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„Pehr Henrik Ling“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Pehr Henrik Ling.jpg|mini|Gezeichnetes Porträt von Pehr Henrik Ling aus dem Jahre seines Todes (1839)]]
'''Pehr Henrik Ling''' (in älteren Quellen meist ''Per Henrik Ling''; * [[15. November]] [[1776]] in [[Södra Ljunga]] ([[Kronobergs län]]), [[Schweden]]; † [[3. Mai]] [[1839]] in [[Stockholm]], Schweden) war Dichter, Autor und Begründer der Schwedischen Gymnastik. Er gilt neben [[Albert Hoffa]] und [[Johann G. Metzger]] als Vater der [[Massage#Klassische Massage|Klassischen Massage]], die deshalb auch Schwedische Massage genannt wird.
'''Pehr Henrik Ling''' (in älteren Quellen meist ''Per Henrik Ling,'' in englischen Quellen auch ''Peter Henry Ling''; * [[15. November]] [[1776]] in [[Södra Ljunga]] ([[Kronobergs län]]); † [[3. Mai]] [[1839]] in [[Stockholm]]) war ein schwedischer Dichter und Autor sowie Begründer der [[Schwedische Gymnastik|Schwedischen Gymnastik]]. Er gilt neben [[Albert Hoffa]] und [[Johann Georg Mezger]] als Vater der ''[[Massage#Klassische Massage|Klassischen Massage]],'' die deshalb auch ''Schwedische Massage'' genannt wird.
[[Bild:Pehr_Henrik_Ling.jpg|thumb|Gezeichnetes Porträt von Pehr Henrik Ling aus dem Jahre seines Todes (1839)]]


== Kindheit ==
== Leben ==
=== Kindheit und Lehrjahre ===
Ling wurde im Dorf Södra Ljunga in der Provinz Kronobergs län (historische Provinz [[Småland]]) etwa 15 Kilometer südlich von [[Ljungby]] geboren. Vier Jahre nach Lings Geburt starb sein Vater, Lars Peter Ling, der Pfarrer von Södra Ljunga war. Seine Mutter, Hedvig Maria Molin, heiratete den Amtsnachfolger, verstarb allerdings kurz nach dieser Hochzeit.


Er wurde auf das Gymnasium im nahe gelegenen [[Växjö]] geschickt. Eine Jahreszahl ist nicht bekannt, ebenso ob er vorher eine andere Schule besucht hat. 1792 wurde Ling des Gymnasiums verwiesen, als er sich nach einem Aufstand einiger Schüler weigerte, die Anführer zu nennen. Die nächste nachweisliche Station Lings ist die [[Universität Uppsala]], an der er 1793 [[Theologie]] studierte. Nach vier Jahren konnte er dieses Studium am 21. Dezember 1797 mit einem Diplom abschließen. Er entschloss sich zu einer längeren Reise durch [[Europa]] und verließ 1799 Schweden in Richtung [[Dänemark]]. Seine erste Station war [[Kopenhagen]]. Danach hielt er sich in [[Deutschland]], [[Frankreich]] und [[England]] auf. Er eignete sich die Sprachen der von ihm bereisten Länder an und lernte in Deutschland das frisch erwachte „deutsche [[Turnen]]“ kennen. Einige Quellen sehen in dieser Begegnung den Grundstein für seine spätere Arbeit mit der schwedischen Gymnastik. Die nächsten Aufzeichnungen über Lings Leben berichten vom Jahr 1801, in welchem er als Offizier der Marine an der [[Seeschlacht von Kopenhagen (1801)|Seeschlacht von Kopenhagen]] teilnahm.
In dem Dorf Södra Ljunga in der Provinz Kronobergs län (Historische Provinz [[Småland]]) ca. 15 km südlich von [[Ljungby]] wurde Pehr Henrik Ling als Sohn des Pfarrers Lars Peter Ling und der Hedvig Maria Molin geboren. Vier Jahre nach Lings Geburt starb sein Vater. Seine Mutter heiratete ein zweites Mal, starb aber kurz nach dieser Hochzeit. Danach war Lings Kindheit nicht mehr sehr glücklich. Zum einen belastete ihn der frühe Tod seiner Eltern, zum anderen war sein Stiefvater sehr streng.


Obwohl Ling auf seinen Reisen immer wieder Arbeit hatte, war er in diesen Jahren des Öfteren mittellos. Später erzählte er Freunden, dass er stolz darauf sei, seine Lebensbedürfnisse jederzeit auf das äußerste Maß einschränken zu können.<ref>Rothstein, S. XLIII.</ref> Allerdings hinterließen die Jahre der Reisen und Armut, manchmal ohne Essen und Schlaf, und der Dienst bei der Armee körperliche Spuren: sein allgemeiner körperlicher Zustand verschlechterte sich, er zeigte Symptome von [[Rheuma]] und hatte sogar [[Plegie|Paralysen]].<ref>Georgii, S. 3.</ref>
== Lehrjahre ==


=== Ein Ziel, zwei Wege ===
[[Bild:Lund_university_large.jpg|thumb|Universität Lund – hier wurde Ling zum Fechtmeister ernannt]]
Für Ling war es eine Erleichterung, als er das Gymnasium in [[Växjö]] besuchen konnte. Er kam von seinem Stiefvater weg und fand in der Schulausbildung eine interessante Herausforderung. Es zeigte sich, dass er sehr leicht lernte und sehr wissbegierig war. Er schaffte sein Abitur und wollte dem Lebensweg seines Vaters folgen. Daher ging er im Jahre 1793 an die [[Universität Uppsala|Universität]] von [[Uppsala]] und studierte dort [[Theologie]]. Nach vier Jahren konnte er dieses Studium am 21. Dezember 1797 mit einem Diplom erfolgreich abschließen. Um weiteres Wissen und Lebenserfahrung zu erlangen, entschloss er sich zu einer längeren Reise durch [[Europa]] und verließ 1799 Schweden in Richtung [[Dänemark]]. Seine erste Station war [[Kopenhagen]]. Danach hielt er sich in [[Deutschland]], [[Frankreich]] und [[England]] auf. Er erlernte die Sprachen der von ihm bereisten Länder, erwarb sich Wissen über das frisch erwachte „deutsche [[Turnen]]“ und war in Deutschland als Hauslehrer tätig. Um 1800 ging er als Offizier zur Armee und kämpfte in verschiedenen Kriegen zu Lande und zu Wasser. Obwohl Ling auf seinen Reisen immer wieder Arbeit hatte oder für die Armee kämpfte, war er in diesen Jahren des Öfteren mittellos. Später erzählte er Freunden, dass er stolz darauf sei, seine Lebensbedürfnisse jederzeit auf das äußerste Maß einschränken zu können {{lit|Rothstein, Seite XLIII}}. Die Jahre der Armut und der Dienst bei Armee hinterließen aber körperliche Spuren: Ling zeigte Symptome von [[Rheuma]] und sein Allgemeinzustand war nicht gut.


