Gottesdiensten versuchen die Quäker, in einer ca. einstündigen schweigenden Andacht, sich der Gegenwart Gottes zu öffnen. Jeder Andachtsteilnehmer kann aus der Stille heraus das Wort ergreifen, jedoch verlaufen die "meetings for worship" häufig in vollständigem Schweigen. |
|||
<references /> |
|||
{{SORTIERUNG:Ekklesiologie #Quakertum}} |
|||
In den "programmierten" und ''[[evangelikal|evangelikalen]]'' "Quäker-Kirchen" die vor allem in den USA, in Lateinamerika und in Afrika vertreten sind, gibt es [[Pastor]]en und Pastorinnen. Die Gottesdienste dieser relativ jungen Variante des Quäkertums ähneln einem traditionellen evangelischen Gottesdienst mit liturgischer Struktur (mit Gebeten, Liedern, Textlesung und Predigt). |
|||
[[Kategorie:Quäkertum]] |
|||
[[Kategorie:Ekklesiologie]] |
|||
Das moderne Quäkertum, in seiner liberalen ("nicht programmierten") Ausprägung wird vielfach auch als die "aufgeklärte Form" des Christentums bezeichnet. |
|||
[[Kategorie:Kirchenwesen]] |
|||
== Gebräuche == |
|||
=== Früher === |
|||
Die frühen Quäker hatten viele für Außenstehende befremdliche Verhaltensweisen, z.B. die Weigerung vor gesellschaftlich 'höhergestellten' Personen den Hut zu ziehen, die Anrede aller Menschen mit „Du“, die Ablehnung von Titeln und besonderen 'Ehrenbezeugungen', eine graue [[Einheitstracht]], die Weigerung [[Eid]]e zu leisten, die Ablehnung von Glücksspiel, Theater, Tanz und Jagd. Hintergrund hierfür war ursprünglich die Betonung der Gleichheit aller Menschen vor Gott und die Ablehnung eines „zügellosen“ Lebens. |
|||
=== Heute === |
|||
Heute sind die meisten dieser Verhaltensweisen nur noch Teil der quäkerischen Tradition. Insbesondere Kunst und Kultur werden von vielen ''Freunden'' heute als Bereicherung ihres spirituellen Lebens überaus geschätzt und gepflegt. |
|||
An dem Prinzip des ''einfachen Lebens'', dem ''"DU"'' unter den Quäkern und der Ablehnung von Alkohol und Tabak halten auch heute noch viele Quäker fest. |
|||
== Organisationsstruktur == |
|||
Die Quäker zeichnen sich in ihrer Verwaltung durch einfachste Organisations- und |
|||
Verwaltungsstrukturen aus. Statt einer/s Vorsitzenden gibt es lediglich die Funktion eines Schreibers/einer Schreiberin (engl.: clerk). Auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung in ihren "Geschäftsversammlungen" gilt das Konsensprinzip. D.h. alle Entscheidungen die religiöse Gesellschaft der Freunde betreffend werden allein im Suchen nach Gottes Wahrheit gefällt. Ein "demokratisch" zustande gekommener Kompromiss würde dem i.d.R. nicht gerecht werden können. Kann ein Konsens nicht erzielt werden, wird die Entscheidung auf einen späteren Zeitpunkt vertagt oder im Falle eines unausweichlich herbeizuführenden Beschlusses wird auch die abweichende Meinung ausdrücklich mitdokumentiert. |
|||
===Deutschsprachiger Raum=== |
|||
Im deutschsprachigen Raum sind die örtlichen Andachtsgruppen in regionalen Bezirksversammlungen organisiert, die sich wiederum in der Jahresversammlung zusammenfinden. Die Andachtsgruppen, Bezirksversammlungen und die Jahresversammlung bewahren eine weitgehende Unabhängigkeit untereinander. |
|||
Das Zentrum der deutschsprachigen Quäker befindet sich in [[Bad Pyrmont]], wo sich auch das einzige Andachtshaus der 'Freunde' (mit Quäkerfriedhof) in Deutschland befindet. |
|||
