„Geschichte Kambodschas“ – Versionsunterschied
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[[Datei:Reisfelder Kambodscha Angkor2001.jpg|mini|Reisfelder im Gebiet von Angkor]] |
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Die '''Geschichte Kambodschas''' umfasst einen Zeitraum von annähernd 1.200 Jahren, während dem sich das Reich der [[Khmer]] (gesprochen: ''kmen'') entwickelte, wie sich die [[Kambodscha]]ner selbst und wie sie auch ihre [[Khmer (Sprache)|Sprache]] nennen. |
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Die '''Geschichte Kambodschas''' umfasst die Entwicklungen auf dem Gebiet des [[Kambodscha|Königreichs Kambodscha]] von der Urgeschichte bis zur Gegenwart. Sie beginnt mit den ersten Siedlungen, deren erste Spuren auf 4200 v. Chr. datiert werden können.<ref name="Chandler_13">David Chandler: ''A History of Cambodia.'' Westview Press, Boulder Colorado 2008, ISBN 978-1-57856-696-9, S. 13.</ref> Im engeren Sinne umfasst sie den Zeitraum der letzten 1200 Jahre, in dem sich das Reich der [[Khmer (Volk)|Khmer]] (gesprochen: ''kmer'') entwickelte, wie die Kambodschaner sich selbst und ihre [[Khmer-Sprache|Sprache]] nennen. |
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== Frühzeit == |
== Frühzeit == |
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*ab etwa [[5. Jahrtausend v. Chr.|5000 v. Chr.]]: früheste bekannte Siedlungstätigkeit am [[Mekong]] und in der Ebene des [[Tonle Sap See|Tonle Sap]]. |
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*[[1. Jahrhundert v. Chr.]]: das erste bedeutende Königreich, [[Funan]], entsteht am [[Mekong-Delta]] und entlang der Küste; Handel mit [[Geschichte_Chinas|China]] und [[Geschichte_Indiens|Indien]]. |
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*[[7. Jahrhundert]]: Funan geht im erstarkenden Reich [[Chenla]] auf, neue Hauptstadt [[Isanapura]]. |
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Reste von [[Keramik]], die in einer Höhle im Nordwesten Kambodschas gefunden wurden, weisen auf eine Besiedelung Kambodschas seit mindestens 4200 v. Chr. hin. Weitere archäologische Funde deuten auf die Siedlungstätigkeit einer [[Jungsteinzeit|neolithischen]] Kultur im 2. Jahrtausend v. Chr. hin, deren Angehörige aus Südostchina ins heutige Kambodscha eingewandert waren.<ref name="Chandler_13" /> Sie errichteten [[Pfahlbau]]ten entlang des [[Mekong]], lebten vom Fischfang und vom Reisanbau, hielten Haustiere und waren bereits zu primitiven [[Erdbau]]ten in der Lage.<ref>{{Literatur |Autor=Gerd Albrecht, Miriam Noel Haidle, Chhor Sivleng Heang Leang Hong, Heng Sophady, Heng Than, Mao Someaphyvath, Sirik Kada, Som Sophal, Thuy Chanthourn, Vin Laychour |Titel=Circular Earthwork Krek 52/62: Recent Research on the Prehistory of Cambodia |Band=39 |Datum=2000 |Online=http://muse.jhu.edu/article/2867 |Abruf=2018-07-14 |Sammelwerk=Asian Perspectives |Nummer=1–2}}</ref> |
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== Reich der Khmer == |
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[[Bild:Reisfelder Kambodscha Angkor2001.jpg|thumb|200px|Reisfelder im Gebiet von [[Angkor]]]] |
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[[Bild:Angkor Wat ausSO.jpg|thumb|200px|[[Angkor Wat]] (12. Jahrhundert)]] |
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[[Bild:Apsaras AngkorWat Kambodscha2001.jpg|thumb|200px|[[Apsara]]s an einer Wand des Angkor Wat]] |
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Der Beginn des Khmer-Reiches von '''[[Angkor]]''' ([[Khmer-Sprache|khmer]]: ''Stadt''), von den Khmer selbst ''Kambuja'' genannt, wird üblicher Weise mit dem Jahr [[802]] angegeben, jenem Jahr in dem sich [[Jayavarman II.]] zum ''Deva-raja'' (etwa: „König der Könige“) erheben ließ. Er einte die Khmer unter seiner Herrschaft, machte das Reich unabhängig vom Seereich Javas und gründete mit [[Hariharalaya]] die erste Hauptstadt in der Region von Angkor. |
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=== Funan-Reich (1.–7. Jahrhundert) === |
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In seiner größten Ausdehnung umfasste Kambuja das heutige Staatsgebiet von [[Kambodscha]], das [[Flussdelta|Delta]] des [[Mekong]], das südliche [[Laos]] sowie das untere [[Thailand]] (Siam) bis zum [[Isthmus von Kra]]. |
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{{Hauptartikel|Funan}} |
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Wirtschaftlich basierte das Reich auf der [[Landwirtschaft]], insbesondere dem durch [[künstliche Bewässerung]] sehr erfolgreich betriebenen [[Reisanbau|Anbau von Reis]], und dem [[Fischfang]]. Angkor liegt nahe am fischreichen See [[Tonle Sap See|Tonle Sap]], dem größten See in [[Südostasien]]. Daneben wurde auch Handel mit benachbarten Reichen und insbesondere [[Geschichte Chinas|China]] betrieben. |
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Im 1. Jahrhundert v. Chr. entstand das Königreich Funan am [[Mekong-Delta]] und entlang der Küste. Es war stark von der [[Indische Kultur|indischen Kultur]] beeinflusst, geriet aber durch den aufkommenden Seehandel auch mit den Kulturen von [[China]], [[Malaysien]] und [[Java (Insel)|Java]] in Kontakt. Zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. erreichte Funan seine größte Ausdehnung, bis es 357 zu einem [[Vasallenstaat]] Chinas wurde. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts wurde der aus Indien stammende [[Shivaismus]] unter König Kaundinya Staatsreligion. Erst im 6. Jahrhundert begann Funans Niedergang, der durch das Aufgehen im [[Chenla]]-Reich mit der Hauptstadt [[Isanapura]] zu Beginn des 7. Jahrhunderts beendet wurde. |
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=== Chenla-Reich (7.–8. Jahrhundert) === |
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Die Kultur der Khmer war stark von [[Hinduismus]] und [[Buddhismus]] beeinflusst, wobei letzterer auch heute noch ein tragendes Element der kambodschanischen Gesellschaft darstellt. |
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{{Hauptartikel|Chenla}} |
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[[1177]] wurde Angkor erstmals von den benachbarten [[Champa|Cham]] (aus dem Reich der [[Champa]]) eingenommen, doch sehr viel gefährlicher waren die [[Thai (Volk)|Thai]]-Völker, die sich im Laufe des [[13. Jahrhundert|13.]] und [[14. Jahrhundert]]s zu den Staatsgebilden von [[Sukhothai]] und [[Ayutthaya]] zusammenschlossen und die Herrschaft der Khmer abzuschütteln begannen. Diese Reiche begannen zunächst als [[Vasall]]enstaaten, doch wurde Angkor nach und nach aufgesogen, bis es 1431 schließlich fiel. |
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Das Chenla-Reich bestand vermutlich aus einer Reihe relativ unabhängiger Fürstentümer, die sich um verschiedene kulturelle Zentren erstreckten, darunter beispielsweise [[Sambor Prei Kuk]]. Bereits im 8. Jahrhundert zerfiel der Verbund in ein Nord- und ein Südreich, von denen sich um 715 weitere kleinere Einheiten abspalteten. Die [[Sailendra]] von Java zogen aus der resultierenden Schwäche einen Vorteil und brachten die Küstengebiete unter ihren Einfluss. 790 konnte [[Jayavarman II.]], der spätere erste König des Khmer-Reiches, aus dem Exil auf Java auf das Festland zurückkehren und damit beginnen, die zersplitterten Fürstentümer erfolgreich zu einigen. |
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== {{Anker|Reich der Khmer}}Khmer-Reich (9.–15. Jahrhundert) == |
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Angkor wurde als Hauptstadt aufgegeben, nachdem die Siamesen das Gebiet eingenommen hatten. Einzelne Tempel, wie der [[Angkor Wat]], wurden zwar weiterhin besucht, aber die Mehrzahl der Bauwerke wurde von der tropischen Vegetation überwachsen und verfiel. Einer breiteren Öffentlichkeit im Westen wurden die Überreste von Angkor Ende des [[19. Jahrhundert]]s bekannt, nachdem Forscher wie [[Henri Mouhot]] bebilderte Reiseberichte und geraubte Kunstwerke nach Europa gebracht hatten. Diese Entdeckungsreisenden bereiteten schließlich den [[Frankreich|französischen]] Zugriff auf [[Indochina]] vor. |
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[[Datei:Map-of-southeast-asia 900 CE.svg|mini|Das Khmer-Reich im 10. Jahrhundert]] |
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=== Zeittafel === |
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[[Datei:Apsaras AngkorWat Kambodscha2001.jpg|mini|[[Apsara]]s an einer Wand des Angkor Wat]] |
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*[[8. Jahrhundert]]: Das [[Indonesien#Geschichte|javanische]] Seereich der [[Shailendra]]-Dynastie erobert die Küstenregionen und drängt die [[Khmer]] ins Landesinnere zurück. |
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[[Datei:Angkor Wat ausSO.jpg|mini|Angkor Wat (12. Jahrhundert)]] |
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*8. Jahrhundert: Älteste bekannte Nennung des Namens ''Kambu'' (später ''Kambuja'', ''Kambodscha'') in einer Inschrift am Po Nagar Tempel in [[Nha Trang]] (im heutigen [[Vietnam]]) |
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{{Hauptartikel|Angkor}} |
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*[[790]]: [[Jayavarman II.]] wird König, neue Hauptstadt [[Hariharalaya]]. |
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Der Beginn des Khmer-Reiches von Angkor (khmer: ‚Stadt‘), von den Khmer selbst „Kambuja“ genannt, wird üblicherweise mit dem Jahr 802 angegeben, jenem Jahr, in dem sich Jayavarman II. der Überlieferung zufolge zum ''Deva-raja'' (etwa: „König der Könige“) erheben ließ. Er einte die Khmer unter seiner Herrschaft, machte das Reich unabhängig vom Seereich Javas und gründete mit [[Hariharalaya]] die erste Hauptstadt in der Region von Angkor. In der Regierungszeit des bedeutenden [[Yasovarman I.]] (889–910) wurde die Hauptstadt jedoch nach Yasodharapura verlegt. |
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*[[802]]: Jayavarman II. wird zum Deva-raja erhoben und erreicht die Unabhängigkeit des ab nun Kambuja genannten Reiches der Khmer von [[Java (Indonesien)|Java]]. Beginn der Ära des Khmer-Reiches von [[Angkor]] |
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*[[9. Jahrhundert|9.]]–[[10. Jahrhundert]]: Unter König [[Yasovarman I.]] wird mit Yasodharapura die erste Hauptstadt im Gebiet von Angkor errichtet |
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*[[9. Jahrhundert|9.]]–[[14. Jahrhundert]]: Khmer-Kultur in Angkor. |
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*[[1353]]: Die [[Siam]]esen (Thais) intensivieren ihre Angriffe auf das Khmer-Reich. |
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*[[1431]]: Die Hauptstadt der Khmer in Angkor wird von [[Ayutthaya]] ([[Thailand]]) erobert. |
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*[[1594]]: Die Überführung des letzten Khmer-König in siamesische Gefangenschaft bedeutet das Ende der etwa tausendjährigen Hochkultur der Khmer. |
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1177 wurde Angkor erstmals von den benachbarten [[Champa|Cham]] aus dem Reich der Champa eingenommen, doch sehr viel bedrohlicher waren die [[Thai (Volk)|Thai]]-Völker, die sich im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts zu den Staatsgebilden von [[Sukhothai (Königreich)|Sukhothai]] und [[Königreich Ayutthaya|Ayutthaya]] zusammenschlossen und die Herrschaft der Khmer abzuschütteln begannen. Diese Reiche waren zunächst Vasallenstaaten, doch wurde Angkor nach und nach zurückgedrängt, bis das Reich 1431 schließlich durch Ayutthaya eingenommen wurde. Angkor wurde als Hauptstadt aufgegeben, nachdem die Siamesen das Gebiet eingenommen hatten. Einzelne Tempel, wie der [[Angkor Wat]], wurden zwar weiterhin besucht, aber die Mehrzahl der Bauwerke wurde von der tropischen Vegetation überwachsen und verfiel. Die Überführung des letzten Khmer-Königs in siamesische Gefangenschaft 1594 bedeutete das Ende der etwa tausendjährigen Hochkultur der Khmer. |
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== Unter Fremdherrschaft == |
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1431 war Kambodscha zu einem Vasallen der Thai geworden. Seit dem [[17. Jahrhundert]], als sich im Osten das Reich [[Annam]] ([[Vietnam]]) bildete, wuchs auch von dort der Druck auf das Staatswesen. Auch Annam verlangte [[Tribut]]. Im späten [[18. Jahrhundert]] eroberte Annam [[Cochinchina]], das bis dahin von Kambodscha abhängig war. Im Westen verlor Kambodscha Provinzen an Siam. [[1807]] errichtete das vereinigte Vietnam ein [[Protektorat]] auf kambodschanischem Boden. Im [[19. Jahrhundert]] lag die Hauptstadt des Protektorats in [[Odongk]]. Im Jahr [[1840]]/[[1841|41]] führte ein Aufstand gegen die vietnamesische Vorherrschaft in Kambodscha zu einer vietnamesisch-siamesischen Verständigung, nach der das Land durch beide Nachbarn gemeinschaftlich beherrscht werden sollte. Die Regierungszeit des seinerzeitigen Königs [[Ang Duong]] war jedoch eher eine Zeit des Friedens und eines gemäßigten Wohlstands. Der König „ersuchte“ [[1854]] Frankreich um Schutz, doch wurde ein Zusammentreffen des Königs mit den Franzosen im Jahr [[1856]] von den am Hof weilenden siamesischen Beobachtern vereitelt. König [[Norodom]], der [[1859]] den Thron bestieg, verlegte die Hauptstadt nach [[Phnom Penh]]. |
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Einer breiteren Öffentlichkeit im Westen wurden die Überreste von Angkor Ende des 19. Jahrhunderts bekannt, nachdem Forscher wie [[Henri Mouhot]] bebilderte Reiseberichte und geraubte Kunstwerke nach Europa gebracht hatten. Diese Entdeckungsreisenden bereiteten schließlich den [[Frankreich|französischen]] Zugriff auf [[Indochina]] vor. |
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== Kolonialherrschaft == |
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[[1863]] erklärte Frankreich Kambodscha zum Protektorat, man versorgte den König mit Militärhilfe, um eine Rebellion niederzuschlagen. Gleichzeitig verlangte Frankreich [[Schürfrecht]]e und das Recht zur Exploration des Gebiets, da man hier – wie auch in Laos – große [[Gold]]vorkommen vermutete. [[1867]] schloss Frankreich einen Vertrag mit Siam, wonach den Siamesen die Hoheit über [[Battambang]] und [[Siem Reap]] zugestanden wurde, im Gegenzug aber Frankreichs Interessen im vormaligen siamesischen Vasallenstaat Kambodscha anerkannt wurden. |
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In seiner größten Ausdehnung umfasste Kambuja das heutige Staatsgebiet von [[Kambodscha]], das [[Flussdelta|Delta]] des Mekong, das südliche [[Laos]] sowie das untere [[Thailand]] (Siam) bis zum [[Isthmus von Kra]]. Wirtschaftlich basierte das Reich auf der [[Landwirtschaft]], insbesondere dem durch [[künstliche Bewässerung]] sehr erfolgreich betriebenen [[Reisanbau|Anbau von Reis]], und dem [[Fischfang]]. Angkor liegt nahe am fischreichen [[Tonle-Sap-See|See Tonle Sap]], dem größten See in [[Südostasien]]. Daneben wurde auch Handel mit benachbarten Reichen und insbesondere mit China betrieben. Die Kultur der Khmer war stark von [[Hinduismus]] und [[Buddhismus]] beeinflusst, wobei letzterer auch heute noch ein tragendes Element der kambodschanischen Gesellschaft darstellt. |
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[[Bild:Tonking, Östl. Hinterindien, Hue, Ha-Noi.jpg|thumb|300px|Karte der Region um 1888]] |
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== Abhängigkeit von Thailand und Vietnam (15.–19. Jahrhundert) == |
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Der französische Einfluss blieb zunächst gering, da das Land von einem König regiert wurde. Erst [[1884]] brachte ein französisches [[Kanonenboot]] einen [[Gouverneur]] nach Kambodscha, der einen Vertrag aushandeln wollte, nach dem der König umfangreiche Reformen vornehmen sollte, unter anderem die Abschaffung der [[Sklaverei]] (tatsächliche Abschaffung 1884), die Einführung des Rechts an Besitz von Privatland. Der König zögerte, musste aber schließlich zustimmen. Bis [[1887]] geschah aber nichts, um die Reformen in Gang zu setzen. In diesem Jahr wurde Kambodscha Teil des neu geformten [[Indochina]]. |
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[[Datei:Southeast Asian history - Around 1540.png|mini|hochkant|Einflusszonen in Indochina um 1540]] |
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1431 war Kambodscha zu einem Vasallen der Thai geworden. Nach der Aufgabe Angkors wurde Chaktomuk (das heutige [[Phnom Penh]]) Hauptstadt, im 16. Jahrhundert wurde sie nach [[Longvek]] verlegt, ab der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts war die Residenz in [[Udong]]. |
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Ab dem 17. Jahrhundert, als sich im Osten das Reich [[Annam]] (Vietnam) bildete, wuchs auch von dort der Druck auf das kambodschanische Staatswesen, da auch Annam Tribut forderte. Im späten 18. Jahrhundert eroberte Annam [[Cochinchina]], das bis dahin von Kambodscha abhängig war. Im Westen verlor Kambodscha Provinzen an Siam. 1807 errichtete das vereinigte Vietnam ein [[Protektorat]] auf kambodschanischem Boden, nachdem sich König [[Ang Chan II.]] auf Seite Vietnams geschlagen hatte. Hauptstadt des Protektorats war weiterhin Udong (auch Odongk geschrieben). Die Brüder Ang Chans rebellierten mit siamesischer Unterstützung zwischen 1811 und 1813, danach wurde die vietnamesische Kontrolle umso stärker und die Erbin Ang Chans, [[Ang Mei]], war eine bloße Marionettenkönigin. |
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Indochina bestand aus [[Tongking]], [[Annam]], Kambodscha und [[Laos]], das [[1893]] einverleibt wurde. Seit [[1897]] handelte der [[Generalgouverneur]] (''resident général'') im Namen des Königs. Die französische [[Kolonialverwaltung]] betrachtete Vietnam als das Herz von Indochina, Kambodscha war mehr ein Anhängsel. Viele Vietnamesen waren in der Verwaltung des Landes angestellt. Insbesondere dieser Umstand verstärkte den seit Jahrhunderten schwelenden Konflikt der Kambodschaner mit den Vietnamesen. [[1907]] mußte Siam in einem Vertrag den Verzicht auf die Provinzen Battambang und Siem Reap erklären, die zu Kambodscha und damit zu Indochina kamen. |
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Im Jahr 1840/1841 führte ein Aufstand gegen die vietnamesische Vorherrschaft in Kambodscha zu einem erneuten [[Siamesisch-Vietnamesischer Krieg 1841–1845|siamesisch-vietnamesischen Krieg]], der nach einem militärischen Patt durch eine vietnamesisch-siamesische Verständigung gelöst wurde: Das Land sollte durch beide Nachbarn gemeinschaftlich beherrscht werden. Die Regierungszeit des Königs [[Ang Duong]] war insgesamt eine Zeit des Friedens und eines gemäßigten Wohlstands. Um sich weiter gegen den Einfluss der Thai und Vietnamesen zu wehren, wandte Ang Duong sich 1854 mit einem Schutzgesuch an den französischen Kaiser [[Napoleon III.]], doch wurde ein Zusammentreffen des Königs mit den Franzosen im Jahr 1856 von den am Hof weilenden siamesischen Beobachtern vereitelt. |
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Im [[Zweiter Weltkrieg|2. Weltkrieg]] kapitulierte die Regierung [[Henri Philippe Pétain|Pétain]] (die [[Vichy-Regime|Vichyregierung]]) vor dem [[Deutsches Reich|Deutschen Reich]]. Sie unterzeichnete im gleichen Jahr den [[Henry-Matsuoka-Vertrag]], der [[Japan]] das Recht einräumte, Truppen in Indochina zu stationieren. Damit wurde Französisch-Indochina abhängig von Japan. Nach einem kurzen Krieg zwischen Thailand und Frankreich trat Frankreich die beiden Provinzen Battambang und Siem Reap wieder an Thailand ab. Im gleichen Jahr setzten die Franzosen Prinz [[Norodom Sihanouk]] auf den kambodschanischen Thron. Im Frühjahr [[1945]] ermutigten die Japaner den König, Kambodscha für unabhängig zu erklären, was auch am [[13. März]] [[1945]] erfolgte. Nachdem aber Japan am [[15. August]] kapituliert hatte, kehrten die Franzosen nach Indochina zurück. |
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König [[Norodom I.]], der 1859 mit Hilfe [[Siam]]s gegen die Truppen seines Halbbruders [[Sisowath I.]] den Thron bestieg, verlegte die Hauptstadt nach [[Phnom Penh]]. Um nicht weiter Spielball zwischen [[Chakri-Dynastie|Siam]] und dem [[Nguyễn-Dynastie|Kaiserreich Vietnam]] zu sein und um sich gegen seine Halbbrüder abzusichern, wandte er sich wie sein Vater an das [[Zweites Kaiserreich|Zweite Kaiserreich]] und bat um Schutz. Frankreich, nun im Besitz von [[Cochinchina]], nahm dieses Ersuchen an, weil es in Kambodscha einen geeigneten strategischen Puffer gegen Thailand sah. Der Schwerpunkt für Paris blieb aber die [[Kolonialisierung]] Vietnams, während die traditionellen Herrschaftsstrukturen in Kambodscha unberührt blieben und die Ausbeutung der Rohstoffe sich auf einem niedrigen Niveau bewegte.<ref>Daniel Bultmann: ''Kambodscha unter den Roten Khmer: Die Erschaffung des perfekten Sozialisten''. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2017, ISBN 978-3-506-78692-0, S. 24.</ref> |
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=== Zeittafel === |
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*[[18. Jahrhundert|18.]]/[[19. Jahrhundert]]: Vietnamesen besetzen und annektieren das Mekong-Delta, während Siam weiterhin die Nordwestprovinzen kontrolliert. |
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*[[1867]]: Die [[Frankreich|Franzosen]] besetzen Kambodscha und errichten ein französisches [[Protektorat]]. Das Land gehört seit Ende des [[19. Jahrhundert]] zur [[Union von Indochina]]. |
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*Dezember [[1940]]: Westlich gelegene Landesteile (auch Angkor) werden von der thailändischen Armee besetzt und kurz darauf formal annektiert. |
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*[[1941]]: Im Zweiten Weltkrieg wird Kambodscha von [[Japan]] besetzt (bis 1945). |
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*[[1945]]: Die von Thailand besetzten Landesteile werden an die französische Kolonialmacht zurückgegeben. |
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*[[12. März]] [[1945]]: König [[Norodom Sihanouk]] verkündet die Unabhängigkeit, der sich Frankreich jedoch widersetzt. |
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*[[8. November]] [[1949]]: Kambodscha erhält die formelle Unabhängigkeit im Rahmen der [[Französische Union|Französischen Union]]. |
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*[[9. November]] [[1953]]: Vollständige Unabhängigkeit von [[Frankreich]]. |
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*[[20. Juli]] [[1954]]: Genfer [[Indochina-Konferenz]] bestätigt die volle [[Souveränität]] Kambodschas. |
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== {{Anker|Kolonialherrschaft}}Französische Kolonialherrschaft (1863–1953) == |
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== Die erste Unabhängigkeit 1955–1965 == |
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1863 erklärte Frankreich Kambodscha zum Protektorat. Die Franzosen versorgten den König mit Militärhilfe, um eine Rebellion niederzuschlagen. Gleichzeitig verlangte Frankreich [[Schürfrecht]]e und das Recht zur Exploration des Gebiets, da in Kambodscha – wie auch in Laos – große [[Gold]]vorkommen vermutet wurden. 1867 schloss Frankreich einen Vertrag mit Siam, wonach den Siamesen die Hoheit über [[Battambang]] und [[Siem Reap (Provinz)|Siem Reap]] zugestanden wurde, im Gegenzug aber Frankreichs Interessen im vormaligen siamesischen Vasallenstaat Kambodscha anerkannt wurden. |
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Dieser Zeitraum prägte im Wesentlichen den Begriff der „Schweiz Asiens“ und wird von vielen älteren Kambodschanern und ausländischen Besuchern als ein goldenes Zeitalter betrachtet. |
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[[Datei:Meyers b15 s0750a.jpg|mini|Karte der Region um 1888]] |
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Etwa 90 % der Bevölkerung lebte auf dem Land und von der Landwirtschaft und dem Fischfang. Der Handel und die Finanzen lagen in den Händen chinesischer Minderheiten, während vietnamesische Minderheiten den Großteil der öffentlichen Verwaltung bildete. Einerseits verfügte Kambodscha über reiche Bodenschätze in Form der größten durchgehenden (und außerordentlich fruchtbaren) Anbauflächen und der Fischvorkommen im Tonle Sap, anderseits waren die meisten der Kleinbauern tief verschuldet und die landwirtschaftliche Bebauung und Infrastruktur veraltet und marode. Im Gegensatz zu der Situation in den meisten anderen asiatischen Staaten waren die kambodschanischen Kleinbauern auch Landeigner, jedoch waren die Anbauflächen häufig zu klein, um sie effektiv zu bewirtschaften. Das Bewässerungssystem für den Reisanbau war in vielen Teilen des Landes seit langen Jahren nicht modernisiert worden und in einem desolaten Zustand. |
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Der französische Einfluss blieb zunächst gering. Erst 1884 brachte ein französisches [[Kanonenboot]] einen [[Gouverneur]] nach Kambodscha, der einen Vertrag aushandeln sollte. Die Vereinbarung beinhaltete umfangreiche Reformen, darunter die Abschaffung der [[Sklaverei]] (tatsächliche Abschaffung 1884) und die Einführung des Rechts an Besitz von Privatland. König Norodom zögerte, musste aber schließlich zustimmen. Trotz des Abschlusses blieb der Vertrag folgenlos, bis Kambodscha 1887 Teil des neu geformten [[Indochina]] wurde. |
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Indochina bestand aus [[Tonkin|Tongking]], Annam-Vietnam, Kambodscha und Laos, das 1893 eingegliedert wurde. Seit 1897 handelte der [[Generalgouverneur]] ''(résident général)'' im Namen des Königs. Die französische [[Kolonialverwaltung]] betrachtete Vietnam als das Herz von Indochina, Kambodscha erhielt weniger Aufmerksamkeit. Sofern Einheimische in der Verwaltung angestellt waren, dominierten Vietnamesen. Dieser Umstand verstärkte den seit Jahrhunderten schwelenden Konflikt zwischen Kambodschanern und Vietnamesen. 1907 musste Siam in einem Vertrag den Verzicht auf die Provinzen Battambang und Siem Reap erklären, die zu Kambodscha und damit zu Indochina kamen. |
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Südostasien bildete mehr und mehr den Schauplatz für den Konflikt zwischen den Supermächten China, UdSSR und den USA, repräsentiert durch die pro-westlichen Nachbarstaaten [[Südvietnam]] und [[Thailand]] auf der einen Seite und dem kommunistischen [[Nord-Vietnam]] auf der anderen Seite. Die nach der Unabhängigkeit von [[Frankreich]] gegründete kleine kambodschanische Armee mit rund 35.000 Soldaten war schlecht ausgerüstet und schwach ausgebildet und hätte keinem der umliegenden Nachbarländer im Falle eines ernsthaften Konfliktes standhalten können. Die Supermächte China, UdSSR und die USA buhlten um die Gunst des kleinen Landes. |
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Frankreich schirmte Kambodscha weitgehend von äußeren Einflüssen ab, insbesondere gegenüber Vietnam und später dem Kommunismus. Zu dieser Zeit war es sehr ländlich geprägt, und nur 15 % der Bevölkerung lebten in Städten. Der überwiegende Anteil der Bauern betrieb [[Subsistenzwirtschaft]] oder produzierte Reis für die lokalen Märkte. Die ethnische Zusammensetzung war anfangs relativ homogen gewesen, wobei Chinesen und Vietnamesen das Geschäftsleben dominierten. Die französische Kolonialpolitik mit ihren Grenzverschiebungen führte dazu, dass in Kambodscha vermehrt ethnische, nicht integrierte Minoritäten entstanden, wie zum Beispiel Vietnamesen, Chinesen, [[Laoten]], [[Thai (Volk)|Thai]], muslimische [[Cham (Volk)|Cham]] und weitere kleinere Volksgruppen, so dass die Khmer zu dieser Zeit 80 % der Bevölkerung stellten. Einige dieser Minderheiten siedelten in strategisch bedeutsamen Regionen wie Grenzgebieten oder an Flüssen, die die Hauptverkehrswege bildeten. Auf der anderen Seite entstanden durch die Grenzverschiebungen in Thailand und Vietnam jeweils Minderheiten von einer Million Khmer. Bis auf die muslimischen Cham, katholische Vietnamesen und einige [[Animismus (Religion)|animistische]] Bergvölker blieb Kambodscha buddhistisch, zumal die französische Kolonialregierung in den 1920er Jahren den zunehmend populären [[Caodaismus]] verboten hatte. Das Bildungssystem blieb bis zum Ende der französischen Kolonialherrschaft rudimentär und konnte nicht an die Stelle der stark an Einfluss verlierenden buddhistischen [[Klosterschule]]n treten. So absolvierten bis 1954 nur 144 Kambodschaner erfolgreich eine [[Sekundärer Bildungsbereich|Sekundarausbildung]], und ein [[tertiärer Bildungsbereich]] fehlte komplett.<ref>Ben Kiernan: ''The Pol Pot Regime. Race, Power and Genocide in Cambodia under the Khmer Rouge, 1975–79.'' 2. Auflage. Yale University Press, New Haven (CT) 2002. (Silkworm Books, Chiang Mai (Thailand) 2005, ISBN 974-9575-71-7, S. 5, 6)</ref> |
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König [[Norodom Sihanouk]] befürchtete, dass sein Land die gerade gewonnene Unabhängigkeit in diesem Konflikt wieder verlieren könnte und zwischen den Nachbarländern zerrieben würde. Die einzige Chance für Kambodscha, langfristig als souveräner Staat zu überleben, sah er in einer strikten Neutralität nach dem Vorbild der [[Schweiz]] und einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit vom Ausland. In seiner buddhistisch geprägten Mentalität sollte Kambodscha „zum Freund aller Länder und Blöcke“ werden. |
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Im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] unterzeichnete das französische [[Vichy-Regime]] im September 1940 den [[Henry-Matsuoka-Vertrag]], der [[Japanisches Kaiserreich|Japan]] das Recht einräumte, Truppen in Indochina zu stationieren. Damit wurde Indochina abhängig von Japan. Nach dem [[Französisch-Thailändischer Krieg|Französisch-Thailändischen Krieg]] trat Frankreich im Jahr 1941 die beiden Provinzen Battambang und Siem Reap wieder an Siam (ab 1939 „Thailand“) ab. Im gleichen Jahr setzten die Franzosen Prinz [[Norodom Sihanouk]] auf den kambodschanischen Thron. Im Juli 1942 kam es nach der Verhaftung von zwei buddhistischen Mönchen zu den ersten politischen Demonstrationen in der Neuzeit Kambodschas.<ref name="PPR12">Ben Kiernan: ''The Pol Pot Regime. Race, Power and Genocide in Cambodia under the Khmer Rouge, 1975–79.'' 2. Auflage. Yale University Press, New Haven (CT) 2002. (Silkworm Books, Chiang Mai (Thailand) 2005, ISBN 974-9575-71-7, S. 12)</ref> Im Frühjahr 1945 ermutigten die Japaner den König, Kambodscha für unabhängig zu erklären, was dieser am 13. März 1945 tat. Nachdem Japan am 15. August kapituliert hatte, kehrten die Franzosen jedoch nach Indochina zurück. |
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Diese Form der Neutralität wurde von den [[USA]] und den pro-amerikanischen Nachbarstaaten Thailand und Süd-Vietnam ungläubig betrachtet und jeder Kontakt Kambodschas mit Nord-Vietnam oder der Volksrepublik China als Konfrontation gegen die USA und Parteinahme bewertet. |
