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„Umgangsformen“ – Versionsunterschied

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{{Weiterleitungshinweis|Guter Ton|Zu den Zeichnungen von Loriot siehe ''[[Der gute Ton]]''.}}
Als '''Umgangsformen''', '''Etikette''', '''Guten Ton''', '''Anstand''' oder '''[[Manier]]en''' bezeichnet man diejenigen Regeln, die unabhängig davon, was juristisch erlaubt oder verboten ist, dazu dienen, das menschliche Zusammenleben möglichst reibungslos und angenehm zu machen. Die Umgangsformen können je nach [[Kulturkreis]] erhebliche Unterschiede aufweisen.
'''Umgangsformen''' sind Bestandteil [[Soziale Interaktion|sozialer Interaktion]].


Eine [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]] bewertet bestimmte Verhaltensformen (Manieren) negativ (z.&nbsp;B. als derb, roh, ungehobelt, unhöflich, ungesittet, feige) oder positiv (z.&nbsp;B. als gut erzogen, höflich, [[kultiviert]], edel, tapfer) und unterscheidet „gute“ (genannt auch '''Guter Ton''') und „schlechte“ Umgangsformen. Häufig verwendet man in der deutschen Sprache das Wort „Umgangsformen“ ohne den Zusatz „gut“ und meint gleichwohl „gute Umgangsformen“.<ref>Nicht immer werden die in einem konkreten Umfeld als „gut“ angesehenen Umgangsformen dort auch tatsächlich praktiziert – oft klafft eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.</ref>
==Anstand==
'''Anstand''' ähnelt der '''[[Höflichkeit]]''' und der '''[[Fairness]]''' und bezeichnet ein [[Verhalten]], das dem Gegenüber seine [[Persönlichkeit]] lässt und ihn nicht [[Blamage|bloßstellt]] oder benachteiligt.


Umgangsformen fungieren auch als [[identität]]sstiftende Zeichen der Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft bzw. einer [[Soziale Gruppe|sozialen Gruppe]] innerhalb einer [[Gesellschaft (Ethnologie)|Gesellschaft]].
Moralische Anständigkeit geht aber noch über die Höflichkeit hinaus, denn sie ist mit [[Hilfsbereitschaft]], mit [[Toleranz]], dem [[Respekt]] vor dem Anderen und mit [[Menschlichkeit|Mitmenschlichkeit]] ([[Humanität]]) verbunden. Hier ähnelt die Anständigkeit der ''Fairness'' und lässt dem Gegenüber eine [[Chance]]. Diese Regeln sind abhängig von der [[Kultur]] des jeweiligen Landes.


== Begrüßung und Abschied ==
== Umgangsformen und Etikette ==
Selbst Fachautoren verwenden die Wörter „Umgangsformen“ und „[[Etikette]]“ häufig [[Synonym|bedeutungsgleich]].<ref>Z.B. Helen Ann Augst: ''Das große Buch der Umgangsformen: Das Standardwerk des „guten Tons“ für alle Bereiche des beruflichen und privaten Lebens'', Baden-Baden: Humboldt-Taschenbuch, 2004, ISBN 3-89994-891-2</ref> Im engen Sinne wird damit jedoch Unterschiedliches bezeichnet:
Zu den [[global]] gültigen Umgangsformen zählt das [[Gruß|Grüßen]] beim Kommen und Gehen. Während in [[Mitteleuropa]] meist kurze Grüße bevorzugt werden, sind ihre Formen im [[Südeuropa|Süden]], Osten und im [[Orient]] viel "körperbetonter".
*Der Ausdruck Umgangsformen (Benehmen, Manieren) bezeichnet konkrete Verhaltensgewohnheiten: die Art und Weise, wie ein Mensch bestimmte soziale Situationen tatsächlich handhabt, z.&nbsp;B. ob und mit welchen Worten, welchen Gesten usw. er eine andere Person begrüßt, wenn er ihr begegnet.<ref name="beetz">Maud Beetz: ''Der Knigge für das Bankgeschäft: Mit sozialer Kompetenz Imagewerte verbessern und Geschäftserfolge steigern'', Wiesbaden: Gabler, 2009, ISBN 978-3-8349-0797-4, S. 18 ({{Google Buch |BuchID=Z5a_MA7ABWQC |Seite=18 |Linktext=eingeschränkte Online-Version |Land=US}}); Annette Zwahr (Redaktion): ''Meyers großes Taschenwörterbuch.'' Bibliographisches Institut, Mannheim 2004, ISBN 3-411-10709-X (Stichwort „Etikette“);Ursula Kraif (Redaktion): ''Duden – Das Fremdwörterbuch.'' 9. Auflage. Dudenverlag, Mannheim 2007, ISBN 978-3-411-04059-9 (Stichwort „Etikette“)</ref>
*Der Ausdruck Etikette dagegen bezeichnet einen ([[Geschriebene Sprache|geschriebenen]] oder ungeschriebenen) [[Reglement|Regelkanon]], in dem Abläufe des sozialen Umgangs festgelegt sind, z.&nbsp;B. die Regeln, ob und mit welchen Worten und welchen Gesten eine Person eine andere zu begrüßen hat.<ref name="beetz" />