Im Jahr 1804 errichteten zwei französische Immigranten an der [[Universität Kopenhagen]] eine [[Fechten|Fechtschule]]. Interessiert an diesem Sport, reiste Ling nach Dänemark und wurde Schüler der beiden Franzosen. Er bemerkte, dass die regelmäßigen Fechtübungen seine Gesundheit verbesserten und er schließlich wieder vollkommen rehabilitiert war. Da er eine besondere Begabung für diesen Sport hatte, wurde er ein Jahr später Fechtmeister an der [[Universität Lund|Universität]] von [[Lund]]. Dort unterrichtete er Fechten und die modernen Sprachen, die er sich auf seinen Reisen angeeignet hatte. Neben seiner Tätigkeit als Dozent hielt Ling Vorträge über die skandinavische Mythologie und beschäftigte sich mit der Vergangenheit des schwedischen Volkes. Er belegte Kurse für [[Anatomie]] und [[Physiologie]] an der Universität, um den Gründen für seine Genesung auf die Spur zu kommen.
== Ein Ziel, zwei Wege ==


Spätestens an diesem Punkt in seinem Leben fasste er den Entschluss, die Schweden zu würdigen Nachkommen der alten Nordländer zu machen. Dieses Ziel wollte er sowohl mit Gymnastik als auch mit Poesie erreichen.<ref>Warburg, S. 149.</ref> Durch sein Engagement als Dichter und Autor der nordischen Mythologie bekam er Kontakt zu Gleichgesinnten. Anfangs trafen sie sich aus Spaß, später gründete diese Gruppe den Gotischen Bund ''([[Götiska Förbundet]])'' mit dem Ziel, den Schweden über Poesie ihren Stolz und ihr nordländisches Nationalgefühl wiederzugeben. Ling selbst schrieb einige Stücke, wie zum Beispiel ''Asarne'' oder ''Gylfe.'' Die Schwedische Akademie ''([[Svenska Akademien]])'' ernannte ihn im Jahre 1835 zum Nachfolger des Verstorbenen [[Anders Fredrik Skjöldebrand]] (1757 bis 1834). Ling bekam dessen Sitzplatz (Nummer 18) und blieb, wie es die Statuten der Akademie vorsehen, bis zu seinem Tod im Jahre 1839 Mitglied.
Im Jahre 1804 errichteten zwei französische Immigranten in [[Kopenhagen]] an der hiesigen [[Universität Kopenhagen|Universität]] eine Fechtschule. Interessiert an diesem Sport, reiste Ling nach Dänemark und wurde Schüler der beiden Franzosen. Er zeigte, ähnlich wie damals im Gymnasium, eine enorme Lernleistung und ein großes Talent für diesen Sport. Ling bemerkte, wie sich durch die Dauer und Stetigkeit seiner Fechtübungen das Rheuma und sein Gesundheitszustand deutlich besserten. Durch seine enorme Begabung für das [[Fechten]] wurde er weit über die Grenzen von Kopenhagen bekannt, und so kam es, dass er bereits ein Jahr später als Fechtmeister an die [[Universität Lund|Universität]] von [[Lund]] ging. Dort unterrichtete er Fechten und die modernen Sprachen, welche er sich auf seinen Reisen aneignen konnte. Neben seiner Tätigkeit als Dozent hielt Ling Vorträge über die skandinavische Mythologie und beschäftigte sich mit der Vergangenheit des schwedischen Volkes. Durch die Verbesserung seiner Gesundheit neugierig geworden, belegte er die Kurse für [[Anatomie]] und [[Physiologie]] an der Universität, und war auch in anderen Studiengängen zu sehen.


=== Umstrittener Erneuerer ===
Ein lange in Lings Kopf befindlicher Gedanke wurde immer reifer und reifer. Er wollte die Schweden zu würdigen Nachkommen der alten Nordländer machen, sowohl aus sportlicher als auch poetischer Sicht {{lit|Warburg, Seite 149}}. Durch sein Engagement als Dichter und Autor bekam er Kontakt zu Gleichgesinnten, die Anfangs aus Spaß sich trafen, später dann den ''Götiska förbundet'' („Gotischer Bund“) gründeten. Ziel war es, den Schweden über Poesie ihren Stolz und ihr nordländisches Nationalgefühl wieder zugeben. Ling selbst schrieb einige Stücke, wie zum Beispiel ''Asarne'' oder ''Gylfe''. Er war als Dichter und Autor so erfolgreich, dass die ''Svenska Akademien'' ([[Schwedische Akademie]]) ihn im Jahre 1835 als Mitglied bestellte und so Ling bis kurz vor seinem Tod den Platz Nummer 18 inne hatte. Auch wenn diese Ernennung eine hohe Auszeichnung ist, liegen Lings wahre Verdienste im Bereich der Fechtkunst und Gymnastik.