Eine weitere traditonsreiche Einrichtung ist das Quäker-Büro in Berlin (mit Unterbrechung während des zweiten Weltkriegs, seit 1920). Die meisten anderen Andachtsgruppen im deutschsprachigen Raum treffen sich aufgrund der geringen Zahl entweder privat oder in angemieteten Räumlichkeiten. |
|||
===Weltweite Dachorganisationen=== |
|||
Die drei großen weltweiten Dachorganisationen -alle mit Sitz in den USA- sind die ''Friends General Conference'' ([http://www.fgcquaker.org FGC]), das ''Friends United Meeting'' ([http://www.fum.org FUM]) und ''Evangelical Friends International'' ([http://www.evangelical-friends.org EFI]). Sie vertreten die an sie angeschlossenen Andachtsgruppen. |
|||
Die FGC vertritt die liberalste Theologie während die EFI die konservativste ist. Die FUM ist die größte von ihnen. Einige "Monatsversammlungen" (Monthly Meetings) gehören mehr als einer dieser Organisationen an, während wiederum andere die Zugehörigkeit zu einem übergeordneten Verband ablehnen. |
|||
International bemüht sich das ''Friends World Comittee for Consultation'' ([http://fwccworld.org FWCC]) in London um eine Zusammenarbeit aller Jahresversammlungen. |
|||
Die deutsche Jahresversammlung ist keiner der drei großen internationalen Dachorganisationen angeschlossen, sondern lediglich der ''European and Middle East Section'' des FWCC. |
|||
===Mitgliederzahlen=== |
|||
Im deutschsprachigen Raum haben die Quäker z.Zt. ca. zweihundertsiebzig Mitglieder und etwa noch einmal so viele ''Freunde der Freunde'', die an Andachten und anderen Aktivitäten teilnehmen ohne formell Mitglied zu sein. Die Zahl der nominellen Mitglieder ist in den letzten Jahren rückläufig, was in erster Linie auf den relativ hohen Altersschnitt der "Religiösen Gesellschaft der Freunde" zurückzuführen ist. |
|||
Weltweit gibt es z.Zt.rund 300.000 Quäker. |
|||
International verteilt sich die Anzahl der Quäker wie folgt (Stand 1994, Quelle: "Religion ohne Dogma", Religiöse Gesellschaft der Freunde, Auflage 1995 ISBN 3-929696-13-4): |
|||
{| border="1" |
|||
!Land |
|||
!Mitglieder |
|||
|- |
|||
|[[Kenia]] |
|||
|105.000 |
|||
|- |
|||
|[[USA]] |
|||
|103.000 |
|||
|- |
|||
|[[Bolivien]] |
|||
|25.000 |
|||
|- |
|||
|[[Großbritannien]] |
|||
|18.000 |
|||
|- |
|||
|[[Guatemala]] |
|||
|16.500 |
|||
|- |
|||
|[[Burundi]] |
|||
|7.500 |
|||
|- |
|||
|[[Peru]] |
|||
|5.000 |
|||
|- |
|||
|[[Tansania]] |
|||
|4.500 |
|||
|- |
|||
|[[Taiwan]] |
|||
|3.200 |
|||
|- |
|||
|[[Irland]] |
|||
|1.600 |
|||
|- |
|||
|[[Australien]] |
|||
|1.100 |
|||
|- |
|||
|[[Canada]] |
|||
|1.100 |
|||
|- |
|||
|[[Indien]] |
|||
|900 |
|||
|} |
|||
== Soziales Wirken == |
|||
Die Quäker waren und sind, gemessen an ihrer vergleichsweise geringen Zahl, in der Umsetzung ihrer religiösen und ethischen Überzeugungen in soziale und politische Praxis überaus engagiert und erfolgreich. Quäker selbst sprechen häufig auch von einem ''Sozialen Zeugnis'', in Anlehnung an das ''Glaubenszeugnis''. Die innere Motivation hierfür kommt aus dem religiösen Empfinden, ist aber nicht an missionarische Impulse gekoppelt. |
|||
===Gefängnisarbeit / PAG (Projekt Alternativen zur Gewalt)=== |
|||
Die Quäkerin [[Elisabeth Fry]] (1780-1845) war eine der ersten, die sich für die Rechte und die Würde von Gefangenen einsetzte und in der Folge eine Reform im englischen Gefängniswesen in Gang setzte. |
