„Muscheln“ – Versionsunterschied
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{{Dieser Artikel|erläutert die zoologisch als Muscheln bezeichnete Klasse der Weichtiere. Für weitere Bedeutungen siehe [[Muschel]].}} |
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<!-- Für Informationen zum Umgang mit dieser Vorlage siehe bitte [[Wikipedia:Taxoboxen]]. --> |
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! Muscheln |
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| Taxon_Name = Muscheln |
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| class="taxo-bild" | [[Image:Bivalvia.jpg|275px|thumb|verschiedene Muschelarten]] |
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| Taxon_WissName = Bivalvia |
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| Taxon_Rang = Klasse |
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! {{Taxonomy}} |
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| Taxon_Autor = [[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758 |
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| Taxon2_Name = Schalenweichtiere |
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| Taxon2_WissName = Conchifera |
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| Taxon2_Rang = Unterstamm |
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| Taxon3_Name = Weichtiere |
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| ''{{Subdivisio}}:'' || [[Bilateria]] |
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| Taxon3_WissName = Mollusca |
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| Taxon3_Rang = Stamm |
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| ''[[Stamm (Biologie)|Stammgruppe]]:''|| [[Urmünder]] (Protostomia) |
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| Taxon4_Name = Lophotrochozoen |
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| Taxon4_WissName = Lophotrochozoa |
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| Taxon4_Rang = Überstamm |
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| Taxon5_Name = Urmünder |
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| ''{{Phylum}}:'' || [[Weichtiere]] (Mollusca) |
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| Taxon5_WissName = Protostomia |
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| Taxon5_Rang = ohne Rang |
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| ''{{subphylum}}:'' || [[Schalenweichtiere]]<br />(Conchifera) |
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| Taxon6_WissName = Bilateria |
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| Taxon6_Rang = ohne Rang |
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| ''{{classis}}:'' || Muscheln |
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| Bild = Bivalvia.jpg |
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| Bildbeschreibung = Schalen verschiedener Meeresmuschelarten |
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! [[Nomenklatur (Biologie)|Wissenschaftlicher Name]] |
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| class="taxo-name" | Bivalvia |
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| class="Person" | [[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758 |
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Die '''Muscheln''' ( |
Die '''Muscheln''' (''Bivalvia'' von dem [[Latein|lateinischen]] Wort ''bi-valvius'' „zwei-klappig“ abgeleitet) sind eine [[Klasse (Biologie)|Klasse]] der [[Weichtiere]] (Mollusca). Merkmale der Klasse sind eine aus zwei kalkigen Klappen bestehende [[Muschelschale|Schale]] und ein weitgehend reduzierter Kopf. Sie leben weltweit in [[Salzwasser]] (zu 80 Prozent), [[Brackwasser]] und [[Süßwasser]] und sind meist zwischen 0 und 100 m, selten in bis 11.000 m Wassertiefe zu finden. Muscheln leben im Meeresgrund, sind an ihm festgewachsen oder liegen frei auf ihm. Die meisten Muschelarten ernähren sich von [[Plankton]], das sie mit ihren Kiemen aus dem Wasser filtern. Die Lebenserwartung reicht von ca. 1 Jahr bis zu mehr als 500 Jahren. |
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Der Mensch nutzt Muscheln als Nahrungsmittel und Muschelschalen als Ausgangsmaterial für Schmuck z. B. als [[Perle]]nlieferant, [[Souvenir]] und früher auch als [[Muschelgeld]]. Darüber hinaus werden Muscheln auch in Teichen zur Reinigung verwendet. |
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Einige Arten sind wirtschaftlich von großer Bedeutung, sie werden als Nahrungsmittel gehandelt (z.B. [[Austern]], [[Miesmuschel]]n) liefern [[Perlen]] oder können als [[Schädlinge]] wie z. B. [[Schiffsbohrwurm]] hölzerne [[Hafen]]anlagen oder [[Schiff]]srümpfe zerstören. Auch der Handel mit Muscheln für die Andenkenindustrie ist ökonomisch und ökologisch nicht ohne Bedeutung. Wenige Arten z. B. ''Macoma nasuta'' dienen bei Naturvölkern als [[Muschelgeld]]. Muscheln sind für [[Wissenschaftler]] und Amateursammler ein klassisches Arbeitsgebiet. |
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Die Klasse enthält etwa 7500 bis 10.000 [[Rezent#Biologie|rezente]] und 20.000 [[fossil]]e [[Art (Biologie)|Arten]], die in 106 Familien eingeteilt werden. Nach Huber (2010) ist heute von weltweit etwa 8000 [[Meerestier|marinen]] Arten in vier Unterklassen und 99 Familien mit 1100 [[Gattung (Biologie)|Gattungen]] auszugehen. Die Familie der [[Venusmuscheln]] ist mit mehr als 680 Arten die größte marine Familie. Aus dem Süßwasser sind weitere etwa 1200 Arten in sieben zusätzlichen Familien bekannt. Die [[Fluss- und Teichmuscheln]] stellen hier mit etwa 700 Arten die artenreichste Familie. |
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==Wissenschaftliche Bezeichnung== |
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Der wissenschaftliche Name ''Bivalvia'' [[Carl von Linné|Linné]] 1758 ist von der zweigeteilten Kalkschale abgeleitet, die ihren Körper je nach Art mehr oder weniger schützend umhüllt. Die Bezeichnung ''Lamellibranchia'' [[Henri Marie Ducrotay de Blainville|Blainville]] 1824 wurde nach der Gestaltung der Kiemen gewählt und ist in der wissenschaftlichen Literatur am häufigsten zu finden. Weitere vor allem historische Namen sind ''Pelecypoda'' [[Georg August Goldfuß|Goldfuß]] 1820 nach der Gestaltung des Fußes oder ''Acephale'' [[Cuvier]] 1798 aufgrund des fehlenden Kopfes oder ''Conchifera'' [[Lamarck]] 1818, wegen der Muschelschalen. Die Begriffe sind nicht ganz synonym, Probleme bilden die Abgrenzungen der Gruppen, so umfasste z. B. ''Bivalvia'' für Linné auch die [[Brachiopoden]]. Die deutsche Bezeichnung Muscheln wird nicht nur bei Weichtieren verwendet, sondern auch etwa für die zu den [[Krebstiere|Krebsen]] gehörenden [[Entenmuschel]]n). |
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== Wissenschaftliche Bezeichnung == |
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== Entwicklungsgeschichte == |
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Der wissenschaftliche Name „Bivalvia“ ([[Carl von Linné]], 1758) ist von der zweigeteilten Kalkschale abgeleitet, die ihren Körper je nach Art mehr oder weniger schützend umhüllt. |
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[[bild:Muschelgattungen_in_geologischen_Zeiträumen.gif|thumb|Verteilung von 2032 Muschelgattungen vom Kambrium bis zur geologischen Gegenwart]] |
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Die ältesten Fossilien von Muscheln stammen aus dem [[Kambrium]] vor etwa 500 Millionen Jahren. Diese Fossilien waren noch einfach gebaute Weichtiere mit nur einer Schale. Im mittleren [[Ordovizium]] erschienen erstmals Vertreter aller modernen Unterklassen. |
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Die Bezeichnung „Lamellibranchia“ [[Henri Marie Ducrotay de Blainville]] 1824 wurde nach der Gestaltung der Kiemen (''Blattkiemen'') gewählt und ist in der wissenschaftlichen Literatur am häufigsten zu finden. Weitere vor allem historische Namen sind „Pelecypoda“ [[August Goldfuß]] 1820 nach der Gestaltung des Fußes oder „Acephale“ [[Georges Cuvier]] 1798 aufgrund des fehlenden Kopfes oder „Conchifera“ [[Jean-Baptiste de Lamarck]] 1818, wegen der Muschelschalen (''Schalenträger''). |
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Die rezenten Muscheln sind aus sedimentgrabenden Vorformen entstanden. Diese hatten als Anpassung an das Leben im Meeresboden den Kopf bis auf die Mundöffnung und die Mundlappen zurückgebildet. Modernere Formen stellten auf eine Ernährung durch Filtration um. Evolutiv haben sich aus einfachen Fiederkiemen zur Atmung die komplexeren Faden- und Blattkiemen zur Filtration entwickelt. |
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Die Begriffe sind nicht ganz synonym, Probleme bilden die Abgrenzungen der Gruppen, so umfasste z. B. „Bivalvia“ für Linné auch die [[Armfüßer]] (Brachiopoden). Die deutsche Bezeichnung Muscheln wird nicht nur bei Weichtieren verwendet, sondern auch etwa für die zu den [[Krebstiere|Krebsen]] gehörenden [[Entenmuscheln]]. |
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Während der [[Kreide (Geologie)|Kreidezeit]] bildeten schnellwachsende Muscheln riffähnliche Strukturen die mit heutigen [[Korallenriff]]en vergleichbar sind. Diese Muscheln lebten teilweise in Symbiose mit [[Photosynthese]] treibenden Einzellern. Ihre Schalen besitzen lichtleitende Elemente. |
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== Körperbau == |
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In vielen Gesteinen zählen Muscheln zu den besonders häufigen [[Fossilien]], da ihre Schale sich gut erhält. Sie dienen deswegen oft als [[Leitfossil]]ien, werden von Laien aber oft mit den ähnlichen [[Armfüßer]]n (Brachiopoda) verwechselt. |
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=== Weichkörper === |
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Bei Muscheln ist der Kopf reduziert. Der Weichkörper der Muschel wird beidseitig von den Mantellappen bedeckt und umschließt die Kiemen und die meist getrenntgeschlechtlichen [[Gonade]]n. Das Kreislaufsystem mit einem Herzen ist offen. Typische Muskeln sind die zwei getrennten Schließmuskeln, die die beiden Schalenhälften zusammenziehen, die Fußrückziehmuskeln und die Mantelrückziehmuskeln. Der Fuß der Muscheln ist beweglich und mit Schleimdrüsen ausgestattet. Das Nervensystem besitzt zwei Nervenzellhäufungen: das Pedal- und das [[Ganglion (Nervensystem)|Viszeralganglion]]. |
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==== Rudimente des Kopfes ==== |
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Die Evolutionsgeschwindigkeit der Muscheln ist sehr unterschiedlich, während Leitfossilien eine durchschnittliche Lebensdauer der Art von 0,3 bis 1 Mio. Jahre besitzen, sind einzelne Gattungen langlebig. Die Gattungen ''Gryphaea'' ist seit dem unteren Jura (195 Mill. Jahre), die Gattung Spondylus seit dem Perm (285 Mio. Jahre) und [[Lima (Biologie)|''Lima'']] seit dem Oberen Karbon (320 Mio. Jahre) nachgewiesen. |
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Aufgrund der ursprünglich im Sediment grabenden Lebensweise ist der Kopf mit Ausnahme der Mundregion zurückgebildet (deswegen nannte [[Frédéric Cuvier]] 1798 die Muscheln „Acephala“, die Kopflosen). Im Vergleich mit den anderen Weichtieren nur noch [[rudiment]]är sind die Tentaktel, die Kiefer, die [[Radula]] und die Zunge. Die Schlunddrüsen sind weitgehend reduziert. Neben der Mundöffnung sitzen noch paarige, flache Mundlappen. Auf diesen Mundlappen sitzen bei ursprünglichen Formen (wie den [[Nussmuscheln]]) noch bewimperte Taster, die Nahrungspartikel zur Mundöffnung transportieren. |
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==== Mantel ==== |
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Das ursprüngliche Schloß der Muscheln besitzt eine große Zahl kleiner, gleichförmiger Zähnchen, während hoch abgeleitete Formen wenige spezialisierte oder gar keine Zähne besitzen. |
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[[Datei:Mya arenaria met dier vertikaal.jpg|mini|Sandklaffmuschel mit Sipho. Aus Herklots, 1859]] |
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Der Weichkörper der Muschel wird beidseitig von den Mantellappen bedeckt und geschützt. Der von den beiden Mantellappen gebildete Raum wird als Mantelraum bezeichnet. |
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Der Mantelrand besteht aus drei Falten, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen: Die äußerste Randfalte bildet Schale und Schalenhaut (Periostracum), die mittlere dient der Wahrnehmung sensorischer Aufgaben (z. B. Punktaugen) und die innere Falte reguliert den Wasserstrom in den Mantelraum zu den Kiemen. |
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== Körperbau == |
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[[Datei:Scallop eyes.jpg|links|mini|Bei dieser Kammmuschel sind die Punktaugen zu erkennen]] |
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Der Mantelrand ist bei den meisten Arten hell-dunkel-empfindlich. Bei schwimmenden Muscheln, wie [[Kammmuscheln|Kamm]]- (''Pecten'') und Feilenmuscheln (''Lima''), die genauere Informationen über ihre Umgebung brauchen, ist der Mantelrand mit einfachen [[Ocellus|Ocellen]] (Punktaugen) besetzt. Bei der Gattung ''[[Arca (Gattung)|Arca]]'' können es über 200 Augen sein. |
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Ursprünglich verlaufen die Mantelränder getrennt und parallel zum Schalenrand (integripalliat). Abgeleitet sind bei den meisten Arten die aneinander liegenden Mantelränder mehr oder weniger miteinander verwachsen. Zum Teil bleiben nur drei Öffnungen bestehen: zwei Öffnungen am hinteren Ende der Muschel, durch die Atemwasser und Nahrung in den Mantelraum ein- und – durch die Kiemen gefiltert – wieder ausströmen, sowie einer Öffnung für den Fuß. |
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=== Muschelschale === |
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[[Bild:Muschel Innenseite.png|thumb|Innenseite einer linken Muschelschale]] |
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[[Bild:Muschel von Dorsal.png|thumb|Muschel von dorsal (von oben)]] |
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[[Bild:Muschelschale.jpeg|thumb|Schale einer Herzmuschel]] |
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Die Muschelschale besteht aus zwei Klappen, einer rechten und einer linken und umgibt den Weichkörper der Muschel. Beide Klappen werden auf dem Rücken (also oben) mittels einem Schloß und einem Ligament zusammengehalen. Die Schalen besteht hauptsächlich aus [[Kalk]] in Form des [[Aragonit]], dessen Kristalle mittels einer organischen Substanz, dem [[Conchin]], verkittet werden. Sie wird vom Mantel, einer Hautfalte der Muschel, gebildet und zwar in drei Schichten: dem farbigen [[Periostracum]], der Prismenschicht und der oft regenbogenfarbig schillernden [[Perlmutt]]schicht. Die beiden Hälften werden durch zwei innere Schließmuskeln zusammengehalten und sind rückenseitig durch ein Schlossband aus nicht verkalkendem Conchin, dem so genannten [[Ligament]], gelenkig verbunden. Dieses ist sehr elastisch und arbeitet antagonistisch zu den [[Schließmuskel]]n. Nach dem Tod des Tieres klaffen daher die beiden Schalen auseinander und werden durch mechanische Beanspruchung, wie etwa die [[Brandung]], leicht getrennt, sodass man meist nur mehr einzelne Schalenhälften findet, im Gegensatz zur selteneren Dublette, die noch aus beiden Klappen besteht. Die Ansatzstellen der Schließmuskel und der Mantelrückziehmuskel (die Mantellinie) spielen für Systematik und Bestimmung eine wichtige Rolle. |
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Der Mantelrand um die Atemöffnungen des Mantels sind bei grabenden oder bohrenden Muschelarten oft schlauchförmig verlängert, so dass die Muschel auch im Substrat mit Atemwasser und Nahrung versorgt ist. Die schlauchförmigen Mantelfortsätze bezeichnet man als [[Sipho (Organ)|Siphonen]]. Man unterscheidet einen zuführenden Sipho (Ingestionssipho) und einen ausführenden Sipho (Egestionssipho). Beide können zu einer einziehbaren Doppelröhre verwachsen sein, die im ausgestreckten Zustand länger sein kann als die Muschel selbst. |
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Damit die beiden Hälften seitlich nicht verrutschen, tragen sie meist so genannte Schlosszähne, deren Ausbildung auch die systematische Zuordnung erleichtert. Diese Schlosszähne bestehen aus zahn- oder leistenförmigen Erhebungen am inneren Rückenrand der Klappen beziehungsweise entsprechenden Gruben auf der Gegenklappe, die ineinander greifen. Aus den ursprünglich [[taxodont]]en Muscheln mit vielen gleichartigen Zähnen haben sich die heute dominierenden [[heterodont]]en Formen entwickelt, deren Schloss aus wenigen Hauptzähnen und bis zu vier leistenförmige Seitenzähnen besteht. |
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Damit dieser Sipho bei Gefahr in die Schale zurückgezogen werden kann, musste die Ansatzlinie der Mantelrandmuskeln nach innen ausweichen. Diese zurückgewichene Ansatzlinie ist in der Schale anhand einer mehr oder weniger ausgeprägten Mantelbucht der Mantellinie zu erkennen (sinupalliat). |
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Auch ineinander greifende Einkerbungen am unteren Schalenrand können ein seitliches Verrutschen verhindern. Diese Einkerbungen sind ebenfalls bestimmende Merkmale einer Muschelart. |
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[[Sandklaffmuschel]]n (''Mya arenaria'') beispielsweise leben eingegraben im Substrat des [[Wattenmeer]]es und versorgen sich durch den Sipho. Werden sie aus dem Substrat ausgespült, müssen sie sterben. Im Gegensatz dazu sitzt die [[Gemeine Miesmuschel]] (''Mytilus edulis'') angeheftet auf festen Untergrund und benötigt deshalb keinen Sipho. Sie stirbt daher, wenn sie von Substrat begraben wird. |
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In Farbe, Form und Beschaffenheit sind die Schalen der einzelnen Arten sehr unterschiedlich. Weiße stachlige existieren ebenso wo längliche, schwarze und glatte Schalen. |
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Im Mantelrand der [[Riesenmuscheln]] (''Tridacna'') leben symbiotische [[Algen]] (Zooxanthellen), die von der Muschel geschützt werden. Im Gegenzug dafür kommt die Muschel in den Genuss der [[Photosynthese]]produkte der Algen. |
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=== Weichkörper === |
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==== Mantel ==== |
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[[Bild:Scallop eyes.jpg|thumb|Bei dieser Kammmuschel sind die Punktaugen zu erkennen]] |
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Der Weichkörper der Muschel wird beidseitig von den Mantellappen bedeckt und geschützt. Der von den beiden Mantellappen gebildete Raum wird als Mantelraum bezeichnet. Meist sind die aneinander liegenden Mantelränder miteinander verwachsen, mit Ausnahme von zwei Öffnungen am hinteren Ende der Muschel, durch die Atemwasser und Nahrung in den Mantelraum gelangen, sowie einer Öffnung für den Fuß. Mit Ausnahme des Fußes befindet sich der übrige Weichkörper der Muschel im Inneren des Mantelraumes. |
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==== Kiemen ==== |