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Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte Paris mit Unterstützung der Vereinigten Staaten möglichst lange Französisch-Indochina zu halten, was dazu führte, dass trotz der historischen Gegnerschaft immer mehr Kambodschaner eine antikoloniale Allianz mit Vietnam befürworteten.<ref name="PPR12" /> Am 4. Juni 1949 gliederte die französische Kolonialverwaltung das Gebiet ''Kampuchea Krom'' mit dem Mekong-Delta aus Kambodscha aus und ihrem Protektorat [[Cochinchina]] ein. Damit wurde es infolge der [[Indochinakonferenz|Indochina-Konferenz]] 1954 ein Teil des heutigen [[Vietnam]]s. Spätere Versuche der [[Rote Khmer|Roten Khmer]], ''Kampuchea Krom'' zurückzuerobern, scheiterten. In dem Gebiet leben heute etwa 12 Millionen ethnische Khmer. |
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Wirtschaftspolitisch suchte König Norodom Sihanouk einen Weg des langsamen Übergangs von einer landwirtschaftlich dominierten Wirtschaft zu einer Kombination aus Landwirtschaft und Industrie, ohne dabei in ausländische Abhängigkeit zu geraten oder die kulturellen Traditionen Kambodschas zu stören. Seine Vision für Kambodscha bestand aus einem neutralen, buddhistisch geprägten Sozialismus. |
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Am 8. November 1949 erhielt Kambodscha die formelle Unabhängigkeit im Rahmen der [[Union française|Französischen Union]], am 9. November 1953 die vollständige Unabhängigkeit von Frankreich. |
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Dies sah im Einzelnen vor: |
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Am 20. Juli 1954 bestätigte die Genfer [[Indochinakonferenz|Indochina-Konferenz]] die volle [[Souveränität]] Kambodschas. |
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* Modernisierung der Landwirtschaft durch Erneuerung der Bewässerungssysteme und den Aufbau einer verkehrstechnischen Infrastruktur unter besonderem Einsatz der kambodschanischen Armee |
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* Aufbau einer staatlichen Industrie |
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* Monopolisierung der Exporte durch den Staat, um die Gewinne im Land zu halten |
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* Einschränkung von Luxusimporten durch Steuern und Zölle, um einen Geldabfluss in das Ausland zu vermeiden |
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* Aufbau eines staatlichen Gesundheitswesens |
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* Aufbau eines staatlichen Bildungswesens mit dem Ziel, einerseits die Allgemeinbildung im Land zu verbessern, anderseits Kambodscha durch den Aufbau eigener Ressourcen aus der Abhängigkeit ausländischer Berater und Spezialisten zu lösen |
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== {{Anker|Unabhängiges Königreich Kambodscha}}Unabhängiges Königreich Kambodscha (1954–1970) == |
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Kambodscha nahm die Hilfe der USA für den Aufbau, die Ausbildung und Bezahlung des Militärs und der Polizei sowie Teile des Straßenbaus entgegen, während China und die UdSSR sich um erste Industrieprojekte und Krankenhäuser kümmerten. |
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[[Datei:Flag of Cambodia.svg|mini|Die Flagge des Königreichs Kambodscha, identisch mit der heutigen]] |
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Norodom Sihanouks Politik trug Früchte im Bildungswesen: |
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=== Außenpolitik === |
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* Es wurden 127 weitere Schulen gebaut. |
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* Die Anzahl der Lehrer stieg von rund 7.000 auf etwa 28.000. |
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* Der Anteil der Grundschüler erhöhte sich von 30 % auf 75 %. |
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* 25 % des Staatshaushaltes wurde in das Bildungswesen investiert (normalerweise etwa 10 % in anderen Ländern). |
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* Die Anzahl der Schüler weiterführender Schulen stieg von 5.000 auf 118.000. |
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* 1965 gab es bereits 7.000 Universitätsstudenten, davon wurde ein Teil auf Staatskosten in das Ausland geschickt. |
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Südostasien bildete mehr und mehr den Schauplatz für den Konflikt zwischen den Supermächten China, UdSSR und den USA, repräsentiert durch die prowestlichen Nachbarstaaten [[Südvietnam]] und Thailand auf der einen Seite und dem kommunistischen [[Nordvietnam]] auf der anderen Seite. Die nach der Unabhängigkeit von Frankreich gegründete kleine kambodschanische Armee mit rund 35.000 Soldaten war schlecht ausgerüstet und schwach ausgebildet und hätte keinem der umliegenden Nachbarländer im Falle eines ernsthaften Konfliktes standhalten können. |
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und auch in der Infrastruktur. Bis 1961 wurde |
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* das Straßennetz um 121 km erweitert, |
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* das Eisenbahnnetzes um 1.167 km erweitert, |
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* 124 Kanäle und kleine Dämme, 3 große Dämme, 1520 Wasserreservoirs, 2806 Brunnen, 40 Bewässerungsanlagen und 152 Brücken unter besonderem Einsatz der Armee gebaut, |
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* der Seehafen von Sihanoukville fertiggestellt und Kambodscha damit unabhängig von den südvietnamesischen Seehäfen. |
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König [[Norodom Sihanouk]] befürchtete, dass sein Land die gerade gewonnene Unabhängigkeit in diesem Konflikt wieder verlieren könnte und zwischen den Nachbarländern zerrieben würde. Die einzige Chance für Kambodscha, langfristig als souveräner Staat zu überleben, sah er in einer strikten Neutralität nach dem Vorbild der [[Schweiz]] und einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit vom Ausland. In seiner buddhistisch geprägten Mentalität sollte Kambodscha „zum Freund aller Länder und Blöcke“ werden. |
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Die Bevölkerung, insbesondere auf dem Land, verehrte Norodom Sihanouk zu dieser Zeit wie einen Gottkönig. |
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Diese Form der Neutralität wurde von den [[Vereinigte Staaten|USA]] und den proamerikanischen Nachbarstaaten Thailand und Südvietnam ungläubig betrachtet und jeder Kontakt Kambodschas mit Nordvietnam oder der Volksrepublik China als Konfrontation gegen die USA und Parteinahme bewertet. |
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Während China mit Kambodscha zunächst eine beratende Freundschaft pflegte, kam es immer wieder mit [[Süd-Vietnam]] zu Grenzkonflikten. Kambodschas strikte Neutralität und Kambodschas Ablehnung, in die [[SEATO]] (amerikanisch geleitetes Militärbündnis Süd-Ost-Asiatischer Staaten) einzutreten, führten zum Ende der amerikanischen Militärhilfe und einem Wirtschaftsembargo Kambodschas durch [[Südvietnam]] und [[Thailand]]. Schließlich inszenierten Südvietnam und Thailand 1959 mit Hilfe der USA einen erfolglosen Militärcoup gegen Norodom Sihanouk. |
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Während China mit Kambodscha zunächst eine beratende Freundschaft pflegte, kam es immer wieder mit Südvietnam zu Grenzkonflikten. Kambodschas strikte Neutralität und seine Ablehnung, in die [[SEATO]] (amerikanisch geleitetes Militärbündnis südostasiatischer Staaten) einzutreten, führten zum Ende der amerikanischen Militärhilfe und zu einem Wirtschaftsembargo Kambodschas durch Südvietnam und Thailand. Schließlich inszenierten Südvietnam und Thailand 1959 mit Hilfe der USA einen erfolglosen Militärcoup gegen Norodom Sihanouk. |
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=== Zeittafel === |
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*[[16. Mai]] [[1955]]: Kambodscha unterzeichnet mit den USA ein [http://www.treaty.un.org/LibertyIMS::/Cmd=Request;Request=TREATYBYLOC;Form=none;VF_Volume=UNVOL07;VF_File=00000695;Page=1;Type=page Abkommen] über Militärhilfe |
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*[[11. September]] [[1955]]: Die Genfer [[Indochina-Konferenz]] schreibt die ersten demokratischen Wahlen in Kambodscha vor. König Norodom Sihanouk befürchtet, dass er als König in einer konstitutionellen Monarchie Einfluss verlieren würde. Er dankt daher vor den Wahlen zugunsten seines Vaters Norodom Suramarit ab und gewinnt die Wahl als Premierminister und nimmt den Titel „Prinz“ an. Die von ihm gegründete Sangkum Reastr Niyum (Popular Socialist Community) gewinnt 83 % der Stimmen und alle 91 Sitze des Parlaments. |
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*[[25. September]] [[1955]]: Kambodscha tritt aus der [[Union Française]] aus. |
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*Februar [[1956]]: Prinz Norodom Sihanouk besucht erstmals die Volksrepublik China. |
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*[[21. April]] [[1956]]: Kambodscha erhält 26 Millionen Dollar Wirtschaftshilfe von der [[Volksrepublik China]]. |
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*[[24. April]] [[1956]]: Kambodscha unterzeichnet einen Vertrag über Wirtschaftshilfe mit der Volksrepublik China. Aus Protest beschließen Süd-Vietnam und Thailand eine Wirtschaftsblockade gegen Kambodscha. Die USA stellen ihre Militärhilfe ein, nachdem Kambodscha sich weigert, der SEATO (Südostasiatisches Gegenstück zur [[NATO]]) beizutreten. |
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*[[18. März]] [[1956]]: Kambodscha nimmt mit der [[UdSSR]] diplomatische Beziehungen auf. |
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*[[23. März]] [[1958]]: Bei den Parlamentswahlen gewinnt die Sangkum Reastr Niyum (Popular Socialist Community) wieder alle Sitze. Prinz Norodom Sihanouk wird wieder zum Premierminister gewählt. |
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*[[25. September]] [[1958]]: Die Volksrepublik China errichtet eine diplomatische Vertretung in Kambodscha. Prinz Norodom Sihanouk unternimmt seinen ersten USA-Besuch seit der Unabhängigkeit von Frankreich. |
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*[[13. Januar]] [[1959]]: Thailand und Süd-Vietnam inszenieren einen Militärcoup mit Unterstützung der USA, um Prinz Norodom Sihanouk abzusetzen. Der Coup schlägt fehl, lässt jedoch Prinz Norodom Sihanouks Misstrauen gegenüber den USA erstarken. |
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*[[31. August]] [[1959]]: Bei einem Bombenattentat auf die königliche Familie wird der königliche Protokoll-Chef getötet. Prinz Norodom Sihanouk erklärt, dass die Bombe von einer amerikanischen Militärbasis in Süd-Vietnam stammt. |
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*[[21. November]] [[1959]]: Prinz Norodom Sihanouk verspricht, dass Kambodscha vergleichbar zur Schweiz neutral bleiben und sich auch nicht den blockfreien Staaten anschließen wird. |
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*[[2. April]] [[1960]]: Der Seehafen von [[Sihanoukville]] wird eröffnet. Kambodscha wird damit unabhängig von den Seehäfen in Süd-Vietnam. |
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*[[3. April]] [[1960]]: Prinz Norodom Sihanouks Vater König [[Norodom Suramarit]] stirbt. Prinz [[Norodom Sihanouk]] übernimmt das Amt des Staatsoberhauptes, verzichtet jedoch auf die Königswürde. |
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*[[5. Juni]] [[1960]]: Prinz Norodom Sihanouk wird nach einer Verfassungsänderung mit großer Mehrheit zum Staatsoberhaupt und Regierungschef gewählt. |
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*[[27. November]] [[1960]]: Kambodscha und die [[CSSR]] unterzeichnen einen Vertrag über wirtschaftliche Zusammenarbeit und Völkerfreundschaft. |
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*Januar [[1963]]: Prinz Norodom Sihanouk ordnet die Verstaatlichung der privaten Banken und des Exporthandels an, was ihm die Feindschaft der wohlhabenden Elite von Phnom Penh einbringt. |
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*[[1. Mai]] [[1963]]: Der Staatschef der Volksrepublik China, [[Liu Shaoqi]], besucht Phnom Penh und trifft sich mit Prinz Norodom Sihanouk. |
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*[[5. Mai]] [[1963]]: Kambodscha und die Volksrepublik China unterzeichnen einen Freundschaftsvertrag. |
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*Juni–August [[1963]]: Es kommt wiederholt zu Grenzüberschreitungen der Südvietnamesischen Armee, bei denen kambodschanische Mönche misshandelt und verletzt werden. Prinz Norodom Sihanouk fordert erfolglos den US-Präsidenten [[John_F._Kennedy|John F. Kennedy]] auf, bei der südvietnamesischen Regierung zu intervenieren. Schließlich bricht Kambodscha aus Protest die diplomatischen Beziehungen mit Südvietnam ab. |
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*[[20. November]] [[1963]]: Das kambodschanische Parlament lehnt einstimmig weitere Hilfe für die Ausbildung und die Bezahlung der kambodschanischen Armee durch die USA ab und beendet die amerikanische Wirtschaftshilfe. |
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*Dezember [[1963]]: Kambodscha akzeptiert ein Angebot der Volksrepublik China für Militärhilfe. |
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*März [[1964]]: Die UdSSR und Frankreich bieten den USA eine Konferenz über die Neutralität von Kambodscha an. Die USA befürchten, dass dies der erste Schritt zu einer Neutralität weiterer südostasiatischer Staaten ist und lehnen das Angebot ab. In Phnom Penh kommt es zu gewalttätigen Demonstrationen vor der amerikanischen und britischen Botschaft, bei denen die Botschaften zum Teil durch Demonstranten besetzt werden. Prinz Norodom Sihanouk droht damit, diplomatische Beziehungen zu Nordvietnam aufzunehmen und die Partnerschaft mit der Volksrepublik China zu intensivieren. An der kambodschanisch-südvietnamesischen Grenze kommt es zu Angriffen auf kambodschanische Dörfer durch die südvietnamesische Armee. Dabei wird ein amerikanisches Beobachtungsflugzeug abgeschossen. |
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*Juni [[1964]]: Erneut kommt es zu Angriffen auf kambodschanische Dörfer an der südvietnamesischen Grenze. |
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*[[9. Juni]] [[1964]]: Aus Protest gegen die fortschreitenden Grenzverletzungen und die Ablehnung einer Konferenz zur Neutralität Kambodschas verweigert Kambodscha die Anerkennung des neu ernannten amerikanischen Botschafters. |
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*September–Dezember [[1964]]: Durch die Beendigung der amerikanischen Militärhilfe gerät Prinz Norodom Sihanouk zunehmend unter innenpolitischen Druck durch die kambodschanische Armee. Die zunehmenden Angriffe auf kambodschanische Dörfer an der südvietnamesischen Grenze, das ständige Herauszögern einer Konferenz zur Neutralität Kambodschas durch die USA und das ansteigende militärische und politische Engagement der USA in Südvietnam lassen ihn weitere Hilfe von der Volksrepublik China suchen. Die Volksrepublik China stellt sich öffentlich an die Seite Kambodschas. Als Preis dafür schließt die Volksrepublik China mit Kambodscha einen geheimen Vertrag, nach dem China Waffenlieferungen für den [[Vietcong]] zum kambodschanischen Seehafen Sihanoukville bringen darf, von wo aus die Waffen mit Hilfe der kambodschanischen Armee weiter an die Grenze nach Südvietnam transportiert werden. Im Gegenzug darf die kambodschanische Armee 10 % der Waffen behalten. Des Weiteren wird den Vietcong erlaubt, versteckte Stützpunkte im kambodschanischen Grenzgebiet aufzubauen. |
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*[[8. März]] [[1965]]: Die ersten amerikanischen Marine-Infanteristen landen an der Küste von Vietnam. |
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*April [[1965]]: Das amerikanische Pentagon erlaubt das Überschreiten der kambodschanischen Grenze durch amerikanische Soldaten im Falle der Selbstverteidigung. |
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*[[1. Mai]] [[1965]]: Erstmals bombardiert die US-Airforce in Unkenntnis des Grenzverlaufes kambodschanische Dörfer im Grenzgebiet bei dem Versuch, Vietcong-Stützpunkte zu treffen. |
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*[[3. Mai]] [[1965]]: Aus Protest gegen die Bombardierungen und gegen einen Newsweek-Artikel über Prinz Norodom Sihanouks Familie bricht Kambodscha die diplomatische Verbindung mit den USA ab. |
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*[[21. November]] [[1965]]: Das amerikanische Pentagon autorisiert die Verfolgung flüchtender [[Vietcong]] durch die US-Armee nach Kambodscha. |
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=== Wirtschaftliche Situation und Reformpolitik === |
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== Die Entwicklung zum ersten Bürgerkrieg 1966–1970 == |
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Der Zeitraum von 1966 bis zur Machtübernahme durch den Premier- und Verteidigungsminister General [[Lon Nol]] wird im Wesentlichen durch folgende Ereignisse und Entwicklungen gekennzeichnet: |
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Etwa 90 Prozent der Bevölkerung lebte auf dem Land von der Landwirtschaft und dem Fischfang. Der Handel und die Finanzen lagen in den Händen chinesischer Minderheiten, während vietnamesische Minderheiten den Großteil der öffentlichen Verwaltung bildeten. Einerseits verfügte Kambodscha über reiche Bodenschätze in Form der größten durchgehenden (und außerordentlich fruchtbaren) Anbauflächen und der Fischvorkommen im Tonle Sap, anderseits waren die meisten der Kleinbauern tief verschuldet und die landwirtschaftliche Bebauung und Infrastruktur veraltet und marode. Im Gegensatz zu der Situation in den meisten anderen asiatischen Staaten waren die kambodschanischen Kleinbauern auch Landeigner, jedoch waren die Anbauflächen häufig zu klein, um sie effektiv zu bewirtschaften. Das Bewässerungssystem für den Reisanbau war in vielen Teilen des Landes seit langen Jahren nicht modernisiert worden und in einem desolaten Zustand. |
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* Außenpolitisch: |
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** zunehmende Grenzüberschreitungen durch Thailand, Südvietnam und die in Vietnam stationierte amerikanische Armee |
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** zunehmende bewaffnete Auseinandersetzung zwischen der kambodschanischen Armee und der [[US-Armee]] |
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** zunehmende Nutzung kambodschanischer Gebiete durch Guerillas der Vietcong und der nordvietnamesischen Armee, um Waffen und Soldaten nach Südvietnam zu bringen, oder auch, um der amerikanischen Armee auszuweichen |
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** ununterbrochene Versuche von Staatschef Sihanouk, die Neutralität von Kambodscha aufrechtzuerhalten und die territoriale Souveränität und Unabhängigkeit Kambodschas seitens der Großmächte USA, China und der [[Sowjetunion|UdSSR]] bestätigt zu bekommen |
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Wirtschaftspolitisch suchte König Norodom Sihanouk einen Weg des langsamen Übergangs von einer landwirtschaftlich dominierten Wirtschaft zu einer Kombination aus Landwirtschaft und Industrie, ohne dabei in ausländische Abhängigkeit zu geraten oder die kulturellen Traditionen Kambodschas zu stören. Seine Vision für Kambodscha bestand aus einem neutralen, buddhistisch geprägten Sozialismus. Neben der Modernisierung der Landwirtschaft sah dies auch den Aufbau eines staatlichen Bildungs- und Gesundheitswesens und einer Industrie vor. Insbesondere im Bildungswesen und in der Verkehrs- und Bewässerungsinfrastruktur konnten Fortschritte verzeichnet werden. Die Bevölkerung, insbesondere auf dem Land, verehrte Norodom Sihanouk zu dieser Zeit wie einen Gottkönig. Das [[Frauenwahlrecht]] wurde 1956 eingeführt.<ref>Jad Adams: ''Women and the Vote. A World History.'' Oxford University Press, Oxford 2014, ISBN 978-0-19-870684-7, Seite 438</ref> |
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Dies gipfelt schließlich im Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit den USA, der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Nord-Vietnam und dem Vietcong und der Gefangennahme amerikanischer Soldaten auf kambodschanischem Territorium. Die USA befürchten, mit der Anerkennung der territorialen Grenzen Kambodschas sowie der Neutralität und der Souveränität des Landes ihre Partner Thailand und Südvietnam zu verärgern. Erst 1969 werden die diplomatischen Beziehungen zwischen Kambodscha und den USA wiederhergestellt, gleichzeitig beginnen die USA jedoch mit zunächst geheimen Flächenbombardements auf Vietcong-Stützpunkte in Kambodscha. |
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=== {{Anker|Entwicklung zum ersten Bürgerkrieg}}Entwicklung zum ersten Bürgerkrieg (1966–1970) === |
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* Innenpolitisch: |
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** zunehmende politische Aktivitäten der ersten Vorläufer der [[Rote Khmer|Roten Khmer]] |
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** erste bewaffnete Konflikte zwischen den Roten Khmer und der Regierungsarmee |
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** zunehmende Kritik der rechten Bevölkerungselite an Prinz Sihanouks sozialistischem Programm |
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** zunehmende Kritik der linksgerichteten Intelligenzelite an Prinz Sihanouks Toleranz für Korruption und Postenvergabe |
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** zunehmende Kritik der Armee, bedingt durch die abgelehnte/abgebrochene amerikanische Militärhilfe |
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Ab 1966 verdichtete sich zunehmend eine Reihe von Ereignissen, die 1970 zur Machtübernahme durch den Premier- und Verteidigungsminister General [[Lon Nol]] führten. Besonders destabilisierend wirkte sich der [[Vietnamkrieg]] aus, der seit 1965 im Nachbarland tobte. |
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Während Prinz Sihanouk weiterhin bei der Landbevölkerung eine gottgleiche Verehrung erfuhr, geriet er bei der Wirtschafts- und Intelligenzelite in Phnom Penh unter Druck. |
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==== Außenpolitik ==== |
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Die Intelligenzelite bestand zu einem großen Teil aus den Studenten, die er im Rahmen seines sozialistischen Programmes mit Stipendien in das Ausland geschickt hatte, um Kambodscha von ausländischen Beratern und Spezialisten unabhängig zu machen. Unter diesen Auslandsstudenten befand sich unter anderem der Mann, der später unter dem Namen [[Pol Pot]] die Terrorherrschaft der Roten Khmer leiten sollte. Als diese Studenten zurückkehrten, fanden sie einerseits wenig offene Positionen vor und anderseits wurden viele Positionen eher aufgrund von Loyalität als aufgrund von Fachwissen besetzt. Dazu kam eine zu große Toleranz Prinz Sihanouks für Korruption in seiner Regierung und Verwaltung und seiner eigenen Familie, die zu weiterer Unzufriedenheit der linksgerichteten Intelligenzelite führte. |
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Zunehmende Grenzüberschreitungen durch Thailand, Südvietnam und die in Vietnam stationierte [[United States Army|US-Armee]] erschwerten die Politik der Neutralität, die Sihanouk zu betreiben versuchte. Es kam zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen der kambodschanischen und der US-amerikanischen Armee, da die vietnamesischen Guerilleros des [[Vietcong]] und die nordvietnamesische Armee Kambodscha als Rückzugs- und Verteilungsraum für Waffen und Soldaten nutzten. |
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Die USA betrieben massive Wirtschafts- und Militärhilfe in Thailand und Südvietnam, und die wirtschaftliche Elite Kambodschas befürchtete, durch Prinz Sihanouks strikte Neutralität den Anschluss an diesen Boom zu verpassen. Die Verstaatlichung der privaten Banken und des Exporthandels im Rahmen von Prinz Sihanouks sozialistischem Programm unterstützten diese Unzufriedenheit. |
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Nachdem Sihanouks Versuche, die Neutralität von Kambodscha aufrechtzuerhalten und sich die territoriale Souveränität und Unabhängigkeit Kambodschas seitens der Großmächte USA, China und der [[Sowjetunion|UdSSR]] bestätigen zu lassen, gescheitert waren, brach Kambodscha die diplomatischen Beziehungen mit den USA ab und nahm diplomatische Beziehungen mit Nordvietnam und dem Vietcong auf. Amerikanische Soldaten, die sich auf kambodschanischem Gebiet aufhielten, wurden gefangen genommen. Die USA befürchteten, mit der Anerkennung der territorialen Grenzen Kambodschas sowie der Neutralität und der Souveränität des Landes ihre Partner Thailand und Südvietnam zu verärgern. Erst 1969 wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen Kambodscha und den USA wiederhergestellt, gleichzeitig begannen die USA jedoch mit zunächst geheimen Flächenbombardements auf Vietcong-Stützpunkte in Kambodscha. |
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Während einer Auslandsreise wurde Prinz Sihanouk 1970 überraschend durch das rechtsgerichtete Parlament abgewählt, und der bisherige Premier- und Verteidigungsminister General Lon Nol übernahm die Macht in Kambodscha. Aufgrund sehr enger Kontakte zwischen seinem Vertreter und der amerikanischen Regierung wird bis heute vermutet, dass diese Abwahl durch die USA inszeniert war, jedoch liegen, im Gegensatz zum Putschversuch von 1959, keine Beweise dafür vor. |
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==== Innenpolitik ==== |
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Wenige Tage nach der Machtübernahme von General Lon Nol begannen gemeinsame Angriffe der kambodschanischen, amerikanischen und südvietnamesischen Armee gegen [[Vietcong]]-Stützpunkte in Kambodscha, und Kambodscha erklärte den Krieg gegen die Vietcong und die Nordvietnamesische Armee. |
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Innenpolitisch machten dem jungen Königreich vor allem die Aktivitäten der ersten Vorläufer der [[Rote Khmer|Roten Khmer]] zu schaffen, zwischen denen und der Regierungsarmee es auch bereits zu vereinzelten bewaffneten Konfrontationen kam. Die Elite des Landes befand sich in zunehmender Opposition zu Sihanouks Regierungsprogramm. Die rechtsgerichtete Elite störte sich an dessen sozialistischen Teilen, wohingegen die linksgerichtete [[Intelligenzija|Intelligenzia]] vor allem die Korruption kritisierte. Wegen des Abbruchs der amerikanischen Militärhilfe waren auch Angehörige der Armee schlecht auf Sihanouk zu sprechen, der aber weiterhin bei der Landbevölkerung eine gottgleiche Verehrung erfuhr. |
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Auf Anraten der Volksrepublik China gründete Prinz Sihanouk in seinem Exil in Peking zusammen mit Vertretern der Roten Khmer die kambodschanische Befreiungsfront und rief die Bevölkerung Kambodschas in Radioansprachen zum Widerstand gegen die kambodschanische Regierung unter General Lon Nol auf. Die Roten Khmer deklarierten Prinz Sihanouk zum offiziellen Führer, jedoch ließen sie ihn diese Rolle lediglich nach außen aus seinem Exil wahrnehmen. Die Volksrepublik China, Nordvietnam und der Vietcong begannen mit der Ausrüstung und Ausbildung der Roten Khmer. |
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Die Intelligenzelite bestand zu einem großen Teil aus den Studenten, die Sihanouk im Rahmen seines sozialistischen Programmes mit Stipendien in das Ausland geschickt hatte, um Kambodscha von ausländischen Beratern und Spezialisten unabhängig zu machen. Unter diesen Auslandsstudenten befand sich unter anderem der Mann, der später unter dem Namen [[Pol Pot]] die Terrorherrschaft der Roten Khmer leiten sollte. Als diese Studenten zurückkehrten, fanden sie einerseits wenig offene Positionen vor, und anderseits wurden viele Positionen eher aufgrund von Loyalität als aufgrund von Fachwissen besetzt. Dazu kam eine zu große Toleranz Prinz Sihanouks für Korruption in seiner Regierung und Verwaltung und seiner eigenen Familie, die zu weiterer Unzufriedenheit der linksgerichteten Intelligenzelite führte. |
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Diese verhängnisvolle Kombination aus der Popularität Prinz Sihanouks bei der Landbevölkerung Kambodschas, seiner neuen Rolle als Repräsentant der Roten Khmer und dem Beginn der externen Unterstützung der Roten Khmer bildete einen der beiden Voraussetzungen für den ersten Bürgerkrieg in Kambodscha. |
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==== Machtübernahme durch Lon Nol ==== |
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{{Hauptartikel|Putsch in Kambodscha 1970}} |
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*[[19. Mai]] [[1966]]: Bei Grenzstreitigkeiten zwischen Thailand und Kambodscha werden 300 Menschen getötet. |
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Die USA betrieben massive Wirtschafts- und Militärhilfe in Thailand und Südvietnam, und die wirtschaftliche Elite Kambodschas befürchtete, durch Prinz Sihanouks strikte Neutralität den Anschluss an diesen Boom zu verpassen. Die Verstaatlichung der privaten Banken und des Exporthandels im Rahmen von Prinz Sihanouks sozialistischem Programm befeuerten diese Unzufriedenheit. |
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*[[19. Mai]] [[1966]]: Der amerikanische Oberkommandierende für Südvietnam erklärt, dass etwa 10.000 Vietcong sich in [[Kambodscha]] zusammenziehen, um Südvietnam anzugreifen. [[Kambodscha]] weist diese Aussage zurück. |
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*[[12. Juni]] [[1966]]: Der Vietcong erklärt, dass er ohne die Hilfe [[Kambodscha|Kambodschas]] den Krieg nicht gewinnen kann. Prinz Sihanouk erlaubt den Reisverkauf an den Vietcong. |
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*[[12. Juni]] [[1966]]: Das [[Pentagon]] beauftragt den Aufbau einer paramilitärischen Truppe für Kriegseinsätze im kambodschanischen Grenzgebiet |
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*[[3. August]] [[1966]]: Vor den Augen einer Internationalen Kontroll-Kommission bombardiert die [[United States Air Force|US Airforce]] zwei kambodschanische Dörfer. Die USA entschuldigt sich für den Vorfall mit dem Verweis auf falsche Landkarten. Prinz Sihanouk lehnt aus Protest ein für September angesetztes Treffen mit einem amerikanischen Gesandten ab. |
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*[[23. August]] [[1966]]: Die Volksrepublik China empfiehlt Nordvietnam, die Straßen, Häfen und Wasserwege in Kambodscha uneingeschränkt für den Transport von Waffen und Soldaten nach [[Südvietnam]] zur Unterstützung des Vietcong zu nutzen. |
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*[[11. September]] [[1966]]: Bei den Parlamentswahlen verliert Prinz Sihanouk erstmals große Teile seiner Hausmacht an rechte und linke Abgeordnete. |
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*[[22. Oktober]] [[1966]]: Auf Druck der rechtsgerichteten Parlament-Abgeordneten ernennt Prinz Sihanouk den bisherigen Verteidigungsminister [[Lon Nol]] zum Premierminister. Er selbst bleibt Staatsoberhaupt mit weitreichenden Befugnissen. |