1812 bat er die Schwedische Regierung um Gelder für die Einrichtung eines gymnastischen Institutes in Stockholm. Die Antwort war genauso knapp wie direkt. „Wir haben der Jongleurs und Seiltänzer schon genug, ohne ihretwegen die Staatskasse zu belästigen“ {{lit|Rothstein, Seite XLIX}}. Trotz der klaren Worte gab Ling nicht auf und fragte im nächsten Jahr erneut bei der Regierung an. Inzwischen hatte, durch die Gymnastik und das Fechten, sein Einfluss in der Gesellschaft so stark zugenommen, dass sein Antrag genehmigt wurde. Wenn auch nur geringe Gelder zur Verfügung gestellt würden, konnte Ling 1813 sein ''Gymnastiska centralinstitutet'' („Gymnastisches Zentralinstitut“), kurz GCI, in Stockholm gründen und wurde dessen Vorsteher. Fortan gab er sich den Studien seines Fechtens und seiner Gymnastik hin und brachte sein Wissen vielen Schülern bei. Es dauerte nur kurze Zeit, bis seine Übungen in vielen öffentlichen Einrichtungen und bei der Armee eingeführt waren. Seine Art des [[Bajonett]]fechtens wird 1818 bei den Truppen der Provinz [[Schonen]] eingeübt. Die Geschichte über Lings Gymnastik und seine Erfolge bei der Behandlung von Krankheiten und der Prävention verbreitete sich schnell über Europa. Diese Bekanntheit brachte Ling wieder mehr Einfluss und so wurden die Gelder für das GCI aufgestockt.
1812 bat er die schwedische Regierung um Gelder für die Einrichtung eines gymnastischen Institutes in Stockholm. Die Antwort war genauso knapp wie direkt: „Wir haben der Jongleure und Seiltänzer schon genug, ohne ihretwegen die Staatskasse zu belästigen.“<ref>Rothstein, S. XLIX.</ref> Ling konzentrierte sich auf die Weiterentwicklung des Fechtens und seiner Gymnastik. Seine Bekanntheit als Fechtlehrer half ihm seine gymnastischen Übungen bekannt zu machen. Innerhalb eines Jahres war sein Ansehen in der Gesellschaft so stark gewachsen, dass ihm die Gelder für das Institut bei einer erneuten Anfrage genehmigt wurden. Es waren zwar nur geringe Gelder, aber Ling konnte 1813 das Gymnastische Zentralinstitut (schwedisch ''[[Gymnastik- och idrottshögskolan|Gymnastiska Centralinstitutet]]'', kurz ''GCI'') in Stockholm gründen und wurde dessen Vorsteher. Bereits wenige Monate später wurden seine gymnastischen Übungen in vielen schwedischen Einrichtungen, wie z. B. Schulen, und bei der Armee eingeführt. 1818 übernahmen die Truppen der Provinz [[Schonen]] eine von ihm entwickelte Art des Bajonettfechtens. Diese Erfolge in staatlichen Einrichtungen versetzten ihn in den Stand, weitere Gelder für das GCI zu fordern und sie auch genehmigt zu bekommen.


Doch so schnell wie sein Ruhm kam, kamen auch die Neider und Kritiker. Besonders Schulmediziner standen seiner Arbeit sehr skeptisch gegenüber und wollten seine Gymnastik höchstens als Behandlung bei Wehwehchen anerkennen. Bis zu seinem Tode blieb Ling umstritten. Da halfen auch die Auszeichnungen wie der ''Schwedische Professorentitel'' und der Titel ''Ritter des [[Nordstern-Orden]]s'' nichts. Etwas Besserung brachte die Wahl zum Mitglied der ''Sveriges läkarförbund'' (Schwedische Medizinische Gesellschaft). So sehr ihn sein Kritiker ablehnten, so sehr wurde er von Freunden und Schülern vergöttert. Diese schenkten ihm 1821 eine silberne Medaille: Auf der einen Seite ein Brustbild von Ling, auf der anderen die Umschrift „Dem hochgefeierten Idrottmann von seinen Freunden und Schülern“ {{lit|Rothstein, Seite L}}.
Ling war allerdings nicht unumstritten. Die Schulmediziner standen seiner Arbeit skeptisch gegenüber und wollten seine Gymnastik höchstens zur Prävention oder als Behandlung bei „Wehwehchen“ anerkennen. An dieser Einstellung änderte sich bis zu seinem Tod nichts. Trotz seiner umstrittenen Person wurden ihm allerdings Auszeichnungen wie der ''Schwedische Professorentitel,'' der Titel ''Ritter des [[Nordstern-Orden]]s'' verliehen und er wurde zum Mitglied der Schwedischen Medizinischen Gesellschaft ''([[Sveriges läkarförbund]])'' gewählt. Seine Schüler hingegen zeigten ihm ihre Wertschätzung insbesondere in Form einer ihm 1821 zum Geschenk gemachten silbernen Medaille: Auf der einen Seite ein Brustbild von Ling, auf der anderen die Umschrift „Dem hochgefeierten Idrottmann<ref>''idrott'' ist [[Schwedische Sprache|schwedisch]] und wird in aktuellen Wörterbüchern mit ''Sport'' übersetzt. Ob ''Idrottmann'' für Ling und seine Schüler eine besondere Bedeutung hatte, ist nicht nachvollziehbar.</ref> von seinen Freunden und Schülern“.<ref>Rothstein, S. L.</ref>


Die folgenden Jahre verbrachte Ling damit seine Künste zu lehren. Seine Art des Bajonettfechtens wurde 1836 bei der schwedischen Infanterie übernommen. Er schrieb noch weitere Gedichte und die einzigen drei Bücher die es über seine Lehren aus seiner Feder gibt. Wobei das größte und wichtigste Werk, ''Gymnastikens allmänna grunder'', erst ein Jahr nach seinem Tod durch seine Schüler Liedbeck und Karl Augustus Georgii veröffentlich wurde. Ling erkrankte an einer [[Tuberkulose|Lebertuberkulose]] und begab sich auf einen langen Leidensweg bis zu seinem Tod. Trotz der Schmerzen trat er nicht kürzer oder widmete sich mehr seiner Frau und seinen Kindern. Bis zu seinem Tod kämpfte er für seine Überzeugungen und seine Idee. Er starb am 3. Mai 1839 im Kreise seiner Familie und Freunde in Stockholm.
Die folgenden Jahre verbrachte Ling mit der Verbesserung seiner Übungen an GCI. 1836 wurde sein Bajonettfechten bei der schwedischen Infanterie übernommen. Er schrieb noch weitere Gedichte und die einzigen drei Bücher, die es über seine Lehren aus seiner Feder gibt. Das größte und wichtigste Werk, ''Gymnastikens allmänna grunder,'' wurde erst ein Jahr nach seinem Tod durch seine Schüler Liedbeck und Georgii veröffentlicht. Ling starb am 3. Mai 1839 in Stockholm, nachdem er einige Monate vorher an einer [[Tuberkulose|Lebertuberkulose]] erkrankt war.