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Der Mantelrand besteht aus drei Falten, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen: Die äußerste Randfalte bildet Schale und Schalenhaut (Periostracum), die mittlere dient der Wahrnehmung sensorischer Aufgaben und die innere Falte reguliert den Wasserstrom in den Mantelraum. |
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[[Datei:Muscheln mit Sipho Nahaufnahme.jpg|mini|Muscheln mit [[Sipho (Organ)|Sipho]]]] |
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Evolutionär haben sich aus einfachen Fiederkiemen zur Atmung die komplexeren Faden- und Blattkiemen zur Filtration entwickelt. Die im Mantelraum liegenden [[Kiemen]] der Muschel dienen dann nicht nur zur [[Atmung]], sondern bei den meisten Arten außerdem zur Nahrungsaufnahme. Die Kiemen sind – wie die ganze Mantelhöhle – mit [[Zilie|Wimpern]] besetzt, die einen Atemwasserstrom produzieren, der auch Nahrungspartikel einstrudeln kann. Die Kiemenbögen produzieren einen Schleim, in dem die Partikel hängenbleiben und auf Wimpernbändern zum Mund transportiert werden. Ungeeignete Partikel werden jedoch nicht verschluckt, sondern in Schleim zu größeren Scheinkotballen – [[Pseudofaeces]] – zusammengerollt und mit dem ausströmenden Wasser nach außen abgegeben. |
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Kiementypen: |
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Aufgrund der vorwiegend ortsfesten Lebensweise der meisten Muschelarten ist der Kopf mit Ausnahme der Mundregion zurückgebildet (deswegen nannte [[Frédéric Cuvier]] 1798 die Muscheln Acephala - die Kopflosen). |
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* Die paarigen '''Fiederkiemen''' (Ctenidien) bestehen jeweils aus einem Schaft mit mehreren Kiemenblättchen.<ref>Pia Andrea Egger: ''[http://othes.univie.ac.at/2592/1/2008-11-15_7903560.pdf Anatomisch-histologische Untersuchung der Kiemenretraktoren bei ausgewählten Arten der Caudofoveata (Mollusca).]'' (PDF) Diss. Universität Wien, 2008.</ref> |
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* Bei den '''Fadenkiemen''' (Filibranchien) hängen vor und hinter dem Fuß W-förmige Kiemenfäden in zwei Reihen in den Mantelraum. Die Kiemenfäden sind dorsal an der mittleren Spitze des W befestigt und die Schenkel des W untereinander durch kleine Wimpernstrukturen verbunden. |
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* Die netzartigen '''Schein-Blattkiemen''' (Pseudolamellibranchien) sind durch seitliche Verwachsung der Kiemenfäden, also Verbindungen zwischen aufeinanderfolgenden „Ws“ entstanden. |
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* Die echten '''Blattkiemen''' (Eulamellibranchien) sind durch echte, von Blutgefäßen durchzogene, Gewebebrücken zwischen den Kiemenfäden gekennzeichnet. |
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* Die '''Netzkiemen''' (Septibranchien) sind schmal, netzförmig und seitlich mit dem Mantel verwachsen. Diese Verwachsung ist muskulös. Bei einigen Formen sitzen die Kiemen in Lochreihen dieser Verwachsung die dann eine Scheidewand (Septum) ausbildet, selten sind die Kiemen ganz reduziert. Typischerweise sind die Netzkiemen-Arten Tiefseebewohner und saugen z. T. aktiv Nahrung ein. |
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==== Kreislaufsystem ==== |
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Bei schwimmenden Muscheln, wie [[Kammmuscheln|Kamm-]] (''Pecten'') und [[Feilenmuscheln]] (''Lima''), die genauere Informationen über ihre Umgebung brauchen, ist der Mantelrand mit einfachen [[Ocelle]]n (Punktaugen) besetzt. Bei der Gattung [[Arca]] können es über 200 Augen sein. |
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Das Blutgefäßsystem der Muscheln ist, wie bei den meisten Weichtieren, offen. Das Herz hat zwei Vorkammern und eine Hauptkammer. Die Hauptkammer wird primär und sekundär vom Enddarm durchzogen. |
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==== Fuß ==== |
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Im Mantelrand der [[Riesenmuscheln]] (''Tridacna'') leben symbiotische [[Algen]] (Zooxanthellen), die von der Muschel geschützt werden, die im Gegenzug dafür in den Genuss der [[Photosynthese]]produkte der Algen kommt. |
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Der ursprünglich flach beilförmige Fuß der Muscheln kann, angepasst an Lebensweise und Fortbewegung, unterschiedliche Formen wie balkenförmig, zungenförmig oder wurmförmig annehmen. Schwimmende und festsitzende Muschelarten haben oft einen weitgehend zurückgebildeten Fuß. Der Fuß trägt die [[Byssus]]drüsen, die vor allem bei Jungmuscheln Haftfäden (70 % [[Kollagen]]) produzieren. Bei einigen Arten produzieren auch die ausgewachsenen Tiere Byssusfäden, mit denen sich die Muscheln am Untergrund verankern (z. B. bei [[Miesmuscheln]] (Mytilidae), [[Archenmuscheln]] (Arcidae), [[Kammmuscheln]] (Pectinidae) und [[Steckmuscheln]] (Pinnidae)). Die Byssusverbindung kann später gelöst werden, indem die Muschel die Fäden sekretorisch abtrennt (''Mytilus'') oder ganz abstößt ([[Perlmuscheln]] (''Pinctada'')). Miesmuscheln nutzen ihre Byssusfäden auch zur Verteidigung, indem sie kleinere [[Schnecken]], z. B. [[Reusenschnecken]] (''Hinia'') damit einspinnen. |
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=== Gehäuse === |
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Die Atemöffnungen des Mantels sind bei grabenden oder bohrenden Muschelarten oft schlauchförmig verlängert, so dass die Muschel auch im Substrat mit Atemwasser und Nahrung versorgt ist. Die schlauchförmigen Mantelfortsätze bezeichnet man als Siphonen, man unterscheidet einen zuführenden Sipho (Ingestionssipho) und einen ausführenden Sipho (Egestionssipho). Beide können zu einer einziehbaren Doppelröhre verwachsen sein, die im ausgestreckten Zustand länger sein kann, als die Muschel selbst. |
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[[Datei:Muschel Innenseite.png|mini|Innenseite einer linken Muschelschale]] |
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[[Datei:Muschel von Dorsal.png|mini|Muschel von dorsal (von oben), rechte Schalenklappe unten]] |
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[[Datei:Muschelschale.jpeg|mini|Schale einer Herzmuschel, Innenansicht der linken Schalenklappe]] |
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[[Datei:3D flight around a µCT scan of a Mytilus covered with Balanidae.ogv|mini|[[Computeranimation|Computeranimierte]] 3D-Ansicht eines [[Industrielle Computertomographie|µCT]]-Scans einer jungen Miesmuschel, die stark mit [[Seepocken]] besetzt ist. Auflösung des Scans ca. 29 µm/[[Voxel]].]] |
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Das Gehäuse der Muscheln besteht aus einer rechten und einer linken Klappe und umgibt den Weichkörper der Muschel. Beide Klappen werden auf dem Rücken (also oben) mit einem Schloss und einem Schlossband ([[Ligament]]) zusammengehalten. Der [[Wirbel (Umbo)]] ist der älteste Teil des Muschelgehäuses. Farben und Formen sind sehr variabel. Das Gehäuse wird vom Mantel, einer Hautfalte der Muschel, gebildet und zwar in drei Schichten: der farbigen Schalenhaut ([[Periostracum]]), der Prismenschicht (Ostracum) und der inneren Kalkschicht (Hypostracum). Die beiden Hälften können durch zwei innere Schließmuskeln zusammengezogen werden. |
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==== Material ==== |
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[[Sandklaffmuscheln]] (''Mya arenaria'') leben so z.B. eingegraben im Substrat des Wattenmeers und versorgen sich über die Siphone mit Nahrung. Werden sie aus dem Substrat ausgespült, müssen sie sterben. Im Gegensatz dazu lebt die [[Miesmuschel|Gemeine Miesmuschel]] (''Mytilus edulis'') auf dem Substrat und besitzt daher keine [[Siphon]]e. Wird sie vom Substrat bedeckt, muss sie ihrerseits sterben. |
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Die inneren Schalenschichten bestehen hauptsächlich aus [[Calciumcarbonat|Kalk]], dessen Kristalle mittels einer organischen Substanz, dem [[Conchin]], verkittet werden. Die Art der gebildeten Kalkstrukturen hat sich im Laufe der [[Evolution]] verändert: Ursprüngliches Merkmal ist die Bildung von [[Perlmutt|perlmuttrigem]] [[Aragonit]]. Bei den heute dominierenden [[Heterodonta]] und bei den [[Taxodonta]] wird als [[abgeleitetes Merkmal]] ein kreuzlamellärer Aragonit gebildet. Parallel dazu entwickelten die [[Pteriida]] die Einlagerung von [[Calcit]]. |
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Calcit tritt auch abgeleitet in der mittleren Prismenschicht auf, und zwar bei den [[Anisomyaria]] und den ausgestorbenen [[Hippuritoida]]. Die Calcit- und Aragonitkristalle sind in der Prismenschicht in kleinen, eckigen Säulen ([[Prisma (Geometrie)|Prismen]]) angeordnet, die mehr oder weniger senkrecht nach außen zeigen. |
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==== Kiemen ==== |
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Die im Mantelraum liegenden [[Kiemen]] der Muschel dienen ihr nicht nur zur [[Atmung]], sondern den meisten Arten außerdem zur Nahrungsaufnahme. Dei Kiemen sind - wie die ganze Mantelhöhle - mit [[Wimper]]n besetzt die einen Atemwasserstrom produzieren der auch Nahrungspartikel einstrudeln kann. Evolutiv haben sich aus einfachen Fiederkiemen zur Atmung die komplexeren Faden- und Blattkiemen zur Filtration entwickelt. |
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Das äußere Periostracum besteht aus organischem [[Conchin|Conchiolin]] und kann verschieden ausgeprägt sein. Am häufigsten wird eine dünne Haut ausgebildet, es kommen aber auch „Haare“ (z. B. [[Bärtige Archenmuschel]]) und lappige Vorhänge (z. B. ''[[Solemya togata]]'') vor. |
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* Die paarigen '''Fiederkiemen''' (''Ctenidien'') bestehen jeweils aus einem Schaft mit mehreren Kiemenblättchen. |
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* Bei den '''Fadenkiemen''' (''Filibranchien'')hängen vor und hinter dem Fuß W-förmige Kiemenfäden in zwei Reihen in den Mantelraum. Die Kiemenfäden sind dorsal an der mittleren Spitze des W befestigt und miteinander durch kleine Wimpernstrukturen verbunden. |
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* Die netzartigen '''Schein-Blattkiemen''' (''Pseudolamellibranchie'') dieser Gruppe sind durch seitliche Verwachsung der Kiemenfäden entstanden. |
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* Die echten '''Blattkiemen''' (''Eulamellibranchie'')dieser Gruppe sind durch echte, von Blutgefäßen durchzogene, Gewebebrücken zwischen den Kiemenfäden entstanden. |
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==== Ligament ==== |
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Eigentlich ist die Schale nur im Bereich der beiden Kalkschichten (Ostracum und Hypostracum) in zwei Hälften geteilt. Die äußerste Schalenschicht, das Periostracum, überzieht die Schale auch hier, verstärkt sich zum Ligament und verbindet so rückenseitig die beiden Schalenhälften. Dieses Ligament zieht oft in den Scharnierbereich hinein und verdickt sich zum Resilinum (siehe [[Resilin]] und [[Abductin]]). Dieses Schlossband besteht aus nicht verkalkendem [[Conchin]]. Dieser Ligament-Resilinum-Komplex ist sehr elastisch und arbeitet antagonistisch zu den [[Schließmuskel]]n. Nach dem Tod des Tieres klaffen daher die beiden Schalen auseinander und werden durch mechanische Beanspruchung, wie etwa die [[Brandung]], leicht getrennt, sodass man meist nur mehr einzelne Schalenhälften findet – im Gegensatz zur selteneren Dublette, die noch aus beiden Klappen besteht. |
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Das Blutgefäßsystem der Muscheln ist, wie bei den meisten Weichtieren, offen. Das Herz hat zwei Vor- und eine Hauptkammer. Die Hauptkammer wird sekundär vom Enddarm durchzogen. |
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==== Schloss ==== |
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Damit die beiden Hälften seitlich nicht verrutschen, tragen sie meist sogenannte Schlosszähne, deren Ausbildung auch Grundlage systematischer Zuordnungen ist. Diese Schlosszähne bestehen aus zahn- oder leistenförmigen Erhebungen am inneren Rückenrand der Klappen beziehungsweise entsprechenden Gruben auf der Gegenklappe, die ineinandergreifen. Auch ineinandergreifende Einkerbungen am unteren Schalenrand können ein seitliches Verrutschen verhindern. Diese Einkerbungen sind ebenfalls bestimmende Merkmale einer Muschelart. |
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Der ursprünglich flach beilförmige Fuß der Muscheln kann, angepasst an Lebensweise und Fortbewegung, unterschiedliche Formen wie balkenförmig, zungenförmig oder wurmförmig annehmen. Schwimmende und festsitzende Muschelarten haben oft einen weitgehend zurückgebildeten Fuß. Der Fuß trägt die [[Byssus]]-drüsen die vor allem bei Jungmuscheln Haftfäden (70% [[Kollagen]]) produzieren. Bei einigen Arten produzieren auch die adulten Tiere Byssusfäden, mit denen sich die Muscheln am Untergrund verankern. ([[Miesmuscheln]] (''Mytilus''), [[Archenmuscheln]] (''Arca''), [[Kammmuscheln]] (''Pecten''), [[Steckmuscheln]] (''Pinna'')). Die Byssusverbindung kann später gelöst werden, indem die Muschel die Fäden sekretorisch abtrennt (''Mytilus'') oder ganz abstößt ([[Perlmuscheln]] (''Pinctada''). Miesmuscheln nutzen ihre Byssusfäden auch zur Verteidigung, indem sie kleinere [[Schnecken]], z. B. [[Reusenschnecken]] (''Hinia'') damit einspinnen. |
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Es werden bis zu neun verschiedene Schlosstypen unterschieden: |
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== Fortbewegung == |
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* [[taxodont]] (''reihenzähnig''): zahlreiche Zähne sind in einer (meist abnehmenden) Reihe am Rand der Muschel platziert (z. B. bei [[Archenmuscheln]]) |
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* [[heterodont]] (''verschiedenzähnig''): wenige große Zähne und max. vier Nebenzähne (z. B. bei ''[[Cerastoderma]]'', ''[[Venusmuschel]]'') |
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* [[Desmodont (Muscheln)|desmodont]] (''bandzähnig''): Zwei Zähne zu einem verwachsen mit löffelförmigen [[Chondrophor]], einem vorstehenden Träger des inneren Ligaments (z. B. bei ''Mya'') |
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* [[pachyodont]] (''dickzähnig''): ein bis drei dicke Zapfen, die in tiefe Gruben der Gegenseite passen |
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* [[dysodont]] (''schlecht bezahnt''): ohne Zähne – nur kleine Erhebungen (z. B. bei ''[[Ostrea]]'') |
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* [[schizodont]] (''spaltzähnig''): mittlerer Zahn der linken Klappe meist gespalten und rechts von zwei keilförmigen Zähnen umrahmt |
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* [[isodont]] (''gleichzähnig''): zwei bis vier Zähne symmetrisch auf beiden Klappen |
|||
* [[hemidapedont]]: schwach ausgebildete Hauptzähne, nur selten Nebenzähne |
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* [[anomalodesmatisch]]: ohne oder nur mit schwach ausgebildeten Zähnen, mit Chondrophor, einem vorstehenden Träger des inneren Ligaments (Schließknorpel oder Resilium) |
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Analog spricht man bei den Schalen der [[Articulata (Armfüßer)|Articulata]], die keine Muscheln sind, sondern zu den Armfüßern gehören, vom Schloss. |
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Folgende Fortbewegungsarten sind bei Muscheln beobachtet worden: |
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==== Muskelabdrücke ==== |
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* Durch Schalenklappern freies Schwimmen auf kurzen Strecken |
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Die Ansatzstellen der Schließmuskeln (Schließmuskelabdrücke) und der Mantelrückziehmuskeln (die Mantellinie) spielen für Systematik und Bestimmung eine wichtige Rolle. Von den Schließmuskelabdrücken sind ursprünglich zwei gleich große vorhanden (''isomyar''). Im Lauf der Evolution entstanden Arten mit unterschiedlich großen Schließmuskelabdrücken (''anisomyar'' oder ''heteromyar'') und solche mit nur einem Abdruck (''monomyar''). |
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:Arten der Gattung [[Feilenmuschel]]n ''Lima'' schwimmen gut, einige der Familie [[Kammmuschel]]n ''Pectinidae'' ebenfalls. Sie können durch ruckartiges Zusammenklappen der Schalenhälften einen gerichteten Wasserstrom erzeugen und sich so nach dem [[Rakete]]nprinzip ein Stückchen durch das Wasser bewegen. Kammmuscheln können angeblich Wasser auch gezielt durch die Öhrchen an den Seiten ausstoßen und so ihre Bewegungen unterstützt durch ihre [[Linsenaugen]] feiner koordinieren. |
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Die Mantellinie veränderte sich von einer einfachen gebogenen Linie, die die beiden Schließmuskelabdrücke verbindet, (''integripalliat'', vgl. das Foto einer Herzmuschel) hin zu einer eingebuchteten Form (''sinupalliat'', vgl. Zeichnung). |
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==== Formen ==== |
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[[Datei:Muschelkonvergenz 1.jpg|mini|hochkant=1.3|Konvergente Schalenformen bei Muscheln: ''Panopea'' und ''Mya'' leben vergraben im Sediment]] |
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In Farbe, Form und Beschaffenheit sind die Schalen der einzelnen Arten sehr unterschiedlich. Weiße und stachlige existieren ebenso wie längliche, schwarze und glatte Schalen. |
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Die Schalenform der Muscheln ist an ihre jeweilige Lebensweise angepasst. Da Muscheln aus unterschiedlichen Gruppen oft ähnliche Lebensweisen besitzen, etwa im Sediment vergraben durch einen Sipho Wasser filtrieren, bilden sie trotz geringer Verwandtschaft oft ähnliche Schalenformen aus ([[Analogie (Biologie)|Konvergenz]]). Der Zusammenhang zwischen Schalenform und Lebensweise ermöglicht auch die Rekonstruktion der Lebensweise fossiler Formen und eventuell auch deren Habitate. |
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==== Löcher ==== |
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Am Strand angespülte Muschelschalen weisen manchmal kreisrunde, 1–3 mm große Löcher auf. Diese werden von Raubschnecken (meist [[Naticidae]]) erzeugt, welche die Muschel mit ihrer [[Radula|Raspelzunge]] aufbohren und dann die Weichteile verzehren.<ref>Wolfgang von Buddenbrook: ''Vergleichende Physiologie''. Band III: ''Ernährung, Wasserhaushalt und Mineralhaushalt der Tiere''. Springer Basel 1956, S. 262</ref> |
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== Lebensweise == |
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=== Lebensräume === |
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[[Datei:2 Tridacna gigas.jpg|mini|[[Riesenmuscheln]] sind mit bis zu 140 cm Länge und 400 kg Gewicht die größten noch lebenden Muscheln]] |
