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„Jesus von Nazaret“ – Versionsunterschied

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{{Dieser Artikel|behandelt die historische Person ''Jesus von Nazaret.'' Für weitere Artikel zu dieser Person siehe [[Jesus Christus]].}}
{{Dieser Artikel|behandelt die ''historische'' Person Jesus von Nazaret. Den urchristlichen Glauben an ihn behandelt der Artikel [[Jesus Christus]]. Zu weiteren Bedeutungen siehe [[Jesus (Begriffsklärung)]].}}
[[Datei:The Good Shepherd, Priscilla Catacomb,from the 1903 book Die Malereien der Katakomben Roms (Tafeln) by Wilpert, Joseph.jpg|mini|Jesus als [[guter Hirte]], frühchristliche Deckenmalerei in der [[Calixtus-Katakombe]] in Rom, um 250]]


'''Jesus von Nazaret''' ([[Hebräische Sprache|hebräisch]] ''[[Jehoschua|Jeschua]]'' oder ''[[Jeschu]]'', [[Gräzisierung|gräzisiert]] {{lang|grc|Ἰησοῦς}}; * zwischen [[7 v. Chr.|7]] und [[4 v. Chr.]], wahrscheinlich in [[Nazareth]]; † [[30]] oder [[31]] in [[Jerusalem]]) war ein jüdischer [[Prediger|Wanderprediger]]. Etwa ab dem Jahr 28 trat er öffentlich in [[Galiläa]] und [[Judäa]] auf. Zwei bis drei Jahre später wurde er auf Befehl des römischen [[Präfekt (Römisches Reich)|Präfekten]] [[Pontius Pilatus]] von römischen Soldaten [[Kreuzigung|gekreuzigt]].
[[Bild:Christus Ravenna.jpg|thumb|Christus-Darstellung aus dem 6. Jahrhundert, Ausschnitt aus einem Mosaik in San Apollinare Nuovo, [[Ravenna]]]]


Das [[Neues Testament|Neue Testament]] (NT) ist als Glaubensdokument der [[Urchristentum|Urchristen]] zugleich die wichtigste Quelle für die [[historische Jesusforschung]]. Danach hat Jesus [[Nachfolge Jesu|Nachfolger]] berufen, den [[Judentum|Juden]] seiner Zeit das nahe [[Reich Gottes]] verkündet und sein Volk darum zur [[Buße (Religion)|Umkehr]] aufgerufen.<ref>Bibelstellen im Artikel werden nach der [[Einheitsübersetzung]] zitiert und nach den [[Schreibweise biblischer Namen im Deutschen|Loccumer Richtlinien]] abgekürzt. Biblische Namen werden danach buchstabiert.</ref>
'''Jesus von Nazaret''' (* vermutlich zwischen [[7 v. Chr.|7]] und [[4 v. Chr.]] in [[Bethlehem]], [[Kafarnaum]] oder [[Nazaret]]; † [[30]], [[31]] oder [[33]] in [[Jerusalem]]) wird als die historische Person angenommen, die hinter dem [[Jesus Christus im Neuen Testament|Jesus Christus]] des [[Neues Testament|Neuen Testament]]s (folgend: '''NT''') steht.


Seine Anhänger verkündeten ihn nach seinem Tod als [[Jesus Christus]], den [[Messias]] und [[Sohn Gottes]]. Daraus entstand eine neue [[Weltreligion]], das [[Christentum]]. Auch [[Jesus außerhalb des Christentums|außerhalb des Christentums]] wurde Jesus bedeutsam.
Jesus gilt als [[Jude]] aus [[Galiläa]], der ungefähr seit dem Jahr [[28]] öffentlich als Wanderprediger im Gebiet des heutigen [[Israel]] und im [[Westjordanland]] auftrat. Er wollte laut NT keine neue Religion gründen, sondern das [[Judentum]] angesichts des erwarteten [[Reich Gottes|Gottesreichs]] zur [[Umkehr]] rufen. Wenige Jahre später wurde er als angeblicher Aufrührer gegen die [[Römisches Reich|römische]] Besatzungsmacht [[Kreuzigung|gekreuzigt]].


== Die Quellen und ihre Auswertung ==
Seine historische Wirkung ist die Bildung einer neuen [[Weltreligion]], des [[Christentum]]s. Aber auch in [[Jesus außerhalb des Christentums|anderen Religionen]] und unter Nichtchristen hat Jesu Wirken religiöse, kulturelle, politische und persönliche Bedeutung.
Jesus hat keine Schriften hinterlassen. Fast das gesamte historische Wissen über ihn stammt von seinen Anhängern, die ihre Erinnerungen an ihn nach seinem Tod weitererzählten, sammelten und aufschrieben.


=== Nichtchristliche Quellen ===
Für [[Antike|antike]] Verhältnisse ist die [[Quelle (Geschichtswissenschaft)|Quellenlage]] bei Jesus mit mehreren [[Evangelium|Evangelien]] relativ günstig. Aber aus ihnen lassen sich nur bedingt gesicherte biografische Details erschließen, da sie Jesus als den [[Christus]] ([[Messias]], [[Sohn Gottes]], [[Erlösung|Erlöser]]) verkünden. So sehen Christen ihn im Lichte der [[Auferstehung]]stexte im NT. Daneben erwähnen nur wenige [[Außerchristliche Notizen zu Jesus von Nazaret|außerchristliche Notizen]] Jesus.
{{Hauptartikel|Außerchristliche antike Quellen zu Jesus von Nazaret}}


Wenige jüdische, griechische und römische Autoren der [[Antike]] erwähnen Jesus, jedoch fast nur seinen Christustitel und seine [[Hinrichtung]]. Woher ihre Kenntnis stammte, ist unsicher.
Gleichwohl versucht die historische [[Leben-Jesu-Forschung|NT-Forschung]], aus den Glaubensdokumenten Grundzüge seines Auftretens und seiner Verkündigung zu rekonstruieren. Dieser Artikel stellt einige ihrer heutigen, weithin als plausibel anerkannten, aber auch umstrittene Ergebnisse dar. Die angegebene Literatur führt diese näher aus. Bibelstellen werden wie üblich [[Wikipedia:Bibelzitate#Abkürzungen|abgekürzt]].


Der jüdische Historiker [[Flavius Josephus]] erwähnt Jesus in seinen ''[[Jüdische Altertümer|Jüdischen Altertümern]]'' (um 93/94) zweimal. Die erste Stelle, das [[Testimonium Flavianum]] (18,63 f.), galt früher als komplett eingefügt, heute wird es nur als von Christen überarbeitet betrachtet. Sein vermutlich authentischer Kern beschreibt Jesus als von vornehmen Juden angeklagten, von Pilatus zum Kreuzestod verurteilten [[Weisheit]]slehrer für Juden und Nichtjuden, dessen Anhänger ihm treu geblieben seien. Die zweite Stelle (20,200) berichtet über die Hinrichtung des [[Jakobus (Bruder Jesu)|Jakobus]] und bezeichnet ihn als Bruder Jesu, „der Christus genannt wird“. Manche Historiker bezweifeln, dass ein Jude Jesus so bezeichnet hätte, für andere bezieht sich dies auf die erste Stelle zurück.<ref>Alice Whealey: ''Josephus on Jesus: The Testimonium Flavianum Controversy from Late Antiquity to Modern Times.'' Peter Lang, New York 2003, ISBN 0-8204-5241-6, S. 2–4</ref>
== Grundlagen der Kenntnisse über den historischen Jesus ==
Jesus hat keine schriftlichen Werke hinterlassen. Fast alles Wissen über ihn stammt aus antiken Quellen, die nach seinem Tod verfasst wurden, um ihn als den Messias zu verkünden. Nur wenige Daten dieser Glaubensdokumente werden durch [[außerchristliche Notizen zu Jesus von Nazaret|außerchristliche Notizen]] gestützt. Ihre Prüfung und Auswertung unternimmt die historisch-kritische NT-Wissenschaft, die aus der Leben-Jesu-Forschung hervorging.


Der römische Geschichtsschreiber [[Tacitus]] berichtet um 117 von „Chrestianern“, denen Kaiser [[Nero]] die Schuld am [[Großer Brand Roms|Brand Roms]] im Jahr 64 zugeschoben habe, und notiert in seinen ''[[Annales (Tacitus)|Annales]]'' (15,44): „Dieser Name [Christiani] stammt von Christus, der unter [[Tiberius]] vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war.“ Unklar ist, ob sich diese Notiz auf römische oder christliche Quellen stützt. Möglicherweise erfuhr Tacitus während seiner Statthalterschaft im Osten des Reiches davon.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 89</ref>
=== Nichtchristliche Zeugnisse ===
Einige jüdische, römische und griechische Geschichtsschreiber zwischen 70 und 200 n. Chr. erwähnen Jesus. Diese seltenen und kurzen Notizen wurden frühestens 40 Jahre nach Jesu Tod verfasst und erwähnen fast nur seine Hinrichtung, nicht sein Wirken und seine Lehre. Sie sind zudem quellenkritisch umstritten, da einige davon auf Gerüchten und Missverständnissen beruhen, andere eventuell später von christlichen [[Kopist|Kopisten]] eingefügt wurden.


Weitere Notizen von [[Sueton]], [[Mara Bar Serapion]] und im [[Babylonischer Talmud|babylonischen Talmud]] (''Traktat Sanhedrin 43a'') beziehen sich nur beiläufig oder polemisch auf ihnen bekannt gewordene christliche Überlieferung.
Das sogenannte [[Testimonium Flavianum]] ist das älteste außerchristliche Dokument, das Jesus nennt. Der jüdische Historiker [[Flavius Josephus]] berichtet in seinen etwa [[90]] bis [[94]] verfassten ''Antiquitates Judaicae'' (Kap. 20,200) über die Hinrichtung des [[Jakobus der Gerechte|Jakobus]], eines Bruders Jesu. Diese Notiz wird in der Regel als echt angesehen. Eine längere Notiz dagegen (Kap. 18,63f.), die Jesus als „Christus“ (Messiasanwärter) bezeichnet, gilt meist als nachträglicher Einschub christlicher Apologeten. Allenfalls die erwähnte Hinrichtung durch [[Pontius_Pilatus|Pilatus]] wird als echter Kern vermutet.


=== Christliche Quellen ===
[[Tacitus]] berichtet um [[117]] in den [[Annalen|''Annales'']] (Buch XV, 44) von so genannten ''Chrestianern,'' denen Kaiser [[Nero]] die Schuld am Brand Roms im Jahr [[64]] zugeschoben habe. Er fährt fort:
Informationen über Jesus werden großenteils den vier [[Kanon (Bibel)|kanonischen]] [[Evangelium (Literaturgattung)|Evangelien]], manche auch den [[Paulusbriefe]]n, einigen [[Apokryphen]] und außerhalb davon überlieferten Einzelworten ([[Agrapha]]) entnommen. Diese Texte stammen von Urchristen jüdischer Herkunft, die an die [[Auferstehung Jesu Christi]] glaubten (Mk 16,6; Apg 2,32) und authentische Erinnerungen an Jesus mit biblischen, legendarischen und symbolischen Elementen verbanden. Damit wollten sie Jesus als den verheißenen Messias für ihre Gegenwart verkündigen, nicht biografisches Wissen über ihn festhalten und vermitteln. Gleichwohl enthalten diese Glaubensdokumente auch historische Angaben.
:''Der Mann, von dem sich dieser Name herleitet, Christus, war unter der Herrschaft des Tiberius auf Veranlassung des Prokurators Pontius Pilatus hingerichtet worden.''
Unklar bleibt, ob diese Nachricht sich auf unabhängige römische Quellen oder bereits auf christliche Überlieferung stützt.


Die zwischen 48 und 61 entstandenen Paulusbriefe nennen kaum biografische Daten Jesu, zitieren aber einige seiner Worte und Aussagen aus der [[Jerusalemer Urgemeinde]] über ihn, die entsprechende Evangelienangaben bestätigen. Auch der [[Brief des Jakobus]] spielt öfter auf Eigenaussagen Jesu an und gilt manchen Neutestamentlern als mögliche Quelle dafür, falls er von Jesu Bruder stammt.<ref>James H. Charlesworth: ''The Historical Jesus'', Nashville 2008, S. 41</ref>
[[Sueton]] schreibt etwa um [[120]] in seiner [[Biografie]] des Kaisers [[Claudius]] (Kap. 25,4), dieser habe ''die Juden, welche, von einem gewissen Chrestos aufgehetzt, fortwährend Unruhe stifteten,'' aus Rom vertrieben ([[49]]). Ob „Chrestos“ sich auf Jesus Christus bezieht, ist ungewiss.


Wegen Anspielungen auf die Zerstörung des [[Herodianischer Tempel|Jerusalemer Tempels]] (Mk 13,2; Mt 22,7; Lk 19,43 f.) werden die drei [[Synoptische Evangelien|synoptischen Evangelien]] meist auf die Zeit nach 70 datiert. Daher kannte wahrscheinlich keiner der Autoren Jesus persönlich. Sie übernahmen jedoch ältere Überlieferung, die mit auf Jesu erste Nachfolger aus Galiläa zurückgeht.<ref>[[Richard Bauckham]]: ''Jesus and the Eyewitnesses. The Gospels as Eyewitness Testimony.'' William B. Eerdmans, Grand Rapids / Michigan 2006, ISBN 0-8028-3162-1</ref> Den Autoren des [[Evangelium nach Matthäus|Matthäus-]] und [[Evangelium nach Lukas|Lukasevangeliums]] lag nach der weithin akzeptierten [[Zweiquellentheorie]] das [[Evangelium nach Markus|Markusevangelium]] oder eine Vorform davon vor. Sie übernahmen die Komposition und die meisten Texte daraus und veränderten diese nach ihren eigenen theologischen Absichten. Ihre sonstigen gemeinsamen Stoffe werden einer hypothetischen [[Logienquelle Q]] mit gesammelten Reden und Sprüchen Jesu zugewiesen, deren Verschriftung auf 40 bis 70 datiert wird.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 44 f.</ref> Ähnliche Spruchsammlungen enthält das vermutlich in Syrien entstandene [[Thomasevangelium]]. Ihre frühesten, zuvor jahrelang mündlich überlieferten Bestandteile (Lk 1,2) stammen von Jesu ersten Anhängern und können originale Jesusworte bewahrt haben. Auch ihr jeweiliges [[Sondergut]] und das um 100 entstandene [[Evangelium nach Johannes|Johannesevangelium]] können unabhängig überlieferte historische Angaben zu Jesus enthalten.
Weitere Notizen stammen von [[Plinius der Jüngere|Plinius dem Jüngeren]], dem ansonsten unbekannten syrischen [[Stoa|Stoiker]] Mara bar Sarapion sowie aus [[Rabbi|rabbinischen]] Quellen. Diese Autoren beziehen sich jedoch nur am Rande oder polemisch auf ihnen bekannt gewordene christliche Überlieferungen.


Die Evangelisten überarbeiteten ihre Quellen auf je eigene Weise für ihre Missions- und Lehrabsichten, erzählen die Ereignisse vom Einzug Jesu in Jerusalem bis zu seiner Grablegung jedoch in fast derselben Reihenfolge. Diese gemeinsamen Texte werden auf einen [[Passion Jesu|Passionsbericht]] aus der Urgemeinde zurückgeführt, der frühe [[Christliche Glaubensbekenntnisse|Credoformeln]] narrativ entfaltete. Gemeinsame Grundzüge dieser Vorlage werden auf einen historischen Kern zurückgeführt. Der Autor des Markusevangeliums verknüpfte diesen Passionsbericht mit Jesusüberlieferung aus Galiläa und erweiterte ihn; seinen Aufriss übernahmen die übrigen Evangelisten.<ref>Ludger Schenke: ''Der gekreuzigte Christus. Versuch einer literarkritischen und traditionsgeschichtlichen Bestimmung der vormarkinischen Passionsgeschichte.'' Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1974, ISBN 3-460-03691-5; Joachim Gnilka: ''Das Evangelium nach Markus (Mk 8,27–16,20)'', EKK Teil II/2, : Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2010, ISBN 978-3-7887-2392-7, S. 217</ref> Dabei veränderten sie manche der hier besonders häufigen Orts-, Zeit-, Personen- und Situationsangaben, so dass deren Historizität stark umstritten ist. Galten früher nur die von außerchristlichen Notizen bestätigte Kreuzigung Jesu durch Römer, seine Festnahme und ein Hinrichtungsbefehl des Statthalters als unstrittig historisch,<ref>[[Hans Conzelmann (Theologe)|Hans Conzelmann]]: ''Historie und Theologie in den synoptischen Passionsberichten.'' In: Fritz Viering (Hrsg.): ''Zur Bedeutung des Todes Jesu: Exegetische Beiträge.'' Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1967, S. 37 f.</ref> so nehmen heute viele Forscher an, dass die Jerusalemer Urchristen einige der zu Jesu Tod führenden Ereignisse zutreffend überlieferten: besonders in Textpassagen, deren Details auch das Johannesevangelium enthält und die gemäß jüdischen und römischen Quellen rechts- und sozialhistorisch plausibel wirken.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 394; Wolfgang Reinbold: ''Der Prozess Jesu'', Göttingen 2006, S. 49; Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 362.</ref>
=== Christliche Zeugnisse ===
Informationen über Jesus lassen sich primär aus der Analyse der vier [[Evangelium (Buch)|Evangelien]] sowie einigen [[Apokryphen|apokryphen]] Schriften, vor allem dem [[Thomasevangelium]] gewinnen. Diese bilden eine eigene [[Literatur]]form von Christen meist jüdischer Herkunft, die von Jesu [[Auferstehung]] überzeugt waren (Mk 16,6) und ihn als den [[Messias]] für ihre Gegenwart erzählerisch verkündigen wollten. Sie enthalten fast keine exakten historischen Daten, da sie nicht über Vergangenes nachprüfbar berichten wollten, sondern die aktuelle Glaubensentscheidung der Leser intendierten. Ihre historische Zuverlässigkeit ist daher seit Beginn der Leben-Jesu-Forschung stark umstritten.


=== Forschung ===
Nach heutigem Wissensstand wurden die drei [[Synopse|synoptischen]] Evangelien nach [[Markus (Evangelist)|Markus]], [[Matthäus (Evangelist)|Matthäus]] und [[Lukas (Evangelist)|Lukas]] frühestens 30 bis 40 Jahre nach Jesu Tod schriftlich fixiert, wahrscheinlich erst nach der Zerstörung des [[Jüdischer Aufstand|Jerusalemer Tempels]] im Jahr [[70]]. Nur wenige Historiker vertreten ein früheres Entstehungsdatum einzelner Evangelien. Demnach hat wohl keiner ihrer Autoren Jesus persönlich gekannt.
{{Hauptartikel|Historische Jesusforschung}}
Seit etwa 1750 werden die urchristlichen Schriften mit den [[Historisch-kritische Methode (Theologie)|Methoden der historischen Kritik]] untersucht. Die Forschung unterscheidet darin historische Angaben von legendarischen, mythischen und theologischen Motiven. Viele Neutestamentler glaubten früher, sie könnten den Evangelien eine biografische Entwicklung Jesu entnehmen; oft ergänzten sie fehlende Daten spekulativ. Manche bestritten wegen der mythischen Elemente der Quellen Jesu Existenz (siehe [[Jesus-Mythos]]). Methodik und viele Einzelthesen der damaligen ''Leben-Jesu''-Literatur gelten seit [[Albert Schweitzer]]s ''Geschichte der Leben-Jesu-Forschung'' (1906/1913) als überholt.


Seitdem verfeinerten sich die historisch-kritischen Textanalysen. Ab 1950 wurden zunehmend außerbiblische Quellen herangezogen, um die historische Glaubwürdigkeit der NT-Überlieferung zu überprüfen. Ab etwa 1970 bezog man gewachsene Kenntnisse der [[Archäologie]], [[Sozialgeschichte]], [[Orientalistik]] und [[Jüdische Studien|Judaistik]] zur Zeit Jesu stärker ein. Evangelische, katholische, jüdische und religionslose Historiker forschen heute teilweise gemeinsam, so dass ihre Ergebnisse weniger von weltanschaulichen Interessen bestimmt sind.<ref>James H. Charlesworth: ''The Historical Jesus'', Nashville 2008, S. 22.</ref>
Jedoch lag den Evangelisten Matthäus und Lukas nach der im Kern weithin akzeptierten [[Zweiquellentheorie]] bereits das [[Markusevangelium]] vor. Von diesem übernahmen sie die Komposition und die meisten Texte, wobei sie diese ihren theologischen Aussageabsichten gemäß veränderten. Sie verarbeiteten außerdem wohl eine nur ihnen bekannte [[Logienquelle]], in der Reden und Sprüche Jesu gesammelt waren ([[Peter Stuhlmacher]]). Ähnliche Jesusworte wurden eventuell zeitlich parallel auch von syrischen Gemeinden gesammelt und später im Thomasevangelium fixiert. Alle diese Stoffe wurden seit Jesu Tod jahrzehntelang mündlich von Angehörigen der ersten Christengeneration (Lk 1,2) überliefert. Ihre frühesten Bestandteile können direkt auf Jesus zurückgehen, da sie eventuell von Jüngern stammen, die ihn noch selbst erlebt haben.


Die weitaus meisten NT-Historiker entnehmen den Quellen, dass Jesus tatsächlich gelebt hat. Sie ordnen ihn ganz in das damalige Judentum ein<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 7; Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 123.</ref> und nehmen an, dass sich seine Lebens- und Todesumstände, Verkündigung, sein Verhältnis zu anderen jüdischen Gruppen und Selbstverständnis in Grundzügen ermitteln lassen. Umfang und Zuverlässigkeit historischer Angaben im NT sind jedoch bis heute stark umstritten. Welche überlieferten Worte und Taten Jesu als historisch gelten, hängt von Vorentscheidungen über die sogenannten Echtheitskriterien ab.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' Stuttgart 2010, S. 148 f.</ref> Weithin anerkannt sind die Kriterien der Kontext- und Wirkungsplausibilität: „Historisch ist in den Quellen das, was sich als Auswirkung Jesu begreifen lässt und gleichzeitig nur in einem jüdischen Kontext entstanden sein kann.“<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 117; Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 148 und öfter.</ref>
Der „Markus“ genannte Evangelienredaktor fügte seinerseits einen frühen Passionsbericht aus der [[Jerusalemer Urgemeinde]] in sein Evangelium ein. Dieser legt den Schwerpunkt auf die Ereignisse am Lebensende Jesu, auf die hin alle Evangelien verfasst wurden. Er begann wahrscheinlich mit dem Verrat des [[Judas Ischariot|Judas]] (Mk 14,10) und endete mit der Entdeckung des leeren Grabes Jesu. Damit führte er die in den [[Paulusbriefe]]n überlieferten [[Glaubensbekenntnis|Credoformeln]] erzählend aus ([[Ulrich Wilckens]]). Diese bilden die wahrscheinlich ältesten Kristallisationskerne der NT-Überlieferung. Dem Passionsbericht wurden dann allmählich weitere Ereignisse vorangestellt.


== Herkunft ==
Dass alle Evangelien vom Einzug Jesu in Jerusalem an demselben festgefügten Ablauf folgen, gilt als starkes Indiz für Alter und Zuverlässigkeit der Passionsüberlieferung. Diese bildet ihren größten Anteil, so dass diese Literaturform seit [[Martin Kähler]] als „Passions- und Ostergeschichte mit ausführlicher Einleitung“ gilt.
=== Name ===
''[[Jesus (Name)|Jesus]]'' ist die [[Latinisierung|latinisierte]] Form des griechischen männlichen Vornamens {{lang|grc|Ἰησοῦς}}, der seinerseits den hebräischen Vornamen ''Jehoschua'' und dessen aramäische Kurzformen ''Jeschua'' oder ''Jeschu'' übersetzt. Dieser Name setzt sich aus der Kurzform ''Jeho-'' des Gottesnamens [[JHWH]] und einer Form des hebräischen Verbs ''j(a)sch(a)ʿ'' („helfen, retten“) zusammen.<ref>Werner Foerster, Art. Ἰησοῦς, in: ThWNT III, Stuttgart/Berlin/Köln 1990, ISBN 3-17-011204-X, S. 290.</ref> Demgemäß deuten Mt 1,21 und Apg 4,12 den Namen als Aussage: „Gott ist die Rettung“ oder „der Herr hilft“. Auch die gräzisierte Form blieb im damaligen Judentum geläufig und wurde nicht wie sonst üblich mit einem griechischen oder lateinischen Doppelnamen ergänzt oder von ähnlich klingenden Namen ersetzt.<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 46 f.</ref>


Einige Stellen setzen dem Vornamen „[[Josef von Nazaret|Josefs]] Sohn“ (Lk 3,23; 4,22; Joh 1,45) oder „Sohn der [[Maria (Mutter Jesu)|Maria]]“ (Mk 6,3; Mt 13,55), meist jedoch ''Nazarenos'' oder ''Nazoraios'' hinzu ({{B|Mt|26|71}}; {{B|Joh|19|19}}), um seinen Herkunftsort anzugeben (Mk 1,9). {{B|Mt|2|23}} erklärt dies so: {{"|(Josef) ließ sich in einer Stadt namens Nazaret nieder. Denn es sollte sich erfüllen, was durch die Propheten gesagt worden ist: Er wird Nazoräer genannt werden.}} Diese Weissagung kommt im [[Tanach]] nicht vor, kann aber auf den Ausdruck ''nēṣer'' („Spross“) in {{B|Jes|11|1}} für den Messias als Nachkommen [[David]]s anspielen. Eventuell deuteten die Evangelisten damit eine herabsetzende Fremdbezeichnung Jesu ({{B|Joh|1|46}}: „Was kann aus Nazaret Gutes kommen?“) um. Die Bezeichnung ''Nazarenos'' für Jesus wurde auch auf Christen im syrischen Raum übertragen (''nasraja'') und ging in den [[Talmud]] als ''noṣri'' ein.<ref>[[Wolfgang Wiefel]]: ''Das Evangelium nach Matthäus.'' In: ''Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament Band 1'', Evangelische Verlagsanstalt 1998, ISBN 3-374-01639-1, S. 49.</ref>
Das [[Johannesevangelium]] kann nach heutiger Forschermeinung trotz seiner späten Entstehung (um [[130]]) durchaus unabhängige historische Stoffe enthalten, etwa von Jesu Verhältnis zu den [[Mandäer]]n oder seinen Jerusalem-Besuchen. Da die Evangelisten ihre Quellen auf je eigene Weise theologisch gestalteten und in ihre Missions- und Lehrabsichten einordneten, lassen ihre Gemeinsamkeiten umso mehr auf einen realen, historischen Kern schließen.


=== Die Leben-Jesu-Forschung ===
=== Geburts- und Todesjahr ===
{{Hauptartikel|Chronologie des Lebens Jesu}}
Seit etwa [[1750]] entstand die universitäre [[Leben-Jesu-Forschung]], die sich von kirchlicher Bevormundung zu lösen begann. Sie versuchte, historische Informationen von rein theologischen Aussagen des NT nach wissenschaftlichen Kriterien methodisch zuverlässig zu unterscheiden. Seitdem erwogen NT-Forscher jede denkbare [[Hypothese]]. Manche bezweifelten Jesu Existenz oder ergänzten spekulativ fehlendes Wissen. Viele der so entstandenen „Jesusbiografien“ gelten seit [[Albert Schweitzer]]s ''Geschichte der Leben-Jesu-Forschung'' ([[1899]]) als überholt. Auch heute gibt es einige [[spekulative Theorien über Jesus von Nazaret]], die die seriöse NT-Forschung verwirft.


Das NT gibt kein Geburtsdatum Jesu an; es war den Urchristen unbekannt. Die [[christliche Jahreszählung]] beginnt mit dem (angenommenen) Jahr der Geburt [[Jesus Christus|Jesu Christi]] (*&nbsp;zwischen 7 und 4 [[v. Chr.]]).
Seit dem frühen 20. Jahrhundert werden zunehmend außerbiblische Quellen herangezogen, um die historische Glaubwürdigkeit der NT-Überlieferung zu überprüfen. Aufgrund gewachsener Kenntnisse der [[Archäologie]], [[Sozialgeschichte]] und [[Orientalistik]] und dank immer differenzierterer [[Historisch-kritische Methode|historisch-kritischer Textanalysen]] gehen heute auch nichtchristliche Historiker in der Regel davon aus, dass Jesus tatsächlich gelebt hat und sich relativ sicher ermitteln lässt, was er verkündete, wer er sein und was er tun wollte.


Die NT-Angaben dazu sind widersprüchlich. Nach Mt 2,1 ff. und Lk 1,5 wurde er zu Lebzeiten des [[Herodes]] geboren, der laut Josephus 4 v. Chr. starb. Lk 2,1f. datiert Jesu Geburtsjahr auf eine von Kaiser [[Augustus]] angeordnete „erste“ römische [[Volkszählung]] durch Eintragung von Grundbesitz in Steuerlisten unter [[Publius Sulpicius Quirinius]]. Dieser wurde jedoch erst 6/7 n. Chr. Statthalter Roms für [[Syrien]] und Judäa. Eine frühere derartige Steuererhebung ist dort unbelegt und gilt wegen der Steuerhoheit des Herodes als unwahrscheinlich.<ref>Jürgen Roloff: ''Jesus.'' 2011, S. 36.</ref> Lk 2,2 ist wahrscheinlich ein chronologischer Irrtum und dient als Anlass für die Reise vom Maria und Josef nach [[Bethlehem]].<ref>Hans Klein: ''Das Lukasevangelium.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005, ISBN 3-525-51500-6, [http://books.google.de/books?id=PItFF1Pby1sC&pg=PA133 S. 133].</ref> Versuche, Jesu Geburtstag durch astronomische Berechnungen einer mit dem [[Stern von Betlehem]] (Mt 2,1.9) identifizierten Himmelserscheinung zu bestimmen, sind bisher nicht überzeugend.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 149–151; Eduard Schweizer: ''Jesus Christus I'', ThRE, S. 710.</ref> Somit wurde Jesus wahrscheinlich zwischen 7 und 4 v. Chr. geboren.<ref>Eduard Lohse, Anton Vögtle: ''Geschichte des Urchristentums.'' In: Thomas Kaufmann, Raymund Kottje, Bernd Moeller, Hubert Wolf (Hrsg.): ''Ökumenische Kirchengeschichte 01: Von den Anfängen bis zum Mittelalter.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006, ISBN 3-534-15804-0, S. 7; [[Rainer Riesner]]: ''Wann war Weihnachten? Chronologische und überlieferungsgeschichtliche Fragen zur Geburt Jesu.'' In: [[Theologische Beiträge]], Jahrgang 54, 2023, S. 223–240, hier S. 225–229 (dort auch weitere Literatur)</ref>
So bieten u. a. die Schriftfunde von [[Qumran]] der [[Judaistik]] heute ein differenzierteres Bild des palästinischen Judentums zur Zeit Jesu. Danach haben sich manche, von theologischen Vorurteilen bestimmte Sichtweisen – etwa Jesu angebliche „Aufhebung“ der [[Tora]] und sein Gegensatz zu den [[Pharisäer]]n – als unhaltbar erwiesen. Auch [[Apokalyptik|apokalyptische]] und [[weisheit]]liche Elemente seiner Predigten werden nicht mehr vom Judentum abgerückt. Andererseits hält man auch einen Messiasanspruch und die bewusste Leidensannahme heute eher für Bestandteile der Eigenverkündigung Jesu als nur für eine nachösterliche Deutung früher Christen.


Die Evangelien berichten zusammenhängend nur aus einem bis drei der letzten Lebensjahre Jesu. Nach Lk 3,1 trat [[Johannes der Täufer]] „im 15. Jahr der Herrschaft des Kaisers [[Tiberius]]“ auf: Nach dieser einzigen exakten Jahresangabe im NT trat Jesus frühestens ab 28 auf, wohl seit der Täufer inhaftiert war (Mk 1,14). Damals soll er etwa 30 Jahre alt gewesen sein (Lk 3,23).<ref>Leonard Goppelt: ''Zur Chronologie Jesu.'' In: ''Theologie des Neuen Testaments'', Göttingen 1978, S. 71.</ref>
== Jesu Herkunft ==
=== Der Name ===
*''[[Jesus (Name)|Jesus]]'' ist die latinisierte Form des griechischen Ιησους und wird griechisch dekliniert (Genitiv „Jesu“). Es übersetzt den männlichen hebräischen Vornamen ''Jeschua,'' auch ''Jehoschua'' oder ''[[Josua]].'' – [[Hebräische Sprache|Hebräisch]] wurde in [[Palästina (Region)|Palästina]] zur Zeit Jesu kaum noch gesprochen. Griechische, nicht jedoch hebräische oder [[Aramäische Sprache|aramäisch]]e Namen wurden damals in andere Sprachen übersetzt.


Nach allen Evangelien wurde Jesus auf Befehl des römischen Präfekten Pontius Pilatus hingerichtet, der von 26 bis 36 in Judäa amtierte. Als Todestag Jesu überliefern sie den Vortag eines [[Schabbat|Sabbat]] (Freitag) während eines [[Pessach]]. Die Synoptiker nennen den Hauptfesttag nach dem [[Seder]]abend, also den 15. [[Nisan (Monat)|Nisan]] im [[Jüdischer Kalender|jüdischen Kalender]], das Johannesevangelium dagegen nennt den [[Rüsttag]] zum Fest, also den 14. Nisan. Nach kalendarisch-astronomischen Berechnungen fiel der 15. Nisan in den Jahren 31 und 34, der 14. Nisan dagegen 30 und 33 auf einen Freitag. Viele Forscher halten die johanneische Datierung heute für historisch glaubwürdiger.<ref>Michael Theobald: ''Das Herrenmahl im Neuen Testament.'' In: ''Theologische Quartalsschrift'' 183/2003, S. 261 (Verweise ebd.)</ref> Manche vermuten einen zusätzlichen Pessach-Sabbat am Tag vor dem Wochensabbat; dann wäre Jesus übereinstimmend an einem Donnerstag gekreuzigt worden.<ref>Richard L. Niswonger: ''New Testament History.'' 1992, ISBN 0-310-31201-9, [http://books.google.de/books?id=uyAXaNnz9sUC&pg=PA167 S. 167 f.]</ref>
*''[[Jehoschua]]'' verbindet „Jeho“ (in Vornamen enthaltene Kurzform von [[JHWH]], dem Gottesnamen der [[Tanach|hebräischen Bibel]]) mit „schua“ (retten, befreien; vgl. [[Hosea (Buch)|„Hoshea“]] = Rettung). „Jesus“ bedeutet auf Hebräisch also „Gott-rettet“, „Gott-Retter“ oder „Gott-(ist)-Rettung“. Dieser Name war damals unter Juden verbreitet. Nach der Trennung des Christentums vom Judentum wurden Juden aber nur noch selten so genannt.


Die meisten Forscher halten das Jahr 30 für Jesu Todesjahr, weil [[Paulus von Tarsus]] zwischen 32 und 35 Christ wurde, nachdem er die Urchristen eine Weile verfolgt hatte.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 152 ff.</ref> Jesus wurde demnach zwischen 30 und 40 Jahre alt.
*''[[Jehoschua Ben Joseph|Ben oder Bar Joseph]]'' hieß Jesus mit Nachnamen, falls man ihn wie üblich bei seiner [[Beschneidung]] nach seinem Vater nannte (Lk 2,21). Das NT belegt dies nicht: Lk 4,22 nennt „Josefs Sohn“ ohne Vornamen und betont so den Kontrast zur [[Jungfrauengeburt]] (Lk 3,23). Joh 1,45 betont mit „Jesus, Josefs Sohn aus Nazaret“ seine königliche Abstammung von [[David (Israel)|David]]. Frühere Versionen nennen ihn dagegen „Sohn der [[Maria (Mutter Jesu)|Maria]]“ (Mk 6,3; Mt 13,55).


=== Geburtsort ===
*''[[Christus]]'' ist die lateinische Form des griechischen Χριστος. Dieses übersetzt das hebräische „[[Maschiach]]“, deutsch „der Gesalbte“. Das ist ein jüdischer Ehrentitel für [[König|Könige]] und [[Hoherpriester|Hohepriester]], später für den erwarteten König der zukünftigen Heilszeit, den [[Messias (Christentum)|Messias]].
[[Datei:Bethlehem - Stern von Bethlehem in der Geburtsgrotte.jpg|mini|Die „Geburtsgrotte“ in Bethlehem wird als der Geburtsort Jesu verehrt.]]
Die [[Weihnachtsgeschichte|Geburtsgeschichten]] des NT (Mt 1–2/Lk 1–2) gelten weitgehend als Legenden, da sie bei Mk und Joh fehlen, sich stark unterscheiden und viele mythische und legendarische Züge enthalten.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 150.</ref> Dazu zählt man die Listen der [[Vorfahren Jesu]] (Mt 1; Lk 3), die Geburtsankündigung durch einen [[Engel]] (Lk 1,26 f.), die Geistzeugung und [[Jungfrauengeburt]] Jesu (Mt 1,18; Lk 1,35), den Besuch von [[Heilige Drei Könige|orientalischen Astrologen]] (Mt 2,1), den Stern, der sie zu Jesu Geburtsort geführt haben soll (Mt 2,9), den [[Kindermord in Bethlehem]] (Mt 2,13; vgl. Ex 1,22) und die Flucht der Eltern mit Jesus nach Ägypten (Mt 2,16 ff.).


Nach Mt 2,5f und Lk 2,4 wurde Jesus in Betlehem in Judäa geboren, dem Herkunftsort Davids, von dem im Tanach der künftige Messias abstammen sollte. Damit betonen sie, Jesus sei Davids Nachkomme gewesen und seine Geburt in Betlehem habe die messianische Verheißung Mi 5,1 erfüllt. Mk und Joh erzählen keine Geburtsgeschichten.
*''[[Jesus Christus]]'' verbindet den jüdischen Vornamen und griechischen Titel zu einem Nominalsatz, der das christliche [[Glaubensbekenntnis]] in Kurzform ausdrückt: ''Dieser Jesus ist der Messias.''


Alle Evangelien nennen Nazareth in Galiläa als Jesu „Heimat“ oder „Vaterstadt“, Wohnsitz seiner Eltern und Geschwister (Mk 1,9; 6,1–4; Mt 13,54; 21,11; Lk 1,26; 2,39; 4,23; Joh 1,45 und öfter) und bezeichnen ihn darum als „Nazarener“ (Mk 1,24; 10,47) oder „Nazoräer“ (Mt 2,23; Joh 19,19). Nazareth war nach archäologischen Funden damals ein unbedeutendes Dorf von höchstens 400 Einwohnern.<ref>James F. Strange: ''Nazareth.'' ABD 4, S. 1050 f.; Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret.'' Leipzig 2006, S. 76.</ref> Es kommt im Tanach nicht vor. Darauf beziehen sich im NT überlieferte Einwände gegen Jesu Messianität (Joh 1,45; Joh 7,41).
=== Nazarener, Nazoräer oder Nasiräer? ===
Der Namenszusatz ''von [[Nazaret]]'' ([[Latein|lat.]]: ''Nazarenus'') bezeichnet im NT Jesu Herkunftsort in Galiläa (Mk 1,9). Doch dieser Zusatz wird mit ''Nazoraios'' variiert: So nannten die [[Mandäer]] die Lehrer ihrer [[Taufe|Taufriten]]. Auch Jesus (Joh 19,19) und die Christen (Apg 24,5) nannte man anfangs [[Nazoräer]], eventuell weil er und einige seiner Jünger früher zu [[Johannes der Täufer|Johannes dem Täufer]] gehörten und auch tauften. Nach [[Mark Lidzbarski]] bezogen erst die Evangelien-Autoren den Ausdruck irrtümlich oder bewusst auf den Ort. So sagt Mt 2,23:
:''(Josef) kam und wohnte in der Stadt, die Nazaret heißt, damit erfüllt würde, was die Propheten gesagt haben: Er soll Nazarener heißen.''
Doch diese Verheißung kennt die Bibel nicht.


Mt und Lk haben den ihnen überlieferten Wohnort der Familie Jesu verschieden mit den Geburtsgeschichten ausgeglichen: Jesu Eltern hätten in Betlehem ein Haus bewohnt und seien erst später nach Nazareth gezogen (Mt 2,22 f.); sie seien kurz vor Jesu Geburt von Nazareth nach Betlehem gezogen und hätten sich dort vorübergehend aufgehalten (Lk 2,4 ff.).<ref>Edwin D. Freed: ''Stories of Jesus’ Birth: A Critical Introduction.'' T&t Clark, 2001, ISBN 1-84127-132-2, [http://books.google.de/books?id=X7jUAwAAQBAJ&pg=PA77 S. 77 f.]</ref> Deshalb nehmen Historiker heute meist an, dass Jesus in Nazareth geboren, seine Geburt aber später nach Betlehem verlegt wurde, um ihn gegenüber Juden als Messias zu verkünden.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, [http://books.google.de/books?id=N2mkcwZHoGAC&pg=PA158 S. 158]; Martin Koschorke: ''Jesus war nie in Bethlehem.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2011, ISBN 978-3-534-23639-8; [[Anton Ziegenaus]]: ''Bethlehem oder Nazareth? Zur Frage nach dem Geburtsort Jesu.'' In: Forum katholische Theologie 24, Schneider Druck, 2008, S. 205–214.</ref>
Die Herleitung von ''Nasiraios'' ist dagegen unwahrscheinlich: Ein [[Nasiräer]] war ein [[Askese|Asket]], der – wie der Täufer – auf strenge kultische Reinheit bedacht war. Er legte einen [[Eid]] ab, keinen [[Alkohol]] - dazu zählten alle gegorenen Traubensäfte - zu trinken, sich die Haare nicht mehr zu scheren, sich keiner Leiche und keinem Grab zu nähern (Num 6,1–4). Doch Jesus tat all das im Verlauf seines Wirkens und lehnte jeden Eid ab (Mt 5,33ff).


=== Geburts- und Todesjahr ===
=== Familie ===
Jesus war nach Mk 6,3 der erstgeborene „Sohn Marias“; Josef wird bei Mk nirgends genannt. Die Vorfahrenlisten betonen jedoch Jesu väterliche Stammlinie als „Sohn Josefs“ (Mt 1,16; Lk 3,23). So nennen ihn auch Maria in Lk 2,48 und die Galiläer in Joh 6,42. Laut {{B|Mt|1|18}} war Maria vor Jesu Geburt mit Josef verlobt. Nach Lk 2,21 wurde Jesus gemäß der [[Tora]] am achten Lebenstag [[Brit Mila|beschnitten]] und dabei nach jüdischem Brauch nach seinem Vater benannt, also „Jeschua ben Josef“ (Lk 4,22). Nach der Namensgebung erwähnen die Synoptiker Josef nicht mehr.
Historiker beurteilen die [[Weihnachtsgeschichte|Geburts]]- und Jugendgeschichten des NT weitgehend als spät entstandene [[Legende]]n. Dies gilt auch für das apokryphe [[Kindheitsevangelium nach Thomas]], das von Wundertaten des Knaben Jesus erzählt.


Daher vermutet Bruce Chilton, dass Jesus noch vor Josefs gültiger Heirat mit Maria gezeugt wurde und Josef früh starb. Niemand habe Josefs Vaterschaft rechtsgültig bezeugen können. Darum sei Jesus in seiner Heimat als uneheliches, nicht erbberechtigtes Kind (hebräisch ''mamzer'') abgelehnt worden (Joh 8,41).<ref>Bruce Chilton: ''Jesus, le mamzer (MT 1.18).'' New Testament Studies, Cambridge University Press, Cambridge 2001, {{ISSN|0028-6885}}, S. 222–227.</ref> Die erstmals im späten 2. Jahrhundert bezeugte „[[Panthera-Legende]]“ stellte Jesus als außereheliches Kind Marias dar.<ref>Peter Schäfer: ''Jesus im Talmud.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149462-8, [https://books.google.de/books?id=30In6G1aiTcC&lpg=PP1&dq=Jesus%20im%20Talmud.&hl=de&pg=PA37 S. 37–39].</ref> Mit Bezug darauf erklärte [[Gerd Lüdemann]] Jesu Benennung nach seiner Mutter in Mk 6,3 und seine Außenseiterrolle in Nazareth.<ref>Gerd Lüdemann: ''Jungfrauengeburt? Die Geschichte von Maria und ihrem Sohn Jesus.'' Zu Klampen, 2008, ISBN 978-3-86674-028-0.</ref> Viele Neutestamentler nehmen dagegen eine tatsächliche Vaterschaft Josefs und dessen Herkunft aus einer damals unterdrückten Nebenlinie der Daviddynastie an.<ref>Walter Gerwing: ''Die Gottesherrschaftsbewegung Jesu.'' Lit, Münster 2002, ISBN 3-8258-6299-2, [http://books.google.de/books?id=Cd0ek8EgC7sC&pg=PA22 S. 22]; Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 183 f.</ref>
Mt 1–2 und Lk 1–2 wollen Jesus als Messias verkünden und stellen seine Geburt dazu in den Rahmen biblischer Verheißungen. Der unbelegte [[Betlehemitischer Kindermord|Kindermord]] des [[Herodes der Große|Herodes]] (Mt 2,13) etwa erinnert an den Kindermord des ägyptischen [[Pharao]] vor Israels [[Auszug aus Ägypten|Exodus]] (Ex 1,22): Damit wird Jesus wie [[Moses]] als Befreier des Gottesvolks dargestellt. Auch der [[Stern von Betlehem|Stern]], der orientalische [[Astrologie|Astrologen]] zu seinem Geburtsort geführt haben soll (Mt 2,2), verkündet Jesus als kosmischen Erlöser. Ob zum Zeitpunkt seiner Geburt ein besonderes stellares Phänomen zu beobachten war, ist umstritten.