== Nach seinem Tod ==
== Lehre ==


{{Zitat|Lings innerem Auge stellte sich jetzt in immer hellern Glanze das Bild dar eines Menschengeschlechts, neugeboren in Gewandheit, Kraft, leiblicher und sittlicher Gesundheit und Schönheit; [...]|Hugo Rothstein: ''Die Gymnastik nach einem Systeme des Schwedischen Gymnasiarchen P. H. Ling''}}
Nach Lings Tod übernahm sein Schüler, Prof. Lars Gabriel Branting, die Leitung des GCI und führte seine Ideen fort. Die Gymnastik entwickelte sich in zwei unterschiedliche Richtungen. Die eine Richtung zeigte einen gemäßigten Ansatz und verstand die Gymnastik als Teil oder Ergänzung der schulmedzinischen Behandlung. Die andere Richtung wollte die Gymnastik für viele Krankheiten als die einzige Behandlung manifestieren und die Schulmedizin bei diesen Therapien gänzlich vertreiben.
Lings Leitbild war es, den vaterländischen Geist zu stärken und das Heldentum der Ahnen zu erneuern. Nach Aussagen seiner Schüler war Lings Urgroßvater sein größtes Vorbild. Dieser wurde über 100 Jahre alt und zeugte 19 Kinder. Ling wollte, nachdem er seine körperliche Stärke durch die Fechtübungen zurückbekam, dieses Wissen der skandinavischen Bevölkerung zu Nutze machen. Da seine Übungen bereits in der Jugend anzuwenden waren, gilt er neben [[Friedrich Ludwig Jahn|F. L. Jahn]], [[Johann Christoph Friedrich GutsMuths|J. C. F. GutsMuths]] und [[Johann Heinrich Pestalozzi|J. H. Pestalozzi]] als Reformator der Jugenderziehung.<ref>Kirchberg, S. 28.</ref> Bereits ein paar Jahre bevor Ling mit seiner systematischen Entwicklung der Gymnastik begann, machte sich [[Franz Nachtegall]] in Dänemark mit Gymnastik einen Namen. Teilweise beruhen Lings Theorien auf Nachtegalls Leibesübungen.


Das Leben besteht nach Lings Theorie aus der ''chemischen Grundform,'' der ''dynamischen Grundform'' und der ''mechanischen Grundform.'' Wenn eine dieser Formen von Erkrankungen oder Beschwerden heimgesucht wird, muss mit der jeweils entsprechenden Therapie begonnen werden. Bei der mechanischen Grundform war die Gymnastik seine Therapie der Wahl. Die Gymnastik war in seinen Augen aber nicht in erster Linie Heilmethode, sondern galt vielmehr der [[Krankheitsprävention|Prävention]]. Hierfür entwickelte Ling sein System der Gymnastik, welches auf vier Säulen aufbaut und, sofern es konsequent durchgeführt werde, dem Menschen Kraft und Fitness bescheren sollte. Die vier Säulen stehen für verschiedene Arten der Gymnastik, mit eigenen Übungen und eigenen Schwerpunkten im Bezug auf Ausübung, Dauer, Exaktheit und vieles mehr. Die ''Medizinische Gymnastik'' soll den schwachen Körper des Patienten stärken und das Allgemeinwohl heben. Genau geleitete Übungen sollen bei der ''Pädagogischen Gymnastik'' der Jugend Disziplin und Gehorsam lehren. Die ''Wehrgymnastik'' dient als Vorbereitung auf die Armee, sollte den Körper stählen und für eine aufrechte Haltung sorgen. Als letzte Säule hatte die ''Ästhetische Gymnastik'' die Aufgabe, die Bewegungen des Körpers eleganter zu machen und so Schönheit zu bringen. In Lings spärlichen Aufzeichnungen finden sich immer wieder Hinweise auf Handgriffe, die der Massage sehr ähnlich sind. Nach seiner Lehre hatten diese allerdings nicht die gleiche Bedeutung wie sie das in der heutigen Klassischen Massage haben. Sie dienten aber Albert Hoffa und Johann G. Mezger als Grundlage für die heute üblichen ''[[Massage#Handgriffe|5 Handgriffe der Massage]].''
In Anerkennung seiner Verdienste steht heute in Stockholm genau an der Stelle, an der sich früher das GCI befand, an der Kreuzung Hamngatan und Sveavägen, eine Büste Lings. Eine weitere Büste ist in Göteborg zu finden. Das Pfarrhaus, wo er seine Kindheit verbrachte, ist inzwischen zu einem Museum umfunktioniert worden.
<!--== Seine Lehre ==-->
<!-- Kommt evtl. noch vorm 31.03.-->


Neben dem Körper wollte Ling auch den Geist der Nordländer im modernen Skandinavien wieder aufleben lassen. Seine Gedichte und Epen mit Themen aus nordischen Märchen und Geschichten erzählen von Helden und ihrem Leben. ''Asarne'' ist z. B. ein Epos über die Frühzeit des Nordens. Seine literarischen Werke sind heute, außer im skandinavischen Bereich, nicht mehr sehr verbreitet.
== Werke ==


== Nachleben ==
* ''Agne (sorgspel)'', Lund 1812

* ''Eylif den göthiske (sorgspel)'', Stockholm 1814
[[Datei:Per Henrik Ling s.jpg|mini|Büste Lings in [[Göteborg]]. Erbaut von Hans Michelsen.]]
* ''Gylfe'', Stockholm 1814
Nach Lings Tod übernahm sein Schüler, Professor Lars Gabriel Branting, die Leitung des GCI und führte seine Ideen fort. Die Gymnastik entwickelte sich in zwei unterschiedliche Richtungen. Die eine Gruppe seiner Schüler zeigte einen gemäßigten Ansatz und verstand die Gymnastik als Teil oder Ergänzung der schulmedizinischen Behandlung und der Prävention. Die andere Gruppe wollte bei vielen Erkrankungen die Schulmedizin gänzlich vertreiben und die Gymnastik als alleinige Therapie manifestieren.
* ''Asarne (sånger)'', Stockholm 1816