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*[[22. Mai]] [[1967]]: Das Pentagon autorisiert US Special Forces, Einsätze im Nordosten [[Kambodscha]]s durchzuführen. |
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*[[Juni]] [[1967]]: Kambodscha nimmt offizielle diplomatische Beziehungen zum Vietcong auf. [[Nordvietnam]] und der Vietcong bestätigen schriftlich die Anerkennung der territorialen Integrität, Unabhängigkeit und Neutralität Kambodschas. |
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*[[27. August]] [[1967]]: Nordvietnam eröffnet in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh eine diplomatische Vertretung. |
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*[[2. November]] [[1967]]: [[Jacqueline Kennedy]], die Witwe des ermordeten ehemaligen Präsidenten der USA, besucht Kambodscha für eine Woche. |
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*[[4. Dezember]] [[1967]]: Die USA drücken gegenüber dem kambodschanischen Außenministerium ihre Besorgnis über die immer größere Nutzung kambodschanischer Gebiete durch die Vietcong und die Nordvietnamesische Armee aus und bieten Unterstützung bei der Grenzüberwachung an. Kambodscha weist sowohl die Tatsache wie auch das Unterstützungsangebot zurück. |
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*[[4. Januar]] [[1968]]: Kambodscha erhält große Waffenlieferung durch die [[Volksrepublik China]]. |
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*[[17. Januar]] [[1968]]: Erstmals beginnen die Roten Khmer ihren bewaffneten Guerilla-Kampf gegen die kambodschanische Regierung. Die Roten Khmer sind jedoch nur schwach ausgerüstet und trainiert und erhalten zu dieser Zeit keine ausländische Unterstützung. |
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*[[1. April]] [[1968]]: Ein Überwachungsflugzeug der [[US Navy]] wird von der kambodschanischen Marine abgeschossen. |
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*[[25. Mai]] [[1968]]: Die kambodschanische Marine nimmt zwei amerikanische Soldaten auf kambodschanischem Gebiet als illegale Eindringlinge in Gewahrsam und übergibt die Soldaten einen Monat später an die USA. |
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*[[19. Juni]] [[1968]]: Die Volksrepublik China und Vietcong-Repräsentanten diskutieren in [[Peking]] mögliche Waffenlieferungen an die Roten Khmer, um diese im Kampf gegen Südvietnam und die US-Armee einzusetzen, entscheiden jedoch, dies zu verschieben, bis der Kampf in Vietnam entschieden ist. |
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*[[17. Juli]] [[1968]]: Ein Boot der US Navy mit 11 Soldaten wird von der kambodschanische Armee wegen illegaler Grenzüberschreitung in kambodschanischen Gewässern in Gewahrsam genommen. Prinz Sihanouk erklärt, dass die USA wiederholt Kambodschas Grenzen verletzt haben und die Soldaten erst nach einer schriftlichen Anerkennung der Grenzen Kambodschas durch die USA aus dem Gewahrsam entlassen werden. Die USA überdenkt diesen Schritt, verwirft ihn aber, da dies die amerikanischen Partner Thailand und Südvietnam verärgern könnte. Die Soldaten werden am 23. Dezember 1968 aus dem Gewahrsam entlassen. |
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*[[18. März]] [[1969]]: Die US Airforce beginnt mit geheimen Flächenbombardements durch [[Boeing B-52|B-52]]-Bomber gegen Vietcong-Stützpunkte in Kambodscha. Nach späteren Angaben der USA erfolgten diese Bombardements in Absprache mit Prinz Sihanouk. Prinz Sihanouk streitet dies bis heute ab. |
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*[[15. April]] [[1969]]: Zwei Jahre nach der Aufforderung durch Prinz Sihanouk bestätigen die [[USA]] die territoriale Integrität und Souveränität sowie die Unabhängigkeit und Neutralität Kambodschas. |
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*[[20. April]] [[1969]]: In einem Gespräch zwischen der Volksrepublik China und Nordvietnam drückt der chinesische Premierminister [[Zhou Enlai]] seine Besorgnis über die Annäherung zwischen Kambodscha und den USA aus. |
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*[[8. Mai]] [[1969]]: Die Vertretungen Nordvietnams und des Vietcong in [[Phnom Penh]] werden als diplomatische Vertretungen/Botschaften akkreditiert. Darüber hinaus nimmt Kambodscha an diesem Tag diplomatische Beziehungen mit der [[DDR]] auf. |
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*[[8. Mai]] [[1969]]: Als Protest gegen die Akkreditierung der DDR beruft Westdeutschland seinen Botschafter aus Phnom Penh ab. Die westdeutsche Botschaft wird am 4. Juni 1969 geschlossen. |
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*[[24. Mai]] [[1969]]: Premierminister Lon Nol trifft sich offiziell, jedoch erfolglos, mit Vertretern Nordvietnams und des Vietcong, um das Problem der Nutzung kambodschanischem Territoriums zu lösen. |
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*[[11. Juni]] [[1969]]: Prinz Sihanouk erklärt den Krieg zwischen Kambodscha und den Vietcong und nimmt wieder offizielle diplomatische Beziehungen mit den USA auf. |
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*[[3. September]] [[1969]]: [[Ho Chi Minh]], der Präsident Nordvietnams, stirbt. Prinz Sihanouk nimmt als einziger Vertreter eines südostasiatischen Landes am Begräbnis teil. |
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*[[25. September]] [[1969]]: Kambodscha und die Volksrepublik China unterzeichnen ein Handels- und Wirtschaftshilfe-Abkommen. |
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*[[31. Dezember]] [[1969]]: Kambodscha tritt auf Druck des rechten Flügels des kambodschanischen Parlaments dem [[Internationaler Währungsfond|Internationalen Währungsfond]] bei. |
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*[[7. Januar]] [[1970]]: Prinz Sihanouk begibt sich zu einer Kur nach [[Paris]] und will von dort aus anschließend Staatsbesuche in [[Moskau]] und [[Peking]] machen. |
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*[[11. März]] [[1970]]: Etwa 20.000 Kambodschaner demonstrieren in Phnom Penh vor den Botschaften Nordvietnams und des Vietcong gegen die Aktivitäten kommunistischer Vietnamesen auf kambodschanischem Territorium. Dabei werden die Botschaften durch die Demonstranten besetzt. |
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*[[12. März]] [[1970]]: Premierminister Lon Nol beendet das Handelsabkommen mit dem Vietcong und fordert alle vietnamesischen Kommunisten auf, das Land binnen drei Tagen zu verlassen. |
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*[[15. März]] [[1970]]: Nach Ablauf des Ultimatums startet Premierminister Lon Nol mit Unterstützung südvietnamesischer Artillerie einen Angriff auf Vietcong-Stützpunkte in [[Kambodscha]]. |
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*[[17. März]] [[1970]]: Premierminister Lon Nol versetzt die Armee in Alarmbereitschaft, schließt den Flughafen von Phnom Penh, stationiert Truppen und Panzer vor den Ministerien, der Rundfunkstation und dem Parlament. Unterstützer von Prinz Sihanouk werden durch die kambodschanische Armee in Gewahrsam genommen. |
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*[[18. März]] [[1970]]: Das Parlament wählt Prinz Sihanouk als Staatschef ab und bestätigt General [[Lon Nol]] als Premierminister. |
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*[[19. März]] [[1970]]: Prinz Sihanouk appelliert an die Weltöffentlichkeit, seine Absetzung nicht zu akzeptieren. Die USA erklären, dass Prinz Sihanouk legal abgewählt wurde und die neue Regierung unter General Lon Nol seitens der USA akzeptiert wird. |
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*[[20. März]] [[1970]]: Gemeinsam starten die kambodschanische, südvietnamesische und amerikanische Armee Angriffe auf die Vietcong in Kambodscha. |
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*[[23. März]] [[1970]]: Prinz Sihanouk gründet zusammen mit den Roten Khmer die nationale Befreiungsfront Kambodschas [[FUNK]] und ruft über Radioansprachen aus Peking zum Widerstand gegen die Regierung General Lon Nols auf. |
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Während einer Auslandsreise wurde Prinz Sihanouk 1970 überraschend durch das rechtsgerichtete Parlament abgewählt. Der bisherige Premier- und Verteidigungsminister General Lon Nol übernahm daraufhin die Macht in Kambodscha. Aufgrund sehr enger Kontakte zwischen seinem Vertreter und der amerikanischen Regierung wird bis heute vermutet, dass diese Abwahl durch die USA inszeniert worden sei, jedoch liegen, im Gegensatz zum Putschversuch von 1959, keine Beweise dafür vor. |
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== Der erste Bürgerkrieg 1970–1975 == |
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Nach der Machtübernahme durch General Lon Nol verlässt Kambodscha seine neutrale Position im Indochina-Konflikt und schließt sich den USA, Thailand und Südvietnam an. Nordvietnam und der Vietcong wiederum brauchen nicht mehr auf die durch Prinz Sihanouk vorher betriebene und durch die Volkrepublik China unterstützte Neutralität Rücksicht zu nehmen und verlegen ihre Truppen tief nach Kambodscha. Die kambodschanische Armee ist mit dieser Situation völlig überfordert. Die einzigen beiden Offensiven (Operation Chenla 1 + 2) scheitern mit großen Verlusten der Regierungsarmee. |
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Wenige Tage nach der Machtübernahme von General Lon Nol begannen gemeinsame Angriffe der [[Khmer National Armed Forces|kambodschanischen]], amerikanischen und [[Armee der Republik Vietnam|südvietnamesischen Armee]] gegen [[Nationale Front für die Befreiung Südvietnams|Vietcong]]-Stützpunkte in Kambodscha, und Kambodscha erklärte den Krieg gegen die Vietcong und die nordvietnamesische Armee. |
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Bis 1973 wird der Kampf hierbei fast ausschließlich durch die Nordvietnamesische Armee und dem Vietcong geführt, die bereits ab 1971 etwa vier Fünftel von Kambodscha unter ihrer Kontrolle haben. Die Roten Khmer bauen sich in dieser Zeit ihre Unterstützung bei der Landbevölkerung und ihrer Waffenausrüstung auf. Dörfer werden in kommunistische Kooperativen aufgeteilt und die Nachrichtenverbindungen zwischen den Dörfern durch die Roten Khmer kontrolliert. Nachdem die Roten Khmer ihre Ausbildung und Ausrüstung durch den Vietcong und Nordvietnam 1973 abgeschlossen und ihre Unterstützung durch die Landbevölkerung gesichert haben, kommt es zur Trennung und zu ersten Differenzen zwischen den Roten Khmer und dem Vietcong. Fast parallel kommt es zu Angriffen auf vietnamesische Zivilisten durch die Regierungsarmee, und etwa 300.000 vietnamesische Einwanderer werden aus Kambodscha vertrieben. Dabei werden zahlreiche Vietnamesen durch die Regierungsarmee und die Roten Khmer ermordet. |
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Auf Anraten der Volksrepublik China gründete Prinz Sihanouk in seinem Exil in Peking zusammen mit Vertretern der Roten Khmer die kambodschanische Befreiungsfront und rief die Bevölkerung Kambodschas in Radioansprachen zum Widerstand gegen die kambodschanische Regierung unter General [[Lon Nol]] auf. Die Roten Khmer deklarierten Prinz Sihanouk zum offiziellen Führer, jedoch ließen sie ihn diese Rolle lediglich nach außen aus seinem Exil wahrnehmen. Die Volksrepublik China, Nordvietnam und der Vietcong begannen mit der Ausrüstung und Ausbildung der Roten Khmer. |
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Kurz nach der Machtübernahme marschieren etwa 20.000 amerikanische Soldaten auf der Suche nach [[Vietcong]]-Stützpunkten nach Kambodscha ein, was jedoch erheblichen politischen Widerstand gegen eine Ausweitung des Krieges in den USA nach sich zieht und zu einem Abzug der Soldaten führt. Daraufhin verstärkt die USA ihre zunächst geheimen Flächenbombardements in Kambodscha. Von März 1969 bis August 1973 werden rund 3.500 B-52-Flächenbombardements durch die US Airforce geflogen und dabei 539.129 Tonnen Bomben mit teilweise bis zu 200 Einsätzen pro Woche abgeworfen. Dies entspricht etwa 3 Tonnen Bomben pro Quadratkilometer oder der doppelten Menge der Bombenlast, die auf Japan im zweiten Weltkrieg abgeworfen wurde, und kostet den amerikanischen Steuerzahler etwa 7 Milliarden Dollar. Die Schätzungen der Opfer unter der kambodschanischen Zivilbevölkerung reichen dabei von 200.000 bis zu 1,1 Millionen. Der Großteil des kambodschanischen Farmlandes wird zerstört. |
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== {{Anker|Erster Bürgerkrieg}}Republik Khmer und erster Bürgerkrieg (1970–1975) == |
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Diese Flächenbombardements und der daraus resultierende Hass der Landbevölkerung auf die USA bilden die zweite Voraussetzung für den Aufstieg der Roten Khmer. |
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{{Hauptartikel|Kambodschanischer Bürgerkrieg}} |
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Parallel dazu werden von 1971 bis 1975 seitens der USA rund 1,1 Milliarden Dollar an Militärhilfe in Form von Waffen, Ausrüstung und Sold nach Phnom Penh transferiert. Bereits 1972 schätzt der US-Senat die Anzahl der Kriegsflüchtlinge in Kambodscha auf 2 Millionen Menschen. Trotzdem werden jeden Tag weiterhin für 1 Million Dollar Waffen, Munition und Sold nach Phnom Penh geliefert, während die humanitären Lieferungen für die Flüchtlinge gerade mal 3 Millionen Dollar pro Jahr betragen. Phnom Penhs Bevölkerung wächst von 650.000 auf rund 2 Millionen Menschen an und die Stadt versinkt in Korruption. Ein Großteil der Waffenlieferungen wird von Generälen der Regierungsarmee direkt an den Vietcong verkauft, die Ausrüstungen landen auf dem Markt in Phnom Penh, und ganze Divisionen existieren nur auf dem Papier. Der Sold verschwindet direkt in die Taschen der Kommandeure. Die einfachen Regierungssoldaten kämpfen barfuss, sofern sie kein Geld haben, um sich auf dem Markt die für sie bestimmte Ausrüstung zu kaufen, und nehmen ihre Familien mit in die Kampfgebiete, da sie nur mit Reis bezahlt werden und ihre Familien sonst nicht ernähren könnten. |
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[[Datei:Flag of the Khmer Republic.svg|mini|Die Flagge der Khmer-Republik]] |
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[[Datei:11ACRCambodia1970 (Colorized).jpg|mini|Die US-Armee marschiert am 4. Mai 1970 im kambodschanischen Snuol ein]] |
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Nach der Machtübernahme durch General Lon Nol wurde Kambodscha in [[Republik Khmer]] ''(République Khmère)'' umbenannt und offiziell in ein [[präsidentielles Regierungssystem]] umgewandelt. |
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Kambodscha verließ seine neutrale Position im Indochina-Konflikt und schloss sich den USA, Thailand und Südvietnam an. Nordvietnam und der Vietcong wiederum brauchten nicht mehr auf die durch Prinz Sihanouk vorher betriebene und durch die Volksrepublik China unterstützte Neutralität Rücksicht zu nehmen und verlegten ihre Truppen tief nach Kambodscha. Die [[Königliche Streitkräfte Kambodschas#Geschichte|kambodschanische Armee]] war mit dieser Situation völlig überfordert. Die einzigen beiden Offensiven (Operation Chenla 1 und 2) scheiterten mit großen Verlusten der Regierungsarmee. |
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Die Flächenbombardements der USA sorgen nicht nur für eine breite Unterstützung der Landbevölkerung für die Roten Khmer, sondern hinterlassen auch zahlreiche Kriegswaisen, die von den Roten Khmer aufgenommen und zu erbarmungslosen Kindersoldaten ausgebildet werden. Umgekehrt werden zahlreiche Flüchtlingskinder in Phnom Penh durch die Regierungsarmee aufgegriffen und in die Uniform gezwungen. Die Kämpfe zwischen Regierungssoldaten und Roten Khmer werden mit zunehmend erbarmungsloser Grausamkeit geführt. Die gegenseitige Tötung verwundeter Gegner und das Herausschneiden und öffentliche Verspeisen von Leber und Herz nähren zusammen mit den Flächenbombardements den Hass der Landbevölkerung gegen die Stadtbevölkerung, der sich in der späteren Diktatur der Roten Khmer entlädt und fast zur vollständigen Tötung der ehemaligen Stadtbevölkerung führt. |
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Bis 1973 wurde der Kampf hierbei fast ausschließlich durch die [[Vietnamesische Volksarmee#Geschichte|nordvietnamesische Armee]] und den Vietcong geführt, die bereits ab 1971 etwa vier Fünftel von Kambodscha kontrollierten. Die Roten Khmer erwarben sich in dieser Zeit die Unterstützung der Landbevölkerung und rüsteten sich militärisch aus. Dörfer wurden in kommunistische Kooperativen aufgeteilt und die Nachrichtenverbindungen zwischen den Dörfern durch die Roten Khmer kontrolliert. Nachdem die Roten Khmer ihre Ausbildung und Ausrüstung durch den Vietcong und Nordvietnam 1973 abgeschlossen und ihre Unterstützung durch die Landbevölkerung gesichert hatten, kam es zur Trennung und zu ersten Differenzen zwischen den Roten Khmer und dem Vietcong. Fast parallel griff die Regierungsarmee vietnamesische Zivilisten an. Etwa 300.000 vietnamesische Einwanderer wurden aus Kambodscha vertrieben, wobei auch zahlreiche Vietnamesen ermordet wurden. |
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Aus seinem Exil in Peking repräsentiert Prinz Sihanouk mit Hilfe der [[Volksrepublik China]] die Roten Khmer gegenüber der Weltöffentlichkeit als nationale Befreiungsorganisation für Kambodscha. Zunehmende Angebote für Friedensverhandlungen lehnt er ab. |
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Kurz nach der Machtübernahme marschierten etwa 20.000 amerikanische Soldaten auf der Suche nach Stützpunkten der [[Nationale Front für die Befreiung Südvietnams|Nationalen Front für die Befreiung Südvietnams]] (FNL) in Kambodscha ein. Dies zog erheblichen politischen Widerstand gegen eine Ausweitung des Krieges in den USA nach sich und führte zu einem Abzug der Soldaten. Daraufhin verstärkten die USA ihre zunächst geheimen [[Flächenbombardement]]s in Kambodscha. Von März 1969 bis August 1973 wurden rund 3.500 [[Boeing B-52|B-52]]-Flächenbombardements durch die [[United States Air Force|U.S. Air Force]] geflogen und dabei 539.129 Tonnen Bomben mit teilweise bis zu 200 Einsätzen pro Woche abgeworfen. Dies entspricht etwa drei Tonnen Bomben pro Quadratkilometer oder der doppelten Menge der Bombenlast, die auf [[Japan]] im Zweiten Weltkrieg abgeworfen wurde, und kostete die USA etwa sieben Milliarden Dollar. Die Schätzungen der Opfer unter der kambodschanischen Bevölkerung reichen dabei von 50.000 bis zu 150.000. Der Großteil des kambodschanischen Farmlandes wurde zerstört.<ref>{{cite web|author-link1=Ben Kiernan |last1=Kiernan|first1=Ben|last2=Owen|first2=Taylor|url=http://apjjf.org/2015/13/16/Ben-Kiernan/4313.html|title=Making More Enemies than We Kill? Calculating U.S. Bomb Tonnages Dropped on Laos and Cambodia, and Weighing Their Implications|work=The Asia–Pacific Journal|date=2015-04-26|access-date=2017-07-18|quote="First, the bombing forced the Vietnamese Communists deeper and deeper into Cambodia, bringing them into greater contact with Khmer Rouge insurgents."}}</ref> |
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Mit der Beendigung der amerikanischen Flächenbombardements 1973 und dem Abzug des [[Vietcong]] und der nordvietnamesischen Armee aus Kambodscha „kambodschanisiert“ sich der Krieg und wird nur noch durch die Waffenlieferungen der [[Volksrepublik China]] für die Roten Khmer und der Militärhilfe der USA für die Regierungsarmee aufrechterhalten. Bei der Bevölkerung Phnom Penhs entsteht zunehmend der Eindruck, dass der Krieg nur noch zur Bereicherung der Generäle betrieben wird. Lebensmittelknappheit und Inflation führen zu nachlassender Unterstützung durch die Stadtbevölkerung. Viele sehen sich vor die Wahl gestellt, aus der Stadt zu flüchten und ihre Seele an die Roten Khmer zu verkaufen oder in der Stadt zu verhungern. |
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[[Datei:Norodom Sihanouk 1956.jpg|mini|Prinz Norodom Sihanouk (1956)]] |
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Parallel dazu wurden von 1971 bis 1975 seitens der USA rund 1,1 Milliarden Dollar an [[Militärhilfe]] in Form von Waffen, Ausrüstung und Sold nach Phnom Penh transferiert. Bereits 1973 schätzte der [[US-Senat]] die Anzahl der Kriegsflüchtlinge in Kambodscha auf zwei Millionen Menschen. Trotzdem wurden jeden Tag weiterhin für eine Million Dollar Waffen, Munition und Sold nach Phnom Penh geliefert, während die humanitären Lieferungen für die Flüchtlinge gerade einmal drei Millionen Dollar pro Jahr betrugen. Phnom Penhs Bevölkerung wuchs während dieser Zeit rasant. Korruption war ein grassierendes Problem. Ein Großteil der Waffenlieferungen wurde von Generälen der Regierungsarmee direkt an den Vietcong verkauft. Die Ausrüstungen landeten auf dem Markt in Phnom Penh, und ganze Divisionen existierten nur auf dem Papier. Der Sold verschwand direkt in die Taschen der Kommandeure. Die einfachen Regierungssoldaten kämpften barfuß, sofern sie kein Geld hatten, um sich auf dem Markt die für sie bestimmte Ausrüstung zu kaufen, und nahmen ihre Familien mit in die Kampfgebiete, da sie nur mit Reis bezahlt wurden und ihre Familien sonst nicht ernähren konnten. |
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Die Flächenbombardements der USA sorgten nicht nur für eine breite Unterstützung der Landbevölkerung für die Roten Khmer, sondern hinterließen auch zahlreiche Kriegswaisen, die von den Roten Khmer aufgenommen und zu [[Kindersoldat]]en ausgebildet wurden. Umgekehrt wurden zahlreiche Flüchtlingskinder in Phnom Penh durch die Regierungsarmee aufgegriffen und in die Uniform gezwungen. Die Kämpfe zwischen Regierungssoldaten und Roten Khmer wurden mit zunehmender Grausamkeit geführt. Die gegenseitige Tötung verwundeter Gegner und [[Kannibalismus|kannibalistische]] Praktiken nährten neben den Flächenbombardements den Hass der Landbevölkerung gegen die Stadtbevölkerung, der sich in der späteren Diktatur der Roten Khmer entlud und zur fast vollständigen Ausrottung der ehemaligen Stadtbevölkerung führte. |
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Im April 1975 ergeben sich die rund 2 Millionen Einwohner Phnom Penhs. Etwa 20.000 Soldaten der Roten Khmer besetzen die Stadt. Das Durchschnittsalter der Soldaten beträgt 13 Jahre. Die Roten Khmer werden zunächst mit Begeisterung als Befreier empfangen, die Stadtbevölkerung glaubt, dass Prinz Sihanouk als offizieller Repräsentant der Roten Khmer für eine Versöhnung der Stadt- und Landbevölkerung Kambodschas sorgen wird. Die Roten Khmer befürchten jedoch einen Aufstand der Stadtbevölkerung und vertreiben die Menschen binnen drei Tagen mit Waffengewalt auf das Land. Stadtbewohner, die sich in ihren Häusern verstecken, werden getötet. Nach einer Woche ist Phnom Penh eine Geisterstadt, und die vierjährige Diktatur der Roten Khmer beginnt, in deren Verlauf fast die gesamte ehemalige Stadtbevölkerung getötet wird. |
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Aus seinem Exil in Peking repräsentierte Prinz Sihanouk mit Hilfe der [[Volksrepublik China]] die Roten Khmer gegenüber der Weltöffentlichkeit als nationale Befreiungsorganisation für Kambodscha. Wiederkehrende Angebote zu Friedensverhandlungen lehnte er ab. |
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=== Zeittafel === |
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*[[27. März]] [[1970]]: [[Nordvietnam]] und der [[Vietcong]] evakuieren ihre Botschaften in [[Phnom Penh]] per Helikopter. Südvietnamesische Truppen rücken nach Kambodscha ein und besetzten Teile des Landes. |
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*[[29. März]] [[1970]]: [[Nordvietnam]] und der [[Vietcong]] verkünden öffentlich die Beendigung ihrer diplomatischen Beziehungen mit [[Kambodscha]] und besetzen mit Truppen den Osten Kambodschas. |
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*[[16. April]] [[1970]]: Erstmals erfolgen große Übergriffe auf die vietnamesische Bevölkerung, die in Teilen Kambodschas leben. Hunderte vietnamesischer Zivilisten, die in Kambodscha leben, werden durch Unbekannte ermordet. Ihre Leichen treiben auf dem Mekong nach Südvietnam. |
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*[[23. April]] [[1970]]: Erstmals seit 1965 erfolgen wieder amerikanische Waffenlieferungen an die kambodschanische Armee. |
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*[[29. April]] [[1970]]: Etwa 20.000 amerikanische Soldaten auf der Suche nach [[Vietcong]]-Stützpunkten marschieren nach Kambodscha ein. Nach der Bekanntgabe dieses Einmarsches kommt es zu massiven Studentenprotesten in den USA, bei denen 4 Studenten durch die amerikanische Nationalgarde erschossen werden. |
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*[[8. Mai]] [[1970]]: Der amerikanische Präsident Nixon verspricht dem amerikanischen Volk, dass alle amerikanischen Truppen in Kambodscha spätestens am 30. Juni 1970 wieder abgezogen werden. Der südvietnamesische Präsident Thieu erklärt, dass er sich mit seinen Truppen nicht an diesen Termin gebunden fühlt. |
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*[[1. Juni]] [[1970]]: General Lon Nol ruft das Kriegsrecht in Kambodscha aus. |
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*[[3. Juni]] [[1970]]: US-Präsident Nixon erklärt, dass die amerikanischen Operationen in Kambodscha die erfolgreichsten des Vietnamkrieges waren und bestätigt, dass sich die USA und Südvietnam bis zum 30. Juni aus Kambodscha zurückziehen werden. Währenddessen stehen kommunistische Truppen 16 km vor Phnom Penh. |
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*[[29. Juni]] [[1970]]: Die US-Armee verlässt [[Kambodscha]]. Südvietnamesische Truppen bleiben in Kambodscha und werden teilweise noch verstärkt. |
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*[[28. August]] [[1970]]: US-Vizepräsident Spiro Agnew besucht Phnom Penh. |
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*[[29. August]] [[1970]]: Kommunistische Truppen greifen ein Dorf 8 km vor Phnom Penh an. |
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*[[1. September]] [[1970]]: US-Vizepräsident Spiro Agnew erklärt, dass sich die Situation in Kambodscha gut entwickelt. |
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*[[7. September]] [[1970]]: Erstmals startet die kambodschanische Regierungsarmee eine größere Offensive (Operation Chenla 1), wird jedoch kurze Zeit später durch nordvietnamesische Truppen gestoppt. |
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*[[9. Oktober]] [[1970]]: Kambodscha wird zur Republik erklärt. Damit endet die fast 1000-jährige Monarchie in Kambodscha. |
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*[[12. November]] [[1970]]: Die USA richten eine Luftbrücke nach Phnom Penh ein, um die Stadt mit Munition und Lebensmitteln zu versorgen. Alle Strassen nach Phnom Penh sind durch kommunistische Truppen blockiert. |
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*[[14. Dezember]] [[1970]]: Der erste amerikanische Munitionstransport über den Mekong erreicht Phnom Penh. |
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*[[3. Januar]] [[1971]]: Die US Airforce verstärkt ihre Flächenbombardements auf kambodschanisches Gebiet. Ein Pentagon-Sprecher erklärt, dass die USA alle notwendigen Luftschläge einsetzen, die zur Verteidigung amerikanischer Truppen dienen werden. Ein US-Regierungssprecher bestätigt die Erweiterung der Flächenbombardements in Kambodscha. |
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*[[21. Januar]] [[1971]]: Kommunistische Truppen greifen den Pochentong Airport in Phnom Penh an und zerstören fast die gesamte kambodschanische Luftwaffe. |
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*[[8. Februar]] [[1971]]: General Lon Nol erleidet einen Schlaganfall und wird nach [[Hawaii]] ausgeflogen. Nach seiner Rückkehr am 12. April ist er halbseitig gelähmt, führt jedoch die Regierungsgeschäfte weiter. |
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*[[18. Februar]] [[1971]]: Die frühere Sangkum-Partei Prinz Sihanouks wird aufgelöst. |
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*[[20. August]] [[1971]]: General Lon Nol startet die zweite Militäroffensive gegen die kommunistischen Truppen (Operation Chenla 2), obwohl sich die kambodschanische Armee noch nicht von den Verlusten der ersten Offensive erholt hat. Die Operation wird eine militärische Niederlage und die kambodschanische Armee zieht sich unter heftigen Verlusten zurück. |
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*[[20. Oktober]] [[1971]]: General Lon Nol ruft den Notstand aus. Er erklärt, dass er nicht länger das Spiel um Demokratie und Freiheit spielen möchte, da dies dem Sieg im Wege steht. |
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*[[17. Dezember]] [[1971]]: General Lon Nol verbietet alle öffentlichen Versammlungen und Demonstrationen. |
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*[[5. Februar]] [[1972]]: Das Flüchtlingskomitee des US-Senats erklärt, dass durch die Kriegshandlungen in Kambodscha etwa 2 Millionen Menschen heimatlos geworden sind. |
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*[[10. März]] [[1972]]: General Lon Nol löst das kambodschanische Parlament auf und erklärt sich zum Staatspräsidenten, Premierminister und Verteidigungsminister. |
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*[[21. März]] [[1972]]: Erstmals kommt die kommunistische Artillerie bis auf Reichweite nach Phnom Penh. Etwa 100 Zivilisten im Stadtzentrum werden durch Artilleriegeschosse getötet. |
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*[[25. April]] [[1972]]: Kommunistische Truppen haben mit Ausnahme einiger Provinzhauptstädte ganz Kambodscha östlich des Mekong besetzt. |
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*[[6. August]] [[1972]]: Erstmals greifen kommunistische Truppen mit Panzern die Regierungsarmee an. |
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*[[7. September]] [[1972]]: Reis- und Lebensmittelknappheit und der Preisanstieg für Lebensmittel führt zu Unruhen unter der Zivilbevölkerung in Phnom Penh. |
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*[[22. Oktober]] [[1972]]: Der US-Außenminister Henry Kissinger besucht Phnom Penh und bestätigt General Lon Nol die weitere Unterstützung durch die USA mit Waffen und Luftschlägen. |
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*[[17. März]] [[1973]]: Ein Pilot der kambodschanischen Luftwaffe bombardiert General Lon Nols Palast. Lon Nol überlebt den Anschlag unverletzt. Der Pilot flüchtet mit seinem Flugzeug nach Nordvietnam. |
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*[[23. April]] [[1973]]: US-Außenminister Henry Kissinger erklärt, dass die USA weder die kapitalistische noch die kommunistische Seite in Kambodscha unterstützen und nach einer politischen Lösung suchen. |
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*[[29. April]] [[1973]]: Südvietnam erklärt öffentlich, dass es General Lon Nols Bitte um weitere Luftschläge nicht nachkommen wird, sofern die USA ihre Flächenbombardements in Kambodscha beenden. |