Der Ausdruck ''Manieren'' entstammt dabei {{frS|la manière}} „Art und Weise“ (vergleiche [[Manier (Stil)|''Manier'']] „Eigenart, Handschrift“ in der Kunst und [[Verzierung (Musik)|''Manier'']] „Verzierung“ in der Musik). Zusätzlich existiert noch der bildungssprachliche, ebenfalls aus dem Französischen stammende Ausdruck ''Pli'', der für „(Welt-)Gewandtheit, Schliff im Benehmen, Geschick, modische Eleganz“ und „feines Benehmen“ steht.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.duden.de/rechtschreibung/Pli |titel=Pli |werk=[[Duden online]] |sprache=de |abruf=2022-03-13}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=[[Wolfgang Pfeifer (Etymologe)|Wolfgang Pfeifer]] et al. |Titel=Pli |Sammelwerk=Etymologisches Wörterbuch des Deutschen |WerkErg=Digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im [[Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache|Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache]] |Datum=1993 |Online=[https://www.dwds.de/wb/etymwb/Pli Online-Ansicht] |Abruf=2022-03-13}}</ref>
===Händeschütteln===


== Geschichte ==
* Wenn wir jemandem die Hand reichen, und er/sie lässt sie zu lange nicht aus, empfinden wir das als aufdringlich. Aber bereits in [[Italien]], noch mehr aber in [[Nahost]] könnte ein zu kurzer Händedruck als gezwungene, nur kühle Begrüßung gedeutet werden. Es wird jeweils die rechte Hand geschüttelt. In Mitteleuropa steht ein Mann stets auf, wenn er einer Person die Hände schüttelt. Männer mit schwachem Händedruck können beim Gegenüber den Eindruck einer nicht selbstbewußten Person vermitteln.
[[Datei:Ebhardt Der gute Ton 1886 Titel.jpg|mini|Titelblatt zu Franz Ebhardts ''Der gute Ton'']]
* Auf 'vornehmen' Veranstaltungen ist nur noch selten der [[Handkuss]] üblich. Doch ist es ohne gewisse Übung (beidseits) besser, darauf zu verzichten. Denn wenn die Dame ihre Hand ''zu'' deutlich (oder zu wenig) hebt, kann es peinlich sein. Noch mehr aber, wenn der Herr seine Lippen ''tatsächlich'' auf die Hand drückt.
Einer der ersten Vermittler von Bildung und Umgangsformen war [[Erasmus von Rotterdam]] (1466–1536), der mit seinen Erziehungsbüchern für Fürsten ([[Fürstenspiegel]]) und seinem [[Benimmbuch]] (''de civilitate'') einen Leitfaden vorgab. [[Soziologie|Soziologisch]] ausgerichtet war auch das 1788 erstmals herausgebrachte Werk ''[[Über den Umgang mit Menschen]]'' des [[Adolph Freiherr Knigge|Freiherrn Knigge]] (1752–1796).
* In [[Südosteuropa]], im Orient oder gar in der [[Volksrepublik China]] und [[Japan]] gilt es als unfein, ein [[Gespräch]] ''zu rasch'' zum Kern der Sache zu bringen. In großen Teilen [[Afrika]]s muss sogar ein richtiggehendes [[Palaver]] vorangehen - umso länger, je wichtiger die Angelegenheit und je hochgestellter die Beteiligten sind. Für uns ist das Wort ''Palaver'' eher negativ belegt, doch hat es in ''wärmeren'' Ländern auch den Zweck, das Gegenüber vor den entscheidenden [[Gespräch]]sphasen etwas näher kennen zu lernen.
* Ein Ladenbesitzer in einem [[Basar]] ist enttäuscht, wenn ein potentieller Kunde, der nicht fündig wird, sich zu rasch zum Gehen wendet. Manchmal versucht er, einen 'unruhigen Gast' noch rechtzeitig zu einem Glas [[Tee]] zu bewegen. Wenn es gelingt, ist ein eventueller Geschäftsabschluss oft weniger wichtig als diese kleine [[Gastfreundschaft]].