* ''Riksdagen 1527 (historisk Skadespel)'', Stockholm 1817
In Anerkennung seiner Verdienste steht heute in Stockholm in der Nähe des früheren GCI, an der Kreuzung [[Hamngatan]] und [[Sveavägen]], die Statue eines kleinen Mädchens beim Ausüben der Lingschen Gymnastik. In Göteborg steht eine Büste von Ling. Das Pfarrhaus, wo er seine Kindheit verbrachte, ist inzwischen zu einem Museum umfunktioniert worden. Eine besondere Ehre wurde Ling bei den [[Olympische Sommerspiele 1912|Olympischen Sommerspielen 1912]] in Stockholm zuteil, bei denen seine Büste auf der Rückseite der [[Medaille]]n abgebildet war.
* ''Den heliga Birgitta (sorgspel)'', Stockholm 1818

* ''Eddornas sinnebildslära för olärde (framställd)'', Stockholm 1819
== Schriften ==
* ''Blot-Sven (sorgspel)'', Stockholm 1824

* ''Styrbjörn Starke (historiskt skådespel 1)'', Stockholm 1824
Ling hat erst gegen Ende seines Lebens Bücher über seine Lehren der Gymnastik und des Fechtens veröffentlicht. Alle früheren Werke sind Gedichte und Dramen über die nordische Mythologie, die größtenteils im oder in Zusammenarbeit mit dem Götiska Förbundet entstanden sind.
* ''Ingiald Illråda och Ivar Widfamne (historiskt skådespel 2)'', Stockholm 1824

* ''Reglemente för gymnastik'', Stockholm 1836
* ''Agne (sorgspel).'' Lund 1812.
* ''Reglemente för bajonett fäktning'', Stockholm 1838
* ''Eylif den göthiske (sorgspel).'' Stockholm 1814.
* ''Gymnastikens allmänna grunder'', Uppsala 1840 (von seinen Schülern vollendet)
* ''Gylfe.'' Stockholm 1814.
* ''Asarne (sånger).'' Stockholm 1816.
* ''Riksdagen 1527 (historisk Skadespel).'' Stockholm 1817.
* ''Den heliga Birgitta (sorgspel).'' Stockholm 1818.
* ''Eddornas sinnebildslära för olärde (framställd).'' Stockholm 1819.
* ''Blot-Sven (sorgspel).'' Stockholm 1824.
* ''Styrbjörn Starke (historiskt skådespel 1).'' Stockholm 1824.
* ''Ingiald Illråda och Ivar Widfamne (historiskt skådespel 2).'' Stockholm 1824.
* ''Reglemente för gymnastik.'' Stockholm 1836.
* ''Reglemente för bajonett fäktning.'' Stockholm 1838.
* ''Gymnastikens allmänna grunder.'' Uppsala 1840. (von seinen Schülern vollendet)


== Literatur ==
== Literatur ==


* Hugo Rothstein: ''Die Gymnastik nach einem Systeme des Schwedischen Gymnasiarchen P. H. Ling''. Schroeder, Berlin 1848.
* Hugo Rothstein: ''Die Gymnastik nach einem Systeme des Schwedischen Gymnasiarchen P. H. Ling.'' Schroeder, Berlin 1848.
* [[Alfred Brauchle]]: ''Die schwedische Gymnastik und Massage. Der Dichter Per Henrik Ling.'' In: derselbe: ''Geschichte der Naturheilkunde in Lebensbildern''. 2. erw. Auflage von ''Große Naturärzte''. Reclam-Verlag, Stuttgart 1951, S. 191–194.
* Dr. Franz Kirchberg: ''Handbuch der Massage und Heilgymnastik''. Band 1, Georg Thieme Verlag, Leipzig 1926.
* Franz Kirchberg: ''Handbuch der Massage und Heilgymnastik.'' Band 1, Georg Thieme Verlag, Leipzig 1926.
* Karl Warburg: ''Svensk Litteraturhistoria i sammandrag''. P. A. Norstedt & Söners Förlag, Stockholm 1904.
* Augustus Georgii: ''A biographical sketch of the swedish poet and gymnasiarch, Peter Henry Ling.'' H. Bailliere, London 1854. [http://books.google.com/books?id=cTsBAAAAQAAJ&printsec=frontcover&hl=de (Digitale Version bei Google Books)]
* Herman Hofberg: ''Svenskt Biografiskt Handlexikon''. Albert Bonniers Förlag, Stockholm 1906
* Carl August Westerblad: ''Ling the founder of swedish gymnastics – His life, his work and his importance'' In: ''Tidskrift i gymnastik.'' 4/1909.
* Horace Everett Hooper: ''The Encyclopædia Britannica''. 11. Auflage, o. O. 1911.
* Karl Warburg: ''Svensk Litteraturhistoria i sammandrag.'' P. A. Norstedt & Söners Förlag, Stockholm 1904.
* Herman Hofberg: ''Svenskt Biografiskt Handlexikon.'' Albert Bonniers Förlag, Stockholm 1906.
* Horace Everett Hooper: ''The Encyclopædia Britannica.'' 11. Auflage. o. O. 1911.
* [[Arnd Krüger]]: ''Geschichte der Bewegungstherapie.'' In: ''Präventivmedizin''. Springer Loseblatt Sammlung, Heidelberg 1999, 07.06, 1 – 22.
* Jan Lindroth: ''Ling - från storhet till upplösning: studier i svensk gymnastikhistoria 1800–1950.'' B. Östlings, Eslöv 2004, ISBN 91-7139-692-6.
* Julia Helene Schöler: ''Über die Anfänge der Schwedischen Heilgymnastik in Deutschland – ein Beitrag zur Geschichte der Krankengymnastik im 19. Jahrhundert.'' Münster 2005, [http://d-nb.info/99216589X/34 PDF; 1 MB] – ''Dissertation zur Erlangung des doctore medicinae''

== Siehe auch ==
* [[Lingiade]]


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* {{Commons|Pehr Henrik Ling}}
* [http://www.gih.se Das Gymnastiska centralinstitutet (GCI) heute]
* [http://www.slf.se Offizielle Webseite des Sveriges läkarförbund]
* [http://runeberg.org/svlihist/0153.html Pehr Henrik Ling im ''Svensk Litteraturhistoria i sammandrag'' auf Runeberg.org]
* [http://runeberg.org/sbh/b0080.html Pehr Henrik Ling im ''Svenskt Biografiskt Handlexikon'' auf Runeberg.org]
* [http://encyclopedia.jrank.org/LEO_LOB/LING_PER_HENRIK_1776_1839_.html Pehr Henrik Ling in der ''1911 Encyclopedia Britannica'']
* <!--{{PND|118819631}}, Keine Treffer im DDB-OPAC, 21.03.2006}}-->