Nach Mk 6,3 hatte Jesus vier Brüder namens Jakobus, Joses (gräzisierte Form von Josef, Mt 13,55), Judas und Simon sowie einige nicht benannte Schwestern. Die Brüdernamen nach einigen der [[Zwölf Stämme Israels|zwölf Jakobssöhne]] und die Auslösung Jesu als des ersten Sohnes im Tempel (Lk 2,23) deuten auf eine [[tora]]treue jüdische Familie. „Brüder“ und „Schwestern“ kann im biblischen Wortgebrauch auch Vettern und Cousinen umfassen (siehe [[Geschwister Jesu]]).<ref>Diese Deutung soll die in der [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen]] und den [[Orthodoxe Kirchen|orthodoxen Kirchen]] vertretene „[[immerwährende Jungfräulichkeit Marias]]“ stützen. Siehe Lorenz Oberlinner: ''Historische Überlieferung und christologische Aussage. Zur Frage der 'Brüder Jesu' in der Synopse.'' Stuttgart 1975; dagegen Rudolf Pesch: ''Das Markusevangelium.'' Band 1, Herder, Freiburg 1976, S. 323; Joachim Gnilka: ''Das Evangelium nach Markus.'' Neuenkirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1978, ISBN 3-7887-0576-0, S. 234.</ref>
In [[Betlehem]], einer Kleinstadt nahe [[Jerusalem]], sollte nach biblischer Weissagung der Messias geboren werden (Mi 5,1). Damit bezeugen Mt 2,1.6 und Lk 2,4 Jesu Abstammung vom König [[David (Israel)|David]].
[[Bild:Kapernaum.jpg|thumb|Ausgrabungsstätte Haus des Petrus, Kafarnaum]]
Die meisten Historiker nehmen dagegen an, dass er in [[Nazaret]], dem Wohnort seiner Familie, oder in [[Kafarnaum]], dem Ort seines ersten und wiederholten Auftretens (Mk 1,21ff), geboren wurde.


Nach allen Evangelien bewirkte Jesu öffentliches Auftreten Konflikte mit seiner Familie. Das vierte der biblischen [[Zehn Gebote]] – ''Ehre Vater und Mutter!'' (Ex 20,12; Dtn 5,16) – verlangte nach damaliger Auslegung die Fürsorge der ersten Söhne für Eltern und Sippe.<ref>Harry Jungbauer: ''„Ehre Vater und Mutter“, Der Weg des Elterngebots in der biblischen Tradition.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2002, S. 80 ff.; [[Cornelis Houtman (Theologe)|Cornelis Houtman]]: ''Das Bundesbuch: ein Kommentar'', Brill, Leiden 1997, S. 131 ff.</ref> Doch zu Jesu Nachfolge gehörte nach Mt 10,37; Lk 14,26 das Verlassen der Angehörigen, das auch von der vermuteten [[Qumran]]-Gemeinde bekannt ist. Wie sie vertrat Jesus offenbar ein „afamiliäres Ethos der Nachfolge“, da seine ersten Jünger ihren Vater nach Mk 1,20 bei der Arbeit zurückließen, wenn auch mit Tagelöhnern.<ref>Rudolf Pesch: ''Das Markusevangelium'' Band 1, Freiburg 1976, S. 223.</ref>
Geburtstag und -jahr Jesu waren schon den [[Urchristen]] unbekannt. Nach Mt 2,1 wurde er vor dem Tod [[Herodes der Große|Herodes des Großen]] [[4 v. Chr.]] geboren, nach Lk 2,2 bei einer „ersten" römischen [[Volkszählung]] unter [[Publius Sulpicius Quirinius|Quirinius]]. Dieser wurde jedoch erst [[6]] n. Chr. Statthalter [[Syrien]]s und [[Judäa]]s. Eine frühere Steuererhebung dort ist unbekannt, aber auch nicht auszuschließen. Die [[christliche Zeitrechnung]], die das [[Jahr Null]] auf Jesu Geburtsjahr legen wollte, beruht auf einem Rechenfehler.


Nach Mk 3,21 versuchten Jesu Verwandte, ihn zurückzuhalten, und [[Psychische Gesundheit von Jesus von Nazaret#Darstellung Jesu als psychisch krank|erklärten ihn für verrückt]]. Darauf soll er seinen Anhängern erklärt haben {{Bibel|Mk|3|35}}: {{"|Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.}} Auch rabbinische Lehrer ordneten den Gehorsam gegenüber der Tora jenem gegenüber den Eltern vor, verlangten aber keine völlige Trennung von der Familie.<ref>Joachim Gnilka: ''Das Matthäusevangelium.'' Herder, Freiburg 1986, S. 396.</ref> Nach Mk 7,10 f. hob auch Jesus das vierte Gebot nicht auf: Durch keine Gelöbnisformel dürfe man sich der Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern entziehen.<ref>Rudolf Pesch: ''Das Markusevangelium.'' Band 1, S. 374 f.</ref>
Historisch gesehen ist aus Jesu Kindheit und Jugend fast nichts bekannt. Die Evangelien berichten fast nur aus seinen letzten Lebensjahren. Zu Beginn seines Auftretens soll er 30 Jahre alt gewesen sein (Lk 3,23). Sein Todesjahr ist nicht überliefert. Da er aber nach allen Evangelien am Vortag eines [[Schabbat]] an einem [[Pesach|Passahfest]] gekreuzigt wurde, halten NT-Forscher [[30]] für das wahrscheinlichste Todesjahr; astronomisch möglich sind auch 31 oder 33. Demnach wurde Jesus etwa 34 bis 40 Jahre alt.


Nach Mk 6,1–6 wurde Jesu Lehre in Nazareth abgelehnt, darum sei er nicht mehr dorthin zurückgekehrt. Aber nach Mk 1,31 versorgten Frauen aus Jesu Heimat ihn und seine Jünger. Sie blieben nach Mk 15,41 bis zum Tod bei ihm, so nach Joh 19,26 f. auch seine Mutter. Er soll noch am Kreuz für ihr Wohlergehen gesorgt haben, indem er sie einem anderen Jünger anvertraute. Obwohl seine Brüder nach Joh 7,5 „nicht an ihn glaubten“, gehörten seine Mutter und einige Brüder nach seinem Tod zur Urgemeinde (Apg 1,14; 1 Kor 9,5; Gal 1,19). Jakobus wurde später wegen seiner Auferstehungsvision (1 Kor 15,7) deren Leiter (Gal 2,9).
=== Sprache ===
Als galiläischer Jude sprach Jesus im Alltag die westliche Variante des [[Aramäische Sprache|Aramäischen]], der Reichssprache der [[Assyrien|Assyrer]], die die [[Perserreich|Perser]] in Israel eingeführt hatten. Das bestätigen einige aramäische Jesuszitate im NT. Er sprach wohl auch das verwandte [[Hebräische Sprache|Hebräisch]], in dem der [[Tanach]] – Israels [[Heilige Schrift]] – abgefasst war. Fraglich ist, ob er lesen und schreiben konnte und auch [[Griechische Sprache|Griechisch]] beherrschte, die damalige [[Koine|Verkehrssprache]] im Osten des [[Römisches Reich|römischen Reichs]]. Die ins Griechische übersetzte Bibel, die [[Septuaginta]], lasen wohl nur [[Hellenismus|hellenistisch]] gebildete Angehörige der jüdischen Oberschicht, nicht arme Galiläer.


Nach einem von [[Eusebius von Caesarea]] überlieferten Zitat des [[Hegesippus]] ließ Kaiser [[Domitian]] bei seiner [[Christenverfolgungen im Römischen Reich|Christenverfolgung]] (um 90) die noch lebenden Großneffen Jesu verhaften und verhörte sie. Dabei hätten sie die Frage nach ihrer davidischen Abstammung bejaht, vom Kaiser deshalb vermutete politische Ambitionen aber verneint und ihre bäuerliche Armut betont. Sie seien freigelassen worden und danach zu Kirchenführern aufgestiegen. Dass Jesu Angehörige sich als Nachfahren von König David sahen, gilt daher als wahrscheinlich.<ref>Hans Conzelmann: ''Geschichte des Urchristentums.'' 6. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1989, ISBN 978-3-525-51354-5, S. 150</ref>
Ob man griechische Ausdrücke und Redewendungen ins Aramäische zurück übersetzen kann, ist ein wichtiges Kriterium für die Suche nach „echten“, anfangs mündlich tradierten Jesusworten ([[Joachim Jeremias]]). So versucht man, seine eigene Verkündigung von urchristlicher Deutung zu unterscheiden.


=== Familie ===
=== Sprache, Ausbildung, Beruf ===
[[Datei:Giotto - Scrovegni - -22- - Christ among the Doctors.jpg|mini|[[Giotto di Bondone]]: ''Christus bei den Toralehrern'' (um 1305)]]
Jesus war nach Mk 6,1.3 der erste Sohn [[Josef von Nazaret|Josefs]] und seiner Frau [[Maria (Mutter Jesu)|Maria]], beide aus Nazaret. Seine [[Stammbaum Jesu|Stammbäume]] (Mt 1; Lk 3) betonen seine väterliche Abstammungslinie und stellen ihn als Nachkommen des Königs David dar (Röm 1,3).
Als galiläischer Jude sprach Jesus im Alltag das westliche [[Aramäische Sprachen|Aramäisch]]. Das bestätigen einige aramäische Jesuszitate im NT. Ob man griechische Ausdrücke und Redewendungen ins Aramäische zurückübersetzen kann, ist seit [[Joachim Jeremias]] ein wichtiges Kriterium, mögliche authentische Jesusworte von urchristlicher Deutung zu unterscheiden.<ref>[[Guido Baltes]]: ''Hebräisches Evangelium und synoptische Überlieferung: Untersuchungen zum hebräischen Hintergrund der Evangelien.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2011, ISBN 3-16-150953-6, [http://books.google.de/books?id=a_kKgpyzc8UC&pg=PA35 S. 35].</ref>


Das biblische [[Hebräische Sprache|Hebräisch]] wurde in [[Palästina (Region)|Palästina]] zur Zeit Jesu kaum noch gesprochen. Er kann es dennoch beherrscht haben, da er den Tanach gut kannte und in den [[Synagoge]]n Galiläas vorlas und auslegte. Er kann Bibeltexte auch aus aramäischen Übersetzungen ([[Targum]]im) kennengelernt haben.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 318 f.</ref> Ob er die griechische [[Koine]] sprechen konnte, die damals [[Verkehrssprache]] im Osten des [[Römisches Reich|Römischen Reichs]] war, ist wegen fehlender direkter NT-Belege ungewiss.<ref>Für wahrscheinlich hält es [[Rainer Riesner]]: ''[[Jesus als Lehrer]]: Frühjüdische Volksbildung und Evangelien-Überlieferung.'' (1981) 4. Auflage, Mohr/Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-162497-1, S. 512. Für „eher unwahrscheinlich“ halten es Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 162.</ref>
Erst spätere Texte betonen, Jesus sei vom [[Heiliger Geist|Heiligen Geist]] gezeugt worden (Mt 1,18; Lk 1,35). Dies sahen Urchristen jüdischer Herkunft nicht unbedingt als Gegensatz zur natürlichen Zeugung. Sie nannten Maria im NT ''parthenos'', was sowohl mit „Jungfrau" als auch mit „junge Frau" übersetzt werden kann.


Aus Jesu Jugendzeit überliefert das NT nur einen Aufenthalt des 12-Jährigen im Tempel, bei dem er die Jerusalemer Toralehrer mit seiner Bibelauslegung beeindruckt haben soll (Lk 2,46 f.). Das gilt als legendarisches Motiv, um Jesu Bibelkenntnis zu erklären.<ref>Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret.'' Leipzig 2006, S. 77, Fn. 82.</ref> Lesen und Schreiben konnten Kinder ärmerer jüdischer Familien, die keine Schriftrollen besaßen, in Toraschulen und Synagogen lernen. Nach Lk 4,16 las Jesus in der Synagoge von Nazareth aus der Tora vor, bevor er sie auslegte. Nach Mk 6,2 f. hatten Jesu Hörer ihm das Predigen nicht zugetraut und bemerkt, dass es sich von der traditionellen Schriftauslegung unterschied; nach Joh 7,15 fragten sie sich: ''Wie kann dieser die Schrift verstehen, obwohl er es nicht gelernt hat?'' Doch Jesu häufige Frage an seine Hörer „Habt ihr nicht gelesen…?“ (Mk 2,25; 12,10.26; Mt 12,5; 19,4 u.&nbsp;a.) setzt seine Lesefähigkeit voraus. Ob er auch schreiben konnte, ist ungewiss. Nur Joh 8,6.8 erwähnt eine Geste des Schreibens oder Zeichnens auf den Boden.
Matthäus weist auf die [[Jungfrauengeburt]] der Maria hin: Nach Mt 1,19 glaubte Josef, Jesus sei unehelich gezeugt, bis ein [[Engel]] ihm den wahren Sachverhalt erklärt habe (Mt 1,20). Einige Stellen des jüdischen [[Talmud]] stellen einen Jesus als uneheliches Kind dar; ob sie sich auf den Nazarener beziehen, ist jedoch fraglich. Der Historiker [[Gerd Lüdemann]] greift diese These auf und vermutet im Anschluss an [[Celsus]], ein Römer habe Maria [[Vergewaltigung|vergewaltigt]]. Daraus erklärt er Jesu Benennung als „Sohn der Maria“ anstelle des üblichen „Joschua ben Josef“ und seine Außenseiterrolle in seiner Heimatstadt. Urchristen hätten dies zur göttlichen Herkunft umgedeutet.


Jesu Predigt- und Argumentationsstil ist rabbinisch ([[Halacha]] und [[Midrasch]]im). Seine ersten Jünger nannten ihn „[[Rabbiner|Rabbi]]“ (Mk 9,5; 11,21; 14,45; Joh 1,38.49; Joh 3,2; 4,31 u.&nbsp;a.) oder „Rabbuni“ („mein Meister“: Mk 10,51; Joh 20,16). Diese aramäische Anrede entsprach dem griechischen ''διδάσκαλος'' für „Lehrer“. Sie drückte Ehrerbietung aus und gab Jesus denselben Rang wie den [[Pharisäer]]n, die sich als Ausleger mosaischer Gebote ebenso bezeichneten (Mt 13,52; 23,2.7 f.). Aus starken Ähnlichkeiten der Toraauslegung Jesu mit damaligen Rabbinerrichtungen folgert [[Pinchas Lapide]], er müsse eine Toraschule besucht haben.<ref>Pinchas Lapide: ''Er predigte in ihren Synagogen. Jüdische Evangelienauslegung.'' Gütersloher Verlagshaus 1980, ISBN 3-579-01400-5.</ref>
Nach Mk 6,3 hatte Jesus vier Brüder – [[Jakobus der Gerechte|Jakobus]], Joses (Josef? Mt 13,55), Judas, Simon – und eine unbekannte Zahl Schwestern, deren Namen nicht überliefert sind. „Brüder“, seltener auch „Schwestern“, kann im biblischen Umfeld aber auch [[Vetter]]n und andere Verwandte einer [[Sippe]] bezeichnen (siehe dazu [[Geschwister Jesu]]).


Nach Mk 6,3 war Jesus, nach Mt 13,55 sein Vater Bauhandwerker (griechisch ''τέκτων'', oft irreführend als „[[Zimmerer|Zimmermann]]“ übersetzt).<ref>Menge-Gütling: ''Griechisch-deutsches Wörterbuch.'' Langenscheidt, München 2001, ISBN 3-468-02030-9: τέκτων bezeichnet einen „mit harten Stoffen (Holz, Stein etc.) arbeitenden Handwerker“.</ref> Vermutlich erlernte Jesus wie viele jüdische Söhne den Beruf des Vaters, zumal ein Handwerksberuf für den Lebensunterhalt eines Rabbis damals üblich war. Das NT enthält dazu keine Angaben.<ref>Michael Schäfers: ''Prophetische Kraft der kirchlichen Soziallehre? Armut, Arbeit, Eigentum und Wirtschaftskritik.'' Münster 1998, [http://books.google.de/books?id=0eh45d8cUTwC&pg=PA87 S. 87] ff.</ref> Bauhandwerkliche Kenntnisse Jesu zeigen etwa die Gleichnisse Lk 6,47–49 und Mk 12,10. Nach vielen Metaphern seiner Aussagen (etwa Lk 5,1–7; Joh 21,4–6) kann er auch Schäfer, Bauer oder Fischer gewesen sein.<ref name="charlewsworthFamily">James H. Charlesworth: ''The historical Jesus. An essential guide.'' Nashville 2008, S. 69–71.</ref>
Laut Lk 2,43 ging Jesus schon als Junge zur Familie auf Distanz, um im [[Israelitischer Tempel|Tempel]] zu lehren. Nach seiner [[Taufe]] erwähnen die Evangelien seinen Vater nicht mehr: dafür nun öfter Kafarnaum, wo Jesus zuerst auftrat (Lk 4,16.23). Daher vermuten manche Forscher, er sei dorthin umgezogen, nachdem sein Vater fort oder tot war. Andere gehen davon aus, dass Jesus in Kafarnaum geboren wurde und aufwuchs, da Nazaret zu dieser Zeit für einen Baumeister keine Arbeit geboten habe.


Nazareth lag sieben Kilometer von der Stadt [[Sepphoris]] entfernt, die [[Herodes Antipas]] zur Residenz ausbauen ließ und in der die Großgrundbesitzer wohnten. Sie kann manchen Dorfbewohnern als Arbeitsplatz gedient haben. Das NT erwähnt die Stadt nicht und betont, dass Jesus andere hellenistische Städte nicht besuchte.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' Stuttgart 2010, S. 249; Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 159</ref>
Das vierte der [[Zehn Gebote|10 Gebote]] – ''Ehre Vater und Mutter'' (Ex 20,12) – verlangte damals die Fürsorge des ältesten Erben für seine Sippe. Doch zu Jesu Nachfolge gehörte das Aufgeben der familiären Bindungen. Nach der Gesellschaftsmoral seiner Zeit verhielt er sich damit wie ein Mörder und Ehebrecher. Sein Umherziehen, Predigen und Heilen stieß auf Unverständnis und führte zu Konflikten mit seinen Verwandten. Sie lehnten seine Gastfreundschaft für Arme und Kranke ab, erklärten ihn für verrückt und versuchten, ihn zurückzuhalten (Mk 3,20f.; 3,31). In diesen Kontext gehören Aussagen wie Mk 3,33–35:
:''Wer sind meine Mutter und meine Brüder? Und er schaute auf die, die rings um ihn saßen und sagte: Siehe, ihr seid meine Mutter und meine Brüder! Wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.''
Bei anderer Gelegenheit mahnte er (Mt 10,37):
:''Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner (Nachfolge) nicht wert...''
oder noch schärfer (Lk 14,26):
:''Wer zu mir kommt und seine Eltern, Kinder, Geschwister und dazu sein eigenes Leben nicht hasst, der kann nicht mein Jünger sein.''
Er hob damit das 4. Gebot nicht auf (Mk 7,10 f.), legte es aber konträr zur jüdischen Tradition aus: Achte nur die als deine Angehörigen, die Gottes Willen tun. Darum wurde er in Nazaret abgelehnt und verließ es daraufhin ganz (Mk 6,1–6):
:''Ist das nicht der Bauhandwerker, Marias Sohn ...? Und sie waren verärgert über ihn. Jesus aber sagte zu ihnen: Ein [[Prophet]] gilt nirgends weniger als in seiner Heimat, bei seiner Sippe und in seinem Ort.''
Aber Frauen aus Jesu näherer Umgebung sorgten für ihn und die übrigen Männer auf ihrem Weg (Mk 1,31). Sie blieben bis zum Ende bei ihm (Mk 15,41), so nach Joh 19,26f auch seine Mutter. Er soll noch am Kreuz für ihr Wohlergehen gesorgt haben, indem er sie einem anderen Jünger anvertraute. – Verwandte Jesu gehörten nach [[Ostern]] zu den ersten Christen. Sein ältester Bruder [[Jakobus der Gerechte|Jakobus]] wurde sogar ein Leiter der [[Urchristentum|Urgemeinde]] (Gal 2,9).


== Wirken ==
=== Jugend, Ausbildung, Beruf ===
=== Verhältnis zum Täufer Johannes ===
Jesus soll schon früh mit [[Pharisäer]]n diskutiert und gute [[Tora]]kenntnis gehabt haben (Lk 2,46f). Der Argumentationsstil seiner Predigten und [[Gleichnis]]se ist originär rabbinisch ([[Halacha]] und [[Midrasch]]im). Dazu wurde er wohl von [[Rabbiner]]n seiner Heimat ausgebildet. Er heilte am [[Schabbat|Sabbat]] (Mk 2–3) und ordnete die [[Nächstenliebe]] allen übrigen Geboten über (Mk 12,28ff), so wie es zuvor Rabbi [[Hillel]] gelehrt hatte. Seine Armenfürsorge, seine Heilwunder und die Tateinheit von Beten und Almosengeben ähneln dem Auftreten von [[Chanina Ben Dosa]] (ca. 40–70), dem berühmtesten der galiläischen [[Chassidismus|Chassidim]] (von „Chesed“ = Gnade, Barmherzigkeit Gottes). So ordnet die [[Judaistik]] Jesu Tora-Auslegung heute ganz in das zeitgenössische Judentum ein.


Die [[Taufe Jesu]] durch [[Johannes der Täufer|Johannes den Täufer]] gilt als [[historisches Ereignis]], mit dem sein öffentliches Wirken begann. Johannes war nach Mt 3,7–12; Lk 3,7 ff. ein Prophet des nahen [[Jüngstes Gericht|Endgerichts]], der aus einer [[Kohanim|Priesterfamilie]] stammte (Lk 1,5) und als [[Askese|Asket]], eventuell als [[Nasiräer]],<ref>H. H. Schader: ''Nasiraios.'' In: Gerhard Kittel (Hrsg.): ''Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament'' Bd. IV, Sp. 879–884.</ref> in der unbewohnten Wüste lebte (Lk 1,80). Seine persönliche und einmalige Taufe bot laut Mk 1,4 f. [[Vergebung]] an und setzte ein [[Beichte|Sündenbekenntnis]] voraus. Josephus verstand sie als gewöhnliches [[Mikwe|jüdisches Reinigungsritual]].<ref>Flavius Josephus: ''Antiquitates'' 18, 116–119; Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 184–191</ref>
Seine ersten Jünger nannten ihn „Rabbuni“ (aramäisch: „mein Meister, Lehrer“). Ein Rabbi lebte von einem gewöhnlichen [[Handwerk]], nicht vom Lehren. Jesus erlernte von seinem Vater das Bauhandwerk (Mk 6,3). Ein „Tekton“ (oft irreführend als „[[Zimmermann]]“ übersetzt) konnte generell mit Steinen, Stroh und Holz umgehen und war meist im Hausbau tätig. Ob Jesus beim Broterwerb der Familie half, bevor er sie verließ, ist den Texten aber nicht zu entnehmen. Manche Forscher nehmen dies an, da Josef allein die Familie nicht hätte ernähren können.


{{B|Mk|1|11}} stellt Jesu Taufe als Gottes einzigartige Erwählung („du bist mein geliebter [[Sohn Gottes|Sohn]]“; vgl. Ps 2,7; Hos 11,1 und öfter) und sein ganzes folgendes Wirken als Sendung durch Gott (vgl. {{B|Röm|1|3 f.}}) dar.<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' Göttingen 1998, [http://books.google.com/books?id=z0kM9xJ-4lMC&pg=PA194 S. 194.]</ref> Wie Jesus selbst sich verstand, ist fraglich, da er sich im NT nie direkt „Sohn Gottes“ nennt. Die johannäischen [[Ich-bin-Worte]] werden auf den Evangelisten, nicht den historischen Jesus zurückgeführt. Laut Joh 3,22; 4,1 taufte er eine Zeit lang parallel zu Johannes dem Täufer. Nach Joh 1,35-42 kamen die Brüder [[Simon Petrus]] und [[Andreas (Apostel)|Andreas]] aus dem Johanneskreis zu Jesus. Demnach gab es zwischen beiden Gruppen Austausch und eventuell Konkurrenz.<ref name="becker60">Jürgen Becker: ''Jesus von Nazaret.'' Berlin 1995, [http://books.google.de/books?id=ymQgnezMMO0C&pg=PA62 S. 60–62.]</ref> Auch dass Jesus mit der Taufe Schüler des Johannes wurde, gilt als plausibel.<ref name="becker60" /><ref name="schroeterJohannes" />
== Jesu Wirken ==
=== Johannes und die Taufe im Jordan ===
[[Bild:Folio 109v - The Baptism of Christ.jpg|thumb|220px|Die Taufe Jesu, wie sie sich ein Künstler im Frankreich des 15.Jh. vorstellte]]
Nach allen Evangelien begann Jesus nach seiner Begegnung mit dem [[Johannes der Täufer|Täufer Johannes]] öffentlich aufzutreten. Nach den [[Synoptiker]]n (Mk, Mt, Lk) ließ er sich von Johannes [[Taufe Jesu|taufen]]. Sie verkünden dies als das Ereignis, bei dem Gott ihn wie sein Volk Israel (Hos 11,1) als seinen [[Sohn Gottes|Sohn]] bezeugte und seinen Geist auf ihn sandte (Mk 1,11).


Vermutlich reduzierte Markus Jesu Kontakt mit Johannes auf das isolierte Taufereignis und ließ ihn erst seit der Inhaftierung des Johannes öffentlich auftreten.<ref name="becker60" /> Mk 1,15 gilt als Beleg für die Ähnlichkeiten beider Botschaften. Jesus übernahm den endgültigen [[Umkehr]]ruf des Täufers<ref>Josef Ernst: ''Johannes der Täufer: Interpretation, Geschichte, Wirkungsgeschichte.'' Walter de Gruyter, Berlin 1989, S. 156 ff.</ref> und wohl auch das [[Apokalypse|apokalyptische]] Motiv des Gerichtsfeuers auf Erden (Lk 12,49, Mt 3,10).<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' Göttingen 1998, S. 267. Anders Jürgen Becker: ''Jesus von Nazaret'', Berlin 1996, S. 99.</ref> Er lehnte jedoch nach Mk 2,16–19 [[Fasten]] und Askese für seine Jünger ab und pflegte die [[Tischgemeinschaft]] gerade mit solchen Juden, die nach der geltenden Tora-Auslegung als „Unreine“ vom Heil ausgeschlossen wurden. Er zog sich nicht in die Wüste zurück, sondern wandte sich gerade ausgestoßenen Juden und Fremden zu und sagte ihnen das bedingungslose Heil Gottes zu. Daraufhin soll der inhaftierte Täufer Jesus durch Boten gefragt haben: ''Bist du der Kommende?'' (der [[Messias]]; Mt 11,2 ff.).
Johannes war einer der damaligen jüdischen [[Buße (Christentum)|Bußprediger]]. Er kündete die bevorstehende radikale Wende der [[Endzeit]] an und rief das ganze Volk Israel zur [[Umkehr]]: Damit griff er auf die Zukunftserwartung ([[Eschatologie]]) der jüdischen [[Prophetie]] und [[Apokalyptik]] zurück. Er berief Anhänger, lebte aber abseits bewohnter Gegenden als [[Askese|Wüstenasket]]. Das Tauchbad im [[Jordan]] war symbolische Vorwegnahme des Todes, sollte von sündigem Lebenswandel reinigen, zur Umkehr befähigen und die Getauften so vor dem drohenden [[Parusie|Endgericht]] retten. Darauf geht die spätere christliche [[Taufe]] zurück.


Demgemäß betonten die Urchristen die Vorläufer- und Zeugenrolle des Johannes gegenüber Jesus (Mk 1,7; Lk 3,16; Mt 3,11; Joh 1,7 f.; 3,28 ff. u.&nbsp;a.). Jesus identifizierte Johannes laut Mk 9,13 mit dem Propheten [[Elija]], an dessen Wiederkunft vor dem Endgericht Juden damals glaubten, sowie nach Lk 7,24–28 mit dem in Mal 3,1 angekündigten Propheten der Endzeit. Daher befürwortete er die Johannestaufe auch nach Beginn seines Auftretens als Rettung aus dem Endgericht.<ref name="schroeterJohannes">Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret.'' Leipzig 2006, S. 133–140.</ref>
Ob Jesus sich ihm nach seiner Taufe anschloss, ist ungewiss. Nach den älteren Evangelien hat er nicht, nach Joh 3,22ff aber eine Weile parallel zu Johannes getauft. Eventuell lernte er die Brüder [[Simon Petrus|Petrus]] und [[Andreas (Apostel)|Andreas]] bei ihm kennen und warb sie ihm ab (Joh 1,35–42). Er predigte das [[Reich Gottes]] dann auf andere, offenbar attraktivere Art: als gnädige Zuwendung Gottes zu den Armen und Sündern. Er übernahm den endgültigen Umkehrruf von Johannes, lehnte aber das [[Fasten]], die Askese für seine Jünger ab (Mk 2,16–19), pflegte die Tischgemeinschaft mit „Unreinen“ und heilte gerade die, die Gottes Gericht verfallen gewesen wären. Daraus wollte er ganz Israel, nicht bloß ein „reines“ Restisrael retten.


Dass [[Herodes Antipas]] den Täufer hinrichten ließ (Mk 6,17 ff.), war Jesus wahrscheinlich bekannt. Ein [[Prophetie im Tanach#Prophetenmorde|ermordeter Prophet]] galt in biblischer Tradition als von Gott legitimiert.<ref>Artikel ''Johannes der Täufer II.'' In: Theologische Realenzyklopädie Band 17, Walter de Gruyter, Berlin 1988, [http://books.google.de/books?id=0CvvBg_Q3lUC&pg=PA177 S. 177.]</ref> Demgemäß kündigte Jesus mit seinem Täuferzeugnis sein eigenes Leiden an, erwartete laut Lk 13,32–35; Lk 20,9–19 für sich ein analoges gewaltsames Ende und stellte sich in die Reihe der verfolgten Propheten Israels.<ref>Joachim Jeremias: ''Der Opfertod Jesu Christi.'' In: Bertold Klappert: ''Diskussion um Kreuz und Auferstehung'', Aussaat Verlag, Wuppertal 1967, ISBN 3-7615-4661-0, S. 179 f.; Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret.'' Leipzig 2006, S. 272 f.</ref> Nach Mk 11,27–33 legitimierte Jesus später seinen Vollmachtsanspruch zur Sündenvergebung wie zur Tempelreinigung gegenüber Jerusalemer Gegnern mit seiner Taufe durch Johannes.<ref>Jostein Ådna: ''Jesu Stellung zum Tempel: Die Tempelaktion und das Tempelwort als Ausdruck seiner messianischen Sendung.'' Tübingen 2000, ISBN 3-16-146974-7, [http://books.google.de/books?id=e27PnLjoj-8C&pg=PR292 S. 292 ff.]</ref>
Wohl deswegen sahen die [[Mandäer]] in Jesus später einen „Lügenpropheten“. Die Evangelien dagegen sehen in Johannes den letzten Propheten des [[Altes Testament|Alten Bundes]], den Vorläufer der Ankunft des geistbegabten Messias (Mk 1,7f; 8,28f). Sie betonen den Zeugnischarakter seiner Botschaft (Joh 1,7f) gegenüber dem ihm überlegenen endgültigen Heilsbringer (Mt 3,11). Historiker nehmen daher an, dass es Austausch und Konkurrenz, aber auch gegenseitige Achtung zwischen Jesu und Johannes’ Anhängern gab (Joh 4,1).


=== Gebiet des Auftretens ===
=== Gebiet des Auftretens ===
[[Datei:Landkarte der Orte des Wirkens Jesu Christi.svg|mini|Orte, an denen Jesus laut den Evangelien gewirkt hat]]
Jesus war ein Wanderprediger unter vielen. Er sah sich nur zu den „verlorenen Schafen des Hauses Israel“ gesandt (Mt 10,5/15,24) und hatte kein Interesse an Weltruhm. Sein Wirken blieb anfangs auf das Ortsdreieck [[Kafarnaum]]–[[Bethsaida]]–[[Chorazim]] am Nordufer des [[See Genezareth|Sees Genezareth]] begrenzt, das höchstens 200 Quadratkilometer umfasste. Diese Gegend war im römischen Reich unbedeutend. Römerstädte wie [[Sepphoris]], [[Tiberias]] oder [[Cäsarea Philippi]] betrat Jesus laut NT nicht, wohl weil fromme Juden die Besatzer ablehnten und er von den Herodianern verfolgt wurde (Mk 3,6). Daher wundert es nicht, dass damalige römische Quellen ihn nicht erwähnen.
[[Datei:Kapernaum 2.jpg|mini|Ausgrabungsstätte des vermuteten Petrushauses in Kafarnaum (1980er Jahre)]]


Jesus sah sich nur zu den „verlorenen Schafen des Hauses Israel“ gesandt (Mt 10,5; 15,24); seine wenigen überlieferten Begegnungen mit Nichtjuden erscheinen als Ausnahmen. Seine Reisewege lassen sich nicht genau rekonstruieren, da viele Ortsangaben und ihre Abfolge in den Evangelien von den Evangelisten stammen und die Ausbreitung des Christentums bei ihrer Abfassung spiegeln können.<ref>Hans Conzelmann: ''Geschichte des Urchristentums'', Göttingen 1989, S. 21</ref> Plausibel wirken jedoch Nachbarorte Nazareths wie [[Kana (Galiläa)|Kana]] und [[Naïn]] sowie bei Tagesmärschen und Bootsfahrten über den [[See Genezareth]] erreichbare Orte wie [[Bethsaida]], [[Chorazin]] und [[Migdal|Magdala]]. Weiter entfernt lagen [[Gerasa]] im Südosten (Mk 5,1), [[Tyros]] und [[Sidon]] im Nordwesten (Mk 7,24). Ob Jesus auch [[Samarien]] durchstreifte (Joh 4,5 gegen Mt 10,5), ist ungewiss. Von Römern und Herodianern erbaute Städte wie [[Tiberias]] und [[Sepphoris]] erwähnt das NT nicht. Laut Mk 8,27 betrat Jesus nur die umgebenden Dörfer von [[Banyas|Cäsarea Philippi]]. Daraus wird gefolgert, dass er eher auf dem Land wirkte und hellenisierte Städte mied.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 161–163 und S. 170</ref>
Im Haus des Petrus in [[Kafarnaum]] richtete er eine Art Hauptquartier ein, in das er von seinen Missionswegen öfter zurückkehrte (Mk 1,29; 2,1). In jenem Fischerdorf von etwa 1.000 Einwohnern fanden [[Archäologie|Archäologen]] eine frühchristliche [[Pilgerstätte]]: Dort könnten Reisende ihn gehört haben, die auf der Fernstraße [[Via Maris]] nach [[Syrien]] oder Ägypten unterwegs waren. Er wirkte auch am Westufer des Sees Genezareth im heutigen Westjordanland ([[Gerasa]], Mk 5,1) sowie im heutigen [[Libanon|Südlibanon]] ([[Tyros]] und [[Sidon]], Mk 7,24) und streifte eventuell auch durch [[Samaria]] (Joh 4,5 gegen Mt 10,5). Diese Provinz Palästinas gehörte früher zum [[Israel (Reich)|Nordreich Israel]], das den Jerusalemer Tempelkult im [[Juda (Reich)|Südreich Juda]] ablehnte.


In [[Kafarnaum]] soll Jesus zuerst aufgetreten (Mk 1,21 ff.; Lk 4,23), in das dortige Haus des Petrus eingezogen (Mk 1,29; 1,33) und von seinen Reisen öfter dorthin zurückgekehrt sein (Mt 4,12 f.; Mk 2,1; 9,33; Lk 7,1). Mt 9,1 nennt den Ort daher „seine Stadt“. Dieses Fischerdorf lag damals an der Grenze des von Herodes Antipas regierten Gebiets. Vielleicht wählte Jesus hier sein Quartier, um notfalls vor dessen Verfolgung in das Nachbargebiet des [[Herodes Philippos]] fliehen zu können (Lk 13,31 ff.).<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 160</ref>
=== Reich-Gottes-Verkündigung ===
Nach allen Evangelien begann Jesus nach der Festnahme des Täufers durch Galiläas Dörfer zu ziehen und verkündete wie dieser das unmittelbar bevorstehende „[[Reich Gottes]]“ (Mk 1,14ff). Damit folgte auch er Israels Prophetie, die seit [[Amos]] (5,18ff, etwa 800 v. Chr.) einen „[[Endgericht|Gerichtstag]]“ Gottes als endzeitliche Befreiung von allen ungerechten irdischen Verhältnissen angekündet hatte. Jesus erneuerte diese jüdische Heilserwartung, indem er sie auf sein eigenes Leben bezog: In seinem Handeln und Dasein sei Gottes Reich schon angebrochen (Lk 7,22; 17,21; vgl. Mt 11,4–5). Er bezog sich dabei vor allem auf Heilsansagen der Exilspropheten [[Deuterojesaja]] (Jes 40–55) und [[Tritojesaja]] (Jes 56–66, ab etwa 530 v. Chr.). Nach Lk 4,17–21 wollte er diese erfüllen und den „Armen“ das Reich Gottes verkünden: Das sah er als seine ihm von Gott aufgetragene Sendung an.


=== Verkündigung des Gottesreichs ===
Nach sozialgeschichtlichen Untersuchungen waren die meisten Juden damals bettelarm: Sie litten unter [[Ausbeutung]], Abgaben für Rom und den Tempel, täglicher römischer Militärgewalt, Arbeitsmangel, Schuldversklavung, [[Hunger]], Epidemien und sozialer Entwurzelung. Aus diesen Lebensumständen erklärt z.B. [[Gerd Theißen]] viele Texte der Logienquelle, die die prophetische Zukunftserwartung einer [[Revolution]] Gottes zu Gunsten der Besitz- und Rechtlosen erneuerten. Dazu gehören Aussagen, wonach Jesus den Armen das Erbe des Landes (Mt 5,5) und das „Gnadenjahr“ des allgemeinen Schuldenerlasses und der gerechten Bodenreform (Lk 4,19f) zusagte. An dieses alte biblische Gottesrecht (Lev 25; Dtn 15) erinnerte schon Deuterojesaja im [[Babylonische Gefangenschaft|babylonischen Exil]] (Jes 61).
{{Hauptartikel|Reich Gottes}}


Die nahe „Königsherrschaft Gottes“ war Jesu zentrale Botschaft nach den synoptischen Evangelien (Mk 1,14 f.): Dies nimmt die NT-Forschung fast immer als historisch an.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 299</ref> Die Evangelien veranschaulichen den Begriff durch konkrete Handlungen, [[Gleichnis]]se und Lehrgespräche Jesu. Sie setzen dabei seine Bekanntheit unter Juden voraus. An Nichtjuden gerichtete NT-Texte verwenden den Begriff dagegen selten.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 221</ref> Damit bezog sich Jesus auf die [[Prophetie im Tanach]] und biblische Apokalyptik, wie einige eventuell echte Zitate aus [[Deuterojesaja]] und [[Daniel]] zeigen.<ref>Werner Grimm: ''Weil ich dich liebe: die Verkündigung Jesu und Deuterojesaja.'' 2., überarbeitete Auflage, Herbert Lang, Bern / Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-8204-5943-X; Jörg Frey: ''Jesus und die Apokalyptik.'' In: Michael Becker, Markus Öhler (Hrsg.): ''Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-16-148592-0, S. 23–94</ref>
Als Eigenverkündigung Jesu gelten auch die „Seligpreisungen“ (Makarismen), die dem ganzen angeredeten Volk zusagten (Lk 6,20):
:''Glücklich ihr Armen, denn euch gehört Gottes Reich!''
Sie versprachen den Leidenden, Machtlosen und Verfolgten die Überwindung ihrer Not, so dass sie auch ''das Erdreich besitzen'' würden (Mt 5,3–10). Als redaktioneller Beginn der [[Bergpredigt]] (Mt 5–7) bzw. „Feldrede“ (Lk 6,20–49) lassen sie sich als prophetische Auslegung des 1. Gebots (Ex 20,2) verstehen: Weil Gott der Sklavenbefreier ist, bringt sein Reich den Armen umfassende Gerechtigkeit.


Manche Aussagen Jesu kündigen Gottes Herrschaft als unmittelbar bevorstehend an, andere sagen sie als schon angebrochen zu oder setzen ihre Gegenwart voraus. Umstritten war früher, ob eher die futurische (so etwa [[Albert Schweitzer]]) oder die präsentische (so etwa [[Charles Harold Dodd]]) [[Eschatologie]] auf Jesus zurückgeht. Seit etwa 1945 beurteilen die meisten Exegeten beide Aspekte gemäß ihrem paradoxen Nebeneinander im [[Vaterunser]] (Mt 6,9–13) als authentisch.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 224 und 230 ff.</ref> Sie betonen, dass Jesus diese Herrschaft als dynamisches Geschehen und gegenwärtig laufenden Prozess auffasste, nicht nur als jenseitige Welt. So habe er im Anschluss an jüdische Apokalyptik nicht die Vernichtung der Erde, sondern ihre umfassende Erneuerung einschließlich der Natur erwartet und durch sein Handeln in seine Zeit hineingezogen.<ref>Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret'', Leipzig 2006, S. 191–193 und 200–209</ref>
Lukas ergänzte sinngemäß die Weherufe an die Reichen. Diese werden meist nicht als originär angesehen, da Jesus etwa nach Lk 19,1–10 auch reichen [[Zöllner]]n Vergebung schenkte. Nach Mk 10,21 lud er einen Großgrundbesitzer zum Besitzverzicht zu Gunsten der Armen ein, um ihn zu seiner Nachfolge zu befreien: Dies ist als „Einlassbedingung“ für Gottes Reich formuliert, während es den Armen ohne Vorbedingung zugesagt wird.


Daran knüpfen Worte vom Sturz [[Satan]]s (Lk 10,18 ff.) an oder das Streitgespräch darüber, ob Jesus seine Heilkraft von [[Beelzebub]] oder Gott empfangen habe (Mt 12,22 ff. par.). Der „Stürmerspruch“ (Mt 11,12) legt nahe, dass der Ankunft der Gottesherrschaft gewaltsame Konflikte vorausgehen, die seit dem Auftreten des Täufers Johannes bis in Jesu Gegenwart andauern.<ref>Wolfgang Wiefel: ''Das Evangelium nach Matthäus.'' Evangelische Verlags-Anstalt, Berlin 1998, ISBN 3-374-01639-1, S. 214</ref> Wie Johannes predigte Jesus ein unerwartet hereinbrechendes Gericht, das eine letzte Chance zur Umkehr bietet (Lk 12,39–48). Anders als dieser stellte er die Einladung zum Gottesreich wie zu einem für alle offenen Festmahl heraus.<ref>Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret'', Leipzig 2006, S. 200 und 204</ref> Eventuell verknüpfte er die Rettung aus dem Endgericht mit der aktuellen Entscheidung seiner Hörer zu seiner Botschaft (Mk 8,38; Lk 12,8).<ref>Bertold Klappert: ''Die Auferweckung des Gekreuzigten: Der Ansatz der Christologie Karl Barths im Zusammenhang der Christologie der Gegenwart.'' 3. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1981, ISBN 3-7887-0429-2, S. 106–115</ref>
Diese Zusagen enthielten einen indirekten Messiasanspruch, da der [[Messias]] in Israels Prophetie Gottes Recht auf Erden durchsetzen soll. Demgemäß antwortete Jesus auf die Messiasfrage des Täufers („Bist du der Kommende?“) mit dem Hinweis auf sein Wirken, in dem sich die prophetischen Heilsverheißungen erfüllten (Mt 11, 2–5). Diese Verbindung von Gottes weltveränderndem Kommen mit seinem gegenwärtigen Handeln, das die Situation der Angeredeten bereits veränderte, unterschied seine Predigt von prophetischen, rabbinischen oder zelotischen Traditionen seiner Umgebung.


Die der Logienquelle zugewiesenen „[[Seligpreisung]]en“ (Lk 6,20–23; Mt 5,3–10) sagen Gottes Herrschaft den aktuell Armen, Trauernden, Machtlosen, Verfolgten als gerechte Wende zur Aufhebung ihrer Not zu. Diese Menschen waren die ersten und wichtigsten Adressaten Jesu. Seine oft für authentisch gehaltene Antwort auf die Täuferfrage (Mt 11,4 ff.) weist darauf hin, dass ihnen in Jesu Heilungen schon das Reich Gottes begegne. Seine Antrittspredigt (Lk 4,18–21) aktualisiert die biblische Verheißung eines [[Erlassjahr]]es zur Entschuldung und Landumverteilung (Lev 25) für die gegenwärtig Armen.
Der Begriff „Reich Gottes“ wurde in der [[Kirchengeschichte]] sehr verschieden gedeutet. Schon bald wurde die Spannung der „sich realisierenden [[Eschatologie]]“ Jesu (C.H. Dodd, W.G. Kümmel) zu Gunsten einer bloß jenseitigen [[Erlösung]] oder innerlichen Heilspräsenz aufgelöst. Dahin tendieren schon manche Aussagen im NT (Joh 18,36). Viele Ausleger deuteten Jesu Heilszusagen als rein kirchliches [[Gnade]]nangebot oder [[Mystik|mystische Erfahrung]] oder [[Sozialpolitik|sozialpolitische]] Forderungen ohne Bezug auf Gott. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckte [[Albert Schweitzer]] die [[Apokalyptik|apokalyptische]] Dimension der Botschaft Jesu wieder.


Sozialhistorische Untersuchungen erklären solche NT-Texte aus damaligen Lebensumständen: Juden litten unter [[Ausbeutung]], steuerlichen Abgaben für Rom und den Tempel, täglicher römischer Militärgewalt, Schuldversklavung, [[Hunger]], [[Epidemie]]n und sozialer Entwurzelung.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 223–226; Wolfgang Stegemann: ''Das Evangelium und die Armen'', München 1981, S. 26 ff.</ref> Manchmal wird die Armentheologie in der ältesten Jesusüberlieferung aus dem Einfluss [[Kynismus|kynischer]] Wanderphilosophen erklärt,<ref>Francis Gerald Downing: ''Cynics and Christian Origins'', Band 1. Bloomsbury Academic 1992, ISBN 0-567-09613-0</ref> meist aber aus biblischen, besonders prophetischen Traditionen.<ref name="karrer">Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' Göttingen 1998, S. 266</ref>
=== Heiltätigkeit und Wunder ===
Heilen gehörte zum Aufgabenbereich eines Rabbi. Wie andere reformorientierte Pharisäer erfüllte Jesus das Gebot der [[Nächstenliebe]] (Lev 19,17f) mit seinem Heilwirken für Kranke und soziale Randgruppen.