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Muscheln sind an das Leben im [[Wasser]] gebunden. Sie kommen sowohl im [[Salzwasser]], [[Brackwasser]] als auch [[Süßwasser]] vor, von der [[Arktis]] und [[Antarktis]] bis in die [[Tropen]]. Besonders im [[Wattenmeer]] findet man sehr große Mengen an Muscheln (beispielsweise [[Herzmuschel]]n und [[Miesmuscheln]]) im beziehungsweise auf dem [[Watt (Küste)|Watt]]. Sie stellen eine wichtige Nahrung für Seevögel dar. |
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Die Art ''[[Enigmonia aenigmatica]]'' (Holten, 1803) (eine [[Anomiidae]]) lebt in der Gezeitgischt auf Mangrovenblättern im [[Indopazifik]] und entspricht am ehesten einer Lebensweise an Land. |
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Muscheln leben als erwachsene Tiere überwiegend sessil (festsitzend), teils an festen Oberflächen, beispielsweise Felsen oder Steinen, teils im Sand oder Schlick. Sie gehören also zum [[Benthos]]. |
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Sie sind von der Gezeitenzone bis in die Tiefsee verbreitet. |
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=== Fortbewegung und Verankerung === |
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Folgende Fortbewegungsarten sind bei Muscheln beobachtet worden: |
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* Fortbewegung mit Hilfe des Fußes |
* Fortbewegung mit Hilfe des Fußes |
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:Die häufigste Fortbewegungsweise bei Muscheln ist die Fortbewegung mit Hilfe ihres Fußes. Dieser Körperteil kann |
:Die häufigste Fortbewegungsweise bei Muscheln ist die Fortbewegung mit Hilfe ihres Fußes. Dieser Körperteil kann zum Beispiel bei [[Herzmuschel]]n (Cardiidae) auf die dreifache Länge des Schalendurchmessers gestreckt werden. Dank ihres Fußes können sich Muscheln schnell eingraben, ruckweise kriechen oder sogar springen ([[Knotige Herzmuschel]] (''Acanthocardia tuberculata'') aus einem 20 cm hohen Aquarium). Für die Fortbewegung brauchen die Muscheln ein geeignetes Substrat, da sie im Gegensatz zu Schnecken nie einen echten Kriechfuß besitzen. Arten der Gattung ''Sphaerium'' sind in der Lage, sich auf Pflanzen spannerartig fortzubewegen, indem der Fuß ausgestreckt, die Spitze festgeklebt und der Körper nachgezogen wird. |
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* Durch Schalenklappern freies Schwimmen auf kurzen Strecken |
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:Arten der Gattung ''[[Lima (Gattung)|Lima]]'' schwimmen gut, einige der Familie [[Kammmuscheln]] (Pectinidae) ebenfalls. Sie können durch ruckartiges Zusammenklappen der Schalenhälften einen gerichteten Wasserstrom erzeugen und sich so nach dem [[Rückstoßantrieb|Raketenprinzip]] ein Stückchen durch das Wasser bewegen. Kammmuscheln können angeblich Wasser auch gezielt durch die Öhrchen an den Seiten ausstoßen und so ihre Bewegungen, unterstützt durch ihre [[Linse (Auge)|Linsenaugen]], feiner koordinieren. |
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* Verankern mit Byssusfäden |
* Verankern mit Byssusfäden |
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:Einige Muscheln ( |
:Einige Muscheln (unter anderem [[Miesmuscheln]] (''Mytilus''), [[Steckmuscheln]] (Pinnidae), [[Archenmuscheln]] (Arcidae) und [[Sattelmuschel]] (''Anomia ephippium'')) spinnen mit einem Sekret der Byssusdrüse an ihrem Fuß so genannte [[Byssus]]fäden, mit denen sie sich aneinander und an der Unterlage festkleben. Für Positionswechsel können zumindest Miesmuscheln die Byssusfäden mit einem Sekret wieder auflösen. |
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* Feste Verankerung mit der Schale am Untergrund |
* Feste Verankerung mit der Schale am Untergrund |
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:Bekanntestes Beispiel sind die [[Austern]] |
:Bekanntestes Beispiel sind die [[Austern]] (Ostreidae). Weitere festgewachsene Gattungen: ''Chama'', ''Pseudochama'', einige ''Anomia''-Arten, [[Stachelaustern]] (''Spondylus''). |
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* Keine feste Verankerung, da von Substrat geschützt |
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== Fortpflanzung und Entwicklung == |
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: Bei Arten, die in Substrat wie Holz oder Stein bohren, kann die Bewegungsfähigkeit eingeschränkt und die Schale als Schutz reduziert sein. Beispiele: [[Teredinidae|Schiffsbohrwürmer]] und [[Krause Bohrmuschel]]. |
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Die meisten Muschelarten sind getrennt geschlechtlich; es existieren also sowohl männliche, als auch weibliche Tiere. [[Befruchtung]] und anschließende Larvalentwicklung finden äußerlich im Wasser statt. Der Ausstoß von Eiern und Samenzellen kann etwa bei den [[Riesenmuscheln]] (''Tridacna'') hormonal koordiniert sein. Nach einer Entwicklung über ein [[Larve]]nstadium vom Trochophora- oder Veliger-Typus entsteht aus der Larve nach einer [[Metamorphose]] die Jungmuschel, die sich während ihres Heranwachsens einen passenden Ort sucht, an dem sie das Erwachsenenleben verbringen kann. Bei [[Miesmuscheln]] (''Mytilus''), [[Austern]] (''Ostrea'') und anderen koloniebildenden Arten bleiben die Jungmuscheln meist in der Nähe der Kolonie und befestigen sich anschließend nicht nur am Untergrund, sondern auch an anderen Muscheln. So entstehen beispielsweise die Muschelbetten der Miesmuschel wie man sie aus dem [[Wattenmeer]] kennt. |
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=== Ernährung === |
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Die im Süßwasser lebenden Muschelarten zeigen sehr unterschiedliche Fortpflanzungs- und Entwicklungsmethoden. Diese Muschelgruppen, ebenso wie die im Süßwasser und an Land lebenden [[Schnecken]]gruppen, haben sich im Verlauf ihrer Entwicklung stark an die wechselhaften Lebensbedingungen, die das Süßwasser von den relativ konstanten Bedingungen im Meer unterscheiden, angepasst. Die Gruppe der Flussmuschelverwandten (Unionacea), zu denen die in Mitteleuropa heimischen Großmuscheln (Maler-, Bach-, Teich- und Flussperlmuscheln) gehören, entwickelt sich über ein [[Parasitismus|parasitisches]] Larvenstadium, die so genannten Glochidien, die sich zur weiteren Entwicklung erfolgreich an einem vorbeischwimmenden [[Fische|Fisch]] festheften müssen. |
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Die Muscheln waren ursprünglich [[Substratfresser|Sedimentfresser]], abgeleitet entstanden [[Filtrierer|filtrierende]] Planktonfresser und Sonderformen wie [[Holzfresser]], [[Fleischfresser|Jäger]] und Bakterienzüchter. |
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Die urtümlichen Muscheln aus der Unterklasse [[Protobranchia]] sammeln mit verlängerten Mundlappen vom umgebenden Substrat essbare Partikel, wie Protozoen, Eier, Larven und verdaulichen Detritus ein. Die Nahrung gelangt anschließend über eine Wimperrinne zur Mundöffnung. |
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Im Gegensatz dazu sind die meisten im Süßwasser lebenden Kleinmuscheln ([[Erbsenmuscheln]] (''Pisidium'') und [[Kugelmuscheln]] (''Sphaerium'') zwittrige Tiere, die lebende Larven gebären (Ovoviviparie). Die zu den Dreikantmuscheln gehörende [[Wandermuschel]] (''Dreissena polymorpha'') hingegen entwickelt sich, wie ihre meereslebenden Verwandten, über ein veligerähnliches planktontisches Larvenstadium. |
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Die meisten höher entwickelten Muscheln ernähren sich ausschließlich durch Filtration ihres Atemwassers. Im Mantelraum und auf den Kiemen gelegene Wimpern erzeugen einen gerichteten Wasserstrom, der durch eine Atemöffnung eintritt und durch die andere wieder austritt. Feste Teilchen im Atemwasser werden an den Kiemen aufgefangen und gelangen in einem Schleimpaket zur Mundöffnung. Die verwertbaren Partikel, meist [[Plankton]], werden verdaut, der Rest in Kotschnüren ausgeschieden. Aufgrund ihrer Ernährung durch Filtration kommen Muscheln mit sehr großen Wassermengen in Kontakt, was sie besonders empfänglich für im Wasser enthaltene Schadstoffe macht und als [[Bioindikator]]en prädestiniert. |
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== Verbreitung == |
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[[Bild:2 Tridacna gigas.jpg|thumb|[[Riesenmuscheln]] sind mit bis zu 140 cm Länge und 400 kg Gewicht die größten noch lebenden Muscheln]] |
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Muscheln sind an das Leben im [[Wasser]] gebunden. Sie kommen sowohl im [[Salzwasser]], [[Brackwasser]] als auch [[Süßwasser]] vor, von der [[Arktis]] und [[Antarktis]] bis in die [[Tropen]]. Besonders im [[Wattenmeer]] findet man sehr große Mengen an Muscheln (beispielsweise [[Herzmuschel]]n und [[Miesmuschel|Miesmuscheln]]) im beziehungsweise auf dem [[Watt (Küste)|Watt]]. Sie stellen eine wichtige Nahrung für Seevögel dar. |
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Die [[Teredinidae|Bohrmuscheln]] (Teredinidae) verwerten mit speziellen Enzymen das Holz, in dem sie bohren. |
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Die Art ''Enigmonia aenigmatica'' (HOLTEN, 1803) (eine ''Anomiidae'') lebt in der Gezeitgischt auf Mangrovenblättern im [[Indopazifik]] und entspricht am ehesten einer Lebensweise an Land. |
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Einige, möglicherweise auch die meisten Arten der zu den [[Anomalodesmata]] gehörenden [[Septibranchia]] (darunter die [[Keulenmuscheln]]) sind Jäger, die mithilfe ihres muskulösen Septums in der Mantelhöhle aktiv kleine [[Krebstiere]] einsaugen. |
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Muscheln leben als erwachsene Tiere überwiegend sessil (festsitzend), teils an festen Oberflächen, beispielsweise Felsen oder Steinen, teils im Sand oder Schlick. Sie gehören also zum [[Benthos]]. |
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Sie sind von der Gezeitenzone bis in die Tiefsee verbreitet. |
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Die [[Riesenmuscheln]] (''Tridacna'') und Arten der Gattung ''[[Solemya]]'' leben mit symbiotischen, [[Photosynthese]] betreibenden Algen im Mantelrand, und Tiefseearten an [[Black Smoker]]n halten sich Sulfidbakterien in speziellen Strukturen ihrer Kiemen. |
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== Ernährung == |
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Die meisten Muscheln filtern das Wasser und verwerten essbare Partikel ([[Plankton]]). Die einfachsten Arten (Nuculoida) ernähren sich von Sedimenten des Meeresbodens. Im Mantelraum gelegene Wimpern erzeugen einen gerichteten Wasserstrom, der durch eine Atemöffnung eintritt und durch die andere wieder austritt. Verdauliche Partikel im Atemwasser werden an den Kiemen aufgefangen und gelangen in einem Schleimpaket zur Mundöffnung. Aufgrund ihrer Ernährung durch Filtration kommen Muscheln mit sehr großen Wassermengen in Kontakt, was sie besonders empfänglich für im Wasser enthaltene Schadstoffe macht und als [[Bioindikatoren]] prädestiniert. |
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=== Fortpflanzung und Entwicklung === |
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Die urtümlichen Muscheln aus der Unterklasse Protobranchia sammeln mit verlängerten Mundlappen vom umgebenden Substrat essbare Partikel, wie Protozoen, Eier, Larven, und verdaulichen Detritus ein. Die Nahrung gelangt anschließend über eine Wimperrinne zur Mundöffnung. Im Gegensatz dazu ernähren sich die meisten höher entwickelten Muscheln ausschließlich durch Filtration ihres Atemwassers. |
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Die meisten Muschelarten sind getrennt geschlechtlich; es gibt sowohl männliche, als auch weibliche Tiere. [[Befruchtung]] und anschließende [[Larven]]entwicklung finden äußerlich im Wasser statt. Der Ausstoß von [[Ei]]ern und [[Samenzelle]]n kann etwa bei den [[Riesenmuscheln]] (''Tridacna'') hormonell koordiniert sein. Nach einer Entwicklung über ein [[Larve]]nstadium vom [[Trochophora]]- oder [[Veliger]]-Typus entsteht aus der Larve nach einer [[Metamorphose (Zoologie)|Metamorphose]] die Jungmuschel, die sich während ihres Heranwachsens einen passenden Ort sucht, an dem sie das Erwachsenenleben verbringen kann. Bei [[Miesmuscheln]] (''Mytilus''), [[Austern]] (''Ostrea'') und anderen koloniebildenden Arten bleiben die Jungmuscheln meist in der Nähe der Kolonie und befestigen sich anschließend nicht nur am Untergrund, sondern auch an anderen Muscheln. So entstehen beispielsweise die Muschelbänke der Miesmuschel wie man sie aus dem [[Wattenmeer]] kennt. |
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Die im Süßwasser lebenden Muschelarten zeigen sehr unterschiedliche Fortpflanzungs- und Entwicklungsmethoden. Diese Muschelgruppen, ebenso wie die im Süßwasser und an Land lebenden [[Schnecken]]gruppen, haben sich im Verlauf ihrer Entwicklung stark an die wechselhaften Lebensbedingungen, die das Süßwasser von den relativ konstanten Bedingungen im Meer unterscheiden, angepasst. Die Gruppe der Unionida, zu denen die in Mitteleuropa heimischen Großmuscheln ([[Malermuschel|Maler-]], [[Bachmuschel|Bach-]], [[Teichmuscheln|Teich-]] und [[Flussperlmuscheln]]) gehören, entwickelt sich über ein [[Parasitismus|parasitisches]] Larvenstadium, die so genannten [[Glochidien]], die sich zur weiteren Entwicklung erfolgreich an einem vorbeischwimmenden [[Fische|Fisch]] festheften müssen. |
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Die Riesenmuschel Tridacna und Solemya leben mit symbiontischen Algen im Mantelrand, im Darm der Schiffsbohrwürmer (''Teredinidae'') leben symbiontische holzabbauende Bakterien und Tiefseearten an [[Black smoker]]n halten sich Sulfidbakterien in speziellen Strukturen ihrer Kiemen. |
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Im Gegensatz dazu sind die meisten im Süßwasser lebenden Kleinmuscheln ([[Erbsenmuscheln]] (''Pisidium'') und [[Kugelmuscheln]] (''Sphaerium'')) zwittrige Tiere, die lebende Larven gebären (Ovoviviparie). Die zu den [[Dreikantmuscheln]] gehörende [[Wandermuschel]] (''Dreissena polymorpha'') hingegen entwickelt sich, wie ihre meereslebenden Verwandten, über ein veligerähnliches planktontisches Larvenstadium. |
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Einige wenige Arten (Anomalodesmata und Septibranchia) sind Jäger die kleine Krebstiere einsaugen. |
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<!-- 10 tägige Brutpflege bei [[Austern]] noch einbauen --> |
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== Gefährdung == |
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Durch [[Gewässerverschmutzung]] und [[Flussbegradigung]]en sind die großen Süßwassermuscheln ([[Unionida]]), zu denen auch die [[Flussperlmuschel]] (''Margaritifera margaritifera'') zählt, vielerorts stark in ihrem Bestand bedroht. Hinzu kommt die weitere Dezimierung durch die 1905 nach [[Eurasien]] eingeschleppte [[Bisamratte]], die als Haupt-Fraßfeind dieser Muschelarten zählt. |
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== Stammesgeschichte und Systematik == |
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=== Evolution === |
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[[Bild:Open Oyster Lyon market.JPG|thumb| [[Austern]] gehören zu den wenigen Tierarten die auch in der westlichen Welt lebend gegessen werden]] |
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[[Datei:Muschelgattungen in geologischen Zeiträumen.gif|mini|Verteilung von 2032 Muschelgattungen vom [[Kambrium]] bis zur geologischen Gegenwart]] |
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[[File:Fossil Seashell Pecten Syncyclonema Nilsoni.jpg|mini|links|Fossile [[Kammmuscheln|Kammmuschel]] aus der späten [[Kreide (Geologie)|Kreidezeit]]. (Pecten Syncyclonema Nilsoni, Unteres [[Maastrichtium]], [[Rügener Kreide]], ca. 70 Millionen Jahre alt)]] |
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Muscheln erscheinen fossil erstmals im [[Kambrium]] vor etwa 500 Millionen Jahren. Die frühen Formen waren noch einfach gebaute Weichtiere mit einer einklappigen Schale. Im mittleren [[Ordovizium]] erschienen erstmals Vertreter aller modernen Unterklassen. |
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Viele Arten von Muscheln besonders [[Miesmuscheln]], [[Austern]] und [[Kammmuscheln]] dienen als Nahrung für Menschen. Allein in Europa werden jährlich um 100.000 t Miesmuscheln verzehrt. |
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Eingeborene Bevölkerungen aus vielen Kulturen haben in ihren Küchenabfällen Beweise hinterlassen, dass Muscheln regelmäßig konsumiert wurden. Heute ist die Zucht von Muscheln auf Muschelbänken (besonders Austern und Miesmuscheln, die auch natürlich solche Bänke bilden) ein wichtiges Gewerbe an nahezu allen Küsten der Welt. |
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Die rezenten Muscheln sind aus [[Benthos|sedimentgrabenden]] Vorfahren entstanden. Diese hatten als Anpassung an das Leben im Meeresboden den Kopf bis auf die Mundöffnung und die Mundlappen reduziert. Jüngere Formen stellten auf eine Ernährung durch [[Filtration (Trennverfahren)|Filtration]] um. [[Evolution]]är haben sich aus einfachen Fiederkiemen zur Atmung die komplexeren Faden- und Blattkiemen zur Filtration entwickelt. |
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Während der [[Kreide (Geologie)|Kreidezeit]] bildeten schnell wachsende Muscheln [[Riff (Geographie)|riffähnliche]] Strukturen, die mit heutigen [[Korallenriff]]en vergleichbar sind. Diese Muscheln, deren Schalen Licht leitende Elemente enthielten, lebten teilweise in [[Symbiose]] mit [[Photosynthese]] betreibenden Einzellern. |
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Vertreter der Ordnungen [[Unionoida]] oder [[Pteriidae]] sind seit jeher natürliche Quellen für [[Perle]]n und [[Perlmutt]]. Inzwischen werden vor allem in [[Japan]] künstlich Perlen mit Hilfe der Art ''Pinctada fucata'' gezüchtet. |
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In vielen Gesteinen zählen Muscheln zu den besonders häufigen Fossilien, da die harte Schale sich gut erhält. Sie dienen deswegen oft als [[Leitfossil]]ien. |
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Auch negative Auswirkungen vom Muscheln sind bekannt. Ein Beispiel für ''Bioerosion'' ist der [[Schiffsbohrwurm]] (''Teredo navalis''), der sich vom Holz von Schiffen, Stegen oder hölzernen Deichtoren ernährt und durch seine langen Gänge das Holz brüchig macht. Sein Vordringen in die Osttsee ist ein aktuelles Problem der Unterwasserarcheologie, da er historisch bedeutsame Holzschiffreste zerstört. |
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Die Evolutionsgeschwindigkeit der Muscheln ist sehr unterschiedlich. Während als Leitfossil dienende Arten im Durchschnitt 0,3 bis 1 Million Jahre existieren, sind einzelne Gattungen erheblich langlebiger. Die Gattung ''[[Gryphaea]]'' ist seit dem [[Unterjura]] (195 Mio. Jahre), die Gattung ''Spondylus'' seit dem [[Perm (Geologie)|Perm]] (285 Mio. Jahre) und ''[[Lima (Gattung)|Lima]]'' seit dem [[Jura (Geologie)|Jura]] nachgewiesen. |
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Vielen Kulturen, etwa die Ureinwohnern Nordamerikas, besaßen eine eigene [[Muschelwährung]], da sie durch Seltenheit und Schmuckwert geschätzt wurden. Dadurch wurde etwa der englische Begriff ''shell out'' „bezahlen“ geprägt. |