{{Commons}}
{{Schreibwettbewerb}}
* [http://olympic-museum.de/w_medals/olympic-games-winner-medal-1912.php Medaille der Olympischen Sommerspiele 1912 (Rückseite)]
* [http://www.gih.se/ Das Gymnastiska centralinstitutet (GCI) heute]
* [http://sodraljunga.se/lingmuseet.html Bilder des „Lingmuseet“ in Södra Ljunga]


== Anmerkungen ==
[[Kategorie:Mann|Ling, Pehr Henrik]]
<references />
[[Kategorie:Schwede|Ling, Pehr Henrik]]
[[Kategorie:Massage|Ling, Pehr Henrik]]
[[Kategorie:Geboren 1776|Ling, Pehr Henrik]]
[[Kategorie:Gestorben 1839|Ling, Pehr Henrik]]
[[Kategorie:Autor|Ling, Pehr Henrik]]
[[Kategorie:Literatur (19. Jh.)|Ling, Pehr Henrik]]
[[Kategorie:Literatur (Schwedisch)|Ling, Pehr Henrik]]
[[Kategorie:Lyrik|Ling, Pehr Henrik]]


{{Exzellent|9. Juli 2006|18795775}}
{{Personendaten|

NAME=Pehr Henrik Ling
{{Normdaten|TYP=p|GND=118819631|LCCN=n/85/184744|VIAF=37712974}}
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[[Kategorie:Literatur (Schwedisch)]]
[[Kategorie:Literatur (19. Jahrhundert)]]
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[[Kategorie:Mitglied der Schwedischen Akademie]]
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[[Kategorie:Gestorben 1839]]
[[Kategorie:Mann]]

{{Personendaten
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|ALTERNATIVNAMEN=Ling, Per Henrik; Ling, Peter Henry
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|STERBEDATUM=3. Mai 1839
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|STERBEORT=[[Stockholm]], [[Schweden]]
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}}

[[en:Pehr Henrik Ling]]
[[sv:Pehr Henrik Ling]]

Aktuelle Version vom 12. April 2024, 08:47 Uhr

Gezeichnetes Porträt von Pehr Henrik Ling aus dem Jahre seines Todes (1839)

Pehr Henrik Ling (in älteren Quellen meist Per Henrik Ling, in englischen Quellen auch Peter Henry Ling; * 15. November 1776 in Södra Ljunga (Kronobergs län); † 3. Mai 1839 in Stockholm) war ein schwedischer Dichter und Autor sowie Begründer der Schwedischen Gymnastik. Er gilt neben Albert Hoffa und Johann Georg Mezger als Vater der Klassischen Massage, die deshalb auch Schwedische Massage genannt wird.

Kindheit und Lehrjahre

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Ling wurde im Dorf Södra Ljunga in der Provinz Kronobergs län (historische Provinz Småland) etwa 15 Kilometer südlich von Ljungby geboren. Vier Jahre nach Lings Geburt starb sein Vater, Lars Peter Ling, der Pfarrer von Södra Ljunga war. Seine Mutter, Hedvig Maria Molin, heiratete den Amtsnachfolger, verstarb allerdings kurz nach dieser Hochzeit.

Er wurde auf das Gymnasium im nahe gelegenen Växjö geschickt. Eine Jahreszahl ist nicht bekannt, ebenso ob er vorher eine andere Schule besucht hat. 1792 wurde Ling des Gymnasiums verwiesen, als er sich nach einem Aufstand einiger Schüler weigerte, die Anführer zu nennen. Die nächste nachweisliche Station Lings ist die Universität Uppsala, an der er 1793 Theologie studierte. Nach vier Jahren konnte er dieses Studium am 21. Dezember 1797 mit einem Diplom abschließen. Er entschloss sich zu einer längeren Reise durch Europa und verließ 1799 Schweden in Richtung Dänemark. Seine erste Station war Kopenhagen. Danach hielt er sich in Deutschland, Frankreich und England auf. Er eignete sich die Sprachen der von ihm bereisten Länder an und lernte in Deutschland das frisch erwachte „deutsche Turnen“ kennen. Einige Quellen sehen in dieser Begegnung den Grundstein für seine spätere Arbeit mit der schwedischen Gymnastik. Die nächsten Aufzeichnungen über Lings Leben berichten vom Jahr 1801, in welchem er als Offizier der Marine an der Seeschlacht von Kopenhagen teilnahm.

Obwohl Ling auf seinen Reisen immer wieder Arbeit hatte, war er in diesen Jahren des Öfteren mittellos. Später erzählte er Freunden, dass er stolz darauf sei, seine Lebensbedürfnisse jederzeit auf das äußerste Maß einschränken zu können.[1] Allerdings hinterließen die Jahre der Reisen und Armut, manchmal ohne Essen und Schlaf, und der Dienst bei der Armee körperliche Spuren: sein allgemeiner körperlicher Zustand verschlechterte sich, er zeigte Symptome von Rheuma und hatte sogar Paralysen.[2]

Ein Ziel, zwei Wege

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Im Jahr 1804 errichteten zwei französische Immigranten an der Universität Kopenhagen eine Fechtschule. Interessiert an diesem Sport, reiste Ling nach Dänemark und wurde Schüler der beiden Franzosen. Er bemerkte, dass die regelmäßigen Fechtübungen seine Gesundheit verbesserten und er schließlich wieder vollkommen rehabilitiert war. Da er eine besondere Begabung für diesen Sport hatte, wurde er ein Jahr später Fechtmeister an der Universität von Lund. Dort unterrichtete er Fechten und die modernen Sprachen, die er sich auf seinen Reisen angeeignet hatte. Neben seiner Tätigkeit als Dozent hielt Ling Vorträge über die skandinavische Mythologie und beschäftigte sich mit der Vergangenheit des schwedischen Volkes. Er belegte Kurse für Anatomie und Physiologie an der Universität, um den Gründen für seine Genesung auf die Spur zu kommen.