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*[[10. Mai]] [[1973]]: Das US-Repräsentantenhaus stimmt mit 219 gegenüber 188 Stimmen gegen eine weitere Bombardierung von Kambodscha. Dies ist das erste Mal im Vietnamkrieg, dass das US-Repräsentantenhaus in einer Militäroperation gegen einen Wunsch Präsident Nixons stimmt. Die US Airforce führt die Flächenbombardements in Kambodscha unter Geheimhaltung trotzdem weiter durch. Die New York Times berichtet später, dass es nach Eindruck der CIA bei diesen Bombardements weniger um einen Konflikt in Kambodscha als viel mehr um ein Machtspiel zwischen US-Präsident Nixon und dem US-Repräsentantenhaus gegangen wäre. Außer Opfern unter der Zivilbevölkerung hätten diese Bombardements nach Ansicht des CIA keinen Einfluss auf den Kriegsverlauf gehabt. |
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*[[29. Mai]] [[1973]]: Prinz Sihanouk weist General Lon Nols Bitte um Friedensverhandlungen zurück. |
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*[[3. Juni]] [[1973]]: Prinz Sihanouk bemüht sich um ein Gespräch mit US-Präsident Nixon, wird jedoch zurückgewiesen. |
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*[[2. Juli]] [[1973]]: Das US-Verteidigungsministerium erhöht die Anzahl an wöchentlichen Flächenbombardements auf Kambodscha von 150 auf 200. |
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*[[17. Juli]] [[1973]]: Das US-Verteidigungsministerium bestätigt öffentlich, dass seit März 1969 rund 3.500 größtenteils geheime Flächenbombardements auf kambodschanisches Territorium durchgeführt wurden. |
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*[[21. Juli]] [[1973]]: Die Roten Khmer entscheiden in einem nationalen Kongress, dass sie ihren bewaffneten Kampf solange fortsetzen werden, bis alle amerikanischen Militäreinsätze in Kambodscha beendet sind und General Lon Nol durch ein Mitglied von Prinz Sihanouks Exilregierung ersetzt worden ist. |
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*[[25. Juli]] [[1973]]: Das amerikanische Außenministerium erklärt, dass die amerikanischen Flächenbombardements zwischen März 1969 und März 1970 durch Prinz Sihanouk als damaligen kambodschanischen Regierungschef autorisiert waren. |
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*[[26. Juli]] [[1973]]: Die USA, England und Australien evakuieren nicht unbedingt notwendiges Botschaftspersonal aus Phnom Penh. |
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*[[7. August]] [[1973]]: Ein amerikanischer B-52-Bomber bombardiert versehentlich die Stadt Neak Luong. Ein amerikanisches Reporterteam filmt die Zerstörung des Krankenhauses und des Marktplatzes sowie die zahlreichen Toten. Die Bilder gehen um die Welt. |
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*[[15. August]] [[1973]]: Die USA beenden alle Bombardements auf kambodschanisches Territorium. |
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*[[21. August]] [[1973]]: Der kambodschanische Botschafter in Washington bittet den US-Kongress um weitere Militärhilfe für Kambodscha. Prinz Sihanouk erklärt, die 1969 begonnenen amerikanischen Flächenbombardements seien nicht von ihm autorisiert worden. |
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*[[9. Oktober]] [[1973]]: Die UdSSR erklärt, dass sie in Prinz Sihanouk den legalen Regierungschef Kambodschas sieht. |
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*[[25. Oktober]] [[1973]]: Bis auf 3 Mitarbeiter zieht die UdSSR ihr gesamtes Botschaftspersonal aus Phnom Penh ab. Die Roten Khmer starten zum ersten Mal Luftangriffe gegen Phnom Penh. Parallel dazu erfolgen fast täglich Artillerieangriffe auf die Stadt. |
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*[[9. November]] [[1973]]: Prinz Sihanouk erklärt, dass die königliche Exilregierung ihren Sitz von Peking nach Kambodscha verlagert hat. |
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*[[19. November]] [[1973]]: Zum zweiten Mal versucht ein Angehöriger der kambodschanischen Luftwaffe, General Lon Nol mittels Bombardierung des Regierungspalastes zu töten. General Lon Nol überlebt den Anschlag wiederum unverletzt. |
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*[[5. Dezember]] [[1973]]: Einsatzgruppen der Roten Khmer dringen nach Phnom Penh ein, werden jedoch von Regierungstruppen zurückgeschlagen. |
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*[[23. Dezember]] [[1973]]: Die Roten Khmer beginnen einen zweimonatigen Angriff auf Phnom Penh. |
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*[[18. März]] [[1974]]: Die Roten Khmer nehmen die Provinzhauptstadt Oudoung (24 Meilen nordwestlich von Phnom Penh) ein. Verwundete Regierungssoldaten werden von den Roten Khmer getötet. Zahlreiche Regierungssoldaten bringen zunächst ihre Familien um und begehen dann Selbstmord. Die etwa 20.000 Einwohner Oudongs werden von den Roten Khmer aus der Stadt getrieben und auf Kooperativen verteilt. |
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*[[26. Mai]] [[1974]]: Die [[Volksrepublik China]] kündigt öffentlich ein Militärhilfe-Abkommen mit den Roten Khmer an. |
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*[[30. Juni]] [[1974]]: Die USA beendet ihre Militärhilfe für die kambodschanische Luftwaffe. |
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*[[9. Juli]] [[1974]]: General Lon Nol bietet den Roten Khmer nochmals erfolglos Friedensverhandlungen an. |
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*[[30. Juli]] [[1974]]: Die Anschuldigung des US-Kongresses gegen US-Präsident Nixon, einen geheimen und illegalen Angriffskrieg geführt zu haben, wird fallengelassen. |
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*[[9. August]] [[1974]]: US-Präsident Nixon tritt im Rahmen des Watergate-Skandals zurück. |
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*[[15. August]] [[1974]]: General Lon Nol bietet wieder erfolglos Friedensverhandlungen an. |
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*[[9. Oktober]] [[1974]]: General Lon Nol bietet nochmals erfolglos Friedensverhandlungen an. |
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*[[30. November]] [[1974]]: Die UNO bestätigt General Lon Nol als offizielle Regierung Kambodschas und bittet alle Parteien um Friedensverhandlungen. Die Roten Khmer lehnen dies ab. |
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*[[18. Dezember]] [[1974]]: Die USA verringern ihre Wirtschafts- und Militärhilfe für Kambodscha. |
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*[[1. Januar]] [[1975]]: Die Roten Khmer starten ihre letzte Großoffensive gegen Phnom Penh. |
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*[[26. Januar]] [[1975]]: Der letzte amerikanische Lebensmittel- und Waffentransport über den Mekong erreicht Phnom Penh. Die Stadt wird jetzt nur noch durch die Luft versorgt. |
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*[[29. Januar]] [[1975]]: US-Präsident Ford appelliert an den US-Kongress, jetzt die Rechnung für den Vietnamkrieg in Kambodscha zu zahlen und weitere 222 Millionen Dollar Militärhilfe zur Unterstützung Phnom Penhs freizugeben. Der Kongress lehnt dies ab. |
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*[[12. Februar]] [[1975]]: Die USA verdoppeln die Anzahl ihrer Waffentransportflüge von Thailand nach Phnom Penh. |
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*[[23. Februar]] [[1975]]: US-Außenminister Schlesinger erklärt, dass Phnom Penh ohne amerikanische Hilfe an die Kommunisten fallen würde und dies eine außenpolitische Katastrophe wäre. |
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*[[24. Februar]] [[1975]]: Acht Mitglieder des US-Kongresses besuchen Phnom Penh als Teil einer Prüfungskommission. |
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*[[25. Februar]] [[1975]]: US-Präsident Ford warnt den US-Kongress, dass Phnom Penh noch für zirka einen Monat Munition und Waffen hat und untergehen wird, sofern der US-Kongress nicht die 222 Millionen Dollar Militärhilfe freigibt. |
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*[[27. Februar]] [[1975]]: Die USA starten eine weitere 30-tägige Luftbrücke von Saigon nach Phnom Penh und transportieren 17.500 Tonnen Reis und Benzin in die umkämpfte Stadt. |
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*[[28. Februar]] [[1975]]: Die Roten Khmer sind bis auf 8 km Entfernung an das Stadtzentrum vorgerückt. |
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*[[10. März]] [[1975]]: Nach der Rückkehr der US-Kongress-Delegation aus Phnom Penh gibt der US-Kongress 75 Millionen Dollar für humanitäre Hilfe in Kambodscha frei. |
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*[[17. März]] [[1975]]: Die USA und Frankreich evakuieren ihr nicht unbedingt benötigtes Botschaftspersonal. Die Roten Khmer konzentrieren ihre Angriffe auf den Pochentong Airport, der für Phnom Penh die einzige verbleibende Verbindung zur Außenwelt ist. |
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*[[19. März]] [[1975]]: In Phnom Penh demonstrieren Studenten gegen weitere amerikanische Hilfsleistungen und verlangen den Rücktritt General Lon Nols. |
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*[[23. März]] [[1975]]: Die Roten Khmer greifen den Pochentong Airport an, und die USA stellen temporär ihre Hilfsflüge ein. |
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*[[1. April]] [[1975]]: General Lon Nol tritt zurück und verlässt mit einigen Millionen Dollar Phnom Penh nach Hawaii. |
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*[[12. April]] [[1975]]: Die US-Botschaft wird per Helikopter evakuiert. Die Evakuierung verzögert sich, da viele Kambodschaner, die wissentlich auf Todeslisten der Roten Khmer stehen und von den Amerikanern ausgeflogen werden sollen, sich dafür entscheiden, Kambodscha nicht zu verlassen. Nach der Evakuierung kommt es zu Artilleriebeschuss durch die Roten Khmer auf die amerikanische Botschaft, bei der Schaulustige getötet werden. |
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*[[15. April]] [[1975]]: Die Roten Khmer nehmen den Flughafen Pochentong ein. Phnom Penh ist von der Außenwelt abgeschnitten. |
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*[[17. April]] [[1975]]: Die Regierungsarmee kapituliert und etwa 20.000 Rote Khmer marschieren in Phnom Penh ein. Dort werden sie zunächst begeistert von der Bevölkerung empfangen. In den folgenden drei Tagen werden die rund 2 Millionen Einwohner der Stadt durch die Roten Khmer auf das Land getrieben. Stadtbewohner, die sich in ihren Häusern verstecken wollen, werden durch die Roten Khmer getötet. Nach einer Woche ist die Millionenmetropole Phnom Penh eine Geisterstadt. |
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Nach der Beendigung der amerikanischen Flächenbombardements 1973 und dem Abzug der FNL und der nordvietnamesischen Armee aus Kambodscha nationalisierte sich der Krieg zu einem innerkambodschanischen Konflikt, der allerdings nur durch die Waffenlieferungen der [[Volksrepublik China]] an die Roten Khmer und die Militärhilfe der USA für die Regierungsarmee weitergeführt werden konnte. Bei der Bevölkerung Phnom Penhs entstand zunehmend der Eindruck, dass der Krieg nur noch zur Bereicherung der Generäle betrieben werde. Lebensmittelknappheit und Inflation führten zu nachlassender Unterstützung durch die Stadtbevölkerung. Viele sahen sich vor die Wahl gestellt, aus der Stadt zu flüchten und sich den Roten Khmer unterzuordnen oder in der Stadt zu verhungern. |
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== Die Diktatur der [[Rote Khmer|Roten Khmer]] 1975–1979 == |
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Die Vision der Roten Khmer sah die Wiederauferstehung des Reiches von [[Angkor]] vor. Dies bedeutete außenpolitisch die Rückgewinnung von Landgebieten, die im Laufe der Jahrhunderte an Thailand und Vietnam gefallen waren und innenpolitisch die Etablierung eines pseudo-kommunistischen Bauernstaates, der weitestgehend unabhängig vom Ausland wäre. |
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Im April 1975 ergaben sich die rund zwei Millionen Einwohner Phnom Penhs. Etwa 20.000 Soldaten der Roten Khmer besetzten die Stadt. Das Durchschnittsalter der Soldaten betrug 13 Jahre. Die Roten Khmer wurden zunächst mit Begeisterung als Befreier empfangen, da die Stadtbevölkerung glaubte, dass Prinz Sihanouk als offizieller Repräsentant der Roten Khmer für eine Versöhnung der Stadt- und Landbevölkerung Kambodschas sorgen würde. Die Roten Khmer befürchteten jedoch einen Aufstand der Stadtbevölkerung und vertrieben die Menschen binnen drei Tagen mit Waffengewalt auf das Land. Stadtbewohner, die sich in ihren Häusern versteckten, wurden getötet. Nach einer Woche war Phnom Penh eine Geisterstadt. |
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== {{Anker|Diktatur der Roten Khmer}}Diktatur der Roten Khmer (1975–1979) == |
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{{Hauptartikel|Demokratisches Kampuchea|Rote Khmer}} |
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[[Datei:Flag of Democratic Kampuchea.svg|mini|Die Flagge des Demokratischen Kampuchea]] |
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[[Datei:Choeungek2.JPG|mini|Schädel von Opfern der Gewaltherrschaft der Roten Khmer]] |
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Die Vision der [[Rote Khmer|Roten Khmer]] sah die Wiederauferstehung des Reiches von [[Angkor]] vor. Dies bedeutete außenpolitisch die Rückgewinnung von Landgebieten, die im Laufe der Jahrhunderte an [[Thailand]] und [[Vietnam]] gefallen waren, und innenpolitisch die Etablierung eines kommunistisch-[[Maoismus|maoistischen]] Bauernstaates, der weitestgehend unabhängig vom Ausland wäre ([[Autarkie]]). |
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Dazu führten die Roten Khmer eine Reihe von Maßnahmen ein: |
Dazu führten die Roten Khmer eine Reihe von Maßnahmen ein: |
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'''Isolierung des Landes''' |
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** Abbruch aller Nachrichtenverbindungen aus Kambodscha in das Ausland und Schließung der Grenzen |
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** Isolierung der wenigen noch verbleibenden ausländischen Botschaften in Phnom Penh |
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** Zerstörung bzw. Konfiszierung aller Kommunikationsmittel (Radio, Telefon, Funk) im Land |
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* Abbruch aller Nachrichtenverbindungen aus Kambodscha in das Ausland und Schließung der Grenzen |
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*Isolierung der Menschen untereinander |
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* Isolierung der wenigen noch verbleibenden ausländischen Botschaften in Phnom Penh |
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** Vertreibung der Stadtbewohner auf ländliche Gebiete |
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* Zerstörung bzw. Konfiszierung aller Kommunikationsmittel (Radio, Telefon, Funk) im Land |
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** Isolierung der Dörfer untereinander – Besuche zwischen Dörfern bedurften der Genehmigung durch die lokalen Roten Khmer. |
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** Trennung von Familien – Männer, Frauen und Kinder wurden in verschiedene Arbeitsbrigaden aufgeteilt und teilweise in verschiedene Teile des Landes deportiert. |
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** Einführung von Zwangsehen, wobei die Roten Khmer die aus ihrer Sicht passenden Ehepartner aussuchten. |
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** Politische Schulung und Nutzung der Kinder zur Überwachung der Erwachsenen (inklusive der Überwachung der eigenen Eltern) |
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** Versammlungsverbot mit Ausnahme der eigenen politischen Versammlung |
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'''Isolierung der Menschen untereinander''' |
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*Aufhebung aller Klassen und Unterschiede zwischen den Menschen |
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* Vertreibung der Stadtbewohner auf ländliche Gebiete |
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** Alle Kambodschaner mussten den gleichen Haarschnitt und die gleiche Kleidung tragen |
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* Isolierung der Dörfer untereinander – Besuche zwischen Dörfern bedurften der Genehmigung durch die lokalen Roten Khmer. |
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** Verbot von religiöser Betätigung |
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* Trennung von Familien – Männer, Frauen und Kinder wurden in verschiedene Arbeitsbrigaden aufgeteilt und teilweise in verschiedene Teile des Landes deportiert. |
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** Erziehung der Kinder in politischen Schulen |
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* Einführung von [[Zwangsehe]]n, wobei die Roten Khmer die aus ihrer Sicht passenden Ehepartner aussuchten. |
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** Allabendliche politische Schulungen und Versammlungen der Erwachsenen |
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* Politische Schulung und Nutzung der Kinder zur Überwachung der Erwachsenen (inklusive der Überwachung der eigenen Eltern) |
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** Gezielte Ermordung zunächst aller Intellektuellen und später aller Kambodschaner chinesischer oder vietnamesischer Abstammung |
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* Versammlungsverbot mit Ausnahme der eigenen politischen Versammlung |
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** Einführung von Gemeinschaftsküchen und Verbot der Nahrungsmittelaufnahme außerhalb einer Gemeinschaftsküche |
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** Einführung von Gemeinschaftskindergärten |
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** Verbot von Gefühlsäußerungen (Weinen, Lachen, Trauern), sofern sie nicht der Bejubelung von Parteimaßnahmen galten |
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** Verbot allen persönlichen Eigentums |
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** Etablierung von Dreierteams als kleinste Arbeitseinheit mit Auflage der gegenseitigen Überwachung – bei Flucht eines Teammitgliedes wurden die verbleibenden beiden Teammitglieder getötet |
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** Vereinheitlichung der persönlichen Ansprache und Begrüßung. Jede Form von persönlicher Anrede wie „Mama“, „Papa“, „Tante“ usw. wurde durch das Wort „Kamerad“ ersetzt. |
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'''Aufhebung aller Klassen und Unterschiede zwischen den Menschen''' |
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*Entwicklung des Bauernstaates: |
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* Alle Kambodschaner mussten den gleichen Haarschnitt und die gleiche Kleidung tragen |
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** Vertreibung aller Stadtbewohner auf ländliche Gebiete |
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* Verbot von religiöser Betätigung |
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** Abschaffung des Geldes, der Märkte und des Tauschhandels |
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* Erziehung der Kinder in politischen Schulen |
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** Zerstörung aller technischen Geräte mit Ausnahme von militärisch nutzbaren Geräten |
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* Allabendliche politische Schulungen und Versammlungen der Erwachsenen |
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** Zerstörung der Krankenhäuser und der medizinischen Geräte |
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* Gezielte Ermordung zunächst aller Intellektuellen und später aller Kambodschaner chinesischer oder vietnamesischer Abstammung |
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** Bau neuer Bewässerungssysteme und Rodung des Dschungels ohne technische Geräte und Planungen |
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* Einführung von Gemeinschaftsküchen und Verbot der Nahrungsmittelaufnahme außerhalb einer Gemeinschaftsküche |
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** Einteilung der Reisfelder in einheitliche Parzellen der gleichen Größe und der gleichen Reisart unabhängig davon, ob dies geographisch sinnvoll war |
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* Einführung von Gemeinschaftskindergärten |
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* Verbot von Gefühlsäußerungen (Weinen, Lachen, Trauern), sofern sie nicht der Bejubelung von Parteimaßnahmen galten |
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* Verbot allen persönlichen Eigentums |
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* Etablierung von Dreierteams als kleinste Arbeitseinheit mit Auflage der gegenseitigen Überwachung – bei Flucht eines Teammitgliedes wurden die verbleibenden beiden Teammitglieder getötet |
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* Vereinheitlichung der persönlichen Ansprache und Begrüßung. Jede Form von persönlicher Anrede wie „Mama“, „Papa“, „Tante“ usw. wurde durch das Wort „Kamerad“ ersetzt. |
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'''Entwicklung des Bauernstaates:''' |
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*Vereinheitlichung des Justizsystems: |
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* Vertreibung aller Stadtbewohner auf ländliche Gebiete |
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** Bis auf die Todesstrafe wurden alle anderen Strafen abgeschafft. Die Todesstrafe erfolgte zunächst durch Erschießen, später zur Einsparung von Munition durch Überstülpen und Verschließen einer Plastiktüte über den Kopf oder durch Erschlagen mit einer Feldhacke. Die Leichen wurden als Dünger auf die Felder gelegt. |
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* Abschaffung des Geldes, der Märkte und des Tauschhandels |
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** Zunächst wurden diese Strafen innerhalb von Versammlungen ausgesprochen. in denen es zum Teil zunächst nur zu Verwarnungen kam, jedoch nach der ersten Verwarnung direkt die Todesstrafe folgte. Später wurden die Tötungen ohne Verwarnung und Versammlung vorgenommen. |
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* Zerstörung aller technischen Geräte mit Ausnahme von militärisch nutzbaren Geräten |
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** Darüber hinaus wurden Gefängnisse wie beispielsweise Toul Sleng eingerichtet, in denen Gefangene von denen man Informationen erhoffte, systematisch zu Tode gefoltert wurden. Schwangeren Frauen ehemaliger Regierungsangestellter wurden beispielsweise die Bäuche aufgeschlitzt und die [[Embryo]]s vor den Augen der Mütter Hunden zum Fraß vorgeworfen. Säuglinge und Kleinkinder wurden vor den Augen der Eltern mit den Köpfen solange gegen Mauern oder Bäume geschleudert, bis der Schädel zerplatzte. Überlebte jemand die Folter in einem solchen Gefängnis, wurde er unter Umständen wieder freigelassen, jedoch gibt es weniger als ein Dutzend Berichte überlebender Gefangener. Von den zehntausenden Insassen des Foltergefängnisses Tuol Sleng sind nur sieben mit dem Leben davongekommen. |
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* Zerstörung der Krankenhäuser und der medizinischen Geräte |
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* Bau neuer Bewässerungssysteme und Rodung des Dschungels ohne technische Geräte und Planungen |
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* Einteilung der Reisfelder in einheitliche Parzellen der gleichen Größe und der gleichen Reisart unabhängig davon, ob dies technologisch sinnvoll war |
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'''Vereinheitlichung des Justizsystems:''' |
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Zu Anfang blieb die Landbevölkerung von diesen Maßnahmen größtenteils verschont, während die ehemalige Stadtbevölkerung großteils direkt betroffen war. Die Tötung von Menschen durch die Roten Khmer wurde zunächst heimlich durchgeführt. Mit zunehmender Kontrolle der Roten Khmer, insbesondere durch die politische Schulung von Kindern und Nutzung dieser Kinder als bewaffnete Bewacher oder Kontrolleure, wurde jedoch auch die Landbevölkerung mehr und mehr von diesen Maßnahmen in vollem Umfang getroffen und die Ermordung von Menschen fand später uneingeschränkt öffentlich statt. |
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* Bis auf die Todesstrafe wurden alle anderen Strafen abgeschafft. Die Todesstrafe erfolgte zunächst durch Erschießen, später zur Einsparung von Munition durch Überstülpen und Verschließen einer Plastiktüte über den Kopf oder durch Erschlagen mit einer Feldhacke. Die Leichen wurden als Dünger auf die Felder gelegt. |
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* Zunächst wurden diese Strafen innerhalb von Versammlungen ausgesprochen, in denen es zum Teil zunächst nur zu Verwarnungen kam, jedoch nach der ersten Verwarnung direkt die Todesstrafe folgte. Später wurden die Tötungen ohne Verwarnung und Versammlung vorgenommen. |
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* Darüber hinaus wurden Gefängnisse wie beispielsweise [[Tuol Sleng]] eingerichtet, in denen Gefangene, von denen man Informationen erhoffte, systematisch zu Tode gefoltert wurden. Schwangeren Frauen ehemaliger Regierungsangestellter wurden beispielsweise die Bäuche aufgeschlitzt und die [[Fötus|Föten]] vor den Augen der Mütter Hunden zum Fraß vorgeworfen. Säuglinge und Kleinkinder wurden vor den Augen der Eltern mit den Köpfen solange gegen Mauern oder Bäume geschleudert, bis der Schädel zerplatzte. Überlebte jemand die Folter in einem solchen Gefängnis, wurde er unter Umständen wieder freigelassen, jedoch gibt es weniger als ein Dutzend Berichte überlebender Gefangener. Von den zehntausenden Insassen des Foltergefängnisses Tuol Sleng sind nur sieben mit dem Leben davongekommen. |
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Zu Anfang blieb die Landbevölkerung von diesen Maßnahmen größtenteils verschont, während die ehemalige Stadtbevölkerung großteils direkt betroffen war. Die Tötung von Menschen durch die Roten Khmer wurde zunächst heimlich durchgeführt. Mit zunehmender Kontrolle der Roten Khmer, insbesondere durch die politische Schulung von Kindern und Nutzung dieser Kinder als bewaffnete Bewacher oder Kontrolleure, wurde jedoch auch die Landbevölkerung mehr und mehr von diesen Maßnahmen in vollem Umfang getroffen, und die Ermordung von Menschen fand später uneingeschränkt öffentlich statt. Insgesamt führten [[Deportation]], [[Zwangskollektivierung]] und Morde auf den [[Killing Fields]] zum [[Genozid in Kambodscha]]. |
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Um für die außenpolitischen Ziele genügend Waffen zu haben, schlossen die Roten Khmer mit China einen Vertrag, der die Lieferung von Waffen gegen Reis vorsah. Dies erforderte die Verdreifachung der geplanten und ohnehin nicht erreichten Reisproduktion. Der daraus resultierende Druck auf die lokalen Funktionäre und die durch eine Dürre verstärkte Hungersnot der Bevölkerung führte vereinzelt trotz der totalitären Kontrolle zu Revolten, die jedoch brutal niedergeschlagen wurden. Ebenso gnadenlos wurden die bestraft, die Zahlen fälschten, um das Erreichen des Solls vorzugeben. Die Nichteinhaltung der Planziele wurde durch die Führung der Roten Khmer als Sabotage der lokalen Funktionäre betrachtet und führte zu wiederholten politischen Säuberungsaktionen in den eigenen Reihen der Roten Khmer. |
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Um für die außenpolitischen Ziele genügend Waffen zu haben, schlossen die Roten Khmer mit China einen Vertrag, der die Lieferung von Waffen gegen Reis vorsah. Dies erforderte die Verdreifachung der geplanten und ohnehin nicht erreichten Reisproduktion. Der daraus resultierende Druck auf die lokalen Funktionäre und die durch eine Dürre verstärkte Hungersnot der Bevölkerung führten vereinzelt trotz der totalitären Kontrolle zu Revolten, die jedoch brutal niedergeschlagen wurden. Ebenso gnadenlos wurden die bestraft, die Zahlen fälschten, um das Erreichen des Solls vorzugeben. Die Nichteinhaltung der Planziele wurde durch die Führung der Roten Khmer als Sabotage der lokalen Funktionäre betrachtet und führte zu wiederholten politischen Säuberungsaktionen in den eigenen Reihen der Roten Khmer. |
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Außenpolitisch griffen die Roten Khmer wiederholt, jedoch erfolglos Grenzgebiete in Thailand und Vietnam an. Vietnam löste in dieser Zeit seine politischen Verbindungen mit der Volksrepublik China und intensivierte seine Beziehungen mit der UdSSR, während die Roten Khmer ihre Verbindungen mit der Volksrepublik China vertieften. Schließlich konzentrierten die Roten Khmer ihre Angriffe primär auf Vietnam, was seitens der Weltöffentlichkeit als Stellvertreterkrieg zwischen der UdSSR und der Volksrepublik China betrachtet wurde. |
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Außenpolitisch griffen die Roten Khmer wiederholt, jedoch erfolglos Grenzgebiete in Thailand und Vietnam an. Vietnam löste in dieser Zeit seine politischen Verbindungen mit der Volksrepublik China und intensivierte seine Beziehungen mit der UdSSR (Freundschafts- und Beistandspakt im November 1978), während die Roten Khmer ihre Verbindungen mit der Volksrepublik China vertieften. Schließlich konzentrierten die Roten Khmer ihre Angriffe primär auf Vietnam, was seitens der Weltöffentlichkeit als [[Stellvertreterkrieg]] zwischen der UdSSR und der Volksrepublik China betrachtet wurde. Die kommunistische Partei der [[Geschichte Vietnams#Sozialistische Republik Vietnam|Sozialistischen Republik Vietnam]] hatte jeglichen Einfluss auf ihre früheren Gesinnungsgenossen verloren. |
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Durch die Isolation des Landes drangen kaum Berichte über die Zustände an die Weltöffentlichkeit und die wenigen Berichte wurden als unglaubwürdig oder wahlweise als vietnamesische oder amerikanische Propaganda deklariert. |
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Durch die Isolation des Landes drangen kaum Berichte über die Zustände an die Weltöffentlichkeit, und die wenigen Berichte wurden als unglaubwürdig oder wahlweise als vietnamesische oder amerikanische Propaganda deklariert. |
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Nach massiven Angriffen der Roten Khmer auf vietnamesische Dörfer marschierte die vietnamesische Armee nach Kambodscha ein und besetzte das Land binnen weniger Tage. Die Roten Khmer flüchteten in die schwer zugänglichen Berggebiete an der Grenze zu Thailand und begannen mit Unterstützung der Volksrepublik China, der USA und Thailand einen Guerillakrieg gegen die vietnamesischen Besatzer. |