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Das ursprüngliche, [[taxodont]]e Schloss der Muscheln besitzt eine große Zahl kleiner, gleichförmiger Zähnchen, während hoch abgeleitete, [[Heterodontie|heterodonte]] Formen aus wenigen Hauptzähnen und bis zu vier leistenförmige Seitenzähnen bestehen oder gar keine Zähne besitzen. |
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=== Systematik der Großgruppen === |
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===Nährwert einiger ausgewählter Arten=== |
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Die Systematik der Muscheln war in der Vergangenheit größeren Veränderungen unterworfen. Auch heute kommen vor allem durch molekulargenetische Untersuchungen neue Daten hinzu, die selbst die Großsystematik noch geringfügig verändern könnten. Allerdings hat sich die Systematik und auch die Phylogenie der Großgruppen in den letzten 15 Jahren jedoch – mit wenigen Ausnahmen – weitgehend stabilisiert. Die Unterschiede in den verschiedenen Klassifikationen beruhen vor allem in der sehr subjektiven hierarchischen Stellung einiger weniger Gruppen (z. B. Ordnung Ostreida gegen Überfamilie Ostreoidea, Anomalodesmata Ordnung oder Überordnung). |
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Nährwert einiger ausgewählter Arten pro 100g verzehbaren Anteil. Die Angaben unterscheiden sich zwischen den Arten nur geringfügig. |
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{| border="1" |
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Die Klassifikation der Muscheln nach Bieler & Mikkelsen (2006) (nur rezente Gruppen) und Amler et al. (2000) (auch fossile Gruppen) sowie nach dem [[Zoological Record]] stellt sich zurzeit so dar: |
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Klasse Bivalvia [[Carl von Linné|Linnaeus]], 1758 |
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* Infraklasse [[Protobranchia|Protobranchi(at)a]] [[Paul Pelseneer|Pelseneer]], 1889 |
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**** Ordnung [[Nuculida]] [[William Healey Dall|Dall]], 1889 |
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**** Ordnung [[Solemyida]] [[William Healey Dall|Dall]], 1889 |
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**** Ordnung [[Nuculanida]] Carter, Campbell & Campbell, 2000 (diese neue Ordnung hat noch keine allgemeine Akzeptanz gefunden (nach Zoological Record); alternativ können die in dieser Ordnung vereinigten Familien in die Ordnung Nuculida gestellt werden) |
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* Infraklasse [[Autolamellibranchiata|Autolamellibranchi(at)a/Autobranchi(at)a]] [[Karl Grobben|Grobben]], 1894 |
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** Unterklasse [[Pteriomorphia]] [[Karl Beurlen|Beurlen]], 1944 |
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**** Ordnung † [[Praecardioida]] [[Norman D. Newell|Newell]], 1965 |
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**** Ordnung † [[Cyrtodontoida]] Scarlato & Starobogatov, 1971 |
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**** (Ordnung [[Ostreida]] [[André Étienne d’Audebert de Férussac|Férussac]], 1822) (diese Ordnung wird von Bieler & Mikkelsen (2006) nicht anerkannt, sondern zu einer Überfamilie innerhalb der Ordnung Pteriida „degradiert“. Demgegenüber verwendet die überwiegende Mehrzahl der Malakologen diese Großgruppe im Ordnungsrang; laut Zoological Record) |
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**** Ordnung [[Arcida]] [[Ferdinand Stoliczka|Stoliczka]], 1870 |
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**** Ordnung [[Mytilida]] [[André Étienne d’Audebert de Férussac|Férussac]], 1822 |
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**** Ordnung [[Pteriida]] [[Norman D. Newell|Newell]], 1965 |
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**** Ordnung [[Limida]] [[Thomas R. Waller |Waller]], 1978 |
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**** Ordnung [[Pectinida]] [[Henry Adams (Zoologe)|H. Adams]] & [[Arthur Adams (Zoologe)|A. Adams]], 1857 |
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** Unterklasse [[Heteroconchia]] [[Richard von Hertwig|Hertwig]], 1895 |
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*** Überordnung [[Palaeoheterodonta]] [[Norman D. Newell|Newell]], 1965 |
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**** Ordnung † [[Actinodontoida]] [[Henri Douvillé|Douvillé]], 1912 |
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**** Ordnung † [[Modiomorphoida]] [[Norman D. Newell|Newell]], 1969 |
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**** Ordnung [[Trigonoida]] [[William Healey Dall|Dall]], 1889 |
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**** Ordnung [[Unionida]] [[Ferdinand Stoliczka|Stoliczka]], 1870 |
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*** Überordnung [[Heterodonta]] [[Melchior Neumayr |Neumayr]], 1883 |
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**** Ordnung [[Carditida]] [[William Healey Dall|Dall]], 1889 |
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**** Ordnung † [[Hippuritida]] [[Norman D. Newell|Newell]], 1965 |
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**** Ordnung [[Venerida]] [[Henry Adams (Zoologe)|H. Adams]] & [[Arthur Adams (Zoologe)|A. Adams]], 1856 |
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**** Ordnung [[Myida]] [[Ferdinand Stoliczka|Stoliczka]], 1870 |
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**** Ordnung [[Anomalodesmata]] [[William Healey Dall|Dall]], 1889 (Diese Gruppe wird von den meisten Malakologen noch als Überordnung betrachtet; Harper et al. (2006) begründen die Rückstufung auf Ordnungsrang jedoch mit vielen neuen molekulargenetischen Daten). |
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Für noch ältere Klassifikationen, die gelegentlich noch in populärwissenschaftlichen Muschelhandbüchern auftauchen, sei auf den Artikel [[Systematik der Muscheln]] verwiesen. |
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=== Stammbaum === |
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Über die [[Phylogenese|Phylogenie]] bzw. die [[Kladistik]] der heutigen Gruppen besteht insofern weitgehende Einigkeit unter den [[Malakologie|Malakologen]], als die Protobranchi(at)a als die [[Schwestergruppe]] der restlichen Muscheln, den Autolamellibranchi(at)a (oder auch Autobranchi(at)a) angesehen werden. Einige halten die Protobranchia jedoch für eine paraphyletische Gruppierung. Innerhalb der Autolamellibranchia bilden Pteriomorphia und Heteroconchia wiederum Schwestergruppen. Die weitere Schwesterngruppengliederung innerhalb der Pteriomorphia ist noch unsicher. Innerhalb der Heteroconchia bilden Palaeoheterodonta und Heterodonta Schwestergruppen. |
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[[Datei:Kladogramm-bieler-2006.jpg|Kladogramm der Großgruppen der Muscheln (Bivalvia) (nach Bieler & Mikkelsen; 2006)]] |
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=== Zahl der Arten nach Großgruppen === |
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Huber (2010) geht von weltweit 106 Familien mit insgesamt 1260 Gattungen und etwa 9200 rezenten Muschelarten aus. Diese verteilen sich wie folgt auf die jeweiligen Gruppen: |
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{| class="wikitable" |
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! Zahl der !! Familien !! Gattungen !! Arten |
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! '''[[Protobranchia]]''' || 10 || 49 || 700 |
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![[Nuculoidea]] || 1 || 8 || 170 |
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![[Sapretoidea]] || 1 || ca. 5 || 10 |
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![[Solemyoidea]] || 1 || 2 || 30 |
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![[Manzanelloidea]] || 1 || 2 || 20 |
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![[Nuculanoidea]] || 6 || 32 || 460 |
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! || || || |
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!'''[[Pteriomorpha]]''' || 25 || 240 (davon 2 Süßwasser) || 2000 (davon 11 Süßwasser) |
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![[Mytiloidea]] || 1 || 50 (1 Süßwasser) || 400 (5 Süßwasser) |
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|- |
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![[Arcoidea]] || 7 || 60 (1 Süßwasser) || 570 (6 Süßwasser) |
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![[Pinnoidea]] || 1 || 3 (+) || 50 |
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|- |
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![[Pterioidea]] || 5 || 9 || 80 |
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|- |
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![[Ostreoidea]] || 2 || 23 || 80 |
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|- |
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![[Dimyoidea]] || 1 || 3 || 15 |
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|- |
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![[Anomioidea]] || 2 || 9 || 30 |
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|- |
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![[Plicatuloidea]] || 1 || 1 || 20 |
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|- |
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![[Pectinoidea]] || 4 || 68 || 500 |
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![[Limoidea]] || 1 || 8 || 250 |
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! || || || |
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!'''[[Palaeoheterodonta]]''' || 7 (davon 6 Süßwasser) || 171 (davon 170 Süßwasser) || 908 (davon 900 Süßwasser) |
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|- |
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![[Trigonioidea]] || 1 || 1 || 8 |
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![[Unionoidea]] || (6 Süßwasser) || (170 Süßwasser) || (900 Süßwasser) |
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! || || || |
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!'''[[Heterodonta]]''' || 64 (davon 1 Süßwasser) || 800 (davon 16 Süßwasser) || 5600 (davon 270 Süßwasser) |
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![[Crassatelloidea]] || 5 || 65 || 420 |
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![[Thyasiroidea]] || 1 || ca. 12 || ca. 100 |
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![[Lucinoidea]] || 2 || ca. 85 || ca. 500 |
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![[Galeommatoidea]] || ca. 4 || ca. 100 || ca. 500 |
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|- |
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![[Cyamioidea]] || 3 || 22 || 140 |
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![[Solenoidea]] || 2 || 17 (2 Süßwasser) || 130 (4 Süßwasser) |
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![[Hiatelloidea]] || 1 || 5 || 25 |
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![[Gastrochaenoidea]] || 1 || 7 || 30 |
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![[Chamoidea]] || 1 || 6 || 70 |
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![[Cardioidea]] || 2 || 38 || 260 |
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![[Tellinoidea]] || 5 || 110 (2 Süßwasser) || 900 (15 Süßwasser) |
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![[Glossoidea]] || 2 || 20 || 110 |
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![[Arcticoidea]] || 2 || 6 || 13 |
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![[Cyrenoidea]] || 1 || 6 (3 Süßwasser) || 60 (30 Süßwasser) |
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|- |
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![[Sphaerioidea]] || (1 Süßwasser) || (5 Süßwasser) || (200 Süßwasser) |
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|- |
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![[Veneroidea]] || 4 || 104 || 750 |
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![[Hemidonacoidea]] || 1 || 1 || 6 |
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|- |
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![[Cyrenoidoidea]] || 1 || 1 || 6 |
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![[Ungulinoidea]] || 1 || 16 || 100 |
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![[Mactroidea]] || 4 || 46 || 220 |
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![[Dreissenoidea]] || 1 || 3 (2 Süßwasser) || 20 (12 Süßwasser) |
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|- |
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![[Myoidea]] || 3 || 15 (1 Süßwasser) || 130 (1 Süßwasser) |
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|- |
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![[Pholadoidea]] || 2 || 34 (1 Süßwasser) || 200 (3 Süßwasser) |
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|- |
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![[Limoidea]] || 1 || 8 || 250 |
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|- |
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!([[Anomalodesmata]]) || (14) || (71) || (770) |
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![[Pholadomyoidea]] || 2 || 3 || 20 |
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![[Clavagelloidea]] || 1 || 2 || 20 |
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![[Pandoroidea]] || 7 || 30 || 250 |
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![[Verticordioidea]] || 2 || 16 || 160 |
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|- |
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![[Cuspidarioidea]] || 2 || 20 || 320 |
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|} |
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== Muscheln und der Mensch == |
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=== Muscheln als Nahrung === |
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{{Siehe auch|Austernzucht}} |
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[[Datei:Open Oyster Lyon market.JPG|mini|[[Austern]] gehören zu den wenigen Tierarten, die auch in der westlichen Welt lebend gegessen werden]] |
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[[Datei:Oyster culture in Belon, France 03.jpg|mini|Austernkultur im Fluss [[Bélon (Fluss)|Bélon]], Frankreich]] |
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Menschen aus vielen historischen und prähistorischen Kulturen haben in ihren Küchenabfällen Hinweise darauf hinterlassen, dass Muscheln konsumiert wurden. Die ältesten Belege hierfür sind rund 165.000 Jahre alt und stammen von den so genannten [[Pinnacle-Point-Mensch]]en aus [[Südafrika]]. In Dänemark werden solche urgeschichtlichen Muschelhaufen [[Køkkenmøddinger]] genannt. |
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Auch heute noch dienen viele Arten von Muscheln – in der westlichen Welt besonders [[Miesmuscheln]], [[Austern]], [[Venusmuscheln]], [[Pharidae|Messermuscheln]] (wie [[Schwertförmige Scheidenmuschel]]) und [[Kammmuscheln]] – als Nahrung des Menschen. Allein in Europa werden jährlich rund 100.000 t Miesmuscheln verzehrt. Die Zucht von Muscheln auf Muschelbänken ist heute (besonders Austern und Miesmuscheln, die auch natürlich solche Bänke bilden) ein wichtiges Gewerbe an nahezu allen Küsten der Welt. |
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Die Angaben zum [[Nährwert]] unterscheiden sich zwischen Muschelarten nur geringfügig. Der Energiegehalt in [[Joule|kJ]] wurden nach den für Menschen gültigen Formeln berechnet. |
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Wenn Muscheln als [[Nahrung]] für Tiere dienen, muss eventuell der Aufwand für die Verdauung der Muschelschale bedacht werden. Je nach Schalendicke kann daher die [[Energiebilanz (Ökologie)|Energiebilanz]] negativ ausfallen. |
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{| | border="2" cellpadding="1" cellspacing="4" style="margin: 0.5em 0em 0.5em 0; background: #f9f9f9; border: 1px #aaa solid; border-collapse: collapse; font-size: 95%;" |
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! colspan="5" align="center" | Energiegehalt und Nährstoffe pro 100 g in g (unfrittiert) <br /> |
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(verzehrbarer Anteil für Frischware) |
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|Art |
|Art |
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|kJ |
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|Protein |
|Protein |
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|Fett |
|Fett |
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|Kohlenhydrate |
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|Kohlehyd. |
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|- |
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|[[Jakobsmuschel]] |
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|Jacobsmuschel |
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|336 |
|336 |
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|11,9 |
|11,9 |
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|5,5 |
|5,5 |
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|- |
|- |
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|Klaffmuschel |
|[[Klaffmuschel]] |
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|288 |
|288 |
||
|11,1 |
|11,1 |
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|2,6 |
|2,6 |
||
|- |
|- |
||
|Miesmuschel |
|[[Gemeine Miesmuschel|Miesmuschel]] |
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|292 |
|292 |
||
|10,2 |
|10,2 |
||
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|3,4 |
|3,4 |
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|- |
|- |
||
|Venusmuschel |
|[[Venusmuschel]] |
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|340 |
|340 |
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|11,1 |
|11,1 |
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|} |
|} |
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== |
=== Perlen und Perlmutt === |
||
Neben der Nutzung als Nahrungsmittel ist die Verwendung von Muschelteilen, besonders [[Perle]]n und [[Perlmutt]], als Schmuck von Bedeutung. Auch diese hat eine lange Tradition. Beispielsweise wurden im [[Neolithikum]] in Europa Muschelschalen über weite Strecken als Handelsware transportiert, wie Funde der Schalen der [[Stachelauster]] (''Spondylus gaederopus'') in der [[Bandkeramik|Bandkeramischen]] und [[Theiß-Kultur#Wirtschaft|Theiß-Kultur]] zeigen. ''Spondylus princeps'', die an der Küste von [[Ecuador]] vorkommt, besaß eine große Bedeutung für die Menschen der [[präkolumbisch]]en Zeit. Zu den Funden der asiatischen [[Mehrgarh]]-Kultur des frühesten Neolithikums gehört ebenfalls Schmuck aus Meeres-Muscheln. |
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[[Bild:La naissance de Vénus.jpg|thumb|Die Geburt der Venus (1485), [[Sandro Botticelli]]]] |