Spätestens an diesem Punkt in seinem Leben fasste er den Entschluss, die Schweden zu würdigen Nachkommen der alten Nordländer zu machen. Dieses Ziel wollte er sowohl mit Gymnastik als auch mit Poesie erreichen.[3] Durch sein Engagement als Dichter und Autor der nordischen Mythologie bekam er Kontakt zu Gleichgesinnten. Anfangs trafen sie sich aus Spaß, später gründete diese Gruppe den Gotischen Bund (Götiska Förbundet) mit dem Ziel, den Schweden über Poesie ihren Stolz und ihr nordländisches Nationalgefühl wiederzugeben. Ling selbst schrieb einige Stücke, wie zum Beispiel Asarne oder Gylfe. Die Schwedische Akademie (Svenska Akademien) ernannte ihn im Jahre 1835 zum Nachfolger des Verstorbenen Anders Fredrik Skjöldebrand (1757 bis 1834). Ling bekam dessen Sitzplatz (Nummer 18) und blieb, wie es die Statuten der Akademie vorsehen, bis zu seinem Tod im Jahre 1839 Mitglied.

Umstrittener Erneuerer

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1812 bat er die schwedische Regierung um Gelder für die Einrichtung eines gymnastischen Institutes in Stockholm. Die Antwort war genauso knapp wie direkt: „Wir haben der Jongleure und Seiltänzer schon genug, ohne ihretwegen die Staatskasse zu belästigen.“[4] Ling konzentrierte sich auf die Weiterentwicklung des Fechtens und seiner Gymnastik. Seine Bekanntheit als Fechtlehrer half ihm seine gymnastischen Übungen bekannt zu machen. Innerhalb eines Jahres war sein Ansehen in der Gesellschaft so stark gewachsen, dass ihm die Gelder für das Institut bei einer erneuten Anfrage genehmigt wurden. Es waren zwar nur geringe Gelder, aber Ling konnte 1813 das Gymnastische Zentralinstitut (schwedisch Gymnastiska Centralinstitutet, kurz GCI) in Stockholm gründen und wurde dessen Vorsteher. Bereits wenige Monate später wurden seine gymnastischen Übungen in vielen schwedischen Einrichtungen, wie z. B. Schulen, und bei der Armee eingeführt. 1818 übernahmen die Truppen der Provinz Schonen eine von ihm entwickelte Art des Bajonettfechtens. Diese Erfolge in staatlichen Einrichtungen versetzten ihn in den Stand, weitere Gelder für das GCI zu fordern und sie auch genehmigt zu bekommen.

Ling war allerdings nicht unumstritten. Die Schulmediziner standen seiner Arbeit skeptisch gegenüber und wollten seine Gymnastik höchstens zur Prävention oder als Behandlung bei „Wehwehchen“ anerkennen. An dieser Einstellung änderte sich bis zu seinem Tod nichts. Trotz seiner umstrittenen Person wurden ihm allerdings Auszeichnungen wie der Schwedische Professorentitel, der Titel Ritter des Nordstern-Ordens verliehen und er wurde zum Mitglied der Schwedischen Medizinischen Gesellschaft (Sveriges läkarförbund) gewählt. Seine Schüler hingegen zeigten ihm ihre Wertschätzung insbesondere in Form einer ihm 1821 zum Geschenk gemachten silbernen Medaille: Auf der einen Seite ein Brustbild von Ling, auf der anderen die Umschrift „Dem hochgefeierten Idrottmann[5] von seinen Freunden und Schülern“.[6]

Die folgenden Jahre verbrachte Ling mit der Verbesserung seiner Übungen an GCI. 1836 wurde sein Bajonettfechten bei der schwedischen Infanterie übernommen. Er schrieb noch weitere Gedichte und die einzigen drei Bücher, die es über seine Lehren aus seiner Feder gibt. Das größte und wichtigste Werk, Gymnastikens allmänna grunder, wurde erst ein Jahr nach seinem Tod durch seine Schüler Liedbeck und Georgii veröffentlicht. Ling starb am 3. Mai 1839 in Stockholm, nachdem er einige Monate vorher an einer Lebertuberkulose erkrankt war.

„Lings innerem Auge stellte sich jetzt in immer hellern Glanze das Bild dar eines Menschengeschlechts, neugeboren in Gewandheit, Kraft, leiblicher und sittlicher Gesundheit und Schönheit; [...]“

Hugo Rothstein: Die Gymnastik nach einem Systeme des Schwedischen Gymnasiarchen P. H. Ling

Lings Leitbild war es, den vaterländischen Geist zu stärken und das Heldentum der Ahnen zu erneuern. Nach Aussagen seiner Schüler war Lings Urgroßvater sein größtes Vorbild. Dieser wurde über 100 Jahre alt und zeugte 19 Kinder. Ling wollte, nachdem er seine körperliche Stärke durch die Fechtübungen zurückbekam, dieses Wissen der skandinavischen Bevölkerung zu Nutze machen. Da seine Übungen bereits in der Jugend anzuwenden waren, gilt er neben F. L. Jahn, J. C. F. GutsMuths und J. H. Pestalozzi als Reformator der Jugenderziehung.[7] Bereits ein paar Jahre bevor Ling mit seiner systematischen Entwicklung der Gymnastik begann, machte sich Franz Nachtegall in Dänemark mit Gymnastik einen Namen. Teilweise beruhen Lings Theorien auf Nachtegalls Leibesübungen.

Das Leben besteht nach Lings Theorie aus der chemischen Grundform, der dynamischen Grundform und der mechanischen Grundform. Wenn eine dieser Formen von Erkrankungen oder Beschwerden heimgesucht wird, muss mit der jeweils entsprechenden Therapie begonnen werden. Bei der mechanischen Grundform war die Gymnastik seine Therapie der Wahl. Die Gymnastik war in seinen Augen aber nicht in erster Linie Heilmethode, sondern galt vielmehr der Prävention. Hierfür entwickelte Ling sein System der Gymnastik, welches auf vier Säulen aufbaut und, sofern es konsequent durchgeführt werde, dem Menschen Kraft und Fitness bescheren sollte. Die vier Säulen stehen für verschiedene Arten der Gymnastik, mit eigenen Übungen und eigenen Schwerpunkten im Bezug auf Ausübung, Dauer, Exaktheit und vieles mehr. Die Medizinische Gymnastik soll den schwachen Körper des Patienten stärken und das Allgemeinwohl heben. Genau geleitete Übungen sollen bei der Pädagogischen Gymnastik der Jugend Disziplin und Gehorsam lehren. Die Wehrgymnastik dient als Vorbereitung auf die Armee, sollte den Körper stählen und für eine aufrechte Haltung sorgen. Als letzte Säule hatte die Ästhetische Gymnastik die Aufgabe, die Bewegungen des Körpers eleganter zu machen und so Schönheit zu bringen. In Lings spärlichen Aufzeichnungen finden sich immer wieder Hinweise auf Handgriffe, die der Massage sehr ähnlich sind. Nach seiner Lehre hatten diese allerdings nicht die gleiche Bedeutung wie sie das in der heutigen Klassischen Massage haben. Sie dienten aber Albert Hoffa und Johann G. Mezger als Grundlage für die heute üblichen 5 Handgriffe der Massage.