Im Gegensatz zur heutigen landläufigen Meinung handelt es sich bei dem Buch keineswegs um einen Benimmratgeber mit Ratschlägen zu Fragen der Art: „Welche Gabel darf mit welchem Messer zu welchem Essen verwendet werden?“ Erst nach Knigges Tod wurde sein Buch mehrfach von Herausgebern umgeschrieben und so immer mehr zu einer [[Anstandsliteratur|Anstandsfibel]], einem ''modernen Knigge''.
=== Umarmen und "Bruderkuss" ===
Was die [[Körpersprache]] beim Grüßen betrifft, ist bei derzeit ein gewisser Wandel im Gange. Vor relativ kurzer Zeit betrachtete man in Mitteleuropa eine Umarmung oder einen Begrüßungs-[[Kuss]] als Privileg unter [[Russe]]n oder [[Franzosen|Franzose]]n. In [[Jugendliche|Jugendkreise]]n ist es inzwischen teilweise üblich - täuscht jedoch oft eine (noch) nicht vorhandene Vertrautheit vor.


In der [[Wilhelminische Zeit|Wilhelminischen Zeit]] erschien der Ratgeber ''Der gute Ton'' des Freiherrn Otto von Berger.<ref>Otto von Berger: ''Der gute Ton, Buch des Anstandes und der guten Sitten'', Neuausgabe der Originalausgabe (Wien 1886): Reprint Primus Verlag, Leipzig 28. Juli 2009.</ref>
Wird man dann mit ''drei statt zwei'' Wangenküssen begrüßt oder verabschiedet, ist der prägende Ausdruck von länderspezifischen Umgangsformen zu spüren, und lässt manche/n [[Deutsche]]/n etwas verwirrt zurück. Doch schon zwischen Süden und Norden im deutschen [[Sprachraum]] können Abschiedsworte wie "[[Tschüs]]", "Ciao", "Baba" oder "Grüezi" Erstaunen hervorrufen. Wer jedoch ein bayrisches "[[Grüß Gott]]" mit einem [[lakonisch]]en "Tach" beantwortet, begeht fast einen [[Fauxpas]] des [[Taktgefühl]]s.