|||
1975 baten Insassen des New Yorker Staatsgefängnis die Quäker um Hilfe, Möglichkeiten zu finden, die Gewaltbereitschaft der Inhaftierten innerhalb des Gefängnisses zu mindern. Das entstandene Projekt PAG (Projekt Alternativen zur Gewalt) arbeitet seit 1994 auch in Deutschland ([http://www.pag.de]). |
|||
===Religionsfreiheit=== |
|||
Die Quäker setzten sich für die [[Religionsfreiheit]] ein, z. B. hatte der Quäkerstaat [[Pennsylvania]] schon im [[17. Jahrhundert]] absolute Religionsfreiheit für jedes Bekenntnis. Dies galt auch gegenüber den Indianern. |
|||
===Frauen- und Menschenrechte=== |
|||
Ebenso waren einige Quäker bereits im [[17. Jahrhundert]] Vorkämpfer für die Abschaffung der [[Sklaverei]]. Nord-Amerikanische Quäker engagierten sich seit 1688 in der Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei, dem [[Abolitionismus]], obwohl es lange Zeit auch Quäker gab, die selbst Sklaven hatten. |
|||
Bei der Begründung der amerikanischen [[Frauenrechtsbewegung]] 1848 in Seneca Falls waren Quäkerinnen die Hauptbeteiligten (Lucretia Mott und Susan B. Anthony). |
|||
===Friedensarbeit=== |
|||
Schon 1693 entwarf [[William Penn]] einen ''Friedensplan für Europa''* (ISBN ISBN 3-929696-02-9). |
|||
Ein Ziel der Quäker ist ein internationaler [[Zivildienst]] für [[Kriegsdienstverweigerer]] aus Glaubens- und Gewissensgründen sowie eine ''[[Friedenssteuer]]'' die den Steuerzahlern, die das wünschen, ermöglicht zu verhindern, dass ihre Steuern für militärische Auseinandersetzungen verwendet werden. |
|||
Zwischen den beiden [[Weltkrieg]]en waren die Quäker energische Befürworter des [[Völkerbund]]es und der Erhaltung des [[Frieden|Weltfriedens]]. |
|||
In der NS-Zeit bemühte sich das Berliner Quäker-Büro um die Hilfe von politisch und rassistisch Verfolgten (und rettete einigen das Leben), ab 1941 musste die Arbeit aus dem Untergrund fortgesetzt werden. Deshalb wurden sie auch als [[Religion während des Nationalsozialismus]] in [[Konzentrationslager]]n inhaftiert und unter dem [[Lila Winkel|Kennzeichen]] der religiösen Häftlinge geführt. |
|||
Am 5.4.2006 wurde zu Ehren der Pädagogin und Widerstandskämpferin [[Elisabeth Abegg]] |
|||
(1882-1974) in Berlin eine Straße benannt. |
|||
Nach den beiden Weltkriegen retteten amerikanische und britische Quäker Tausende deutscher Kinder vor dem Verhungern ([[Quäkerspeisung]]). |
|||
Insbesondere die so genannten [[CARE]]-Pakete ('''C'''ooperative for '''A'''merican '''R'''elief to '''E'''urope), von denen 8 Millionen von August 1946 bis Juni 1960 nach Deutschland geschickt wurden, machten sie nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland wieder bekannt. [[CARE]] war ein Zusammenschluss von 22 Organisationen (Quäker, [[Mennoniten]], [[Heilsarmee]], Gewerkschaften). |
|||
[[1947]] erhielten ihre beiden Hauptorganisationen, der Friends Service Council (FSC) in [[London]] und das American Friends Service Committee (AFSC) [[Washington (D.C.)|Washington, D.C.]] den [[Friedensnobelpreis]]. |
|||
== Beziehungen zu anderen christlichen Kirchen == |
|||