[[Wolfgang Stegemann]] zufolge strebten Jesus und seine Anhänger mit ihrer Reich-Gottes-Predigt keine „Aushandlungsprozesse über ein bestimmtes Gesellschaftsmodell“ an, sondern erwarteten die Durchsetzung einer anderen Ordnung allein von Gott. Ihre Botschaft konnte nur angenommen oder abgelehnt werden (Lk 10,1–12). Sie habe die Gottesherrschaft nach dem Modell eines wohltätigen, von Reichen meist vergeblich erwarteten [[Patronat (Römer)|Patronats]] gegen aktuell erfahrene Herrschaftsformen gestellt.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 299 und 314 ff.</ref> [[John Dominic Crossan]] zufolge verbreitete die Jesusbewegung durch „kostenloses Heilen und gemeinsames Essen“, ohne sesshaft zu werden, einen radikalen [[Egalitäre Gesellschaft|Egalitarismus]]. So habe sie die Gottesherrschaft unmittelbar erlebbar werden lassen und die hierarchischen Wertmaßstäbe und Gesellschaftsstrukturen angegriffen, um sie zu entkräften.<ref>John Dominic Crossan: ''Der historische Jesus'', München 1994, S. 554</ref> Ähnlich meint Martin Karrer, Jesus habe eine „subversive“ Bewegung der Abweichler von religiösen und gesellschaftlichen Normen bewirkt.<ref name="karrer" />
[[Wunder]] berichtet die antike Umwelt oft von Herrschern oder berühmten Ärzten, denen als „göttlichen Menschen“ (griechisch ''theios aner'') besondere Kräfte zugeschrieben wurden. Auch die Evangelien tradieren gemeinsame und verschiedene Heilwunder; einige davon gehören zu den ältesten Stoffen der [[Logienquelle]]. Doch die Jesuswunder lassen sich kaum auf einen historischen Kern zurückführen, da sie alle nachösterliche Verkündigung seiner Person sind.


=== Tätigkeit als Heiler ===
Nach dem NT soll Jesus auch [[Dämon|„Dämonen“]] ausgetrieben haben. Textmotive legen nahe, dass es dabei um damals unheilbare Krankheiten wie [[Lepra]], [[Grauer Star|grauen Star]], [[Epilepsie]] und [[Schizophrenie]] ging. Solche Kranke galten nach damaliger Tora-Auslegung als „von unreinen Geistern besessen“. Man vermied Umgang und Berührung mit ihnen, verstieß sie aus bewohnten Orten und verurteilte sie so meist zum Tod ([[Adolf Holl]]).
{{Hauptartikel|Wunder Jesu}}


Antike Quellen erzählen oft von wunderbaren Heilungen, doch nirgends so oft von einer Einzelperson wie im NT.<ref name="Merz 2011">Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 275</ref> Die Evangelien überliefern von Jesus Heilungswunder als [[Exorzismus|Exorzismen]] oder Therapien sowie Geschenk-, Rettungs-, Normenwunder und Totenerweckungen.<ref>Bernd Kollmann: ''Neutestamentliche Wundergeschichten: Biblisch-theologische Zugänge und Impulse für die Praxis.'' 3. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-17-021376-0, [http://books.google.de/books?id=qSdeaf9hH0gC&pg=PA65 S. 65]</ref> Die Exorzismen beziehen sich auf damals unheilbare Krankheiten oder Defekte wie „Aussatz“ (alle Hautkrankheiten), verschiedene Erblindungen<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 280</ref> und heute als [[Epilepsie]]<ref>Michael Wohlers: ''Heilige Krankheit: Epilepsie in antiker Medizin, Astrologie und Religion.'' N.G. Elwert, Marburg 1999, ISBN 3-7708-1135-6, S. 237 ff.</ref> und [[Schizophrenie]] bezeichnete Krankheitsbilder. Davon Betroffene galten als „von unreinen Geistern ([[Dämon]]en) besessen“ (Mk 1,23).<ref>Horst Balz: ''Heil und Heilung im Neuen Testament.'' In: Karl Hoheisel, Hans-Joachim Klimkeit (Hrsg.): ''Heil und Heilung in den Religionen.'' Harrassowitz, Wiesbaden 1995, ISBN 3-447-03619-2, [http://books.google.de/books?id=ODW7fgskm94C&pg=PA107 S. 107]</ref> Man vermied Umgang und Berührung mit ihnen, vertrieb sie aus bewohnten Gegenden und lieferte sie so oft dem Tod aus.<ref>Adolf Holl: ''Jesus in schlechter Gesellschaft.'' 3. Auflage, Kreuz-Verlag, Freiburg im Breisgau 2002, ISBN 3-7831-1816-6</ref>
Jesu Zuwendung zu ihnen gilt dem NT bereits als Wunder; doch verkündet es seine Heiltaten nicht als isolierte Mirakel, sondern als Angriff auf die Herrschaft des [[Das Böse|Bösen]] über das Gottesvolk und zeichenhaften Beginn des Reiches Gottes (Mk 3,27). Die [[Exorzismus|Exorzismen]] betonen das dramatische Kampfgeschehen mit der Feindmacht, das den [[Sohn Gottes]] als Sieger erweist (Mk 1,25f). Demnach habe Jesus durch das Machtwort des [[Schöpfung|Schöpfers]] sogar Tote auferweckt: ''Talita kumi!'' – „Mädchen, steh auf!“ (Mk 5,41).


Exorzismen- und Therapietexte betonen Jesu Zuwendung zu solchen Ausgegrenzten, auch Nichtjuden, die die Ursache ihrer Ausgrenzung beseitigte und so ihre Isolation aufhob. Ihre Rahmenverse laden oft zu Glauben und Umkehr ein. Seine Heilerfolge hätten ihm Misstrauen, Neid und Abwehr eingebracht, die Tötungspläne seiner Gegner ausgelöst (Mk 3,6; Joh 11,53) und Forderungen nach demonstrativen „Zeichen und Wundern“ bewirkt. Diese habe Jesus abgelehnt (Mk 8,11 ff.; 9,19 ff.). Besondere Züge der NT-Wundertexte sind, dass der Wundertäter die Heilung dem Glauben der Geheilten zuspricht („Dein Glaube hat dich gerettet“: Mk 5,34; 10,52; Lk 17,19 und andere) und sie als Zeichen für den Beginn des Reiches Gottes und das Ende der Herrschaft des Bösen deutet (Mk 3,22 ff., ein meist für echt gehaltenes Jesuswort). Daher nehmen Neutestamentler an, dass Jesus die ältesten Exorzismus- und Therapietexte anregte: Weil Augenzeugen sein Handeln als Wunder erlebten, hätten sie es weitererzählt und ihm dann weitere Wunder zugeschrieben.<ref name="Merz 2011" />
Andere Texte betonen das Heilen durch Nähe (Mk 1,31), Berührung (Mk 1,41), Schuldvergebung (Mk 2,5), Handauflegen oder Speichel (Mk 7,32f). Hinzu kommen soziale Aspekte: Jesus führt den Kranken aus dem Dorf und heilt ihn getrennt von seiner Umgebung (Mk 8,23). Manche sendet er verwandelt dorthin zurück (Mk 5,19), andere nicht (Mk 8,26). Dem Bedürftigen wird das Heil ohne Vorleistung geschenkt (Mk 3,3); Jünger wie Zuschauer aber werden zum Glauben ermahnt (Mk 9,19.25). Demnach war Jesu Anliegen ganzheitlich zu verstehen: Er heilte den Einzelnen, indem er ihn Gottes bedingungslose Gnade spüren ließ, seine gesamte Lebensorientierung radikal umwandelte, wo möglich, auch seine krankmachende Umgebung veränderte und so den Geheilten neue Lebenschancen eröffnete.

Diese Tätigkeit galt auch Ausländern (Mk 7,24ff) wie dem Diener eines römischen Offiziers (Mt 8,5–13; Lk 7,1–10). In Israel galten besondere Kräfte jedoch schnell als Teufelei. Seine „Vollmacht“ brachte Jesus nicht nur Sympathie, sondern auch Misstrauen, Neid, Abwehr ein (Mk 3,22). So weisen gerade seine Heilerfolge schon auf seine Passion voraus (Mk 3,6).

Die Naturwissenschaft schließt unerklärbare Ausnahmen aus dem Ursache-Wirkungs-Gesetz generell aus. Die [[Psychosomatik|psychosomatische Medizin]] erkennt jedoch an, dass jede Krankheit auch [[Seele|seelisch-geistige]] Dimensionen hat und [[Heilung]] immer den ganzen Menschen umfasst. Moderne Therapiemethoden wie die [[Gestalttherapie]] finden in den Wundertexten des NT daher durchaus verwandte Motive.

Neben den Heilungen schreiben die Evangelien Jesus noch andere Wunder wie Nahrungsvermehrungen, Sturmstillung, Seewandel (Mt 14,24–33) zu. Während die rationalistische Theologie diese Texte seit der [[Zeitalter der Aufklärung|Aufklärung]] „[[Entmythologisierung|entmythologisierte]]“, glauben viele besonders [[Evangelikal|evangelikale]] und [[Pfingstler|charismatische]] Christen und [[Esoterik|Esoteriker]] auch heute noch an Jesu reale Wunderkräfte, etwa zur [[Levitation]], und an „Dämonen“ als reale übernatürliche Wesen.


=== Tora-Auslegung ===
=== Tora-Auslegung ===
Nach den unbedingten Heilszusagen erinnert die [[Bergpredigt]] die Nachfolger Jesu an Israels Auftrag, als Volk Gottes „Licht der Völker“ zu sein, indem es die Tora vorbildlich erfüllt (Mt 5,14–16; Jes 42,6). Der Evangelist [[Matthäusevangelium|Matthäus]] betont demgemäß, dass Jesus alle [[Tora]]gebote bis ins Kleinste erfüllen, nicht aufheben wollte und Christen die Juden darin übertreffen sollen (Mt 5,17–20).
Die [[Bergpredigt]] (Mt 5–7) wird als „Lehre“ Jesu eingeführt (Mt 5,2). Sie wurde von Urchristen aus Einzelpredigten Jesu zusammengestellt und vom Evangelisten redigiert oder komponiert.<ref>Hans D. Betz: ''Studien zur Bergpredigt.'' Mohr Siebeck, Tübingen 1985, ISBN 978-3-16-144906-2</ref> Ihr Beginn (Mt 5,14 ff.) erinnert Jesu Nachfolger an Israels Auftrag, als Volk Gottes „Licht der Völker“ zu sein (Jes 42,6), indem es die Tora vorbildlich erfüllt. Mt 5,17–20 betont demgemäß, Jesus habe alle überlieferten Gebote erfüllt, nicht aufgehoben.

Ob Jesus selbst das so sah, ist umstritten. Einige überlieferte Gebote verschärfte er, andere relativierte er, wieder andere hob ganz auf. Zum Gebot der Sabbatruhe soll er z.B. gesagt haben (Mk 2,27):
:''Der Sabbat ist für den Menschen, nicht der Mensch für den Sabbat da!''
So lehrte später auch der [[Talmud]]: ''Lebensrettung verdrängt Toragebot.'' Dem entsprachen Jesu „Antithesen“ (Mt 5,21–48), die heute nicht mehr als neue Ethik im Kontrast zum Judentum, sondern innerjüdische Toradeutung aufgefasst werden. Sie beziehen sich auf die [[Zehn Gebote]] (Ex 20,2–17) und das [[Ius talionis|Vergeltungsrecht]] (Ex 21,23f).

Jesus radikalisierte sie über den Wortlaut hinaus und bezog sie auf die innere Einstellung: Schon wer andere hasst, ist tendenziell ein Mörder und verdient eigentlich den Tod (Ex 20,13). Schon wer als verheirateter Mann eine andere Frau begehrt, [[Ehebruch|bricht die Ehe]] (Ex 20,14). Jeder Eid missbraucht den [[JHWH|Gottesnamen]] (Ex 20,7) und ist Lüge (Ex 20,16). Gottes Schöpfungstreue (Gen 8,22) entkräftet das Vergeltungsgebot (Gen 9,6). Auch Israels Feinde sind als Nächste zu segnen. Das Anhäufen von [[Besitz]] bricht das 1. Gebot (Mt 6,19f.24). Besitzaufgabe für die Armen erfüllt den ganzen Dekalog (Mk 10,17–27).


Ob Jesus selbst das so sah, ist umstritten. Anders als Paulus nahm er nur zu Einzelgeboten, nicht zur Tora insgesamt Stellung, da er sie wie alle damaligen Juden als gültigen Willen Gottes voraussetzte.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' Stuttgart 2010, S. 263–266 und S. 276–278.</ref> Einige Gebote verschärfte er, andere entschärfte er, wieder andere relativierte er so, dass sie im Urchristentum aufgehoben wurden. Dies gilt heute als innerjüdische Toradeutung, nicht als Bruch mit dem Judentum. Wie der Rabbiner [[Hillel]] (ca. 30 v. Chr. bis 9 n. Chr.) gab Jesus der [[Nächstenliebe]] den gleichen Rang wie der [[Gottesfurcht]] und ordnete sie damit den übrigen Torageboten über (Mk 12,28–34). Er sah sich zu denen gesandt, die wegen Übertretungen verachtet wurden {{Bibel|Mk|2|17}}: {{"|Nicht die Starken brauchen einen Arzt, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.}} Damit waren unter anderem jüdische „Zöllner“ gemeint, die für die Römer Steuern eintrieben, oft dabei ihre Landsleute übervorteilten und daher gehasst und gemieden wurden. Nach Lk 19,8 lud Jesus sie zum Teilen mit den Armen ein, nach Mt 6,19-24 deutete er das Anhäufen von Besitz als Bruch des ersten Gebots. Erst mit der Besitzaufgabe für die Armen erfülle der gesetzestreue Reiche alle Zehn Gebote so, dass er zur Nachfolge frei werde (Mk 10,17–27).
Gerichte waren in römischer und [[Sadduzäer|sadduzäischer]] Hand, Rechtsbeistand konnten Arme dort kaum erwarten. Nach Joh 8,1–11 rettete Jesus eine [[Hure]] vor der [[Steinigung]], indem er ihren Anklägern ihre eigene Schuld bewusst machte. So entkräftete er die Begründung für die [[Todesstrafe]] (Lev 20,10).


Die „Antithesen“ legen wichtige Toragebote aus. Danach betonte Jesus über deren Wortlaut hinaus die innere Einstellung als Ursache des Vergehens: Das Tötungsverbot (Ex 20,13) breche schon der, der seinem Nächsten bloß zürne, ihn beschimpfe oder verfluche. Damit ziehe er Gottes Zorngericht auf sich. Darum solle er sich erst mit seinem Gegner versöhnen, bevor er im Tempel Opfer darbringe (Mt 5,21–26). [[Ehebruch]] (Ex 20,14) begehe innerlich schon, wer als verheirateter Mann eine andere Frau begehre (Mt 5,27–30). Missbrauch des Gottesnamens (Ex 20,7) und Lüge (Ex 20,16) sei jeder [[Eid]], nicht erst ein Meineid (Mt 5,33 ff.). Weil Gott Erhaltung seiner Schöpfung versprochen habe (Gen 8,22), sollen Juden und Jesusnachfolger auf [[Vergeltung]] (Gen 9,6) durch Gegengewalt verzichten (Mt 5,39) und stattdessen mit kreativer [[Feindesliebe]] antworten, gerade auch ihre Verfolger als Nächste segnen, sie mit Fürsorge und freiwilligem Entgegenkommen überraschen und so „entfeinden“ (Mt 5,40–48).<ref>Pinchas Lapide: ''Entfeindung leben?'' Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1993, ISBN 978-3-579-02205-5</ref> Damit erinnerte Jesus an Israels Aufgabe, alle Völker zu segnen, um auch sie von Gewaltherrschaft zu befreien (Gen 12,3), die Herrschaft des „Bösen“ zu beenden und Gottes Reich herbeizurufen.<ref>René Girard: ''Das Ende der Gewalt: Analyse des Menschheitsverhängnisses.'' Herder, Freiburg 1983, ISBN 3-451-19017-6, S. 203–210</ref> Darum warnt Jesus laut {{Bibel|Mt|7|1–3}} davor, die Tora und seine Toraauslegung zur unbarmherzigen Verurteilung anderer zu missbrauchen:<ref>Klaus Haacker: ''Was Jesus lehrte: Die Verkündigung Jesu - vom Vaterunser aus entfaltet.'' Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2010, ISBN 978-3-7887-2427-6, S. 152f.</ref>
Die Besatzer benutzten Juden als Lastesel und schlugen die, die sich weigerten. Verschuldung, Enteignung, römische Gewalt bedrohten ihre Existenz. Jesus nannte diese Unterdrückung seiner Mitjuden „das Böse“ (Mt 5,39), rief aber dazu auf, auf Gegengewalt zu verzichten und Feinde mit freiwilligem Entgegenkommen zu demütigen. Er erhöhte keine Strafen, sondern deckte das gnadenlose Verurteilen anderer auf, um es zu überwinden und Gottes Volk vor [[Krieg]] und Untergang zu retten (Mt 7,1–6):
{{Zitat|Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden. Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?}}
:''Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!''
Er erinnerte an Israels Aufgabe (Gen 12,3), die Völker zu segnen, nicht zu hassen. Seine Nachfolger sollten übermächtiger Gewalt durch unerwarteten Gewaltverzicht begegnen, Feinde mit Fürsorge überraschen (Mt 5,38–48) und so „[[Feindesliebe|entfeinden]]“ ([[Pinchas Lapide]]).


Nach {{B|Joh|8|7}} rettete Jesus eine Ehebrecherin vor der [[Steinigung]], indem er den Anklägern ihre eigene Schuld bewusst machte: {{"|Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.}} Dies wird als Entkräftung der in der Tora vorgeschriebenen [[Todesstrafe]] für Ehebruch (Lev 20,10) gedeutet. Der Satz wird oft für echt oder zumindest Jesus gemäß gehalten, obwohl die Erzählung in älteren Handschriften des Johannesevangeliums fehlt.<ref>Ulrich Becker: ''Jesus und die Ehebrecherin. Untersuchungen zur Text- und Überlieferungsgeschichte von Johannes 7,53–8,11.'' (1963) Nachdruck: De Gruyter, Berlin / Boston 2018, ISBN 978-3-11-005593-1, S. 8–43</ref>
Jesu Ziel war demnach, ganz Israel ''und'' die Völker von Gewaltherrschaft zu befreien. Er lud darum gerade die in Gottes Reich ein, die die damals gültige Tora-Auslegung davon ausschloss (Mk 2,17):
:''Nicht die Starken brauchen einen Arzt, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.''
Gemeint waren beispielsweise jüdische „[[Zollbeamter|Zöllner]]“, die für die Römer Steuern eintrieben, oft dabei ihre Landsleute übervorteilten und daher gehasst und gemieden wurden.


Nach Mk 7,15 erklärte Jesus nur das für unrein, was von innen her aus dem Menschen komme, nicht was von außen in ihn hineingehe. Das wurde früher oft als Aufhebung der wichtigen [[Jüdische Speisegesetze|Speise-]] und Reinheitsgebote und damit als Bruch mit allen übrigen Kultgeboten der Tora verstanden. Heute gilt es eher als Auslegung, die moralische über äußerliche Reinheit stellt.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' 2010, S. 281 und 288 ff.</ref> In Konkurrenz zu Sadduzäern und Teilen der Pharisäer wollte Jesus nicht Reine von Unreinen abgrenzen, sondern Reinheit offensiv auf als unrein geltende Gruppen ausweiten. Daher integrierte er in Israel ausgegrenzte [[Lepra]]-Kranke (Mk 1,40–45), Sünder (Mk 2,15) und Zöllner (Lk 19,6) und verweigerte sich nicht kontaktsuchenden Nichtjuden (Mk 7,24–30).<ref>Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret.'' Leipzig 2006, S. 177–187.</ref>
Gerade weil Jesus das 1. Gebot über alles stellte, ordnete er die „Sozialtafel“ der „Kulttafel“ des Dekalogs über: Er hob die Reinheitsgesetze auf (Mk 7,1–22) und relativierte die Kultgesetze (Mt 5,24). Die Versöhnung mit dem Bruder und das [[Segen|Segnen]] der Feinde (Mt 5,23f.44) geht dem [[Opfer]]n im Tempel voraus, weil Nächstenliebe gleichrangig mit [[Gottesfurcht]] ist (Mk 12,28–34): Dieses Doppelgebot nahm eine zentrale Lehre des Talmud schon vorweg. Es erfüllte für Jesus ebenso wie für die Pharisäer Israels ganze Tora.


=== Anhänger ===
=== Anhänger ===
[[Datei:Meister der Reichenauer Schule 001.jpg|mini|Reichenauer Schule: ''Christus spricht zu den Jüngern'' (um 1010)]]
Von Beginn seines Auftretens an gewann Jesus Nachfolger (Mk 1,14ff). Frühe Texte der Logienquelle zeigen: Der Ruf in die Nachfolge war mit dem „Verlassen“ von Beruf, Familie, Besitz unlösbar verbunden (Mk 10,28–31). Doch damit forderte er nur ihre Zugehörigkeit zum einfachen Volk, das total verarmt und vom Hunger bedroht war. Demgemäß zogen seine Anhänger mittel- und waffenlos umher (Mt 10,5–15). Ihre Aufgabe war, wie er das Reich Gottes zu verkünden, Kranke zu heilen, Dämonen auszutreiben, sogar Tote zu erwecken und Gottes Segen weiterzugeben. Beim Betreten eines Hauses grüßten sie mit dem Friedensgruß „[[Schalom (Hebräisch)|Schalom]]“. Damit segneten sie die ganze Sippe und stellten sie unter Gottes Schutz. Waren sie nicht willkommen, dann verließen sie den Ort, reinigten sich von dessen Staub und überließen ihn Gottes Gericht, ohne zurückzukehren.
{{Hauptartikel|Nachfolge Jesu}}


Von Beginn seines Auftretens an berief Jesus nach dem NT männliche und weibliche [[Jünger]] (Mk 1,14 ff.) dazu, wie er Beruf, Familie und Besitz zu verlassen (Mk 10,28–31) und mittel- und waffenlos umherziehend Gottes Reich zu verkünden. Sie gehörten wie er zum einfachen Volk, das verarmt und vielfach vom Hunger bedroht war. Sie wurden ausgesandt, um Kranke zu heilen, Dämonen auszutreiben und Gottes Segen weiterzugeben. Beim Betreten eines Hauses sollten sie mit dem Friedensgruß „[[Schalom (Hebräisch)|Schalom]]“ die ganze Sippe unter Gottes Schutz stellen. Waren sie nicht willkommen, dann sollten sie den Ort verlassen, ohne zurückzukehren, und ihn Gottes Gericht überlassen (Mt 10,5–15).<ref>zur Nachfolge der Urchristen insgesamt: Martin Hengel: ''Nachfolge und Charisma.'' Berlin 1968.</ref>
Die Gefahr für diese Wanderbettler war nicht das Festhalten von Besitz, sondern das Aufgeben ihrer [[Mission]] für ein gesichertes [[Existenzminimum]] (Mt 6,25–33). Mk 2,23ff zufolge lasen sie am [[Schabbat|Sabbat]] Ähren von abgeernteten Feldern auf. Jesus heilte bewusst auch am Sabbat und erlaubte den Bruch der Sabbatruhe bei Lebensgefahr (Mk 3,4), da Gesetze für den Menschen gemacht seien, nicht umgekehrt (Mk 2,27).


Diese Aussendungsrede und vergleichbare Nachfolgetexte werden der Logienquelle zugewiesen und in der sozialhistorischen Forschung als Ausdruck für die Lebensumstände und Wertvorstellungen der frühen [[Jesusbewegung]] gedeutet. Auf solche Texte stützte [[Gerd Theißen]] 1977 seine einflussreiche soziologische These vom Wanderradikalismus: Die Jesusbewegung habe inmitten einer ökonomischen Krise und zerfallender sozialer Bindungen ein damals attraktives, charismatisches Nachfolgeethos zur Erneuerung des Judentums vertreten. Die engeren Anhänger Jesu seien im Bewusstsein einer endzeitlichen Rettungsaufgabe als besitz- und waffenlose Wanderer umhergezogen und von ortsansässigen Sympathisanten materiell unterstützt worden.<ref>Gerd Theißen: ''Soziologie der Jesusbewegung. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Urchristentums.'' (1977) 7. Auflage, Christian Kaiser, Gütersloh 1997, ISBN 3-579-05035-4; Wolfgang Reinbold: ''Propaganda und Mission im ältesten Christentum: Eine Untersuchung zu den Modalitäten der Ausbreitung der frühen Kirche.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000, ISBN 3-525-53872-3, S. 226–240</ref>
Das soll den Plan seiner Gegner, ihn zu töten, ausgelöst haben (Mk 3,6). Aber gerade Pharisäer wie [[Rabbi Hillel|Hillel]] erlaubten schon vorher Lebensrettung und Wohltätigkeit für die Armen auch am Sabbat. Sie wollten die Tora im Alltag flexibler anwenden. Dazu ergänzten sie die Bibel durch die mündliche Auslegung verschiedener Pharisäerschulen, die später in der [[Mischna|Mischnah]] zusammengefasst wurde.


Nach Géza Vermes waren Jesus und seine Anhänger von einem „charismatischen Milieu“ im damaligen Galiläa beeinflusste „Wandercharismatiker“. Denn auch von [[Chanina ben Dosa]] (um 40–75), einem Vertreter des galiläischen [[Chassidismus]], wurden Armenfürsorge, Besitzlosigkeit, Wunderheilungen durch Gebet und Toraauslegungen überliefert.<ref>Géza Vermes: ''Jesus the Jew: a historian’s reading of the Gospels.'' SCM Press, 1983, S. 73 ff.; Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 278</ref>
Die Evangelien stellen die Pharisäer überwiegend negativ und zum Teil falsch dar. Historiker erklären das aus ihrer Entstehungszeit: Nach der [[Jüdischer Aufstand|Zerstörung Jerusalems]] 70 n. Chr. gewannen die Pharisäer die Führung des Judentums und grenzten die Christen aus, da diese sich bereits gegen die volle Weitergeltung der Tora und für die Völkermission entschieden hatten. Daraufhin grenzten die Evangelien sich ebenfalls polemisch gegen die Pharisäer ab, obwohl Jesus ihnen nahe stand.


Sollte Jesus einen engeren, leitenden Zwölferkreis ([[Apostel]]) ausgewählt haben, unterstreicht dies nach [[James H. Charlesworth]] seinen gewaltfreien politischen Anspruch, der zur Zeit des jüdischen zweiten Tempels nicht von religiösen Zielen zu trennen war. Denn die [[Testamente der zwölf Patriarchen]] und andere Dokumente weisen auf die Bedeutung der [[zwölf Stämme Israels]] zur Zeit Jesu hin. Diese sollten auf der Erde herrschen, wenn Gott die politische Autonomie Israels wiederherstellen würde.<ref>James H. Charlesworth: ''The Historical Jesus, An Essential Guide.'' Nashville 2008, S. 107.</ref>
=== Frauen ===
Jesu Verhalten zu Frauen war im [[Patriarchat|patriarchalischen]] Judentum damals neu und ungewöhnlich (Hanna Wolff). Auch sie folgten ihm von Beginn an nach (Mk 1,31). Seine Heilwunder galten oft gerade Frauen, die gesellschaftlich ausgegrenzt wurden, z.B. [[Prostitution|Huren]], [[Witwe]]n, Ausländerinnen oder Kranken. Viele, die er geheilt hatte, versorgten ihn und die Männer (Lk 8,2–3). [[Maria Magdalena]] stand ihm nach dem [[Johannesevangelium]] besonders nahe (Joh 11–12; 20,16).


=== Frauen, Ehe, Ehebruch ===
Die biblische und rabbinische Tradition betont die Einehe als den legitimen Ort für [[Sexualität]]. Der Scheidebrief (Dtn 24,1) sollte geschiedene Frauen vor Ehrverlust schützen, erlaubte aber auch, sie zu verlassen. Obwohl Männer selbst fremdgingen, erwarteten sie unberührte Ehefrauen. Verstoßene Frauen waren daher praktisch recht- und mittellos und oft zur [[Prostitution]] gezwungen, die wiederum als todeswürdig galt. – Jesus entzog dieser männlichen Doppelmoral die Rechtfertigung, indem er verheirateten Männern den „Seitensprung“ (Mt 5,27–32) und die [[Ehescheidung]] (Mk 10,1–12) verbot.
Jesu Verhalten gegenüber Frauen war im [[Patriarchat (Soziologie)|patriarchalischen]] Judentum damals neu und ungewöhnlich. Viele der berichteten Heilungen galten sozial ausgegrenzten Frauen wie [[Prostitution|Prostituierten]], [[Witwer|Witwen]] oder Ausländerinnen. Geheilte Frauen folgten ihm von Beginn an nach (Mk 1,31), manche versorgten ihn und die Jünger (Lk 8,2 f.). Sie spielten laut NT für Jesus auch sonst eine wichtige Rolle: Eine Frau soll ihn vor seinem Tod gesalbt (Mk 14,3–9), die Gattin des Pilatus soll gegen seine Hinrichtung protestiert haben (Mt 27,19). Nachfolgerinnen Jesu sollen nicht geflohen sein, sondern sein Sterben begleitet, seine Grablegung beobachtet (Mk 15,40 f.), sein leeres Grab entdeckt (Mk 16,1–8) und als erste seine Auferweckung bezeugt haben (Lk 24,10; Joh 20,18).


Nach Mt 19,12 gebot Jesus seinen Jüngern die Eheschließung nicht, sondern ließ um ihrer Aufgabe willen, der Reich-Gottes-Verkündigung, Ehelosigkeit zu. Einige Jünger traf Paulus später mit ihren Ehefrauen in Jerusalem an (1 Kor 9,5). Diese können also schon mit Jesus und ihren Männern umhergezogen sein. Die NT-Evangelien zeigen keine Spur einer Partnerschaft Jesu; er kann unverheiratet gewesen sein.<ref>Géza Vermes: ''Jesus der Jude.'' S. 5 und S. 85–88.</ref> Nur das späte apokryphe [[Philippusevangelium]] erwähnt in einem unvollständigen, in der Übersetzung ergänzten Vers (6,33): Jesus habe Maria Magdalena [oft auf den Mund] geküsst. Dies weist im Kontext nicht auf eine Partnerschaft, sondern auf das Übertragen einer göttlichen Seelenkraft hin.<ref>Hans-Martin Schenke: ''Das Philippus-Evangelium (Nag-Hammadi-Codex II, 3).'' Wiley-VCH Verlag GmbH, 1997, ISBN 3-05-003199-9, S. 264–268.</ref> Die NT-Forschung weist populäre Theorien, Maria Magdalena sei Jesu Ehefrau gewesen, als quellenlose Fiktion zurück.<ref>Andreas Lindemann: ''Auferstehung: Gedanken zur biblischen Überlieferung.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, [http://books.google.de/books?id=jmAZSHIxa7YC&pg=PA80 S. 80]; Jacobus L. M. van Schaik: ''Warum Jesus nicht mit Maria Magdalena verheiratet war: Eine kurze Geschichte des esoterischen Christentums.'' Urachhaus, 2006, ISBN 3-8251-7559-6.</ref>
Aber er gebot seinen Jüngern nicht die Eheschließung, sondern ließ „um des Himmelreichs willen“ Ehelosigkeit zu (Mt 19,12). Eine Partnerin Jesu erwähnen die kanonischen Evangelien nicht, nur das späte [[Apokryphen|apokryphe]] [[Phillipusevangelium]]. Falls er ein ausgebildeter Rabbi war, wäre er laut [[Mischnah]] zur Ehe verpflichtet gewesen. Da er dem Verkünden des Reiches Gottes Vorrang vor allen weltlichen Bindungen gab (Mt 6,33), kann er unverheiratet und sexuell enthaltsam umhergezogen sein. Die Erinnerung an eine Freundin Jesu könnte aber auch später getilgt worden sein, da sie nicht zum Bild des Gottessohns passte (Luise Schottroff).


Während die Tora laut Dtn 24,1–4 Männern die Ehescheidung mit einem [[Scheidebrief]] für die geschiedene Frau erlaubte, betonte Jesus gegenüber Pharisäern nach Mk 10,2–12 die Unauflösbarkeit der Ehe gemäß Gen 1,27 und verbot gegenüber seinen Jüngern beiden Ehepartnern die Scheidung und Wiederheirat. Nach Mt 5,32 und 19,9 begründete er dies als Schutz der Frau, die sonst zu Ehebruch genötigt werde. Der Einschub „abgesehen von (vom Fall eines) Ehebruch(s)“ ''(porneia)'' gilt als redaktioneller Zusatz. Nach Lk 16,18 sprach Jesus den jüdischen Mann an, der bei Wiederheirat die fortbestehende erste Ehe breche.<ref>Peter Fiedler: ''Theologischer Kommentar zum Neuen Testament (ThKNT) Band 1: Das Matthäusevangelium.'' Kohlhammer, Stuttgart 2006, [http://books.google.de/books?id=8rQQbbqpn-wC&pg=PA139, S. 139 ff.]</ref>
Die Frau wird auch in der urchristlichen Verkündigung hochgeschätzt. Jesu Stammbaum (Mt 1,1–17) erinnert bewusst an weibliche Außenseiter in Israels Erwählungslinie: die vermeintliche Hure [[Tamar (Bibel)|Tamar]], die Hure [[Rahab]], die [[Moabiter]]in [[Buch Rut|Ruth]] und [[Batseba]], die Witwe des ermordeten [[Uriah]]. Eine Frau salbte Jesus vor seinem Tod (Mk 14,3–9). Nachfolgerinnen waren nach allen Evangelien die letzten Zeugen seines Todes, entdeckten sein leeres Grab und bezeugten als erste seine [[Auferweckung]].


Da manche [[Schriftrollen vom Toten Meer]] (CD 4,12–5,14) und die Rabbinerschule [[Schammai]] eine ähnliche Position vertraten, wird vermutet, dass diese Strenge auf damalige soziale Auflösungstendenzen im Judentum reagierte und sowohl das Verhalten der Oberschicht kritisieren wie auch verarmte, von Zerrüttung gefährdete Familien schützen sollte.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' Stuttgart 2010, S. 287 f.</ref> Dass Jesus sein Verbot an jüdische Männer richtete und des Ehebruchs angeklagte Frauen laut Lk 7,36 ff.; Joh 8,2 ff. verteidigte, wird als Absicht zum Schutz der Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft gedeutet.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 331</ref>
=== Gegner ===
Zum damaligen Judentum gehörten neben den schon erwähnten [[Mandäer]]n, [[ Essener]]n, [[Pharisäer]]n und [[Samaritaner]]n weitere, oft miteinander verfeindete Gruppen: [[Herodes der Große|Herodianer]], [[Sadduzäer]] und [[Zeloten]].


=== Pharisäer ===
[[Herodes Antipas]], ein von Rom eingesetzter König aus [[Idumäa]] (Südjudäa, das vormalige [[Edom]]), regierte damals Galiläa und Judäa. Sein Vater, [[Herodes der Große]], ließ Paläste bauen und missbrauchte dazu Teile der Tempelsteuer. Antipas selbst nahm eine bereits verheiratete Nichte als Zweitfrau und ließ den Täufer Johannes wegen dessen Kritik daran hinrichten (Mk 6,17–29). Daher waren die Herodianer den meisten Juden genauso verhasst wie die Römer. Sie gelten den Evangelien wohl historisch zutreffend auch als Gegner und Verfolger Jesu (Lk 13,31).
[[Pharisäer]] und Toragelehrte erscheinen in den Evangelien meist als Kritiker des Verhaltens Jesu und seiner Nachfolger. Sie empört seine [[Sünde]]nvergebung als todeswürdige Anmaßung (Mk 2,7), sie missbilligen seine Tischgemeinschaft mit als „unrein“ ausgegrenzten „Zöllnern und Sündern“ (2,16) und das Feiern seiner Jünger (2,18); deshalb verachten sie ihn stereotyp als „Fresser und Weinsäufer“ (Lk 7,31–35). Besonders Jesu demonstrative Sabbatheilungen und Erlaubnis zum Sabbatbruch (Mk 2–3) provozieren ihre Feindschaft. Nach Mk 3,6 planen sie darum zusammen mit Herodesanhängern seinen Tod. Vorsätzlicher Sabbatbruch war nach Ex 31,14 f., Num 15,32–35 durch Steinigung zu ahnden. Joh 8,59 und 10,31.39 erwähnen Steinigungsversuche jüdischer Gegner Jesu, weil er sich über [[Abraham]] und [[Mose]] gestellt habe.


Diese Verse gelten als ahistorisch, da die Pharisäer weder geschlossen noch mit den Toralehrern identisch noch mit Herodianern verbunden waren. Die Passionstexte erwähnen sie kaum und Jesu Sabbatkonflikte gar nicht. Die Verse sollten offenbar die Ereignisse in Galiläa redaktionell mit Tötungsplänen der Jerusalemer Gegner Jesu (Mk 11,18; 12,13; vgl. Joh 11,47; 18,3) verklammern.<ref>Lorenz Oberlinner: ''Todeserwartung und Todesgewißheit Jesu. Zum Problem einer historischen Begründung.'' Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1980, S. 64 ff.</ref>
Seine Hauptgegner aber waren die [[Hellenismus|hellenistisch]] geprägten, vornehmen Sadduzäer. Als Erben der [[Leviten]] verwalteten sie den Tempelkult in [[Jerusalem]]. Aus ihnen kam der [[Hoherpriester|Hohepriester]], der sein erbliches Amt auf [[Zadok (Priester)|Zadok]] zurückführte: jenen Priester, der auf Geheiß [[König David]]s den Tempelerbauer [[Salomo]] gesalbt hatte (1.Kön 1,32) und dessen Nachfahren seit der [[Makkabäer]]zeit Priesterkönige waren. Im Hinterland war ihr Einfluss zwar geringer; doch wachten sie auch dort über die strenge Einhaltung der biblischen Reinheits- und Opfergesetze. Da Jesus diese für seine Jünger außer Kraft setzte (Mk 7,1–23), wurde ein Konflikt mit ihnen unvermeidbar.


Andere NT-Texte kommen der historischen Lage näher: Nach Mk 2,23 ff. begründete Jesus das Ährensammeln seiner Jünger am Sabbat als biblisch erlaubte Gebotsübertretung bei akuter Hungersnot. Er ergänzte damit die damals diskutierten Ausnahmen vom Sabbatgebot zur Lebensrettung.<ref>Babylonischer Talmud, Mischna Joma 8,6 u.&nbsp;a.</ref> Nach Lk 7,36; 11,37 luden Pharisäer Jesus zum Essen in ihre Häuser ein und interessierten sich dabei für seine Lehre. Nach Mk 12,32 ff. stimmte ein Jerusalemer Pharisäer Jesus zu, die Tora im Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe zusammenzufassen. Solche Summarien entsprachen jüdischer Tradition. Auch in der Erwartung des Reiches Gottes und einer [[Auferstehung]] aller Toten stimmten die Pharisäer mit Jesus überein. Nach Lk 13,31 warnten und retteten sie ihn vor Nachstellungen des Herodes. Ein Pharisäer sorgte für Jesu Bestattung.
Die jüdische Oberschicht kooperierte eng mit den römischen Besatzern. Diese ließen den Tempelkult zu, solange innerjüdische Konflikte ihre Machtkontrolle nicht bedrohten. Sie setzten Juden als Steuereintreiber und Ortsvorsteher ein, um Judäa als „Kornkammer“ für Rom [[Ausbeutung|auszubeuten]]. – Da Jesus den Armen schon in Galiläa den Landbesitz zusagte (Mt 5,5) und immer mehr Zulauf gewann (Mk 10,1.46), bahnte sich auch mit den Römern ein Konflikt an. Nachdem er sich zum [[Pessach|Passahfest]] nach Jerusalem aufmachte, kam es dort zur direkten Konfrontation mit den damaligen Autoritäten in Religion und Politik: dem Hohenpriester [[Kaiphas]] und dem römischen Statthalter [[Pontius Pilatus]].


Viele Forscher nehmen heute an, dass Jesus den Pharisäern unter damaligen Juden am nächsten stand. Dass sie dennoch zu seinen Gegnern stilisiert wurden, wird aus der Situation nach der Tempelzerstörung im Jahr 70 erklärt: Danach übernahmen Pharisäer die Führungsrolle im Judentum. Juden und Christen grenzten sich verstärkt voneinander ab und legitimierten dies wechselseitig in ihren damals entstandenen Schriften.<ref>Klaus Berger: ''Jesus als Pharisäer und frühe Christen als Pharisäer.'' NT30 (1988), S. 231–262; John P. Meier: ''A Marginal Jew: Rethinking the Historical Jesus'' Band 3, Bantam Doubleday Dell Publishing Group, 2001, ISBN 0-385-46993-4, S. 289–388; Hyam Maccoby: ''Jesus the Pharisee'', SCM Press, 2003, ISBN 0-334-02914-7.</ref>
=== Die Zeloten ===
Seit [[Judas Makkabäus]] (ca. 170 v. Chr.) gab es in Israel offenen [[Widerstand (Politik)|Widerstand]] gegen Fremdmächte, die Israel ihre Religion aufzwangen. Jüdische Befreiungskämpfer kamen oft aus dem früheren bergigen Nordreich, wo die Exodustradition lebendig blieb. Auslöser für gesamtjüdische Aufstände waren oft Königs- oder Götterstatuen, die ein Fremdherrscher im Jerusalemer Tempel aufstellen ließ. Das widersprach dem biblischen [[Bilderverbot]] als Kehrseite des 1. Gebots (Ex 20,2ff).


=== Herodianer ===
Die Religionspolitik der Römer war anfangs [[Toleranz|toleranter]] als die ihrer Vorgänger. Doch um [[6]] n. Chr. verordnete [[Augustus]] allen Juden eine [[Volkszählung]], um ihre [[Tribut]]pflicht zu erzwingen (nach Lk 2,1 der Kontext der Geburt Jesu). [[Judas Galiläus]] organisierte einen [[Boykott]] dagegen. Nachdem er scheiterte, verübten seine Anhänger vermehrt Anschläge gegen römische Beamte und Soldaten. Die, die Meuchelmorde begingen, hießen „[[Sikarier]]“ (Dolchträger). Sie selber nannten sich nach biblischem Vorbild „[[Zeloten]]“ (Eiferer) und verweigerten das Zahlen römischer Steuern. Diese galten vielen Juden als [[Götze]]ndienst, da der römische [[Kaiser]] auf den Münzen abgebildet war und sich wie ein Gott verehren ließ.
Der von Rom eingesetzte Vasallenkönig Herodes der Große war vielen Juden als aus [[Idumäa]] stammender „Halbjude“ verhasst. Gegen die hohen Steuerauflagen für seine Palast- und Tempelbauten kam es zu Aufständen. Darum teilte Rom sein Herrschaftsgebiet nach seinem Tod 4 v. Chr. unter seine vier Söhne auf, die sich nicht mehr „König der Juden“ nennen durften und dem römischen [[Präfekt (Römisches Reich)|Präfekten]] unterstellt wurden.<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 161.</ref> [[Herodes Antipas]], der Galiläa und [[Peräa]] zur Zeit Jesu regierte, ließ die galiläischen Orte Sepphoris und Tiberias zu hellenisierten Metropolen ausbauen. Diese Städte und die dort angesiedelten Juden galten der galiläischen Landbevölkerung und antirömischen Jerusalemern als unrein.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 177</ref>


Die Zweitehe des Antipas mit seiner zuvor schon verheirateten Nichte [[Herodias]] galt als eklatanter Torabruch.<ref>Günther Baumbach: ''Herodes/Herodeshaus.'' In: Theologische Realenzyklopädie Band 15, Berlin/New York 1986, S. 159 ff.</ref> Er ließ Johannes den Täufer laut Mk 6,17–29 wegen seiner Kritik daran verhaften und enthaupten und soll auch Jesus nach Mk 3,6 und Lk 13,31 namentlich gekannt und verfolgt haben. Damit erklärt Mt 14,13, dass Jesus keine der von Antipas erbauten Städte besuchte.<ref>Sean Freyne: ''Galilee and Gospel.'' Brill Academic Publishers, Leiden 2002, ISBN 0-391-04171-1, S. 139 f.</ref> Nach Lk 23,6–12.15 soll Antipas den inhaftierten Jesus verhört und dann als harmlosen Verrückten an Pilatus übergeben haben. Dies gilt als redaktioneller Versuch, die folgend berichteten Freigabeversuche des Pilatus plausibel zu machen.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' Stuttgart 2010, S. 359.</ref>
Nach Mk 12,13–17 prüften Jesu Gegner sein Verhalten zur Kaisersteuer, um ihn als Zeloten zu überführen und an die Römer ausliefern zu können. Darauf soll er gesagt haben:
:''Gebt dem Kaiser, was ihm gehört, und Gott, was Gott gehört!''
Die Deutung ist umstritten. Nach [[Martin Luther]] trennte er Religion und Politik und verlangte: Bezahlt die Kopfsteuer jeweils dem Kaiser und dem Tempel. Nach [[Martin Buber]] sagte Jesus damit: Der Kaiser ist nicht Gott. Gebt ihm nicht, was Gott gehört: euch und euer Volk.


=== Sadduzäer ===
So zeigte sich auch dieser Galiläer bei der Tempelreinigung als „Eiferer“ für Gottes Reich (Joh 2,17). Darum folgten ihm auch einige Zeloten nach: Dazu gehörte wohl [[Judas Iskariot]], der ihn später an Kaiphas verriet. Der Grund wird nicht genannt; Historiker vermuten meist eine Enttäuschung darüber, dass Jesus keinen zelotischen Aufstand anführen wollte. Er wollte nicht Israels Besatzer mit Gewalt vertreiben, sondern die Feindschaft zwischen Juden und Heiden überwinden.
Jesu Hauptgegner in Jerusalem waren die hellenistisch gebildeten und wohlhabenden [[Sadduzäer]], die als priesterliche Erben der [[Leviten]] den [[Jerusalemer Tempel]] leiteten. Der dortige zentrale, von allen Juden zu befolgende Opferkult war ihre Existenzgrundlage und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für ganz Palästina.<ref>Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 234.</ref> Sie stellten den [[Hohepriester]], der sein erbliches Amt als höchster Richter für Kultfragen auf Dtn 17,8–13 zurückführte.


Die Amtsträger wurden aber seit 6 n. Chr. von römischen Präfekten ein- und abgesetzt und mussten diese bei der ordnungspolitischen Kontrolle von Judäa-Syrien unterstützen. Dafür durften sie die für Juden obligatorische Tempelsteuer eintreiben, den Tempelkult verwalten, eine bewaffnete Tempelgarde unterhalten und auch wohl über Kultvergehen urteilen, aber keine Todesstrafen vollstrecken; dies oblag nur den römischen Präfekten.<ref name="Peter Egger 1997">Peter Egger: ''„Crucifixus Sub Pontio Pilato“'', Münster 1997, S. 202.</ref> Im Hinterland war ihr Einfluss zwar geringer, doch setzten sie auch dort die Tempelsteuer und Einhaltung der Kultgebote durch.
=== Zug nach Jerusalem ===
Wann und warum Jesus sich dem Zentrum des jüdischen Glaubens zuwandte, ist ungewiss. Viele Historiker glauben, dass dieser Entschluss ungeplant war und erst allmählich reifte. Vielleicht pilgerte er wie die meisten Juden vom Land nur einmal in seinem Leben in die Tempelstadt: Dann wirkte er nur etwa ein Jahr öffentlich.