Im kirchlichen Zusammenhang ([[Gottesdienst]]) kann man zwischen Verhalten (Haltungen, rituelle Vollzüge) und Benehmen unterscheiden. Unangemessenes Benehmen im Gottesdienst (schlafen, essen, trinken, schwätzen, zu spät kommen, Mitbringen von Tieren, freizügige Kleidung u. a. m.) wird seit jeher immer wieder angesprochen und thematisiert (Predigten, Kirchenordnungen, Katechismus, Beichtspiegel, Bilder, Piktogramme).<ref>Guido Fuchs: Kleine Geschichte des schlechten Benehmens in der Kirche. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2021, ISBN 978-3-7917-3246-6</ref> Verschiedene Dienste waren und sind für die Einhaltung des angemessenen Verhaltens und Benehmens zuständig ([[Diakon]], [[Ostiarius|Ostiarier]], [[Kirchenschweizer]], [[Küster]], [[Hundepeitscher]] u. a. m.<ref>Fuchs 144–157.</ref>). Seit etlichen Jahrzehnten gibt es auch „Kirchen-Knigge“, die über angemessenes Verhalten in den Kirchen informieren.<ref>Bettine Reichelt: Der Kirchen-Knigge, Ein unterhaltsamer Ratgeber, Benno, Meißen 2009, ISBN 978-3-7462-2789-4; Christoph Peter Baumann: Der Knigge der Weltreligionen. Feste, Brauchtum und richtiges Verhalten auf einen Blick, Herder Freiburg i. Br. 2011, ISBN 978-3-451-07115-7; Ludwig Gschwind: Ministranten-Knigge, fe-medien, Kisslegg 2018, ISBN 978-3-86357-207-5.</ref> Die Bandbreite schlechten Benehmens ist groß und reicht bis zu störendem Tun mit strafrechtlicher Relevanz.<ref>StGB (Deutschland) § 167 (Störung der Religionsausübung)</ref>
== Bekleidung ==
Unsere die Kleidung betreffenden Gebräuche haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gelockert. Dennoch gibt es [[Beruf]]e, wo eine gewisse äußere Erscheinungsform erwartet wird. Dazu gehört das [[Sakko]] oder nicht zu offenherzige Kleider bei [[Kreditinstitut|Bank]]angestellten, oder ein wirklich ''sauberer'' Mantel beim [[Arzt]].


== Umgangswerte und Umgangstugenden ==
Bekannt ist, dass man [[Moschee]]n nicht mit [[Schuhe]]n betreten darf. Doch oft gehen Urlauber in [[Kirche]]n eines besuchten Landes, ohne die üblichen Regeln wie bedeckte Oberarme zu beachten. Bei Unsicherheit ist es am besten, sich beim Eintritt verhalten zu bewegen oder kurz die Einheimischen zu beobachten.
[[Nicolai Hartmann]] spricht von „Werte[n] des äußeren Umgangs“<ref>Nicolai Hartmann: ''Ethik.'' - 3. Auflage. - Walter de Gruyter, Berlin 1949, S. 479</ref> und von „Umgangstugenden“.<ref name="Nicolai Hartmann 1949">Nicolai Hartmann: ''Ethik.'' - 3. Auflage. - Walter de Gruyter, Berlin 1949, S.&nbsp;483</ref> Auch wenn die „Umgangswerte“ nur ein „Randgebiet der ethischen Werttafel“<ref name="Nicolai Hartmann 1949" /> ausmachten, käme diesen ein ethischer, sittlicher relativer Wert zu: Es bedürfe überhaupt einer herrschenden [[Sitte]], ohne die „der Mensch ins Formlose, Kulturlose“<ref>Nicolai Hartmann: ''Ethik.'' - 3. Auflage. - Walter de Gruyter, Berlin 1949, S.&nbsp;482</ref> versinke und ohne die „die Entfaltung des inneren Ethos“<ref>Nicolai Hartmann, ebd.</ref> behindert sei.


{{Zitat
Unberührt von gesellschaftlichen Entwicklungen halten einige der großen, traditionellen [[Spielbank|Spielbanken]] in Europa an ihren [[Kleiderordnung|Kleiderordnungen]] fest, ohne deren Einhaltung Spielern der Zutritt zu den Spielsälen nicht gestattet ist.
|Text=Wie zufällig oder konventionell die bestehenden Verkehrsformen auch sein mögen, wie lächerlich sie dem aus fremden Kulturkreise in sie Hineingestellte erscheinen mögen, sie sind doch eine tiefe Lebensnotwendigkeit, und wer sie verletzt, versündigt sich am Mitmenschen genau so sehr wie der Ungerechte und der Lieblose.
|Autor=Nicolai Hartmann
|ref=<ref>Nicolai Hartmann: ''Ethik.'' 3. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 1949, S.&nbsp;480</ref>}}