Weil die Quäker als Gesamtheit nicht dem ''Ökumenischen Konsens'' des [[Ökumenischer Rat der Kirchen|Ökumenischen Rates der Kirchen]] zustimmen können (Bekennen von [[Jesus Christus]] als Gott und [[Heiland]]), sind die deutschen Quäker nicht Mitglied des [[Ökumenischer Rat der Kirchen|Ökumenischen Rates der Kirchen]], obwohl sie sich für überkonfessionelle Verständigung einsetzen. Die beiden zahlenmäßig stärksten Zusammenschlüsse der nordamerikanischen Quäker, das FUM und die FGC dagegen sind Mitglieder des Ökumenischen Rates der Kirchen. |
|||
In Deutschland haben sie in den [[Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland|Arbeitsgemeinschaften Christlicher Kirchen]] meist einen Gast- oder Beobachterstatus. |
|||
Manche Quäker sind auch Mitglied in einer weiteren Religionsgemeinschaft. Grund hierfür kann z.B. sein, dass es nicht genügend Quäker in der Umgebung gibt, um regelmäßig an Andachten teilnehmen zu können - in Einzelfällen aber auch Ausdruck einer bewußt positiven ökumenischen Haltung der Zugehörigkeit zu einer anderen Konfession. Die Religiöse Gesellschaft der Freunde legt im Aufnahmeverfahren, dem sich zukünftige neue Mitglieder unterziehen müssen, Wert darauf, dass eine Doppelmitgliedschaft nicht aus Bequemlichkeit entsteht. Weiterhin wird Wert darauf gelegt, dass die Mitgliedschaft bei den Quäkern auch von der jeweils anderen Religionsgemeinschaft akzeptiert wird. |
|||
==Geschichte== |
|||
===Quäker in Deutschland=== |
|||
Die deutsche Jahresversammlung wurde 1925 gegründet. In den Jahrhunderten zuvor hatte es immer wieder kleinere Quäkergruppen gegeben, die stark von (reisenden) englischen Quäkern abhingen. 1657 gab es lose Gruppen unter Anderem in Emden, Danzig, Altona, Krefeld, Kriegsheim sowie Friedrichstadt, wo 1677 auch ein erstes Andachtshaus gebaut wurde. Die deutschen Quäker gehörten ab diesem Jahr der "Amsterdamer Jahresversammlung" an. In der 2. Hälte des 17. Jahrhunderts wurden sie verfolgt und mussten Deutschland verlassen. Zum Jahrhundertende entstand neues Interesse im Zusammenhang mit dem [[Pietismus]]. Erneut wurden Schriften gegen die Quäker (Antiquakeriana) verfasst. |
|||
Im 18. Jahrhundert besserte sich die Situation, nachdem 1791 der Fürst Friedrich zu Waldeck Pyrmont eine erste Duldungsakte erließ. 1792 wurde so die Quäkerkolonie Friedensthal (bei Pyrmont) gegründet, kleinere Gruppen in Westfalen folgten. 1800 wurde das Quäkerhaus in Pyrmont gebaut. |
|||
Im 19. Jahrhundert erlebte Friedensthal eine kurze Blütezeit, [[Johann Wolfgang von Goethe]], Königin Luise und bedeutende Quäker besuchten die Kolonie - doch bis 1870 kam es zum Niedergang durch die Verpflichtung zum Kriegsdienst und vermehrte Auswanderung. Zeitgleich setzte die Hilfsarbeit britischer Quäker in Deutschland und Frankreich für Kriegsopfer ein, erstmals unter dem Stern der Quäkerhilfe. |
|||
Die Arbeit der Quäkerhilfe wurde im 20. Jahrhundert umso dringender fortgesetzt, 1920-1924 gab es in ganz Europa Quäkerspeisungen. 1920 wurde das Internationale Quäkerbüro in Berlin gegründet, um die Hilfsarbeit zu koordinieren. So kamen Quäker ins Land, und in der Bevölkerung erstarkte das Interesse in Folge der humanitären und sozialen Leistungen. |
|||
1925 wurde die "Deutsche Jahresversammlung" ein Eisenach gegründet, das Quäkerhaus in Bad Pyrmont wurde restauriert und 1932 wieder in Betrieb genommen. |
|||