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'''[[Venus (Mythologie)|Venus]]''' ist nicht nur die Bezeichnung einer Muschelgattung, sondern auch der antiken römischen Göttin der Liebe, des erotischen Verlangens und der Schönheit. Viele Darstellungen zeigen die Geburt der Venus aus einer Muschel, rechts allerdings wie in vielen Fällen nicht einer [[Venusmuschel]] sondern einer [[Kammmuschel]] der Gattung Pecten. |
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[[Image:Jakobs Brueder-1568.png|thumb|Jakobspilger, Darstellung von 1568, Muscheln oben am Umhang]] |
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Seit dem [[Mittelalter]] dienen die stärker gewölbten Klappen der Muscheln ''Pecten maximus'' den [[Jakobsweg|Jakobspilgern]], die das Grab des heiligen [[Jakobus der Ältere|Jakobus]] in [[Santiago de Compostela]] besuchen, als Erkennungszeichen. Die Art ''Pecten jacobaeus'' die der Bezeichnung [[Jakobsmuschel]] näher kommt, ist aufgrund ihres Verbreitungsgebietes nicht die von den Pilgern genutzte Art. |
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[[Bild:Coat of Guinea-Bissau.png|thumb|[[Wappen Guinea-Bissaus]]]] |
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Das Wappen von [[Wappen Guinea-Bissaus|Guinea-Bissaus]] beinhaltet eine stilisierte Kammmuschel als Symbol für die Lage des Landes an der Küste Afrikas. |
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Vertreter der [[Unionida]] und [[Pteriidae]] sind von jeher natürliche Quellen für Perlen und Perlmutt. Der hohe Wert von Perlen der [[Flussperlmuschel]] führte dazu, dass sie im Mittelalter in einigen Regionen der heutigen Bundesrepublik Deutschland unter Schutz gestellt und Wilderei massiv – etwa durch das Abhacken der Hand – bestraft wurde. Ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. wurden in [[Kaiserreich China|China]] so genannte „Buddha-Perlen“ in Süßwassermuscheln (wie z. B. ''Hyriopsis cumingii'') gezüchtet, aber erst dem [[Japan]]er [[Kokichi Mikimoto]] gelang es in den frühen 1920er Jahren, die ersten vollrunden [[Zuchtperlen]] auf den Markt zu bringen und damit die Grundlage der heutigen [[Perlenzucht]] und des Handels mit Perlen zu legen. |
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=== Muschelwährungen === |
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<!-- == Menschen als Muschelsammler == --> |
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Viele Kulturen, etwa die [[Indianer|Ureinwohner Nordamerikas]], besaßen eine eigene [[Muschelwährung]], da Muscheln wegen ihrer Seltenheit und ihres Schmuckwertes geschätzt wurden. So entstand der englische Begriff „shell out“ für „bezahlen“. |
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=== Schäden durch den Schiffsbohrwurm === |
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<!-- Vielleicht ein nicht eurozentrisches Beispiel |
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Auch negative Auswirkungen von Muscheln auf den Menschen und seine Technik sind bekannt. Ein Beispiel für Bioerosion bietet der [[Schiffsbohrwurm]] (''Teredo navalis''), der sich vom Holz von Schiffen, Stegen, [[Buhnen]] oder hölzernen Deichtoren ernährt und durch seine langen Gänge das Holz brüchig macht. Seine Einschleppung aus Amerika führte zu einer Revolution des [[Schiffbau]]s, sein derzeitiges Vordringen in die [[Ostsee]] ist ein aktuelles Problem der [[Unterwasserarchäologie]], da er dort historisch bedeutsame Holzschiffreste zerstört. |
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Vielleicht was zur Firma Shell? |
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Ebenso wie die Muschelvergiftungen |
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Die Neozooe Dreisenia fehlt noch, wichtige Winternahrung für Entenvögel und vermutlich verantwortlich für deren erhöhte Winterbesände |
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=== Symbole und Mythologie === |
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== Gefährdung == |
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[[Datei:Sandro Botticelli - La nascita di Venere - Google Art Project - edited.jpg|mini|Die Geburt der Venus (1485), [[Sandro Botticelli]]]] |
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Durch [[Gewässerverschmutzung]] und [[Flussbegradigung]]en sind die großen Süßwassermuscheln (Überfamilie: [[Unionoida|Unionacea]]), zu denen auch die [[Flussperlmuschel]] (''Margaritifera margaritifera'') zählt, vielerorts stark in ihrem Bestand bedroht. Hinzu kommt die weitere [[Dezimierung]] durch die 1905 nach [[Eurasien]] eingeschleppten [[Bisamratte]], die als Haupt-Fraßfeind dieser Muschelarten zählt. |
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[[Datei:Jakobs Brueder-1568.png|mini|Jakobspilger mit Muscheln an Umhängen und Hüten (Darstellung von 1568)]] |
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Muscheln finden sich als [[Symbol]] in der Kunst und Mythologie, die wiederum die Benennung von Muscheln inspirierte. Zum Beispiel sind die [[Venusmuscheln]] (zu denen auch die Muschelgattung ''Venus'' gehört) benannt nach [[Venus (Mythologie)|Venus]], der antiken römischen Göttin der Liebe, des erotischen Verlangens und der Schönheit. Darstellungen zeigen oft die Geburt der Venus aus einer Muschel; allerdings wird dabei oft nicht eine Venusmuschel dargestellt, sondern eine [[Kammmuschel]] der Gattung ''Pecten'' (so auch im Bild rechts). |
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== Systematik == |
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[[Bild:Muscheltax.gif|thumb|Vergleich der drei gleichwertigen Systematiken]] |
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Eine [[Systematik]] der Muscheln beruht auf Form und Funktion der [[Kieme]]n, so werden [[Filibranchien]] (Fadenkiemen) und [[Eulamellibranchien]] (Blattkiemen) unterschieden. Des Weiteren ist auch die Anzahl und Form der [[Schließmuskel]]abdrücke von Wichtigkeit. Auch auf die Anzahl und Form der Schlosszähne kommt es an. So existieren verschiedene Typen von Schlosszähnen: |
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* [[taxodont]]: Zahlreiche Zähne sind in einer (meist abnehmenden) Reihe am Rand der Muschel platziert. |
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* desmodont: Die Zähne sind reduziert oder auch ganz verschwunden. |
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* schizodont: Große und kleine Zähne nebeneinander. |
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* heterodont: Andere Anordnung der Zähne. |
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Seit dem [[Mittelalter]] dienen die stärker gewölbten rechten Schalenhälften der Großen Pilgermuschel ''Pecten maximus'' (bzw. Zinnabgüsse solcher Muscheln) den [[Jakobsweg|Jakobspilgern]], die das Grab des heiligen [[Jakobus der Ältere|Jakobus]] in [[Santiago de Compostela]] besuchen, als Erkennungszeichen. Die Mittelmeer-Pilgermuschel ''Pecten jacobaeus'', die der Bezeichnung „Jakobsmuschel“ näher kommt, kann aufgrund ihres Verbreitungsgebietes nicht die von den Pilgern genutzte Art sein. Im Artikel [[Jakobsmuschel]] werden daher sowohl ''Pecten maximus'' als auch ''Pecten jacobaeus'' als Jakobsmuscheln bezeichnet. |
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Die Klasse lehnt sich in der folgenden Aufstellung an Kilias 1997 (''Lexikon marine Muscheln und Schnecken'') an. Es existieren aber noch weitere Systematiken, in denen die Ordnungen meist gleich sind aber die übergeordnete Einteilung variiert. |
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Das [[Wappen Guinea-Bissaus|Wappen von Guinea-Bissaus]] enthält eine stilisierte Kammmuschel als Symbol für die Lage des Landes an der Küste Afrikas. Der Ölkonzern [[Royal Dutch Shell|Shell]] (englisch ''shell'' = Muschel) verwendet sie als Firmenlogo. |
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*Unterklasse [[Protobranchiata]] |
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***Ordnung [[Nuculoida]] = Palaeotaxodonta |
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***Ordnung [[Solemyoida]] = Cryptodonta |
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== Das „Meeresrauschen“ in der Muschel == |
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*Unterklasse [[Metabranchiata]] |
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Es heißt, dass in Muscheln das Rauschen des Meeres zu hören sein soll. |
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**Überordnung [[Filibranchiata]] = Pteriomorphia = Mesobranchiata |
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Man kann nämlich das Rauschen der Muschel mit einem Mikrofon aufnehmen, ohne dass sich ein Mensch in der Nähe befindet. Auf der Aufnahme wäre das Rauschen dann zu hören. |
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***Ordnung [[Taxodonta]] = Arcoida = Eutaxodonta |
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***Ordnung [[Anisomyaria]] = Leptodonta |
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**Überordnung [[Eulamellibranchiata]] |
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***Ordnung [[Schizodonta]] = Paleoheterodonta |
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****Unterordnung [[Trigonoida]] |
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****Unterordnung [[Unionoida]] |
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***Ordnung [[Heterodonta]] |
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****Unterordnung [[Veneroida]] |
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****Unterordnung [[Myoida]] |
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***Ordnung [[Anomalosdesmata]] |
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Tatsächlich handelt es sich hierbei um ein Resonanzphänomen: Wie in einem Blasinstrument befindet sich in der Schale eine Luftsäule, die eine bestimmte Eigenfrequenz besitzt. Das ist jener Ton, welcher entsteht, wenn man die Muschel zum Schwingen bringt. Die Luftsäule wird durch kaum merkliche Geräusche in der Umgebung, deren Frequenzen ungefähr der Eigenfrequenz der Muschel entsprechen, in Schwingung versetzt. Dadurch werden diese sonst nicht hörbaren Umgebungsgeräusche erheblich verstärkt. Das entstehende Tongemisch wird vom Menschen als Rauschen wahrgenommen.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.uni-jena.de/Versuch_121.html |titel=121 – Akustische Hohlraumschwingungen |kommentar=Versuch mit einer leeren Flasche |hrsg=Friedrich-Schiller-Universität Jena, Physikalisch-Astronomische Fakultät |datum=2010-08-13 |zugriff=2011-10-19 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20120513044528/http://www.uni-jena.de/Versuch_121.html |archiv-datum=2012-05-13 |offline=ja }}</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.planet-wissen.de/natur_technik/weichtiere/schnecken/wissensfrage.jsp |werk=Planet Wissen |titel=Wissensfrage |titelerg=Meeresrauschen oder Ohrensausen – was hört man, wenn man sich das Gehäuse einer Meeresschnecke ans Ohr hält? |autor=Vladimir Rydl |datum=2009-06-01 |zugriff=2011-10-19}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.srf.ch/player/tv/einstein/video/was-rauscht-in-der-muschel?id=95adcd39-a595-41db-8f2b-52d4c57e0561 |titel=Was rauscht in der Muschel? |datum=2007-04-19 |hrsg=Schweizer Fernsehen |zugriff=2011-10-19 |offline=ja }}</ref> |
|||
== Literatur == |
|||
* Rudolf Kilias: ''Lexikon - Marine Muscheln und Schnecken'', 1997, ISBN 3800173328 |
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== Siehe auch == |
|||
* Gert Lindner: ''Muscheln und Schnecken der Weltmeere'', 1999, ISBN 3405154383 |
|||
* [[Muschelschale]] |
|||
* Bernhard Grzimek: ''Grzimek's Animal Life Encyclopedia'', 2003, ISBN 0787653624 |
|||
* [[Muschelmuseum]] |
|||
* [[Køkkenmøddinger]] (prähistorische Muschelhaufen) |
|||
== Literatur == |
|||
* R. Tucker Abbott, S. Peter Dance: ''Compendium of Seashells''. 1990, ISBN 0-915826-17-8 |
|||
* Markus Huber: ''Compendium of Bivalves. A Full-Color Guide to 3'300 of the World's Marine Bivalves. A Status on Bivalvia after 250 Years of Research''. 901 S. + CD. ConchBooks, Hackenheim 2010, ISBN 978-3-939767-28-2 |
|||
* Rudolf Kilias: ''Marine Muscheln und Schnecken'', Lexikon. 2. Auflage, Ulmer, Stuttgart 2000 (Erstausgabe 1997), ISBN 978-3-8001-3105-1 |
|||
* Gert Lindner: ''Muscheln und Schnecken der Weltmeere'', Aussehen, Vorkommen, Systematik [Bestimmungsbuch], 5., überarbeitete und erweiterte Auflage. BLV, München / Wien / Zürich 1999, ISBN 3-405-15438-3 |
|||
* Gert Lindner: ''Muscheln und Schnecken sammeln und bestimmen'': Die häufigsten und schönsten Arten. Für die Strände Europas [Bestimmungsbuch], In: ''Der zuverlässige Naturführer''. 3. Auflage, BLV, München 2008, ISBN 978-3-8354-0374-1 |
|||
* [[Arno Hermann Müller]]: ''Lehrbuch der Paläozoologie''. Band. II, Teil 1, ''Protozoa – Mollusca 1'', [[Gustav Fischer Verlag|Fischer]], Jena 1993, ISBN 3-334-60409-8 |
|||
* [[Alfred Kaestner]] (Begründer): ''Lehrbuch der Speziellen Zoologie.'' Band I, Teil 3 ''Mollusca etc.'', [[Gustav Fischer Verlag|Fischer]], Stuttgart 1982, ISBN 3-437-20260-X |
|||
* Rüdiger Bieler, Paula M. Mikkelsen: ''Bivalvia – a look at the Branches''. Zoological Journal of the Linnean Society, 148: 223–235, London 2006. |
|||
* Michael Amler, Rudolf Fischer, Nicole Rogalla: ''Muscheln''. Haeckel-Bücherei, Band 5. Enke Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-13-118391-8 |
|||
* Elisabeth M. Harper, Hermann Dreyer, Gerhard Steiner: ''Reconstructing the Anomalodesmata (Mollusca: Bivalvia): morphology and molecules''. Zoological Journal of the Linnean Society, 148(3): 395–420, London 2006 |
|||
* D. C. Campbell: ''Paleontological and molecular evidence on Bivalve phylogeny''. In: ''Evolutionary Paleobiology and Paleoecology of the Bivalvia'' 2002 |
|||
* J. A. Schneider: ''Bivalve systematics in the 20th century''. Journal of Paleontology, 75: 1119–1127 2001. |
|||
* Gonzalo Giribet, Daniel L. Distel: ''Bivalve phylogeny and molecular data.'' In: Lydeard, Charles; Lindberg, David R. [Eds]. Molecular systematics and phylogeography of mollusks. S. 45–90. [Smithsonian Series in Comparative Evolutionary Biology.]. Smithsonian Books, Washington and London 2003. |
|||
* Robert Prezant: ''Classification''. In: P.L. Beesley, G. J. B. Ross & A. Wells (Hrsg.): ''Mollusca. The Southern Synthesis, Part A Fauna of Australia.'' Band 5, S. 224–226, Collingwood, CSIRO Publishing, 1998 |
|||
* J. G. Carter, D. C. Campbell, M. R. Campbell: ''Cladistic perspectives of early bivalve evolution''. In: Geological Society Special Publications, S. 47–79, Geological Society, London 2000. |
|||
* [[Norman D. Newell]]: ''Classification'' of Bivalvia. In: [[Raymond Cecil Moore|R.C. Moore]] (Hrsg.): ''Treatise on Invertebrate Paleontology, Part N, Mollusca 6'', S. N205-N218, University of Kansas Press, Lawrence, Kansas 1969. |
|||
;Literarische Darstellung |
|||
* [[Birgit Vanderbeke]]: ''Das Muschelessen'' [Erzählung]. [[S. Fischer Verlag|Fischer-Taschenbuch 13783]], Frankfurt am Main 1997 (Erstausgabe: Rotbuch, Berlin 1990, ISBN 3-88022-757-8), ISBN 978-3-596-13783-1 (Ingeborg Bachmann-Preis 1990). |
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== Weblinks == |
== Weblinks == |
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{{Commonscat|Bivalvia|Muscheln}} |
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* [http://www.weichtiere.at/Muscheln/index.html Muscheln auf weichtiere.at] |
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{{Wiktionary|Muschel}} |
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* [http://www.somali.asso.fr/clemam/index.clemam.html "Check List of European Marine Mollusca", Datenbank mit Suchfunktion, Nomenklatur und Literaturhinweisen, geplant sind Typusabbildungen] |
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* [http://www.weichtiere.at/Muscheln/index.html Muscheln auf weichtiere.at] |
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[[Kategorie:Muscheln| ]] |
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* http://www.bivalvia.net |
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[[Kategorie:Fachbegriffe Weichtiere]] |
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* [https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/warum-das-verschwinden-der-haie-die-muscheln-bedroht/ www.wissenschaft.de: Warum das Verschwinden der Haie die Muscheln bedroht] – Forscher zeigen den Zusammenhang der Abnahme von [[Haie|Hai]]- und Muschelbeständen auf |
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== Einzelnachweise == |
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{{Commons|Category:Bivalvia|Muscheln}} |
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<references /> |
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<!--Kategorien--> |
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<!--Interwikis--> |
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{{Normdaten|TYP=s|GND=4040785-8}} |
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[[cs:Mlži]] |
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[[da:Muslinger]] |
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[[ |
[[Kategorie:Muscheln| ]] |
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[[Kategorie:Wikipedia:Artikel mit Video]] |
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[[es:Bivalvia]] |
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[[fi:Simpukat]] |
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[[fr:Bivalvia]] |
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[[he:צדפה]] |
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[[io:Bivalvo]] |
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[[it:Bivalvia]] |
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[[ja:二枚貝]] |
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[[lb:Muschelen]] |
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[[lt:Dvigeldžiai]] |
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[[nds:Musseln]] |
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[[nl:Bivalvia]] |
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[[no:Muslinger]] |
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[[pl:Małże]] |
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[[pt:Bivalvia]] |
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[[sv:Musslor]] |
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[[zh:双壳纲]] |
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[[zh-min-nan:Siang-khak-kong]] |
Aktuelle Version vom 27. Juni 2025, 08:44 Uhr
Muscheln | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
![]() Schalen verschiedener Meeresmuschelarten | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
| ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Bivalvia | ||||||||||||
Linnaeus, 1758 |
Die Muscheln (Bivalvia von dem lateinischen Wort bi-valvius „zwei-klappig“ abgeleitet) sind eine Klasse der Weichtiere (Mollusca). Merkmale der Klasse sind eine aus zwei kalkigen Klappen bestehende Schale und ein weitgehend reduzierter Kopf. Sie leben weltweit in Salzwasser (zu 80 Prozent), Brackwasser und Süßwasser und sind meist zwischen 0 und 100 m, selten in bis 11.000 m Wassertiefe zu finden. Muscheln leben im Meeresgrund, sind an ihm festgewachsen oder liegen frei auf ihm. Die meisten Muschelarten ernähren sich von Plankton, das sie mit ihren Kiemen aus dem Wasser filtern. Die Lebenserwartung reicht von ca. 1 Jahr bis zu mehr als 500 Jahren.