==Anderes==
== Siehe auch ==
* [[Interkulturelle Kompetenz]]
In den östlicheren Teilen Europas, ungefähr ab und einschließlich [[Österreich]], ist es unhöflich, eine fremde Wohnung mit Straßenschuhen zu betreten. Gastgeber sollten entsprechende Hausschuhe bereitstellen. In manchen Balkanländern gibt es sogar entsprechende Häuservorbauten (Papučluk), die nur dem Abstellen von Straßenschuhen dienen.
* [[Verhaltensmuster]]

==Zitat==
*''Alle benehmen sich schlecht. Man muss ihnen nur die Gelegenheit bieten.'' - [[Ernest Hemingway]] (''Fiesta'')


== Literatur ==
== Literatur ==
* Franz Ebhardt: ''Der gute Ton in allen Lebenslagen''. Klinckhardt, Leipzig und Berlin; Manz, Wien, 10. Aufl. 1886.(Zuerst erschienen 1878, bis 1928 erschienen 22 Auflagen.) ([https://archive.org/details/dergutetoninalle00ebha/page/n6/mode/2up Digitalisat der 11. Aufl. 1889])
*[[Asfa-Wossen Asserate]]: "''Manieren''". Eichborn-Verl., Frankfurt am Main [[2003]], 388 S., ISBN 3-8218-4739-5 (unter Mitwirkung von [[Martin Mosebach]])
* Otto von Berger: ''Der gute Ton, Buch des Anstandes und der guten Sitten'', Neuausgabe der Originalausgabe (Wien 1886): Reprint Primus Verlag, Leipzig 28. Juli 2009. ISBN 3-8262-0235-X.
* Karlheinz Graudenz: ''Das Buch der Etikette'', unter Mitarbeit von [[Erica Pappritz]], Marbach am Neckar: Perlen-Verlag, 1956
* Emma Kallmann: ''Der gute Ton. Handbuch der feinen Lebensart und guten Sitte. Nach den neuesten Anstandsregeln bearbeitet''. Steinitz, Berlin 1892 (Erstausgabe). Reprint als Taschenbuch: Zenodot, Berlin 2011. ISBN 978-3-8430-6797-3.
* Karlheinz Graudenz; [[Erica Pappritz]]: ''Etikette neu'', 12., völlig neu bearb. Aufl., München: Südwest-Verlag, 1971, ISBN 3-517-00026-4.
* [[Asfa-Wossen Asserate]]: ''Manieren.'' Eichborn, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-8218-4739-5 (unter Mitwirkung von [[Martin Mosebach]]).
* [[Pierre Bourdieu]]: ''[[Die feinen Unterschiede]]. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-518-28258-1 (französisch: ''La distinction. Critique sociale du jugement''. Paris 1979. Beruht auf empirischen Untersuchungen in Frankreich in den 1960er-Jahren.).
* Erich Sturtevant: ''Vom guten Ton im Wandel der Jahrhunderte.''
* [[Inge Wolff]]: ''Umgangsformen. Ein moderner Knigge.'' Bessermann, München 2004, ISBN 3-8094-1557-X
* Urs Roeber und Uta Bernsmeier: ''Manieren. Geschichten von Anstand und Sitte aus sieben Jahrhunderten''. Bremen: Focke-Museum, 2009


==Siehe auch==
== Weblinks ==
{{Wiktionary|Umgangsform}}
===Siehe auch zu Umgangsformen===
* {{DNB-Portal|4078514-2}}
* [[Adolph Freiherr Knigge]]
* [https://www.projekt-gutenberg.org/knigge/umgang/index.html ''Über den Umgang mit Menschen.''] Im Projekt Gutenberg
* [[Anrede]]
* [[Asfa-Wossen Asserate]]
* [[Benimmunterricht]]
* [[Diplomatie]]
* [[Netiquette]]
* [[Taktgefühl]]
* [[Tischsitten]]
* "[[Umgangsformen, Benehmen, Verhalten]]", schulisches Unterrichtsfach in Bremen