Jesus hat die Tempelpriester offenbar nicht grundsätzlich abgelehnt: Denn nach Mk 1,44 sandte er in Galiläa Geheilte zu ihnen, damit sie deren Gesundung feststellten und sie wieder in die Gesellschaft aufnahmen. Nach Mk 12,41 ff. lobte er Tempelspenden einer armen Witwe als Hingabe an Gott, die er bei Reichen vermisste. Seine Tora-Auslegung ordnete [[Opfer (Religion)|Opfer]] der Versöhnung mit Streitgegnern unter (Mt 5,23 f.).
Er verließ [[Galiläa]] wohl, weil sich dort nach seiner Predigt nichts entscheidend besserte. Das lassen seine Weherufe über Galiläas Städte vermuten (Mt 11,20–24; Lk 10,13–16). Diese geprägten Klagen nehmen das [[Endgericht]] vorweg, als sei es schon passiert: Das war in Israels Gerichtsprophetie als letzter ultimativer Umkehrruf zu verstehen. Jesus vertraute die besuchten Städte also Gottes Gericht an und zog weiter, wie er es seinen Jüngern auch geboten hatte (Mt 10,14f).


=== Zeloten ===
Er zog nach der Enthauptung des [[Johannes der Täufer|Täufers]] nach Jerusalem (Mt 14,12): Sie kann ihn dazu veranlasst haben, sein Werk zuende zu führen, ganz Israel zur Umkehr zu rufen und den jüdischen [[Gottesdienst]] zu reformieren. Spätestens jetzt musste er mit seinem gewaltsamen Tod rechnen (Mt 14,13). Er nahm diesen wohl bewusst in Kauf (Mk 8,31 par.), um – wie der verheißene leidende „Knecht Gottes“ (Jes 53) – ganz Israel von [[Not]], [[Krankheit]], [[Unrecht]] und [[Sünde]] zu befreien (Mk 10,45). Unterwegs folgten ihm einfache Juden, die ihn für den wiedergeborenen Johannes, den Endzeitpropheten [[Elija]] oder sogar für den [[Maschiach]] hielten (Mk 8,27–30). Sie erwarteten offenbar eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit seines Anspruchs.
Jesus trat in einem von starken religiös-politischen Spannungen bestimmten Land auf. Aus Galiläa, dem früheren [[Nordreich Israel]], kamen seit Generationen jüdische Befreiungskämpfer gegen Fremdmächte. Seit dem 6 n. Chr. niedergeschlagenen Steuerboykott des [[Judas der Galiläer|Judas Galilaeus]] traten Widerstandsgruppen hervor, die die römische Fremdherrschaft mit verschiedenen Mitteln bekämpften, Aufstände vorzubereiten suchten und verhasste Kaiserstandarten, Feldzeichen und andere Besatzungssymbole angriffen. Manche begingen Messer-Attentate auf römische Beamte („[[Sikarier]]“, Dolchträger). Diese heute als [[Zelot]]en („Eiferer“) bezeichneten Gruppen wurden damals von Römern und dem römerfreundlichen Historiker Josephus generell als „Räuber“ oder „Mörder“ abgewertet und stigmatisiert.<ref>Martin Hengel: ''Die Zeloten: Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. Chr.'' Mohr Siebeck, 3., durchgesehene und ergänzte Auflage, Tübingen 2012, ISBN 3-16-150776-2, [http://books.google.de/books?id=4bE3AAAAIAAJ&pg=PA390 S. 390]; Otto Michel, Otto Betz: ''Josephus-Studien.'' Vandenhoeck und Ruprecht, 1974, ISBN 3-525-53553-8, S. 176 und 189.</ref>


Jesus richtete seine apokalyptische Botschaft vom nahen Reich Gottes an alle Juden. Er kündigte damit öffentlich das baldige Ende aller Gewaltimperien an. Sein Wirken solle dieses Reich aktiv herbeiführen und in seinen Heiltaten (Mt 11,5) und seiner gewaltlosen Nachfolge im Kontrast zu den Gewaltherrschern Raum gewinnen (Mk 10,42 ff.). Wie die Zeloten nannte er den Vasallenkönig Herodes Antipas einen „Fuchs“ (Lk 13,32). Bei der Heilung eines Besessenen aus der Garnisonsstadt Gerasa (Mk 5,1–20) befällt der mit dem lateinischen Lehnwort für „Legion“ vorgestellte Dämon eine Schweineherde, die sich dann selbst ertränkt. Damit entlarvte Jesus eventuell die römische Militärherrschaft, um sie symbolisch zu entmachten:<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' 2010, S. 337.</ref> Denn das Juden als unrein geltende Schwein war damals als römisches Opfertier und Legionszeichen bekannt. Der Waffenkauf nach Lk 22,36 wird als Erlaubnis Jesu zu begrenztem Widerstand bei Verfolgung auf dem Weg nach Jerusalem gedeutet.<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' 1998, S. 275.</ref>
== Jesu Passion ==
=== Einzug in Jerusalem ===
Mit Jesu Einzug zum [[Pesach|Passahfest]] beginnt für die Evangelien seine Leidensgeschichte. Die Festpilger sollen ihn nach einer historischen Passahliturgie als den erwarteten Davidssohn begrüßt haben (Mk 11,9f):
:''Gelobt sei das Reich unseres Vaters [[David]]!''
Demnach sahen sie ihn als den ersehnten Retter und neuen [[König]] Israels.


Wegen NT-Texten wie dem [[Magnificat]] (Lk 1,46 ff.) oder dem Jubel der Festpilger bei Jesu Ankunft in Jerusalem (Mk 11,9 f.) betonen viele Forscher eine indirekte oder symbolische politische Dimension seines Wirkens.<ref>Gerd Theißen: ''Die politische Dimension des Wirkens Jesu.'' In: Gerd Theißen (Hrsg.): ''Jesus in neuen Kontexten'', S. 118 ff.</ref> Wohl darum waren einige seiner Jünger frühere Zeloten, so [[Simon Zelotes]] (Lk 6,15),<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 167</ref> eventuell auch Simon Petrus und [[Judas Iskariot]].<ref>Jürgen Moltmann: ''Der gekreuzigte Gott.'' München 1972, ISBN 3-459-00828-8, S. 132</ref>
Daraufhin soll Jesus auf einem zuvor unberittenen Esel in die Stadt geritten sein. Diese prophetische Zeichenhandlung erinnerte die Menge an eine Verheißung des Propheten [[Sacharja (Buch)|Sacharja]]: Dieser hatte nach dem Tempelneubau (um 530) einen gewaltlosen Messias der Armen angekündet, der Gottes weltweites Abrüstungsgebot aufrichten und in Israel zuerst durchsetzen würde (Sach 9,9–11).


Anders als die Zeloten rief Jesus auch als „unrein“ verhasste Steuereintreiber für die Römer („Zöllner“) in seine Nachfolge und war ihr Gast (Mk 2,14 ff.), freilich um ihr Verhalten gegenüber den Armen grundlegend zu ändern (Lk 19,1–10). Anders als jene, die Gottes Gericht mit Gewalt an Andersgläubigen vorwegnehmen wollten, rief er seine Hörer zur Feindesliebe auf (Mt 5,38–48). Als Kritik an den Zeloten wird auch das Wort Mt 11,12 von den „Gewalttätigen, die Gottes Reich herbeizwingen und sich mit Gewalt seiner bemächtigen“ gedeutet.<ref>Oscar Cullmann, zitiert nach Jürgen Moltmann: ''Der gekreuzigte Gott.'' S. 133.</ref>
Jesu Eselsritt widersprach damit der Erwartung eines machtvollen Herrschers, der die Römer verjagen und ein Großreich Israel
wiederherstellen sollte. Demnach wollte er kein kriegerischer Anführer sein, sondern die biblische [[Prophetie]] des [[Weltfrieden|Völkerfriedens]] durch [[Abrüstung]] (Jes 2,2–4; Mi 4,1–3) gewaltlos zu erfüllen anfangen und so allen Völkern Gottes Reich nahebringen.


Römische Münzen mit Kaiserköpfen verstießen für Zeloten gegen das biblische [[Bilderverbot]] (Ex 20,4 f.), so dass sie Abgaben an Rom verweigerten. Die Steuerfrage seiner Jerusalemer Gegner sollte Jesus als Zeloten überführen. Seine überlieferte Antwort entzog sich der gestellten Falle {{Bibel|Mk|12|17}}: {{"|Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!}} Da nach Mt 6,24 für Jesus der ganze Mensch Gott gehörte, konnte dies als Absage an die Kaisersteuer aufgefasst werden, überließ aber den Angeredeten diese Entscheidung. Erst die Evangelisten wiesen diese Deutung zurück (Lk 23,2 ff.).<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' S. 268.</ref>
=== Tempelkritik ===
[[Bild:GiottoTemple.jpg|thumb|200px|„Jesus vertreibt die Händler aus dem Tempel“, Fresko von [[Giotto di Bondone]]]]


Dass Jesu Wirken politische Reaktionen hervorrief, zeigt seine Kreuzigung beim höchsten jüdischen Fest. Fraglich ist jedoch, ob er einen politischen Messiasanspruch erhob.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 125–220</ref> Deutsche Neutestamentler betonten früher meist den unpolitischen Charakter seines Auftretens. Seine Hinrichtung als ''König der Juden'' ([[Liste jüdischer Messias-Anwärter|Messiasanwärter]]) galt als Justizirrtum und „Missverständnis seines Wirkens als eines politischen“.<ref>Rudolf Bultmann: ''Das Verhältnis der urchristlichen Glaubensbotschaft zum historischen Jesus.'' 1960.</ref> Dagegen zeigten jüngere Untersuchungen partielle Übereinstimmungen Jesu mit der jüdischen Widerstandsbewegung auf und erklärten sein gewaltsames Ende als zu erwartende Folge seines eigenen Handelns.<ref>Samuel George Frederick Brandon: ''Jesus and the Zealots.'' 1967; Martin Hengel: ''War Jesus revolutionär?'', 1970; Oscar Cullmann: ''Jesus und die Revolutionäre seiner Zeit'', 1970; [[Hyam Maccoby]]: ''Jesus und der jüdische Freiheitskampf.'' Ahriman-Verlag, Freiburg im Breisgau 1996.</ref>
Der [[Israelitische Tempel|Tempel]] spielt in den Evangelien eine wichtige Rolle. Jesu Verhalten dazu ist nicht eindeutig. In Galiläa schickte er geheilte Patienten zu den Priestern, damit diese ihre Gesundung amtlich feststellten und sie wieder in die Gesellschaft aufnahmen (Mk 1,44). Seine Tora-Auslegung lehnte die [[Opfer]] nicht direkt ab, ordnete sie aber der [[Nächstenliebe]] unter (Mt 5,23f). Indem er im Tempel lehrte, erkannte er diesen als Gotteshaus an. Auch die Tempelsteuer hat er anders als die Kaisersteuer wohl gebilligt (Mk 12,41ff).


== Ereignisse am Lebensende ==
Doch in Jerusalem soll Jesus gegenüber seinen Jüngern (Mk 13,2 par.) wie auch öffentlich (Mt 23,38 par.) die Zerstörung der Tempelstadt angekündigt haben. Dabei berief er sich auf [[Jeremia]], der die Zerstörung des ersten Tempels (586 v. Chr.) vorhergesagt hatte und dafür von den Priestern fast getötet worden wäre (Jer 26).
=== Einzug in Jerusalem ===
[[Datei:Giotto - Scrovegni - -26- - Entry into Jerusalem2.jpg|mini|Giotto di Bondone: ''Einzug in Jerusalem'' (um 1305)]]


Nach {{B|Mk|11|1–11}} ritt Jesus im Gefolge seiner Jünger auf einem jungen Esel in Jerusalem ein, während eine Pilgermenge ihm zujubelte:
Nach allen Evangelien vertrieb Jesus kurz darauf die Händler und Geldwechsler aus dem Tempelvorhof für die „Heiden“. Diese tauschten dort griechische und römische Alltagsmünzen in jüdische Münzen um, da auf dem Opfergeld keine Gottkaiser oder Götter abgebildet sein durften. Nur dafür verkauften sie armen Juden oder Heiden erschwingliche Opfertiere wie Sperlinge oder Tauben, die dann nur im Tempel dargebracht werden durften. Ohne sie konnten die religiösen Riten also nicht vollzogen werden.
{{Zitat|Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! Gesegnet sei das Reich unseres Vaters David, das nun kommt. Hosanna in der Höhe!}}


Der Anruf „Hosanna“ („Gott, rette doch!“: Ps 118,25) war beim [[Laubhüttenfest]] und der Inthronisation eines Königs üblich (2 Sam 14,4; 2 Kön 6,26). Der [[Lulav]], ein Dattelpalmenzweig, gehört ebenfalls zum zeremoniellen Teil des Laubhüttenfestes. „Der kommt im Namen Gottes“ meinte den erwarteten Messias auf dem Thron König [[David]]s (2 Sam 7,14 ff.), als den die Evangelien Jesus verkündigen (Mt 11,3; 23,39; Lk 7,19; 13,35).<ref>Klaus Berger: ''Wer war Jesus wirklich?'' Quell Verlag, 3. Auflage. Stuttgart 1996, S. 172.</ref> Mit ausgestreuten Palmzweigen (V. 8), einem antiken Triumphsymbol, feierten Juden ihre Siege über Nichtjuden (Jdt 15,12; 1 Makk 13,51; 2 Makk 10,7).
Jesu Handeln wurde oft als Angriff auf den Tempel an sich missdeutet; jedoch sollte seine prophetische Zeichenhandlung auch [[Nichtjuden]] Zugang zum Gotteshaus eröffnen (Mk 11,17; Jes 56,7):
:''Steht nicht in der Schrift: Mein Haus soll ein Bethaus für alle Völker heißen?''
Dem stand der Opferkult im Weg. Davon wollte Jesus den Tempel „reinigen“ und die Tempelbesucher dazu anstiften. Mit diesem [[Tabu]]bruch stellte er den Tempelkult und die Führungsrolle der [[Priester]], also die gesamte bestehende Ordnung in Frage. Er forderte die [[Elite]] des Judentums zu einer eindeutigen Reaktion heraus.


Jesu Eselsritt erinnert an Sach 9,9 ff.: Dort wird ein machtloser Messias angekündigt, der die Kriegswaffen in Israel abschaffen und allen Völkern Frieden gebieten werde. Diese nachexilische Zusage hielt die frühere Verheißung universaler Abrüstung fest, die in Israel beginnen sollte (Jes 2,2–4/Mi 4,1–5; [[Schwerter zu Pflugscharen]]). Sie widersprach also der Erwartung der Bevölkerung an einen Davidnachfolger, die Fremdherrscher zu vertreiben und das Großreich Israel zu erneuern.
=== Gefangennahme ===
Von wem Jesu Festnahme ausging, ist umstritten. Der [[Hoherpriester|Hohepriester]] könnte sie aufgrund der Tempelaktion vom Vortag veranlasst haben. Er selbst war aber nur für kultische, nicht politische Kapitalvergehen, seine Tempelwache nur für den Tempelbezirk zuständig. Den Stadtwald von [[Getsemani]] dagegen – ein beliebtes Versteck für [[Zeloten]] – bewachten römische Soldaten. Nur sie durften Schwerter und Lanzen tragen. [[Judas Iskariot]] soll eine so bewaffnete Truppe zu Jesu Lager geführt haben (Mk 14,43). Doch dass ein enttäuschter Zelot Jesus an die Römer ausgeliefert hätte, wirkt unglaubhaft.


Im damaligen Judentum war die Messiashoffnung mit der Sammlung aller exilierten Juden, gerechten Rechtsprechung im Innern und Befriedung der Völkergemeinschaft verbunden. Einzüge jüdischer Thronanwärter waren jedoch oft Signal für Aufstände. So strebte der Zelot ''[[Schimon bar Giora]]'' laut Josephus um 69 das jüdische Königtum an: Er sei dazu mit seinen Anhängern als charismatischer „Retter und Beschützer“ der Juden triumphal in Jerusalem eingezogen, aber von den Römern in einem Purpurmantel gefangen, nach Rom überführt und dort hingerichtet worden.<ref>Flavius Josephus: ''Bellum Iudaicum'' 2,652 f.; 4,508 ff.; 4,575 u.ö.; Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 343.</ref>
Wegen solcher Ungereimtheiten bestreiten vor allem jüdische Historiker wie [[Paul Winter]], dass es überhaupt einen religiösen Prozess gegen Jesus gab, und weisen dem [[Sanhedrin]] nur eine Hilfsrolle bei seiner Festnahme und Auslieferung an Pilatus zu. Die meisten christlichen Historiker halten demgegenüber an der Initiative der Tempelpriester im Passionsverlauf fest, wie sie die Evangelien übereinstimmend darstellen (siehe dazu: [[Antijudaismus im Neuen Testament#Jesu Tod als „Gottesmord“]]).


Auch Jesus weckte messianische Hoffnungen der Landbevölkerung, etwa indem er den Armen den Landbesitz zusagte (Mt 5,3), seine Heiltaten als anfängliche Realisierung dieser Zusagen erklärte (Lk 11,20) und sich auf dem Weg in die Tempelstadt von Armen als ''Sohn Davids'' anreden ließ (Mk 10,46.49). Daher bedeutete Jesu Jerusalembesuch zum Pessach eine Konfrontation mit den dortigen Machteliten der Sadduzäer und Römer, bei der ihm das Todesrisiko bewusst gewesen sein muss.<ref>Ulrich Luz: ''Warum zog Jesus nach Jerusalem?'' In: Jens Schröter, Ralph Brucker (Hrsg.): ''Der historische Jesus'', Berlin/New York 2002, S. 415 ff.</ref> Das gewaltlose Messiasbild entspricht für echt gehaltenen Aussagen Jesu wie {{B|Mk|10|42 ff.}}: Er sei gekommen, als Menschensohn allen wie ein Sklave zu dienen, um der Unterdrückung durch Gewaltherrscher seine herrschaftsfreie Vertrauensgemeinschaft entgegenzustellen.<ref>Matthias Kreplin: ''Das Selbstverständnis Jesu.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2001, S. 128.</ref>
Notwendig erschien Jesu Festnahme wegen der realen politischen Umstände: Sein Auftreten im Tempelbezirk konnte einen Volksaufstand beim bevorstehenden [[Passahfest]] auslösen. Das hätte unvermeidlich das Eingreifen der Römer, blutigen Kampf und das Ende der religiösen Autonomie Israels provoziert. Dies macht die von Kaiphas überlieferte Abwägung im Sanhedrin plausibel (Joh 18,14):
:''Es ist besser, dass ein Mensch statt des Volkes stirbt.''
Da Jesus dessen Sympathien besaß, wurde er „mit List“ (Mk 14,1), nämlich nachts (Mk 14,17.49) festgenommen.
Eventuell versuchten einige Jünger, Jesus mit Gewalt zu verteidigen. Nach allen Evangelien wies er dies jedoch zurück, da er seinen Tod als Gottes vorherbestimmten Willen annahm. Laut Mk 14,48f sagte er zu den Soldaten:
:''Ihr seid vorgegangen wie gegen einen Mörder...dabei war ich jeden Tag im Tempel, wo ihr mich festnehmen konntet. Aber so soll die Schrift erfüllt werden!''
Daraufhin seien seine Anhänger geflohen (Mk 14,50).


Die Römer verhörten und kreuzigten Jesus wenige Tage später als mutmaßlichen „König der Juden“. Sein als Messiasankunft bejubelter Einzug kann der Anlass dafür gewesen sein.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', S. 342 f.</ref> Römer fürchteten eine Volksmenge (Mk 5,21) als „gefährliche und unberechenbare soziale Gruppe“, als „Mob“.<ref>James H. Charlesworth: ''The Historical Jesus. An Essential Guide.'' Nashville 2008, S. 106 f.</ref> Jedoch können Urchristen die Szene übertreibend als „Gegenbild zum Einzug des Präfekten in die Stadt zu den drei großen Festen“ dargestellt haben.<ref>Gerd Theißen: ''Jesus als historische Gestalt. Beiträge zur Jesusforschung.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, S. 130</ref> Eventuell fügten sie den Eselsritt hinzu, da eine solch eindeutige Messiasdemonstration die Römer sofort zur Festnahme Jesu veranlasst hätte.<ref>John Dominic Crossan: ''Jesus'', München 1996, S. 170</ref>
Falls Jesus als Zelotenführer inhaftiert wurde, drohte auch ihnen Festnahme und Hinrichtung. Die Römer nannten Zeloten „Mörder“, um deren Widerstand zu kriminalisieren und ihre Unterdrückung zu legalisieren. Der Sanhedrin wollte ihn offenbar als Verbrecher durch die Römer hinrichten lassen. Andererseits lag den Tempelpriestern gerade wegen begrenzter eigener Strafjustiz an einem legalen Verfahren, das ihre Autorität gegenüber Juden bewies (Apg 7,57). Daher gehen auch nichtchristliche Historiker und Juristen wie [[Haim Cohn]] oder [[Weddig Fricke]] davon aus, dass sie Jesus ohne Verhör und für sie gültigen Rechtsgrund kaum ausgeliefert hätten.


=== Der Prozess vor dem Hohen Rat ===
=== Kritik am Tempelkult ===
[[Datei:Giotto - Scrovegni - -27- - Expulsion of the Money-changers from the Temple.jpg|mini|Giotto di Bondone: ''Jesus vertreibt die Händler aus dem Tempel'']]
Im [[Sanhedrin]], dem obersten Religionsgericht Israels mit Sitz in Jerusalem, waren die Führungsgruppen des damaligen Judentums vertreten: [[Pharisäer]], Schriftlehrer ([[Rabbiner]]) und [[Sadduzäer]]. Ihre Aufzählung ist Merkmal der [[Markusevangelium|markinischen]] Redaktion. Die sadduzäischen Tempelpriester stellten nach jüdischem Gesetz die Mehrheit und waren nicht abwählbar. Der [[Hoherpriester|Hohepriester]] war Hauptankläger und Richter zugleich. Durch römischen Einfluss hatte [[Kaiphas]] dieses Amt damals inne.


Nach Mk 11,15 ff. vertrieb Jesus am Tag nach seinem Einzug einige Händler und Geldwechsler aus dem Tempelvorhof für Israeliten, [[Konversion (Religion)|Proselyten]] und Nichtjuden. Die in der Säulenhalle auf der Tempelsüdseite tätigen Händler verkauften kultisch zulässiges Opfermaterial (Tauben, Öl und Mehl) an Wallfahrer und nahmen die von allen Juden jährlich entrichtete [[Tempelsteuer]] für kollektive Tieropfer ein. Jesus habe ihre Stände umgestoßen und verhindert, dass Gegenstände durch diesen Bereich getragen wurden. Er störte demnach das ordnungsgemäße Darbringen gekaufter Opfer und Überbringen eingenommener Geldmittel und griff damit demonstrativ den Tempelkult an.<ref>Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 209–215.</ref>
====Anklage und Verhör====
Der Sanhedrin vernahm zuerst Zeugen, die behaupteten, Jesus habe Unmögliches, nämlich den Abriss und Neubau des Tempels innerhalb von drei Tagen geweissagt (Mk 14,58). Die Anklage gegen ihn lautete also auf [[Prophetie|Falschprophetie]], laut Dtn 13,2–6; 18,20 eines der religiösen Kapitalvergehen.


Ob die Aktion historisch ist und falls ja, ob sie den jüdischen Tempelkult als Institution oder nur bestimmte Missstände angreifen sollte, wird diskutiert. Meist wird eine nur von wenigen beobachtete Szene angenommen, keine dramatische Szene wie in Joh 2,13–22, da sonst die jüdische Tempelgarde oder sogar römische Soldaten aus der angrenzenden [[Burg Antonia]] eingeschritten wären. Da Jesus weiter im Tempelbezirk mit Jerusalemer Toralehrern diskutierte (Mk 11,27; 12,35), sollte seine Aktion offenbar solche Debatten anstoßen. Der Zulauf dazu macht plausibel, dass die Tempelpriester nun, wenige Tage vor dem Pessach, heimlich Jesu nichtöffentliche Festnahme geplant haben sollen (V. 18).<ref>Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 217 f.</ref>
Für Markus waren die Zeugen Lügner, die sich widersprachen und so kein legales Todesurteil hergaben (Mk 14,56; Dtn 19,15ff). Doch ihre Aussage traf im Kern zu: Denn Jesus hatte bei seiner Vertreibung der Opferhändler den Abriss des alten Tempels gefordert und seinen Neubau angekündigt (Joh 2,19). Eine solche Kultreform aber stand nach jüdischer Tradition (2. Sam 7,13) nur dem Nachkommen Davids, also dem [[Maschiach|Messias]] zu ([[Otto Betz]]). Das erklärt die Frage des Kaiphas an Jesus (Mk 14,61):
:''Bist Du der Messias, der [[Sohn Gottes|Sohn des Hochgelobten?]]''
Früher sahen NT-Forscher diese Frageform meist als christliche Deutung an. Zwar vermieden hellenistisch gebildete Juden den Gottesnamen ([[Rudolf Pesch]]), nannten den Messias aber sonst kaum exklusiv „Sohn Gottes“. Doch Schriften aus [[Qumran]] haben bestätigt, dass dies zur Zeit Jesu möglich war.


Jesus begründete die Vertreibung der Opferhändler nach {{B|Mk|11|17}} mit einem Hinweis auf die Verheißung Jes 56,7: {{"|Heißt es nicht in der Schrift: Mein Haus soll ein Haus des Gebetes für alle Völker sein?}} Demnach wollte er nicht den Tempelgottesdienst beenden, sondern auch Nichtjuden freien Zugang dazu eröffnen, den künftig alle Völker haben sollten. Diese eschatologische „[[Tempelreinigung]]“ griff das prophetische Motiv der künftigen „Völkerwallfahrt zum [[Zion]]“ auf, an das auch andere Jesusworte (Mt 8,11 f.; Lk 13,28 f.) erinnern, und kann als Aufruf zu einer entsprechenden Kultreform gedeutet werden.<ref>Joachim Jeremias: ''Jesu Verheißung für die Völker.'' Stuttgart 1956, S. 55 f.; Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 217 f. und 228 f.</ref>
==== Das Menschensohnbekenntnis ====
Jesus antwortete laut Mk 14,62:
:''Ich bin es...''
Dies war in Israels Prophetie, besonders den Gottesreden bei [[Deuterojesaja]] (u. a. Jes 42,9; 43,10; 44,24ff) eine Selbstvorstellung [[JHWH]]s, die seiner Namensoffenbarung folgte (Ex 3,14: ''Ich bin der ich bin!''). Daran knüpfen die „Ich-bin“-Reden des [[Johannesevangelium]]s an (Joh 8,24; 13,19).


In Spannung dazu steht der Folgevers: ''Ihr aber habt daraus eine Räuberhöhle gemacht.'' Der Ausdruck spielt auf Jer 7,1–15 an, wo der Gerichtsprophet [[Jeremia]] um 590 v. Chr. die Zerstörung des ersten Tempels ankündigt und mit fortgesetzten Rechtsbrüchen der Jerusalemer Priester begründet. Sie hätten den Tempel wie Räuber als Versteck missbraucht, indem sie sich auf Gottes vermeintlich sichere Präsenz beriefen, aber den Armen gerechtes Verhalten verweigerten. Die Echtheit dieses Jesusworts ist umstritten. „Räuber“ nannten Römer damals zelotische Rebellen, die sich gern in Höhlen versteckten; die Sadduzäer dagegen waren ihnen treu ergeben. Im Verlauf des jüdischen Aufstands (66-70) verschanzten sich Zeloten zeitweise im Tempel; der Ausdruck kann daher die Rückschau der Urchristen spiegeln.
In den [[Synoptische Evangelien|synoptischen Evangelien]] bekennt Jesus sich nur dieses eine Mal als „Messias“. Keiner seiner Anhänger war beim Verhör anwesend. Daher gilt dieser Vers in der NT-Forschung meist als nachösterliche Christusverkündigung, nicht als historischer Beleg für Jesu expliziten Messiasanspruch.


Laut Joh 2,13 forderte Jesus bei seiner Aktion den Abriss des Tempels. Daher wird vermutet, dass er in diesem Kontext Zerstörung (Mk 13,2) und Neubau (Mk 14,58) des Tempels ankündigte. Nach [[Jens Schröter (Theologe)|Jens Schröter]] beabsichtigte Jesus keinen realen Tempelneubau, sondern stellte wie mit seiner „Kritik an den Reinheitsgeboten die an den vorhandenen Institutionen orientierte Verfassung Israels in Frage“, um die Juden wie Johannes der Täufer auf die unmittelbare Begegnung mit Gott vorzubereiten.<ref>Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret.'' Leipzig 2006, S. 278–280 und 282 f.</ref> Nach [[Peter Stuhlmacher]] erhob er damit einen impliziten Messiasanspruch, weil die [[Natan (Prophet)|Nathanweissagung]] 2 Sam 7,1–16 dem Davidnachfolger für den Tempelbau ewige Herrschaft und vor allem die Gottessohnschaft zusagte und apokryphe jüdische Texte (PsSal 17,30; 4Q flor 1,1–11) mit Bezug darauf vom künftigen Messias eine Reinigung und den Neubau des Tempels erwarteten.<ref>Peter Stuhlmacher: ''Charakteristische Formen der Verkündigung Jesu.'' In: ''Biblische Theologie des Neuen Testaments Band 1: Grundlegung: Von Jesus zu Paulus.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992, ISBN 3-525-53595-3, S. 84.</ref>
Einen impliziten Messiasanspruch Jesu halten aber viele NT-Forscher für wahrscheinlich. Dafür sprechen
*seine besondere, von der bisherigen Prophetie verschiedene Verkündigung: Auf die Messiasfrage des Täufers (Mt 11,2–6; Lk 7,18–23) verwies Jesus auf sein Handeln, in dem das verheißene Reich Gottes schon anbrach;
*der „[[Menschensohn]]“-Titel, der schon in der [[Logienquelle]] nur in Jesu Selbstaussagen auftritt und im ältesten Evangelium seine „Vollmacht“ zum Dämonen austreiben, Heilen, Sündenvergeben und Bruch des Sabbatgebots begründet (Mk 2,10.28);
*seine indirekte Bejahung der Anrede „Sohn Davids“, einer bei armen Juden verbreitete Umschreibung des Messias (Mk 10,47ff);
*die persönliche Gottesanrede „Abba“ (Papa, lieber Vater);
*der endgültige Entscheidungscharakter seiner Gleichnisse, Streitgespräche und Gebotsauslegungen;
*die endzeitlichen Heilszusagen der [[Bergpredigt]];
*Zeichenhandlungen wie der Eselsritt beim Einzug in Jerusalem und die Tempelreinigung, die nur dem Messias zustanden (Sach 9,6; 14,21);
*und nicht zuletzt die Selbsthingabe seines Lebens, da Jesus die drohende Konsequenz seines Handelns bewusst war (Mk 10,45): nicht nur – wie andere Befreiungskämpfer oder [[Märtyrer]] – für seine Jünger und sein Volk, sondern darüber hinaus für alle Menschen (Mk 14,24).


Für Jostein Ådna provozierte Jesus zudem die Ablehnung seines mit Tempelaktion und Tempelwort verbundenen Umkehrrufs und lieferte sich so selbst an seine Hinrichtung aus. Denn er habe geglaubt, Gottes Heilshandeln könne sich bei ausbleibender Umkehr seiner Adressaten nur durch „seinen [[Sühne#Christentum|Sühnetod]] als endzeitlichem Ersatz für den Sühnopferkult des Tempels“ durchsetzen.<ref>Jostein Ådna: ''Jesu Stellung zum Tempel'', Tübingen 2000, S. 425–430 und 440.</ref>
Diese Motive zeigen jedoch auch deutliche Distanz zur tradierten Messiaserwartung. Als Petrus erstmals bekennt: ''Du bist der Christus!'', folgt Jesu Hinweis auf das bevorstehende Leiden des Menschensohns und die notwendige Kreuzesnachfolge (Mk 8,27–37). Auch im Verhör vor Kaiphas ergänzt er sein Messiasbekenntnis:
:''...und ihr werdet sehen den [[Menschensohn]] sitzend zur Rechten der Kraft und mit den Himmelswolken kommen.''
Das zitierte aus der dem Seher [[Buch Daniel|Daniel]] zugeschriebenen [[Vision]] vom [[Endgericht]] Gottes (Dan 7,13f):
:''Siehe, es kam einer mit den Himmelswolken, der sah aus wie eines Menschen Sohn...''
Diese Verheißung folgt dort dem Ende, das Gott allen Gewaltimperien setzt. Danach werde er all seine Macht dem „Menschenähnlichen“ übergeben, so dass ihm alle Menschen dienen würden.


=== Festnahme ===
Ein Messiasanspruch an sich war für die Sadduzäer noch keine [[Todsünde]]: Da Israels Gott die Geschichte lenkt, wurde sein Messias durch seinen historischen Erfolg ausgewiesen. Man konnte ihn festsetzen und abwarten (Dtn 18,22). Andere jüdische Messiasanwärter wie [[Simon Bar Kochba]] wurden im [[Judentum]] trotz späterer Niederlagen hoch verehrt. Doch Jesus identifizierte hier den Messias – ''sich'' – mit dem „Menschensohn“. Damit bezog er dessen zukünftiges Handeln auf sein eigenes Vorhaben, den Abriss und Neubau des Tempels. Er wollte den Opferkult abschaffen, Ausländern Zugang zum Gott Israels gewähren und auch ihnen so die Hoffnung auf ein Ende aller Gewaltherrschaft nahe bringen. Einen solchen Anspruch hat im Judentum sonst niemand erhoben.
[[Datei:Giotto - Scrovegni - -31- - Kiss of Judas.jpg|mini|Giotto di Bondone: ''Judaskuss und Gefangennahme Christi'']]
Der Tempelaktion folgen verschiedene Lehrreden und Streitgespräche Jesu mit Jerusalemer Priestern und Toralehrern, die die Vollmacht seines Handelns bestreiten (Mk 11,28) und dabei ihren Tötungsplan verfolgen (Mk 11,18; 12,12). Angesichts der Sympathien vieler Festbesucher für Jesus hätten sie seine heimliche Festnahme „mit List“ verabredet (14,1). Dabei habe ihnen Judas Iskariot unverhofft Hilfe angeboten (14,11). Die Festnahme sei nachts nach dem [[Abendmahl Jesu|letzten Mahl]] Jesu mit seinen erstberufenen Jüngern (14,17–26) im Garten [[Getsemani]], einer Lagerstätte für Pessachpilger am Fuß des [[Ölberg (Jerusalem)|Ölbergs]], erfolgt. Dorthin habe Judas eine mit „Schwertern und Stangen“ bewaffnete „große Schar“ geführt, darunter einen Diener des Hohenpriesters. Auf ein verabredetes Zeichen hin, den [[Kuss#Judaskuss oder Todeskuss|Judaskuss]], hätten sie Jesus festgenommen. Dabei hätten einige Jünger ihn gewaltsam zu verteidigen versucht. Dies habe er zurückgewiesen, indem er seine Festnahme als vorherbestimmten Willen Gottes angenommen habe. Daraufhin seien alle Jünger geflohen (14,32.43–51).


Diese Darstellung legt nahe, dass der Hohepriester Jesus durch die jüdische Tempelwache, die zum Waffentragen berechtigt war, festnehmen ließ, da der vorige öffentliche Tempelkonflikt die Machtposition des [[Synhedrion|Sanhedrin]] (des Hohen Rats) als zentrale Institution des Judentums gefährden konnte.<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' S. 163; Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 408 ff.</ref> Der Hohepriester wurde damals von den Römern ein- und abgesetzt und konnte nur im Rahmen römischen Besatzungsrechts handeln. Der von ihm geführte Sanhedrin war verpflichtet, potentielle Unruhestifter festzusetzen und auszuliefern. Sonst hätten die Römer ihm die restliche Selbständigkeit nehmen können, wie es bei der Zerstörung des Tempels später geschah.<ref>Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret.'' Leipzig 2006, S. 276–285.</ref> Daher wird Jesu Festnahme als vorbeugende Maßnahme gedeutet, um das jüdische Volk vor den Folgen eines Aufruhrs zu schützen und den Tempelkult nach gültigen Torageboten zu bewahren.<ref>Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 412, Fn. 199.</ref> Dem entspricht das realpolitische Kalkül, mit dem der Hohepriester den Sanhedrin laut {{B|Joh|11|50}} und {{BB|Joh|18|14}} überzeugt haben soll, Jesus festzunehmen und hinrichten zu lassen: {{"|Es ist besser, dass ein einziger Mensch für das Volk stirbt.}}<ref>Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 381.</ref> Dass der Sanhedrin schon vor Jesu Festnahme geplant haben soll, ihn zur Hinrichtung an Pilatus auszuliefern, gilt jedoch als tendenziöse Redaktion.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' Stuttgart 2010, S. 382 und Fn. 906; Ekkehard W. Stegemann: ''Wie im Angesicht des Judentums historisch vom Tod Jesu sprechen?'' In: Helmut Hoping et al.: ''Wie heute vom Tod Jesu sprechen? Neutestamentliche, systematisch-theologische und liturgiewissenschaftliche Perspektiven.'' Katholische Akademie, Freiburg 2002, ISBN 3-928698-20-6, S. 39 f.</ref> Denn die Tempelaktion betraf die Römer nicht und griff ihr Besatzungsstatut nicht an, solange sie keine Unruhen auslöste, gefährdete aber die Autorität und relative Autonomie der Hohenpriester in Kultfragen.<ref>Marlis Gielen: ''Die Passionserzählung in den vier Evangelien. Literarische Gestaltung – theologische Schwerpunkte.'' Kohlhammer, Stuttgart 2008, S. 32 ([https://books.google.de/books?id=uD94DwAAQBAJ&pg=PA32 Digitalisat]).</ref>
==== [[Blasphemie|Gotteslästerung]]? ====
Kaiphas hörte aus Jesu Antwort eine „Gotteslästerung“ heraus (Mk 14,64). Ein direktes Verfluchen des [[JHWH|Gottesnamens]] kann nicht gemeint sein, weil gerade der historische Jesus das 1. Gebot achtete und den Gottesnamen – ebenso wie sein Ankläger – auszusprechen vermied (vgl. Mt 5,33ff).


Nach Joh 18,3.12 soll eine Soldatentruppe (griech. ''speira'') unter einem Offizier (griech. ''chiliarchos'') zusammen mit Dienern des Sanhedrin Jesus mit Waffengewalt festgenommen haben. Der Ausdruck ''speira'' verweist auf eine römische [[Kohorte]]. Sie umfasste nach zeitgenössischen Quellen zwischen 600 und 1000 Soldaten.<ref>Martin Hengel, Claus-Jürgen Thornton: ''Kleine Schriften: Jesus und die Evangelien.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149327-0, [http://books.google.de/books?id=hu40skHXkEYC&pg=PA117 S. 117.]</ref> Eine Kohorte war ständig in der Burg Antonia oberhalb des Tempelbezirks stationiert, um Aufstände an [[Liste jüdischer Feste|hohen jüdischen Festen]] zu verhindern. Sie wurde zum Pessachfest um weitere Truppen aus Cäsarea verstärkt.<ref>Martin Hengel, Anna Maria Schwemer: ''Jesus und das Judentum.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149359-1, [http://books.google.de/books?id=TV7wBUEQoAUC&pg=PA602 S. 602.]</ref>
Doch indem Jesus die Messiasfrage bejahte und mit der Menschensohn-Ankündigung ergänzte, schien er sich mit einem göttlichen Wesen gleich zu stellen. Das war für Juden die Ursünde: ''Ihr werdet sein wie Gott...'', sprach die Schlange im [[Garten Eden|Paradies]] (Gen 3,5). Die umständliche Satzkonstruktion verrät aber, dass der Versteil ''sitzend zur Rechten der Kraft und...'' später eingefügt wurde. Denn die [[Evangelium|Evangelien]]-Redaktion setzte Jesu [[Auferstehung]] voraus und verkündete auch hier den schon inthronisierten [[Christus]] (Apg 2,34).


Der jüdische Historiker [[Paul Winter (Historiker)|Paul Winter]] nahm daher an, Jesus sei auf Befehl des Pilatus, nicht des Hohenpriesters, durch römische Soldaten, nicht jüdische Tempelwächter festgenommen worden. Die Besatzer hätten mögliche politisch-revolutionäre Tendenzen unterdrücken wollen, die sie unter Jesu Nachfolgern vermuteten und als Wirkung seines Auftretens befürchteten.<ref>Paul Winter: ''On the Trial of Jesus.'' 2. Auflage 1974, S. 60–69; Hartwig Thyen: ''Studien zum Corpus Iohanneum.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2007, [http://books.google.de/books?id=VdfhjHXNp9wC&pg=PA327 S. 327.]</ref> Auch Wolfgang Stegemann hält eine römische Beteiligung an Jesu Festnahme für denkbar, da die Römer rebellische Tendenzen in Judäa damals oft im Keim erstickten und Jesu Einzug und Tempelaktion solche Tendenzen für sie nahegelegt habe.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' 2010, S. 376–379.</ref> [[Klaus Wengst]] hält die johanneische Festnahmeszene dagegen für insgesamt ahistorisch, da eine ganze Kohorte kaum zur Festnahme eines Einzelnen aufmarschiert wäre, ihn nicht einer jüdischen Behörde übergeben hätte und niemanden, der sich wehrte, hätte entkommen lassen.<ref>Klaus Wengst: ''Das Johannesevangelium, 2. Teilband: Kapitel 11–21.'' Kohlhammer, Stuttgart 2007, [https://books.google.de/books?id=TH772LZkCtcC&lpg=PP1&dq=Das%20Johannesevangelium%2C%202.%20Teilband%3A%20Kapitel%2011%E2%80%9321&hl=de&pg=PA215#v=onepage&q=Das%20Johannesevangelium,%202.%20Teilband:%20Kapitel%2011%E2%80%9321&f=false S. 215 f.] und [http://books.google.de/books?id=TH772LZkCtcC&pg=PA220 S. 220, Fn. 38].</ref> Die Szene soll die Souveränität des Gottessohns über die übermächtige Gewaltherrschaft der gottfeindlichen Mächte ausdrücken.<ref>Hartwig Thyen: ''Das Johannesevangelium.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148485-1, S. 708.</ref>
Jesus selbst kündete sonst immer den ''kommenden'' Menschensohn in der 3. Person an. Damit erinnerte er Israels Führer an Daniels Vision, um ihnen eine Zukunft jenseits des Tempelkults zu geben, dessen Untergang er ja vorausgesagt hatte. Obwohl seine Aussage drohend klingt – ''ihr werdet sehen!'' –, ist sie eine Heilszusage.


Für eine zeitnahe Abfassung des Markusberichts spricht, dass er die Namen der sich widersetzenden Jünger anders als sonst nicht nennt. Diese Personen waren Jerusalemer Urchristen eventuell ohnehin bekannt und blieben hier anonym, um sie vor römischen oder jüdischen Verfolgern zu schützen.<ref>Gerd Theißen: ''Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien. Ein Beitrag zur Geschichte der synoptischen Tradition.'' 2. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992, ISBN 3-525-53522-8, S. 177–211</ref> Zur vermuteten römischen Initiative passt Jesu Aussage, man sei gegen ihn wie gegen einen „Räuber“ (Zeloten) vorgegangen, obwohl er tagsüber greifbar gewesen sei. Doch nahm die bewaffnete Schar nur ihn fest und verfolgte seine fliehenden Begleiter nicht; Pilatus ging laut NT auch später nicht gegen die Urchristen vor. Dies deutet eher auf einen religiösen als politischen Festnahmegrund hin.<ref>Kurt Müller: ''Möglichkeit und Vollzug jüdischer Kapitalgerichtsbarkeit im Prozess gegen Jesus von Nazareth.'' In: Karl Kertelge: ''Der Prozess gegen Jesus.'' Freiburg 1988, S. 41–83.</ref>
Wegen seiner [[Kreuzigung]] glaubten die Urchristen, Jesus sei als Gotteslästerer verurteilt worden. Denn diese Todesart galt wie Aufhängen im jüdischen Gesetz als gerechte und notwendige Strafe für einen Lästerer des Gottesnamens (Dtn 21,23). So wurde vom Tod auf das Todesurteil gefolgert. Doch Jesu Messiasanspruch war damals keine Gotteslästerung. Christen, die dies immer noch behaupten, behindern damit den notwendigen Dialog mit Juden.


==== Das Todesurteil ====
=== Vor dem Hohen Rat ===
[[Datei:Giotto di Bondone - No. 32 Scenes from the Life of Christ - 16. Christ before Caiaphas - WGA09217.jpg|mini|Giotto di Bondone: ''Christus vor dem Hohen Rat'']]
Jesu indirekter Anspruch auf die Menschensohnwürde veranlasste Kaiphas, ihn zu verurteilen. Denn er kündete Kaiphas mit Gottes [[Endgericht]] seine Entmachtung an. Obwohl völlig machtlos, stellte er sich damit über seinen Ankläger und Richter. Dies musste Israels Führer provozieren, der sein Amt durch die gesamte biblische Tradition legitimiert sah. Für die Sadduzäer war Daniels [[Apokalyptik]] eine Irrlehre: Die [[Tora]] legte den Hohenpriester als höchste irdische Rechtsinstanz fest (Dtn 17,8–13).
Nach Mk 14,53.55–65 brachte man Jesus dann ins Haus des nicht namentlich genannten Hohepriesters, wo sich Priester, Älteste, Toragelehrte – alle Fraktionen des Sanhedrin – versammelten. Jesus sei mit dem Ziel eines Todesurteils angeklagt worden. Die aufgebotenen Zeugen hätten ein Jesuswort zitiert: Er habe den Abriss und Neubau des Tempels innerhalb von drei Tagen geweissagt. Doch ihre Aussagen hätten nicht übereingestimmt, waren also rechtlich nicht verwertbar. Dann habe der Hohepriester Jesus aufgefordert, zur Anklage Stellung zu nehmen. Nach seinem Schweigen habe er ihn direkt gefragt: „Bist du der Messias, der Sohn des Hochgelobten?“ Darauf habe Jesus geantwortet {{Bibel|Mk|14|62}}:
{{Zitat|Ich bin es; und ihr werdet sehen den Menschensohn sitzend zur Rechten der Kraft und mit den Himmelswolken kommen.}}
Das habe der Hohepriester als [[Blasphemie|Gotteslästerung]] gedeutet und zum Zeichen dafür sein Amtskleid zerrissen. Darauf habe der Rat Jesus einstimmig zum Tod verurteilt. Einige hätten ihn geschlagen und verhöhnt.