1938 schlossen sich die österreichischen Quäker der deutschen Jahresversammlung an, die aber schon 1940 zum letzten Mal stattfand. 1942 wurde die Zeitschrift verboten, das Quäkerhaus für die [[Hitler-Jugend]] beschlagnahmt, Quäker wurden verhaftet und gefangen gehalten. Die Hilfe für Bedürftige und Verfolgte wurde zunächst vom Quäkerbüro aus, später aus dem Untergrund organisiert. |
|||
1947 fand die erste Jahrsversammlung nach dem Krieg statt, 1969 musste sie sich teilen (in die "Jahresversammlung der Quäker in der DDR" und die "Pyrmonter Jahresversammlung"), 1990 vereinigte sie sich wieder. |
|||
== Siehe auch == |
|||
* [[Liste bekannter Quäker]] |
|||
== Literatur == |
|||
=== Im Selbstverlag === |
|||
* Anna R. Fry: ''Die Weise der Quäker. Ein Versuch, die Lebensgesinnung des Quäkertums zu schildern'', Friedrich, Bad Pyrmont 1946 |
|||
* Thomas F. Green: ''Vorbereitung zur Andacht. Über das Gebet und Wege der Vertiefung des geistlichen Lebens'', Friedrich, Bad Pyrmont 1987 [http://www.quaeker.org/publikationen/grundlegendetexte/vorbereitungandacht.pdf als PDF-Datei] |
|||
* Katharina Provinski, Ilse Wandrowsky: ''Die religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker)'', Quäkerhaus, Bad Pyrmont 2002, ISBN 3-929696-29-0 |
|||
* William Taber: ''Vier Türen zur Andacht, unserem Gottesdienst'', Quäkerhaus, Bad Pyrmont 1992, ISBN 3-87574-306-4 |
|||
* Duncan Wood: ''Die Leute, die man Quäker nennt'', Quäkerhaus, Bad Pyrmont 1990 |
|||
* ''Quäker, Glaube & Wirken. Deutsche Übersetzung des Handbuchs zur christlichen Lebensführung'', Bad Pyrmont 2002, ISBN 3-929696-29-0 |
|||
* ''Ratschläge und Fragen. Leitfaden für die Lebensführung'', Bad Pyrmont, Nachdruck 1995 |
|||
* ''Religion ohne Dogma. Darstellung des Glaubens der Quäker'', Bad Pyrmont, Nachdruck 1995,ISBN 3-929696-13-4 |
|||
=== Andere Verlage === |
|||
* Howard H. Brinton: ''Friends for 350 years. The history and beeliefs of the Society of Friends since George Fox started the Quaker movement''. Penndle Hill Publications, Philadelphia, Penn. 1996, ISBN 0-87574-903-8 |
|||
* Harold Loukes: ''Die Quäker''. Klett, Stuttgart 1965 |
|||
* Richenda C. Scott (Hrsg.): ''Die Quäker''. Evangelisches Verlagswerk, Stuttgart 1974, ISBN 3-7715-0163-6 |
|||
== Weblinks == |
|||
{{Wiktionary|Quäker}} |
|||
* Deutsch |
|||
** [http://www.quaeker.org/index.html offizielle Webseite der deutschen Jahresversammlung] |
|||
** [http://www.quaekerhilfe.de Webseite der Quäkerhilfe] |
|||
** [http://friedenszeugnis.twoday.net Blog der Friedensarbeit der Quäker in Deutschland & Österreich] |
|||
** [http://www.jungfreunde.org/index.shtml Webseite der deutschen Jungfreunde] |
|||
* Englisch |
|||
** [http://www.quaker.org/ Internationale Quäker-Linksammlung] |
|||
** {{nobel-fr|1947|die Quäker}} |
|||
[[Kategorie:Friedensnobelpreisträger]] |
|||
[[Kategorie:Quäker|!]] |
|||
[[bg:Квакери]] |
|||
[[ca:Societat Religiosa d'Amics]] |
|||
[[da:Kvæker]] |
|||
[[en:Religious Society of Friends]] |
|||
[[eo:Kvakerismo]] |
|||
[[es:Sociedad Religiosa de los Amigos]] |
|||
[[fr:Quaker]] |
|||
[[he:אגודת הידידים]] |
|||
[[hr:Kvekeri]] |
|||
[[hu:Kvékerek]] |
|||
[[it:Quaccheri]] |
|||
[[ja:クエーカー]] |
|||
[[nl:Genootschap der Vrienden]] |
|||
[[no:Vennenes samfunn]] |
|||
[[pl:Kwakrzy]] |
|||
[[pt:Quaker]] |
|||
[[ru:Квакеры]] |
|||
[[simple:Religious Society of Friends]] |
|||
[[sv:Kväkare]] |
|||
[[zh:貴格會]] |
Aktuelle Version vom 2. Dezember 2024, 21:52 Uhr
Dieser Artikel beschreibt die Ekklesiologie der Quäker.