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Nach massiven Angriffen der Roten Khmer auf vietnamesische Dörfer marschierte die vietnamesische Armee nach Kambodscha ein und besetzte das Land binnen weniger Tage. Die Roten Khmer flüchteten in die schwer zugänglichen Berggebiete an der Grenze zu Thailand und begannen mit Unterstützung der Volksrepublik China, der USA und Thailand einen Guerillakrieg gegen die vietnamesischen Besatzer. |
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In der knapp vierjährigen Diktatur der Roten Khmer starben durch Krankheiten, Hunger und politische Massenmorde schätzungsweise 2-3 Millionen Kambodschaner. |
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In der knapp vierjährigen Diktatur der Roten Khmer starben durch Krankheiten, Hunger und politische Massenmorde schätzungsweise zwei bis drei Millionen Kambodschaner. |
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=== Zeittafel === |
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*[[29. April]] [[1975]]: Die Hauptstadt Phnom Penh ist zu einer Geisterstadt geworden und Kambodscha ist von der Außenwelt abgeschnitten. Fast alle Botschaften sind evakuiert worden. In der Französischen Botschaft versammeln sich die verbliebenen Ausländer und werden aufgefordert, das Land zu verlassen. Es kommt zu Krankheiten und Lebensmittelknappheit in der französischen Botschaft. Ein Angebot Frankreichs, die Ausländer mit dem Flugzeug zu evakuieren, wird seitens der Roten Khmer abgelehnt. Frankreich schickt eine Protestnote an Prinz Sihanouk, der sich noch in Peking aufhält. |
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*[[30. April]] [[1975]]: Die erste Gruppe der verbleibenden Ausländer in der französischen Botschaft werden per Bus nach Thailand transportiert. 515 Franzosen verlassen Phnom Penh. Am gleichen Tag übernehmen die Nordvietnamesen Saigon und der Vietnamkrieg ist beendet. |
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*[[4. Mai]] [[1975]]: Die Roten Khmer beanspruchen eine zu Vietnam gehörende Insel und starten einen militärischen Angriff. |
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*[[5. Mai]] [[1975]]: Ein Sprecher des US-Außenministeriums bestätigt, dass nach Kenntnis der US-Regierung die Bevölkerung Phnom Penh und der Provinzstädte durch die Roten Khmer auf das Land vertrieben wurden und die Roten Khmer mit der Tötung militärischer und politischer Führer der vorherigen Regierung begonnen hätten. |
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*[[6. Mai]] [[1975]]: Die zweite Gruppe der in der französischen Botschaft verbliebenen Ausländer wird per Bus nach Thailand gebracht. 230 Franzosen und 220 Pakistanis verlassen das Land. Der frühere Premierminister und Cousin Prinz Sihanouks, Siri Matak, sowie weitere Kambodschaner, die in der Botschaft Asyl gesucht hatten, werden von den Roten Khmer in Gewahrsam genommen und getötet. |
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*[[12. Mai]] [[1975]]: Die Roten Khmer überfallen den amerikanischen Frachter Mayaguez im Golf von Thailand und nehmen 39 amerikanische Seeleute in Gewahrsam. Die US-Navy befreit den Frachter, versenkt drei kambodschanische Patroullienboote und fliegt mehrere Bombardements gegen Kambodscha. Obwohl es sich bei dieser Aktion um einen Akt der Selbstverteidigung durch die USA handelt, wird die US-Regierung sowohl im eigenen Land wie auch im Ausland für diese Aktion kritisiert. Der Respekt der Weltöffentlichkeit für amerikanische Außenpolitik ist auf dem Nullpunkt. |
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*[[12. Juni]] [[1975]]: Vietnam besetzt eine zu Kambodscha gehörende Insel, während Pol Pot, der Führer der Roten Khmer, zu einem Besuch in Hanoi ist. Erste kambodschanische Flüchtlinge kommen nach Thailand. |
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*[[21. Juni]] [[1975]]: Pol Pot besucht Mao Zedong in Peking. Die US-Regierung berichtet von Kämpfen zwischen Vietnam und Kambodscha an verschiedenen Stellen der gemeinsamen Grenze. |
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*[[11. Juli]] [[1975]]: US-Präsident Ford wird davon unterrichtet, dass etwa 340 ehemalige Soldaten der kambodschanischen Regierungsarmee nach Thailand geflüchtet sind und von Thailand wieder an Kambodscha ausgeliefert wurden. Etwa 100 von ihnen wurden direkt nach der Auslieferung durch die Roten Khmer getötet. Thailand verstärkt seine Grenzkontrollen, um weitere Grenzübertritte kambodschanischer Flüchtlinge zu verhindern. |
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*[[20. Juli]] [[1975]]: Die Nachrichtenagentur American Press berichtet, dass in den vergangenen zwei Monaten etwa 300 kambodschanische Flüchtlinge beim Versuch, die Grenze nach Thailand zu überschreiten, durch die Roten Khmer an der Grenze erschossen wurden. |
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*[[18. August]] [[1975]]: Die Volksrepublik China sichert Kambodscha massive Wirtschaftshilfe zu. |
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*[[9. September]] [[1975]]: Prinz Sihanouk und seine Frau kehren nach fünf Jahren Exil in Peking nach Phnom Penh zurück. |
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*[[22. September]] [[1975]]: Die Roten Khmer beschließen, Teile ihres politischen Programms zu verstärken. Dazu gehören die Abschaffung aller Klassen, die Einordnung aller Kambodschaner als Bauern, die Abschaffung der Religion, die Zurückführung aller Parteimitglieder in ihre Heimatdörfer und die Gefangennahme aller Intellektuellen und Angehörigen der früheren Regierung. |
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*[[12. Oktober]] [[1975]]: Das Büro Prinz Sihanouks in Peking bestätigt offiziell die Ermordung der in Kambodscha verbliebenen Führungsmitglieder der früheren Regierung durch die Roten Khmer nach der Machtübernahme. |
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*[[17. Oktober]] [[1975]]: Prinz Sihanouk erklärt in einem Interview gegenüber dem Far East Economic Review, dass er durch die Roten Khmer betrogen und missbraucht wurde. |
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*[[2. November]] [[1975]]: Das Zentralkomitee der Roten Khmer beschließt, wieder volle diplomatische Beziehungen mit Thailand aufzunehmen. Parallel dazu überschreiten Vietnamesen die Grenze nach Kambodscha und siedeln sich im Grenzgebiet an. |
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*[[11. November]] [[1975]]: Es kommt zu weiteren gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen vietnamesischen Siedlern, die sich auf kambodschanischem Gebiet niedergelassen haben, und den Roten Khmer. |
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*[[5. Januar]] [[1976]]: Zum dritten Mal seit der Unabhängigkeit 1953 erhält Kambodscha eine neue Verfassung. Das Land wird offiziell in „Demokratisches Kampuchea“ (DK) umbenannt und erhält ein Parlament mit 250 Sitzen (150 für die Bauern, 50 für die Arbeiter und 50 für die Armee). |
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*[[23. Januar]] [[1976]]: Im Streit um ungenaue Grenzverläufe greifen vietnamesischen Soldaten die kambodschanische Armee an. |
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*[[4. Februar]] [[1976]]: Das Zentralkomitee der Roten Khmer kündigt landesweite Parlamentswahlen für den 20. März an. |
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*[[6. Februar]] [[1976]]: Die Volksrepublik China unterzeichnet ein Militärhilfe-Abkommen mit Kambodscha. |
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*[[8. Februar]] [[1976]]: Vietnamesische Soldaten besetzen weitere Grenzgebiete in Kambodscha. Kambodscha fordert die Soldaten zum Verlassen des Landes auf, die Vietnamesen entgegnen, dass die kambodschanischen Landkarten falsche Grenzverläufe zeigen. |
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*[[22. Februar]] [[1976]]: Vietnamesische Soldaten besetzen weitere Grenzgebiete in Kambodscha. Die Situation im Zentralkomitee der Roten Khmer eskaliert. Die kambodschanischen Grenzsoldaten fordern mehr Munition und Waffen, um die Grenze zu verteidigen. |
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*[[25. Februar]] [[1976]]: Drei unidentifizierte Flugzeuge bombardieren die Provinzstadt Siem Reap. Kambodscha beschuldigt die USA für diesen Luftangriff. |
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*[[28. Februar]] [[1976]]: Schweden und Jugoslawien übergeben Kambodscha 9 Millionen Dollar Hilfsgelder für den Wiederaufbau |
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*[[11. März]] [[1976]]: Das Zentralkomitee der Roten Khmer diskutiert das Rücktrittsgesuch Prinz Sihanouks als Staatsoberhaupt. |
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*[[20. März]] [[1976]]: Mit einer Wahlbeteiligung von 98 % der berechtigten Wähler wird das neue Parlament gewählt. |
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*[[2. April]] [[1976]]: Das Zentralkomitee der Roten Khmer gibt den Rücktritt Prinz Sihanouks von Amt des Staatsoberhauptes bekannt. Khieu Samphan wird neues Staatsoberhaupt. |
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*[[10. Mai]] [[1976]]: Die Befragung kambodschanischer Flüchtlinge durch die US-Botschaft in Bangkok zeichnet ein klares Bild der Lebensbedingungen in Kambodscha. In einem Memorandum der Botschaft an US-Präsident Ford wird die organisierte Ermordung Intellektueller, wie früherer Lehrer, Studenten und ehemaliger Beamter der früheren Regierung, die Ermordung kompletter Familien (Sippenhaft), die Zerstörung aller Schulen, die Abschaffung der Religion, die Trennung der Familien und die Arbeitsbedingungen der Menschen geschildert. Das Memorandum wird dem Präsidenten von seinem Sicherheitsberater weitergeleitet. |
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*[[13. Mai]] [[1976]]: Der bisherige Generalsekretär der Roten Khmer, [[Pol Pot]], wird zum Premierminister ernannt. |
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*[[23. November]] [[1976]]: Thailand übergibt 26 kambodschanische Flüchtlinge an die Roten Khmer. |
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*[[28. Januar]] [[1977]]: Etwa 200-400 Soldaten der Roten Khmer überschreiten die thailändische Grenze und greifen vier thailändische Dörfer an. Etwa 30 Zivilisten werden durch die Roten Khmer getötet. Thailand schließt seine Grenze mit Kambodscha, sendet eine Protestnote an die kambodschanische Regierung und versetzt seine Armee in Alarmbereitschaft. |
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*[[30. Januar]] [[1977]]: Die Roten Khmer starten Angriffe auf verschiedene vietnamesische Dörfer. |
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*[[2. Mai]] [[1977]]: Die New York Times veröffentlicht einen Report über die Lebensbedingungen der Bevölkerung in Kambodscha. |
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*[[17. Mai]] [[1977]]: Die vietnamesische Provinzstadt Chau Doc wird nach heftigen Angriffen der Roten Khmer durch die vietnamesische Armee evakuiert. Es kommt zu heftigen Kämpfen zwischen den Roten Khmer und der vietnamesischen Armee auf vietnamesischem Gebiet. |
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*[[19. Juli]] [[1977]]: Bei einem Angriff der Roten Khmer auf die thailändische Armee werden 17 thailändische und 51 kambodschanische Soldaten getötet. |
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*[[23. Juli]] [[1977]]: Etwa 50 Soldaten der Roten Khmer überfallen eine thailändische Grenzstation und töten 4 thailändische Polizisten. |
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*[[26. Juli]] [[1977]]: Das US-Außenministerium erklärt, dass etwa 1,2 Millionen Kambodschaner seit der Machtübernahme der Roten Khmer getötet wurden oder an Krankheit und Hunger starben. Die USA beschuldigen Kambodscha der massiven Missachtung der Menschenrechte. |
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*[[28. Juli]] [[1977]]: Die kambodschanische Armee marschiert nach Thailand ein, trifft jedoch auf heftigen Widerstand der thailändischen Armee und zieht sich zurück. |
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*[[12. September]] [[1977]]: Der im Exil in den USA lebende ehemalige kambodschanische Staatschef Lon Nol erklärt, dass etwa 2,5 Millionen Kambodschaner durch die Roten Khmer seit der Machtübernahme getötet wurden. |
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*[[24. September]] [[1977]]: Die Roten Khmer starten erneut Angriffe auf vietnamesische Dörfer. |
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*[[28. September]] [[1977]]: [[Pol Pot]], der Generalsekretär der Roten Khmer und Premierminister von Kambodscha, trifft in Peking zu einem Staatsbesuch ein und wird von Hundertausenden bejubelt. Pol Pot erklärt, dass sich Kambodscha in einem exzellenten Zustand befinde und rasche Fortschritte mache. Des Weiteren erklärt er, dass die UdSSR, Vietnam und Kuba zusammenarbeiten würden, um Vietnam einen Angriff auf Kambodscha zu ermöglichen. |
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*[[3. Oktober]] [[1977]]: Während einer Pressekonferenz in Peking erklärt Pol Pot, dass die Vertreibung der Stadtbevölkerung auf das Land zur Zerschlagung westlicher Spionageringe durchgeführt worden sei und die Entscheidung dazu drei Monate vor der Durchführung getroffen worden wäre. |
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*[[19. Oktober]] [[1977]]: Vietnam erklärt, dass seit 1975 rund 60.000 kambodschanischen Flüchtlingen Asyl gewährt worden sei. |
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*[[21. Dezember]] [[1977]]: Die Roten Khmer greifen erneut thailändische Dörfer an. |
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*[[22. Dezember]] [[1977]]: Der thailändische Premierminister kündigt heftige Militärschläge gegen Kambodscha an, sofern die Roten Khmer nochmals Thailand angreifen sollten. |
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*[[25. Dezember]] [[1977]]: Vietnam startet eine massive Gegenoffensive gegen die fortgesetzten Angriffe der Roten Khmer. |
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*[[31. Dezember]] [[1977]]: Die Roten Khmer beenden die diplomatischen Beziehungen mit Vietnam und fordern die vietnamesischen Botschaftsangehörigen in Phnom Penh auf, das Land zu verlassen. |
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*[[3. Januar]] [[1978]]: Etwa 60.000 vietnamesische Soldaten haben Teile des kambodschanischen Grenzgebietes besetzt. Die Roten Khmer verweigern Friedensverhandlungen, solange sich noch vietnamesische Soldaten in Kambodscha befinden. |
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*[[16. Januar]] [[1978]]: Die USA bezeichnen die vietnamesisch-kambodschanischen Kämpfe als Stellvertreterkrieg zwischen der UdSSR und China. Vietnam weist dies zurück. |
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*[[23. Januar]] [[1978]]: Eine Delegation aus dänischen, schwedischen und finnischen Beobachtern besucht Kambodscha für zwei Wochen und berichtet, dass Phnom Penh eine Geisterstadt sei. |
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*[[2. Februar]] [[1978]]: Nach viertägigen Verhandlungen etablieren Thailand und Kambodscha wieder diplomatische Beziehungen. |
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*[[5. Februar]] [[1978]]: Vietnam bietet Kambodscha einen Waffenstillstand an. |
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*[[8. Februar]] [[1978]]: Kambodscha lehnt das vietnamesische Angebot für einen Waffenstillstand ab und startet neue Angriffe auf Vietnam. |
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*[[21. Februar]] [[1978]]: Vietnam beschuldigt die Volksrepublik China, Kambodscha mit Waffen zu versorgen und Verhandlungen mit Vietnam abzulehnen. |
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*[[14. März]] [[1978]]: Kambodscha besetzt vietnamesisches Gebiet. |
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*[[19. April]] [[1978]]: Der ehemalige kambodschanische Informationsminister Chang Song erklärt in einer Pressekonferenz in Washington, dass etwa 1 Million Kambodschaner durch die Roten Khmer seit der Machtübernahme ermordet worden seien und weitere 1,5 Millionen in dieser Zeit an Hunger und Krankheiten gestorben seien. |
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*[[21. April]] [[1978]]: US-Präsident [[Jimmy Carter]] erklärt auf einer Pressekonferenz, dass keine Regierung schlimmer gegen die Menschenrechte verstieße als die Roten Khmer. |
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*[[22. April]] [[1978]]: Vietnam beginnt mit der Ausbildung der ersten kambodschanische Widerstandsbrigade, bestehend aus kambodschanischen Flüchtlingen. |
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*[[24. Mai]] [[1978]]: Pol Pot beschuldigt die politischen Führer der östlichen Provinzen der Sabotage und Unfähigkeit im Widerstand gegen Vietnam und ordnet deren Ermordung an. |
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*[[6. Juni]] [[1978]]: Vietnam bietet den Roten Khmer einen Waffenstillstand an. Die Roten Khmer lehnen dies ab und führen weitere Angriffe auf vietnamesische Dörfer und Städte an der Grenze durch. |
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*[[3. Juli]] [[1978]]: Die Roten Khmer erklären, dass sie zehntausende Vietnamesen getötet oder verwundet hätten. |
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*[[17. Juli]] [[1978]]: Bei einem Besuch in Thailand streitet der stellvertretende kambodschanische Premierminister Ieng Sary jede Form von Massenermordungen in Kambodscha ab. |
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*[[1. August]] [[1978]]: Die USA erklären, dass Vietnam umfangreiche Luftangriffe gegen Kambodscha durchführe. |
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*[[8. August]] [[1978]]: Nach weiteren politischen Säuberungsaktionen in den westlichen Provinzen Kambodschas flüchten zahlreiche ehemalige Rote Khmer nach Thailand. |
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*[[21. September]] [[1978]]: Der in den USA im Exil lebende ehemalige Staatschef von Kambodscha, General Lon Nol, erklärt in einer Pressekonferenz, dass seit der Machtübernahme durch die Roten Khmer etwa 3 Millionen Kambodschaner getötet worden seien. |
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*[[2. Dezember]] [[1978]]: In Hanoi wird die Gründung der Vereinigten Bewegung zur Befreiung Kambodschas (KUFNS) bekannt gegeben. Ziel der Bewegung ist die Absetzung der Roten Khmer. |
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*[[11. Dezember]] [[1978]]: Vietnamesische Truppen stoßen weiter in den Süden Kambodschas vor. |
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*[[25. Dezember]] [[1978]]: Vietnamesische Truppen starten offiziell die Invasion Kambodschas. Etwa 100.000 vietnamesische Soldaten und 20.000 Exilkambodschaner marschieren nach Kambodscha ein. |
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*[[2. Januar]] [[1979]]: Die Roten Khmer appellieren an die UNO, die vietnamesische Invasion zu verurteilen und bitten die Staatengemeinschaft um Hilfe, um gegen die aus ihrer Sicht durch die UdSSR unterstützte Invasion vorzugehen. |
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*[[5. Januar]] [[1979]]: Die Volksrepublik China erklärt, dass sie die Roten Khmer im Kampf gegen die vietnamesische Invasion nicht unterstützen werde. |
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*[[7. Januar]] [[1979]]: Die vietnamesischen Truppen marschieren in Phnom Penh ein und beenden die Diktatur der Roten Khmer. Die Führung der Roten Khmer flüchtet in die kambodschanischen Grenzgebiete zu Thailand und beginnt von dort einen Guerillakrieg gegen die vietnamesische Besatzung. |
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== {{Anker|Vietnamesische Besatzung}}Vietnamesische Besatzung und zweiter Bürgerkrieg 1979–1989 == |
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Bedingt durch die absolute Kontrolle aller Nachrichtenverbindungen durch die Roten Khmer, wussten die meisten Kambodschaner weder etwas über den Krieg mit Vietnam noch über die Invasion der vietnamesischen Armee in Kambodscha. In manchen Dörfern verschwanden die Roten Khmer einfach über Nacht und ließen die Dorfbewohner unwissend zurück, andere Dörfer verwandelten sich ohne Vorwarnung in Schlachtfelder zwischen der vietnamesischen Armee und flüchtenden Roten Khmer, wobei die Roten Khmer zahlreiche Kambodschaner als „lebende Schutzschilde“ und „Arbeitssklaven“ in die schwer zugänglichen Bergregionen an der Grenze zu Thailand verschleppten. |
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Bedingt durch die absolute Kontrolle aller Nachrichtenverbindungen durch die Roten Khmer wussten die meisten Kambodschaner weder etwas über den Krieg mit Vietnam noch über die Invasion der vietnamesischen Armee in Kambodscha. In manchen Dörfern verschwanden die Roten Khmer einfach über Nacht und ließen die Dorfbewohner unwissend zurück, andere Dörfer verwandelten sich ohne Vorwarnung in Schlachtfelder zwischen der vietnamesischen Armee und flüchtenden Roten Khmer, wobei die Roten Khmer zahlreiche Kambodschaner als „lebende Schutzschilde“ und „Arbeitssklaven“ in die schwer zugänglichen Bergregionen an der Grenze zu Thailand verschleppten. |
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Das Missmanagement der Roten Khmer im Reisanbau, gezielte Zerstörung der verbleibenden Reisvorräte durch die Roten Khmer, Reis-Beschlagnahmungen durch die vietnamesische Armee, aber auch die einfache Flucht der Feldarbeiter aus den ehemaligen Kollektiven zu ihren Heimatdörfern führte zu einer landesweiten Hungersnot, die im Oktober und November 1979 zum Tode von etwa 200.000 Kambodschanern führte. |
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Die Misswirtschaft der Roten Khmer im Reisanbau, gezielte Zerstörung der verbleibenden Reisvorräte, Reis-Beschlagnahmen durch die vietnamesische Armee, aber auch die einfache Flucht der Feldarbeiter aus den ehemaligen Kollektiven zu ihren Heimatdörfern führten zu einer landesweiten Hungersnot, die im Oktober und November 1979 zum Tode von etwa 200.000 Kambodschanern führte. |
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Die Bilder der über die Grenze nach Thailand flüchtenden Kambodschaner, die kaum mehr als lebende Skelette waren, lösten eine weltweite Welle der Hilfsbereitschaft aus. Auf massiven Druck der USA öffnete Thailand schließlich seine Grenzen für die Flüchtlinge und gestattete den Aufbau von Flüchtlingslagern, die von der UNO, dem Roten Kreuz und anderen Hilfsorganisationen versorgt wurden. Zwischen 1979 und 1992 flüchten etwa 300.000 kambodschanische Flüchtlinge in Camps an der thailändischen Grenze. Weitere 350.000 leben außerhalb von Flüchtlingscamps in Thailand und etwa 100.000 flüchten nach Vietnam. Die Camps in Thailand werden extern durch das thailändische Militär bewacht und intern zu einem Großteil durch die Roten Khmer kontrolliert. Etwa 250.000 Kambodschaner aus diesen Camps fanden im Laufe der Jahre Aufnahme in Europa und den USA (206.052, davon alleine 84.559 in Kalifornien), die anderen wurden 1992 nach der Besetzung Kambodschas durch die UNO wieder zurückgesiedelt. |
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Die Bilder der über die Grenze nach Thailand flüchtenden Kambodschaner, die kaum mehr als lebende Skelette waren, lösten eine weltweite Welle der Hilfsbereitschaft aus. Auf massiven Druck der USA öffnete Thailand schließlich seine Grenzen für die Flüchtlinge und gestattete den Aufbau von Flüchtlingslagern, die von der UNO, dem Roten Kreuz und anderen Hilfsorganisationen versorgt wurden. Zwischen 1979 und 1992 flüchteten etwa 300.000 kambodschanische Flüchtlinge in Camps an der thailändischen Grenze. Weitere 350.000 lebten außerhalb von Flüchtlingscamps in Thailand, und etwa 100.000 flüchteten nach Vietnam. Die Camps in Thailand wurden extern durch das [[Thailändische Streitkräfte|thailändische Militär]] bewacht und intern zu einem Großteil durch die Roten Khmer kontrolliert. Etwa 250.000 Kambodschaner aus diesen Camps fanden im Laufe der Jahre Aufnahme in Europa und den USA (206.052, davon alleine 84.559 in Kalifornien), die anderen wurden 1992 nach der Besetzung Kambodschas durch die UNO wieder zurückgesiedelt. |
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Aber nicht nur die Knappheit an Lebensmittel traf Kambodscha. Phnom Penh füllte sich rasch wieder mit Menschen, nachdem die befreiten, überlebenden Kambodschaner auf der Suche nach ihren Familien wieder zurück an ihre Heimatorte zogen. Dort zeigten sich die Auswirkungen des Terrorregimes. Die meisten erwachsenen Männer waren tot. Im Durchschnitt überlebte pro drei Frauen nur ein Mann und schon bald entwickelte sich in Phnom Penh ein „Männermarkt“, auf dem Männer durch ihre Familien zeitweise vermietet oder zum Überleben gänzlich verkauft werden mussten. Im Laufe der folgenden Jahre entwickelte es sich temporär zur Normalität, dass mehrere Frauen sich einen Mann als Ehemann teilten, ohne dabei innerhalb der beiden Familien zusammenzuleben. |
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Aber nicht nur die Knappheit an Lebensmitteln traf Kambodscha. Phnom Penh füllte sich rasch wieder mit Menschen, nachdem die befreiten, überlebenden Kambodschaner auf der Suche nach ihren Familien wieder zurück an ihre Heimatorte gezogen waren. Dort zeigten sich die Auswirkungen des Terrorregimes. Die meisten erwachsenen Männer waren tot. Im Durchschnitt überlebte pro drei Frauen nur ein Mann und schon bald entwickelte sich in Phnom Penh ein „Männermarkt“, auf dem Männer durch ihre Familien zeitweise vermietet oder zum Überleben gänzlich verkauft werden mussten. Im Laufe der folgenden Jahre entwickelte es sich temporär zur Normalität, dass mehrere Frauen sich einen Mann als Ehemann teilten, ohne dabei innerhalb der beiden Familien zusammenzuleben. |
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Obwohl die Vertreibung der Roten Khmer durch die vietnamesische Armee für viele Kambodschaner eine Erlösung und die Rettung vor dem sicheren Tode war, war das Land weit entfernt von der Rückkehr in die Weltengemeinschaft, da es wieder einmal zum Spielball der Supermächte wurde. |
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Vietnam setzte nach seinem Einmarsch in Kambodscha und der Vertreibung des Regimes der Roten Khmer eine provisorische Übergangsregierung aus Exilkambodschanern ein. Diese bestanden zu einem großen Teil aus ehemaligen Roten Khmer, die während der politischen Säuberungen der Roten Khmer in Kambodscha nach Vietnam geflüchtet waren. Parallel dazu stationierte Vietnam rund 225.000 Soldaten in Kambodscha und besetzte alle wichtigen Positionen durch Vietnamesen. |
Vietnam setzte nach seinem Einmarsch in Kambodscha und der Vertreibung des Regimes der Roten Khmer eine provisorische Übergangsregierung aus Exilkambodschanern ein. Diese bestanden zu einem großen Teil aus ehemaligen Roten Khmer, die während der politischen Säuberungen der Roten Khmer in Kambodscha nach Vietnam geflüchtet waren. Chef dieser Regierung (Revolutionärer Volksrat) war [[Heng Samrin]]. Parallel dazu stationierte Vietnam rund 225.000 Soldaten in Kambodscha und besetzte alle wichtigen Positionen durch Vietnamesen. |
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Die Vertreibung der Roten Khmer und die Besetzung Kambodschas durch Vietnam |
Rund 30.000 Rote Khmer flohen in das Umland, vor allem in die unwegsamen Dschungelgebiete an der Grenze zu Thailand. In einem Blitzkrieg stießen vietnamesische Elitetruppen der 5. Division bis zur thailändischen Grenze vor. Die Vertreibung der Roten Khmer und die Besetzung Kambodschas durch Vietnam wurden seitens der USA, der Volksrepublik China und der prowestlichen [[ASEAN]]-Staaten als Versuch einer vietnamesischen Expansion mit sowjetischer Unterstützung in Asien betrachtet. Auf Druck dieser Staaten erkannte die UNO die neue kambodschanische Regierung nicht an, vergab den kambodschanischen Sitz in der UNO an die Roten Khmer und forderte den sofortigen Abzug aller vietnamesischen Truppen aus Kambodscha. Die Besetzung Kambodschas durch Vietnam wurde seitens der UNO bis 1988 offiziell als einziges Problem Kambodschas betrachtet, während die Bedrohung des kambodschanischen Volkes durch die Roten Khmer nicht in den Konflikt des Kalten Krieges passte und daher aus politischen Gründen ignoriert wurde. |
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Obwohl die Vertreibung der Roten Khmer durch die vietnamesische Armee für viele Kambodschaner eine Erlösung und die Rettung vor dem sicheren Tode war, war das Land weit entfernt von der Rückkehr in die Weltgemeinschaft, da es erneut zum Spielball der Supermächte wurde. |
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Das Wirtschaftsembargo der westlichen Welt gegenüber Vietnam wurde daher auf Druck der USA auch auf Kambodscha übertragen und die geflüchteten Roten Khmer als nicht-kommunistische Widerstandsgruppe und legitime Regierung Kambodschas deklariert. Die Haltung der USA und der UNO und die völlige Ignoranz gegenüber den Verbrechen der Roten Khmer in und außerhalb Kambodschas verbitterte die Vietnamesen und die neue kambodschanische Regierung. Dies führte wiederum zu einem tiefen Misstrauen gegenüber allen westlichen Organisation und einer Blockade gegenüber allen Hilfslieferungen durch den Westen in das Landesinnere. So wurde die westliche Hilfe weitgehend an die durch die Roten Khmer kontrollierten Flüchtlingslager an der thailändischen Grenze oder in den Stützpunkten der Roten Khmer in der grenznahen Bergregion Kambodschas verteilt. Wie schon in der Zeit zwischen 1970 und 1975 standen viele Kambodschaner vor der Wahl, zu verhungern oder sich als Arbeitssklaven in die von den Roten Khmer kontrollierten Gebiete zu begeben. |
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Ein [[Stellvertreterkrieg]] begann. Die Sowjetunion hatte im November 1978 einen Freundschafts- und Beistandspakt mit Vietnam geschlossen und war Hauptwaffenlieferant Vietnams. [[Volksrepublik China|China]] leitete nach der vietnamesischen Invasion eine [[Chinesisch-Vietnamesischer Krieg|Strafaktion]] ein, bei der [[Volksbefreiungsarmee|chinesische Truppen]] die vietnamesische Grenze überschritten. Die USA stellten sich, da die [[Sowjetunion]] damals als der Hauptfeind betrachtet wurde, auf die Seite der Roten Khmer und begannen schließlich, Pol Pot mit Waffenlieferungen in seinem Kampf gegen die kambodschanische Regierung zu unterstützen. Menschenrechtsüberlegungen gegen den Terror von Pol Pot spielten auf allen Seiten keine Rolle. |
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Das Wirtschaftsembargo der westlichen Welt gegenüber Vietnam wurde daher auf Druck der USA auch auf Kambodscha übertragen und die geflüchteten Roten Khmer als nichtkommunistische Widerstandsgruppe und legitime Regierung Kambodschas deklariert. Die Haltung der USA und der UNO und die völlige Ignoranz gegenüber den Verbrechen der Roten Khmer inner- und außerhalb Kambodschas verbitterten die Vietnamesen und die neue kambodschanische Regierung. Dies führte wiederum zu einem tiefen Misstrauen gegenüber allen westlichen Organisationen und einer Blockade gegenüber allen Hilfslieferungen durch den Westen in das Landesinnere. So wurde die westliche Hilfe weitgehend an die durch die Roten Khmer kontrollierten Flüchtlingslager an der thailändischen Grenze oder in den Stützpunkten der Roten Khmer in der grenznahen Bergregion Kambodschas verteilt. Wie schon in der Zeit zwischen 1970 und 1975 standen viele Kambodschaner vor der Wahl, zu verhungern oder sich als Arbeitssklaven in die von den Roten Khmer kontrollierten Gebiete zu begeben. |