Der Mensch nutzt Muscheln als Nahrungsmittel und Muschelschalen als Ausgangsmaterial für Schmuck z. B. als Perlenlieferant, Souvenir und früher auch als Muschelgeld. Darüber hinaus werden Muscheln auch in Teichen zur Reinigung verwendet.
Die Klasse enthält etwa 7500 bis 10.000 rezente und 20.000 fossile Arten, die in 106 Familien eingeteilt werden. Nach Huber (2010) ist heute von weltweit etwa 8000 marinen Arten in vier Unterklassen und 99 Familien mit 1100 Gattungen auszugehen. Die Familie der Venusmuscheln ist mit mehr als 680 Arten die größte marine Familie. Aus dem Süßwasser sind weitere etwa 1200 Arten in sieben zusätzlichen Familien bekannt. Die Fluss- und Teichmuscheln stellen hier mit etwa 700 Arten die artenreichste Familie.
Wissenschaftliche Bezeichnung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der wissenschaftliche Name „Bivalvia“ (Carl von Linné, 1758) ist von der zweigeteilten Kalkschale abgeleitet, die ihren Körper je nach Art mehr oder weniger schützend umhüllt.
Die Bezeichnung „Lamellibranchia“ Henri Marie Ducrotay de Blainville 1824 wurde nach der Gestaltung der Kiemen (Blattkiemen) gewählt und ist in der wissenschaftlichen Literatur am häufigsten zu finden. Weitere vor allem historische Namen sind „Pelecypoda“ August Goldfuß 1820 nach der Gestaltung des Fußes oder „Acephale“ Georges Cuvier 1798 aufgrund des fehlenden Kopfes oder „Conchifera“ Jean-Baptiste de Lamarck 1818, wegen der Muschelschalen (Schalenträger).
Die Begriffe sind nicht ganz synonym, Probleme bilden die Abgrenzungen der Gruppen, so umfasste z. B. „Bivalvia“ für Linné auch die Armfüßer (Brachiopoden). Die deutsche Bezeichnung Muscheln wird nicht nur bei Weichtieren verwendet, sondern auch etwa für die zu den Krebsen gehörenden Entenmuscheln.
Körperbau
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weichkörper
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei Muscheln ist der Kopf reduziert. Der Weichkörper der Muschel wird beidseitig von den Mantellappen bedeckt und umschließt die Kiemen und die meist getrenntgeschlechtlichen Gonaden. Das Kreislaufsystem mit einem Herzen ist offen. Typische Muskeln sind die zwei getrennten Schließmuskeln, die die beiden Schalenhälften zusammenziehen, die Fußrückziehmuskeln und die Mantelrückziehmuskeln. Der Fuß der Muscheln ist beweglich und mit Schleimdrüsen ausgestattet. Das Nervensystem besitzt zwei Nervenzellhäufungen: das Pedal- und das Viszeralganglion.
Rudimente des Kopfes
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aufgrund der ursprünglich im Sediment grabenden Lebensweise ist der Kopf mit Ausnahme der Mundregion zurückgebildet (deswegen nannte Frédéric Cuvier 1798 die Muscheln „Acephala“, die Kopflosen). Im Vergleich mit den anderen Weichtieren nur noch rudimentär sind die Tentaktel, die Kiefer, die Radula und die Zunge. Die Schlunddrüsen sind weitgehend reduziert. Neben der Mundöffnung sitzen noch paarige, flache Mundlappen. Auf diesen Mundlappen sitzen bei ursprünglichen Formen (wie den Nussmuscheln) noch bewimperte Taster, die Nahrungspartikel zur Mundöffnung transportieren.
Mantel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Weichkörper der Muschel wird beidseitig von den Mantellappen bedeckt und geschützt. Der von den beiden Mantellappen gebildete Raum wird als Mantelraum bezeichnet.
Der Mantelrand besteht aus drei Falten, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen: Die äußerste Randfalte bildet Schale und Schalenhaut (Periostracum), die mittlere dient der Wahrnehmung sensorischer Aufgaben (z. B. Punktaugen) und die innere Falte reguliert den Wasserstrom in den Mantelraum zu den Kiemen.

Der Mantelrand ist bei den meisten Arten hell-dunkel-empfindlich. Bei schwimmenden Muscheln, wie Kamm- (Pecten) und Feilenmuscheln (Lima), die genauere Informationen über ihre Umgebung brauchen, ist der Mantelrand mit einfachen Ocellen (Punktaugen) besetzt. Bei der Gattung Arca können es über 200 Augen sein.
Ursprünglich verlaufen die Mantelränder getrennt und parallel zum Schalenrand (integripalliat). Abgeleitet sind bei den meisten Arten die aneinander liegenden Mantelränder mehr oder weniger miteinander verwachsen. Zum Teil bleiben nur drei Öffnungen bestehen: zwei Öffnungen am hinteren Ende der Muschel, durch die Atemwasser und Nahrung in den Mantelraum ein- und – durch die Kiemen gefiltert – wieder ausströmen, sowie einer Öffnung für den Fuß.
Der Mantelrand um die Atemöffnungen des Mantels sind bei grabenden oder bohrenden Muschelarten oft schlauchförmig verlängert, so dass die Muschel auch im Substrat mit Atemwasser und Nahrung versorgt ist. Die schlauchförmigen Mantelfortsätze bezeichnet man als Siphonen. Man unterscheidet einen zuführenden Sipho (Ingestionssipho) und einen ausführenden Sipho (Egestionssipho). Beide können zu einer einziehbaren Doppelröhre verwachsen sein, die im ausgestreckten Zustand länger sein kann als die Muschel selbst.
Damit dieser Sipho bei Gefahr in die Schale zurückgezogen werden kann, musste die Ansatzlinie der Mantelrandmuskeln nach innen ausweichen. Diese zurückgewichene Ansatzlinie ist in der Schale anhand einer mehr oder weniger ausgeprägten Mantelbucht der Mantellinie zu erkennen (sinupalliat).
Sandklaffmuscheln (Mya arenaria) beispielsweise leben eingegraben im Substrat des Wattenmeeres und versorgen sich durch den Sipho. Werden sie aus dem Substrat ausgespült, müssen sie sterben. Im Gegensatz dazu sitzt die Gemeine Miesmuschel (Mytilus edulis) angeheftet auf festen Untergrund und benötigt deshalb keinen Sipho. Sie stirbt daher, wenn sie von Substrat begraben wird.
Im Mantelrand der Riesenmuscheln (Tridacna) leben symbiotische Algen (Zooxanthellen), die von der Muschel geschützt werden. Im Gegenzug dafür kommt die Muschel in den Genuss der Photosyntheseprodukte der Algen.
Kiemen
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Evolutionär haben sich aus einfachen Fiederkiemen zur Atmung die komplexeren Faden- und Blattkiemen zur Filtration entwickelt. Die im Mantelraum liegenden Kiemen der Muschel dienen dann nicht nur zur Atmung, sondern bei den meisten Arten außerdem zur Nahrungsaufnahme. Die Kiemen sind – wie die ganze Mantelhöhle – mit Wimpern besetzt, die einen Atemwasserstrom produzieren, der auch Nahrungspartikel einstrudeln kann. Die Kiemenbögen produzieren einen Schleim, in dem die Partikel hängenbleiben und auf Wimpernbändern zum Mund transportiert werden. Ungeeignete Partikel werden jedoch nicht verschluckt, sondern in Schleim zu größeren Scheinkotballen – Pseudofaeces – zusammengerollt und mit dem ausströmenden Wasser nach außen abgegeben.
Kiementypen:
- Die paarigen Fiederkiemen (Ctenidien) bestehen jeweils aus einem Schaft mit mehreren Kiemenblättchen.[1]
- Bei den Fadenkiemen (Filibranchien) hängen vor und hinter dem Fuß W-förmige Kiemenfäden in zwei Reihen in den Mantelraum. Die Kiemenfäden sind dorsal an der mittleren Spitze des W befestigt und die Schenkel des W untereinander durch kleine Wimpernstrukturen verbunden.
- Die netzartigen Schein-Blattkiemen (Pseudolamellibranchien) sind durch seitliche Verwachsung der Kiemenfäden, also Verbindungen zwischen aufeinanderfolgenden „Ws“ entstanden.
- Die echten Blattkiemen (Eulamellibranchien) sind durch echte, von Blutgefäßen durchzogene, Gewebebrücken zwischen den Kiemenfäden gekennzeichnet.
- Die Netzkiemen (Septibranchien) sind schmal, netzförmig und seitlich mit dem Mantel verwachsen. Diese Verwachsung ist muskulös. Bei einigen Formen sitzen die Kiemen in Lochreihen dieser Verwachsung die dann eine Scheidewand (Septum) ausbildet, selten sind die Kiemen ganz reduziert. Typischerweise sind die Netzkiemen-Arten Tiefseebewohner und saugen z. T. aktiv Nahrung ein.
Kreislaufsystem
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Blutgefäßsystem der Muscheln ist, wie bei den meisten Weichtieren, offen. Das Herz hat zwei Vorkammern und eine Hauptkammer. Die Hauptkammer wird primär und sekundär vom Enddarm durchzogen.
Fuß
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der ursprünglich flach beilförmige Fuß der Muscheln kann, angepasst an Lebensweise und Fortbewegung, unterschiedliche Formen wie balkenförmig, zungenförmig oder wurmförmig annehmen. Schwimmende und festsitzende Muschelarten haben oft einen weitgehend zurückgebildeten Fuß. Der Fuß trägt die Byssusdrüsen, die vor allem bei Jungmuscheln Haftfäden (70 % Kollagen) produzieren. Bei einigen Arten produzieren auch die ausgewachsenen Tiere Byssusfäden, mit denen sich die Muscheln am Untergrund verankern (z. B. bei Miesmuscheln (Mytilidae), Archenmuscheln (Arcidae), Kammmuscheln (Pectinidae) und Steckmuscheln (Pinnidae)). Die Byssusverbindung kann später gelöst werden, indem die Muschel die Fäden sekretorisch abtrennt (Mytilus) oder ganz abstößt (Perlmuscheln (Pinctada)). Miesmuscheln nutzen ihre Byssusfäden auch zur Verteidigung, indem sie kleinere Schnecken, z. B. Reusenschnecken (Hinia) damit einspinnen.
Gehäuse
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Das Gehäuse der Muscheln besteht aus einer rechten und einer linken Klappe und umgibt den Weichkörper der Muschel. Beide Klappen werden auf dem Rücken (also oben) mit einem Schloss und einem Schlossband (Ligament) zusammengehalten. Der Wirbel (Umbo) ist der älteste Teil des Muschelgehäuses. Farben und Formen sind sehr variabel. Das Gehäuse wird vom Mantel, einer Hautfalte der Muschel, gebildet und zwar in drei Schichten: der farbigen Schalenhaut (Periostracum), der Prismenschicht (Ostracum) und der inneren Kalkschicht (Hypostracum). Die beiden Hälften können durch zwei innere Schließmuskeln zusammengezogen werden.
Material
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die inneren Schalenschichten bestehen hauptsächlich aus Kalk, dessen Kristalle mittels einer organischen Substanz, dem Conchin, verkittet werden. Die Art der gebildeten Kalkstrukturen hat sich im Laufe der Evolution verändert: Ursprüngliches Merkmal ist die Bildung von perlmuttrigem Aragonit. Bei den heute dominierenden Heterodonta und bei den Taxodonta wird als abgeleitetes Merkmal ein kreuzlamellärer Aragonit gebildet. Parallel dazu entwickelten die Pteriida die Einlagerung von Calcit.
Calcit tritt auch abgeleitet in der mittleren Prismenschicht auf, und zwar bei den Anisomyaria und den ausgestorbenen Hippuritoida. Die Calcit- und Aragonitkristalle sind in der Prismenschicht in kleinen, eckigen Säulen (Prismen) angeordnet, die mehr oder weniger senkrecht nach außen zeigen.
Das äußere Periostracum besteht aus organischem Conchiolin und kann verschieden ausgeprägt sein. Am häufigsten wird eine dünne Haut ausgebildet, es kommen aber auch „Haare“ (z. B. Bärtige Archenmuschel) und lappige Vorhänge (z. B. Solemya togata) vor.