Verständnis der Mitgliedschaft
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anfänge
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Über die Frage, wer ein Mitglied ist oder was jemanden dazu macht, wird kontrovers diskutiert.[1] Historisch lassen sich die folgenden Formen und Verständnisse der Mitgliedschaft antreffen. Am Anfang stand die Mitgliedschaft by convincement, da sich das Quäkertum erst in einem Prozess aus anderen Seekerbewegungen herausgebildet und ausdifferenziert hat. So war man Quäker, weil man sich zu einer bestimmten Überzeugung bekannte (und sie auch lebte). Während der ersten 85 Jahre gab es somit keine formale Mitgliedschaft.[2] Mit den Gründungen der Monats-, Vierteljahres- und Jahresversammlungen gegen Ende der Verfolgungszeit bildete sich auch eine konstitutionelle Auffassung von Mitgliedschaft.
Bis dato war das Quäkertum eine Erweckungsbewegung unter vielen, die – wie andere auch – für sich in Anspruch nahm, das „wahre Christentum“ wiederentdeckt zu haben. Quäker sein oder nicht sein, war gleichbedeutend mit Christ sein oder nicht Christ sein. Das wird zum Beispiel in den Schriften von William Penn deutlich, wenn er schreibt:[3]
- „Aus dieser Einsicht nun, die dir in deinen traurigen Abfall vom ursprünglichen Christenthume, und in die wahre Ursache desselben, — die in nichts anders, als in deiner Vernachlässigung des täglichen Kreuzes Christi bestehet, — hier gegeben ist, wird es dir leicht seyn, dir selbst von dem Mittel zu deiner Wiederherstellung einen klaren Begriff zu machen. Denn, zu derselben Thür, aus welcher du hinausgegangen bist, mußt du auch wieder hereingehen; oder: so wie du dadurch, daß du das tägliche Kreuz sinken ließest, und dich demselben entzogest, dich um deinen glücklichen Zustand gebracht hast, eben so muß auch dein Wiederaufnehmen und dein tägliches ausdauerndes Tragen desselben dich wieder herstellen. Es ist ein und dasselbe Mittel, durch welches Sünder und Abtrünnige zu Jüngern Jesu gemacht werden.“
Das heißt: nicht das Bekenntnis oder die äußerliche rituelle Taufe lassen einen Menschen zum Mitglied der Kirche werden, sondern sein Lebenswandel und Überzeugung. Und so kommt er zu dem Schluss:[4]
- Denn sowie es damals ein äußeres gesetzliches Jerusalem gab, so giebt es jetzt ein evangelisches, geistliches Jerusalem, die Kirche Gottes, die aus den Gläubigen bestehet.