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Trotz der Haltung der UNO kamen jedoch mehr und mehr Berichte über den Völkermord der Roten Khmer an die Weltöffentlichkeit und machten eine weitere Unterstützung der Roten Khmer durch die USA unmöglich. Als politische Lösung gründete Prinz Sihanouk auf Druck der USA, der Volksrepublik China und der ASEAN-Staaten 1982 gemeinsam mit den Roten Khmer und einer weiteren kambodschanischen Exilgruppe eine gemeinsame Befreiungsfront. Prinz Sihanouk ersetzte dabei den Führer der Roten Khmer, Pol Pot, als Exil-Präsident Kambodschas. Damit traten die Roten Khmer in der Hintergrund und die Weltöffentlichkeit konnte sich weiterhin auf die Besetzung Kambodschas durch Vietnam konzentrieren. Während Prinz Sihanouk mit der Unterstützung der USA und der Volksrepublik China das politische Gesicht der Exilregierung einnimmt, erhalten die Roten Khmer umfangreiche Waffenlieferungen aus China, die zum Teil durch die USA finanziert wurden und bilden die bewaffnete Front. |
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Trotz der Haltung der UNO kamen jedoch mehr und mehr Berichte über den Völkermord der Roten Khmer an die Weltöffentlichkeit und machten eine weitere Unterstützung der Roten Khmer durch die USA unmöglich. Als politische Lösung gründete Prinz Sihanouk auf Druck der USA, der Volksrepublik China und der ASEAN-Staaten 1982 gemeinsam mit den Roten Khmer und einer weiteren kambodschanischen Exilgruppe eine gemeinsame Befreiungsfront. Prinz Sihanouk ersetzte dabei den Führer der Roten Khmer, Pol Pot, als Exil-Präsident Kambodschas. Damit traten die Roten Khmer in den Hintergrund, und die Weltöffentlichkeit konnte sich weiterhin auf die Besetzung Kambodschas durch Vietnam konzentrieren. Während Prinz Sihanouk mit der Unterstützung der USA und der Volksrepublik China das politische Gesicht der Exilregierung einnahm, erhielten die Roten Khmer umfangreiche Waffenlieferungen aus China, die zum Teil durch die USA finanziert wurden, und bildeten die bewaffnete Front. |
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In den folgenden zehn Jahren kommt es jedes Jahr während der Regenzeit zu Angriffen der Roten Khmer auf die vietnamesische Armee, während die vietnamesische Armee in der Trockenzeit ihre jährliche Offensive startet. Da die Roten Khmer ihre Stützpunkte in den Flüchtlingslagern ansiedeln, werden diese Lager dabei immer wieder angegriffen bzw. durch Kämpfe zerstört. Jeder dieser Kämpfe treibt weitere kambodschanische Flüchtlinge in die Flüchtlingslager nach Thailand. |
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In den folgenden zehn Jahren kam es jedes Jahr während der Regenzeit zu Angriffen der Roten Khmer auf die vietnamesische Armee, während die vietnamesische Armee in der Trockenzeit ihre jährliche Offensive startete. Da die Roten Khmer ihre Stützpunkte in den Flüchtlingslagern ansiedelten, wurden diese Lager dabei immer wieder angegriffen bzw. durch Kämpfe zerstört. Jeder dieser Kämpfe trieb weitere kambodschanische Flüchtlinge in die Flüchtlingslager nach Thailand. |
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1984 rückt Kambodscha mit dem Film „The Killing Fields“ erneut in das Licht der Weltöffentlichkeit. Der Film zeigt am Beispiel des kambodschanischen Journalisten Dith Pran das Terrorregime der Roten Khmer und wird international ein Kassenschlager. Die Hauptrolle wird von dem kambodschanischen Arzt Dr. Heng Ngor gespielt, der selber als einziger seiner Familie das Terrorregime der Roten Khmer trotz mehrfacher Folter im Gefängnis überlebte und für seine Rolle mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Die Roten Khmer wurden daraufhin in der Weltöffentlichkeit mit den Nazis gleichgesetzt und der Begriff „Killing Fields“ Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs. Trotzdem ändert sich nichts am Verhalten der UNO und des Westens in Bezug auf die weitere Unterstützung und Anerkennung der Roten Khmer als Teil der Exilregierung und UNO-Vertreter Kambodschas, und der Fokus der Politik bleibt auf der Besetzung durch Vietnam behaftet. Vorschläge Australiens zur Errichtung eines internationalen Gerichtshofes zur Untersuchung der Verbrechen der Roten Khmer werden auf Druck der USA blockiert, da dies die kambodschanische Exilregierung und deren Unterstützung durch die USA und die Volksrepublik China angreifbar gemacht hätte. Seitens der USA spielte hier neben dem generellen Konflikt mit der UdSSR vor allen Dingen auch die Frage des ungeklärten Schicksals amerikanischer Soldaten in Vietnam eine Rolle und verhinderte eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Vietnam, in deren Verlauf auch eine pragmatischere Haltung zur Kambodscha-Problematik möglich gewesen wäre. |
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1984 rückte Kambodscha mit dem Film „[[The Killing Fields – Schreiendes Land|The Killing Fields]]“, benannt nach den [[Killing Fields]], auf denen die Massenmorde stattfanden, erneut in das Licht der Weltöffentlichkeit. Der Film zeigt am Beispiel des kambodschanischen Journalisten Dith Pran das Terrorregime der Roten Khmer und wurde international ein Kassenschlager. Die Hauptrolle wird von dem kambodschanischen Arzt [[Haing S. Ngor]] gespielt, der selber als einziger seiner Familie das Terrorregime der Roten Khmer trotz mehrfacher Folter im Gefängnis überlebte und für seine Rolle mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Die Roten Khmer wurden daraufhin in der Weltöffentlichkeit mit den Nazis gleichgesetzt und der Begriff „Killing Fields“ Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs. Trotzdem änderte sich nichts am Verhalten der UNO und des Westens in Bezug auf die weitere Unterstützung und Anerkennung der Roten Khmer als Teil der Exilregierung und UNO-Vertreter Kambodschas, und der Fokus der Politik blieb auf der Besetzung durch Vietnam behaftet. Vorschläge Australiens zur Errichtung eines internationalen Gerichtshofes zur Untersuchung der Verbrechen der Roten Khmer wurden auf Druck der USA blockiert, da dies die kambodschanische Exilregierung und deren Unterstützung durch die USA und die Volksrepublik China angreifbar gemacht hätte. Seitens der USA spielte hier neben dem generellen Konflikt mit der UdSSR vor allen Dingen auch die Frage des ungeklärten Schicksals amerikanischer Soldaten in Vietnam eine Rolle und verhinderte eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Vietnam, in deren Verlauf auch eine pragmatischere Haltung zur Kambodscha-Problematik möglich gewesen wäre. |
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Der erste Durchbruch zur Lösung des Kambodscha-Problems erfolgte auf Initiative der UdSSR. Michael Gorbatschows Ziel, die Beziehungen mit der Volksrepublik China und den USA zu normalisieren, führten zu Gesprächen zwischen der UdSSR, Vietnam und der Volksrepublik China in Bezug auf Kambodscha und zur vietnamesischen Zusage, bis 1990 alle Truppen aus Kambodscha abzuziehen. |
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Der erste Durchbruch zur Lösung des Kambodscha-Problems erfolgte auf Initiative der UdSSR. Michael Gorbatschows Ziel, die Beziehungen mit der Volksrepublik China und den USA zu normalisieren, führten zu Gesprächen zwischen der UdSSR, Vietnam und der Volksrepublik China in Bezug auf Kambodscha und zur vietnamesischen Zusage, bis 1990 alle Truppen aus Kambodscha abzuziehen. |
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Durch das persönliche Engagement und die intensive Zusammenarbeit des russischen Diplomaten Igor Rogachew und des französischen Diplomaten Claude Martin, die beide Teile ihres Lebens im Vorkriegs-Kambodscha verbracht hatten, wurden erstmals direkte Gespräche zwischen Prinz Sihanouk als Präsidenten der kambodschanischen Exilregierung und Hun Sen als kambodschanischer Premierminister im Dezember 1987 initiiert. Weitere Gespräche zwischen den beiden Politikern folgten unter weiterer Vermittlung der beiden Diplomaten. |
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Durch das persönliche Engagement und die intensive Zusammenarbeit des russischen Diplomaten Igor Rogachew und des französischen Diplomaten [[Claude Martin (Diplomat)|Claude Martin]], die beide Teile ihres Lebens im Vorkriegs-Kambodscha verbracht hatten, wurden erstmals direkte Gespräche zwischen Prinz Sihanouk als Präsidenten der kambodschanischen Exilregierung und Hun Sen als kambodschanischem Premierminister im Dezember 1987 initiiert. Weitere Gespräche zwischen den beiden Politikern folgten unter weiterer Vermittlung der beiden Diplomaten. |
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Im Juni 1988 trat Prinz Sihanouk vom Amt des Präsidenten der Exilregierung zurück und beendete damit die Koalition mit den Roten Khmer. Vietnam zog parallel dazu die Hälfte seiner Truppen aus Kambodscha ab. Mit der zunehmenden Lösung der vietnamesischen Besatzung erhielt die Bedrohung durch eine mögliche weitere Machtübernahme der Roten Khmer einen neuen Stellenwert. Erstmals änderte die UNO ihre Haltung und verlangte neben dem Abzug der vietnamesischen Truppen auch einen Plan zur Verhinderung einer neuen Machtübernahme durch die Roten Khmer. Der kambodschanische Sitz in der UNO wurde Prinz Sihanouk zugesprochen, und auch die Volksrepublik China verkündete nach Gesprächen mit dem sowjetischen Außenminister [[Eduard Schewardnadse]], dass sie jegliche Hilfe für die Roten Khmer nach Abzug der vietnamesischen Truppen einstellt. |
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Im Juni 1988 trat Prinz Sihanouk vom Amt des Präsidenten der Exilregierung zurück und beendete damit die Koalition mit den Roten Khmer. Vietnam zog parallel dazu die Hälfte seiner Truppen aus Kambodscha ab. Mit der zunehmenden Lösung der vietnamesischen Besatzung erhielt die Bedrohung durch eine mögliche weitere Machtübernahme der Roten Khmer einen neuen Stellenwert. Erstmals änderte die UNO ihre Haltung und verlangte neben dem Abzug der vietnamesischen Truppen auch einen Plan zur Verhinderung einer neuen Machtübernahme durch die Roten Khmer. Der kambodschanische Sitz in der UNO wurde Prinz Sihanouk zugesprochen, und auch die Volksrepublik China verkündete nach Gesprächen mit dem sowjetischen Außenminister [[Eduard Schewardnadse]], dass sie jegliche Hilfe für die Roten Khmer nach Abzug der vietnamesischen Truppen einstelle. |
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Angezogen durch die wirtschaftlichen Potentiale änderte auch Thailand seine Haltung unter einem neuen Premierminister und baute einerseits intensive diplomatische Verbindungen mit der kambodschanische Regierung auf und begann andererseits, auf die USA hinsichtlich einer politischen Lösung des Kambodscha-Problems einzuwirken. |
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Angezogen durch die wirtschaftlichen Potentiale, änderte auch Thailand seine Haltung unter einem neuen Premierminister und baute einerseits intensive diplomatische Verbindungen mit der kambodschanischen Regierung auf und begann andererseits, auf die USA hinsichtlich einer politischen Lösung des Kambodscha-Problems einzuwirken. |
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Die Bemühungen Frankreichs und der UdSSR trugen Früchte, und im Juli 1989 einigten sich die Außenminister der USA, der UdSSR und der Volksrepublik China darauf, dass die Roten Khmer keine Machtposition in einer neuen kambodschanischen Regierung erhalten dürften. Im September 1989 zog Vietnam schließlich alle Truppen aus Kambodscha ab. Nach Aussagen Vietnams waren während der Besetzung Kambodschas 55.300 vietnamesische Soldaten bei den Kämpfen mit den Roten Khmer gefallen. |
Die Bemühungen Frankreichs und der UdSSR trugen Früchte, und im Juli 1989 einigten sich die Außenminister der USA, der UdSSR und der Volksrepublik China darauf, dass die Roten Khmer keine Machtposition in einer neuen kambodschanischen Regierung erhalten dürften. Im September 1989 zog Vietnam schließlich alle Truppen aus Kambodscha ab. Nach Aussagen Vietnams waren während der Besetzung Kambodschas 55.300 vietnamesische Soldaten bei den Kämpfen mit den Roten Khmer gefallen. |
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Der Abzug der vietnamesischen Truppen, der zunehmende Druck durch die thailändische Armee und die Aussicht auf eine schlecht ausgerüstete kambodschanische Armee |
Der Abzug der vietnamesischen Truppen, der zunehmende Druck durch die thailändische Armee und die Aussicht auf eine schlecht ausgerüstete kambodschanische Armee führten zu einem Rückzug der Roten Khmer auf kambodschanisches Gebiet. Innerhalb kurzer Zeit nahmen die Roten Khmer die Provinzhauptstädte Pailin und Battambang ein. Während Pailin eines der bedeutendsten Edelsteinabbaugebiete Asiens darstellt, ist Battambang die Reiskammer Kambodschas. Immer wieder griffen die Roten Khmer andere Landesteile Kambodschas an und verschleppten Kambodschaner als Arbeitssklaven in die von ihnen kontrollierten Gebiete. Mit Hilfe korrupter thailändischer Militärs entwickelte sich rasch ein lukrativer Handel mit Reis und Edelsteinen aus den von den Roten Khmer besetzten Gebieten gegen Waffen aus Thailand. |
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Ende 1989 legte Australien einen Plan zu einer Besetzung Kambodschas durch die UNO und einer Entwaffnung aller politischen Parteien mit anschließenden Wahlen vor. Dieser Plan wurde von dem russischen Diplomaten Igor Rogachew und dem französischen Diplomaten Claude Martin wiederum in intensiver gemeinsamer Arbeit als Grundstein für die spätere UNTAC-Mission gelegt. |
Ende 1989 legte Australien einen Plan zu einer Besetzung Kambodschas durch die UNO und einer Entwaffnung aller politischen Parteien mit anschließenden Wahlen vor. Dieser Plan wurde von dem russischen Diplomaten Igor Rogachew und dem französischen Diplomaten Claude Martin wiederum in intensiver gemeinsamer Arbeit als Grundstein für die spätere UNTAC-Mission gelegt. |
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== {{Anker|UN-Verwaltung}}UN-Verwaltung und dritter Bürgerkrieg (1990–1998) == |
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===Zeittafel=== |
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*[[10. Januar]] [[1979]]: Unter der vietnamesischen Besatzung wird der Staatsname von „Demokratisches Kambodscha“ (DK) in „Volksrepublik Kambodscha“ (People Republic of Kampuchea – PRK) unbenannt und [[Heng Samrin]] zum neuen Staatschef einer provisorischen Übergangsregierung (Kampuchean People's Revolutionary Council – KPRC) ernannt. |
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*[[11. Januar]] [[1979]]: Der [[UN-Sicherheitsrat]] stimmt zu, dass Prinz Sihanouk eine Forderung zum Abzug aller vietnamesischen Truppen aus Kambodscha einbringen darf. Die UdSSR und die CSSR stimmen als einzige Mitglieder dagegen. |
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*[[14. Januar]] [[1979]]: Thailand und die Volksrepublik China vereinbaren in einem Treffen unter Ausschluß der Öffentlichkeit, die Roten Khmer im Kampf gegen die vietnamesischen Besatzer zu unterstützen. |
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*[[15. Januar]] [[1979]]: Beim ersten ernsthaften Kampf zwischen Truppen der Roten Khmer und der vietnamesischen Armee nach der Invasion durch Vietnam erobern die Roten Khmer den Hafen von Kompong Som. Der [[UN-Sicherheitsrat]] fordert den Abzug aller vietnamesischen Truppen aus Kambodscha. |
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*[[17. Februar]] [[1979]]: Als Strafe für die Invasion in Kambodscha greift die Volksrepublik China Vietnam mit 170.000 Soldaten, 700 Kampfflugzeugen und 300 Panzern an, wird jedoch durch die vietnamesische Armee zurückgeschlagen. |
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*[[24. April]] [[1979]]: Rund 80.000 Kambodschaner flüchten über die Grenze nach Thailand. |
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*[[28. April]] [[1979]]: Die Washington Post warnt vor einer humanitären Katastrophe in Kambodscha als Folge der Kämpfe und der Lebensmittelknappheit. |
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*[[29. April]] [[1979]]: Thailand erklärt, dass die meisten der 80.000 kambodschanischen Flüchtlinge wieder über die Grenze nach Kambodscha abgeschoben wurden. |
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*[[13. Mai]] [[1979]]: [[UN-Generalsekretär]] [[Kurt Waldheim]] besucht ein kambodschanisches Flüchtlingscamp in Thailand. |
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*[[11. Juni]] [[1979]]: Thailand berichtet, dass weitere 30.000 Flüchtlinge über die Grenze abgeschoben wurden. Die Abschiebung erfolgt über das minenverseuchte Gebirge von Preah Vihear. Etwa 10.000 Flüchtlinge werden bei der Abschiebung durch Minen getötet. |
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*[[19. August]] [[1979]]: Ein Tribunal der provisorischen Regierung Kambodschas verurteilt [[Pol Pot]] und [[Ieng Sary]] für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Massenmord in Abwesenheit zum Tode. |
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*[[21. September]] [[1979]]: Die UN-Vollversammlung bestätigt die Roten Khmer als offizielle Vertreter Kambodschas. Die provisorische Übergangsregierung erhält keine Vertretung in der UNO. |
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*[[27. Oktober]] [[1979]]: Die USA bieten an, Lebensmittel per Lastwagen von Thailand nach Kambodscha zu bringen. Die provisorische Übergangsregierung Kambodschas lehnt das Angebot mit der Begründung ab, dass dies ein Versuch der USA wäre, die Roten Khmer mit Waffen zu versorgen. |
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*[[16. November]] [[1979]]: Der US-Senat fordert alle Länder auf, Kambodscha mit humanitärer Hilfe zu unterstützen, um eine Hungerkatastrophe zu vermeiden. |
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*[[5. Dezember]] [[1979]]: Ein Vertreter einer Hilfsorganisation an der thailändischen Grenze erklärt, dass etwa 80-90 % der Lebensmittelhilfe in Lagerhäusern in Phnom Penh und Kompong Som eingelagert werden und die Hungernden in Kambodscha nicht erreicht. Die USA fordern eine internationale Konferenz über Kambodscha. |
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*[[13. Dezember]] [[1979]]: Das UN-Hilfswerk erklärt, dass die eingelagerten Lebensmittel mangels Transportmöglichkeiten nicht weitergeleitet werden können. |
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*[[18. Dezember]] [[1979]]: Das US-Repräsentantenhaus fordert Thailand auf, kambodschanische Flüchtlinge aufzunehmen und fordert die US-Regierung auf, das Überleben der Menschen in Kambodscha sicherzustellen. |
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*[[4. Januar]] [[1980]]: Nach viertägigen Kämpfen übernehmen die Roten Khmer ein kambodschanisches Flüchtlingslager mit 200.000 Menschen nahe der thailändischen Grenze. |
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*[[20. Januar]] [[1980]]: Nachdem thailändische Zivilisten und Rote Khmer wiederholt Lebensmitteltransporte angegriffen und geplündert hatten, werden die Lebensmitteltransporte der UN zu den Flüchtlingslagern an der thailändischen Grenze vorübergehend gestoppt. |
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*[[6. Februar]] [[1980]]: Etwa 150 prominente Musiker und Stars aus Europa und Nordamerika versammeln sich an der thailändischen Grenze zum „Marsch für das Überleben Kambodschas“, um weltweite Aufmerksamkeit für die Situation Kambodschas zu erhalten. Die provisorische Übergangsregierung Kambodschas lehnt dies als Einmischung in die internen Angelegenheiten Kambodschas ab. |
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*[[10. Februar]] [[1980]]: Unicef erklärt, dass die Hilfslieferungen endlich an die Landbevölkerung verteilt wurden und damit eine Hungerkatastrophe zumindest für die nächsten Monate verhindert werden könnte. |
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*[[22. Februar]] [[1980]]: Prinz Sihanouk erklärt in einer Pressekonferenz, dass er Hilfe von den USA für einen bewaffneten Aufstand in Kambodscha erbittet, da weder die Roten Khmer noch die provisorische Übergangsregierung rechtmäßige Repräsentanten von Kambodscha wären. |
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*[[18. März]] [[1980]]: Die Volksrepublik Kambodscha und die DDR unterzeichnen einen Freundschaftsvertrag. |
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*[[23. Juni]] [[1980]]: Die vietnamesische Armee überschreitet die Grenze nach Thailand. Bei Kämpfen zwischen der thailändischen und der vietnamesischen Armee werden 30 thailändische Soldaten getötet und mehrere Hundert verwundet. |
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*[[25. Juni]] [[1980]]: Die Volksrepublik China und die USA warnen Vietnam vor weiteren Aggressionen gegen Thailand. |
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*[[5. Juli]] [[1980]]: Die USA verlegen Truppen nach Thailand zur Sicherung der thailändischen Grenze gegen die vietnamesischen Angriffe. Die UdSSR warnt die USA vor einer Destabilisierung der Region. |
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*[[13. Oktober]] [[1980]]: Die UN-Vollversammlung bestätigt zum zweiten Mal seit der vietnamesischen Invasion die Roten Khmer als legitime Vertreter Kambodschas in der UNO. |
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*[[21. März]] [[1981]]: Prinz Sihanouk gründet die FUNCINPEC (Nationale vereinigte Front für ein unabhängiges, neutrales, friedvolles und kooperatives Kambodscha) und deren bewaffneten Arm ANS (Nationale Armee Sihanouks) |
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*[[27. Juni]] [[1981]]: Nach landesweiten Wahlen wird ein neues Parlament mit 117 Sitzen als Ersatz für die provisorische Übergangsregierung gewählt. Premierminister wird Pen Sovan, der ehemalige Verteidigungsminister der provisorischen Übergangsregierung. |
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*[[4. September]] [[1981]]: Prinz Sihanouk schließt mit den Roten Khmer eine Vereinbarung über den gemeinsamen Kampf zur Befreiung Kambodschas von der vietnamesischen Besatzung. |
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*[[5. Dezember]] [[1981]]: Premierminister Pen Sovan wird durch den bisherigen Verteidigungsminister Chan Sy ersetzt. |
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*[[11. Januar]] [[1982]]: Der DDR-Verteidigungsminister Heinz Hoffmann besucht Phnom Penh. Die DDR und Kambodscha unterzeichnen ein Abkommen über Militärhilfe, in dessen Rahmen die DDR das Flugabwehrsystem Kambodschas aufbauen soll und kambodschanische Offiziere ausbilden wird. |
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*[[30. Januar]] [[1982]]: Kambodscha und die UdSSR schließen einen Vertrag über Wirtschaftshilfe, in dessen Rahmen die UdSSR Kambodscha beim Aufbau von Bewässerungssystemen und der Baumwoll- und Kautschukproduktion helfen soll. |
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*[[9. Februar]] [[1982]]: Premierminister Pen Sovan wird durch Chan Sy ersetzt. |
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*[[11. Februar]] [[1982]]: Prinz Sihanouk erklärt, dass er durch die [[Volksrepublik China]] Waffen und Ausrüstung für eine Armee von 3000 Soldaten erhalten hat. |
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*[[12. Februar]] [[1982]]: Die UdSSR liefert 63 Traktoren und 37 Lastwagen nach Kambodscha und kündigt weitere Hilfe an. |
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*[[16. Februar]] [[1982]]: Bei einem Treffen der Außenminister von Vietnam, Laos und Kambodscha wird verkündet, dass Vietnam sich aus Kambodscha zurückzieht, sobald China seine Unterstützung für die Roten Khmer einstellt. Darüber hinaus bitten die Außenminister Thailand zu Gesprächen über Kambodscha, aber Thailand verweist die Außenminister an die UNO. |
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*[[27. Februar]] [[1982]]: Die UN-Menschenrechtskommission beschuldigt Vietnam, durch die Besetzung von Kambodscha gegen die Menschenrechte verstoßen zu haben. |
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*[[30. April]] [[1982]]: Die UdSSR beginnt mit der Lieferung von Radio- und Fernsehstationen an Kambodscha als Teil der Wirtschaftshilfe. |
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*[[16. Mai]] [[1982]]: Kambodscha unterstützt einen Vorschlag Vietnams, das der kambodschanische Sitz in der UN-Vollversammlung weder durch Vertreter der Roten Khmer noch durch Vertreter Kambodschas besetzt werden soll. |
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*[[29. Mai]] [[1982]]: Der erste Kongress der buddhistischen Mönche Kambodschas findet in Phnom Penh unter der Patenschaft des Staatspräsidenten Heng Samrin statt. |
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*[[22. Juni]] [[1982]]: Prinz Sihanouk sowie Vertreter der Roten Khmer und einer weiteren Unabhängigkeitsbewegung gründen bei einem Treffen in [[Malaysia]] eine Exilregierung mit dem Ziel, Kambodscha durch aktiven bewaffneten Kampf und Intervention bei der UNO von der vietnamesischen Besatzung zu befreien. |
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*[[7. Juli]] [[1982]]: Vietnam kündigt an, größere Truppenmengen aus Kambodscha bis Ende Juli abzuziehen. Prinz Sihanouk trifft zum ersten Mal seit 1978 wieder in Kambodscha ein und besucht Truppen der Roten Khmer an der Grenze zu Thailand. |
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*[[17. Juli]] [[1982]]: Die Volkrepublik China erklärt, dass sie die durch Prinz Sihanouk gegründete Exilregierung in ihrem Versuch, Kambodscha von den vietnamesischen Besatzern zu befreien, voll unterstützen wird. |
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*[[8. Oktober]] [[1982]]: Die kambodschanische Exilregierung gibt zu, dass das kambodschanische Volk eine vietnamesische Besatzung gegenüber einer weiteren Regierung unter den Roten Khmer bevorzugen würde. |
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*[[18. Oktober]] [[1982]]: Prinz Sihanouks Schwester, Prinzessin Sisowath Sawethwong Movivong, die ein Mitglied der provisorischen kambodschanischen Übergangsregierung war, verteidigt die vietnamesische Besatzung Kambodschas als einzige Möglichkeit, um eine gewaltsame Machtübernahme der Roten Khmer zu verhindern. Sie erklärt ferner, dass ihr Bruder, Prinz Sihanouk, jederzeit wieder Staatsoberhaupt von Kambodscha werden könnte, wenn er als Kambodschaner für die Kambodschaner zurückkehrt. |
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*[[28. Oktober]] [[1982]]: Die UN-Vollversammlung bestätigt die Koalition zwischen Prinz Sihanouk und den Roten Khmer als rechtmäßige Vertreter Kambodschas und fordert den Abzug aller vietnamesischen Truppen aus Kambodscha. Der kambodschanische Außenminister Hun Sen erklärt, dass diese Entscheidung eine Beleidigung der drei Millionen Kambodschaner wäre, die unter dem Terrorregime der Roten Khmer starben. |
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*[[10. Januar]] [[1983]]: Vietnamesische Truppen starten eine Offensive gegen die Roten Khmer und die Truppen Prinz Sihanouks, die sich in die Berge nach der thailändischen Grenze zurückgezogen haben. |
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*[[31. Januar]] [[1983]]: Vietnamesische Truppen besetzen ein kambodschanisches Flüchtlingslager an der thailändischen Grenze. Etwa 30000 Flüchtlinge fliehen nach Thailand. Thailand erklärt, dass es die Flüchtlinge sobald wie möglich wieder nach Kambodscha abschieben wird. |
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*[[25. Februar]] [[1983]]: Nach einer zweitägigen Konferenz in Phnom Penh sprechen sich 37 blockfreie Länder für einen „leeren“ Sitz Kambodschas in der UN-Vollversammlung aus. Prinz Sihanouk protestiert gegen diese Forderung. |
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*[[26. Februar]] [[1983]]: Die Reisproduktion in Kambodscha wird auf 250.000 Tonnen gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Vor dem Vietnamkrieg betrug die Reisernte 2,4 Millionen Tonnen pro Jahr. |
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*[[30. März]] [[1983]]: Die vietnamesische Armee startet eine weitere Offensive in der kambodschanisch-thailändischen Grenzregion, mit dem Ziel, alle Stützpunkte der Roten Khmer oder der Armee Prinz Sihanouks zu zerstören. |
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*[[31. März]] [[1983]]: Weitere 25.000 kambodschanische Flüchtlinge fliehen vor den Kämpfen nach Thailand. |
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*[[2. Mai]] [[1983]]: Vietnam kündigt einen weiteren Abzug von rund 10.000 Soldaten aus Kambodscha an. 1.500 Soldaten werden sofort abgezogen. |
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*[[16. August]] [[1983]]: Laut einem von Kambodscha veröffentlichten Report starben unter dem Regime der Roten Khmer mehr als 2,7 Millionen Menschen. Darunter befanden sich 1.927.071 Landarbeiter, 25.168 Mönche, 488.359 Mitglieder ethnischer Minderheiten und 305.417 Arbeiter und Angestellte. |
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*[[18. August]] [[1983]]: Die kambodschanische Exilregierung unter Prinz Sihanouk erklärt, dass etwa 700.000 vietnamesische Siedler nach Kambodscha eingewandert wären und das Land vor einer Vietnamesierung stehe. |
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*[[31. August]] [[1983]]: Die kambodschanische Exilregierung unter Prinz Sihanouk erklärt, dass ihre Armee einen vietnamesischen Lastwagenkonvoi überfallen und dabei acht sowjetische Berater getötet hätte. |
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*[[14. September]] [[1983]]: Kambodscha und die DDR unterzeichnen einen Handelsvertrag zum Austausch von Kautschuk und Tabak gegen Lastwagen und Insektizide. |
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*[[20. Oktober]] [[1983]]: Die UN-Vollversammlung bestätigt die Exilkoalition aus Prinz Sihanouk und den Roten Khmer wieder als offizielle Vertreter Kambodschas und fordert Vietnam erneut auf, seine Truppen aus Kambodscha abzuziehen. |
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*[[15. November]] [[1983]]: Der US-Senat beschließt, die Exilkoalition aus Prinz Sihanouk und den Roten Khmer mit humanitärer und militärischer Hilfe zu unterstützen. |
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*[[25. Dezember]] [[1983]]: Die Volksrepublik China sagt der Exilkoalition weitere militärische Hilfe zu. |
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*[[7. Januar]] [[1984]]: Angesprochen auf die „Vietnamesierung“ Kambodschas erklärt der kambodschanische Außenminister Hun Sen, dass in Kambodscha rund 61.000 Chinesen und rund 56.000 Vietnamesen leben. |
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*[[26. Februar]] [[1984]]: Kambodscha und die DDR unterzeichnen einen Vertrag zur Entwicklung des Gesundheitswesens, in dessen Rahmen die DDR medizinisches Personal aus Kambodscha ausbilden wird. |