Ligament
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eigentlich ist die Schale nur im Bereich der beiden Kalkschichten (Ostracum und Hypostracum) in zwei Hälften geteilt. Die äußerste Schalenschicht, das Periostracum, überzieht die Schale auch hier, verstärkt sich zum Ligament und verbindet so rückenseitig die beiden Schalenhälften. Dieses Ligament zieht oft in den Scharnierbereich hinein und verdickt sich zum Resilinum (siehe Resilin und Abductin). Dieses Schlossband besteht aus nicht verkalkendem Conchin. Dieser Ligament-Resilinum-Komplex ist sehr elastisch und arbeitet antagonistisch zu den Schließmuskeln. Nach dem Tod des Tieres klaffen daher die beiden Schalen auseinander und werden durch mechanische Beanspruchung, wie etwa die Brandung, leicht getrennt, sodass man meist nur mehr einzelne Schalenhälften findet – im Gegensatz zur selteneren Dublette, die noch aus beiden Klappen besteht.
Schloss
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Damit die beiden Hälften seitlich nicht verrutschen, tragen sie meist sogenannte Schlosszähne, deren Ausbildung auch Grundlage systematischer Zuordnungen ist. Diese Schlosszähne bestehen aus zahn- oder leistenförmigen Erhebungen am inneren Rückenrand der Klappen beziehungsweise entsprechenden Gruben auf der Gegenklappe, die ineinandergreifen. Auch ineinandergreifende Einkerbungen am unteren Schalenrand können ein seitliches Verrutschen verhindern. Diese Einkerbungen sind ebenfalls bestimmende Merkmale einer Muschelart.
Es werden bis zu neun verschiedene Schlosstypen unterschieden:
- taxodont (reihenzähnig): zahlreiche Zähne sind in einer (meist abnehmenden) Reihe am Rand der Muschel platziert (z. B. bei Archenmuscheln)
- heterodont (verschiedenzähnig): wenige große Zähne und max. vier Nebenzähne (z. B. bei Cerastoderma, Venusmuschel)
- desmodont (bandzähnig): Zwei Zähne zu einem verwachsen mit löffelförmigen Chondrophor, einem vorstehenden Träger des inneren Ligaments (z. B. bei Mya)
- pachyodont (dickzähnig): ein bis drei dicke Zapfen, die in tiefe Gruben der Gegenseite passen
- dysodont (schlecht bezahnt): ohne Zähne – nur kleine Erhebungen (z. B. bei Ostrea)
- schizodont (spaltzähnig): mittlerer Zahn der linken Klappe meist gespalten und rechts von zwei keilförmigen Zähnen umrahmt
- isodont (gleichzähnig): zwei bis vier Zähne symmetrisch auf beiden Klappen
- hemidapedont: schwach ausgebildete Hauptzähne, nur selten Nebenzähne
- anomalodesmatisch: ohne oder nur mit schwach ausgebildeten Zähnen, mit Chondrophor, einem vorstehenden Träger des inneren Ligaments (Schließknorpel oder Resilium)
Analog spricht man bei den Schalen der Articulata, die keine Muscheln sind, sondern zu den Armfüßern gehören, vom Schloss.
Muskelabdrücke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Ansatzstellen der Schließmuskeln (Schließmuskelabdrücke) und der Mantelrückziehmuskeln (die Mantellinie) spielen für Systematik und Bestimmung eine wichtige Rolle. Von den Schließmuskelabdrücken sind ursprünglich zwei gleich große vorhanden (isomyar). Im Lauf der Evolution entstanden Arten mit unterschiedlich großen Schließmuskelabdrücken (anisomyar oder heteromyar) und solche mit nur einem Abdruck (monomyar).
Die Mantellinie veränderte sich von einer einfachen gebogenen Linie, die die beiden Schließmuskelabdrücke verbindet, (integripalliat, vgl. das Foto einer Herzmuschel) hin zu einer eingebuchteten Form (sinupalliat, vgl. Zeichnung).
Formen
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In Farbe, Form und Beschaffenheit sind die Schalen der einzelnen Arten sehr unterschiedlich. Weiße und stachlige existieren ebenso wie längliche, schwarze und glatte Schalen.
Die Schalenform der Muscheln ist an ihre jeweilige Lebensweise angepasst. Da Muscheln aus unterschiedlichen Gruppen oft ähnliche Lebensweisen besitzen, etwa im Sediment vergraben durch einen Sipho Wasser filtrieren, bilden sie trotz geringer Verwandtschaft oft ähnliche Schalenformen aus (Konvergenz). Der Zusammenhang zwischen Schalenform und Lebensweise ermöglicht auch die Rekonstruktion der Lebensweise fossiler Formen und eventuell auch deren Habitate.
Löcher
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am Strand angespülte Muschelschalen weisen manchmal kreisrunde, 1–3 mm große Löcher auf. Diese werden von Raubschnecken (meist Naticidae) erzeugt, welche die Muschel mit ihrer Raspelzunge aufbohren und dann die Weichteile verzehren.[2]
Lebensweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lebensräume
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Muscheln sind an das Leben im Wasser gebunden. Sie kommen sowohl im Salzwasser, Brackwasser als auch Süßwasser vor, von der Arktis und Antarktis bis in die Tropen. Besonders im Wattenmeer findet man sehr große Mengen an Muscheln (beispielsweise Herzmuscheln und Miesmuscheln) im beziehungsweise auf dem Watt. Sie stellen eine wichtige Nahrung für Seevögel dar.
Die Art Enigmonia aenigmatica (Holten, 1803) (eine Anomiidae) lebt in der Gezeitgischt auf Mangrovenblättern im Indopazifik und entspricht am ehesten einer Lebensweise an Land.
Muscheln leben als erwachsene Tiere überwiegend sessil (festsitzend), teils an festen Oberflächen, beispielsweise Felsen oder Steinen, teils im Sand oder Schlick. Sie gehören also zum Benthos. Sie sind von der Gezeitenzone bis in die Tiefsee verbreitet.
Fortbewegung und Verankerung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Folgende Fortbewegungsarten sind bei Muscheln beobachtet worden:
- Fortbewegung mit Hilfe des Fußes
- Die häufigste Fortbewegungsweise bei Muscheln ist die Fortbewegung mit Hilfe ihres Fußes. Dieser Körperteil kann zum Beispiel bei Herzmuscheln (Cardiidae) auf die dreifache Länge des Schalendurchmessers gestreckt werden. Dank ihres Fußes können sich Muscheln schnell eingraben, ruckweise kriechen oder sogar springen (Knotige Herzmuschel (Acanthocardia tuberculata) aus einem 20 cm hohen Aquarium). Für die Fortbewegung brauchen die Muscheln ein geeignetes Substrat, da sie im Gegensatz zu Schnecken nie einen echten Kriechfuß besitzen. Arten der Gattung Sphaerium sind in der Lage, sich auf Pflanzen spannerartig fortzubewegen, indem der Fuß ausgestreckt, die Spitze festgeklebt und der Körper nachgezogen wird.
- Durch Schalenklappern freies Schwimmen auf kurzen Strecken
- Arten der Gattung Lima schwimmen gut, einige der Familie Kammmuscheln (Pectinidae) ebenfalls. Sie können durch ruckartiges Zusammenklappen der Schalenhälften einen gerichteten Wasserstrom erzeugen und sich so nach dem Raketenprinzip ein Stückchen durch das Wasser bewegen. Kammmuscheln können angeblich Wasser auch gezielt durch die Öhrchen an den Seiten ausstoßen und so ihre Bewegungen, unterstützt durch ihre Linsenaugen, feiner koordinieren.
- Verankern mit Byssusfäden
- Einige Muscheln (unter anderem Miesmuscheln (Mytilus), Steckmuscheln (Pinnidae), Archenmuscheln (Arcidae) und Sattelmuschel (Anomia ephippium)) spinnen mit einem Sekret der Byssusdrüse an ihrem Fuß so genannte Byssusfäden, mit denen sie sich aneinander und an der Unterlage festkleben. Für Positionswechsel können zumindest Miesmuscheln die Byssusfäden mit einem Sekret wieder auflösen.
- Feste Verankerung mit der Schale am Untergrund
- Bekanntestes Beispiel sind die Austern (Ostreidae). Weitere festgewachsene Gattungen: Chama, Pseudochama, einige Anomia-Arten, Stachelaustern (Spondylus).
- Keine feste Verankerung, da von Substrat geschützt
- Bei Arten, die in Substrat wie Holz oder Stein bohren, kann die Bewegungsfähigkeit eingeschränkt und die Schale als Schutz reduziert sein. Beispiele: Schiffsbohrwürmer und Krause Bohrmuschel.
Ernährung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Muscheln waren ursprünglich Sedimentfresser, abgeleitet entstanden filtrierende Planktonfresser und Sonderformen wie Holzfresser, Jäger und Bakterienzüchter.
Die urtümlichen Muscheln aus der Unterklasse Protobranchia sammeln mit verlängerten Mundlappen vom umgebenden Substrat essbare Partikel, wie Protozoen, Eier, Larven und verdaulichen Detritus ein. Die Nahrung gelangt anschließend über eine Wimperrinne zur Mundöffnung.
Die meisten höher entwickelten Muscheln ernähren sich ausschließlich durch Filtration ihres Atemwassers. Im Mantelraum und auf den Kiemen gelegene Wimpern erzeugen einen gerichteten Wasserstrom, der durch eine Atemöffnung eintritt und durch die andere wieder austritt. Feste Teilchen im Atemwasser werden an den Kiemen aufgefangen und gelangen in einem Schleimpaket zur Mundöffnung. Die verwertbaren Partikel, meist Plankton, werden verdaut, der Rest in Kotschnüren ausgeschieden. Aufgrund ihrer Ernährung durch Filtration kommen Muscheln mit sehr großen Wassermengen in Kontakt, was sie besonders empfänglich für im Wasser enthaltene Schadstoffe macht und als Bioindikatoren prädestiniert.
Die Bohrmuscheln (Teredinidae) verwerten mit speziellen Enzymen das Holz, in dem sie bohren.
Einige, möglicherweise auch die meisten Arten der zu den Anomalodesmata gehörenden Septibranchia (darunter die Keulenmuscheln) sind Jäger, die mithilfe ihres muskulösen Septums in der Mantelhöhle aktiv kleine Krebstiere einsaugen.
Die Riesenmuscheln (Tridacna) und Arten der Gattung Solemya leben mit symbiotischen, Photosynthese betreibenden Algen im Mantelrand, und Tiefseearten an Black Smokern halten sich Sulfidbakterien in speziellen Strukturen ihrer Kiemen.
Fortpflanzung und Entwicklung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die meisten Muschelarten sind getrennt geschlechtlich; es gibt sowohl männliche, als auch weibliche Tiere. Befruchtung und anschließende Larvenentwicklung finden äußerlich im Wasser statt. Der Ausstoß von Eiern und Samenzellen kann etwa bei den Riesenmuscheln (Tridacna) hormonell koordiniert sein. Nach einer Entwicklung über ein Larvenstadium vom Trochophora- oder Veliger-Typus entsteht aus der Larve nach einer Metamorphose die Jungmuschel, die sich während ihres Heranwachsens einen passenden Ort sucht, an dem sie das Erwachsenenleben verbringen kann. Bei Miesmuscheln (Mytilus), Austern (Ostrea) und anderen koloniebildenden Arten bleiben die Jungmuscheln meist in der Nähe der Kolonie und befestigen sich anschließend nicht nur am Untergrund, sondern auch an anderen Muscheln. So entstehen beispielsweise die Muschelbänke der Miesmuschel wie man sie aus dem Wattenmeer kennt.
Die im Süßwasser lebenden Muschelarten zeigen sehr unterschiedliche Fortpflanzungs- und Entwicklungsmethoden. Diese Muschelgruppen, ebenso wie die im Süßwasser und an Land lebenden Schneckengruppen, haben sich im Verlauf ihrer Entwicklung stark an die wechselhaften Lebensbedingungen, die das Süßwasser von den relativ konstanten Bedingungen im Meer unterscheiden, angepasst. Die Gruppe der Unionida, zu denen die in Mitteleuropa heimischen Großmuscheln (Maler-, Bach-, Teich- und Flussperlmuscheln) gehören, entwickelt sich über ein parasitisches Larvenstadium, die so genannten Glochidien, die sich zur weiteren Entwicklung erfolgreich an einem vorbeischwimmenden Fisch festheften müssen.
Im Gegensatz dazu sind die meisten im Süßwasser lebenden Kleinmuscheln (Erbsenmuscheln (Pisidium) und Kugelmuscheln (Sphaerium)) zwittrige Tiere, die lebende Larven gebären (Ovoviviparie). Die zu den Dreikantmuscheln gehörende Wandermuschel (Dreissena polymorpha) hingegen entwickelt sich, wie ihre meereslebenden Verwandten, über ein veligerähnliches planktontisches Larvenstadium.
Gefährdung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Durch Gewässerverschmutzung und Flussbegradigungen sind die großen Süßwassermuscheln (Unionida), zu denen auch die Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera) zählt, vielerorts stark in ihrem Bestand bedroht. Hinzu kommt die weitere Dezimierung durch die 1905 nach Eurasien eingeschleppte Bisamratte, die als Haupt-Fraßfeind dieser Muschelarten zählt.
Stammesgeschichte und Systematik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Evolution
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Muscheln erscheinen fossil erstmals im Kambrium vor etwa 500 Millionen Jahren. Die frühen Formen waren noch einfach gebaute Weichtiere mit einer einklappigen Schale. Im mittleren Ordovizium erschienen erstmals Vertreter aller modernen Unterklassen.
Die rezenten Muscheln sind aus sedimentgrabenden Vorfahren entstanden. Diese hatten als Anpassung an das Leben im Meeresboden den Kopf bis auf die Mundöffnung und die Mundlappen reduziert. Jüngere Formen stellten auf eine Ernährung durch Filtration um. Evolutionär haben sich aus einfachen Fiederkiemen zur Atmung die komplexeren Faden- und Blattkiemen zur Filtration entwickelt.
Während der Kreidezeit bildeten schnell wachsende Muscheln riffähnliche Strukturen, die mit heutigen Korallenriffen vergleichbar sind. Diese Muscheln, deren Schalen Licht leitende Elemente enthielten, lebten teilweise in Symbiose mit Photosynthese betreibenden Einzellern.
In vielen Gesteinen zählen Muscheln zu den besonders häufigen Fossilien, da die harte Schale sich gut erhält. Sie dienen deswegen oft als Leitfossilien.
Die Evolutionsgeschwindigkeit der Muscheln ist sehr unterschiedlich. Während als Leitfossil dienende Arten im Durchschnitt 0,3 bis 1 Million Jahre existieren, sind einzelne Gattungen erheblich langlebiger. Die Gattung Gryphaea ist seit dem Unterjura (195 Mio. Jahre), die Gattung Spondylus seit dem Perm (285 Mio. Jahre) und Lima seit dem Jura nachgewiesen.
Das ursprüngliche, taxodonte Schloss der Muscheln besitzt eine große Zahl kleiner, gleichförmiger Zähnchen, während hoch abgeleitete, heterodonte Formen aus wenigen Hauptzähnen und bis zu vier leistenförmige Seitenzähnen bestehen oder gar keine Zähne besitzen.
Systematik der Großgruppen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Systematik der Muscheln war in der Vergangenheit größeren Veränderungen unterworfen. Auch heute kommen vor allem durch molekulargenetische Untersuchungen neue Daten hinzu, die selbst die Großsystematik noch geringfügig verändern könnten. Allerdings hat sich die Systematik und auch die Phylogenie der Großgruppen in den letzten 15 Jahren jedoch – mit wenigen Ausnahmen – weitgehend stabilisiert. Die Unterschiede in den verschiedenen Klassifikationen beruhen vor allem in der sehr subjektiven hierarchischen Stellung einiger weniger Gruppen (z. B. Ordnung Ostreida gegen Überfamilie Ostreoidea, Anomalodesmata Ordnung oder Überordnung).
Die Klassifikation der Muscheln nach Bieler & Mikkelsen (2006) (nur rezente Gruppen) und Amler et al. (2000) (auch fossile Gruppen) sowie nach dem Zoological Record stellt sich zurzeit so dar:
Klasse Bivalvia Linnaeus, 1758
- Infraklasse Protobranchi(at)a Pelseneer, 1889
- Ordnung Nuculida Dall, 1889
- Ordnung Solemyida Dall, 1889
- Ordnung Nuculanida Carter, Campbell & Campbell, 2000 (diese neue Ordnung hat noch keine allgemeine Akzeptanz gefunden (nach Zoological Record); alternativ können die in dieser Ordnung vereinigten Familien in die Ordnung Nuculida gestellt werden)
- Infraklasse Autolamellibranchi(at)a/Autobranchi(at)a Grobben, 1894
- Unterklasse Pteriomorphia Beurlen, 1944
- Ordnung † Praecardioida Newell, 1965
- Ordnung † Cyrtodontoida Scarlato & Starobogatov, 1971
- (Ordnung Ostreida Férussac, 1822) (diese Ordnung wird von Bieler & Mikkelsen (2006) nicht anerkannt, sondern zu einer Überfamilie innerhalb der Ordnung Pteriida „degradiert“. Demgegenüber verwendet die überwiegende Mehrzahl der Malakologen diese Großgruppe im Ordnungsrang; laut Zoological Record)
- Ordnung Arcida Stoliczka, 1870
- Ordnung Mytilida Férussac, 1822
- Ordnung Pteriida Newell, 1965
- Ordnung Limida Waller, 1978
- Ordnung Pectinida H. Adams & A. Adams, 1857
- Unterklasse Heteroconchia Hertwig, 1895
- Überordnung Palaeoheterodonta Newell, 1965
- Ordnung † Actinodontoida Douvillé, 1912
- Ordnung † Modiomorphoida Newell, 1969
- Ordnung Trigonoida Dall, 1889
- Ordnung Unionida Stoliczka, 1870
- Überordnung Heterodonta Neumayr, 1883
- Ordnung Carditida Dall, 1889
- Ordnung † Hippuritida Newell, 1965
- Ordnung Venerida H. Adams & A. Adams, 1856
- Ordnung Myida Stoliczka, 1870
- Ordnung Anomalodesmata Dall, 1889 (Diese Gruppe wird von den meisten Malakologen noch als Überordnung betrachtet; Harper et al. (2006) begründen die Rückstufung auf Ordnungsrang jedoch mit vielen neuen molekulargenetischen Daten).