== Anmerkungen ==
===Siehe auch zu Anstand===
<references />
* [[Höflichkeit]]
* [[Fairness]]
* [[Toleranz]]
* [[Hilfsbereitschaft]]
* [[Respekt]]
* [[Menschlichkeit]] und [[Humanität]]
* [[Persönlichkeit]]
* [[Blamage]]
* [[Scham]]
* [[Scheuheit]]
* [[Gesichtsverlust]]


{{Normdaten|TYP=s|GND=4078514-2|LCCN=sh85045446|NDL=00569347}}
==Weblinks==
{{Wikibooks|Umgangsformen}}
* http://www.benehmen-sie-sich.de/ - Der Ratgeber für Stil & Etikette im Internet
* [http://www.swr.de/swr2/sendungen/wissen-aula/archiv/2005/09/18/index.html Claudia Schmölders: Die Wiederkehr der Höflichkeit]
* http://www.business-knigge.com/ - Business Etikette in Deutschland von Joachim Graff & Gretchen Schaupp


{{Lückenhaft|Es gibt noch sehr viel mehr '''wichtige''' und '''internationale''' Umgangsformen (z.B. im Rauchen, Briefe, Einladungen usw. Thema [[Knigge]] kommt in diesem Artikel zu kurz.}}


[[Kategorie:Umgangsform| ]]
[[Kategorie:Sozialpsychologie]]
[[Kategorie:Sozialpsychologie]]
[[Kategorie:Volkskunde]]
[[Kategorie:Volkskunde]]
[[Kategorie:Ethnologie]]
[[Kategorie:Ethnosoziologie]]
[[Kategorie:Tugend]]
[[Kategorie:Tugend]]
[[Kategorie:Umgangsform]]
[[Kategorie:Persönlicher Charakter]]

[[en:Etiquette]]
[[et:Etikett (käitumine)]]
[[fr:Étiquette]]
[[nl:Etiquette]]
[[pl:Etykieta]]
[[pt:Etiqueta à mesa]]
[[ru:Этикет]]
[[sv:Etikettregler]]

Aktuelle Version vom 16. Januar 2025, 09:22 Uhr

Umgangsformen sind Bestandteil sozialer Interaktion.

Eine Gesellschaft bewertet bestimmte Verhaltensformen (Manieren) negativ (z. B. als derb, roh, ungehobelt, unhöflich, ungesittet, feige) oder positiv (z. B. als gut erzogen, höflich, kultiviert, edel, tapfer) und unterscheidet „gute“ (genannt auch Guter Ton) und „schlechte“ Umgangsformen. Häufig verwendet man in der deutschen Sprache das Wort „Umgangsformen“ ohne den Zusatz „gut“ und meint gleichwohl „gute Umgangsformen“.[1]

Umgangsformen fungieren auch als identitätsstiftende Zeichen der Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft bzw. einer sozialen Gruppe innerhalb einer Gesellschaft.

Umgangsformen und Etikette

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Selbst Fachautoren verwenden die Wörter „Umgangsformen“ und „Etikette“ häufig bedeutungsgleich.[2] Im engen Sinne wird damit jedoch Unterschiedliches bezeichnet:

  • Der Ausdruck Umgangsformen (Benehmen, Manieren) bezeichnet konkrete Verhaltensgewohnheiten: die Art und Weise, wie ein Mensch bestimmte soziale Situationen tatsächlich handhabt, z. B. ob und mit welchen Worten, welchen Gesten usw. er eine andere Person begrüßt, wenn er ihr begegnet.[3]
  • Der Ausdruck Etikette dagegen bezeichnet einen (geschriebenen oder ungeschriebenen) Regelkanon, in dem Abläufe des sozialen Umgangs festgelegt sind, z. B. die Regeln, ob und mit welchen Worten und welchen Gesten eine Person eine andere zu begrüßen hat.[3]