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*[[4. März]] [[1984]]: Italien bewilligt 500.000 Dollar für humanitäre Hilfe an die Exilkoalition unter Prinz Sihanouk und Roten Khmer. |
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*[[13. März]] [[1984]]: Kambodscha erklärt, dass Prinz Sihanouk jederzeit nach Kambodscha zurückkehren und sich für ein politisches Amt aufstellen lassen könnte, wenn er sich von den Roten Khmer trennt. |
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*[[25. Dezember]] [[1984]]: Die vietnamesischen Truppen starten eine weitere Offensive gegen die Truppen der Exilregierung. Tausende Kambodschaner flüchten erneut nach Thailand. |
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*[[14. Januar]] [[1985]]: Hun Sen wird vom kambodschanischen Parlament zum neuen Premierminister gewählt. |
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*[[23. Januar]] [[1985]]: Die Volksrepublik China warnt Vietnam vor einer zweiten militärischen Intervention durch China, wenn vietnamesische Truppen auf der Jagd nach Roten Khmer weiterhin die Grenze von Thailand überschreiten. |
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*[[6. Februar]] [[1985]]: Malaysia, Indonesien, Singapur, Thailand und die Philippinen fordern die UdSSR auf, die vietnamesischen Truppen in Kambodscha nicht mehr zu unterstützen. |
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*[[11. Februar]] [[1985]]: Die Außenminister der ASEAN-Länder fordern erstmals die Weltöffentlichkeit auf, den Truppen der kambodschanischen Exilregierung militärische Hilfe zukommen zu lassen. |
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*[[12. Februar]] [[1985]]: Vietnamesische Truppen erobern mehrere große Stützpunkte der kambodschanischen Exilregierung im Grenzgebiet zu Thailand. Wieder fliehen tausende Kambodschaner nach Thailand. |
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*[[5. März]] [[1985]]: Vietnamesische Truppen nehmen den letzten verbleibenden Stützpunkt der kambodschanischen Exilregierung ein. |
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*[[6. März]] [[1985]]: Die Volksrepublik China lehnt eine von Prinz Sihanouk vorgeschlagene internationale Konferenz über Kambodscha ab, solange Vietnam seine Truppen nicht aus Kambodscha abzieht. |
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*[[8. März]] [[1985]]: Vietnam signalisiert seine Bereitschaft für eine internationale Konferenz über Kambodscha, sofern die Roten Khmer nicht an dieser Konferenz teilnehmen. |
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*[[12. März]] [[1985]]: Der kambodschanische Premierminister Hun Sen definiert sechs Bedingungen für eine Lösung der Kambodscha-Frage: |
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#Auflösung und Verbot der Roten Khmer |
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#Rückzug aller vietnamesischen Truppen nach der Auflösung der Roten Khmer |
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#Durchführung freier Wahlen unter internationaler Aufsicht |
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#Sicherstellung einer friedvollen Koexistenz aller südostasiatischen Staaten, unabhängig von den gewählten politischen Systemen |
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#Beendigung der Einmischung aller Staaten außerhalb Südostasiens in die Politik Südostasiens |
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#Entwicklung internationaler Garantien und internationale Überwachung für die Durchführung der oben genannten Bedingungen |
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*[[20. März]] [[1985]]: Das US-Außenministerium stellt der kambodschanischen Exilregierung 5 Millionen Dollar für militärische Ausrüstung zur Verfügung. |
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*[[28. März]] [[1985]]: Vietnam zieht weitere 15.000 Soldaten aus Kambodscha ab. |
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*[[8. Juli]] [[1985]]: Die ASEAN-Staaten definieren vier Bedingungen zur Lösung der Kambodscha-Frage: |
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#Rückzug aller vietnamesischen Truppen aus Kambodscha |
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#Einrichtung einer UN-Überwachungskommission |
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#Nationale Versöhnung unter Selbstbestimmung |
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#Freie Wahlen unter UNO-Überwachung |
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*[[8. Juli]] [[1985]]: Das US-Repräsentantenhaus bewilligt 20 Millionen Dollar für militärische Ausrüstung der kambodschanischen Exilregierung. |
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*[[12. Juli]] [[1985]]: Japan schlägt einen dreiteiligen Friedensplan für Kambodscha vor: |
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#Rückzug der vietnamesischen Truppen aus Kambodscha und Einsatz einer japanischen Friedenstruppe |
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#Durchführung freier Wahlen unter UNO-Aufsicht und mit Vorbereitung durch die UNO |
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#Unterstützung des Wiederaufbaus in Kambodscha durch Japan |
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*[[20. August]] [[1985]]: Prinz Sihanouk erklärt, er würde über Kambodscha nur mit Vietnam direkt verhandeln, jedoch nicht mit der derzeitigen Regierung von Kambodscha |
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*[[10. Oktober]] [[1985]]: Der ehemalige Zentralmarkt von Phnom Penh wird nach 10 Jahren offiziell wiedereröffnet. |
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*[[18. Oktober]] [[1985]]: Der ehemalige kambodschanische Präsident Lon Nol stirbt im Alter von 72 Jahren in Kalifornien. |
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*[[2. Januar]] [[1986]]: Pol Pot, der Führer der Roten Khmer, erklärt, dass er im Falle eines Abzuges der vietnamesischen Truppen von allen politischen und militärischen Ämtern zurücktreten würde. |
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*[[13. Januar]] [[1986]]: Die USA bewilligen 3,5 Millionen Dollar an humanitärer Hilfe für die kambodschanische Exilregierung. |
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*[[17. März]] [[1986]]: Die kambodschanische Exilregierung schlägt einen Friedensplan vor, der die sofortige Regierungsübernahme durch die Exilregierung beinhaltet. Vietnam weist diesen Plan als „feindlich“ zurück. |
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*[[29. April]] [[1986]]: Die ASEAN-Staaten sprechen ihre Unterstützung für den Friedensplan der Exilregierung aus. |
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*[[11. Juli]] [[1986]]: Das europäische Parlament spricht seine Unterstützung für den Friedensplan der Exilregierung aus. |
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*[[2. August]] [[1986]]: Singapur schlägt eine Entwaffnung aller Parteien und den Einsatz von UN-Friedenstruppen als Zusatz zu dem Friedensplan der Exilregierung vor. |
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*[[17. September]] [[1986]]: Der kambodschanische Premierminister Hun Sen lehnt den Friedensplan der Exilregierung ab, fordert von der UNO einen Internationalen Gerichtshof zur Verurteilung von Pol Pot und die Besetzung des kambodschanischen UNO-Sitzes durch die kambodschanische Regierung. |
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*[[26. September]] [[1986]]: Thailand erklärt, dass die Zahl der gewalttätigen Auseinandersetzungen an der thailändisch-kambodschanischen Grenze stark zunimmt und dass die vietnamesischen Truppen etwa eine halbe Million Landminen an der Grenze verlegt hätten. |
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*[[3. Dezember]] [[1986]]: Mangels weiterer Hilfsgelder der internationalen Gemeinschaft schließt die UNO ihr Büro für humanitäre Hilfe in Kambodscha. |
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*[[3. Juni]] [[1987]]: Amnesty International veröffentlicht einen Report, in dem detailliert die brutale und systematische Folter in kambodschanischen Gefängnissen, aber auch die massiven Menschenrechtsverletzungen in Flüchtlingslagern der Roten Khmer beschrieben wird. |
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*[[4. Dezember]] [[1987]]: Unter Vermittlung Frankreichs treffen sich Prinz Sihanouk und der kambodschanische Premierminister Hun Sen erstmals zu dreitägigen Verhandlungen. In einer gemeinsamen Erklärung einigen sie sich darauf, dass die Kambodscha-Frage nur durch eine politische Lösung beantwortet werden kann und direkte Verhandlungen der kambodschanischen Parteien erfordert. |
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*[[20. Januar]] [[1988]]: Prinz Sihanouk und der kambodschanische Premierminister Hun Sen treffen sich ein zweites Mal zu Verhandlungen in Frankreich. Vietnam erklärt, dass diese Verhandlungen einen Durchbruch in der Lösung der Kambodscha-Frage bringen können. |
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*[[8. August]] [[1988]]: Das US-Repräsentantenhaus ruft alle Parteien auf, eine Lösung für ein unabhängiges Kambodscha zu finden und dafür zu sorgen, dass die Roten Khmer nicht mehr an die Macht zurückkehren. |
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*[[11. Oktober]] [[1988]]: Prinz Sihanouk trifft sich mit US-Präsident [[Ronald Reagan]] zur Klärung der Kambodscha-Frage. |
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*[[26. Februar]] [[1989]]: Prinz Sihanouk trifft sich mit US-Präsident George Bush zur Klärung der Kambodscha-Frage. |
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*[[5. April]] [[1989]]: Vietnam erklärt sich bereit, alle Truppen bis zum 30. September aus Kambodscha abzuziehen. |
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*[[30. April]] [[1989]]: Das kambodschanische Parlament beschließt die Umbenennung des Landes in „Der Staat Kambodscha“ (SOC) und beschließt die Abschaffung der Todesstrafe. |
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*[[3. Mai]] [[1989]]: Der kambodschanische Premierminister Hun Sen trifft sich mit Prinz Sihanouk. |
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*[[6. Mai]] [[1989]]: Die Bevölkerung in Phnom Penh feiert die Aufhebung der Ausgangssperre nach 22:00 Uhr, die seit 1979 in Kraft war. |
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*[[18. Mai]] [[1989]]: Beim chinesisch-sowjetischen Gipfeltreffen in Peking erklären die Volksrepublik China und die UdSSR, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Kambodscha-Frage auf politischem Wege schnellstmöglich zu lösen. |
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*[[25. Juli]] [[1989]]: Der kambodschanische Premierminister Hun Sen trifft sich mit Prinz Sihanouk in Paris zur Fortsetzung ihrer Friedensgespräche. |
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*[[30. September]] [[1989]]: Vietnam zieht alle Truppen aus Kambodscha ab und gibt die Anzahl seiner Verluste mit 55.300 Soldaten an. |
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* 1991: Wiederaufflammen der Kämpfe zwischen Regierung und Roten Khmer. |
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== UN-Besatzung und der dritte Bürgerkrieg 1990–1998 == |
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* 1992–1993: Kambodscha wird vorübergehend der Aufsicht der UNO unterstellt (siehe auch [[UNTAC]]). |
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*[[1991]]: Wiederaufflammen der Kämpfe zwischen Regierung und Roten Khmer. |
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* 1993: In Kambodscha finden unter UN-Aufsicht erste freie Wahlen seit mehr als 20 Jahren statt (Wahlbeteiligung: 90 Prozent), die von den Roten Khmer boykottiert werden. |
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*[[1992]]-[[1993]]: Kambodscha wird vorübergehend der Aufsicht der UNO unterstellt (siehe auch [[UNTAC]]). |
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* 24. September 1993: Das Land erhält eine neue Verfassung als konstitutionelle Monarchie. Norodom Sihanouk wird erneut König. |
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*[[1993]]: In Kambodscha finden unter UN-Aufsicht erste freie Wahlen seit mehr als 20 Jahren statt (Wahlbeteiligung: 90 %), die von den Roten Khmer boykottiert werden. |
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* 1994–1996: Erneute Auseinandersetzungen mit den Roten Khmer. |
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*[[24. September]] [[1993]]: Das Land erhält eine neue Verfassung als konstitutionelle Monarchie. Norodom Sihanouk wird erneut König. |
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* 1997: Pol Pot wird in einem öffentlichen Prozess verurteilt und stirbt kurz darauf. Ob durch Suizid oder eines natürlichen Todes, ist bis jetzt nicht restlos geklärt, jedoch ist ein Selbstmord wahrscheinlich. |
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*[[1994]]-[[1996]]: Erneute Auseinandersetzungen mit den Roten Khmer. |
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*[[1997]]: Pol Pot wird in einem öffentlichen Prozess verurteilt und stirbt kurz darauf. Ob durch Suizid oder eines natürlichen Todes ist bis jetzt nicht restlos geklärt, jedoch ist ein Selbstmord wahrscheinlich. |
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== Unabhängigkeit, Wiederaufbau und Restauration der Monarchie (seit 1998) == |
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*[[2003]]: Im Februar 2003 kommt es zu massiven Verstimmungen mit [[Thailand]], als wütende Kambodschaner die thailändische Botschaft und mehrere thailändische Hotels in [[Phnom Penh]] anzünden. Dabei entkommt der bekannte deutsche Journalist Ralph Wagner nur knapp einem Anschlag. Grund dafür ist die Äußerung einer bekannten thailändischen Soapdarstellerin. Sie soll angeblich bei einem Radiointerview gesagt haben, dass Angkor Wat wieder an Thailand fallen solle. Thailand errichtet eine [[Luftbrücke]] mit Militärmaschinen und fliegt seine Bürger aus, bevor nach zwei Tagen die Unruhen zu Ende sind. Später stellt sich heraus, dass es sich bei dem angeblichen Radiointerview um einen Fernsehausschnitt handelte, der einer Soap-Episode entnommen war. Es werden Vermutungen laut, dass die kambodschanische Regierung diesen Streit lanciert habe, um bei den bevorstehenden Wahlen besser abzuschneiden. |
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* 26. Juli 1998: Im Lande werden freie Wahlen abgehalten, welche die Europäische Union mit einem Aufwand von 11 Millionen US-Dollar unterstützt.<ref>{{Internetquelle |url=http://ec.europa.eu/archives/bulletin/en/9806/p104014.htm |titelerg=[[Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik]] (14/31) |titel=Kambodscha |seiten=1.4.14. |datum=1999-04-20 |zugriff=2012-09-19 |sprache=de |autor=[[Europäische Gemeinschaften|EGKS-EG-EAG]] |hrsg=[[Europäische Kommission]] |werk=Bulletin EU 6-1998}}</ref> |
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*[[7. Oktober]] [[2004]]: In einem Brief aus Peking bittet König [[Norodom Sihanouk|Sihanouk]] seinen Rücktritt als Staatsoberhaupt zu akzeptieren und fordert die Regierung auf, den in der Verfassung vorgesehenen 9-köpfigen Thronrat einzuberufen, der einen Nachfolger bestimmen muss. Der König ist seit Jahren schwerkrank, jedoch wird vermutet, dass der Grund für seinen Rücktritt die Unzufriedenheit mit den Streitigkeiten zwischen den führenden Parteien des Landes ist. |
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* 2003: Im Februar 2003 kommt es zu massiven Verstimmungen mit Thailand, als wütende Kambodschaner die thailändische Botschaft und mehrere thailändische Hotels in Phnom Penh anzünden. Auslöser war die Äußerung der thailändischen Schauspielerin Suwanan Kongying Angkor Wat gehöre eigentlich zu Thailand.<ref>[https://www.news.at/articles/0305/15/49698/thailand-kambodscha-unruhen-sicherheitsversaeumnisse ''Thailand wirft Kambodscha nach Unruhen Sicherheitsversäumnisse vor.''] In: ''[[News (Zeitschrift)|News.at]].'' 30. Januar 2003, abgerufen am 2. März 2012.</ref> Dabei entkommt der bekannte deutsche Journalist Ralph Wagner nur knapp einem Anschlag. Thailand errichtet eine [[Luftbrücke]] mit Militärmaschinen und fliegt seine Bürger aus, bevor nach zwei Tagen die Unruhen zu Ende sind. Später stellt sich heraus, dass es sich bei dem angeblichen Radiointerview um einen Fernsehausschnitt handelte, der einer Soap-Episode entnommen war. Es werden Vermutungen laut, dass die kambodschanische Regierung diesen Streit lanciert habe, um bei den bevorstehenden Wahlen besser abzuschneiden. |
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*[[13. Oktober]] [[2004]]: Kambodscha wird Mitglied der [[WTO]]. |
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* 7. Oktober 2004: In einem Brief aus Peking bittet König [[Norodom Sihanouk|Sihanouk]], seinen Rücktritt als Staatsoberhaupt zu akzeptieren, und fordert die Regierung auf, den in der Verfassung vorgesehenen 9-köpfigen Thronrat einzuberufen, der einen Nachfolger bestimmen muss. Der König ist seit Jahren schwerkrank, jedoch wird vermutet, dass der Grund für seinen Rücktritt die Unzufriedenheit mit den Streitigkeiten zwischen den führenden Parteien des Landes ist. |
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*[[14. Oktober]] [[2004]]: König Norodom Sihanouk dankt ab. Neuer König wird sein Sohn [[Norodom Sihamoni]]. |
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* 13. Oktober 2004: Kambodscha wird Mitglied der [[WTO]]. |
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*[[2005]]: Ein Internationales [[Rote-Khmer-Tribunal]] soll in Phnom Penh seine Arbeit aufnehmen. Ziel des Tribunals ist die Verurteilung führender Köpfe der Khmer Rouge, die für die Massenmorde während des Pol Pot-Regimes 1975-1979 verantwortlich waren. |
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* 14. Oktober 2004: König Norodom Sihanouk dankt ab. Neuer König wird sein Sohn [[Norodom Sihamoni]]. |
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* 2005: Ein Internationales [[Rote-Khmer-Tribunal]] soll in Phnom Penh seine Arbeit aufnehmen. Ziel des Tribunals ist die Verurteilung führender Köpfe der Khmer Rouge, die für die Massenmorde während des Pol-Pot-Regimes von 1975 bis 1979 verantwortlich waren. |
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* Juli / August 2007: Erste Anklage durch das UN-Tribunal wegen Menschenrechtsverletzungen nach Inhaftierung von ''Duch'' ([[Kaing Guek Eav]]), der Leiter des berüchtigten Gefängnisses Tuol Sleng war, in dem 16.000 Menschen gefoltert und dann auf die ''Killing Fields'' gebracht wurden. |
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* April 2009: Drei Jahrzehnte nach dem Sturz der Roten Khmer hat ein Mitglied der Führungsriege die Verantwortung für die mörderischen Verbrechen im berüchtigten Foltergefängnis [[S-21 (Foltergefängnis)|S-21]] übernommen. Er wolle sein „Bedauern und seine aufrichtige Reue“ zum Ausdruck bringen, sagte der frühere Leiter von S-21, Kaing Guek Eav, genannt ''Duch''. Die Anklage erklärte, sie wolle 1,7 Millionen Opfern des damaligen Regimes in Kambodscha zu später Gerechtigkeit verhelfen. „Das verlangt die Geschichte“, sagte Staatsanwältin Chea Leang. ''Duch'' muss sich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Folter und Mord vor dem von der UNO unterstützten Tribunal verantworten. Der zur Zeit des Prozesses 66-Jährige hatte das S-21 genannte Folterlager Tuol Sleng in der Hauptstadt Phnom Penh geleitet, in dem 16.000 Männer, Frauen und Kinder brutal gefoltert und schließlich vor den Toren der Stadt umgebracht wurden. Er ist geständig und hat zu Beginn der Vorverhandlung im Februar bereits um Vergebung für seine Taten gebeten. |
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== Siehe auch == |
== Siehe auch == |
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*[[Liste der Staatsoberhäupter von Kambodscha]] |
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*[[Liste der |
* [[Liste der Staatsoberhäupter von Kambodscha]] |
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* [[Liste der Herrscher der Khmer]] |
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== Literatur == |
== Literatur == |
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* Martin F. Herz: ''A Short History of Cambodia from the Days of Angkor to the Present.'' Frederick A. Praeger, New York 1958. |
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*[[Karl-Heinz Golzio]]: ''Geschichte Kambodschas'', C.H.Beck, München 2003, ISBN 3406494358 |
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* A. Forest: ''Le Cambodge et la colonisation française, 1897–1920''. L’Harmattan, Paris 1980, ISBN 2-85802-139-2. |
|||
*[[Michael Freeman]], [[Claude Jacques]]: ''Ancient Angkor'', Asia Books, Bangkok 1999, ISBN 9748225275 |
|||
* A. Dauphin-Meunier: ''Histoire du Cambodge.'' PUF, Paris 1983. |
|||
* [[Michael Freeman (Fotograf)|Michael Freeman]], Claude Jacques: ''Ancient Angkor''. Asia Books, Bangkok 1999, ISBN 974-8225-27-5. |
|||
* [[Karl-Heinz Golzio]]: ''Geschichte Kambodschas''. Beck, München 2003, ISBN 3-406-49435-8. |
|||
* [[David P. Chandler]]: ''A History of Cambodia.'' 4. Auflage. Westview, Boulder 2007, ISBN 978-0-8133-4363-1. |
|||
* A. Goeb: ''Kambodscha. Reisen in einem traumatisierten Land''. Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 2007. |
|||
* [[Bernd Stöver]]: ''Geschichte Kambodschas: Von Angkor bis zur Gegenwart''. C. H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-67432-7. |
|||
* William J. Rust: ''Eisenhower and Cambodia. Diplomacy, Covert Action, and the Origin of the Second Indochina War''. University Press of Kentucky, Lexington 2016, ISBN 978-0-8131-6742-8. |
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== Weblinks == |
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{{Commonscat|History of Cambodia|Geschichte Kambodschas}} |
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== Einzelnachweise == |
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[[Kategorie:Kambodscha]] |
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<references /> |
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[[Kategorie:Kambodschanische Geschichte|!]] |
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[[Kategorie:Kambodschanische Geschichte| ]] |
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[[bg:История на Камбоджа]] |
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[[en:History of Cambodia]] |
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[[es:Historia de Camboya]] |
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[[he:היסטוריה של קמבודיה]] |
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[[it:Storia della Cambogia]] |
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[[ja:カンボジアの歴史]] |
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[[pt:História do Camboja]] |
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[[sv:Kambodjas historia]] |
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[[zh:柬埔寨历史]] |
Aktuelle Version vom 1. Mai 2025, 06:00 Uhr

Die Geschichte Kambodschas umfasst die Entwicklungen auf dem Gebiet des Königreichs Kambodscha von der Urgeschichte bis zur Gegenwart. Sie beginnt mit den ersten Siedlungen, deren erste Spuren auf 4200 v. Chr. datiert werden können.[1] Im engeren Sinne umfasst sie den Zeitraum der letzten 1200 Jahre, in dem sich das Reich der Khmer (gesprochen: kmer) entwickelte, wie die Kambodschaner sich selbst und ihre Sprache nennen.
Frühzeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Reste von Keramik, die in einer Höhle im Nordwesten Kambodschas gefunden wurden, weisen auf eine Besiedelung Kambodschas seit mindestens 4200 v. Chr. hin. Weitere archäologische Funde deuten auf die Siedlungstätigkeit einer neolithischen Kultur im 2. Jahrtausend v. Chr. hin, deren Angehörige aus Südostchina ins heutige Kambodscha eingewandert waren.[1] Sie errichteten Pfahlbauten entlang des Mekong, lebten vom Fischfang und vom Reisanbau, hielten Haustiere und waren bereits zu primitiven Erdbauten in der Lage.[2]
Funan-Reich (1.–7. Jahrhundert)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im 1. Jahrhundert v. Chr. entstand das Königreich Funan am Mekong-Delta und entlang der Küste. Es war stark von der indischen Kultur beeinflusst, geriet aber durch den aufkommenden Seehandel auch mit den Kulturen von China, Malaysien und Java in Kontakt. Zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. erreichte Funan seine größte Ausdehnung, bis es 357 zu einem Vasallenstaat Chinas wurde. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts wurde der aus Indien stammende Shivaismus unter König Kaundinya Staatsreligion. Erst im 6. Jahrhundert begann Funans Niedergang, der durch das Aufgehen im Chenla-Reich mit der Hauptstadt Isanapura zu Beginn des 7. Jahrhunderts beendet wurde.
Chenla-Reich (7.–8. Jahrhundert)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Chenla-Reich bestand vermutlich aus einer Reihe relativ unabhängiger Fürstentümer, die sich um verschiedene kulturelle Zentren erstreckten, darunter beispielsweise Sambor Prei Kuk. Bereits im 8. Jahrhundert zerfiel der Verbund in ein Nord- und ein Südreich, von denen sich um 715 weitere kleinere Einheiten abspalteten. Die Sailendra von Java zogen aus der resultierenden Schwäche einen Vorteil und brachten die Küstengebiete unter ihren Einfluss. 790 konnte Jayavarman II., der spätere erste König des Khmer-Reiches, aus dem Exil auf Java auf das Festland zurückkehren und damit beginnen, die zersplitterten Fürstentümer erfolgreich zu einigen.
Khmer-Reich (9.–15. Jahrhundert)
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Der Beginn des Khmer-Reiches von Angkor (khmer: ‚Stadt‘), von den Khmer selbst „Kambuja“ genannt, wird üblicherweise mit dem Jahr 802 angegeben, jenem Jahr, in dem sich Jayavarman II. der Überlieferung zufolge zum Deva-raja (etwa: „König der Könige“) erheben ließ. Er einte die Khmer unter seiner Herrschaft, machte das Reich unabhängig vom Seereich Javas und gründete mit Hariharalaya die erste Hauptstadt in der Region von Angkor. In der Regierungszeit des bedeutenden Yasovarman I. (889–910) wurde die Hauptstadt jedoch nach Yasodharapura verlegt.
1177 wurde Angkor erstmals von den benachbarten Cham aus dem Reich der Champa eingenommen, doch sehr viel bedrohlicher waren die Thai-Völker, die sich im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts zu den Staatsgebilden von Sukhothai und Ayutthaya zusammenschlossen und die Herrschaft der Khmer abzuschütteln begannen. Diese Reiche waren zunächst Vasallenstaaten, doch wurde Angkor nach und nach zurückgedrängt, bis das Reich 1431 schließlich durch Ayutthaya eingenommen wurde. Angkor wurde als Hauptstadt aufgegeben, nachdem die Siamesen das Gebiet eingenommen hatten. Einzelne Tempel, wie der Angkor Wat, wurden zwar weiterhin besucht, aber die Mehrzahl der Bauwerke wurde von der tropischen Vegetation überwachsen und verfiel. Die Überführung des letzten Khmer-Königs in siamesische Gefangenschaft 1594 bedeutete das Ende der etwa tausendjährigen Hochkultur der Khmer.
Einer breiteren Öffentlichkeit im Westen wurden die Überreste von Angkor Ende des 19. Jahrhunderts bekannt, nachdem Forscher wie Henri Mouhot bebilderte Reiseberichte und geraubte Kunstwerke nach Europa gebracht hatten. Diese Entdeckungsreisenden bereiteten schließlich den französischen Zugriff auf Indochina vor.
In seiner größten Ausdehnung umfasste Kambuja das heutige Staatsgebiet von Kambodscha, das Delta des Mekong, das südliche Laos sowie das untere Thailand (Siam) bis zum Isthmus von Kra. Wirtschaftlich basierte das Reich auf der Landwirtschaft, insbesondere dem durch künstliche Bewässerung sehr erfolgreich betriebenen Anbau von Reis, und dem Fischfang. Angkor liegt nahe am fischreichen See Tonle Sap, dem größten See in Südostasien. Daneben wurde auch Handel mit benachbarten Reichen und insbesondere mit China betrieben. Die Kultur der Khmer war stark von Hinduismus und Buddhismus beeinflusst, wobei letzterer auch heute noch ein tragendes Element der kambodschanischen Gesellschaft darstellt.
Abhängigkeit von Thailand und Vietnam (15.–19. Jahrhundert)
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1431 war Kambodscha zu einem Vasallen der Thai geworden. Nach der Aufgabe Angkors wurde Chaktomuk (das heutige Phnom Penh) Hauptstadt, im 16. Jahrhundert wurde sie nach Longvek verlegt, ab der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts war die Residenz in Udong.
Ab dem 17. Jahrhundert, als sich im Osten das Reich Annam (Vietnam) bildete, wuchs auch von dort der Druck auf das kambodschanische Staatswesen, da auch Annam Tribut forderte. Im späten 18. Jahrhundert eroberte Annam Cochinchina, das bis dahin von Kambodscha abhängig war. Im Westen verlor Kambodscha Provinzen an Siam. 1807 errichtete das vereinigte Vietnam ein Protektorat auf kambodschanischem Boden, nachdem sich König Ang Chan II. auf Seite Vietnams geschlagen hatte. Hauptstadt des Protektorats war weiterhin Udong (auch Odongk geschrieben). Die Brüder Ang Chans rebellierten mit siamesischer Unterstützung zwischen 1811 und 1813, danach wurde die vietnamesische Kontrolle umso stärker und die Erbin Ang Chans, Ang Mei, war eine bloße Marionettenkönigin.
Im Jahr 1840/1841 führte ein Aufstand gegen die vietnamesische Vorherrschaft in Kambodscha zu einem erneuten siamesisch-vietnamesischen Krieg, der nach einem militärischen Patt durch eine vietnamesisch-siamesische Verständigung gelöst wurde: Das Land sollte durch beide Nachbarn gemeinschaftlich beherrscht werden. Die Regierungszeit des Königs Ang Duong war insgesamt eine Zeit des Friedens und eines gemäßigten Wohlstands. Um sich weiter gegen den Einfluss der Thai und Vietnamesen zu wehren, wandte Ang Duong sich 1854 mit einem Schutzgesuch an den französischen Kaiser Napoleon III., doch wurde ein Zusammentreffen des Königs mit den Franzosen im Jahr 1856 von den am Hof weilenden siamesischen Beobachtern vereitelt.
König Norodom I., der 1859 mit Hilfe Siams gegen die Truppen seines Halbbruders Sisowath I. den Thron bestieg, verlegte die Hauptstadt nach Phnom Penh. Um nicht weiter Spielball zwischen Siam und dem Kaiserreich Vietnam zu sein und um sich gegen seine Halbbrüder abzusichern, wandte er sich wie sein Vater an das Zweite Kaiserreich und bat um Schutz. Frankreich, nun im Besitz von Cochinchina, nahm dieses Ersuchen an, weil es in Kambodscha einen geeigneten strategischen Puffer gegen Thailand sah. Der Schwerpunkt für Paris blieb aber die Kolonialisierung Vietnams, während die traditionellen Herrschaftsstrukturen in Kambodscha unberührt blieben und die Ausbeutung der Rohstoffe sich auf einem niedrigen Niveau bewegte.[3]
Französische Kolonialherrschaft (1863–1953)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1863 erklärte Frankreich Kambodscha zum Protektorat. Die Franzosen versorgten den König mit Militärhilfe, um eine Rebellion niederzuschlagen. Gleichzeitig verlangte Frankreich Schürfrechte und das Recht zur Exploration des Gebiets, da in Kambodscha – wie auch in Laos – große Goldvorkommen vermutet wurden. 1867 schloss Frankreich einen Vertrag mit Siam, wonach den Siamesen die Hoheit über Battambang und Siem Reap zugestanden wurde, im Gegenzug aber Frankreichs Interessen im vormaligen siamesischen Vasallenstaat Kambodscha anerkannt wurden.