Neben dem Körper wollte Ling auch den Geist der Nordländer im modernen Skandinavien wieder aufleben lassen. Seine Gedichte und Epen mit Themen aus nordischen Märchen und Geschichten erzählen von Helden und ihrem Leben. Asarne ist z. B. ein Epos über die Frühzeit des Nordens. Seine literarischen Werke sind heute, außer im skandinavischen Bereich, nicht mehr sehr verbreitet.

Büste Lings in Göteborg. Erbaut von Hans Michelsen.

Nach Lings Tod übernahm sein Schüler, Professor Lars Gabriel Branting, die Leitung des GCI und führte seine Ideen fort. Die Gymnastik entwickelte sich in zwei unterschiedliche Richtungen. Die eine Gruppe seiner Schüler zeigte einen gemäßigten Ansatz und verstand die Gymnastik als Teil oder Ergänzung der schulmedizinischen Behandlung und der Prävention. Die andere Gruppe wollte bei vielen Erkrankungen die Schulmedizin gänzlich vertreiben und die Gymnastik als alleinige Therapie manifestieren.

In Anerkennung seiner Verdienste steht heute in Stockholm in der Nähe des früheren GCI, an der Kreuzung Hamngatan und Sveavägen, die Statue eines kleinen Mädchens beim Ausüben der Lingschen Gymnastik. In Göteborg steht eine Büste von Ling. Das Pfarrhaus, wo er seine Kindheit verbrachte, ist inzwischen zu einem Museum umfunktioniert worden. Eine besondere Ehre wurde Ling bei den Olympischen Sommerspielen 1912 in Stockholm zuteil, bei denen seine Büste auf der Rückseite der Medaillen abgebildet war.

Ling hat erst gegen Ende seines Lebens Bücher über seine Lehren der Gymnastik und des Fechtens veröffentlicht. Alle früheren Werke sind Gedichte und Dramen über die nordische Mythologie, die größtenteils im oder in Zusammenarbeit mit dem Götiska Förbundet entstanden sind.

  • Agne (sorgspel). Lund 1812.
  • Eylif den göthiske (sorgspel). Stockholm 1814.
  • Gylfe. Stockholm 1814.
  • Asarne (sånger). Stockholm 1816.
  • Riksdagen 1527 (historisk Skadespel). Stockholm 1817.
  • Den heliga Birgitta (sorgspel). Stockholm 1818.
  • Eddornas sinnebildslära för olärde (framställd). Stockholm 1819.
  • Blot-Sven (sorgspel). Stockholm 1824.
  • Styrbjörn Starke (historiskt skådespel 1). Stockholm 1824.
  • Ingiald Illråda och Ivar Widfamne (historiskt skådespel 2). Stockholm 1824.
  • Reglemente för gymnastik. Stockholm 1836.
  • Reglemente för bajonett fäktning. Stockholm 1838.
  • Gymnastikens allmänna grunder. Uppsala 1840. (von seinen Schülern vollendet)
  • Hugo Rothstein: Die Gymnastik nach einem Systeme des Schwedischen Gymnasiarchen P. H. Ling. Schroeder, Berlin 1848.
  • Alfred Brauchle: Die schwedische Gymnastik und Massage. Der Dichter Per Henrik Ling. In: derselbe: Geschichte der Naturheilkunde in Lebensbildern. 2. erw. Auflage von Große Naturärzte. Reclam-Verlag, Stuttgart 1951, S. 191–194.
  • Franz Kirchberg: Handbuch der Massage und Heilgymnastik. Band 1, Georg Thieme Verlag, Leipzig 1926.
  • Augustus Georgii: A biographical sketch of the swedish poet and gymnasiarch, Peter Henry Ling. H. Bailliere, London 1854. (Digitale Version bei Google Books)
  • Carl August Westerblad: Ling the founder of swedish gymnastics – His life, his work and his importance In: Tidskrift i gymnastik. 4/1909.
  • Karl Warburg: Svensk Litteraturhistoria i sammandrag. P. A. Norstedt & Söners Förlag, Stockholm 1904.
  • Herman Hofberg: Svenskt Biografiskt Handlexikon. Albert Bonniers Förlag, Stockholm 1906.
  • Horace Everett Hooper: The Encyclopædia Britannica. 11. Auflage. o. O. 1911.
  • Arnd Krüger: Geschichte der Bewegungstherapie. In: Präventivmedizin. Springer Loseblatt Sammlung, Heidelberg 1999, 07.06, 1 – 22.
  • Jan Lindroth: Ling - från storhet till upplösning: studier i svensk gymnastikhistoria 1800–1950. B. Östlings, Eslöv 2004, ISBN 91-7139-692-6.
  • Julia Helene Schöler: Über die Anfänge der Schwedischen Heilgymnastik in Deutschland – ein Beitrag zur Geschichte der Krankengymnastik im 19. Jahrhundert. Münster 2005, PDF; 1 MBDissertation zur Erlangung des doctore medicinae
Commons: Pehr Henrik Ling – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Rothstein, S. XLIII.
  2. Georgii, S. 3.
  3. Warburg, S. 149.
  4. Rothstein, S. XLIX.
  5. idrott ist schwedisch und wird in aktuellen Wörterbüchern mit Sport übersetzt. Ob Idrottmann für Ling und seine Schüler eine besondere Bedeutung hatte, ist nicht nachvollziehbar.
  6. Rothstein, S. L.
  7. Kirchberg, S. 28.