Der Ausdruck Manieren entstammt dabei französisch la manière „Art und Weise“ (vergleiche Manier „Eigenart, Handschrift“ in der Kunst und Manier „Verzierung“ in der Musik). Zusätzlich existiert noch der bildungssprachliche, ebenfalls aus dem Französischen stammende Ausdruck Pli, der für „(Welt-)Gewandtheit, Schliff im Benehmen, Geschick, modische Eleganz“ und „feines Benehmen“ steht.[4][5]

Titelblatt zu Franz Ebhardts Der gute Ton

Einer der ersten Vermittler von Bildung und Umgangsformen war Erasmus von Rotterdam (1466–1536), der mit seinen Erziehungsbüchern für Fürsten (Fürstenspiegel) und seinem Benimmbuch (de civilitate) einen Leitfaden vorgab. Soziologisch ausgerichtet war auch das 1788 erstmals herausgebrachte Werk Über den Umgang mit Menschen des Freiherrn Knigge (1752–1796).

Im Gegensatz zur heutigen landläufigen Meinung handelt es sich bei dem Buch keineswegs um einen Benimmratgeber mit Ratschlägen zu Fragen der Art: „Welche Gabel darf mit welchem Messer zu welchem Essen verwendet werden?“ Erst nach Knigges Tod wurde sein Buch mehrfach von Herausgebern umgeschrieben und so immer mehr zu einer Anstandsfibel, einem modernen Knigge.

In der Wilhelminischen Zeit erschien der Ratgeber Der gute Ton des Freiherrn Otto von Berger.[6]

Im kirchlichen Zusammenhang (Gottesdienst) kann man zwischen Verhalten (Haltungen, rituelle Vollzüge) und Benehmen unterscheiden. Unangemessenes Benehmen im Gottesdienst (schlafen, essen, trinken, schwätzen, zu spät kommen, Mitbringen von Tieren, freizügige Kleidung u. a. m.) wird seit jeher immer wieder angesprochen und thematisiert (Predigten, Kirchenordnungen, Katechismus, Beichtspiegel, Bilder, Piktogramme).[7] Verschiedene Dienste waren und sind für die Einhaltung des angemessenen Verhaltens und Benehmens zuständig (Diakon, Ostiarier, Kirchenschweizer, Küster, Hundepeitscher u. a. m.[8]). Seit etlichen Jahrzehnten gibt es auch „Kirchen-Knigge“, die über angemessenes Verhalten in den Kirchen informieren.[9] Die Bandbreite schlechten Benehmens ist groß und reicht bis zu störendem Tun mit strafrechtlicher Relevanz.[10]

Umgangswerte und Umgangstugenden

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Nicolai Hartmann spricht von „Werte[n] des äußeren Umgangs“[11] und von „Umgangstugenden“.[12] Auch wenn die „Umgangswerte“ nur ein „Randgebiet der ethischen Werttafel“[12] ausmachten, käme diesen ein ethischer, sittlicher relativer Wert zu: Es bedürfe überhaupt einer herrschenden Sitte, ohne die „der Mensch ins Formlose, Kulturlose“[13] versinke und ohne die „die Entfaltung des inneren Ethos“[14] behindert sei.

„Wie zufällig oder konventionell die bestehenden Verkehrsformen auch sein mögen, wie lächerlich sie dem aus fremden Kulturkreise in sie Hineingestellte erscheinen mögen, sie sind doch eine tiefe Lebensnotwendigkeit, und wer sie verletzt, versündigt sich am Mitmenschen genau so sehr wie der Ungerechte und der Lieblose.“