In der etablierten Gemeinschaft
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit der Konstituierung der Strukturen der Quäkergemeinschaft wurde es dann üblich, dass Mitglieder durch eine Monatsversammlung aufgenommen wurden. Das Prozedere dazu wurde in der Ordnung des Zusammenlebens (engl. The Book of Discipline) festgelegt. Dabei ging es aber nicht um das Abfragen von Glaubensbekenntnissen, sondern es wurde in erster Linie nachgeforscht, ob der Lebenswandel einer – in ihrem Verständnis – christlichen Überzeugung entsprach. Hier bei mussten die vier Quäkerzeugnisse (Friedenszeugnis, Einfachheit, Integrität, Gleichheit) eingehalten werden, aber auch sittliches Verhalten (kein Alkohol, kein Tabak, kein Vergnügen, kein außerehelicher Geschlechtsverkehr etc.) musste gezeigt werden. Das Tragen eines Bartes konnte im 18. Jahrhundert schon ein Hindernis für die Mitgliedschaft darstellen.[5] Den Grund für dieses neue Verfahren nennt unter anderem Joseph Gurney Bevan in einer Schrift von 1792:[6]
- Ob wir es daher gleich, zur aufbewahrung der zeugnisse die uns anvertrauet sind, und zur erhaltung des friedens und guter ordnung in der gesellschaft, für nötig halten, darfs die welche wir zu unseren mitgliedern aufnemen, vorläufig von den lehren solten überzeugt seyn, die wir für wesentlich halten; so fordern wir dennoch von ihnen kein förmliches unterschrieben irgend einiger artikel, weder als eine bedingung unter welcher sie mitglieder werden, noch auch um sich dienste der kirche fähig zu machen. Wir urteilen daher lieber von den menschen nach ihren früchten, indem wir uns auf die hülfe dessen, der durch seine propheten versprochen hat 'ein geist des rechts dem zu seyn, der zu gerichte sitzet.' Ohne dergleichen ist es gefährlich mitglieder in eine geselschaft aufzunemen.
So wie die Jahresversammlungen weltweit unterschiedliche Ordnungen des Zusammenlebens haben, so kann sich im Detail das Aufnahmeverfahren anders gestalten. Nach wie vor ist aber in keinem Flügel der Quäkertums eine (Glaubens-)Taufe üblich, ein Priester oder Pastor nötig oder das Sprechen eines bestimmten Glaubensbekenntnisses. Die Deutsche Jahresversammlung hat zum Beispiel die Besonderheit, dass die Mitglieder nicht von der Monatsversammlung aufgenommen werden, sondern von der Vierteljahresversammlung (im Deutschen "Bezirksversammlung") und von der Jahresversammlung als Mitglieder geführt werden. Das hängt unter anderem damit zusammen, das viele keine Monatsversammlung regelmäßig besuchen können. Im deutschsprachigen Raum gibt es zudem noch eine weit verbreitete „Doppelmitgliedschaft“.
Besondere Formen der Mitgliedschaft
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Irgendwann bürgerte sich die Birthright Membership ein, also die Mitgliedschaft durch die Geburt in einer Quäkerfamilie. Auch hierüber wurde und wird z. T. noch gestritten. In den meisten Quäkergemeinschaften in Nordamerika und Europa gibt es diesen Status der Mitgliedschaft nicht.
Mit dem Begriff „Freund der Freunde“ werden Personen benannt, die der Quäkergemeinschaft sehr nahestehen, aber nicht formal Mitglied einer Versammlung sind. In der Ordnung des Zusammenlebens zum Beispiel des Ohio Yearly Meeting.[7] gibt es noch weitere Begriffe der Mitgliedschaft: „Waiting Membership“, „Affiliate Membership“ und „Full and Active Membership“. Mit „Jungfreunde“ sind Jugendliche und junge Erwachsene gemeint, die in enger Verbindung zur Quäkergemeinschaft stehen, sei es durch Jugendgruppen oder Quäkereltern.
Wahrnehmung und Beurteilung der Umwelt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den Anfängen der Quäkerbewegung hatten Außenstehende oft große Probleme, Quäker von anderen – in ihren Augen – Sekten zu unterscheiden. In Kontinentaleuropa und vor allem in Deutschland gab es im 17. und 18. Jahrhundert eine Reihe von Hetzschriften gegen Quäker, in denen sie für ihnen wesensfremde Dinge angegriffen wurden, so zum Beispiel „Vielweiberei“, was unter Quäkern nie ein Thema war.[8]
Oft wurden sie auch mit Mennoniten verwechselt oder diesen gleichgestellt. So gab es einen jahrelangen Streit unter Historikern, welcher Denomination die Auswanderer unter Franz Daniel Pastorius zuzurechnen seien.