Ob es so einen Prozess gab und falls ja, ob er legal war, ist stark umstritten. Fraglich ist schon, woher die geflohenen Jesusanhänger Details davon erfahren haben können: eventuell durch den „angesehenen Ratsherrn“ [[Josef von Arimathäa]], der Jesus bestattete (Mk 15,43–46). Doch während Mt wie Mk einen nächtlichen Prozess mit einem Todesurteil schildert, wird Jesus nach Lk 22,63–71 erst am Folgetag vom ganzen Rat nach seiner Messianität gefragt und ohne Todesurteil vor Pilatus angeklagt. Nach Joh 18,19 ff. wird er nur von [[Hannas]] verhört und dann ohne Ratsprozess und Todesurteil an dessen damals amtierenden Nachfolger [[Kajaphas]], von diesem an Pilatus übergeben.
Kaiphas nahm das Todesurteil vorweg, indem er sein Gewand zerriss: eine Trauergeste, wenn ein Jude Zeuge eines Kapitalvergehens wurde. Die Ratsmehrheit folgte ihm: Jesu Selbstaussage hatte für sie die Anklage auf Falschprophetie voll bestätigt. Basis des Urteils waren die strengen Toragebote zur Tötung von Falschpropheten, Volksverführern und Götzendienern (Dtn 13,6; 18,20), so auch später bei der Hinrichtung des [[Stephanus]] (Apg 7,56f).


Die Markusversion beschreibt mit Tötungsvorsatz, heimlicher Sitzung in der Pessachnacht, Falschzeugen, einstimmigem Todesurteil direkt nach dem Verhör und Misshandlung des Verurteilten einen illegalen Prozess. Spätere Vorschriften der [[Mischna]] verboten Kapitalprozesse in der Nacht, in Privathäusern, an Festtagen und zugehörigen Rüsttagen. Die Verhandlung musste mit Entlastungszeugen beginnen. Todesurteile durften frühestens einen Tag danach gefällt werden. Die jüngsten Ratsmitglieder sollten ihr Urteil zuerst und unbeeinflusst sprechen.<ref>''Traktat Sanhedrin'', in: Dietrich Correns (Hrsg.): ''Die Mischna: das grundlegende enzyklopädische Regelwerk rabbinischer Tradition.'' Marixverlag, Wiesbaden 2005, ISBN 3-86539-016-1, S. 505–527, besonders S. 515</ref> Für Jesu Zeit sind diese Regeln unbelegt. Josephus stellte eine milde, nach 70 durchgesetzte pharisäische einer früheren harten sadduzäischen Strafrechtspraxis gegenüber. Doch direkte Belege für letztere und für ein derartiges Eilverfahren, das Tötungsabsichten begünstigte, fehlen.<ref>Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 379</ref>
Der vornehme Pharisäer [[Joseph von Arimathia]] aber stimmte dem Urteil sicher nicht zu. Denn er bat Pilatus später, den toten Jesus ehrenhaft bestatten zu dürfen (Mk 15,43–46). Dabei sollten rechtmäßig verurteilte Falschpropheten ohne Grab verscharrt werden, damit nichts an sie erinnerte. Aber die Pharisäer glaubten wie Jesus an das [[Reich Gottes]]: Man war also im Sanhedrin uneinig, ob er als todeswürdig anzusehen sei oder nicht.


Damals durfte in Judäa nur Roms Statthalter Todesstrafen anordnen und vollstrecken lassen. Der Sanhedrin unterstand Roms Herrschaft, durfte sich nur mit Erlaubnis des Statthalters und nur zu besonderen Anlässen vollständig versammeln und musste ihn bei der Durchsetzung von Ruhe und Ordnung unterstützen. Die Römer setzten den Hohepriester ein und ab, verwahrten sein Amtskleid und stellten es ihm nur an Festtagen für Amtshandlungen zur Verfügung. Als der Hohepriester [[Ananus ben Ananus]] um 62, als das Statthalteramt vakant war, den Rat einberief und Jesu ältesten Bruder Jakobus steinigen ließ, setzten die Römer ihn deswegen ab.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 380f.; dort angegebener Primärbeleg: Flavius Josephus: ''Antiquitates'' 20,200–203</ref> Falls beschriftete Warntafeln im Tempel eine formelle Todesstrafe meinten, durfte der Rat nur nichtjüdische Eindringlinge in den inneren Tempelbereich selbst hinrichten.<ref>Peter Egger: ''„Crucifixus Sub Pontio Pilato“'', Münster 1997, S. 46–48</ref>
Die Evangelien folgen Markus und stellen das Vorgehen der Führer Israels als böswillig geplanten und herbeigeführten Justizmord dar (Mk 14,11.55; 15,10f). Wäre das Todesurteil einstimmig ergangen (Mk 14,64), dann wäre es nach dem Prozessrecht des [[Talmud]] unrechtmäßig gewesen. So drückt Markus die schuldhafte Mitverantwortung aller Führer Israels für Jesu Tod aus. Doch wenn dieser sich im Verhör als „Menschensohn“ vorstellte, dann war das Todesurteil nach jüdischem Recht damals zwangsläufig und gültig ([[August Strobel]]).


Wegen dieser außerchristlichen Belege halten viele Historiker einen regulären Prozess, zumindest ein Todesurteil des Sanhedrin für ahistorisch. Sie nehmen an, dass die Urchristen beides erfanden, um die Römer nach der Tempelzerstörung zu entlasten und die jüdische Führungselite zu belasten.<ref>Chaim Cohn: ''Der Prozeß und Tod Jesu aus jüdischer Sicht'', Frankfurt am Main 1997, S. 161; Wolfgang Stegemann: ''Gab es eine jüdische Beteiligung an der Kreuzigung Jesu?'' In: Kirche und Israel 13 / 1998, S. 3-24; James H. Charlesworth: ''The Historical Jesus. An Essential Guide'', Nashville 2008, S. 111 f.</ref> Denn ab etwa 65 waren die ''Christianoi'', die einen von Römern Gekreuzigten verehrten, als kriminelle Vereinigung im Römischen Reich bedroht. Die Tempelzerstörung im Jahr 70 verstärkte ihre Abgrenzung vom Judentum.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 374; Ekkehart W. Stegemann: ''Wie im Angesicht des Judentums historisch vom Tod Jesu sprechen? Vom Prozess Jesu zu den Passionserzählungen der Evangelien.'' In: G. Häfner, H. Schmid (Hrsg.): ''Wie heute vom Tod Jesu sprechen?'' Freiburg 2002, S. 46.</ref>
Da die Jünger alle geflohen waren – nur [[Simon Petrus|Petrus]] und einige Frauen harrten im Innenhof des schwer bewachten Kaiphas-Hauses aus (Mk 14,66–72) –, erfuhren sie vom Prozessverlauf wohl durch Joseph von Arimathia. Dessen Name war den Urchristen noch Jahrzehnte später bekannt. Doch ihr Prozessbericht will kein historisches Protokoll sein, sondern den erhöhten [[Christus]] verkündigen. Markus bezeugt: Erst als es für ihn um Leben und Tod ging, offenbarte der Menschensohn seine Identität. So gab Jesus sein Leben für uns, als Petrus ihn unten im Hof verleugnete. Darin zeigt sich: Das Bekenntnis zum „[[Sohn Gottes]]“ war für die Christen, an die sich dieses Evangelium wandte, schon zur Lebensgefahr geworden.


Andere nehmen ein Ausnahmeverfahren des Rates an,<ref>August Strobel: ''Die Stunde der Wahrheit'', Tübingen 1980, S. 46–61</ref> halten es aber auch dann für unwahrscheinlich, dass dieser Jesus als Lästerer des Gottesnamens oder Verführer des Volkes zum Abfall von JHWH (Dtn 13,6; Lk 23,2; Talmudtraktat ''Sanhedrin'' 43a) verurteilte: Denn Jesu [[Theozentrismus|theozentrische]] Botschaft vom Reich Gottes erfüllte das erste der [[Zehn Gebote]],<ref>Klaus Haacker: ''Was Jesus lehrte'', Neukirchen-Vluyn 2010, S. 44–69</ref> und er umschrieb den Gottesnamen ebenso wie der Hohepriester.<ref>Michael Theobald: ''Der Prozess Jesu: Geschichte und Theologie der Passionserzählungen.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2022, ISBN 978-3-16-161610-5, [https://www.google.de/books/edition/Der_Prozess_Jesu/GJh9EAAAQBAJ?hl=de&gbpv=1&pg=PA348 S. 348]</ref> Das von den Zeugen zitierte Jesuswort legt eine Anklage auf Falschprophetie (Dtn 18,20 ff.) nahe.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 403–406</ref> Sie werden Falschzeugen genannt, weil sie gegen den Sohn Gottes aussagten, nicht weil sie Jesus falsch zitierten. Sie können Jesus vorgeworfen haben, er habe Unmögliches geweissagt und einen Tempelabriss torawidrig als Gottes Willen ausgegeben. Man konnte jedoch abwarten, ob seine Ankündigung eintrat, bevor man ihn dafür verurteilte (Dtn 18,22). Falschpropheten sollten laut der Tora gesteinigt werden; nur Gotteslästerer und Götzendiener sollten nach der Mischna (Traktat Sanhedrin VI,4) erhängt werden.
=== Auslieferung ===
Die religiöse Autonomie des Sanhedrin war damals begrenzt: Er durfte kultische Todesurteile fällen, aber nicht vollstrecken (Joh 18,31). Das jüdische Gesetz schrieb ihm die [[Steinigung]] eines Falschpropheten oder Gotteslästerers vor (Dtn 13,11). Erst nachdem Pilatus abgesetzt war, konnte der Sanhedrin kultische Vergehen wieder in dieser Form ahnden. Dies vollzog er dann am tempelkritischen Urchristen [[Heiliger Stephanus|Stephanus]] (Apg 7,56).


Die Tempelpriester verfolgten Tempel- und Kultkritiker auch sonst, etwa Jeremia (Jer 26,1–19; um 590 v. Chr.) und den „[[Lehrer der Gerechtigkeit]]“ (um 250 v. Chr.). Ratsmitglieder steinigten den tempelkritischen Urchristen [[Stephanus]], nachdem er dem Rat [[Justizmord]] an Jesus vorgeworfen und diesen als inthronisierten Menschensohn verkündet hatte (Apg 7,55 f.; um 36). Als [[Jesus ben Ananias]] um 62 in Jerusalem die Zerstörung von Tempel und Stadt ankündigte, nahm der Rat ihn als Ruhestörer fest und überstellte ihn Roms Statthalter, der ihn nach einer [[Auspeitschung]] jedoch freiließ.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 405</ref>
Um Jesu rechtzeitige öffentliche Hinrichtung zu erreichen, formten die Ratsmitglieder das Todesurteil am folgenden Morgen in die Anklage eines politischen [[Messias]]anspruchs um (Mk 15,1). Entgegen der Tradition (Dtn 18,22) sahen sie sich offenbar zu schnellem Handeln veranlasst. Der [[Talmud]] verlangte später eine Frist von einem Tag zwischen Urteil und Vollstreckung; diese Regel wäre, falls es sie damals schon gab, im Falle Jesu missachtet worden. Bei akuter Gefährdung von Tempel und Stadt durfte eine Hinrichtung auch sofort geschehen. Dies spricht dafür, dass die Aufstandsgefahr beim [[Passahfest]] Jesu Auslieferung erzwang ([[August Strobel]]).


Falls es einen regulären Prozess des Rates gab, muss dieser kein Todesurteil angestrebt haben. Die Messiasfrage des Hohenpriesters nach dem Zeugenverhör wirkt plausibel, da für ihn gemäß der Nathanverheißung 2Sam 7,12–16 nur der künftige, als Gottes „Sohn“ angeredete Davidnachfolger den Tempel neu erbauen durfte.<ref>Otto Betz: ''Jesus, der Messias Israels: Aufsätze zur biblischen Theologie.'' Mohr Siebeck, Tübingen 1987, ISBN 978-3-16-145163-8, S. 140–168, hier S. 155f.</ref> Dieser Anspruch war für Juden nicht unbedingt blasphemisch, da andere [[Liste jüdischer Messias-Anwärter|Messiasanwärter]] geachtet wurden, so der wohl nach Num 24,17 „Sternensohn“ genannte [[Bar Kochba]] (um 132). Doch Jesu Eigenaussage in Mk 14,62 kann das Todesurteil ausgelöst haben. Sie erinnert die Ankläger an die Vision vom Menschensohn in Dan 7,13 f.: Dieser erscheint nicht als Davidnachfolger, sondern als von Gott bevollmächtigter Vertreter der Gottesherrschaft nach dem Endgericht über alle Weltmächte. So hätte Jesus gegenüber der national begrenzten Messiashoffnung an die Hoffnung auf ein Ende aller Gewaltherrschaft jenseits des Tempelkults erinnert (vgl. Mk 8,38 und Mk 13,24 ff.). Dies hätte für die Sadduzäer die Anklage auf Falschprophetie bestätigt, da sie Daniels Apokalyptik als [[Häresie|Irrlehre]] ablehnten.<ref>Bertold Klappert: ''Die Auferweckung des Gekreuzigten.'' § 7: ''Die Subjektsfrage im Kontext des Menschensohnproblems'', Neukirchener Verlag, 2. Auflage. Neukirchen-Vluyn 1974, S. 119–123.</ref> Manche verweisen auf den genauen Wortlaut der Antwort Jesu: „Sitzend zur Rechten Gottes“ zitiert Ps 110,1. Damit erscheint der Menschensohn als schon inthronisierter Endrichter. Dann hätte Jesus für den Hohepriester dessen Richteramt missachtet und sich selbst an Gottes Seite erhöht.<ref>August Strobel: ''Die Stunde der Wahrheit'', Tübingen 1980, S. 92 ff.; Otto Betz: ''Probleme des Prozesses Jesu'', Berlin 1982, S. 636 ff.; Darrell L. Bock: ''Blasphemy and Exaltation in Judaism: The Charge Against Jesus in Mark 14:53–65'', 1998/2000, S. 197–209</ref> Andere halten Partizip „sitzend…“ für redaktionell in den Satz eingefügt, da es den Glauben an Jesu Auferstehung und erwartete [[Parusie|Wiederkunft]] voraussetze.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 406</ref>
Hinzu kam, dass der Verurteilte vor Beginn des [[Sabbat]]s tot sein musste, um Israel nicht zu verunreinigen (Dtn 21,23). Darum nehmen vor allem christliche Historiker an, dass Jesus am 15. Nisan (= 7. April) des Jahres 30, dem Hauptfesttag des damaligen Passah, gekreuzigt wurde.


=== Vor Pilatus ===
=== Vor Pilatus ===
Nach Mk 15,1–15 lieferte der „ganze Hohe Rat“ Jesus am Folgetag nach einem Beschluss dazu gefesselt an Pilatus aus. Dieser habe ihn gemäß der Anklagen des Sanhedrin gefragt: „Bist du der König der Juden?“ Dann habe er der zusammengeströmten Volksmenge zur üblichen Pessachamnestie Jesu Freilassung angeboten. Doch die Tempelpriester hätten die Menge aufgewiegelt, stattdessen die Freigabe des [[Barabbas]], eines kürzlich inhaftierten Zeloten, zu fordern. Nach mehrfachen vergeblichen Rückfragen, was Jesus getan habe, habe Pilatus der Menge nachgegeben, Barabbas freigelassen und Jesus kreuzigen lassen.
[[Bild:Munkacsy - christ before pilate.jpg|thumb|200px|Mihály Mukácsy – „Christus vor Pilatus“, 1881]]
Die Hinrichtung Jesu durch den damaligen römischen Statthalter [[Judäa]]s, [[Pontius Pilatus]], gilt als gesichertes Faktum, da außerchristliche Historiker es übereinstimmend erwähnen. Umstritten sind jedoch die Gründe, die dahin führten.


Lk 23,6–12 ergänzt ein Verhör Jesu durch Herodes, der ihn auf sein Schweigen hin verhöhnt, an Pilatus zurückgibt und so dessen Freund wird. Die Szene gilt als redaktioneller Vorgriff auf Apg 4,25–28, wonach ein biblisch vorhergesagtes Bündnis von Heiden und Königen (Ps 2,1 f.) Jesus zu Tode brachte.<ref>Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 158 f.</ref> Lk 23,17 ff. erweitert die Anklage um Vorwürfe, die im Sanhedrinprozess fehlten: Volksverführung und Steuerboykott gegen den Kaiser Roms. Auch den Verlauf der Pessachamnestie variieren die Evangelien (Mt 27,17; Lk 23,16; Joh 18,38 f.). In allen Versionen betreiben die Tempelpriester und ihre Anhänger Jesu Hinrichtung, während Pilatus von seiner Unschuld ausgeht, ihn aber nicht freilässt, sondern ihr Urteil erfragt und ihrem Druck zuletzt nachgibt.
Nach Markus, dem die übrigen Evangelien darin folgten, war Pilatus nicht von Jesu Schuld überzeugt und bot dessen Anklägern seine Freilassung anstelle eines anderen, bereits verurteilten Zeloten – [[Barabbas]] – an. Doch eine Volksmenge habe ihn zur Hinrichtung Jesu gedrängt – ''Kreuzige ihn!'' –, so dass er ihnen zuletzt nachgab (Mk 15,2–15).


Eine damalige Pessachamnestie ist sonst nirgends überliefert. Die Römer gingen nach außerbiblischen Quellen von sich aus massiv gegen jede prophetisch inspirierte Volksansammlung im Raum Judäas vor.<ref>Peter Egger: ''„Crucifixus Sub Pontio Pilato“'', Münster 1997, S. 82–100.</ref> Jüdische Historiker stellen Pilatus als rücksichtslos, unnachgiebig, korrupt und grausam dar: Er habe die Juden durch Kaisersymbole im Tempelbezirk provoziert, Massaker befohlen (vgl. Lk 13,1) und ständig Juden ohne Gerichtsverfahren hinrichten lassen.<ref>Flavius Josephus: ''Antiquitates'' 18,3,1 f.; ''Bellum Judaicum'' 2,9,2 ff.; Philo von Alexandria: ''Legatio ad Gaium'' 38. Beispiele bei Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 163 f.</ref> Gemäß [[Römisches Straf- und Strafverfahrensrecht|römischen Verfahrensweisen]] in unterworfenen Provinzen konnte Pilatus Jesus nach einem Kurzverhör ohne förmliches Urteil ''(coercitio)'' hinrichten lassen: Der Verdacht aufrührerischen Verhaltens genügte.<ref>[[Christoph Paulus (Rechtswissenschaftler)|Christoph Paulus]]: [https://www.iiiglobal.org/sites/default/files/ProzessJesu-BJG.pdf ''Der Prozess Jesu – aus römisch-rechtlicher Perspektive.''] De Gruyter, Berlin/Boston 2016, ISBN 978-3-11-047938-6</ref>
Diese Darstellung gilt heute als unhistorisch. Denn gerade die Zustimmung, die Jesus nur Tage zuvor bei der Menge der Festpilger (Mk 11,9) und für seine Kritik am Tempelkult (Mk 11,18) fand, war der Grund seiner Festnahme und Auslieferung. Die [[Sadduzäer]] dagegen waren im Landvolk unbeliebt. Der enge Innenhof des Pilatuspalastes bot auch nur wenigen ihrer Anhänger Raum.


Jesus hatte laut Mk 11,9.18; 12,12; 14,2 die Sympathie der Festpilger, die das römische Besatzungsrecht ablehnten, und der enge Innenhof des Pilatuspalastes bot einem Volksauflauf kaum Raum. Daher gelten öffentliches Verhör, Volksbefragung, Amnestie und Unschuldserklärungen des Pilatus heute meist als ahistorisch und werden einer antijüdischen Redaktion des Passionsberichts zugewiesen.<ref>Paul Winter: ''On the Trial of Jesus.'' S. 51–61 und dort zitierte Literatur; Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', S. 369–375.</ref>
Zudem war Pilatus nach zuverlässigen römischen Quellen ein skrupelloser Machtpolitiker. Er ignorierte jüdische Traditionen und innerjüdische Konflikte und ließ Juden häufig ohne Rechtsverfahren hinrichten, bis man ihn deshalb absetzte. Daher ist unwahrscheinlich, dass er Jesus gegen [[Kaiphas]] in Schutz nahm.


Die Tacitusnotiz erwähnt einen [[Ius gladii|Hinrichtungsbefehl]] des Pilatus, ohne den unter ihm wohl niemand gekreuzigt wurde. Die Evangelien setzen den Befehl voraus, indem sie eine römische Urteilsanzeige, hier als [[INRI|Kreuzestafel]], zitieren: Pilatus habe Jesus als „König der Juden“ verurteilt (Mk 15,26 par). Dieser Urteilsgrund gilt meist als historisch, weil der Titel auf einen politisch gedeuteten Messiasanspruch verweist, mit dem Auslieferungsgrund (Mk 15,2 par) übereinstimmt und vor dem Hintergrund des römischen Rechts plausibel ist: Die Römer hatten jüdischen Vasallenherrschern das Tragen des Königstitels seit 4 v. Chr. verboten.<ref>[[Martin Karrer]]: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 161.</ref> Als „König“ (basileus) hatten sich auch jüdische Zelotenführer bezeichnet.<ref>[[Martin Hengel]]: ''Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. Chr.'' 2. verbesserte und erweiterte Auflage, Leiden 1976, S. 297–307.</ref> Dies galt nach [[Rechtswesen im antiken Rom|römischem Gesetz]] als [[Majestätsbeleidigung]] (''crimen laesae maiestatis (populi Romani)''), Anstiftung zum Aufstand ''(seditio)'' und staatsfeindlichen Aufruhr ''([[perduellio]])'', da nur der römische Kaiser Könige ein- oder absetzen durfte. Falls Jesu Verhör wie dargestellt verlief, musste Pilatus Jesu Antwort auf die Frage nach einer angemaßten Königswürde („Du sagst es“) und sein folgendes Schweigen als Geständnis werten, das sein Todesurteil erzwang.<ref>Klaus Haacker: ''Wer war Schuld am Tode Jesu?'' In: Klaus Haacker: ''Versöhnung mit Israel. Exegetische Beiträge.'' Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2002, ISBN 3-7887-1836-6, S. 33–48</ref>
Markus hat also den ihm vorliegenden Jerusalemer Passionsbericht mit deutlich antijüdischer Tendenz überarbeitet, den römischen Statthalter entlastet und die jüdischen Führer als Hauptschuldige dargestellt. Sein Motiv dürfte in der bedrohten Lage der christlichen Gemeinden im römischen Reich und in der verschärften Konkurrenz mit [[Synagoge]]n nach dem verlorenen [[Jüdischer Aufstand|jüdischen Befreiungskrieg]] (70 n. Chr.) zu suchen sein. Die endgültige Trennung vom Judentum stand bevor.


Mit Jesu Hinrichtung zwischen Zeloten wollte Pilatus wahrscheinlich ein Exempel gegen alle rebellischen Juden statuieren und ihre Messiashoffnung verhöhnen.<ref>[[Hyam Maccoby]]: ''Jesus und der jüdische Freiheitskampf.'' 2. verbesserte Auflage, Ahriman, Freiburg 2013, ISBN 978-3-89484-611-4, S. 111; Hans Conzelmann, [[Andreas Lindemann]]: ''Arbeitsbuch zum Neuen Testament.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2000, ISBN 3-8252-0052-3, S. 503</ref> Demgemäß deutet der redaktionelle Vers Joh 19,21 den Protest der Sadduzäer: Jesus habe bloß behauptet, der Messias zu sein.<ref>Manfred Lang: ''Johannes und die Synoptiker: Eine redaktionsgeschichtliche Analyse von Joh 18–20 vor dem markinischen und lukanischen Hintergrund.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 3-525-53866-9, [http://books.google.de/books?id=5zptUM5069AC&pg=PA216 S. 216.]</ref> Für die Urchristen bestätigte der Kreuzestitel deren Unrechtsurteil, da Jesus keinen bewaffneten Aufstand geplant habe (Lk 22,38), und Jesu verborgene wahre Identität als des ''[[Kyrios (Christentum)|Kyrios]] Christus'', des Herrschers aller Herren (Offb 19,16).
Nach dem Passionsbericht gab es eine Absprache zwischen Kaiphas und Pilatus: Sein Angebot, einen „Mörder“ ([[Zelot]]en) zum Tausch für Jesus freizulassen, sollte wohl das Volk beruhigen (Mk 15,6–15). Demnach war eine Hinrichtung ohnehin geplant. Auch Pilatus und [[Herodes_Antipas|Herodes]] sollen darüber Freunde geworden sein, dass sie den Todeskandidaten verhöhnten (Lk 23,11f). Obwohl beide keine Anhaltspunkte für einen geplanten Aufstand fanden, beseitigten sie den machtlosen Messias der Armen. Offenbar gefährdete Jesus die Zusammenarbeit der jüdischen Oberschicht mit den römischen Besatzern mehr als Zeloten wie Barabbas.


=== Kreuzigung ===
Nach allen Evangelien verurteilte Pilatus Jesus als „König der Juden“. Dies stand nach dem NT (Joh 19,19) in Lateinisch, Griechisch und Hebräisch auf der [[INRI|Kreuzestafel]], die wie bei Römern üblich den Grund des Todesurteils angab. Demnach hielt Pilatus Jesus für einen Zelotenanführer, der Israels Hoffnung auf Befreiung von der Fremdherrschaft bestärkte. Er wollte gegen alle rebellischen Juden ein Exempel statuieren. Denn ein Messiasanspruch war nach römischem Recht [[Hochverrat]] (''crimen maiestatis''), Anstiftung zum Aufstand (''seditio'') oder bereits selbst staatsfeindlicher Aufruhr (''perduellio''). Nur der römische Kaiser hatte das Recht, Könige ein- oder abzusetzen.
{{Hauptartikel|Passion Jesu}}
[[Datei:Hortus Deliciarum, Die Kreuzigung Jesu Christi.JPG|mini|''Die Kreuzigung Jesu Christi'', Illustration aus dem ''[[Hortus Deliciarum]]'' der [[Herrad von Landsberg]] (12. Jahrhundert)]]


Die [[Kreuzigung]] war im [[Römische Kaiserzeit|römischen Kaiserreich]] die grausamste Hinrichtungsmethode, die meist gegen Aufständische, entlaufene [[Sklaverei im Römischen Reich|Sklaven]] und Einwohner ohne [[römisches Bürgerrecht]] angewandt wurde. Sie sollte Augenzeugen demütigen und von der Teilnahme an Aufruhr abschrecken. Juden galt sie als Verfluchtsein durch Gott (Dtn 21,23; Gal 3,13). Der Todeskampf konnte je nach Ausführung tagelang dauern, bis der Gekreuzigte verdurstete, am eigenen Körpergewicht erstickte oder an Kreislaufversagen starb.<ref>Raymond Schmittlein: ''Umstände und Ursache von Jesu Tod.'' Mainz 1951; {{Webarchiv | url=http://www.slublog.com/deathjesus.pdf | wayback=20120523135753 | text=William D. Edwards u. a. ''On the Physical Death of Jesus Christ'', JAMA, 21. März 1986, Vol 255, No. 11}}; Lee Strobel: ''Der Fall Jesus'', 1997, S. 217–227.</ref> Der markinische Passionsbericht nennt jedoch keine Details zum physischen Vorgang, sondern nur zum Verhalten von ausführenden Tätern und Zeugen, zu letzten Worten Jesu und Zeitdauer seines Sterbens.
Den entscheidenden Grund für den Hinrichtungsbefehl des römischen Statthalters sehen einige NT-Historiker jedoch in Jesu eigenem Verhalten: Seine Antwort auf die Frage nach einer angemaßten Königswürde (''Du sagst es,'' Mk 15,2) und sein folgendes Schweigen (Mk 15,5) musste Pilatus nach geltendem römischem Gesetz als Geständnis werten, das ihn zum Todesurteil zwang ([[Klaus Haacker]]).
Für die Urchristen war dies jedoch ein Unrechtsurteil, da Jesus keinen bewaffneten Aufstand plante (Lk 22,38). Für sie stellte der Kreuzestitel kein angebliches Verbrechen fest, sondern bestätigte Jesu Königswürde als des [[JHWH|Kyrios Christus]], Herrscher aller Herren (Off 19,16). Laut Joh 19,21 protestierten die Sadduzäer erfolglos gegen die Inschrift: Jesus habe bloß behauptet, der Messias zu sein. Dies soll auf ihre Schuld hinweisen, deutet aber zugleich darauf hin, dass Jesus tatsächlich einen Messiasanspruch erhob.


Laut Mk 15,15–20 entkleideten die römischen Soldaten Jesus, zogen ihm ein Purpurgewand an, setzten ihm eine [[Dornenkrone]] auf und verspotteten ihn gemäß dem Pilatusurteil als „König der Juden“, um so die messianische Hoffnung der Juden zu verhöhnen.<ref>Wolfgang Wiefel: ''Das Evangelium nach Matthäus.'' S. 475.</ref> Darauf hätten sie ihn geschlagen und angespuckt. Eine [[Auspeitschung|Geißelung]] war integraler Bestandteil der römischen Kreuzigung und wurde oft so brutal durchgeführt, dass der Verurteilte bereits daran starb.<ref>Paul Winter: ''On the Trial of Jesus.'' S. 56, Anmerkung 21.</ref>
=== [[Kreuzigung]] und Grablegung ===
Mit der öffentlichen [[Geißelung]] und Verhöhnung begann die römische Hinrichtungsprozedur (Mk 15,15–19). Diese [[Folter]]ung war bei Römern, jedoch nicht bei Juden übliches Vorspiel einer Kreuzigung. Erst Markus übertrug diese Szene aus dem römischen in den jüdischen Prozess Jesu (Mk 14,65).


Laut Vers 21 musste Jesus dann selbst sein Kreuz zum Richtplatz vor die Stadtmauer tragen. Als der von den Schlägen Geschwächte zusammengebrochen sei, hätten die Soldaten den zufällig von der Feldarbeit kommenden Juden [[Simon von Cyrene]] genötigt, sein Kreuz zu tragen. Dass die Urchristen noch Jahrzehnte später seinen Namen und die seiner Söhne überlieferten, wird als Solidarität zwischen Urchristen und [[Jüdische Diaspora|Diasporajuden]] gedeutet.
Danach zwang man Jesus, sein Kreuz zum Richtplatz vor die Stadtmauer zu tragen. Als er unterwegs zusammenbrach, wurde ein jüdischer Landarbeiter genötigt, ihm die Last abzunehmen. Diese Willkür führte allen Juden am [[Pessach|Passahfest]], an dem sie der Befreiung aus [[Ägypten]] gedachten, ihre Ohnmacht gegenüber den Römern vor Augen. Die Notiz nennt den Kreuzträger „[[Simon]] von [[Kyrene]]“ aus der nordafrikanischen Exilsgemeinde Kyrenaika und seine Söhne beim Namen (Mk 15,21) und sagt damit aus: So wie Jesus für sein Volk litt und starb, so litten Juden mit ihm und für ihn, als seine Anhänger ihn schon verraten, verleugnet und allein gelassen hatten. Es gab demnach anfangs keine Feindschaft zwischen Christen und Juden, sondern ein gemeinsames Leiden, Erinnern, Hoffen: auch und gerade im [[Diaspora]]judentum, wo sich das Christentum zuerst ausbreitete.


Laut Vers 23 boten die Soldaten Jesus [[Myrrhe]] in Wein an, bevor sie ihn kreuzigten; diesen Trank habe er abgelehnt. Die Kreuzigung habe um die dritte Stunde (etwa 9 Uhr vormittags) begonnen (V. 25). Dann hätten sie um sein Gewand gelost. Laut Vers 27 wurde Jesus zusammen mit zwei „Räubern“ (Zeloten oder „Sozialbanditen“)<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' Stuttgart 2010, S. 248.</ref> auf dem Hügel [[Golgota]] („Schädelstätte“) vor der damaligen Jerusalemer Stadtmauer gekreuzigt, begleitet von Hohn und Spott der Anwesenden. Um die sechste Stunde habe eine dreistündige [[Finsternis bei der Kreuzigung Jesu|Finsternis]] eingesetzt (V. 33). Gegen deren Ende habe Jesus auf Aramäisch das Psalmzitat {{B|Ps|22|2}} gerufen: {{"|Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?}} (V. 34) Dann habe er aus jüdischer Hand einen mit Weinessig ([[Posca]]) getränkten Schwamm angenommen (V. 36) und sei unmittelbar darauf mit einem lauten Schrei gestorben (V. 37). Der Tod sei um die „neunte Stunde“ (etwa 15 Uhr nachmittags) erfolgt.
Jesus wurde zusammen mit anderen [[Zelot]]en auf dem Hügel [[Golgota]] (Schädelstätte) vor der damaligen Jerusalemer Stadtmauer gekreuzigt. Ein Trupp römischer Soldaten überwachte den Vorgang. Diese grausamste der damals bekannten Hinrichtungsmethoden war im [[römische Kaiserzeit|römischen Kaiserreich]] für Aufständische, entlaufene Sklaven und Einwohner ohne römisches Bürgerrecht (Peregrine) üblich. Sie sollte alle Augenzeugen demütigen und von der Teilnahme an Aufruhr abschrecken. Sie galt Juden als Gottesfluch für Gotteslästerer (Dtn 21,23; Gal 3,13), die so aus dem erwählten Volk ausgeschlossen wurden. Sie konnte je nach Ausführung tagelang dauern, bis der Gehängte verdurstete oder an seinem eigenen Körpergewicht erstickte.


Das Stundenschema, die Finsternis, Anspielungen auf Psalmen und Psalmzitate gelten als theologische Deutung, nicht als historische Details.<ref>Peter Dulschnigg: ''Das Markusevangelium. Theologischer Kommentar zum Neuen Testament, Band 2.'' Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 3-17-019770-3, [http://books.google.de/books?id=5m2fNzkyM_8C&pg=PA393&lpg=PA393 S. 393] ff.</ref> Sie stellen Jesus in die Reihe der zu Unrecht verfolgten, von der Gewalt aller Feinde umringten und an Gottes Gerechtigkeit appellierenden leidenden Juden.<ref>René Girard: ''Das Ende der Gewalt'', Freiburg 1983, S. 172–176 und 240 ff.</ref>
Der vormarkinische Passionsbericht nennt dazu jedoch keine Details, sondern stellt nur geradezu monoton den Ablauf dar: ''in der dritten, ... der sechsten, ... der neunten Stunde...''. Das betont in der Sprache der jüdischen [[Apokalyptik]] (Dan 7,12) Gottes vorherbestimmten Plan.


=== Grablegung ===
Die Aussagen des Gekreuzigten variieren im NT. Im ältesten Evangelium rief er kurz vor seinem Tod auf Aramäisch:
[[Datei:Giotto di Bondone - Entombment - WGA09347.jpg|mini|Giotto di Bondone: ''Grablegung Christi'' (um 1320)]]
:''Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?''
Dieses Psalmzitat (Ps 22,2) stellt ihn in die Reihe der zu Unrecht verurteilten Juden, die an Gottes Gerechtigkeit appellieren. In der späteren Kirchentheologie spielen die „[[Sieben Letzte Worte]]“ Jesu während seines [[Martyrium]]s eine wichtige Rolle.


Nach Mk 15,42–47 starb Jesus vor Anbruch der Nacht. Daher habe [[Josef von Arimathäa]] [[Pontius Pilatus|Pilatus]] gebeten, ihn vom Kreuz abnehmen und bestatten zu dürfen. Pilatus, erstaunt über Jesu rasches Sterben, habe sich seinen Tod beim römischen Aufseher der Hinrichtung bestätigen lassen und seinen Leichnam dann zur Bestattung freigegeben. Josef habe ihn noch am selben Abend nach jüdischem Brauch in ein Tuch gewickelt, in ein neues [[Felsengrab]] gelegt und dieses mit einem schweren Felsen verschlossen. [[Maria Magdalena]] und eine andere Maria, die mit anderen Frauen aus Galiläa Jesu Sterben begleiteten, hätten den Vorgang beobachtet.
Die Soldaten verabreichten Jesus den üblichen, mit [[Myrrhe]] versetzten Betäubungstrank zur Schmerzlinderung. Diesen soll Jesus jedoch abgelehnt haben, während er unmittelbar vor seinem Tod den Weinessig ([[Posca]]) von Juden annahm (Mk 15,23.36). Gemäß seinem Schwur beim Passahmahl – ''Amen ich sage Euch: Ich werde hinfort nicht mehr vom Gewächs des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, an dem ich neu trinke im [[Reich Gottes]]'' (Mk 14,25) – begann für die Christen damit die unsichtbare Entmachtung der Weltherrscher.


Römer ließen am Kreuz Getötete oft zur Abschreckung und Demütigung ihrer Angehörigen Tage und Wochen hängen, bis sie verwest, zerfallen oder von Vögeln gefressen worden waren. Für Juden verstieß dies gegen die Vorschrift von Dtn 21,22–23, wonach der „an ein Holz gehängte“ Hingerichtete noch am gleichen Tag begraben werden sollte. Nach Josephus (''Bellum Judaicum'' 4,317) durften von Römern gekreuzigte Juden nach jüdischer Sitte bestattet werden. Dies wird als Rücksicht der Römer auf Gefühle und Religion der Juden gedeutet; im Falle Jesu, um beim Pessachfest keine Unruhe auszulösen.<ref>Wolfgang Reinbold: ''Der Prozess Jesu'', Göttingen 2006, S. 98</ref>
Pilatus soll überrascht gewesen sein, dass Jesus relativ schnell, vor Ablauf eines Tages, verstarb. Er ließ seinen Tod nochmals amtlich feststellen, bevor er seinen Leichnam zur Bestattung freigab (Mk 15,44f). Römische Freigabe und jüdische Grablegung eines Gekreuzigten waren damals höchst unüblich. So betonen alle Evangelien die Aussage des urchristlichen [[Credo]]s: ''„gestorben und begraben.“'' Damit reagierten sie wohl schon auf eine [[Gnostizismus|gnostische]] Legendenbildung, die Jesu Tod bestritt und damit sein [[Ostern|österliches]] Erscheinen erklärte.


Die gesetzesgemäße Grablegung eines Verurteilten gehörte eventuell zur Aufgabe des Sanhedrin. Dann hätte Josef von Arimathäa in dessen Auftrag gehandelt. Dies stellt das einstimmige Todesurteil wegen Gotteslästerung in Frage.<ref>Paul Winter: ''On the Trial of Jesus'', Berlin 1974, S. 57, Fn. 24</ref> Dass der Markusbericht die amtliche Prüfung des Todes Jesu erwähnt, sollte diesen wohl gegen frühe Scheintodthesen bekräftigen.<ref>Peter Dschulnigg: ''Theologischer Kommentar zum Neuen Testament (ThKNT) Band 2: Das Markusevangelium.'' Kohlhammer, Stuttgart 2007, [https://books.google.de/books?id=5m2fNzkyM_8C&lpg=PP1&dq=%3A%20Das%20Markusevangelium&hl=de&pg=PA408#v=onepage&q=:%20Das%20Markusevangelium&f=false, S. 408.]</ref> Die Namen der Zeuginnen für Jesu Sterben und Grablegung waren offenbar in der Jerusalemer Urgemeinde bekannt. An sie wurde wohl erinnert, weil nur sie nach der Flucht der Jünger Jesu Grabstätte kannten. Sie sollen sie am übernächsten Morgen leer gefunden haben (Mk 16,1–8).<ref>Eduard Schweizer: ''Das Neue Testament Deutsch, Band 1: Das Evangelium nach Markus.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 978-3-525-51304-0, S. 198</ref>
Nach Markus wurde Jesu Leichnam noch am selben Abend von dem Pharisäer und Ratsmitglied [[Joseph von Arimathia]] nach jüdischer Sitte einbalsamiert und in ein neues Felsengrab gelegt (Mk 15,46). Nach Johannes soll ein anderer Pharisäer, [[Nikodemus]], 100 Pfund [[Myrrhe]] und [[Aloe]] ans Grab gebracht haben (Jh 19,39). Das Grab wurde mit einem schweren Stein verschlossen, wie es damals in Jerusalem für fromme Juden üblich war ([[Eduard Schweizer]]). Nur einige Frauen aus Galiläa, die Jesus bis zu seinem Tod begleitet hatten, wurden Zeugen dieses Vorgangs (Mk 15,47).


Der Ort des Jesusgrabes ist unbekannt. Das NT enthält keine Hinweise auf seine Verehrung.<ref>Wolfgang Reinbold: ''Der älteste Bericht über den Tod Jesu.'' De Gruyter, Berlin 1993, ISBN 3-11-014198-1, S. 280</ref> Manche Historiker vermuten es unter der heutigen [[Grabeskirche]], weil dort eine Grabverehrung aus dem 1. Jahrhundert archäologisch nachgewiesen ist.<ref>[[Othmar Keel]], [[Max Küchler]]: ''Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-50170-6, [http://books.google.de/books?id=lo4f3iCjizgC&pg=PA430 S. 430 und Fn. 229]</ref>
== Die [[Auferstehung]] ==
Das urchristliche [[Glaubensbekenntnis]] lautet (Apg 2,32):
:''Diesen Jesus hat Gott auferweckt!''
Dieser [[Glaube]] bezieht sich auf die historische Person Jesus von Nazaret, ist aber selbst nicht Teil ihrer Darstellung. Die dahinter stehende Erfahrung ist nicht historisch verifizierbar und nach menschlichem Ermessen unmöglich.


Die historische Forschung untersucht NT-Texte zu Ereignissen nach Jesu Grablegung nur im Rahmen der Geschichte des urchristlichen Auferstehungsglaubens.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 422–443; Jürgen Becker: ''Die Auferstehung Jesu Christi nach dem Neuen Testament: Ostererfahrung und Osterverständnis im Urchristentum.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149426-0</ref>
Für die Urchristen war sie jedoch der Kern und Ausgangspunkt ihrer [[Kerygma|Verkündigung]]: Gott habe dem angeblichen Gotteslästerer gegen seine Richter, aber für sein Volk endgültig Recht gegeben, sein endgültiges Gnadenurteil über alle Menschen gefällt, sie von der [[Sünde]] erlöst, die Welt mit sich [[Versöhnung|versöhnt]] und die endzeitliche Wende vom ewigen [[Tod]] zum [[Ewiges Leben|ewigen Leben]] eingeläutet. Der Auferstandene selbst habe ihnen seine [[Heiliger Geist|Geistesgegenwart]] für alle Zeit zugesagt.


{{Hauptartikel|Auferstehung Jesu Christi|Jesus Christus|Christologie}}
Der Artikel [[Jesus Christus im Neuen Testament]] stellt Inhalte und Entwicklung zentraler urchristlicher Glaubensaussagen dar. Er geht von den [[Ostern|Ostertexten]] aus und erfragt auch deren möglichen historischen Hintergrund. Nach den befristeten Jesus-Erscheinungen begann die Geschichte des [[Urchristentum]]s und der [[Kirchengeschichte|Kirche]]. Wie Jesus Christus dort gesehen wird, behandelt der Artikel [[Christologie]]. Biblische und außerbiblische Vorstellungen eines Lebens nach dem Tod und ihr Verhältnis zu naturwissenschaftlichen Theorien behandelt der Artikel [[Auferstehung]].