Nicolai Hartmann[15]
  • Franz Ebhardt: Der gute Ton in allen Lebenslagen. Klinckhardt, Leipzig und Berlin; Manz, Wien, 10. Aufl. 1886.(Zuerst erschienen 1878, bis 1928 erschienen 22 Auflagen.) (Digitalisat der 11. Aufl. 1889)
  • Otto von Berger: Der gute Ton, Buch des Anstandes und der guten Sitten, Neuausgabe der Originalausgabe (Wien 1886): Reprint Primus Verlag, Leipzig 28. Juli 2009. ISBN 3-8262-0235-X.
  • Emma Kallmann: Der gute Ton. Handbuch der feinen Lebensart und guten Sitte. Nach den neuesten Anstandsregeln bearbeitet. Steinitz, Berlin 1892 (Erstausgabe). Reprint als Taschenbuch: Zenodot, Berlin 2011. ISBN 978-3-8430-6797-3.
  • Asfa-Wossen Asserate: Manieren. Eichborn, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-8218-4739-5 (unter Mitwirkung von Martin Mosebach).
  • Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-518-28258-1 (französisch: La distinction. Critique sociale du jugement. Paris 1979. Beruht auf empirischen Untersuchungen in Frankreich in den 1960er-Jahren.).
  • Erich Sturtevant: Vom guten Ton im Wandel der Jahrhunderte.
  • Inge Wolff: Umgangsformen. Ein moderner Knigge. Bessermann, München 2004, ISBN 3-8094-1557-X
  • Urs Roeber und Uta Bernsmeier: Manieren. Geschichten von Anstand und Sitte aus sieben Jahrhunderten. Bremen: Focke-Museum, 2009
Wiktionary: Umgangsform – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  1. Nicht immer werden die in einem konkreten Umfeld als „gut“ angesehenen Umgangsformen dort auch tatsächlich praktiziert – oft klafft eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
  2. Z.B. Helen Ann Augst: Das große Buch der Umgangsformen: Das Standardwerk des „guten Tons“ für alle Bereiche des beruflichen und privaten Lebens, Baden-Baden: Humboldt-Taschenbuch, 2004, ISBN 3-89994-891-2
  3. a b Maud Beetz: Der Knigge für das Bankgeschäft: Mit sozialer Kompetenz Imagewerte verbessern und Geschäftserfolge steigern, Wiesbaden: Gabler, 2009, ISBN 978-3-8349-0797-4, S. 18 (eingeschränkte Online-Version in der Google-Buchsuche-USA); Annette Zwahr (Redaktion): Meyers großes Taschenwörterbuch. Bibliographisches Institut, Mannheim 2004, ISBN 3-411-10709-X (Stichwort „Etikette“);Ursula Kraif (Redaktion): Duden – Das Fremdwörterbuch. 9. Auflage. Dudenverlag, Mannheim 2007, ISBN 978-3-411-04059-9 (Stichwort „Etikette“)
  4. Pli. In: Duden online. Abgerufen am 13. März 2022.
  5. Wolfgang Pfeifer et al.: Pli. In: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. 1993 (Online-Ansicht [abgerufen am 13. März 2022]).
  6. Otto von Berger: Der gute Ton, Buch des Anstandes und der guten Sitten, Neuausgabe der Originalausgabe (Wien 1886): Reprint Primus Verlag, Leipzig 28. Juli 2009.
  7. Guido Fuchs: Kleine Geschichte des schlechten Benehmens in der Kirche. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2021, ISBN 978-3-7917-3246-6
  8. Fuchs 144–157.
  9. Bettine Reichelt: Der Kirchen-Knigge, Ein unterhaltsamer Ratgeber, Benno, Meißen 2009, ISBN 978-3-7462-2789-4; Christoph Peter Baumann: Der Knigge der Weltreligionen. Feste, Brauchtum und richtiges Verhalten auf einen Blick, Herder Freiburg i. Br. 2011, ISBN 978-3-451-07115-7; Ludwig Gschwind: Ministranten-Knigge, fe-medien, Kisslegg 2018, ISBN 978-3-86357-207-5.
  10. StGB (Deutschland) § 167 (Störung der Religionsausübung)
  11. Nicolai Hartmann: Ethik. - 3. Auflage. - Walter de Gruyter, Berlin 1949, S. 479
  12. a b Nicolai Hartmann: Ethik. - 3. Auflage. - Walter de Gruyter, Berlin 1949, S. 483
  13. Nicolai Hartmann: Ethik. - 3. Auflage. - Walter de Gruyter, Berlin 1949, S. 482
  14. Nicolai Hartmann, ebd.
  15. Nicolai Hartmann: Ethik. 3. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 1949, S. 480