„Über diese Auswanderung entzündete sich eine heftige Diskussion. Es ging dabei um die Frage, welcher Denomination die Auswanderer zuzurechnen seien. Die Diskussion ist wissenschaftshistorisch sowohl für Mennoniten- wie auch für Quäkerforscher von Interesse [...]. Die Diskussion eröffnete Christian Neff [...] mit dem Aufsatz 'Die Quäker in Kriegsheim bei Worms' (1911) [Dann folgte ein jahrelanger Schlagabtausch an dem sich beteiligen: W.Hubben mit drei Aufsätzen, (1926, 1928, 1938), W. Hull und S.W. Pennypacker (1927), F. Nieper und D. Cattepoel (1937), W. Fellmann, W.Niepoth (1953) und abschließend Boecken (1982)] Die damalige Auseinandersetzungen haben die wissenschaftlichen Beziehungen beider Kirchen, die in Deutschland nur wenige gegenseitige Kontakte pflegen, leider nachhaltig gestört. Wissenschaftshistorisch ist zu bemerken, daß der Irrtum Hulls nicht zu korrigieren ist, erst jüngst wurden von renommierter Seite die Krefelder Auswanderer irrtümlich wieder als Mennoniten bezeichnet.“
Bis heute sprechen einige – vor allem evangelikale – Gruppen dem Quäkertum ab, eine christliche Gemeinschaft zu sein. Kritisiert wird zum einen das fehlende Bekenntnis, die fehlende Taufe und das Verständnis von der Rechtfertigung. Da – wie oben schon geschildert – der Lebenswandel ein entscheidendes Kriterium für die Aufnahme von Mitgliedern ist, wird hier der Gedanke der Werkgerechtigkeit zum Vorwurf gemacht.
Glossar
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für die im Artikel verwendeten Fachbegriffe siehe den Artikel Glossar Quäkertum.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ So zum Beispiel in den Artikeln
- in der Zeitschrift Quäker, Jg. 83 (2008), Nr. 5 (Sep./Okt.), ISSN 1619-0394, herausgegeben von der Religiösen Gesellschaft der Freunde (Quäker) Deutsche Jahresversammlung e. V.
- von Olaf Radicke: Widerrede betreffend eines Artikels über die Mitgliedschaft, 13. Oktober 2008, www.the-independent-friend.de ( des vom 12. März 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Membership in the Religious Society of Friends, auf der Website des New England Yearly Meeting of Friends, abgerufen am 12. April 2024.
- ↑ William Penn: Ohne Kreuz keine Krone (engl. No Kross No Krown). 1825, Kapitel 2, § 10 (online).
- ↑ William Penn: Ohne Kreuz keine Krone, Kapitel 6, § 12 (online).
- ↑ Claus Bernet: „Der Christus so zu Jerusalem eingeritten, sey ein Dieb und Huren Sohn“: Der Prozeß der Dechristianisierung in Preußen um 1800. In: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Neunte Folge, Band 18 (2008), Heft 1, S. 19–51, hier S. 44.
- ↑ Joseph Gurney Bevan: Abriss der Geschichte, der Lehre und der Zucht der Freunde, die man Quaker nennet. Aufgesezt auf Verlangen Ihrer Abgeordneten in London Wegen der Drangsale. James Phillips, London 1792; abgedruckt in: Claus Bernet (Hrsg.): Deutsche Quäkerschriften, Band 2: Deutsche Quäkerschriften des 18. Jahrhunderts. Olms, Hildesheim 2007, ISBN 978-3-487-13408-6, S. 30–31.
- ↑ The Book of Discipline des Ohio Yearly Meeting ( vom 7. März 2009 im Internet Archive)
- ↑ Siehe hierzu auch Sünne Juterczenka: Über Gott und die Welt – Endzeitvisionen, Reformdebatten und die europäische Quäkermission in der Frühen Neuzeit. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-525-35458-2.