== Siehe auch ==
* [[Antijudaismus im Neuen Testament]]
* [[Spekulative Theorien über Jesus von Nazaret]]
* [[Portal:Bibel]]
* [[Turiner Grabtuch]]
* [[Jesus-Filme]]


== Literatur ==
== Literatur ==
'''Quellen'''
* [[Eberhard Nestle]], [[Barbara Aland]]: ''Novum Testamentum Graece.'' 28. Auflage, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2012, ISBN 3-438-05159-1


'''Historisches Umfeld'''
=== Quellen ===
* [[Werner Dahlheim]]: ''Die Welt zur Zeit Jesu.'' Beck, München 2013, ISBN 978-3-406-65176-2.
* [[Bibel]]-Urtexte:
* [[Hartmut Stegemann (Theologe)|Hartmut Stegemann]]: ''Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus.'' 10. Auflage, Herder, Freiburg 2007, ISBN 978-3-451-05881-3.
** Neues Testament: Nestle-Aland (Hrsg.): ''Novum Testamentum Graece.'' Mit Wörterbuch Griechisch-Deutsch. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2001 (27. Aufl.). ISBN 3438051079 ([http://bibledatabase.net/html/greek_na/ online])
* [[Amy-Jill Levine]], Dale C. Allison Jr., John Dominic Crossan: ''The Historical Jesus in Context.'' Princeton University Press, Princeton 2006, ISBN 0-691-00991-0.
** Altes Testament: ''Biblia Hebraica Stuttgartensia.'' Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 1997 (5. Aufl.) ISBN 3438052180
* Craig A. Evans: ''Jesus and His Contemporaries: Comparative Studies.'' Brill Academic Publications, Leiden 2001, ISBN 0-391-04118-5


'''Zum historischen Jesus'''
* Deutsche [[Bibelübersetzung]]en (siehe dort), online:
* [[Wolfgang Treitler]]: ''Jesus, Josefs Sohn. Der Messias als Tor des Bundes.'' Brill, Schöningh, Paderborn 2023.
** [http://alt.bibelwerk.de/bibel/ Einheitsübersetzung]
* Gerd Theißen, [[Annette Merz]]: ''Wer war Jesus? Der erinnerte Jesus in historischer Sicht. Ein Lehrbuch.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2023, ISBN 978-3-8252-6108-5; Neuauflage von Gerd Theißen, Annette Merz: ''Der historische Jesus. Ein Lehrbuch.'' 4. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-52198-4
** [http://bibel-online.de Revidierte Lutherbibel]
* [[Michael Wolter]]: ''Jesus von Nazaret.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2019, ISBN 978-3-7887-3406-0
** [http://www.joyma.com/elberfe.htm Elberfelder]
* Jens Schröter, [[Christine Jacobi]], Lena Nogossek (Hrsg.): ''Jesus Handbuch.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2017, ISBN 978-3-16-153853-7
** [http://www.bibleserver.com/index.php Diverse]
* [[Reza Aslan]]: ''Zelot. Jesus von Nazareth und seine Zeit.'' Rowohlt, Hamburg 2013, ISBN 978-3-498-00083-7
* [[Apokryphen]]:
* [[Wolfgang Stegemann]]: ''Jesus und seine Zeit.'' Kohlhammer, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-17-012339-7
** Wilhelm Schneemelcher: ''Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung.'' 2 Bde., Mohr, Tübingen 1999. ISBN 3161472527
* [[Walter Homolka]]: ''Jesus von Nazareth im Spiegel jüdischer Forschung.'' Hentrich & Hentrich, Berlin 2010, ISBN 978-3-942271-01-1
* [http://www.mc-rall.de/histjesu.htm Außerbiblische Quellen zum historischen Jesus]
* [[Darrell Bock]], Robert L. Webb: ''Key events in the life of the historical Jesus: a collaborative exploration of context and coherence.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2009, ISBN 978-3-16-150144-9
* James H. Charlesworth: ''The Historical Jesus. An Essential Guide.'' Abingdon, Nashville 2008, ISBN 978-0-687-02167-3
* Jens Schröter, Ralph Brucker (Hrsg.): ''Der historische Jesus. Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung.'' De Gruyter, Berlin/New York 2002, ISBN 978-3-11-017511-0
* [[David Flusser]]: ''Jesus.'' Rowohlt, Hamburg 2002, ISBN 3-499-50632-7
* [[Susannah Heschel]]: ''Der jüdische Jesus und das Christentum. Abraham Geigers Herausforderung an die christliche Theologie.'' Jüdische Verlagsanstalt, Berlin 2001, ISBN 3-934658-04-0
* [[Jürgen Roloff (Theologe)|Jürgen Roloff]]: ''Jesus.'' Beck, München 2000, ISBN 3-406-44742-2
* [[Jürgen Becker (Theologe)|Jürgen Becker]]: ''Jesus von Nazaret.'' De Gruyter, Berlin 1996, ISBN 3-11-014882-X
* John Dominic Crossan: ''Jesus.'' Beck, München 1996, ISBN 3-406-39244-X
* [[Géza Vermes]]: ''Jesus der Jude. Ein Historiker liest die Evangelien.'' Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1993, ISBN 3-7887-1373-9
* [[Joseph Klausner]]: ''Jesus von Nazareth. Seine Zeit, sein Leben und seine Lehre.'' 3., erweiterte Auflage, Athenaeum, Bodenheim 1992, ISBN 3-7610-0325-0
* [[Schalom Ben-Chorin]]: ''Bruder Jesus. Der Nazarener in jüdischer Sicht.'' dtv, München 1987, ISBN 3-423-01253-6


'''Zum Prozess'''
=== Hintergrundwissen zu Umfeld und Entstehung des NT ===
* [[Christoph Niemand]]: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz: Ein historisch-rekonstruktives und theologisches Modellbild.'' Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-17-019702-2
*F.F.Bruce (Hrsg.: Eberhard Güting): ''Außerbiblische Zeugnisse über Jesus und das frühe Christentum.'' Gießen 1991, ISBN 7-655-9366-4
* [[Wolfgang Reinbold]]: ''Der Prozess Jesu.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-61591-4.
*[[Hans Conzelmann]], Andreas Lindemann: ''Arbeitsbuch zum Neuen Testament.'' UTB Band 52. Stuttgart 2004, ISBN 3825200523
*Mark Lidzbarski: ''Ginza. Der Schatz oder Das große Buch der Mandäer.'' Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1925 (Neudruck 1978), ISBN 3-525-54123-6
* Géza Vermes: ''Die Passion. Die wahre Geschichte der letzten Tage im Leben Jesu.'' Primus, Darmstadt 2006, ISBN 3-89678-291-6
*Hartmut Stegemann: ''Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus.'' Herder Spektrum 4128, Freiburg 1994. ISBN 3-451-04128-6
* Chaim Cohn: ''Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer Sicht.'' Insel, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-458-34430-6
* Raymond E. Brown: ''The Death of the Messiah. From Gethsemane to the Grave: A Commentary on the Passion Narratives in the Four Gospels.'' Yale University Press, 1999. Band 1: ISBN 0-300-14009-6; Band 2: ISBN 0-300-14010-X
*Peter Stuhlmacher, Gerhard Friedrich, Paul Althaus: ''Das Neue Testament deutsch.'' Teilband 1: ''Die Entstehung und der Wortlaut des Neuen Testaments.'' Vandenhoeck&Ruprecht, 10. Auflage, Göttingen 1963, ISBN B0000BSTEQ
* [[Peter Egger (Theologe)|Peter Egger]]: ''Crucifixus sub Pontio Pilato. Das „Crimen“ Jesu von Nazareth im Spannungsfeld römischer und jüdischer Verwaltungs- und Rechtsstrukturen.'' Aschendorff, Münster 1997, ISBN 3-402-04780-2
* Karl Kertelge: ''Der Prozeß gegen Jesus. Historische Rückfrage und theologische Deutung.'' 2. Auflage, Herder, Freiburg im Breisgau 1991, ISBN 3-451-02112-9
* [[Rudolf Pesch]]: ''Der Prozess Jesu geht weiter.'' Herder, Freiburg im Breisgau 1988, ISBN 3-451-08507-0
* Pinchas Lapide: ''Wer war schuld an Jesu Tod?'' 4. Auflage, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1987, ISBN 3-579-01419-6
* Otto Betz: ''Probleme des Prozesses Jesu.'' In: [[Aufstieg und Niedergang der römischen Welt]] II.25.1, De Gruyter, Berlin 1982, S. 566–647
* David Flusser: ''Die letzten Tage Jesu in Jerusalem. Das Passionsgeschehen aus jüdischer Sicht.'' Calwer, Stuttgart 1982, ISBN 3-7668-0676-9
* [[August Strobel]]: ''Die Stunde der Wahrheit. Untersuchungen zum Strafverfahren gegen Jesus.'' Mohr Siebeck, Tübingen 1980, ISBN 3-16-143041-7
* [[Paul Winter (Historiker)|Paul Winter]]: ''On the Trial of Jesus.'' De Gruyter, Berlin 1974


== Weblinks ==
=== Historische Jesus-Darstellungen ===
{{Commonscat|Jesus Christ|Jesus}}
*[[Jürgen Becker (Theologe)|Jürgen Becker]]: ''Jesus von Nazaret.'' de Gruyter TB, Berlin 1996, ISBN 311014882X
{{Wikisource|Jesus|Jesus von Nazaret}}
*Marcus J. Borg, Thomas Moore (Hrsg.): ''The Lost Gospel Q: The Original Saying of Jesus.'' Ulysses Press 1996, ISBN 1569751005
; NT-Quelltexte
*John Dominic Crossan: ''Jesus.'' Beck’sche Reihe TB, München 1996, ISBN 340639244X
* [http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/novum-testamentum-graece-na-28/lesen-im-bibeltext/ Griechischer Urtext] ([[Novum Testamentum Graece|Nestle-Aland]] 28. A.) und Übersetzungen
*[[Gerd Theißen]]/Annette Merz: ''Der historische Jesus.'' Vandenhoeck & Ruprecht, 3. Auflage 2001, ISBN 352552143X.
* [http://nttranscripts.uni-muenster.de/ ''New Testament Transcripts Prototype'']. Griechischer Urtext, Nestle-Aland 27. A. nebst Textvariantenapparat
*[[Jürgen Roloff]]: ''Jesus.'' C.H.Beck Verlag TB, München 2000, ISBN 3406447422
*Luise Schottroff, [[Dorothee Sölle]]: ''Jesus von Nazaret.'' DTV 2000, ISBN 342331026
*Jens Schröter/Ralph Brucker (Herausgeber): ''Der historische Jesus.'' Aufsatzsammlung, De Gruyter 2004, ISBN 3110175118
*Geza Vermes: ''Jesus der Jude: Ein Historiker liest die Evangelien.'' (1. Auflage Neukirchen 1993) Jüdische Verlagsanstalt, Berlin 2002, ISBN 3934658911


; Übersetzungen
=== Einzeluntersuchungen zum Wirken Jesu ===
* [https://www.bibleserver.com/ Bibleserver]
*[[Adolf Holl]]: ''Jesus in schlechter Gesellschaft.'' Kreuz-Verlag 2000, ISBN 3783118166
*Ulrich Luz: ''Warum zog Jesus nach Jerusalem?'' in: ''Der historische Jesus,'' Aufsatzsammlung, herausgegeben von Schröter/Brucker (siehe oben)
*Hyam Maccoby: Jesus und der jüdische Freiheitskampf, Ahriman-Verlag, Freiburg i.Br 1996, ISBN 3894845015
*Luise Schottrof, Wolfgang Stegemann: ''Jesus von Nazareth – Hoffnung der Armen.'' 1981, ISBN 3170075543
*Hanna Wolff: ''Jesus der Mann.'' Radius-Verlag 2002, ISBN 3871736767


; Bibliografien
=== Theologische Jesus-Darstellungen ===
* {{DNB-Portal|118557513}}
*[[Klaus Berger]]: ''Jesus,'' München 2004, ISBN 3629008127
* {{DDB|Person|118557513}}
*[[Otto Betz]]: ''Jesus, der Messias Israels.'' Mohr Siebeck 1987, ISBN 3161451635
* [[Herbert Frohnhofen]]: [http://www.theologie-systematisch.de/christologie/2leben.htm Auswahlbibliografie] zu Jesus von Nazaret
*[[Walter Kasper]]: ''Jesus, der Christus.'' Mainz (Grünewald) 1986, ISBN 3786704643
*Werner Georg Kümmel: ''Die Theologie des Neuen Testaments nach seinen Hauptzeugen Jesus, Paulus, Johannes.'' Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1969, ISBN B0000BS668
*[[Ulrich Wilckens]]: ''Theologie des Neuen Testaments, Band 1/2: Geschichte der urchristlichen Theologie: Jesu Tod und Auferstehung und die Entstehung der Kirche aus Juden und Heiden.'' Neukirchener Verlag 2002, ISBN 3788718951


; Grundinformationen
=== Jesus aus jüdischer Sicht ===
* Peter Philhofer: [http://www.neutestamentliches-repetitorium.de/inhalt/vorlesungen.html ''Der historische Jesus.''] Vorlesungsskript. Erlangen/Nürnberg 2009
*[[Schalom Ben-Chorin]]: ''Bruder Jesus. Der Nazarener in jüdischer Sicht.'' München 1984. DTV München 1977, ISBN 3423012536
* Jon Swales: [http://ordinand.wordpress.com/historical-jesus-method-and-criteria/ ''Historical Jesus: Method and Criteria.''] Bristol 2008
*David Flusser: ''Jesus.'' Rowohlt Tb, Reinbek bei Hamburg 1999, ISBN 3499506327
*[[Abraham Geiger]]: ''Jesus – Herausforderung an die christliche Theologie;'' Jüdische Verlagsanstalt, Berlin 2001, ISBN 3934658040
*Susannah Heschel: ''Der jüdische Jesus und das Christentum.''
*[[Pinchas Lapide]]: ''Der Jude Jesus.'' ISBN 3491694051
Jüdische Verlagsanstalt Berlin, TB 2001, ISBN 3934658040


; Einzelthemen
=== Literatur zum Prozess Jesu ===
* Christoph Rall: [http://jesus-der-christus.info/histjesu.htm ''Außerbiblische Notizen zum historischen Jesus'']
*Joseph Blinzler: ''Der Prozess Jesu.'' Katholisches Bibelwerk Regensburg, 1. Auflage 1960, 4. erweiterte Auflage 1969, ISBN B0000BGM0Y
* Marcus Cohn: [http://www.juedisches-recht.de/rec_prozess_jesu.php ''Der Prozess Jesu nach jüdischem Recht'']
*Peter Egger: ''Crucifixus sub Pontio Pilato.'' Aschendorff, Münster 2000, ISBN 3402047802
*David Flusser: ''Die letzten Tage Jesu in Jerusalem. Das Passionsgeschehen aus jüdischer Sicht.'' Rowohlt 1982, ISBN 3766806769
*[[Werner Koch]]: ''Der Prozess Jesu. Versuch eines Tatsachenberichts.'' dtv München 1968, ISBN B0000BS223
*Chaim Cohn: Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer Sicht. Frankfurt 1997, ISBN 3-633-54141-1
*[[Pinchas Lapide]]: ''Wer war Schuld an Jesu Tod?,'' Gütersloher Verlagshaus 1987, ISBN 3579014196
*Rudolf Pesch: ''Der Prozess Jesu geht weiter.'' Herder, Freiburg 1988, ISBN 3451085070
*August Strobel: ''Die Stunde der Wahrheit: Untersuchungen zum Strafverfahren gegen Jesus.'' J.C.B. Mohr Tübingen 1980, ISBN 3161430417
*Paul Winter: ''On the Trial of Jesus,'' de Gruyter 1961, revidierte Auflage Berlin 1974, ISBN B0000BPP66


== Einzelnachweise ==
=== Populäre Jesus-Literatur ===
<references responsive />
*[[Rudolf Augstein]]: ''Jesus Menschensohn.'' dtv Taschenbücher Bd. 30822. 2001, ISBN 3423308222
*[[Gerd Lüdemann]]: ''Der Große Betrug und was Jesus wirklich sagte und tat.'' Zu Klampen Verlag, Lüneburg 1998, ISBN 3924245703
*Der SPIEGEL, Dossier: ''Jesusforschung – Ein Mensch namens Jesus'' ([[spiegel online]])
*[[Carsten Peter Thiede]]: ''Jesus, der Glaube, die Fakten.'' Sankt Ulrich Verlag, 2003, ISBN 3929246953


{{Exzellent|20. April 2005|5442734}}
=== Fiktion ===
*[[Andreas Eschbach]]: ''[[Das Jesus Video (Roman)|Das Jesus Video]].'' Schneekluth, München 1998, Bastei-Lübbe, Bergisch Gladbach 2003 (mehrfach ausgezeichneter Roman). ISBN 3404142942
*Martin Ritzenhoff, Sebastian Niemann: ''[[Das Jesus Video (Film)|Das Jesus Video]]'' (Video). Pro7, Unterföhring 2002 (mit dem Deutschen Fernsehpreis 2003 ausgezeichnete Verfilmung des gleichn. Romans).


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== Weblinks ==
{{Commons|Category:Jesus Christ|Jesus}}
* {{PND|118557513}}
* [http://www.bautz.de/bbkl/j/Jesus.shtml Jesus im BBKL (Bautz); dort auch umfangreiche Literaturangaben]


{{SORTIERUNG:Jesus #Nazaret}}
* [http://www.juedisches-recht.de/Rechtsgeschichte-Jesu-Prozess.html Der Prozess Jesu nach jüdischem Recht]
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* [http://www.theologie-systematisch.de/christologie/2leben.htm Aktuelle Literatur zu Jesus von Nazaret]
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* [http://www.jesus.de/go/jesus (Fast) alles über Jesus – Locker geschriebener Einführungsartikel zu Jesus und seinem Selbstanspruch]
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Aktuelle Version vom 26. Juli 2025, 00:14 Uhr

Jesus als guter Hirte, frühchristliche Deckenmalerei in der Calixtus-Katakombe in Rom, um 250

Jesus von Nazaret (hebräisch Jeschua oder Jeschu, gräzisiert Ἰησοῦς; * zwischen 7 und 4 v. Chr., wahrscheinlich in Nazareth; † 30 oder 31 in Jerusalem) war ein jüdischer Wanderprediger. Etwa ab dem Jahr 28 trat er öffentlich in Galiläa und Judäa auf. Zwei bis drei Jahre später wurde er auf Befehl des römischen Präfekten Pontius Pilatus von römischen Soldaten gekreuzigt.

Das Neue Testament (NT) ist als Glaubensdokument der Urchristen zugleich die wichtigste Quelle für die historische Jesusforschung. Danach hat Jesus Nachfolger berufen, den Juden seiner Zeit das nahe Reich Gottes verkündet und sein Volk darum zur Umkehr aufgerufen.[1]

Seine Anhänger verkündeten ihn nach seinem Tod als Jesus Christus, den Messias und Sohn Gottes. Daraus entstand eine neue Weltreligion, das Christentum. Auch außerhalb des Christentums wurde Jesus bedeutsam.

Die Quellen und ihre Auswertung

Jesus hat keine Schriften hinterlassen. Fast das gesamte historische Wissen über ihn stammt von seinen Anhängern, die ihre Erinnerungen an ihn nach seinem Tod weitererzählten, sammelten und aufschrieben.

Nichtchristliche Quellen

Wenige jüdische, griechische und römische Autoren der Antike erwähnen Jesus, jedoch fast nur seinen Christustitel und seine Hinrichtung. Woher ihre Kenntnis stammte, ist unsicher.

Der jüdische Historiker Flavius Josephus erwähnt Jesus in seinen Jüdischen Altertümern (um 93/94) zweimal. Die erste Stelle, das Testimonium Flavianum (18,63 f.), galt früher als komplett eingefügt, heute wird es nur als von Christen überarbeitet betrachtet. Sein vermutlich authentischer Kern beschreibt Jesus als von vornehmen Juden angeklagten, von Pilatus zum Kreuzestod verurteilten Weisheitslehrer für Juden und Nichtjuden, dessen Anhänger ihm treu geblieben seien. Die zweite Stelle (20,200) berichtet über die Hinrichtung des Jakobus und bezeichnet ihn als Bruder Jesu, „der Christus genannt wird“. Manche Historiker bezweifeln, dass ein Jude Jesus so bezeichnet hätte, für andere bezieht sich dies auf die erste Stelle zurück.[2]

Der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtet um 117 von „Chrestianern“, denen Kaiser Nero die Schuld am Brand Roms im Jahr 64 zugeschoben habe, und notiert in seinen Annales (15,44): „Dieser Name [Christiani] stammt von Christus, der unter Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war.“ Unklar ist, ob sich diese Notiz auf römische oder christliche Quellen stützt. Möglicherweise erfuhr Tacitus während seiner Statthalterschaft im Osten des Reiches davon.[3]

Weitere Notizen von Sueton, Mara Bar Serapion und im babylonischen Talmud (Traktat Sanhedrin 43a) beziehen sich nur beiläufig oder polemisch auf ihnen bekannt gewordene christliche Überlieferung.

Christliche Quellen

Informationen über Jesus werden großenteils den vier kanonischen Evangelien, manche auch den Paulusbriefen, einigen Apokryphen und außerhalb davon überlieferten Einzelworten (Agrapha) entnommen. Diese Texte stammen von Urchristen jüdischer Herkunft, die an die Auferstehung Jesu Christi glaubten (Mk 16,6; Apg 2,32) und authentische Erinnerungen an Jesus mit biblischen, legendarischen und symbolischen Elementen verbanden. Damit wollten sie Jesus als den verheißenen Messias für ihre Gegenwart verkündigen, nicht biografisches Wissen über ihn festhalten und vermitteln. Gleichwohl enthalten diese Glaubensdokumente auch historische Angaben.

Die zwischen 48 und 61 entstandenen Paulusbriefe nennen kaum biografische Daten Jesu, zitieren aber einige seiner Worte und Aussagen aus der Jerusalemer Urgemeinde über ihn, die entsprechende Evangelienangaben bestätigen. Auch der Brief des Jakobus spielt öfter auf Eigenaussagen Jesu an und gilt manchen Neutestamentlern als mögliche Quelle dafür, falls er von Jesu Bruder stammt.[4]

Wegen Anspielungen auf die Zerstörung des Jerusalemer Tempels (Mk 13,2; Mt 22,7; Lk 19,43 f.) werden die drei synoptischen Evangelien meist auf die Zeit nach 70 datiert. Daher kannte wahrscheinlich keiner der Autoren Jesus persönlich. Sie übernahmen jedoch ältere Überlieferung, die mit auf Jesu erste Nachfolger aus Galiläa zurückgeht.[5] Den Autoren des Matthäus- und Lukasevangeliums lag nach der weithin akzeptierten Zweiquellentheorie das Markusevangelium oder eine Vorform davon vor. Sie übernahmen die Komposition und die meisten Texte daraus und veränderten diese nach ihren eigenen theologischen Absichten. Ihre sonstigen gemeinsamen Stoffe werden einer hypothetischen Logienquelle Q mit gesammelten Reden und Sprüchen Jesu zugewiesen, deren Verschriftung auf 40 bis 70 datiert wird.[6] Ähnliche Spruchsammlungen enthält das vermutlich in Syrien entstandene Thomasevangelium. Ihre frühesten, zuvor jahrelang mündlich überlieferten Bestandteile (Lk 1,2) stammen von Jesu ersten Anhängern und können originale Jesusworte bewahrt haben. Auch ihr jeweiliges Sondergut und das um 100 entstandene Johannesevangelium können unabhängig überlieferte historische Angaben zu Jesus enthalten.

Die Evangelisten überarbeiteten ihre Quellen auf je eigene Weise für ihre Missions- und Lehrabsichten, erzählen die Ereignisse vom Einzug Jesu in Jerusalem bis zu seiner Grablegung jedoch in fast derselben Reihenfolge. Diese gemeinsamen Texte werden auf einen Passionsbericht aus der Urgemeinde zurückgeführt, der frühe Credoformeln narrativ entfaltete. Gemeinsame Grundzüge dieser Vorlage werden auf einen historischen Kern zurückgeführt. Der Autor des Markusevangeliums verknüpfte diesen Passionsbericht mit Jesusüberlieferung aus Galiläa und erweiterte ihn; seinen Aufriss übernahmen die übrigen Evangelisten.[7] Dabei veränderten sie manche der hier besonders häufigen Orts-, Zeit-, Personen- und Situationsangaben, so dass deren Historizität stark umstritten ist. Galten früher nur die von außerchristlichen Notizen bestätigte Kreuzigung Jesu durch Römer, seine Festnahme und ein Hinrichtungsbefehl des Statthalters als unstrittig historisch,[8] so nehmen heute viele Forscher an, dass die Jerusalemer Urchristen einige der zu Jesu Tod führenden Ereignisse zutreffend überlieferten: besonders in Textpassagen, deren Details auch das Johannesevangelium enthält und die gemäß jüdischen und römischen Quellen rechts- und sozialhistorisch plausibel wirken.[9]

Forschung

Seit etwa 1750 werden die urchristlichen Schriften mit den Methoden der historischen Kritik untersucht. Die Forschung unterscheidet darin historische Angaben von legendarischen, mythischen und theologischen Motiven. Viele Neutestamentler glaubten früher, sie könnten den Evangelien eine biografische Entwicklung Jesu entnehmen; oft ergänzten sie fehlende Daten spekulativ. Manche bestritten wegen der mythischen Elemente der Quellen Jesu Existenz (siehe Jesus-Mythos). Methodik und viele Einzelthesen der damaligen Leben-Jesu-Literatur gelten seit Albert Schweitzers Geschichte der Leben-Jesu-Forschung (1906/1913) als überholt.

Seitdem verfeinerten sich die historisch-kritischen Textanalysen. Ab 1950 wurden zunehmend außerbiblische Quellen herangezogen, um die historische Glaubwürdigkeit der NT-Überlieferung zu überprüfen. Ab etwa 1970 bezog man gewachsene Kenntnisse der Archäologie, Sozialgeschichte, Orientalistik und Judaistik zur Zeit Jesu stärker ein. Evangelische, katholische, jüdische und religionslose Historiker forschen heute teilweise gemeinsam, so dass ihre Ergebnisse weniger von weltanschaulichen Interessen bestimmt sind.[10]

Die weitaus meisten NT-Historiker entnehmen den Quellen, dass Jesus tatsächlich gelebt hat. Sie ordnen ihn ganz in das damalige Judentum ein[11] und nehmen an, dass sich seine Lebens- und Todesumstände, Verkündigung, sein Verhältnis zu anderen jüdischen Gruppen und Selbstverständnis in Grundzügen ermitteln lassen. Umfang und Zuverlässigkeit historischer Angaben im NT sind jedoch bis heute stark umstritten. Welche überlieferten Worte und Taten Jesu als historisch gelten, hängt von Vorentscheidungen über die sogenannten Echtheitskriterien ab.[12] Weithin anerkannt sind die Kriterien der Kontext- und Wirkungsplausibilität: „Historisch ist in den Quellen das, was sich als Auswirkung Jesu begreifen lässt und gleichzeitig nur in einem jüdischen Kontext entstanden sein kann.“[13]

Herkunft

Name

Jesus ist die latinisierte Form des griechischen männlichen Vornamens Ἰησοῦς, der seinerseits den hebräischen Vornamen Jehoschua und dessen aramäische Kurzformen Jeschua oder Jeschu übersetzt. Dieser Name setzt sich aus der Kurzform Jeho- des Gottesnamens JHWH und einer Form des hebräischen Verbs j(a)sch(a)ʿ („helfen, retten“) zusammen.[14] Demgemäß deuten Mt 1,21 und Apg 4,12 den Namen als Aussage: „Gott ist die Rettung“ oder „der Herr hilft“. Auch die gräzisierte Form blieb im damaligen Judentum geläufig und wurde nicht wie sonst üblich mit einem griechischen oder lateinischen Doppelnamen ergänzt oder von ähnlich klingenden Namen ersetzt.[15]

Einige Stellen setzen dem Vornamen „Josefs Sohn“ (Lk 3,23; 4,22; Joh 1,45) oder „Sohn der Maria“ (Mk 6,3; Mt 13,55), meist jedoch Nazarenos oder Nazoraios hinzu (Mt 26,71 EU; Joh 19,19 EU), um seinen Herkunftsort anzugeben (Mk 1,9). Mt 2,23 EU erklärt dies so: „(Josef) ließ sich in einer Stadt namens Nazaret nieder. Denn es sollte sich erfüllen, was durch die Propheten gesagt worden ist: Er wird Nazoräer genannt werden.“ Diese Weissagung kommt im Tanach nicht vor, kann aber auf den Ausdruck nēṣer („Spross“) in Jes 11,1 EU für den Messias als Nachkommen Davids anspielen. Eventuell deuteten die Evangelisten damit eine herabsetzende Fremdbezeichnung Jesu (Joh 1,46 EU: „Was kann aus Nazaret Gutes kommen?“) um. Die Bezeichnung Nazarenos für Jesus wurde auch auf Christen im syrischen Raum übertragen (nasraja) und ging in den Talmud als noṣri ein.[16]

Geburts- und Todesjahr

Das NT gibt kein Geburtsdatum Jesu an; es war den Urchristen unbekannt. Die christliche Jahreszählung beginnt mit dem (angenommenen) Jahr der Geburt Jesu Christi (* zwischen 7 und 4 v. Chr.).

Die NT-Angaben dazu sind widersprüchlich. Nach Mt 2,1 ff. und Lk 1,5 wurde er zu Lebzeiten des Herodes geboren, der laut Josephus 4 v. Chr. starb. Lk 2,1f. datiert Jesu Geburtsjahr auf eine von Kaiser Augustus angeordnete „erste“ römische Volkszählung durch Eintragung von Grundbesitz in Steuerlisten unter Publius Sulpicius Quirinius. Dieser wurde jedoch erst 6/7 n. Chr. Statthalter Roms für Syrien und Judäa. Eine frühere derartige Steuererhebung ist dort unbelegt und gilt wegen der Steuerhoheit des Herodes als unwahrscheinlich.[17] Lk 2,2 ist wahrscheinlich ein chronologischer Irrtum und dient als Anlass für die Reise vom Maria und Josef nach Bethlehem.[18] Versuche, Jesu Geburtstag durch astronomische Berechnungen einer mit dem Stern von Betlehem (Mt 2,1.9) identifizierten Himmelserscheinung zu bestimmen, sind bisher nicht überzeugend.[19] Somit wurde Jesus wahrscheinlich zwischen 7 und 4 v. Chr. geboren.[20]

Die Evangelien berichten zusammenhängend nur aus einem bis drei der letzten Lebensjahre Jesu. Nach Lk 3,1 trat Johannes der Täufer „im 15. Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius“ auf: Nach dieser einzigen exakten Jahresangabe im NT trat Jesus frühestens ab 28 auf, wohl seit der Täufer inhaftiert war (Mk 1,14). Damals soll er etwa 30 Jahre alt gewesen sein (Lk 3,23).[21]

Nach allen Evangelien wurde Jesus auf Befehl des römischen Präfekten Pontius Pilatus hingerichtet, der von 26 bis 36 in Judäa amtierte. Als Todestag Jesu überliefern sie den Vortag eines Sabbat (Freitag) während eines Pessach. Die Synoptiker nennen den Hauptfesttag nach dem Sederabend, also den 15. Nisan im jüdischen Kalender, das Johannesevangelium dagegen nennt den Rüsttag zum Fest, also den 14. Nisan. Nach kalendarisch-astronomischen Berechnungen fiel der 15. Nisan in den Jahren 31 und 34, der 14. Nisan dagegen 30 und 33 auf einen Freitag. Viele Forscher halten die johanneische Datierung heute für historisch glaubwürdiger.[22] Manche vermuten einen zusätzlichen Pessach-Sabbat am Tag vor dem Wochensabbat; dann wäre Jesus übereinstimmend an einem Donnerstag gekreuzigt worden.[23]

Die meisten Forscher halten das Jahr 30 für Jesu Todesjahr, weil Paulus von Tarsus zwischen 32 und 35 Christ wurde, nachdem er die Urchristen eine Weile verfolgt hatte.[24] Jesus wurde demnach zwischen 30 und 40 Jahre alt.

Geburtsort

Die „Geburtsgrotte“ in Bethlehem wird als der Geburtsort Jesu verehrt.

Die Geburtsgeschichten des NT (Mt 1–2/Lk 1–2) gelten weitgehend als Legenden, da sie bei Mk und Joh fehlen, sich stark unterscheiden und viele mythische und legendarische Züge enthalten.[25] Dazu zählt man die Listen der Vorfahren Jesu (Mt 1; Lk 3), die Geburtsankündigung durch einen Engel (Lk 1,26 f.), die Geistzeugung und Jungfrauengeburt Jesu (Mt 1,18; Lk 1,35), den Besuch von orientalischen Astrologen (Mt 2,1), den Stern, der sie zu Jesu Geburtsort geführt haben soll (Mt 2,9), den Kindermord in Bethlehem (Mt 2,13; vgl. Ex 1,22) und die Flucht der Eltern mit Jesus nach Ägypten (Mt 2,16 ff.).

Nach Mt 2,5f und Lk 2,4 wurde Jesus in Betlehem in Judäa geboren, dem Herkunftsort Davids, von dem im Tanach der künftige Messias abstammen sollte. Damit betonen sie, Jesus sei Davids Nachkomme gewesen und seine Geburt in Betlehem habe die messianische Verheißung Mi 5,1 erfüllt. Mk und Joh erzählen keine Geburtsgeschichten.

Alle Evangelien nennen Nazareth in Galiläa als Jesu „Heimat“ oder „Vaterstadt“, Wohnsitz seiner Eltern und Geschwister (Mk 1,9; 6,1–4; Mt 13,54; 21,11; Lk 1,26; 2,39; 4,23; Joh 1,45 und öfter) und bezeichnen ihn darum als „Nazarener“ (Mk 1,24; 10,47) oder „Nazoräer“ (Mt 2,23; Joh 19,19). Nazareth war nach archäologischen Funden damals ein unbedeutendes Dorf von höchstens 400 Einwohnern.[26] Es kommt im Tanach nicht vor. Darauf beziehen sich im NT überlieferte Einwände gegen Jesu Messianität (Joh 1,45; Joh 7,41).

Mt und Lk haben den ihnen überlieferten Wohnort der Familie Jesu verschieden mit den Geburtsgeschichten ausgeglichen: Jesu Eltern hätten in Betlehem ein Haus bewohnt und seien erst später nach Nazareth gezogen (Mt 2,22 f.); sie seien kurz vor Jesu Geburt von Nazareth nach Betlehem gezogen und hätten sich dort vorübergehend aufgehalten (Lk 2,4 ff.).[27] Deshalb nehmen Historiker heute meist an, dass Jesus in Nazareth geboren, seine Geburt aber später nach Betlehem verlegt wurde, um ihn gegenüber Juden als Messias zu verkünden.[28]

Familie

Jesus war nach Mk 6,3 der erstgeborene „Sohn Marias“; Josef wird bei Mk nirgends genannt. Die Vorfahrenlisten betonen jedoch Jesu väterliche Stammlinie als „Sohn Josefs“ (Mt 1,16; Lk 3,23). So nennen ihn auch Maria in Lk 2,48 und die Galiläer in Joh 6,42. Laut Mt 1,18 EU war Maria vor Jesu Geburt mit Josef verlobt. Nach Lk 2,21 wurde Jesus gemäß der Tora am achten Lebenstag beschnitten und dabei nach jüdischem Brauch nach seinem Vater benannt, also „Jeschua ben Josef“ (Lk 4,22). Nach der Namensgebung erwähnen die Synoptiker Josef nicht mehr.

Daher vermutet Bruce Chilton, dass Jesus noch vor Josefs gültiger Heirat mit Maria gezeugt wurde und Josef früh starb. Niemand habe Josefs Vaterschaft rechtsgültig bezeugen können. Darum sei Jesus in seiner Heimat als uneheliches, nicht erbberechtigtes Kind (hebräisch mamzer) abgelehnt worden (Joh 8,41).[29] Die erstmals im späten 2. Jahrhundert bezeugte „Panthera-Legende“ stellte Jesus als außereheliches Kind Marias dar.[30] Mit Bezug darauf erklärte Gerd Lüdemann Jesu Benennung nach seiner Mutter in Mk 6,3 und seine Außenseiterrolle in Nazareth.[31] Viele Neutestamentler nehmen dagegen eine tatsächliche Vaterschaft Josefs und dessen Herkunft aus einer damals unterdrückten Nebenlinie der Daviddynastie an.[32]

Nach Mk 6,3 hatte Jesus vier Brüder namens Jakobus, Joses (gräzisierte Form von Josef, Mt 13,55), Judas und Simon sowie einige nicht benannte Schwestern. Die Brüdernamen nach einigen der zwölf Jakobssöhne und die Auslösung Jesu als des ersten Sohnes im Tempel (Lk 2,23) deuten auf eine toratreue jüdische Familie. „Brüder“ und „Schwestern“ kann im biblischen Wortgebrauch auch Vettern und Cousinen umfassen (siehe Geschwister Jesu).[33]

Nach allen Evangelien bewirkte Jesu öffentliches Auftreten Konflikte mit seiner Familie. Das vierte der biblischen Zehn GeboteEhre Vater und Mutter! (Ex 20,12; Dtn 5,16) – verlangte nach damaliger Auslegung die Fürsorge der ersten Söhne für Eltern und Sippe.[34] Doch zu Jesu Nachfolge gehörte nach Mt 10,37; Lk 14,26 das Verlassen der Angehörigen, das auch von der vermuteten Qumran-Gemeinde bekannt ist. Wie sie vertrat Jesus offenbar ein „afamiliäres Ethos der Nachfolge“, da seine ersten Jünger ihren Vater nach Mk 1,20 bei der Arbeit zurückließen, wenn auch mit Tagelöhnern.[35]

Nach Mk 3,21 versuchten Jesu Verwandte, ihn zurückzuhalten, und erklärten ihn für verrückt. Darauf soll er seinen Anhängern erklärt haben (Mk 3,35 EU): „Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ Auch rabbinische Lehrer ordneten den Gehorsam gegenüber der Tora jenem gegenüber den Eltern vor, verlangten aber keine völlige Trennung von der Familie.[36] Nach Mk 7,10 f. hob auch Jesus das vierte Gebot nicht auf: Durch keine Gelöbnisformel dürfe man sich der Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern entziehen.[37]

Nach Mk 6,1–6 wurde Jesu Lehre in Nazareth abgelehnt, darum sei er nicht mehr dorthin zurückgekehrt. Aber nach Mk 1,31 versorgten Frauen aus Jesu Heimat ihn und seine Jünger. Sie blieben nach Mk 15,41 bis zum Tod bei ihm, so nach Joh 19,26 f. auch seine Mutter. Er soll noch am Kreuz für ihr Wohlergehen gesorgt haben, indem er sie einem anderen Jünger anvertraute. Obwohl seine Brüder nach Joh 7,5 „nicht an ihn glaubten“, gehörten seine Mutter und einige Brüder nach seinem Tod zur Urgemeinde (Apg 1,14; 1 Kor 9,5; Gal 1,19). Jakobus wurde später wegen seiner Auferstehungsvision (1 Kor 15,7) deren Leiter (Gal 2,9).

Nach einem von Eusebius von Caesarea überlieferten Zitat des Hegesippus ließ Kaiser Domitian bei seiner Christenverfolgung (um 90) die noch lebenden Großneffen Jesu verhaften und verhörte sie. Dabei hätten sie die Frage nach ihrer davidischen Abstammung bejaht, vom Kaiser deshalb vermutete politische Ambitionen aber verneint und ihre bäuerliche Armut betont. Sie seien freigelassen worden und danach zu Kirchenführern aufgestiegen. Dass Jesu Angehörige sich als Nachfahren von König David sahen, gilt daher als wahrscheinlich.[38]

Sprache, Ausbildung, Beruf

Giotto di Bondone: Christus bei den Toralehrern (um 1305)

Als galiläischer Jude sprach Jesus im Alltag das westliche Aramäisch. Das bestätigen einige aramäische Jesuszitate im NT. Ob man griechische Ausdrücke und Redewendungen ins Aramäische zurückübersetzen kann, ist seit Joachim Jeremias ein wichtiges Kriterium, mögliche authentische Jesusworte von urchristlicher Deutung zu unterscheiden.[39]

Das biblische Hebräisch wurde in Palästina zur Zeit Jesu kaum noch gesprochen. Er kann es dennoch beherrscht haben, da er den Tanach gut kannte und in den Synagogen Galiläas vorlas und auslegte. Er kann Bibeltexte auch aus aramäischen Übersetzungen (Targumim) kennengelernt haben.[40] Ob er die griechische Koine sprechen konnte, die damals Verkehrssprache im Osten des Römischen Reichs war, ist wegen fehlender direkter NT-Belege ungewiss.[41]

Aus Jesu Jugendzeit überliefert das NT nur einen Aufenthalt des 12-Jährigen im Tempel, bei dem er die Jerusalemer Toralehrer mit seiner Bibelauslegung beeindruckt haben soll (Lk 2,46 f.). Das gilt als legendarisches Motiv, um Jesu Bibelkenntnis zu erklären.[42] Lesen und Schreiben konnten Kinder ärmerer jüdischer Familien, die keine Schriftrollen besaßen, in Toraschulen und Synagogen lernen. Nach Lk 4,16 las Jesus in der Synagoge von Nazareth aus der Tora vor, bevor er sie auslegte. Nach Mk 6,2 f. hatten Jesu Hörer ihm das Predigen nicht zugetraut und bemerkt, dass es sich von der traditionellen Schriftauslegung unterschied; nach Joh 7,15 fragten sie sich: Wie kann dieser die Schrift verstehen, obwohl er es nicht gelernt hat? Doch Jesu häufige Frage an seine Hörer „Habt ihr nicht gelesen…?“ (Mk 2,25; 12,10.26; Mt 12,5; 19,4 u. a.) setzt seine Lesefähigkeit voraus. Ob er auch schreiben konnte, ist ungewiss. Nur Joh 8,6.8 erwähnt eine Geste des Schreibens oder Zeichnens auf den Boden.

Jesu Predigt- und Argumentationsstil ist rabbinisch (Halacha und Midraschim). Seine ersten Jünger nannten ihn „Rabbi“ (Mk 9,5; 11,21; 14,45; Joh 1,38.49; Joh 3,2; 4,31 u. a.) oder „Rabbuni“ („mein Meister“: Mk 10,51; Joh 20,16). Diese aramäische Anrede entsprach dem griechischen διδάσκαλος für „Lehrer“. Sie drückte Ehrerbietung aus und gab Jesus denselben Rang wie den Pharisäern, die sich als Ausleger mosaischer Gebote ebenso bezeichneten (Mt 13,52; 23,2.7 f.). Aus starken Ähnlichkeiten der Toraauslegung Jesu mit damaligen Rabbinerrichtungen folgert Pinchas Lapide, er müsse eine Toraschule besucht haben.[43]

Nach Mk 6,3 war Jesus, nach Mt 13,55 sein Vater Bauhandwerker (griechisch τέκτων, oft irreführend als „Zimmermann“ übersetzt).[44] Vermutlich erlernte Jesus wie viele jüdische Söhne den Beruf des Vaters, zumal ein Handwerksberuf für den Lebensunterhalt eines Rabbis damals üblich war. Das NT enthält dazu keine Angaben.[45] Bauhandwerkliche Kenntnisse Jesu zeigen etwa die Gleichnisse Lk 6,47–49 und Mk 12,10. Nach vielen Metaphern seiner Aussagen (etwa Lk 5,1–7; Joh 21,4–6) kann er auch Schäfer, Bauer oder Fischer gewesen sein.[46]

Nazareth lag sieben Kilometer von der Stadt Sepphoris entfernt, die Herodes Antipas zur Residenz ausbauen ließ und in der die Großgrundbesitzer wohnten. Sie kann manchen Dorfbewohnern als Arbeitsplatz gedient haben. Das NT erwähnt die Stadt nicht und betont, dass Jesus andere hellenistische Städte nicht besuchte.[47]

Wirken

Verhältnis zum Täufer Johannes

Die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer gilt als historisches Ereignis, mit dem sein öffentliches Wirken begann. Johannes war nach Mt 3,7–12; Lk 3,7 ff. ein Prophet des nahen Endgerichts, der aus einer Priesterfamilie stammte (Lk 1,5) und als Asket, eventuell als Nasiräer,[48] in der unbewohnten Wüste lebte (Lk 1,80). Seine persönliche und einmalige Taufe bot laut Mk 1,4 f. Vergebung an und setzte ein Sündenbekenntnis voraus. Josephus verstand sie als gewöhnliches jüdisches Reinigungsritual.[49]

Mk 1,11 EU stellt Jesu Taufe als Gottes einzigartige Erwählung („du bist mein geliebter Sohn“; vgl. Ps 2,7; Hos 11,1 und öfter) und sein ganzes folgendes Wirken als Sendung durch Gott (vgl. Röm 1,3 f. EU) dar.[50] Wie Jesus selbst sich verstand, ist fraglich, da er sich im NT nie direkt „Sohn Gottes“ nennt. Die johannäischen Ich-bin-Worte werden auf den Evangelisten, nicht den historischen Jesus zurückgeführt. Laut Joh 3,22; 4,1 taufte er eine Zeit lang parallel zu Johannes dem Täufer. Nach Joh 1,35-42 kamen die Brüder Simon Petrus und Andreas aus dem Johanneskreis zu Jesus. Demnach gab es zwischen beiden Gruppen Austausch und eventuell Konkurrenz.[51] Auch dass Jesus mit der Taufe Schüler des Johannes wurde, gilt als plausibel.[51][52]

Vermutlich reduzierte Markus Jesu Kontakt mit Johannes auf das isolierte Taufereignis und ließ ihn erst seit der Inhaftierung des Johannes öffentlich auftreten.[51] Mk 1,15 gilt als Beleg für die Ähnlichkeiten beider Botschaften. Jesus übernahm den endgültigen Umkehrruf des Täufers[53] und wohl auch das apokalyptische Motiv des Gerichtsfeuers auf Erden (Lk 12,49, Mt 3,10).[54] Er lehnte jedoch nach Mk 2,16–19 Fasten und Askese für seine Jünger ab und pflegte die Tischgemeinschaft gerade mit solchen Juden, die nach der geltenden Tora-Auslegung als „Unreine“ vom Heil ausgeschlossen wurden. Er zog sich nicht in die Wüste zurück, sondern wandte sich gerade ausgestoßenen Juden und Fremden zu und sagte ihnen das bedingungslose Heil Gottes zu. Daraufhin soll der inhaftierte Täufer Jesus durch Boten gefragt haben: Bist du der Kommende? (der Messias; Mt 11,2 ff.).