- Überordnung Palaeoheterodonta Newell, 1965
- Unterklasse Pteriomorphia Beurlen, 1944
Für noch ältere Klassifikationen, die gelegentlich noch in populärwissenschaftlichen Muschelhandbüchern auftauchen, sei auf den Artikel Systematik der Muscheln verwiesen.
Stammbaum
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Über die Phylogenie bzw. die Kladistik der heutigen Gruppen besteht insofern weitgehende Einigkeit unter den Malakologen, als die Protobranchi(at)a als die Schwestergruppe der restlichen Muscheln, den Autolamellibranchi(at)a (oder auch Autobranchi(at)a) angesehen werden. Einige halten die Protobranchia jedoch für eine paraphyletische Gruppierung. Innerhalb der Autolamellibranchia bilden Pteriomorphia und Heteroconchia wiederum Schwestergruppen. Die weitere Schwesterngruppengliederung innerhalb der Pteriomorphia ist noch unsicher. Innerhalb der Heteroconchia bilden Palaeoheterodonta und Heterodonta Schwestergruppen.
Zahl der Arten nach Großgruppen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Huber (2010) geht von weltweit 106 Familien mit insgesamt 1260 Gattungen und etwa 9200 rezenten Muschelarten aus. Diese verteilen sich wie folgt auf die jeweiligen Gruppen:
Zahl der | Familien | Gattungen | Arten |
---|---|---|---|
Protobranchia | 10 | 49 | 700 |
Nuculoidea | 1 | 8 | 170 |
Sapretoidea | 1 | ca. 5 | 10 |
Solemyoidea | 1 | 2 | 30 |
Manzanelloidea | 1 | 2 | 20 |
Nuculanoidea | 6 | 32 | 460 |
Pteriomorpha | 25 | 240 (davon 2 Süßwasser) | 2000 (davon 11 Süßwasser) |
Mytiloidea | 1 | 50 (1 Süßwasser) | 400 (5 Süßwasser) |
Arcoidea | 7 | 60 (1 Süßwasser) | 570 (6 Süßwasser) |
Pinnoidea | 1 | 3 (+) | 50 |
Pterioidea | 5 | 9 | 80 |
Ostreoidea | 2 | 23 | 80 |
Dimyoidea | 1 | 3 | 15 |
Anomioidea | 2 | 9 | 30 |
Plicatuloidea | 1 | 1 | 20 |
Pectinoidea | 4 | 68 | 500 |
Limoidea | 1 | 8 | 250 |
Palaeoheterodonta | 7 (davon 6 Süßwasser) | 171 (davon 170 Süßwasser) | 908 (davon 900 Süßwasser) |
Trigonioidea | 1 | 1 | 8 |
Unionoidea | (6 Süßwasser) | (170 Süßwasser) | (900 Süßwasser) |
Heterodonta | 64 (davon 1 Süßwasser) | 800 (davon 16 Süßwasser) | 5600 (davon 270 Süßwasser) |
Crassatelloidea | 5 | 65 | 420 |
Thyasiroidea | 1 | ca. 12 | ca. 100 |
Lucinoidea | 2 | ca. 85 | ca. 500 |
Galeommatoidea | ca. 4 | ca. 100 | ca. 500 |
Cyamioidea | 3 | 22 | 140 |
Solenoidea | 2 | 17 (2 Süßwasser) | 130 (4 Süßwasser) |
Hiatelloidea | 1 | 5 | 25 |
Gastrochaenoidea | 1 | 7 | 30 |
Chamoidea | 1 | 6 | 70 |
Cardioidea | 2 | 38 | 260 |
Tellinoidea | 5 | 110 (2 Süßwasser) | 900 (15 Süßwasser) |
Glossoidea | 2 | 20 | 110 |
Arcticoidea | 2 | 6 | 13 |
Cyrenoidea | 1 | 6 (3 Süßwasser) | 60 (30 Süßwasser) |
Sphaerioidea | (1 Süßwasser) | (5 Süßwasser) | (200 Süßwasser) |
Veneroidea | 4 | 104 | 750 |
Hemidonacoidea | 1 | 1 | 6 |
Cyrenoidoidea | 1 | 1 | 6 |
Ungulinoidea | 1 | 16 | 100 |
Mactroidea | 4 | 46 | 220 |
Dreissenoidea | 1 | 3 (2 Süßwasser) | 20 (12 Süßwasser) |
Myoidea | 3 | 15 (1 Süßwasser) | 130 (1 Süßwasser) |
Pholadoidea | 2 | 34 (1 Süßwasser) | 200 (3 Süßwasser) |
Limoidea | 1 | 8 | 250 |
(Anomalodesmata) | (14) | (71) | (770) |
Pholadomyoidea | 2 | 3 | 20 |
Clavagelloidea | 1 | 2 | 20 |
Pandoroidea | 7 | 30 | 250 |
Verticordioidea | 2 | 16 | 160 |
Cuspidarioidea | 2 | 20 | 320 |
Muscheln und der Mensch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Muscheln als Nahrung
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Menschen aus vielen historischen und prähistorischen Kulturen haben in ihren Küchenabfällen Hinweise darauf hinterlassen, dass Muscheln konsumiert wurden. Die ältesten Belege hierfür sind rund 165.000 Jahre alt und stammen von den so genannten Pinnacle-Point-Menschen aus Südafrika. In Dänemark werden solche urgeschichtlichen Muschelhaufen Køkkenmøddinger genannt.
Auch heute noch dienen viele Arten von Muscheln – in der westlichen Welt besonders Miesmuscheln, Austern, Venusmuscheln, Messermuscheln (wie Schwertförmige Scheidenmuschel) und Kammmuscheln – als Nahrung des Menschen. Allein in Europa werden jährlich rund 100.000 t Miesmuscheln verzehrt. Die Zucht von Muscheln auf Muschelbänken ist heute (besonders Austern und Miesmuscheln, die auch natürlich solche Bänke bilden) ein wichtiges Gewerbe an nahezu allen Küsten der Welt.
Die Angaben zum Nährwert unterscheiden sich zwischen Muschelarten nur geringfügig. Der Energiegehalt in kJ wurden nach den für Menschen gültigen Formeln berechnet. Wenn Muscheln als Nahrung für Tiere dienen, muss eventuell der Aufwand für die Verdauung der Muschelschale bedacht werden. Je nach Schalendicke kann daher die Energiebilanz negativ ausfallen.
Energiegehalt und Nährstoffe pro 100 g in g (unfrittiert) (verzehrbarer Anteil für Frischware) | ||||
---|---|---|---|---|
Art | kJ | Protein | Fett | Kohlenhydrate |
Jakobsmuschel | 336 | 11,9 | 1 | 5,5 |
Klaffmuschel | 288 | 11,1 | 1,4 | 2,6 |
Miesmuschel | 292 | 10,2 | 1,5 | 3,4 |
Venusmuschel | 340 | 11,1 | 1,1 | 6,4 |
Perlen und Perlmutt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben der Nutzung als Nahrungsmittel ist die Verwendung von Muschelteilen, besonders Perlen und Perlmutt, als Schmuck von Bedeutung. Auch diese hat eine lange Tradition. Beispielsweise wurden im Neolithikum in Europa Muschelschalen über weite Strecken als Handelsware transportiert, wie Funde der Schalen der Stachelauster (Spondylus gaederopus) in der Bandkeramischen und Theiß-Kultur zeigen. Spondylus princeps, die an der Küste von Ecuador vorkommt, besaß eine große Bedeutung für die Menschen der präkolumbischen Zeit. Zu den Funden der asiatischen Mehrgarh-Kultur des frühesten Neolithikums gehört ebenfalls Schmuck aus Meeres-Muscheln.
Vertreter der Unionida und Pteriidae sind von jeher natürliche Quellen für Perlen und Perlmutt. Der hohe Wert von Perlen der Flussperlmuschel führte dazu, dass sie im Mittelalter in einigen Regionen der heutigen Bundesrepublik Deutschland unter Schutz gestellt und Wilderei massiv – etwa durch das Abhacken der Hand – bestraft wurde. Ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. wurden in China so genannte „Buddha-Perlen“ in Süßwassermuscheln (wie z. B. Hyriopsis cumingii) gezüchtet, aber erst dem Japaner Kokichi Mikimoto gelang es in den frühen 1920er Jahren, die ersten vollrunden Zuchtperlen auf den Markt zu bringen und damit die Grundlage der heutigen Perlenzucht und des Handels mit Perlen zu legen.
Muschelwährungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Viele Kulturen, etwa die Ureinwohner Nordamerikas, besaßen eine eigene Muschelwährung, da Muscheln wegen ihrer Seltenheit und ihres Schmuckwertes geschätzt wurden. So entstand der englische Begriff „shell out“ für „bezahlen“.
Schäden durch den Schiffsbohrwurm
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auch negative Auswirkungen von Muscheln auf den Menschen und seine Technik sind bekannt. Ein Beispiel für Bioerosion bietet der Schiffsbohrwurm (Teredo navalis), der sich vom Holz von Schiffen, Stegen, Buhnen oder hölzernen Deichtoren ernährt und durch seine langen Gänge das Holz brüchig macht. Seine Einschleppung aus Amerika führte zu einer Revolution des Schiffbaus, sein derzeitiges Vordringen in die Ostsee ist ein aktuelles Problem der Unterwasserarchäologie, da er dort historisch bedeutsame Holzschiffreste zerstört.
Symbole und Mythologie
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Muscheln finden sich als Symbol in der Kunst und Mythologie, die wiederum die Benennung von Muscheln inspirierte. Zum Beispiel sind die Venusmuscheln (zu denen auch die Muschelgattung Venus gehört) benannt nach Venus, der antiken römischen Göttin der Liebe, des erotischen Verlangens und der Schönheit. Darstellungen zeigen oft die Geburt der Venus aus einer Muschel; allerdings wird dabei oft nicht eine Venusmuschel dargestellt, sondern eine Kammmuschel der Gattung Pecten (so auch im Bild rechts).
Seit dem Mittelalter dienen die stärker gewölbten rechten Schalenhälften der Großen Pilgermuschel Pecten maximus (bzw. Zinnabgüsse solcher Muscheln) den Jakobspilgern, die das Grab des heiligen Jakobus in Santiago de Compostela besuchen, als Erkennungszeichen. Die Mittelmeer-Pilgermuschel Pecten jacobaeus, die der Bezeichnung „Jakobsmuschel“ näher kommt, kann aufgrund ihres Verbreitungsgebietes nicht die von den Pilgern genutzte Art sein. Im Artikel Jakobsmuschel werden daher sowohl Pecten maximus als auch Pecten jacobaeus als Jakobsmuscheln bezeichnet.
Das Wappen von Guinea-Bissaus enthält eine stilisierte Kammmuschel als Symbol für die Lage des Landes an der Küste Afrikas. Der Ölkonzern Shell (englisch shell = Muschel) verwendet sie als Firmenlogo.
Das „Meeresrauschen“ in der Muschel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es heißt, dass in Muscheln das Rauschen des Meeres zu hören sein soll. Man kann nämlich das Rauschen der Muschel mit einem Mikrofon aufnehmen, ohne dass sich ein Mensch in der Nähe befindet. Auf der Aufnahme wäre das Rauschen dann zu hören.
Tatsächlich handelt es sich hierbei um ein Resonanzphänomen: Wie in einem Blasinstrument befindet sich in der Schale eine Luftsäule, die eine bestimmte Eigenfrequenz besitzt. Das ist jener Ton, welcher entsteht, wenn man die Muschel zum Schwingen bringt. Die Luftsäule wird durch kaum merkliche Geräusche in der Umgebung, deren Frequenzen ungefähr der Eigenfrequenz der Muschel entsprechen, in Schwingung versetzt. Dadurch werden diese sonst nicht hörbaren Umgebungsgeräusche erheblich verstärkt. Das entstehende Tongemisch wird vom Menschen als Rauschen wahrgenommen.[3][4][5]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Muschelschale
- Muschelmuseum
- Køkkenmøddinger (prähistorische Muschelhaufen)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- R. Tucker Abbott, S. Peter Dance: Compendium of Seashells. 1990, ISBN 0-915826-17-8
- Markus Huber: Compendium of Bivalves. A Full-Color Guide to 3'300 of the World's Marine Bivalves. A Status on Bivalvia after 250 Years of Research. 901 S. + CD. ConchBooks, Hackenheim 2010, ISBN 978-3-939767-28-2
- Rudolf Kilias: Marine Muscheln und Schnecken, Lexikon. 2. Auflage, Ulmer, Stuttgart 2000 (Erstausgabe 1997), ISBN 978-3-8001-3105-1
- Gert Lindner: Muscheln und Schnecken der Weltmeere, Aussehen, Vorkommen, Systematik [Bestimmungsbuch], 5., überarbeitete und erweiterte Auflage. BLV, München / Wien / Zürich 1999, ISBN 3-405-15438-3
- Gert Lindner: Muscheln und Schnecken sammeln und bestimmen: Die häufigsten und schönsten Arten. Für die Strände Europas [Bestimmungsbuch], In: Der zuverlässige Naturführer. 3. Auflage, BLV, München 2008, ISBN 978-3-8354-0374-1
- Arno Hermann Müller: Lehrbuch der Paläozoologie. Band. II, Teil 1, Protozoa – Mollusca 1, Fischer, Jena 1993, ISBN 3-334-60409-8
- Alfred Kaestner (Begründer): Lehrbuch der Speziellen Zoologie. Band I, Teil 3 Mollusca etc., Fischer, Stuttgart 1982, ISBN 3-437-20260-X
- Rüdiger Bieler, Paula M. Mikkelsen: Bivalvia – a look at the Branches. Zoological Journal of the Linnean Society, 148: 223–235, London 2006.
- Michael Amler, Rudolf Fischer, Nicole Rogalla: Muscheln. Haeckel-Bücherei, Band 5. Enke Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-13-118391-8
- Elisabeth M. Harper, Hermann Dreyer, Gerhard Steiner: Reconstructing the Anomalodesmata (Mollusca: Bivalvia): morphology and molecules. Zoological Journal of the Linnean Society, 148(3): 395–420, London 2006
- D. C. Campbell: Paleontological and molecular evidence on Bivalve phylogeny. In: Evolutionary Paleobiology and Paleoecology of the Bivalvia 2002
- J. A. Schneider: Bivalve systematics in the 20th century. Journal of Paleontology, 75: 1119–1127 2001.
- Gonzalo Giribet, Daniel L. Distel: Bivalve phylogeny and molecular data. In: Lydeard, Charles; Lindberg, David R. [Eds]. Molecular systematics and phylogeography of mollusks. S. 45–90. [Smithsonian Series in Comparative Evolutionary Biology.]. Smithsonian Books, Washington and London 2003.
- Robert Prezant: Classification. In: P.L. Beesley, G. J. B. Ross & A. Wells (Hrsg.): Mollusca. The Southern Synthesis, Part A Fauna of Australia. Band 5, S. 224–226, Collingwood, CSIRO Publishing, 1998
- J. G. Carter, D. C. Campbell, M. R. Campbell: Cladistic perspectives of early bivalve evolution. In: Geological Society Special Publications, S. 47–79, Geological Society, London 2000.
- Norman D. Newell: Classification of Bivalvia. In: R.C. Moore (Hrsg.): Treatise on Invertebrate Paleontology, Part N, Mollusca 6, S. N205-N218, University of Kansas Press, Lawrence, Kansas 1969.
- Literarische Darstellung
- Birgit Vanderbeke: Das Muschelessen [Erzählung]. Fischer-Taschenbuch 13783, Frankfurt am Main 1997 (Erstausgabe: Rotbuch, Berlin 1990, ISBN 3-88022-757-8), ISBN 978-3-596-13783-1 (Ingeborg Bachmann-Preis 1990).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Muscheln auf weichtiere.at
- http://www.bivalvia.net
- www.wissenschaft.de: Warum das Verschwinden der Haie die Muscheln bedroht – Forscher zeigen den Zusammenhang der Abnahme von Hai- und Muschelbeständen auf
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Pia Andrea Egger: Anatomisch-histologische Untersuchung der Kiemenretraktoren bei ausgewählten Arten der Caudofoveata (Mollusca). (PDF) Diss. Universität Wien, 2008.
- ↑ Wolfgang von Buddenbrook: Vergleichende Physiologie. Band III: Ernährung, Wasserhaushalt und Mineralhaushalt der Tiere. Springer Basel 1956, S. 262
- ↑ 121 – Akustische Hohlraumschwingungen. Friedrich-Schiller-Universität Jena, Physikalisch-Astronomische Fakultät, 13. August 2010, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 13. Mai 2012; abgerufen am 19. Oktober 2011 (Versuch mit einer leeren Flasche).
- ↑ Vladimir Rydl: Wissensfrage. Meeresrauschen oder Ohrensausen – was hört man, wenn man sich das Gehäuse einer Meeresschnecke ans Ohr hält? In: Planet Wissen. 1. Juni 2009, abgerufen am 19. Oktober 2011.
- ↑ Was rauscht in der Muschel? Schweizer Fernsehen, 19. April 2007, ehemals im ; abgerufen am 19. Oktober 2011. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) (nicht mehr online verfügbar)