Demgemäß betonten die Urchristen die Vorläufer- und Zeugenrolle des Johannes gegenüber Jesus (Mk 1,7; Lk 3,16; Mt 3,11; Joh 1,7 f.; 3,28 ff. u. a.). Jesus identifizierte Johannes laut Mk 9,13 mit dem Propheten Elija, an dessen Wiederkunft vor dem Endgericht Juden damals glaubten, sowie nach Lk 7,24–28 mit dem in Mal 3,1 angekündigten Propheten der Endzeit. Daher befürwortete er die Johannestaufe auch nach Beginn seines Auftretens als Rettung aus dem Endgericht.[52]

Dass Herodes Antipas den Täufer hinrichten ließ (Mk 6,17 ff.), war Jesus wahrscheinlich bekannt. Ein ermordeter Prophet galt in biblischer Tradition als von Gott legitimiert.[55] Demgemäß kündigte Jesus mit seinem Täuferzeugnis sein eigenes Leiden an, erwartete laut Lk 13,32–35; Lk 20,9–19 für sich ein analoges gewaltsames Ende und stellte sich in die Reihe der verfolgten Propheten Israels.[56] Nach Mk 11,27–33 legitimierte Jesus später seinen Vollmachtsanspruch zur Sündenvergebung wie zur Tempelreinigung gegenüber Jerusalemer Gegnern mit seiner Taufe durch Johannes.[57]

Gebiet des Auftretens

Orte, an denen Jesus laut den Evangelien gewirkt hat
Ausgrabungsstätte des vermuteten Petrushauses in Kafarnaum (1980er Jahre)

Jesus sah sich nur zu den „verlorenen Schafen des Hauses Israel“ gesandt (Mt 10,5; 15,24); seine wenigen überlieferten Begegnungen mit Nichtjuden erscheinen als Ausnahmen. Seine Reisewege lassen sich nicht genau rekonstruieren, da viele Ortsangaben und ihre Abfolge in den Evangelien von den Evangelisten stammen und die Ausbreitung des Christentums bei ihrer Abfassung spiegeln können.[58] Plausibel wirken jedoch Nachbarorte Nazareths wie Kana und Naïn sowie bei Tagesmärschen und Bootsfahrten über den See Genezareth erreichbare Orte wie Bethsaida, Chorazin und Magdala. Weiter entfernt lagen Gerasa im Südosten (Mk 5,1), Tyros und Sidon im Nordwesten (Mk 7,24). Ob Jesus auch Samarien durchstreifte (Joh 4,5 gegen Mt 10,5), ist ungewiss. Von Römern und Herodianern erbaute Städte wie Tiberias und Sepphoris erwähnt das NT nicht. Laut Mk 8,27 betrat Jesus nur die umgebenden Dörfer von Cäsarea Philippi. Daraus wird gefolgert, dass er eher auf dem Land wirkte und hellenisierte Städte mied.[59]

In Kafarnaum soll Jesus zuerst aufgetreten (Mk 1,21 ff.; Lk 4,23), in das dortige Haus des Petrus eingezogen (Mk 1,29; 1,33) und von seinen Reisen öfter dorthin zurückgekehrt sein (Mt 4,12 f.; Mk 2,1; 9,33; Lk 7,1). Mt 9,1 nennt den Ort daher „seine Stadt“. Dieses Fischerdorf lag damals an der Grenze des von Herodes Antipas regierten Gebiets. Vielleicht wählte Jesus hier sein Quartier, um notfalls vor dessen Verfolgung in das Nachbargebiet des Herodes Philippos fliehen zu können (Lk 13,31 ff.).[60]

Verkündigung des Gottesreichs

Die nahe „Königsherrschaft Gottes“ war Jesu zentrale Botschaft nach den synoptischen Evangelien (Mk 1,14 f.): Dies nimmt die NT-Forschung fast immer als historisch an.[61] Die Evangelien veranschaulichen den Begriff durch konkrete Handlungen, Gleichnisse und Lehrgespräche Jesu. Sie setzen dabei seine Bekanntheit unter Juden voraus. An Nichtjuden gerichtete NT-Texte verwenden den Begriff dagegen selten.[62] Damit bezog sich Jesus auf die Prophetie im Tanach und biblische Apokalyptik, wie einige eventuell echte Zitate aus Deuterojesaja und Daniel zeigen.[63]

Manche Aussagen Jesu kündigen Gottes Herrschaft als unmittelbar bevorstehend an, andere sagen sie als schon angebrochen zu oder setzen ihre Gegenwart voraus. Umstritten war früher, ob eher die futurische (so etwa Albert Schweitzer) oder die präsentische (so etwa Charles Harold Dodd) Eschatologie auf Jesus zurückgeht. Seit etwa 1945 beurteilen die meisten Exegeten beide Aspekte gemäß ihrem paradoxen Nebeneinander im Vaterunser (Mt 6,9–13) als authentisch.[64] Sie betonen, dass Jesus diese Herrschaft als dynamisches Geschehen und gegenwärtig laufenden Prozess auffasste, nicht nur als jenseitige Welt. So habe er im Anschluss an jüdische Apokalyptik nicht die Vernichtung der Erde, sondern ihre umfassende Erneuerung einschließlich der Natur erwartet und durch sein Handeln in seine Zeit hineingezogen.[65]

Daran knüpfen Worte vom Sturz Satans (Lk 10,18 ff.) an oder das Streitgespräch darüber, ob Jesus seine Heilkraft von Beelzebub oder Gott empfangen habe (Mt 12,22 ff. par.). Der „Stürmerspruch“ (Mt 11,12) legt nahe, dass der Ankunft der Gottesherrschaft gewaltsame Konflikte vorausgehen, die seit dem Auftreten des Täufers Johannes bis in Jesu Gegenwart andauern.[66] Wie Johannes predigte Jesus ein unerwartet hereinbrechendes Gericht, das eine letzte Chance zur Umkehr bietet (Lk 12,39–48). Anders als dieser stellte er die Einladung zum Gottesreich wie zu einem für alle offenen Festmahl heraus.[67] Eventuell verknüpfte er die Rettung aus dem Endgericht mit der aktuellen Entscheidung seiner Hörer zu seiner Botschaft (Mk 8,38; Lk 12,8).[68]

Die der Logienquelle zugewiesenen „Seligpreisungen“ (Lk 6,20–23; Mt 5,3–10) sagen Gottes Herrschaft den aktuell Armen, Trauernden, Machtlosen, Verfolgten als gerechte Wende zur Aufhebung ihrer Not zu. Diese Menschen waren die ersten und wichtigsten Adressaten Jesu. Seine oft für authentisch gehaltene Antwort auf die Täuferfrage (Mt 11,4 ff.) weist darauf hin, dass ihnen in Jesu Heilungen schon das Reich Gottes begegne. Seine Antrittspredigt (Lk 4,18–21) aktualisiert die biblische Verheißung eines Erlassjahres zur Entschuldung und Landumverteilung (Lev 25) für die gegenwärtig Armen.

Sozialhistorische Untersuchungen erklären solche NT-Texte aus damaligen Lebensumständen: Juden litten unter Ausbeutung, steuerlichen Abgaben für Rom und den Tempel, täglicher römischer Militärgewalt, Schuldversklavung, Hunger, Epidemien und sozialer Entwurzelung.[69] Manchmal wird die Armentheologie in der ältesten Jesusüberlieferung aus dem Einfluss kynischer Wanderphilosophen erklärt,[70] meist aber aus biblischen, besonders prophetischen Traditionen.[71]

Wolfgang Stegemann zufolge strebten Jesus und seine Anhänger mit ihrer Reich-Gottes-Predigt keine „Aushandlungsprozesse über ein bestimmtes Gesellschaftsmodell“ an, sondern erwarteten die Durchsetzung einer anderen Ordnung allein von Gott. Ihre Botschaft konnte nur angenommen oder abgelehnt werden (Lk 10,1–12). Sie habe die Gottesherrschaft nach dem Modell eines wohltätigen, von Reichen meist vergeblich erwarteten Patronats gegen aktuell erfahrene Herrschaftsformen gestellt.[72] John Dominic Crossan zufolge verbreitete die Jesusbewegung durch „kostenloses Heilen und gemeinsames Essen“, ohne sesshaft zu werden, einen radikalen Egalitarismus. So habe sie die Gottesherrschaft unmittelbar erlebbar werden lassen und die hierarchischen Wertmaßstäbe und Gesellschaftsstrukturen angegriffen, um sie zu entkräften.[73] Ähnlich meint Martin Karrer, Jesus habe eine „subversive“ Bewegung der Abweichler von religiösen und gesellschaftlichen Normen bewirkt.[71]

Tätigkeit als Heiler

Antike Quellen erzählen oft von wunderbaren Heilungen, doch nirgends so oft von einer Einzelperson wie im NT.[74] Die Evangelien überliefern von Jesus Heilungswunder als Exorzismen oder Therapien sowie Geschenk-, Rettungs-, Normenwunder und Totenerweckungen.[75] Die Exorzismen beziehen sich auf damals unheilbare Krankheiten oder Defekte wie „Aussatz“ (alle Hautkrankheiten), verschiedene Erblindungen[76] und heute als Epilepsie[77] und Schizophrenie bezeichnete Krankheitsbilder. Davon Betroffene galten als „von unreinen Geistern (Dämonen) besessen“ (Mk 1,23).[78] Man vermied Umgang und Berührung mit ihnen, vertrieb sie aus bewohnten Gegenden und lieferte sie so oft dem Tod aus.[79]

Exorzismen- und Therapietexte betonen Jesu Zuwendung zu solchen Ausgegrenzten, auch Nichtjuden, die die Ursache ihrer Ausgrenzung beseitigte und so ihre Isolation aufhob. Ihre Rahmenverse laden oft zu Glauben und Umkehr ein. Seine Heilerfolge hätten ihm Misstrauen, Neid und Abwehr eingebracht, die Tötungspläne seiner Gegner ausgelöst (Mk 3,6; Joh 11,53) und Forderungen nach demonstrativen „Zeichen und Wundern“ bewirkt. Diese habe Jesus abgelehnt (Mk 8,11 ff.; 9,19 ff.). Besondere Züge der NT-Wundertexte sind, dass der Wundertäter die Heilung dem Glauben der Geheilten zuspricht („Dein Glaube hat dich gerettet“: Mk 5,34; 10,52; Lk 17,19 und andere) und sie als Zeichen für den Beginn des Reiches Gottes und das Ende der Herrschaft des Bösen deutet (Mk 3,22 ff., ein meist für echt gehaltenes Jesuswort). Daher nehmen Neutestamentler an, dass Jesus die ältesten Exorzismus- und Therapietexte anregte: Weil Augenzeugen sein Handeln als Wunder erlebten, hätten sie es weitererzählt und ihm dann weitere Wunder zugeschrieben.[74]

Tora-Auslegung

Die Bergpredigt (Mt 5–7) wird als „Lehre“ Jesu eingeführt (Mt 5,2). Sie wurde von Urchristen aus Einzelpredigten Jesu zusammengestellt und vom Evangelisten redigiert oder komponiert.[80] Ihr Beginn (Mt 5,14 ff.) erinnert Jesu Nachfolger an Israels Auftrag, als Volk Gottes „Licht der Völker“ zu sein (Jes 42,6), indem es die Tora vorbildlich erfüllt. Mt 5,17–20 betont demgemäß, Jesus habe alle überlieferten Gebote erfüllt, nicht aufgehoben.

Ob Jesus selbst das so sah, ist umstritten. Anders als Paulus nahm er nur zu Einzelgeboten, nicht zur Tora insgesamt Stellung, da er sie wie alle damaligen Juden als gültigen Willen Gottes voraussetzte.[81] Einige Gebote verschärfte er, andere entschärfte er, wieder andere relativierte er so, dass sie im Urchristentum aufgehoben wurden. Dies gilt heute als innerjüdische Toradeutung, nicht als Bruch mit dem Judentum. Wie der Rabbiner Hillel (ca. 30 v. Chr. bis 9 n. Chr.) gab Jesus der Nächstenliebe den gleichen Rang wie der Gottesfurcht und ordnete sie damit den übrigen Torageboten über (Mk 12,28–34). Er sah sich zu denen gesandt, die wegen Übertretungen verachtet wurden (Mk 2,17 EU): „Nicht die Starken brauchen einen Arzt, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.“ Damit waren unter anderem jüdische „Zöllner“ gemeint, die für die Römer Steuern eintrieben, oft dabei ihre Landsleute übervorteilten und daher gehasst und gemieden wurden. Nach Lk 19,8 lud Jesus sie zum Teilen mit den Armen ein, nach Mt 6,19-24 deutete er das Anhäufen von Besitz als Bruch des ersten Gebots. Erst mit der Besitzaufgabe für die Armen erfülle der gesetzestreue Reiche alle Zehn Gebote so, dass er zur Nachfolge frei werde (Mk 10,17–27).

Die „Antithesen“ legen wichtige Toragebote aus. Danach betonte Jesus über deren Wortlaut hinaus die innere Einstellung als Ursache des Vergehens: Das Tötungsverbot (Ex 20,13) breche schon der, der seinem Nächsten bloß zürne, ihn beschimpfe oder verfluche. Damit ziehe er Gottes Zorngericht auf sich. Darum solle er sich erst mit seinem Gegner versöhnen, bevor er im Tempel Opfer darbringe (Mt 5,21–26). Ehebruch (Ex 20,14) begehe innerlich schon, wer als verheirateter Mann eine andere Frau begehre (Mt 5,27–30). Missbrauch des Gottesnamens (Ex 20,7) und Lüge (Ex 20,16) sei jeder Eid, nicht erst ein Meineid (Mt 5,33 ff.). Weil Gott Erhaltung seiner Schöpfung versprochen habe (Gen 8,22), sollen Juden und Jesusnachfolger auf Vergeltung (Gen 9,6) durch Gegengewalt verzichten (Mt 5,39) und stattdessen mit kreativer Feindesliebe antworten, gerade auch ihre Verfolger als Nächste segnen, sie mit Fürsorge und freiwilligem Entgegenkommen überraschen und so „entfeinden“ (Mt 5,40–48).[82] Damit erinnerte Jesus an Israels Aufgabe, alle Völker zu segnen, um auch sie von Gewaltherrschaft zu befreien (Gen 12,3), die Herrschaft des „Bösen“ zu beenden und Gottes Reich herbeizurufen.[83] Darum warnt Jesus laut (Mt 7,1–3 EU) davor, die Tora und seine Toraauslegung zur unbarmherzigen Verurteilung anderer zu missbrauchen:[84]

„Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden. Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“

Nach Joh 8,7 EU rettete Jesus eine Ehebrecherin vor der Steinigung, indem er den Anklägern ihre eigene Schuld bewusst machte: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ Dies wird als Entkräftung der in der Tora vorgeschriebenen Todesstrafe für Ehebruch (Lev 20,10) gedeutet. Der Satz wird oft für echt oder zumindest Jesus gemäß gehalten, obwohl die Erzählung in älteren Handschriften des Johannesevangeliums fehlt.[85]

Nach Mk 7,15 erklärte Jesus nur das für unrein, was von innen her aus dem Menschen komme, nicht was von außen in ihn hineingehe. Das wurde früher oft als Aufhebung der wichtigen Speise- und Reinheitsgebote und damit als Bruch mit allen übrigen Kultgeboten der Tora verstanden. Heute gilt es eher als Auslegung, die moralische über äußerliche Reinheit stellt.[86] In Konkurrenz zu Sadduzäern und Teilen der Pharisäer wollte Jesus nicht Reine von Unreinen abgrenzen, sondern Reinheit offensiv auf als unrein geltende Gruppen ausweiten. Daher integrierte er in Israel ausgegrenzte Lepra-Kranke (Mk 1,40–45), Sünder (Mk 2,15) und Zöllner (Lk 19,6) und verweigerte sich nicht kontaktsuchenden Nichtjuden (Mk 7,24–30).[87]

Anhänger

Reichenauer Schule: Christus spricht zu den Jüngern (um 1010)

Von Beginn seines Auftretens an berief Jesus nach dem NT männliche und weibliche Jünger (Mk 1,14 ff.) dazu, wie er Beruf, Familie und Besitz zu verlassen (Mk 10,28–31) und mittel- und waffenlos umherziehend Gottes Reich zu verkünden. Sie gehörten wie er zum einfachen Volk, das verarmt und vielfach vom Hunger bedroht war. Sie wurden ausgesandt, um Kranke zu heilen, Dämonen auszutreiben und Gottes Segen weiterzugeben. Beim Betreten eines Hauses sollten sie mit dem Friedensgruß „Schalom“ die ganze Sippe unter Gottes Schutz stellen. Waren sie nicht willkommen, dann sollten sie den Ort verlassen, ohne zurückzukehren, und ihn Gottes Gericht überlassen (Mt 10,5–15).[88]

Diese Aussendungsrede und vergleichbare Nachfolgetexte werden der Logienquelle zugewiesen und in der sozialhistorischen Forschung als Ausdruck für die Lebensumstände und Wertvorstellungen der frühen Jesusbewegung gedeutet. Auf solche Texte stützte Gerd Theißen 1977 seine einflussreiche soziologische These vom Wanderradikalismus: Die Jesusbewegung habe inmitten einer ökonomischen Krise und zerfallender sozialer Bindungen ein damals attraktives, charismatisches Nachfolgeethos zur Erneuerung des Judentums vertreten. Die engeren Anhänger Jesu seien im Bewusstsein einer endzeitlichen Rettungsaufgabe als besitz- und waffenlose Wanderer umhergezogen und von ortsansässigen Sympathisanten materiell unterstützt worden.[89]

Nach Géza Vermes waren Jesus und seine Anhänger von einem „charismatischen Milieu“ im damaligen Galiläa beeinflusste „Wandercharismatiker“. Denn auch von Chanina ben Dosa (um 40–75), einem Vertreter des galiläischen Chassidismus, wurden Armenfürsorge, Besitzlosigkeit, Wunderheilungen durch Gebet und Toraauslegungen überliefert.[90]

Sollte Jesus einen engeren, leitenden Zwölferkreis (Apostel) ausgewählt haben, unterstreicht dies nach James H. Charlesworth seinen gewaltfreien politischen Anspruch, der zur Zeit des jüdischen zweiten Tempels nicht von religiösen Zielen zu trennen war. Denn die Testamente der zwölf Patriarchen und andere Dokumente weisen auf die Bedeutung der zwölf Stämme Israels zur Zeit Jesu hin. Diese sollten auf der Erde herrschen, wenn Gott die politische Autonomie Israels wiederherstellen würde.[91]

Frauen, Ehe, Ehebruch

Jesu Verhalten gegenüber Frauen war im patriarchalischen Judentum damals neu und ungewöhnlich. Viele der berichteten Heilungen galten sozial ausgegrenzten Frauen wie Prostituierten, Witwen oder Ausländerinnen. Geheilte Frauen folgten ihm von Beginn an nach (Mk 1,31), manche versorgten ihn und die Jünger (Lk 8,2 f.). Sie spielten laut NT für Jesus auch sonst eine wichtige Rolle: Eine Frau soll ihn vor seinem Tod gesalbt (Mk 14,3–9), die Gattin des Pilatus soll gegen seine Hinrichtung protestiert haben (Mt 27,19). Nachfolgerinnen Jesu sollen nicht geflohen sein, sondern sein Sterben begleitet, seine Grablegung beobachtet (Mk 15,40 f.), sein leeres Grab entdeckt (Mk 16,1–8) und als erste seine Auferweckung bezeugt haben (Lk 24,10; Joh 20,18).

Nach Mt 19,12 gebot Jesus seinen Jüngern die Eheschließung nicht, sondern ließ um ihrer Aufgabe willen, der Reich-Gottes-Verkündigung, Ehelosigkeit zu. Einige Jünger traf Paulus später mit ihren Ehefrauen in Jerusalem an (1 Kor 9,5). Diese können also schon mit Jesus und ihren Männern umhergezogen sein. Die NT-Evangelien zeigen keine Spur einer Partnerschaft Jesu; er kann unverheiratet gewesen sein.[92] Nur das späte apokryphe Philippusevangelium erwähnt in einem unvollständigen, in der Übersetzung ergänzten Vers (6,33): Jesus habe Maria Magdalena [oft auf den Mund] geküsst. Dies weist im Kontext nicht auf eine Partnerschaft, sondern auf das Übertragen einer göttlichen Seelenkraft hin.[93] Die NT-Forschung weist populäre Theorien, Maria Magdalena sei Jesu Ehefrau gewesen, als quellenlose Fiktion zurück.[94]

Während die Tora laut Dtn 24,1–4 Männern die Ehescheidung mit einem Scheidebrief für die geschiedene Frau erlaubte, betonte Jesus gegenüber Pharisäern nach Mk 10,2–12 die Unauflösbarkeit der Ehe gemäß Gen 1,27 und verbot gegenüber seinen Jüngern beiden Ehepartnern die Scheidung und Wiederheirat. Nach Mt 5,32 und 19,9 begründete er dies als Schutz der Frau, die sonst zu Ehebruch genötigt werde. Der Einschub „abgesehen von (vom Fall eines) Ehebruch(s)“ (porneia) gilt als redaktioneller Zusatz. Nach Lk 16,18 sprach Jesus den jüdischen Mann an, der bei Wiederheirat die fortbestehende erste Ehe breche.[95]

Da manche Schriftrollen vom Toten Meer (CD 4,12–5,14) und die Rabbinerschule Schammai eine ähnliche Position vertraten, wird vermutet, dass diese Strenge auf damalige soziale Auflösungstendenzen im Judentum reagierte und sowohl das Verhalten der Oberschicht kritisieren wie auch verarmte, von Zerrüttung gefährdete Familien schützen sollte.[96] Dass Jesus sein Verbot an jüdische Männer richtete und des Ehebruchs angeklagte Frauen laut Lk 7,36 ff.; Joh 8,2 ff. verteidigte, wird als Absicht zum Schutz der Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft gedeutet.[97]

Pharisäer

Pharisäer und Toragelehrte erscheinen in den Evangelien meist als Kritiker des Verhaltens Jesu und seiner Nachfolger. Sie empört seine Sündenvergebung als todeswürdige Anmaßung (Mk 2,7), sie missbilligen seine Tischgemeinschaft mit als „unrein“ ausgegrenzten „Zöllnern und Sündern“ (2,16) und das Feiern seiner Jünger (2,18); deshalb verachten sie ihn stereotyp als „Fresser und Weinsäufer“ (Lk 7,31–35). Besonders Jesu demonstrative Sabbatheilungen und Erlaubnis zum Sabbatbruch (Mk 2–3) provozieren ihre Feindschaft. Nach Mk 3,6 planen sie darum zusammen mit Herodesanhängern seinen Tod. Vorsätzlicher Sabbatbruch war nach Ex 31,14 f., Num 15,32–35 durch Steinigung zu ahnden. Joh 8,59 und 10,31.39 erwähnen Steinigungsversuche jüdischer Gegner Jesu, weil er sich über Abraham und Mose gestellt habe.

Diese Verse gelten als ahistorisch, da die Pharisäer weder geschlossen noch mit den Toralehrern identisch noch mit Herodianern verbunden waren. Die Passionstexte erwähnen sie kaum und Jesu Sabbatkonflikte gar nicht. Die Verse sollten offenbar die Ereignisse in Galiläa redaktionell mit Tötungsplänen der Jerusalemer Gegner Jesu (Mk 11,18; 12,13; vgl. Joh 11,47; 18,3) verklammern.[98]

Andere NT-Texte kommen der historischen Lage näher: Nach Mk 2,23 ff. begründete Jesus das Ährensammeln seiner Jünger am Sabbat als biblisch erlaubte Gebotsübertretung bei akuter Hungersnot. Er ergänzte damit die damals diskutierten Ausnahmen vom Sabbatgebot zur Lebensrettung.[99] Nach Lk 7,36; 11,37 luden Pharisäer Jesus zum Essen in ihre Häuser ein und interessierten sich dabei für seine Lehre. Nach Mk 12,32 ff. stimmte ein Jerusalemer Pharisäer Jesus zu, die Tora im Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe zusammenzufassen. Solche Summarien entsprachen jüdischer Tradition. Auch in der Erwartung des Reiches Gottes und einer Auferstehung aller Toten stimmten die Pharisäer mit Jesus überein. Nach Lk 13,31 warnten und retteten sie ihn vor Nachstellungen des Herodes. Ein Pharisäer sorgte für Jesu Bestattung.

Viele Forscher nehmen heute an, dass Jesus den Pharisäern unter damaligen Juden am nächsten stand. Dass sie dennoch zu seinen Gegnern stilisiert wurden, wird aus der Situation nach der Tempelzerstörung im Jahr 70 erklärt: Danach übernahmen Pharisäer die Führungsrolle im Judentum. Juden und Christen grenzten sich verstärkt voneinander ab und legitimierten dies wechselseitig in ihren damals entstandenen Schriften.[100]

Herodianer

Der von Rom eingesetzte Vasallenkönig Herodes der Große war vielen Juden als aus Idumäa stammender „Halbjude“ verhasst. Gegen die hohen Steuerauflagen für seine Palast- und Tempelbauten kam es zu Aufständen. Darum teilte Rom sein Herrschaftsgebiet nach seinem Tod 4 v. Chr. unter seine vier Söhne auf, die sich nicht mehr „König der Juden“ nennen durften und dem römischen Präfekten unterstellt wurden.[101] Herodes Antipas, der Galiläa und Peräa zur Zeit Jesu regierte, ließ die galiläischen Orte Sepphoris und Tiberias zu hellenisierten Metropolen ausbauen. Diese Städte und die dort angesiedelten Juden galten der galiläischen Landbevölkerung und antirömischen Jerusalemern als unrein.[102]

Die Zweitehe des Antipas mit seiner zuvor schon verheirateten Nichte Herodias galt als eklatanter Torabruch.[103] Er ließ Johannes den Täufer laut Mk 6,17–29 wegen seiner Kritik daran verhaften und enthaupten und soll auch Jesus nach Mk 3,6 und Lk 13,31 namentlich gekannt und verfolgt haben. Damit erklärt Mt 14,13, dass Jesus keine der von Antipas erbauten Städte besuchte.[104] Nach Lk 23,6–12.15 soll Antipas den inhaftierten Jesus verhört und dann als harmlosen Verrückten an Pilatus übergeben haben. Dies gilt als redaktioneller Versuch, die folgend berichteten Freigabeversuche des Pilatus plausibel zu machen.[105]

Sadduzäer

Jesu Hauptgegner in Jerusalem waren die hellenistisch gebildeten und wohlhabenden Sadduzäer, die als priesterliche Erben der Leviten den Jerusalemer Tempel leiteten. Der dortige zentrale, von allen Juden zu befolgende Opferkult war ihre Existenzgrundlage und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für ganz Palästina.[106] Sie stellten den Hohepriester, der sein erbliches Amt als höchster Richter für Kultfragen auf Dtn 17,8–13 zurückführte.

Die Amtsträger wurden aber seit 6 n. Chr. von römischen Präfekten ein- und abgesetzt und mussten diese bei der ordnungspolitischen Kontrolle von Judäa-Syrien unterstützen. Dafür durften sie die für Juden obligatorische Tempelsteuer eintreiben, den Tempelkult verwalten, eine bewaffnete Tempelgarde unterhalten und auch wohl über Kultvergehen urteilen, aber keine Todesstrafen vollstrecken; dies oblag nur den römischen Präfekten.[107] Im Hinterland war ihr Einfluss zwar geringer, doch setzten sie auch dort die Tempelsteuer und Einhaltung der Kultgebote durch.

Jesus hat die Tempelpriester offenbar nicht grundsätzlich abgelehnt: Denn nach Mk 1,44 sandte er in Galiläa Geheilte zu ihnen, damit sie deren Gesundung feststellten und sie wieder in die Gesellschaft aufnahmen. Nach Mk 12,41 ff. lobte er Tempelspenden einer armen Witwe als Hingabe an Gott, die er bei Reichen vermisste. Seine Tora-Auslegung ordnete Opfer der Versöhnung mit Streitgegnern unter (Mt 5,23 f.).

Zeloten

Jesus trat in einem von starken religiös-politischen Spannungen bestimmten Land auf. Aus Galiläa, dem früheren Nordreich Israel, kamen seit Generationen jüdische Befreiungskämpfer gegen Fremdmächte. Seit dem 6 n. Chr. niedergeschlagenen Steuerboykott des Judas Galilaeus traten Widerstandsgruppen hervor, die die römische Fremdherrschaft mit verschiedenen Mitteln bekämpften, Aufstände vorzubereiten suchten und verhasste Kaiserstandarten, Feldzeichen und andere Besatzungssymbole angriffen. Manche begingen Messer-Attentate auf römische Beamte („Sikarier“, Dolchträger). Diese heute als Zeloten („Eiferer“) bezeichneten Gruppen wurden damals von Römern und dem römerfreundlichen Historiker Josephus generell als „Räuber“ oder „Mörder“ abgewertet und stigmatisiert.[108]

Jesus richtete seine apokalyptische Botschaft vom nahen Reich Gottes an alle Juden. Er kündigte damit öffentlich das baldige Ende aller Gewaltimperien an. Sein Wirken solle dieses Reich aktiv herbeiführen und in seinen Heiltaten (Mt 11,5) und seiner gewaltlosen Nachfolge im Kontrast zu den Gewaltherrschern Raum gewinnen (Mk 10,42 ff.). Wie die Zeloten nannte er den Vasallenkönig Herodes Antipas einen „Fuchs“ (Lk 13,32). Bei der Heilung eines Besessenen aus der Garnisonsstadt Gerasa (Mk 5,1–20) befällt der mit dem lateinischen Lehnwort für „Legion“ vorgestellte Dämon eine Schweineherde, die sich dann selbst ertränkt. Damit entlarvte Jesus eventuell die römische Militärherrschaft, um sie symbolisch zu entmachten:[109] Denn das Juden als unrein geltende Schwein war damals als römisches Opfertier und Legionszeichen bekannt. Der Waffenkauf nach Lk 22,36 wird als Erlaubnis Jesu zu begrenztem Widerstand bei Verfolgung auf dem Weg nach Jerusalem gedeutet.[110]

Wegen NT-Texten wie dem Magnificat (Lk 1,46 ff.) oder dem Jubel der Festpilger bei Jesu Ankunft in Jerusalem (Mk 11,9 f.) betonen viele Forscher eine indirekte oder symbolische politische Dimension seines Wirkens.[111] Wohl darum waren einige seiner Jünger frühere Zeloten, so Simon Zelotes (Lk 6,15),[112] eventuell auch Simon Petrus und Judas Iskariot.[113]

Anders als die Zeloten rief Jesus auch als „unrein“ verhasste Steuereintreiber für die Römer („Zöllner“) in seine Nachfolge und war ihr Gast (Mk 2,14 ff.), freilich um ihr Verhalten gegenüber den Armen grundlegend zu ändern (Lk 19,1–10). Anders als jene, die Gottes Gericht mit Gewalt an Andersgläubigen vorwegnehmen wollten, rief er seine Hörer zur Feindesliebe auf (Mt 5,38–48). Als Kritik an den Zeloten wird auch das Wort Mt 11,12 von den „Gewalttätigen, die Gottes Reich herbeizwingen und sich mit Gewalt seiner bemächtigen“ gedeutet.[114]

Römische Münzen mit Kaiserköpfen verstießen für Zeloten gegen das biblische Bilderverbot (Ex 20,4 f.), so dass sie Abgaben an Rom verweigerten. Die Steuerfrage seiner Jerusalemer Gegner sollte Jesus als Zeloten überführen. Seine überlieferte Antwort entzog sich der gestellten Falle (Mk 12,17 EU): „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ Da nach Mt 6,24 für Jesus der ganze Mensch Gott gehörte, konnte dies als Absage an die Kaisersteuer aufgefasst werden, überließ aber den Angeredeten diese Entscheidung. Erst die Evangelisten wiesen diese Deutung zurück (Lk 23,2 ff.).[115]

Dass Jesu Wirken politische Reaktionen hervorrief, zeigt seine Kreuzigung beim höchsten jüdischen Fest. Fraglich ist jedoch, ob er einen politischen Messiasanspruch erhob.[116] Deutsche Neutestamentler betonten früher meist den unpolitischen Charakter seines Auftretens. Seine Hinrichtung als König der Juden (Messiasanwärter) galt als Justizirrtum und „Missverständnis seines Wirkens als eines politischen“.[117] Dagegen zeigten jüngere Untersuchungen partielle Übereinstimmungen Jesu mit der jüdischen Widerstandsbewegung auf und erklärten sein gewaltsames Ende als zu erwartende Folge seines eigenen Handelns.[118]

Ereignisse am Lebensende

Einzug in Jerusalem

Giotto di Bondone: Einzug in Jerusalem (um 1305)

Nach Mk 11,1–11 EU ritt Jesus im Gefolge seiner Jünger auf einem jungen Esel in Jerusalem ein, während eine Pilgermenge ihm zujubelte:

„Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! Gesegnet sei das Reich unseres Vaters David, das nun kommt. Hosanna in der Höhe!“

Der Anruf „Hosanna“ („Gott, rette doch!“: Ps 118,25) war beim Laubhüttenfest und der Inthronisation eines Königs üblich (2 Sam 14,4; 2 Kön 6,26). Der Lulav, ein Dattelpalmenzweig, gehört ebenfalls zum zeremoniellen Teil des Laubhüttenfestes. „Der kommt im Namen Gottes“ meinte den erwarteten Messias auf dem Thron König Davids (2 Sam 7,14 ff.), als den die Evangelien Jesus verkündigen (Mt 11,3; 23,39; Lk 7,19; 13,35).[119] Mit ausgestreuten Palmzweigen (V. 8), einem antiken Triumphsymbol, feierten Juden ihre Siege über Nichtjuden (Jdt 15,12; 1 Makk 13,51; 2 Makk 10,7).

Jesu Eselsritt erinnert an Sach 9,9 ff.: Dort wird ein machtloser Messias angekündigt, der die Kriegswaffen in Israel abschaffen und allen Völkern Frieden gebieten werde. Diese nachexilische Zusage hielt die frühere Verheißung universaler Abrüstung fest, die in Israel beginnen sollte (Jes 2,2–4/Mi 4,1–5; Schwerter zu Pflugscharen). Sie widersprach also der Erwartung der Bevölkerung an einen Davidnachfolger, die Fremdherrscher zu vertreiben und das Großreich Israel zu erneuern.

Im damaligen Judentum war die Messiashoffnung mit der Sammlung aller exilierten Juden, gerechten Rechtsprechung im Innern und Befriedung der Völkergemeinschaft verbunden. Einzüge jüdischer Thronanwärter waren jedoch oft Signal für Aufstände. So strebte der Zelot Schimon bar Giora laut Josephus um 69 das jüdische Königtum an: Er sei dazu mit seinen Anhängern als charismatischer „Retter und Beschützer“ der Juden triumphal in Jerusalem eingezogen, aber von den Römern in einem Purpurmantel gefangen, nach Rom überführt und dort hingerichtet worden.[120]

Auch Jesus weckte messianische Hoffnungen der Landbevölkerung, etwa indem er den Armen den Landbesitz zusagte (Mt 5,3), seine Heiltaten als anfängliche Realisierung dieser Zusagen erklärte (Lk 11,20) und sich auf dem Weg in die Tempelstadt von Armen als Sohn Davids anreden ließ (Mk 10,46.49). Daher bedeutete Jesu Jerusalembesuch zum Pessach eine Konfrontation mit den dortigen Machteliten der Sadduzäer und Römer, bei der ihm das Todesrisiko bewusst gewesen sein muss.[121] Das gewaltlose Messiasbild entspricht für echt gehaltenen Aussagen Jesu wie Mk 10,42 ff. EU: Er sei gekommen, als Menschensohn allen wie ein Sklave zu dienen, um der Unterdrückung durch Gewaltherrscher seine herrschaftsfreie Vertrauensgemeinschaft entgegenzustellen.[122]

Die Römer verhörten und kreuzigten Jesus wenige Tage später als mutmaßlichen „König der Juden“. Sein als Messiasankunft bejubelter Einzug kann der Anlass dafür gewesen sein.[123] Römer fürchteten eine Volksmenge (Mk 5,21) als „gefährliche und unberechenbare soziale Gruppe“, als „Mob“.[124] Jedoch können Urchristen die Szene übertreibend als „Gegenbild zum Einzug des Präfekten in die Stadt zu den drei großen Festen“ dargestellt haben.[125] Eventuell fügten sie den Eselsritt hinzu, da eine solch eindeutige Messiasdemonstration die Römer sofort zur Festnahme Jesu veranlasst hätte.[126]

Kritik am Tempelkult

Giotto di Bondone: Jesus vertreibt die Händler aus dem Tempel

Nach Mk 11,15 ff. vertrieb Jesus am Tag nach seinem Einzug einige Händler und Geldwechsler aus dem Tempelvorhof für Israeliten, Proselyten und Nichtjuden. Die in der Säulenhalle auf der Tempelsüdseite tätigen Händler verkauften kultisch zulässiges Opfermaterial (Tauben, Öl und Mehl) an Wallfahrer und nahmen die von allen Juden jährlich entrichtete Tempelsteuer für kollektive Tieropfer ein. Jesus habe ihre Stände umgestoßen und verhindert, dass Gegenstände durch diesen Bereich getragen wurden. Er störte demnach das ordnungsgemäße Darbringen gekaufter Opfer und Überbringen eingenommener Geldmittel und griff damit demonstrativ den Tempelkult an.[127]

Ob die Aktion historisch ist und falls ja, ob sie den jüdischen Tempelkult als Institution oder nur bestimmte Missstände angreifen sollte, wird diskutiert. Meist wird eine nur von wenigen beobachtete Szene angenommen, keine dramatische Szene wie in Joh 2,13–22, da sonst die jüdische Tempelgarde oder sogar römische Soldaten aus der angrenzenden Burg Antonia eingeschritten wären. Da Jesus weiter im Tempelbezirk mit Jerusalemer Toralehrern diskutierte (Mk 11,27; 12,35), sollte seine Aktion offenbar solche Debatten anstoßen. Der Zulauf dazu macht plausibel, dass die Tempelpriester nun, wenige Tage vor dem Pessach, heimlich Jesu nichtöffentliche Festnahme geplant haben sollen (V. 18).[128]

Jesus begründete die Vertreibung der Opferhändler nach Mk 11,17 EU mit einem Hinweis auf die Verheißung Jes 56,7: „Heißt es nicht in der Schrift: Mein Haus soll ein Haus des Gebetes für alle Völker sein?“ Demnach wollte er nicht den Tempelgottesdienst beenden, sondern auch Nichtjuden freien Zugang dazu eröffnen, den künftig alle Völker haben sollten. Diese eschatologische „Tempelreinigung“ griff das prophetische Motiv der künftigen „Völkerwallfahrt zum Zion“ auf, an das auch andere Jesusworte (Mt 8,11 f.; Lk 13,28 f.) erinnern, und kann als Aufruf zu einer entsprechenden Kultreform gedeutet werden.[129]

In Spannung dazu steht der Folgevers: Ihr aber habt daraus eine Räuberhöhle gemacht. Der Ausdruck spielt auf Jer 7,1–15 an, wo der Gerichtsprophet Jeremia um 590 v. Chr. die Zerstörung des ersten Tempels ankündigt und mit fortgesetzten Rechtsbrüchen der Jerusalemer Priester begründet. Sie hätten den Tempel wie Räuber als Versteck missbraucht, indem sie sich auf Gottes vermeintlich sichere Präsenz beriefen, aber den Armen gerechtes Verhalten verweigerten. Die Echtheit dieses Jesusworts ist umstritten. „Räuber“ nannten Römer damals zelotische Rebellen, die sich gern in Höhlen versteckten; die Sadduzäer dagegen waren ihnen treu ergeben. Im Verlauf des jüdischen Aufstands (66-70) verschanzten sich Zeloten zeitweise im Tempel; der Ausdruck kann daher die Rückschau der Urchristen spiegeln.

Laut Joh 2,13 forderte Jesus bei seiner Aktion den Abriss des Tempels. Daher wird vermutet, dass er in diesem Kontext Zerstörung (Mk 13,2) und Neubau (Mk 14,58) des Tempels ankündigte. Nach Jens Schröter beabsichtigte Jesus keinen realen Tempelneubau, sondern stellte wie mit seiner „Kritik an den Reinheitsgeboten die an den vorhandenen Institutionen orientierte Verfassung Israels in Frage“, um die Juden wie Johannes der Täufer auf die unmittelbare Begegnung mit Gott vorzubereiten.[130] Nach Peter Stuhlmacher erhob er damit einen impliziten Messiasanspruch, weil die Nathanweissagung 2 Sam 7,1–16 dem Davidnachfolger für den Tempelbau ewige Herrschaft und vor allem die Gottessohnschaft zusagte und apokryphe jüdische Texte (PsSal 17,30; 4Q flor 1,1–11) mit Bezug darauf vom künftigen Messias eine Reinigung und den Neubau des Tempels erwarteten.[131]

Für Jostein Ådna provozierte Jesus zudem die Ablehnung seines mit Tempelaktion und Tempelwort verbundenen Umkehrrufs und lieferte sich so selbst an seine Hinrichtung aus. Denn er habe geglaubt, Gottes Heilshandeln könne sich bei ausbleibender Umkehr seiner Adressaten nur durch „seinen Sühnetod als endzeitlichem Ersatz für den Sühnopferkult des Tempels“ durchsetzen.[132]

Festnahme

Giotto di Bondone: Judaskuss und Gefangennahme Christi

Der Tempelaktion folgen verschiedene Lehrreden und Streitgespräche Jesu mit Jerusalemer Priestern und Toralehrern, die die Vollmacht seines Handelns bestreiten (Mk 11,28) und dabei ihren Tötungsplan verfolgen (Mk 11,18; 12,12). Angesichts der Sympathien vieler Festbesucher für Jesus hätten sie seine heimliche Festnahme „mit List“ verabredet (14,1). Dabei habe ihnen Judas Iskariot unverhofft Hilfe angeboten (14,11). Die Festnahme sei nachts nach dem letzten Mahl Jesu mit seinen erstberufenen Jüngern (14,17–26) im Garten Getsemani, einer Lagerstätte für Pessachpilger am Fuß des Ölbergs, erfolgt. Dorthin habe Judas eine mit „Schwertern und Stangen“ bewaffnete „große Schar“ geführt, darunter einen Diener des Hohenpriesters. Auf ein verabredetes Zeichen hin, den Judaskuss, hätten sie Jesus festgenommen. Dabei hätten einige Jünger ihn gewaltsam zu verteidigen versucht. Dies habe er zurückgewiesen, indem er seine Festnahme als vorherbestimmten Willen Gottes angenommen habe. Daraufhin seien alle Jünger geflohen (14,32.43–51).

Diese Darstellung legt nahe, dass der Hohepriester Jesus durch die jüdische Tempelwache, die zum Waffentragen berechtigt war, festnehmen ließ, da der vorige öffentliche Tempelkonflikt die Machtposition des Sanhedrin (des Hohen Rats) als zentrale Institution des Judentums gefährden konnte.[133] Der Hohepriester wurde damals von den Römern ein- und abgesetzt und konnte nur im Rahmen römischen Besatzungsrechts handeln. Der von ihm geführte Sanhedrin war verpflichtet, potentielle Unruhestifter festzusetzen und auszuliefern. Sonst hätten die Römer ihm die restliche Selbständigkeit nehmen können, wie es bei der Zerstörung des Tempels später geschah.[134] Daher wird Jesu Festnahme als vorbeugende Maßnahme gedeutet, um das jüdische Volk vor den Folgen eines Aufruhrs zu schützen und den Tempelkult nach gültigen Torageboten zu bewahren.[135] Dem entspricht das realpolitische Kalkül, mit dem der Hohepriester den Sanhedrin laut Joh 11,50 EU und 18,14 EU überzeugt haben soll, Jesus festzunehmen und hinrichten zu lassen: „Es ist besser, dass ein einziger Mensch für das Volk stirbt.“[136] Dass der Sanhedrin schon vor Jesu Festnahme geplant haben soll, ihn zur Hinrichtung an Pilatus auszuliefern, gilt jedoch als tendenziöse Redaktion.[137] Denn die Tempelaktion betraf die Römer nicht und griff ihr Besatzungsstatut nicht an, solange sie keine Unruhen auslöste, gefährdete aber die Autorität und relative Autonomie der Hohenpriester in Kultfragen.[138]

Nach Joh 18,3.12 soll eine Soldatentruppe (griech. speira) unter einem Offizier (griech. chiliarchos) zusammen mit Dienern des Sanhedrin Jesus mit Waffengewalt festgenommen haben. Der Ausdruck speira verweist auf eine römische Kohorte. Sie umfasste nach zeitgenössischen Quellen zwischen 600 und 1000 Soldaten.[139] Eine Kohorte war ständig in der Burg Antonia oberhalb des Tempelbezirks stationiert, um Aufstände an hohen jüdischen Festen zu verhindern. Sie wurde zum Pessachfest um weitere Truppen aus Cäsarea verstärkt.[140]

Der jüdische Historiker Paul Winter nahm daher an, Jesus sei auf Befehl des Pilatus, nicht des Hohenpriesters, durch römische Soldaten, nicht jüdische Tempelwächter festgenommen worden. Die Besatzer hätten mögliche politisch-revolutionäre Tendenzen unterdrücken wollen, die sie unter Jesu Nachfolgern vermuteten und als Wirkung seines Auftretens befürchteten.[141] Auch Wolfgang Stegemann hält eine römische Beteiligung an Jesu Festnahme für denkbar, da die Römer rebellische Tendenzen in Judäa damals oft im Keim erstickten und Jesu Einzug und Tempelaktion solche Tendenzen für sie nahegelegt habe.[142] Klaus Wengst hält die johanneische Festnahmeszene dagegen für insgesamt ahistorisch, da eine ganze Kohorte kaum zur Festnahme eines Einzelnen aufmarschiert wäre, ihn nicht einer jüdischen Behörde übergeben hätte und niemanden, der sich wehrte, hätte entkommen lassen.[143] Die Szene soll die Souveränität des Gottessohns über die übermächtige Gewaltherrschaft der gottfeindlichen Mächte ausdrücken.[144]

Für eine zeitnahe Abfassung des Markusberichts spricht, dass er die Namen der sich widersetzenden Jünger anders als sonst nicht nennt. Diese Personen waren Jerusalemer Urchristen eventuell ohnehin bekannt und blieben hier anonym, um sie vor römischen oder jüdischen Verfolgern zu schützen.[145] Zur vermuteten römischen Initiative passt Jesu Aussage, man sei gegen ihn wie gegen einen „Räuber“ (Zeloten) vorgegangen, obwohl er tagsüber greifbar gewesen sei. Doch nahm die bewaffnete Schar nur ihn fest und verfolgte seine fliehenden Begleiter nicht; Pilatus ging laut NT auch später nicht gegen die Urchristen vor. Dies deutet eher auf einen religiösen als politischen Festnahmegrund hin.[146]

Vor dem Hohen Rat

Giotto di Bondone: Christus vor dem Hohen Rat

Nach Mk 14,53.55–65 brachte man Jesus dann ins Haus des nicht namentlich genannten Hohepriesters, wo sich Priester, Älteste, Toragelehrte – alle Fraktionen des Sanhedrin – versammelten. Jesus sei mit dem Ziel eines Todesurteils angeklagt worden. Die aufgebotenen Zeugen hätten ein Jesuswort zitiert: Er habe den Abriss und Neubau des Tempels innerhalb von drei Tagen geweissagt. Doch ihre Aussagen hätten nicht übereingestimmt, waren also rechtlich nicht verwertbar. Dann habe der Hohepriester Jesus aufgefordert, zur Anklage Stellung zu nehmen. Nach seinem Schweigen habe er ihn direkt gefragt: „Bist du der Messias, der Sohn des Hochgelobten?“ Darauf habe Jesus geantwortet (Mk 14,62 EU):

„Ich bin es; und ihr werdet sehen den Menschensohn sitzend zur Rechten der Kraft und mit den Himmelswolken kommen.“

Das habe der Hohepriester als Gotteslästerung gedeutet und zum Zeichen dafür sein Amtskleid zerrissen. Darauf habe der Rat Jesus einstimmig zum Tod verurteilt. Einige hätten ihn geschlagen und verhöhnt.

Ob es so einen Prozess gab und falls ja, ob er legal war, ist stark umstritten. Fraglich ist schon, woher die geflohenen Jesusanhänger Details davon erfahren haben können: eventuell durch den „angesehenen Ratsherrn“ Josef von Arimathäa, der Jesus bestattete (Mk 15,43–46). Doch während Mt wie Mk einen nächtlichen Prozess mit einem Todesurteil schildert, wird Jesus nach Lk 22,63–71 erst am Folgetag vom ganzen Rat nach seiner Messianität gefragt und ohne Todesurteil vor Pilatus angeklagt. Nach Joh 18,19 ff. wird er nur von Hannas verhört und dann ohne Ratsprozess und Todesurteil an dessen damals amtierenden Nachfolger Kajaphas, von diesem an Pilatus übergeben.

Die Markusversion beschreibt mit Tötungsvorsatz, heimlicher Sitzung in der Pessachnacht, Falschzeugen, einstimmigem Todesurteil direkt nach dem Verhör und Misshandlung des Verurteilten einen illegalen Prozess. Spätere Vorschriften der Mischna verboten Kapitalprozesse in der Nacht, in Privathäusern, an Festtagen und zugehörigen Rüsttagen. Die Verhandlung musste mit Entlastungszeugen beginnen. Todesurteile durften frühestens einen Tag danach gefällt werden. Die jüngsten Ratsmitglieder sollten ihr Urteil zuerst und unbeeinflusst sprechen.[147] Für Jesu Zeit sind diese Regeln unbelegt. Josephus stellte eine milde, nach 70 durchgesetzte pharisäische einer früheren harten sadduzäischen Strafrechtspraxis gegenüber. Doch direkte Belege für letztere und für ein derartiges Eilverfahren, das Tötungsabsichten begünstigte, fehlen.[148]

Damals durfte in Judäa nur Roms Statthalter Todesstrafen anordnen und vollstrecken lassen. Der Sanhedrin unterstand Roms Herrschaft, durfte sich nur mit Erlaubnis des Statthalters und nur zu besonderen Anlässen vollständig versammeln und musste ihn bei der Durchsetzung von Ruhe und Ordnung unterstützen. Die Römer setzten den Hohepriester ein und ab, verwahrten sein Amtskleid und stellten es ihm nur an Festtagen für Amtshandlungen zur Verfügung. Als der Hohepriester Ananus ben Ananus um 62, als das Statthalteramt vakant war, den Rat einberief und Jesu ältesten Bruder Jakobus steinigen ließ, setzten die Römer ihn deswegen ab.[149] Falls beschriftete Warntafeln im Tempel eine formelle Todesstrafe meinten, durfte der Rat nur nichtjüdische Eindringlinge in den inneren Tempelbereich selbst hinrichten.[150]

Wegen dieser außerchristlichen Belege halten viele Historiker einen regulären Prozess, zumindest ein Todesurteil des Sanhedrin für ahistorisch. Sie nehmen an, dass die Urchristen beides erfanden, um die Römer nach der Tempelzerstörung zu entlasten und die jüdische Führungselite zu belasten.[151] Denn ab etwa 65 waren die Christianoi, die einen von Römern Gekreuzigten verehrten, als kriminelle Vereinigung im Römischen Reich bedroht. Die Tempelzerstörung im Jahr 70 verstärkte ihre Abgrenzung vom Judentum.[152]

Andere nehmen ein Ausnahmeverfahren des Rates an,[153] halten es aber auch dann für unwahrscheinlich, dass dieser Jesus als Lästerer des Gottesnamens oder Verführer des Volkes zum Abfall von JHWH (Dtn 13,6; Lk 23,2; Talmudtraktat Sanhedrin 43a) verurteilte: Denn Jesu theozentrische Botschaft vom Reich Gottes erfüllte das erste der Zehn Gebote,[154] und er umschrieb den Gottesnamen ebenso wie der Hohepriester.[155] Das von den Zeugen zitierte Jesuswort legt eine Anklage auf Falschprophetie (Dtn 18,20 ff.) nahe.[156] Sie werden Falschzeugen genannt, weil sie gegen den Sohn Gottes aussagten, nicht weil sie Jesus falsch zitierten. Sie können Jesus vorgeworfen haben, er habe Unmögliches geweissagt und einen Tempelabriss torawidrig als Gottes Willen ausgegeben. Man konnte jedoch abwarten, ob seine Ankündigung eintrat, bevor man ihn dafür verurteilte (Dtn 18,22). Falschpropheten sollten laut der Tora gesteinigt werden; nur Gotteslästerer und Götzendiener sollten nach der Mischna (Traktat Sanhedrin VI,4) erhängt werden.

Die Tempelpriester verfolgten Tempel- und Kultkritiker auch sonst, etwa Jeremia (Jer 26,1–19; um 590 v. Chr.) und den „Lehrer der Gerechtigkeit“ (um 250 v. Chr.). Ratsmitglieder steinigten den tempelkritischen Urchristen Stephanus, nachdem er dem Rat Justizmord an Jesus vorgeworfen und diesen als inthronisierten Menschensohn verkündet hatte (Apg 7,55 f.; um 36). Als Jesus ben Ananias um 62 in Jerusalem die Zerstörung von Tempel und Stadt ankündigte, nahm der Rat ihn als Ruhestörer fest und überstellte ihn Roms Statthalter, der ihn nach einer Auspeitschung jedoch freiließ.[157]

Falls es einen regulären Prozess des Rates gab, muss dieser kein Todesurteil angestrebt haben. Die Messiasfrage des Hohenpriesters nach dem Zeugenverhör wirkt plausibel, da für ihn gemäß der Nathanverheißung 2Sam 7,12–16 nur der künftige, als Gottes „Sohn“ angeredete Davidnachfolger den Tempel neu erbauen durfte.[158] Dieser Anspruch war für Juden nicht unbedingt blasphemisch, da andere Messiasanwärter geachtet wurden, so der wohl nach Num 24,17 „Sternensohn“ genannte Bar Kochba (um 132). Doch Jesu Eigenaussage in Mk 14,62 kann das Todesurteil ausgelöst haben. Sie erinnert die Ankläger an die Vision vom Menschensohn in Dan 7,13 f.: Dieser erscheint nicht als Davidnachfolger, sondern als von Gott bevollmächtigter Vertreter der Gottesherrschaft nach dem Endgericht über alle Weltmächte. So hätte Jesus gegenüber der national begrenzten Messiashoffnung an die Hoffnung auf ein Ende aller Gewaltherrschaft jenseits des Tempelkults erinnert (vgl. Mk 8,38 und Mk 13,24 ff.). Dies hätte für die Sadduzäer die Anklage auf Falschprophetie bestätigt, da sie Daniels Apokalyptik als Irrlehre ablehnten.[159] Manche verweisen auf den genauen Wortlaut der Antwort Jesu: „Sitzend zur Rechten Gottes“ zitiert Ps 110,1. Damit erscheint der Menschensohn als schon inthronisierter Endrichter. Dann hätte Jesus für den Hohepriester dessen Richteramt missachtet und sich selbst an Gottes Seite erhöht.[160] Andere halten Partizip „sitzend…“ für redaktionell in den Satz eingefügt, da es den Glauben an Jesu Auferstehung und erwartete Wiederkunft voraussetze.[161]

Vor Pilatus

Nach Mk 15,1–15 lieferte der „ganze Hohe Rat“ Jesus am Folgetag nach einem Beschluss dazu gefesselt an Pilatus aus. Dieser habe ihn gemäß der Anklagen des Sanhedrin gefragt: „Bist du der König der Juden?“ Dann habe er der zusammengeströmten Volksmenge zur üblichen Pessachamnestie Jesu Freilassung angeboten. Doch die Tempelpriester hätten die Menge aufgewiegelt, stattdessen die Freigabe des Barabbas, eines kürzlich inhaftierten Zeloten, zu fordern. Nach mehrfachen vergeblichen Rückfragen, was Jesus getan habe, habe Pilatus der Menge nachgegeben, Barabbas freigelassen und Jesus kreuzigen lassen.

Lk 23,6–12 ergänzt ein Verhör Jesu durch Herodes, der ihn auf sein Schweigen hin verhöhnt, an Pilatus zurückgibt und so dessen Freund wird. Die Szene gilt als redaktioneller Vorgriff auf Apg 4,25–28, wonach ein biblisch vorhergesagtes Bündnis von Heiden und Königen (Ps 2,1 f.) Jesus zu Tode brachte.[162] Lk 23,17 ff. erweitert die Anklage um Vorwürfe, die im Sanhedrinprozess fehlten: Volksverführung und Steuerboykott gegen den Kaiser Roms. Auch den Verlauf der Pessachamnestie variieren die Evangelien (Mt 27,17; Lk 23,16; Joh 18,38 f.). In allen Versionen betreiben die Tempelpriester und ihre Anhänger Jesu Hinrichtung, während Pilatus von seiner Unschuld ausgeht, ihn aber nicht freilässt, sondern ihr Urteil erfragt und ihrem Druck zuletzt nachgibt.

Eine damalige Pessachamnestie ist sonst nirgends überliefert. Die Römer gingen nach außerbiblischen Quellen von sich aus massiv gegen jede prophetisch inspirierte Volksansammlung im Raum Judäas vor.[163] Jüdische Historiker stellen Pilatus als rücksichtslos, unnachgiebig, korrupt und grausam dar: Er habe die Juden durch Kaisersymbole im Tempelbezirk provoziert, Massaker befohlen (vgl. Lk 13,1) und ständig Juden ohne Gerichtsverfahren hinrichten lassen.[164] Gemäß römischen Verfahrensweisen in unterworfenen Provinzen konnte Pilatus Jesus nach einem Kurzverhör ohne förmliches Urteil (coercitio) hinrichten lassen: Der Verdacht aufrührerischen Verhaltens genügte.[165]

Jesus hatte laut Mk 11,9.18; 12,12; 14,2 die Sympathie der Festpilger, die das römische Besatzungsrecht ablehnten, und der enge Innenhof des Pilatuspalastes bot einem Volksauflauf kaum Raum. Daher gelten öffentliches Verhör, Volksbefragung, Amnestie und Unschuldserklärungen des Pilatus heute meist als ahistorisch und werden einer antijüdischen Redaktion des Passionsberichts zugewiesen.[166]

Die Tacitusnotiz erwähnt einen Hinrichtungsbefehl des Pilatus, ohne den unter ihm wohl niemand gekreuzigt wurde. Die Evangelien setzen den Befehl voraus, indem sie eine römische Urteilsanzeige, hier als Kreuzestafel, zitieren: Pilatus habe Jesus als „König der Juden“ verurteilt (Mk 15,26 par). Dieser Urteilsgrund gilt meist als historisch, weil der Titel auf einen politisch gedeuteten Messiasanspruch verweist, mit dem Auslieferungsgrund (Mk 15,2 par) übereinstimmt und vor dem Hintergrund des römischen Rechts plausibel ist: Die Römer hatten jüdischen Vasallenherrschern das Tragen des Königstitels seit 4 v. Chr. verboten.[167] Als „König“ (basileus) hatten sich auch jüdische Zelotenführer bezeichnet.[168] Dies galt nach römischem Gesetz als Majestätsbeleidigung (crimen laesae maiestatis (populi Romani)), Anstiftung zum Aufstand (seditio) und staatsfeindlichen Aufruhr (perduellio), da nur der römische Kaiser Könige ein- oder absetzen durfte. Falls Jesu Verhör wie dargestellt verlief, musste Pilatus Jesu Antwort auf die Frage nach einer angemaßten Königswürde („Du sagst es“) und sein folgendes Schweigen als Geständnis werten, das sein Todesurteil erzwang.[169]

Mit Jesu Hinrichtung zwischen Zeloten wollte Pilatus wahrscheinlich ein Exempel gegen alle rebellischen Juden statuieren und ihre Messiashoffnung verhöhnen.[170] Demgemäß deutet der redaktionelle Vers Joh 19,21 den Protest der Sadduzäer: Jesus habe bloß behauptet, der Messias zu sein.[171] Für die Urchristen bestätigte der Kreuzestitel deren Unrechtsurteil, da Jesus keinen bewaffneten Aufstand geplant habe (Lk 22,38), und Jesu verborgene wahre Identität als des Kyrios Christus, des Herrschers aller Herren (Offb 19,16).

Kreuzigung

Die Kreuzigung Jesu Christi, Illustration aus dem Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg (12. Jahrhundert)

Die Kreuzigung war im römischen Kaiserreich die grausamste Hinrichtungsmethode, die meist gegen Aufständische, entlaufene Sklaven und Einwohner ohne römisches Bürgerrecht angewandt wurde. Sie sollte Augenzeugen demütigen und von der Teilnahme an Aufruhr abschrecken. Juden galt sie als Verfluchtsein durch Gott (Dtn 21,23; Gal 3,13). Der Todeskampf konnte je nach Ausführung tagelang dauern, bis der Gekreuzigte verdurstete, am eigenen Körpergewicht erstickte oder an Kreislaufversagen starb.[172] Der markinische Passionsbericht nennt jedoch keine Details zum physischen Vorgang, sondern nur zum Verhalten von ausführenden Tätern und Zeugen, zu letzten Worten Jesu und Zeitdauer seines Sterbens.

Laut Mk 15,15–20 entkleideten die römischen Soldaten Jesus, zogen ihm ein Purpurgewand an, setzten ihm eine Dornenkrone auf und verspotteten ihn gemäß dem Pilatusurteil als „König der Juden“, um so die messianische Hoffnung der Juden zu verhöhnen.[173] Darauf hätten sie ihn geschlagen und angespuckt. Eine Geißelung war integraler Bestandteil der römischen Kreuzigung und wurde oft so brutal durchgeführt, dass der Verurteilte bereits daran starb.[174]

Laut Vers 21 musste Jesus dann selbst sein Kreuz zum Richtplatz vor die Stadtmauer tragen. Als der von den Schlägen Geschwächte zusammengebrochen sei, hätten die Soldaten den zufällig von der Feldarbeit kommenden Juden Simon von Cyrene genötigt, sein Kreuz zu tragen. Dass die Urchristen noch Jahrzehnte später seinen Namen und die seiner Söhne überlieferten, wird als Solidarität zwischen Urchristen und Diasporajuden gedeutet.

Laut Vers 23 boten die Soldaten Jesus Myrrhe in Wein an, bevor sie ihn kreuzigten; diesen Trank habe er abgelehnt. Die Kreuzigung habe um die dritte Stunde (etwa 9 Uhr vormittags) begonnen (V. 25). Dann hätten sie um sein Gewand gelost. Laut Vers 27 wurde Jesus zusammen mit zwei „Räubern“ (Zeloten oder „Sozialbanditen“)[175] auf dem Hügel Golgota („Schädelstätte“) vor der damaligen Jerusalemer Stadtmauer gekreuzigt, begleitet von Hohn und Spott der Anwesenden. Um die sechste Stunde habe eine dreistündige Finsternis eingesetzt (V. 33). Gegen deren Ende habe Jesus auf Aramäisch das Psalmzitat Ps 22,2 EU gerufen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (V. 34) Dann habe er aus jüdischer Hand einen mit Weinessig (Posca) getränkten Schwamm angenommen (V. 36) und sei unmittelbar darauf mit einem lauten Schrei gestorben (V. 37). Der Tod sei um die „neunte Stunde“ (etwa 15 Uhr nachmittags) erfolgt.

Das Stundenschema, die Finsternis, Anspielungen auf Psalmen und Psalmzitate gelten als theologische Deutung, nicht als historische Details.[176] Sie stellen Jesus in die Reihe der zu Unrecht verfolgten, von der Gewalt aller Feinde umringten und an Gottes Gerechtigkeit appellierenden leidenden Juden.[177]

Grablegung

Giotto di Bondone: Grablegung Christi (um 1320)

Nach Mk 15,42–47 starb Jesus vor Anbruch der Nacht. Daher habe Josef von Arimathäa Pilatus gebeten, ihn vom Kreuz abnehmen und bestatten zu dürfen. Pilatus, erstaunt über Jesu rasches Sterben, habe sich seinen Tod beim römischen Aufseher der Hinrichtung bestätigen lassen und seinen Leichnam dann zur Bestattung freigegeben. Josef habe ihn noch am selben Abend nach jüdischem Brauch in ein Tuch gewickelt, in ein neues Felsengrab gelegt und dieses mit einem schweren Felsen verschlossen. Maria Magdalena und eine andere Maria, die mit anderen Frauen aus Galiläa Jesu Sterben begleiteten, hätten den Vorgang beobachtet.

Römer ließen am Kreuz Getötete oft zur Abschreckung und Demütigung ihrer Angehörigen Tage und Wochen hängen, bis sie verwest, zerfallen oder von Vögeln gefressen worden waren. Für Juden verstieß dies gegen die Vorschrift von Dtn 21,22–23, wonach der „an ein Holz gehängte“ Hingerichtete noch am gleichen Tag begraben werden sollte. Nach Josephus (Bellum Judaicum 4,317) durften von Römern gekreuzigte Juden nach jüdischer Sitte bestattet werden. Dies wird als Rücksicht der Römer auf Gefühle und Religion der Juden gedeutet; im Falle Jesu, um beim Pessachfest keine Unruhe auszulösen.[178]

Die gesetzesgemäße Grablegung eines Verurteilten gehörte eventuell zur Aufgabe des Sanhedrin. Dann hätte Josef von Arimathäa in dessen Auftrag gehandelt. Dies stellt das einstimmige Todesurteil wegen Gotteslästerung in Frage.[179] Dass der Markusbericht die amtliche Prüfung des Todes Jesu erwähnt, sollte diesen wohl gegen frühe Scheintodthesen bekräftigen.[180] Die Namen der Zeuginnen für Jesu Sterben und Grablegung waren offenbar in der Jerusalemer Urgemeinde bekannt. An sie wurde wohl erinnert, weil nur sie nach der Flucht der Jünger Jesu Grabstätte kannten. Sie sollen sie am übernächsten Morgen leer gefunden haben (Mk 16,1–8).[181]

Der Ort des Jesusgrabes ist unbekannt. Das NT enthält keine Hinweise auf seine Verehrung.[182] Manche Historiker vermuten es unter der heutigen Grabeskirche, weil dort eine Grabverehrung aus dem 1. Jahrhundert archäologisch nachgewiesen ist.[183]

Die historische Forschung untersucht NT-Texte zu Ereignissen nach Jesu Grablegung nur im Rahmen der Geschichte des urchristlichen Auferstehungsglaubens.[184]

Literatur

Quellen

Historisches Umfeld

Zum historischen Jesus

Zum Prozess

  • Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz: Ein historisch-rekonstruktives und theologisches Modellbild. Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-17-019702-2
  • Wolfgang Reinbold: Der Prozess Jesu. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-61591-4.
  • Géza Vermes: Die Passion. Die wahre Geschichte der letzten Tage im Leben Jesu. Primus, Darmstadt 2006, ISBN 3-89678-291-6
  • Chaim Cohn: Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer Sicht. Insel, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-458-34430-6
  • Raymond E. Brown: The Death of the Messiah. From Gethsemane to the Grave: A Commentary on the Passion Narratives in the Four Gospels. Yale University Press, 1999. Band 1: ISBN 0-300-14009-6; Band 2: ISBN 0-300-14010-X
  • Peter Egger: Crucifixus sub Pontio Pilato. Das „Crimen“ Jesu von Nazareth im Spannungsfeld römischer und jüdischer Verwaltungs- und Rechtsstrukturen. Aschendorff, Münster 1997, ISBN 3-402-04780-2
  • Karl Kertelge: Der Prozeß gegen Jesus. Historische Rückfrage und theologische Deutung. 2. Auflage, Herder, Freiburg im Breisgau 1991, ISBN 3-451-02112-9
  • Rudolf Pesch: Der Prozess Jesu geht weiter. Herder, Freiburg im Breisgau 1988, ISBN 3-451-08507-0
  • Pinchas Lapide: Wer war schuld an Jesu Tod? 4. Auflage, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1987, ISBN 3-579-01419-6
  • Otto Betz: Probleme des Prozesses Jesu. In: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt II.25.1, De Gruyter, Berlin 1982, S. 566–647
  • David Flusser: Die letzten Tage Jesu in Jerusalem. Das Passionsgeschehen aus jüdischer Sicht. Calwer, Stuttgart 1982, ISBN 3-7668-0676-9
  • August Strobel: Die Stunde der Wahrheit. Untersuchungen zum Strafverfahren gegen Jesus. Mohr Siebeck, Tübingen 1980, ISBN 3-16-143041-7
  • Paul Winter: On the Trial of Jesus. De Gruyter, Berlin 1974
Commons: Jesus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Jesus von Nazaret – Quellen und Volltexte
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Übersetzungen
Bibliografien
Grundinformationen
Einzelthemen

Einzelnachweise

  1. Bibelstellen im Artikel werden nach der Einheitsübersetzung zitiert und nach den Loccumer Richtlinien abgekürzt. Biblische Namen werden danach buchstabiert.
  2. Alice Whealey: Josephus on Jesus: The Testimonium Flavianum Controversy from Late Antiquity to Modern Times. Peter Lang, New York 2003, ISBN 0-8204-5241-6, S. 2–4
  3. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 89
  4. James H. Charlesworth: The Historical Jesus, Nashville 2008, S. 41
  5. Richard Bauckham: Jesus and the Eyewitnesses. The Gospels as Eyewitness Testimony. William B. Eerdmans, Grand Rapids / Michigan 2006, ISBN 0-8028-3162-1
  6. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 44 f.
  7. Ludger Schenke: Der gekreuzigte Christus. Versuch einer literarkritischen und traditionsgeschichtlichen Bestimmung der vormarkinischen Passionsgeschichte. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1974, ISBN 3-460-03691-5; Joachim Gnilka: Das Evangelium nach Markus (Mk 8,27–16,20), EKK Teil II/2, : Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2010, ISBN 978-3-7887-2392-7, S. 217
  8. Hans Conzelmann: Historie und Theologie in den synoptischen Passionsberichten. In: Fritz Viering (Hrsg.): Zur Bedeutung des Todes Jesu: Exegetische Beiträge. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1967, S. 37 f.
  9. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 394; Wolfgang Reinbold: Der Prozess Jesu, Göttingen 2006, S. 49; Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 362.
  10. James H. Charlesworth: The Historical Jesus, Nashville 2008, S. 22.
  11. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 7; Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 123.
  12. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. Stuttgart 2010, S. 148 f.
  13. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 117; Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 148 und öfter.
  14. Werner Foerster, Art. Ἰησοῦς, in: ThWNT III, Stuttgart/Berlin/Köln 1990, ISBN 3-17-011204-X, S. 290.
  15. Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 46 f.
  16. Wolfgang Wiefel: Das Evangelium nach Matthäus. In: Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament Band 1, Evangelische Verlagsanstalt 1998, ISBN 3-374-01639-1, S. 49.
  17. Jürgen Roloff: Jesus. 2011, S. 36.
  18. Hans Klein: Das Lukasevangelium. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005, ISBN 3-525-51500-6, S. 133.
  19. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 149–151; Eduard Schweizer: Jesus Christus I, ThRE, S. 710.
  20. Eduard Lohse, Anton Vögtle: Geschichte des Urchristentums. In: Thomas Kaufmann, Raymund Kottje, Bernd Moeller, Hubert Wolf (Hrsg.): Ökumenische Kirchengeschichte 01: Von den Anfängen bis zum Mittelalter. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006, ISBN 3-534-15804-0, S. 7; Rainer Riesner: Wann war Weihnachten? Chronologische und überlieferungsgeschichtliche Fragen zur Geburt Jesu. In: Theologische Beiträge, Jahrgang 54, 2023, S. 223–240, hier S. 225–229 (dort auch weitere Literatur)
  21. Leonard Goppelt: Zur Chronologie Jesu. In: Theologie des Neuen Testaments, Göttingen 1978, S. 71.
  22. Michael Theobald: Das Herrenmahl im Neuen Testament. In: Theologische Quartalsschrift 183/2003, S. 261 (Verweise ebd.)
  23. Richard L. Niswonger: New Testament History. 1992, ISBN 0-310-31201-9, S. 167 f.
  24. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 152 ff.
  25. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 150.
  26. James F. Strange: Nazareth. ABD 4, S. 1050 f.; Jens Schröter: Jesus von Nazaret. Leipzig 2006, S. 76.
  27. Edwin D. Freed: Stories of Jesus’ Birth: A Critical Introduction. T&t Clark, 2001, ISBN 1-84127-132-2, S. 77 f.
  28. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 158; Martin Koschorke: Jesus war nie in Bethlehem. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2011, ISBN 978-3-534-23639-8; Anton Ziegenaus: Bethlehem oder Nazareth? Zur Frage nach dem Geburtsort Jesu. In: Forum katholische Theologie 24, Schneider Druck, 2008, S. 205–214.
  29. Bruce Chilton: Jesus, le mamzer (MT 1.18). New Testament Studies, Cambridge University Press, Cambridge 2001, ISSN 0028-6885, S. 222–227.
  30. Peter Schäfer: Jesus im Talmud. Mohr/Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149462-8, S. 37–39.
  31. Gerd Lüdemann: Jungfrauengeburt? Die Geschichte von Maria und ihrem Sohn Jesus. Zu Klampen, 2008, ISBN 978-3-86674-028-0.
  32. Walter Gerwing: Die Gottesherrschaftsbewegung Jesu. Lit, Münster 2002, ISBN 3-8258-6299-2, S. 22; Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 183 f.
  33. Diese Deutung soll die in der römisch-katholischen und den orthodoxen Kirchen vertretene „immerwährende Jungfräulichkeit Marias“ stützen. Siehe Lorenz Oberlinner: Historische Überlieferung und christologische Aussage. Zur Frage der 'Brüder Jesu' in der Synopse. Stuttgart 1975; dagegen Rudolf Pesch: Das Markusevangelium. Band 1, Herder, Freiburg 1976, S. 323; Joachim Gnilka: Das Evangelium nach Markus. Neuenkirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1978, ISBN 3-7887-0576-0, S. 234.
  34. Harry Jungbauer: „Ehre Vater und Mutter“, Der Weg des Elterngebots in der biblischen Tradition. Mohr/Siebeck, Tübingen 2002, S. 80 ff.; Cornelis Houtman: Das Bundesbuch: ein Kommentar, Brill, Leiden 1997, S. 131 ff.
  35. Rudolf Pesch: Das Markusevangelium Band 1, Freiburg 1976, S. 223.
  36. Joachim Gnilka: Das Matthäusevangelium. Herder, Freiburg 1986, S. 396.
  37. Rudolf Pesch: Das Markusevangelium. Band 1, S. 374 f.
  38. Hans Conzelmann: Geschichte des Urchristentums. 6. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1989, ISBN 978-3-525-51354-5, S. 150
  39. Guido Baltes: Hebräisches Evangelium und synoptische Überlieferung: Untersuchungen zum hebräischen Hintergrund der Evangelien. Mohr/Siebeck, Tübingen 2011, ISBN 3-16-150953-6, S. 35.
  40. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 318 f.
  41. Für wahrscheinlich hält es Rainer Riesner: Jesus als Lehrer: Frühjüdische Volksbildung und Evangelien-Überlieferung. (1981) 4. Auflage, Mohr/Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-162497-1, S. 512. Für „eher unwahrscheinlich“ halten es Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 162.
  42. Jens Schröter: Jesus von Nazaret. Leipzig 2006, S. 77, Fn. 82.
  43. Pinchas Lapide: Er predigte in ihren Synagogen. Jüdische Evangelienauslegung. Gütersloher Verlagshaus 1980, ISBN 3-579-01400-5.
  44. Menge-Gütling: Griechisch-deutsches Wörterbuch. Langenscheidt, München 2001, ISBN 3-468-02030-9: τέκτων bezeichnet einen „mit harten Stoffen (Holz, Stein etc.) arbeitenden Handwerker“.
  45. Michael Schäfers: Prophetische Kraft der kirchlichen Soziallehre? Armut, Arbeit, Eigentum und Wirtschaftskritik. Münster 1998, S. 87 ff.
  46. James H. Charlesworth: The historical Jesus. An essential guide. Nashville 2008, S. 69–71.
  47. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. Stuttgart 2010, S. 249; Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 159
  48. H. H. Schader: Nasiraios. In: Gerhard Kittel (Hrsg.): Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament Bd. IV, Sp. 879–884.
  49. Flavius Josephus: Antiquitates 18, 116–119; Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 184–191
  50. Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. Göttingen 1998, S. 194.
  51. a b c Jürgen Becker: Jesus von Nazaret. Berlin 1995, S. 60–62.
  52. a b Jens Schröter: Jesus von Nazaret. Leipzig 2006, S. 133–140.
  53. Josef Ernst: Johannes der Täufer: Interpretation, Geschichte, Wirkungsgeschichte. Walter de Gruyter, Berlin 1989, S. 156 ff.
  54. Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. Göttingen 1998, S. 267. Anders Jürgen Becker: Jesus von Nazaret, Berlin 1996, S. 99.
  55. Artikel Johannes der Täufer II. In: Theologische Realenzyklopädie Band 17, Walter de Gruyter, Berlin 1988, S. 177.
  56. Joachim Jeremias: Der Opfertod Jesu Christi. In: Bertold Klappert: Diskussion um Kreuz und Auferstehung, Aussaat Verlag, Wuppertal 1967, ISBN 3-7615-4661-0, S. 179 f.; Jens Schröter: Jesus von Nazaret. Leipzig 2006, S. 272 f.
  57. Jostein Ådna: Jesu Stellung zum Tempel: Die Tempelaktion und das Tempelwort als Ausdruck seiner messianischen Sendung. Tübingen 2000, ISBN 3-16-146974-7, S. 292 ff.
  58. Hans Conzelmann: Geschichte des Urchristentums, Göttingen 1989, S. 21
  59. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 161–163 und S. 170
  60. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 160
  61. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 299
  62. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 221
  63. Werner Grimm: Weil ich dich liebe: die Verkündigung Jesu und Deuterojesaja. 2., überarbeitete Auflage, Herbert Lang, Bern / Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-8204-5943-X; Jörg Frey: Jesus und die Apokalyptik. In: Michael Becker, Markus Öhler (Hrsg.): Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie. Mohr Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-16-148592-0, S. 23–94
  64. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 224 und 230 ff.
  65. Jens Schröter: Jesus von Nazaret, Leipzig 2006, S. 191–193 und 200–209
  66. Wolfgang Wiefel: Das Evangelium nach Matthäus. Evangelische Verlags-Anstalt, Berlin 1998, ISBN 3-374-01639-1, S. 214
  67. Jens Schröter: Jesus von Nazaret, Leipzig 2006, S. 200 und 204
  68. Bertold Klappert: Die Auferweckung des Gekreuzigten: Der Ansatz der Christologie Karl Barths im Zusammenhang der Christologie der Gegenwart. 3. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1981, ISBN 3-7887-0429-2, S. 106–115
  69. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 223–226; Wolfgang Stegemann: Das Evangelium und die Armen, München 1981, S. 26 ff.
  70. Francis Gerald Downing: Cynics and Christian Origins, Band 1. Bloomsbury Academic 1992, ISBN 0-567-09613-0
  71. a b Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. Göttingen 1998, S. 266
  72. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 299 und 314 ff.
  73. John Dominic Crossan: Der historische Jesus, München 1994, S. 554
  74. a b Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 275
  75. Bernd Kollmann: Neutestamentliche Wundergeschichten: Biblisch-theologische Zugänge und Impulse für die Praxis. 3. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-17-021376-0, S. 65
  76. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 280
  77. Michael Wohlers: Heilige Krankheit: Epilepsie in antiker Medizin, Astrologie und Religion. N.G. Elwert, Marburg 1999, ISBN 3-7708-1135-6, S. 237 ff.
  78. Horst Balz: Heil und Heilung im Neuen Testament. In: Karl Hoheisel, Hans-Joachim Klimkeit (Hrsg.): Heil und Heilung in den Religionen. Harrassowitz, Wiesbaden 1995, ISBN 3-447-03619-2, S. 107
  79. Adolf Holl: Jesus in schlechter Gesellschaft. 3. Auflage, Kreuz-Verlag, Freiburg im Breisgau 2002, ISBN 3-7831-1816-6
  80. Hans D. Betz: Studien zur Bergpredigt. Mohr Siebeck, Tübingen 1985, ISBN 978-3-16-144906-2
  81. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. Stuttgart 2010, S. 263–266 und S. 276–278.
  82. Pinchas Lapide: Entfeindung leben? Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1993, ISBN 978-3-579-02205-5
  83. René Girard: Das Ende der Gewalt: Analyse des Menschheitsverhängnisses. Herder, Freiburg 1983, ISBN 3-451-19017-6, S. 203–210
  84. Klaus Haacker: Was Jesus lehrte: Die Verkündigung Jesu - vom Vaterunser aus entfaltet. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2010, ISBN 978-3-7887-2427-6, S. 152f.
  85. Ulrich Becker: Jesus und die Ehebrecherin. Untersuchungen zur Text- und Überlieferungsgeschichte von Johannes 7,53–8,11. (1963) Nachdruck: De Gruyter, Berlin / Boston 2018, ISBN 978-3-11-005593-1, S. 8–43
  86. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. 2010, S. 281 und 288 ff.
  87. Jens Schröter: Jesus von Nazaret. Leipzig 2006, S. 177–187.
  88. zur Nachfolge der Urchristen insgesamt: Martin Hengel: Nachfolge und Charisma. Berlin 1968.
  89. Gerd Theißen: Soziologie der Jesusbewegung. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Urchristentums. (1977) 7. Auflage, Christian Kaiser, Gütersloh 1997, ISBN 3-579-05035-4; Wolfgang Reinbold: Propaganda und Mission im ältesten Christentum: Eine Untersuchung zu den Modalitäten der Ausbreitung der frühen Kirche. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000, ISBN 3-525-53872-3, S. 226–240
  90. Géza Vermes: Jesus the Jew: a historian’s reading of the Gospels. SCM Press, 1983, S. 73 ff.; Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 278
  91. James H. Charlesworth: The Historical Jesus, An Essential Guide. Nashville 2008, S. 107.
  92. Géza Vermes: Jesus der Jude. S. 5 und S. 85–88.
  93. Hans-Martin Schenke: Das Philippus-Evangelium (Nag-Hammadi-Codex II, 3). Wiley-VCH Verlag GmbH, 1997, ISBN 3-05-003199-9, S. 264–268.
  94. Andreas Lindemann: Auferstehung: Gedanken zur biblischen Überlieferung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, S. 80; Jacobus L. M. van Schaik: Warum Jesus nicht mit Maria Magdalena verheiratet war: Eine kurze Geschichte des esoterischen Christentums. Urachhaus, 2006, ISBN 3-8251-7559-6.
  95. Peter Fiedler: Theologischer Kommentar zum Neuen Testament (ThKNT) Band 1: Das Matthäusevangelium. Kohlhammer, Stuttgart 2006, S. 139 ff.
  96. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. Stuttgart 2010, S. 287 f.
  97. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 331
  98. Lorenz Oberlinner: Todeserwartung und Todesgewißheit Jesu. Zum Problem einer historischen Begründung. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1980, S. 64 ff.
  99. Babylonischer Talmud, Mischna Joma 8,6 u. a.
  100. Klaus Berger: Jesus als Pharisäer und frühe Christen als Pharisäer. NT30 (1988), S. 231–262; John P. Meier: A Marginal Jew: Rethinking the Historical Jesus Band 3, Bantam Doubleday Dell Publishing Group, 2001, ISBN 0-385-46993-4, S. 289–388; Hyam Maccoby: Jesus the Pharisee, SCM Press, 2003, ISBN 0-334-02914-7.
  101. Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 161.
  102. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 177
  103. Günther Baumbach: Herodes/Herodeshaus. In: Theologische Realenzyklopädie Band 15, Berlin/New York 1986, S. 159 ff.
  104. Sean Freyne: Galilee and Gospel. Brill Academic Publishers, Leiden 2002, ISBN 0-391-04171-1, S. 139 f.
  105. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. Stuttgart 2010, S. 359.
  106. Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 234.
  107. Peter Egger: „Crucifixus Sub Pontio Pilato“, Münster 1997, S. 202.
  108. Martin Hengel: Die Zeloten: Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. Chr. Mohr Siebeck, 3., durchgesehene und ergänzte Auflage, Tübingen 2012, ISBN 3-16-150776-2, S. 390; Otto Michel, Otto Betz: Josephus-Studien. Vandenhoeck und Ruprecht, 1974, ISBN 3-525-53553-8, S. 176 und 189.
  109. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. 2010, S. 337.
  110. Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. 1998, S. 275.
  111. Gerd Theißen: Die politische Dimension des Wirkens Jesu. In: Gerd Theißen (Hrsg.): Jesus in neuen Kontexten, S. 118 ff.
  112. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 167
  113. Jürgen Moltmann: Der gekreuzigte Gott. München 1972, ISBN 3-459-00828-8, S. 132
  114. Oscar Cullmann, zitiert nach Jürgen Moltmann: Der gekreuzigte Gott. S. 133.
  115. Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. S. 268.
  116. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 125–220
  117. Rudolf Bultmann: Das Verhältnis der urchristlichen Glaubensbotschaft zum historischen Jesus. 1960.
  118. Samuel George Frederick Brandon: Jesus and the Zealots. 1967; Martin Hengel: War Jesus revolutionär?, 1970; Oscar Cullmann: Jesus und die Revolutionäre seiner Zeit, 1970; Hyam Maccoby: Jesus und der jüdische Freiheitskampf. Ahriman-Verlag, Freiburg im Breisgau 1996.
  119. Klaus Berger: Wer war Jesus wirklich? Quell Verlag, 3. Auflage. Stuttgart 1996, S. 172.
  120. Flavius Josephus: Bellum Iudaicum 2,652 f.; 4,508 ff.; 4,575 u.ö.; Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 343.
  121. Ulrich Luz: Warum zog Jesus nach Jerusalem? In: Jens Schröter, Ralph Brucker (Hrsg.): Der historische Jesus, Berlin/New York 2002, S. 415 ff.
  122. Matthias Kreplin: Das Selbstverständnis Jesu. Mohr/Siebeck, Tübingen 2001, S. 128.
  123. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, S. 342 f.
  124. James H. Charlesworth: The Historical Jesus. An Essential Guide. Nashville 2008, S. 106 f.
  125. Gerd Theißen: Jesus als historische Gestalt. Beiträge zur Jesusforschung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, S. 130
  126. John Dominic Crossan: Jesus, München 1996, S. 170
  127. Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 209–215.
  128. Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 217 f.
  129. Joachim Jeremias: Jesu Verheißung für die Völker. Stuttgart 1956, S. 55 f.; Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 217 f. und 228 f.
  130. Jens Schröter: Jesus von Nazaret. Leipzig 2006, S. 278–280 und 282 f.
  131. Peter Stuhlmacher: Charakteristische Formen der Verkündigung Jesu. In: Biblische Theologie des Neuen Testaments Band 1: Grundlegung: Von Jesus zu Paulus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992, ISBN 3-525-53595-3, S. 84.
  132. Jostein Ådna: Jesu Stellung zum Tempel, Tübingen 2000, S. 425–430 und 440.
  133. Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. S. 163; Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 408 ff.
  134. Jens Schröter: Jesus von Nazaret. Leipzig 2006, S. 276–285.
  135. Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 412, Fn. 199.
  136. Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 381.
  137. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. Stuttgart 2010, S. 382 und Fn. 906; Ekkehard W. Stegemann: Wie im Angesicht des Judentums historisch vom Tod Jesu sprechen? In: Helmut Hoping et al.: Wie heute vom Tod Jesu sprechen? Neutestamentliche, systematisch-theologische und liturgiewissenschaftliche Perspektiven. Katholische Akademie, Freiburg 2002, ISBN 3-928698-20-6, S. 39 f.
  138. Marlis Gielen: Die Passionserzählung in den vier Evangelien. Literarische Gestaltung – theologische Schwerpunkte. Kohlhammer, Stuttgart 2008, S. 32 (Digitalisat).
  139. Martin Hengel, Claus-Jürgen Thornton: Kleine Schriften: Jesus und die Evangelien. Mohr Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149327-0, S. 117.
  140. Martin Hengel, Anna Maria Schwemer: Jesus und das Judentum. Mohr/Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149359-1, S. 602.
  141. Paul Winter: On the Trial of Jesus. 2. Auflage 1974, S. 60–69; Hartwig Thyen: Studien zum Corpus Iohanneum. Mohr/Siebeck, Tübingen 2007, S. 327.
  142. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. 2010, S. 376–379.
  143. Klaus Wengst: Das Johannesevangelium, 2. Teilband: Kapitel 11–21. Kohlhammer, Stuttgart 2007, S. 215 f. und S. 220, Fn. 38.
  144. Hartwig Thyen: Das Johannesevangelium. Mohr/Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148485-1, S. 708.
  145. Gerd Theißen: Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien. Ein Beitrag zur Geschichte der synoptischen Tradition. 2. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992, ISBN 3-525-53522-8, S. 177–211
  146. Kurt Müller: Möglichkeit und Vollzug jüdischer Kapitalgerichtsbarkeit im Prozess gegen Jesus von Nazareth. In: Karl Kertelge: Der Prozess gegen Jesus. Freiburg 1988, S. 41–83.
  147. Traktat Sanhedrin, in: Dietrich Correns (Hrsg.): Die Mischna: das grundlegende enzyklopädische Regelwerk rabbinischer Tradition. Marixverlag, Wiesbaden 2005, ISBN 3-86539-016-1, S. 505–527, besonders S. 515
  148. Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 379
  149. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 380f.; dort angegebener Primärbeleg: Flavius Josephus: Antiquitates 20,200–203
  150. Peter Egger: „Crucifixus Sub Pontio Pilato“, Münster 1997, S. 46–48
  151. Chaim Cohn: Der Prozeß und Tod Jesu aus jüdischer Sicht, Frankfurt am Main 1997, S. 161; Wolfgang Stegemann: Gab es eine jüdische Beteiligung an der Kreuzigung Jesu? In: Kirche und Israel 13 / 1998, S. 3-24; James H. Charlesworth: The Historical Jesus. An Essential Guide, Nashville 2008, S. 111 f.
  152. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 374; Ekkehart W. Stegemann: Wie im Angesicht des Judentums historisch vom Tod Jesu sprechen? Vom Prozess Jesu zu den Passionserzählungen der Evangelien. In: G. Häfner, H. Schmid (Hrsg.): Wie heute vom Tod Jesu sprechen? Freiburg 2002, S. 46.
  153. August Strobel: Die Stunde der Wahrheit, Tübingen 1980, S. 46–61
  154. Klaus Haacker: Was Jesus lehrte, Neukirchen-Vluyn 2010, S. 44–69
  155. Michael Theobald: Der Prozess Jesu: Geschichte und Theologie der Passionserzählungen. Mohr Siebeck, Tübingen 2022, ISBN 978-3-16-161610-5, S. 348
  156. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 403–406
  157. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 405
  158. Otto Betz: Jesus, der Messias Israels: Aufsätze zur biblischen Theologie. Mohr Siebeck, Tübingen 1987, ISBN 978-3-16-145163-8, S. 140–168, hier S. 155f.
  159. Bertold Klappert: Die Auferweckung des Gekreuzigten. § 7: Die Subjektsfrage im Kontext des Menschensohnproblems, Neukirchener Verlag, 2. Auflage. Neukirchen-Vluyn 1974, S. 119–123.
  160. August Strobel: Die Stunde der Wahrheit, Tübingen 1980, S. 92 ff.; Otto Betz: Probleme des Prozesses Jesu, Berlin 1982, S. 636 ff.; Darrell L. Bock: Blasphemy and Exaltation in Judaism: The Charge Against Jesus in Mark 14:53–65, 1998/2000, S. 197–209
  161. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 406
  162. Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 158 f.
  163. Peter Egger: „Crucifixus Sub Pontio Pilato“, Münster 1997, S. 82–100.
  164. Flavius Josephus: Antiquitates 18,3,1 f.; Bellum Judaicum 2,9,2 ff.; Philo von Alexandria: Legatio ad Gaium 38. Beispiele bei Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 163 f.
  165. Christoph Paulus: Der Prozess Jesu – aus römisch-rechtlicher Perspektive. De Gruyter, Berlin/Boston 2016, ISBN 978-3-11-047938-6
  166. Paul Winter: On the Trial of Jesus. S. 51–61 und dort zitierte Literatur; Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, S. 369–375.
  167. Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 161.
  168. Martin Hengel: Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. Chr. 2. verbesserte und erweiterte Auflage, Leiden 1976, S. 297–307.
  169. Klaus Haacker: Wer war Schuld am Tode Jesu? In: Klaus Haacker: Versöhnung mit Israel. Exegetische Beiträge. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2002, ISBN 3-7887-1836-6, S. 33–48
  170. Hyam Maccoby: Jesus und der jüdische Freiheitskampf. 2. verbesserte Auflage, Ahriman, Freiburg 2013, ISBN 978-3-89484-611-4, S. 111; Hans Conzelmann, Andreas Lindemann: Arbeitsbuch zum Neuen Testament. Mohr Siebeck, Tübingen 2000, ISBN 3-8252-0052-3, S. 503
  171. Manfred Lang: Johannes und die Synoptiker: Eine redaktionsgeschichtliche Analyse von Joh 18–20 vor dem markinischen und lukanischen Hintergrund. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 3-525-53866-9, S. 216.
  172. Raymond Schmittlein: Umstände und Ursache von Jesu Tod. Mainz 1951; William D. Edwards u. a. On the Physical Death of Jesus Christ, JAMA, 21. März 1986, Vol 255, No. 11 (Memento vom 23. Mai 2012 im Internet Archive); Lee Strobel: Der Fall Jesus, 1997, S. 217–227.
  173. Wolfgang Wiefel: Das Evangelium nach Matthäus. S. 475.
  174. Paul Winter: On the Trial of Jesus. S. 56, Anmerkung 21.
  175. Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. Stuttgart 2010, S. 248.
  176. Peter Dulschnigg: Das Markusevangelium. Theologischer Kommentar zum Neuen Testament, Band 2. Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 3-17-019770-3, S. 393 ff.
  177. René Girard: Das Ende der Gewalt, Freiburg 1983, S. 172–176 und 240 ff.
  178. Wolfgang Reinbold: Der Prozess Jesu, Göttingen 2006, S. 98
  179. Paul Winter: On the Trial of Jesus, Berlin 1974, S. 57, Fn. 24
  180. Peter Dschulnigg: Theologischer Kommentar zum Neuen Testament (ThKNT) Band 2: Das Markusevangelium. Kohlhammer, Stuttgart 2007, S. 408.
  181. Eduard Schweizer: Das Neue Testament Deutsch, Band 1: Das Evangelium nach Markus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 978-3-525-51304-0, S. 198
  182. Wolfgang Reinbold: Der älteste Bericht über den Tod Jesu. De Gruyter, Berlin 1993, ISBN 3-11-014198-1, S. 280
  183. Othmar Keel, Max Küchler: Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-50170-6, S. 430 und Fn. 229
  184. Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 422–443; Jürgen Becker: Die Auferstehung Jesu Christi nach dem Neuen Testament: Ostererfahrung und Osterverständnis im Urchristentum. Mohr Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149426-0