Der französische Einfluss blieb zunächst gering. Erst 1884 brachte ein französisches Kanonenboot einen Gouverneur nach Kambodscha, der einen Vertrag aushandeln sollte. Die Vereinbarung beinhaltete umfangreiche Reformen, darunter die Abschaffung der Sklaverei (tatsächliche Abschaffung 1884) und die Einführung des Rechts an Besitz von Privatland. König Norodom zögerte, musste aber schließlich zustimmen. Trotz des Abschlusses blieb der Vertrag folgenlos, bis Kambodscha 1887 Teil des neu geformten Indochina wurde.
Indochina bestand aus Tongking, Annam-Vietnam, Kambodscha und Laos, das 1893 eingegliedert wurde. Seit 1897 handelte der Generalgouverneur (résident général) im Namen des Königs. Die französische Kolonialverwaltung betrachtete Vietnam als das Herz von Indochina, Kambodscha erhielt weniger Aufmerksamkeit. Sofern Einheimische in der Verwaltung angestellt waren, dominierten Vietnamesen. Dieser Umstand verstärkte den seit Jahrhunderten schwelenden Konflikt zwischen Kambodschanern und Vietnamesen. 1907 musste Siam in einem Vertrag den Verzicht auf die Provinzen Battambang und Siem Reap erklären, die zu Kambodscha und damit zu Indochina kamen.
Frankreich schirmte Kambodscha weitgehend von äußeren Einflüssen ab, insbesondere gegenüber Vietnam und später dem Kommunismus. Zu dieser Zeit war es sehr ländlich geprägt, und nur 15 % der Bevölkerung lebten in Städten. Der überwiegende Anteil der Bauern betrieb Subsistenzwirtschaft oder produzierte Reis für die lokalen Märkte. Die ethnische Zusammensetzung war anfangs relativ homogen gewesen, wobei Chinesen und Vietnamesen das Geschäftsleben dominierten. Die französische Kolonialpolitik mit ihren Grenzverschiebungen führte dazu, dass in Kambodscha vermehrt ethnische, nicht integrierte Minoritäten entstanden, wie zum Beispiel Vietnamesen, Chinesen, Laoten, Thai, muslimische Cham und weitere kleinere Volksgruppen, so dass die Khmer zu dieser Zeit 80 % der Bevölkerung stellten. Einige dieser Minderheiten siedelten in strategisch bedeutsamen Regionen wie Grenzgebieten oder an Flüssen, die die Hauptverkehrswege bildeten. Auf der anderen Seite entstanden durch die Grenzverschiebungen in Thailand und Vietnam jeweils Minderheiten von einer Million Khmer. Bis auf die muslimischen Cham, katholische Vietnamesen und einige animistische Bergvölker blieb Kambodscha buddhistisch, zumal die französische Kolonialregierung in den 1920er Jahren den zunehmend populären Caodaismus verboten hatte. Das Bildungssystem blieb bis zum Ende der französischen Kolonialherrschaft rudimentär und konnte nicht an die Stelle der stark an Einfluss verlierenden buddhistischen Klosterschulen treten. So absolvierten bis 1954 nur 144 Kambodschaner erfolgreich eine Sekundarausbildung, und ein tertiärer Bildungsbereich fehlte komplett.[4]
Im Zweiten Weltkrieg unterzeichnete das französische Vichy-Regime im September 1940 den Henry-Matsuoka-Vertrag, der Japan das Recht einräumte, Truppen in Indochina zu stationieren. Damit wurde Indochina abhängig von Japan. Nach dem Französisch-Thailändischen Krieg trat Frankreich im Jahr 1941 die beiden Provinzen Battambang und Siem Reap wieder an Siam (ab 1939 „Thailand“) ab. Im gleichen Jahr setzten die Franzosen Prinz Norodom Sihanouk auf den kambodschanischen Thron. Im Juli 1942 kam es nach der Verhaftung von zwei buddhistischen Mönchen zu den ersten politischen Demonstrationen in der Neuzeit Kambodschas.[5] Im Frühjahr 1945 ermutigten die Japaner den König, Kambodscha für unabhängig zu erklären, was dieser am 13. März 1945 tat. Nachdem Japan am 15. August kapituliert hatte, kehrten die Franzosen jedoch nach Indochina zurück.
Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte Paris mit Unterstützung der Vereinigten Staaten möglichst lange Französisch-Indochina zu halten, was dazu führte, dass trotz der historischen Gegnerschaft immer mehr Kambodschaner eine antikoloniale Allianz mit Vietnam befürworteten.[5] Am 4. Juni 1949 gliederte die französische Kolonialverwaltung das Gebiet Kampuchea Krom mit dem Mekong-Delta aus Kambodscha aus und ihrem Protektorat Cochinchina ein. Damit wurde es infolge der Indochina-Konferenz 1954 ein Teil des heutigen Vietnams. Spätere Versuche der Roten Khmer, Kampuchea Krom zurückzuerobern, scheiterten. In dem Gebiet leben heute etwa 12 Millionen ethnische Khmer.
Am 8. November 1949 erhielt Kambodscha die formelle Unabhängigkeit im Rahmen der Französischen Union, am 9. November 1953 die vollständige Unabhängigkeit von Frankreich. Am 20. Juli 1954 bestätigte die Genfer Indochina-Konferenz die volle Souveränität Kambodschas.
Unabhängiges Königreich Kambodscha (1954–1970)
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Außenpolitik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Südostasien bildete mehr und mehr den Schauplatz für den Konflikt zwischen den Supermächten China, UdSSR und den USA, repräsentiert durch die prowestlichen Nachbarstaaten Südvietnam und Thailand auf der einen Seite und dem kommunistischen Nordvietnam auf der anderen Seite. Die nach der Unabhängigkeit von Frankreich gegründete kleine kambodschanische Armee mit rund 35.000 Soldaten war schlecht ausgerüstet und schwach ausgebildet und hätte keinem der umliegenden Nachbarländer im Falle eines ernsthaften Konfliktes standhalten können.
König Norodom Sihanouk befürchtete, dass sein Land die gerade gewonnene Unabhängigkeit in diesem Konflikt wieder verlieren könnte und zwischen den Nachbarländern zerrieben würde. Die einzige Chance für Kambodscha, langfristig als souveräner Staat zu überleben, sah er in einer strikten Neutralität nach dem Vorbild der Schweiz und einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit vom Ausland. In seiner buddhistisch geprägten Mentalität sollte Kambodscha „zum Freund aller Länder und Blöcke“ werden.
Diese Form der Neutralität wurde von den USA und den proamerikanischen Nachbarstaaten Thailand und Südvietnam ungläubig betrachtet und jeder Kontakt Kambodschas mit Nordvietnam oder der Volksrepublik China als Konfrontation gegen die USA und Parteinahme bewertet.
Während China mit Kambodscha zunächst eine beratende Freundschaft pflegte, kam es immer wieder mit Südvietnam zu Grenzkonflikten. Kambodschas strikte Neutralität und seine Ablehnung, in die SEATO (amerikanisch geleitetes Militärbündnis südostasiatischer Staaten) einzutreten, führten zum Ende der amerikanischen Militärhilfe und zu einem Wirtschaftsembargo Kambodschas durch Südvietnam und Thailand. Schließlich inszenierten Südvietnam und Thailand 1959 mit Hilfe der USA einen erfolglosen Militärcoup gegen Norodom Sihanouk.
Wirtschaftliche Situation und Reformpolitik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Etwa 90 Prozent der Bevölkerung lebte auf dem Land von der Landwirtschaft und dem Fischfang. Der Handel und die Finanzen lagen in den Händen chinesischer Minderheiten, während vietnamesische Minderheiten den Großteil der öffentlichen Verwaltung bildeten. Einerseits verfügte Kambodscha über reiche Bodenschätze in Form der größten durchgehenden (und außerordentlich fruchtbaren) Anbauflächen und der Fischvorkommen im Tonle Sap, anderseits waren die meisten der Kleinbauern tief verschuldet und die landwirtschaftliche Bebauung und Infrastruktur veraltet und marode. Im Gegensatz zu der Situation in den meisten anderen asiatischen Staaten waren die kambodschanischen Kleinbauern auch Landeigner, jedoch waren die Anbauflächen häufig zu klein, um sie effektiv zu bewirtschaften. Das Bewässerungssystem für den Reisanbau war in vielen Teilen des Landes seit langen Jahren nicht modernisiert worden und in einem desolaten Zustand.
Wirtschaftspolitisch suchte König Norodom Sihanouk einen Weg des langsamen Übergangs von einer landwirtschaftlich dominierten Wirtschaft zu einer Kombination aus Landwirtschaft und Industrie, ohne dabei in ausländische Abhängigkeit zu geraten oder die kulturellen Traditionen Kambodschas zu stören. Seine Vision für Kambodscha bestand aus einem neutralen, buddhistisch geprägten Sozialismus. Neben der Modernisierung der Landwirtschaft sah dies auch den Aufbau eines staatlichen Bildungs- und Gesundheitswesens und einer Industrie vor. Insbesondere im Bildungswesen und in der Verkehrs- und Bewässerungsinfrastruktur konnten Fortschritte verzeichnet werden. Die Bevölkerung, insbesondere auf dem Land, verehrte Norodom Sihanouk zu dieser Zeit wie einen Gottkönig. Das Frauenwahlrecht wurde 1956 eingeführt.[6]
Entwicklung zum ersten Bürgerkrieg (1966–1970)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ab 1966 verdichtete sich zunehmend eine Reihe von Ereignissen, die 1970 zur Machtübernahme durch den Premier- und Verteidigungsminister General Lon Nol führten. Besonders destabilisierend wirkte sich der Vietnamkrieg aus, der seit 1965 im Nachbarland tobte.
Außenpolitik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zunehmende Grenzüberschreitungen durch Thailand, Südvietnam und die in Vietnam stationierte US-Armee erschwerten die Politik der Neutralität, die Sihanouk zu betreiben versuchte. Es kam zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen der kambodschanischen und der US-amerikanischen Armee, da die vietnamesischen Guerilleros des Vietcong und die nordvietnamesische Armee Kambodscha als Rückzugs- und Verteilungsraum für Waffen und Soldaten nutzten.
Nachdem Sihanouks Versuche, die Neutralität von Kambodscha aufrechtzuerhalten und sich die territoriale Souveränität und Unabhängigkeit Kambodschas seitens der Großmächte USA, China und der UdSSR bestätigen zu lassen, gescheitert waren, brach Kambodscha die diplomatischen Beziehungen mit den USA ab und nahm diplomatische Beziehungen mit Nordvietnam und dem Vietcong auf. Amerikanische Soldaten, die sich auf kambodschanischem Gebiet aufhielten, wurden gefangen genommen. Die USA befürchteten, mit der Anerkennung der territorialen Grenzen Kambodschas sowie der Neutralität und der Souveränität des Landes ihre Partner Thailand und Südvietnam zu verärgern. Erst 1969 wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen Kambodscha und den USA wiederhergestellt, gleichzeitig begannen die USA jedoch mit zunächst geheimen Flächenbombardements auf Vietcong-Stützpunkte in Kambodscha.
Innenpolitik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Innenpolitisch machten dem jungen Königreich vor allem die Aktivitäten der ersten Vorläufer der Roten Khmer zu schaffen, zwischen denen und der Regierungsarmee es auch bereits zu vereinzelten bewaffneten Konfrontationen kam. Die Elite des Landes befand sich in zunehmender Opposition zu Sihanouks Regierungsprogramm. Die rechtsgerichtete Elite störte sich an dessen sozialistischen Teilen, wohingegen die linksgerichtete Intelligenzia vor allem die Korruption kritisierte. Wegen des Abbruchs der amerikanischen Militärhilfe waren auch Angehörige der Armee schlecht auf Sihanouk zu sprechen, der aber weiterhin bei der Landbevölkerung eine gottgleiche Verehrung erfuhr.
Die Intelligenzelite bestand zu einem großen Teil aus den Studenten, die Sihanouk im Rahmen seines sozialistischen Programmes mit Stipendien in das Ausland geschickt hatte, um Kambodscha von ausländischen Beratern und Spezialisten unabhängig zu machen. Unter diesen Auslandsstudenten befand sich unter anderem der Mann, der später unter dem Namen Pol Pot die Terrorherrschaft der Roten Khmer leiten sollte. Als diese Studenten zurückkehrten, fanden sie einerseits wenig offene Positionen vor, und anderseits wurden viele Positionen eher aufgrund von Loyalität als aufgrund von Fachwissen besetzt. Dazu kam eine zu große Toleranz Prinz Sihanouks für Korruption in seiner Regierung und Verwaltung und seiner eigenen Familie, die zu weiterer Unzufriedenheit der linksgerichteten Intelligenzelite führte.
Machtübernahme durch Lon Nol
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die USA betrieben massive Wirtschafts- und Militärhilfe in Thailand und Südvietnam, und die wirtschaftliche Elite Kambodschas befürchtete, durch Prinz Sihanouks strikte Neutralität den Anschluss an diesen Boom zu verpassen. Die Verstaatlichung der privaten Banken und des Exporthandels im Rahmen von Prinz Sihanouks sozialistischem Programm befeuerten diese Unzufriedenheit.
Während einer Auslandsreise wurde Prinz Sihanouk 1970 überraschend durch das rechtsgerichtete Parlament abgewählt. Der bisherige Premier- und Verteidigungsminister General Lon Nol übernahm daraufhin die Macht in Kambodscha. Aufgrund sehr enger Kontakte zwischen seinem Vertreter und der amerikanischen Regierung wird bis heute vermutet, dass diese Abwahl durch die USA inszeniert worden sei, jedoch liegen, im Gegensatz zum Putschversuch von 1959, keine Beweise dafür vor.
Wenige Tage nach der Machtübernahme von General Lon Nol begannen gemeinsame Angriffe der kambodschanischen, amerikanischen und südvietnamesischen Armee gegen Vietcong-Stützpunkte in Kambodscha, und Kambodscha erklärte den Krieg gegen die Vietcong und die nordvietnamesische Armee.
Auf Anraten der Volksrepublik China gründete Prinz Sihanouk in seinem Exil in Peking zusammen mit Vertretern der Roten Khmer die kambodschanische Befreiungsfront und rief die Bevölkerung Kambodschas in Radioansprachen zum Widerstand gegen die kambodschanische Regierung unter General Lon Nol auf. Die Roten Khmer deklarierten Prinz Sihanouk zum offiziellen Führer, jedoch ließen sie ihn diese Rolle lediglich nach außen aus seinem Exil wahrnehmen. Die Volksrepublik China, Nordvietnam und der Vietcong begannen mit der Ausrüstung und Ausbildung der Roten Khmer.
Republik Khmer und erster Bürgerkrieg (1970–1975)
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Nach der Machtübernahme durch General Lon Nol wurde Kambodscha in Republik Khmer (République Khmère) umbenannt und offiziell in ein präsidentielles Regierungssystem umgewandelt.
Kambodscha verließ seine neutrale Position im Indochina-Konflikt und schloss sich den USA, Thailand und Südvietnam an. Nordvietnam und der Vietcong wiederum brauchten nicht mehr auf die durch Prinz Sihanouk vorher betriebene und durch die Volksrepublik China unterstützte Neutralität Rücksicht zu nehmen und verlegten ihre Truppen tief nach Kambodscha. Die kambodschanische Armee war mit dieser Situation völlig überfordert. Die einzigen beiden Offensiven (Operation Chenla 1 und 2) scheiterten mit großen Verlusten der Regierungsarmee.
Bis 1973 wurde der Kampf hierbei fast ausschließlich durch die nordvietnamesische Armee und den Vietcong geführt, die bereits ab 1971 etwa vier Fünftel von Kambodscha kontrollierten. Die Roten Khmer erwarben sich in dieser Zeit die Unterstützung der Landbevölkerung und rüsteten sich militärisch aus. Dörfer wurden in kommunistische Kooperativen aufgeteilt und die Nachrichtenverbindungen zwischen den Dörfern durch die Roten Khmer kontrolliert. Nachdem die Roten Khmer ihre Ausbildung und Ausrüstung durch den Vietcong und Nordvietnam 1973 abgeschlossen und ihre Unterstützung durch die Landbevölkerung gesichert hatten, kam es zur Trennung und zu ersten Differenzen zwischen den Roten Khmer und dem Vietcong. Fast parallel griff die Regierungsarmee vietnamesische Zivilisten an. Etwa 300.000 vietnamesische Einwanderer wurden aus Kambodscha vertrieben, wobei auch zahlreiche Vietnamesen ermordet wurden.
Kurz nach der Machtübernahme marschierten etwa 20.000 amerikanische Soldaten auf der Suche nach Stützpunkten der Nationalen Front für die Befreiung Südvietnams (FNL) in Kambodscha ein. Dies zog erheblichen politischen Widerstand gegen eine Ausweitung des Krieges in den USA nach sich und führte zu einem Abzug der Soldaten. Daraufhin verstärkten die USA ihre zunächst geheimen Flächenbombardements in Kambodscha. Von März 1969 bis August 1973 wurden rund 3.500 B-52-Flächenbombardements durch die U.S. Air Force geflogen und dabei 539.129 Tonnen Bomben mit teilweise bis zu 200 Einsätzen pro Woche abgeworfen. Dies entspricht etwa drei Tonnen Bomben pro Quadratkilometer oder der doppelten Menge der Bombenlast, die auf Japan im Zweiten Weltkrieg abgeworfen wurde, und kostete die USA etwa sieben Milliarden Dollar. Die Schätzungen der Opfer unter der kambodschanischen Bevölkerung reichen dabei von 50.000 bis zu 150.000. Der Großteil des kambodschanischen Farmlandes wurde zerstört.[7]

Parallel dazu wurden von 1971 bis 1975 seitens der USA rund 1,1 Milliarden Dollar an Militärhilfe in Form von Waffen, Ausrüstung und Sold nach Phnom Penh transferiert. Bereits 1973 schätzte der US-Senat die Anzahl der Kriegsflüchtlinge in Kambodscha auf zwei Millionen Menschen. Trotzdem wurden jeden Tag weiterhin für eine Million Dollar Waffen, Munition und Sold nach Phnom Penh geliefert, während die humanitären Lieferungen für die Flüchtlinge gerade einmal drei Millionen Dollar pro Jahr betrugen. Phnom Penhs Bevölkerung wuchs während dieser Zeit rasant. Korruption war ein grassierendes Problem. Ein Großteil der Waffenlieferungen wurde von Generälen der Regierungsarmee direkt an den Vietcong verkauft. Die Ausrüstungen landeten auf dem Markt in Phnom Penh, und ganze Divisionen existierten nur auf dem Papier. Der Sold verschwand direkt in die Taschen der Kommandeure. Die einfachen Regierungssoldaten kämpften barfuß, sofern sie kein Geld hatten, um sich auf dem Markt die für sie bestimmte Ausrüstung zu kaufen, und nahmen ihre Familien mit in die Kampfgebiete, da sie nur mit Reis bezahlt wurden und ihre Familien sonst nicht ernähren konnten.
Die Flächenbombardements der USA sorgten nicht nur für eine breite Unterstützung der Landbevölkerung für die Roten Khmer, sondern hinterließen auch zahlreiche Kriegswaisen, die von den Roten Khmer aufgenommen und zu Kindersoldaten ausgebildet wurden. Umgekehrt wurden zahlreiche Flüchtlingskinder in Phnom Penh durch die Regierungsarmee aufgegriffen und in die Uniform gezwungen. Die Kämpfe zwischen Regierungssoldaten und Roten Khmer wurden mit zunehmender Grausamkeit geführt. Die gegenseitige Tötung verwundeter Gegner und kannibalistische Praktiken nährten neben den Flächenbombardements den Hass der Landbevölkerung gegen die Stadtbevölkerung, der sich in der späteren Diktatur der Roten Khmer entlud und zur fast vollständigen Ausrottung der ehemaligen Stadtbevölkerung führte.
Aus seinem Exil in Peking repräsentierte Prinz Sihanouk mit Hilfe der Volksrepublik China die Roten Khmer gegenüber der Weltöffentlichkeit als nationale Befreiungsorganisation für Kambodscha. Wiederkehrende Angebote zu Friedensverhandlungen lehnte er ab.
Nach der Beendigung der amerikanischen Flächenbombardements 1973 und dem Abzug der FNL und der nordvietnamesischen Armee aus Kambodscha nationalisierte sich der Krieg zu einem innerkambodschanischen Konflikt, der allerdings nur durch die Waffenlieferungen der Volksrepublik China an die Roten Khmer und die Militärhilfe der USA für die Regierungsarmee weitergeführt werden konnte. Bei der Bevölkerung Phnom Penhs entstand zunehmend der Eindruck, dass der Krieg nur noch zur Bereicherung der Generäle betrieben werde. Lebensmittelknappheit und Inflation führten zu nachlassender Unterstützung durch die Stadtbevölkerung. Viele sahen sich vor die Wahl gestellt, aus der Stadt zu flüchten und sich den Roten Khmer unterzuordnen oder in der Stadt zu verhungern.
Im April 1975 ergaben sich die rund zwei Millionen Einwohner Phnom Penhs. Etwa 20.000 Soldaten der Roten Khmer besetzten die Stadt. Das Durchschnittsalter der Soldaten betrug 13 Jahre. Die Roten Khmer wurden zunächst mit Begeisterung als Befreier empfangen, da die Stadtbevölkerung glaubte, dass Prinz Sihanouk als offizieller Repräsentant der Roten Khmer für eine Versöhnung der Stadt- und Landbevölkerung Kambodschas sorgen würde. Die Roten Khmer befürchteten jedoch einen Aufstand der Stadtbevölkerung und vertrieben die Menschen binnen drei Tagen mit Waffengewalt auf das Land. Stadtbewohner, die sich in ihren Häusern versteckten, wurden getötet. Nach einer Woche war Phnom Penh eine Geisterstadt.
Diktatur der Roten Khmer (1975–1979)
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Die Vision der Roten Khmer sah die Wiederauferstehung des Reiches von Angkor vor. Dies bedeutete außenpolitisch die Rückgewinnung von Landgebieten, die im Laufe der Jahrhunderte an Thailand und Vietnam gefallen waren, und innenpolitisch die Etablierung eines kommunistisch-maoistischen Bauernstaates, der weitestgehend unabhängig vom Ausland wäre (Autarkie).
Dazu führten die Roten Khmer eine Reihe von Maßnahmen ein:
Isolierung des Landes
- Abbruch aller Nachrichtenverbindungen aus Kambodscha in das Ausland und Schließung der Grenzen
- Isolierung der wenigen noch verbleibenden ausländischen Botschaften in Phnom Penh
- Zerstörung bzw. Konfiszierung aller Kommunikationsmittel (Radio, Telefon, Funk) im Land
Isolierung der Menschen untereinander
- Vertreibung der Stadtbewohner auf ländliche Gebiete
- Isolierung der Dörfer untereinander – Besuche zwischen Dörfern bedurften der Genehmigung durch die lokalen Roten Khmer.
- Trennung von Familien – Männer, Frauen und Kinder wurden in verschiedene Arbeitsbrigaden aufgeteilt und teilweise in verschiedene Teile des Landes deportiert.
- Einführung von Zwangsehen, wobei die Roten Khmer die aus ihrer Sicht passenden Ehepartner aussuchten.
- Politische Schulung und Nutzung der Kinder zur Überwachung der Erwachsenen (inklusive der Überwachung der eigenen Eltern)
- Versammlungsverbot mit Ausnahme der eigenen politischen Versammlung
Aufhebung aller Klassen und Unterschiede zwischen den Menschen
- Alle Kambodschaner mussten den gleichen Haarschnitt und die gleiche Kleidung tragen
- Verbot von religiöser Betätigung
- Erziehung der Kinder in politischen Schulen
- Allabendliche politische Schulungen und Versammlungen der Erwachsenen
- Gezielte Ermordung zunächst aller Intellektuellen und später aller Kambodschaner chinesischer oder vietnamesischer Abstammung
- Einführung von Gemeinschaftsküchen und Verbot der Nahrungsmittelaufnahme außerhalb einer Gemeinschaftsküche
- Einführung von Gemeinschaftskindergärten
- Verbot von Gefühlsäußerungen (Weinen, Lachen, Trauern), sofern sie nicht der Bejubelung von Parteimaßnahmen galten
- Verbot allen persönlichen Eigentums
- Etablierung von Dreierteams als kleinste Arbeitseinheit mit Auflage der gegenseitigen Überwachung – bei Flucht eines Teammitgliedes wurden die verbleibenden beiden Teammitglieder getötet
- Vereinheitlichung der persönlichen Ansprache und Begrüßung. Jede Form von persönlicher Anrede wie „Mama“, „Papa“, „Tante“ usw. wurde durch das Wort „Kamerad“ ersetzt.
Entwicklung des Bauernstaates:
- Vertreibung aller Stadtbewohner auf ländliche Gebiete
- Abschaffung des Geldes, der Märkte und des Tauschhandels
- Zerstörung aller technischen Geräte mit Ausnahme von militärisch nutzbaren Geräten
- Zerstörung der Krankenhäuser und der medizinischen Geräte
- Bau neuer Bewässerungssysteme und Rodung des Dschungels ohne technische Geräte und Planungen
- Einteilung der Reisfelder in einheitliche Parzellen der gleichen Größe und der gleichen Reisart unabhängig davon, ob dies technologisch sinnvoll war
Vereinheitlichung des Justizsystems:
- Bis auf die Todesstrafe wurden alle anderen Strafen abgeschafft. Die Todesstrafe erfolgte zunächst durch Erschießen, später zur Einsparung von Munition durch Überstülpen und Verschließen einer Plastiktüte über den Kopf oder durch Erschlagen mit einer Feldhacke. Die Leichen wurden als Dünger auf die Felder gelegt.
- Zunächst wurden diese Strafen innerhalb von Versammlungen ausgesprochen, in denen es zum Teil zunächst nur zu Verwarnungen kam, jedoch nach der ersten Verwarnung direkt die Todesstrafe folgte. Später wurden die Tötungen ohne Verwarnung und Versammlung vorgenommen.
- Darüber hinaus wurden Gefängnisse wie beispielsweise Tuol Sleng eingerichtet, in denen Gefangene, von denen man Informationen erhoffte, systematisch zu Tode gefoltert wurden. Schwangeren Frauen ehemaliger Regierungsangestellter wurden beispielsweise die Bäuche aufgeschlitzt und die Föten vor den Augen der Mütter Hunden zum Fraß vorgeworfen. Säuglinge und Kleinkinder wurden vor den Augen der Eltern mit den Köpfen solange gegen Mauern oder Bäume geschleudert, bis der Schädel zerplatzte. Überlebte jemand die Folter in einem solchen Gefängnis, wurde er unter Umständen wieder freigelassen, jedoch gibt es weniger als ein Dutzend Berichte überlebender Gefangener. Von den zehntausenden Insassen des Foltergefängnisses Tuol Sleng sind nur sieben mit dem Leben davongekommen.
Zu Anfang blieb die Landbevölkerung von diesen Maßnahmen größtenteils verschont, während die ehemalige Stadtbevölkerung großteils direkt betroffen war. Die Tötung von Menschen durch die Roten Khmer wurde zunächst heimlich durchgeführt. Mit zunehmender Kontrolle der Roten Khmer, insbesondere durch die politische Schulung von Kindern und Nutzung dieser Kinder als bewaffnete Bewacher oder Kontrolleure, wurde jedoch auch die Landbevölkerung mehr und mehr von diesen Maßnahmen in vollem Umfang getroffen, und die Ermordung von Menschen fand später uneingeschränkt öffentlich statt. Insgesamt führten Deportation, Zwangskollektivierung und Morde auf den Killing Fields zum Genozid in Kambodscha.
Um für die außenpolitischen Ziele genügend Waffen zu haben, schlossen die Roten Khmer mit China einen Vertrag, der die Lieferung von Waffen gegen Reis vorsah. Dies erforderte die Verdreifachung der geplanten und ohnehin nicht erreichten Reisproduktion. Der daraus resultierende Druck auf die lokalen Funktionäre und die durch eine Dürre verstärkte Hungersnot der Bevölkerung führten vereinzelt trotz der totalitären Kontrolle zu Revolten, die jedoch brutal niedergeschlagen wurden. Ebenso gnadenlos wurden die bestraft, die Zahlen fälschten, um das Erreichen des Solls vorzugeben. Die Nichteinhaltung der Planziele wurde durch die Führung der Roten Khmer als Sabotage der lokalen Funktionäre betrachtet und führte zu wiederholten politischen Säuberungsaktionen in den eigenen Reihen der Roten Khmer.
Außenpolitisch griffen die Roten Khmer wiederholt, jedoch erfolglos Grenzgebiete in Thailand und Vietnam an. Vietnam löste in dieser Zeit seine politischen Verbindungen mit der Volksrepublik China und intensivierte seine Beziehungen mit der UdSSR (Freundschafts- und Beistandspakt im November 1978), während die Roten Khmer ihre Verbindungen mit der Volksrepublik China vertieften. Schließlich konzentrierten die Roten Khmer ihre Angriffe primär auf Vietnam, was seitens der Weltöffentlichkeit als Stellvertreterkrieg zwischen der UdSSR und der Volksrepublik China betrachtet wurde. Die kommunistische Partei der Sozialistischen Republik Vietnam hatte jeglichen Einfluss auf ihre früheren Gesinnungsgenossen verloren.
Durch die Isolation des Landes drangen kaum Berichte über die Zustände an die Weltöffentlichkeit, und die wenigen Berichte wurden als unglaubwürdig oder wahlweise als vietnamesische oder amerikanische Propaganda deklariert.
Nach massiven Angriffen der Roten Khmer auf vietnamesische Dörfer marschierte die vietnamesische Armee nach Kambodscha ein und besetzte das Land binnen weniger Tage. Die Roten Khmer flüchteten in die schwer zugänglichen Berggebiete an der Grenze zu Thailand und begannen mit Unterstützung der Volksrepublik China, der USA und Thailand einen Guerillakrieg gegen die vietnamesischen Besatzer.
In der knapp vierjährigen Diktatur der Roten Khmer starben durch Krankheiten, Hunger und politische Massenmorde schätzungsweise zwei bis drei Millionen Kambodschaner.
Vietnamesische Besatzung und zweiter Bürgerkrieg 1979–1989
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bedingt durch die absolute Kontrolle aller Nachrichtenverbindungen durch die Roten Khmer wussten die meisten Kambodschaner weder etwas über den Krieg mit Vietnam noch über die Invasion der vietnamesischen Armee in Kambodscha. In manchen Dörfern verschwanden die Roten Khmer einfach über Nacht und ließen die Dorfbewohner unwissend zurück, andere Dörfer verwandelten sich ohne Vorwarnung in Schlachtfelder zwischen der vietnamesischen Armee und flüchtenden Roten Khmer, wobei die Roten Khmer zahlreiche Kambodschaner als „lebende Schutzschilde“ und „Arbeitssklaven“ in die schwer zugänglichen Bergregionen an der Grenze zu Thailand verschleppten.
Die Misswirtschaft der Roten Khmer im Reisanbau, gezielte Zerstörung der verbleibenden Reisvorräte, Reis-Beschlagnahmen durch die vietnamesische Armee, aber auch die einfache Flucht der Feldarbeiter aus den ehemaligen Kollektiven zu ihren Heimatdörfern führten zu einer landesweiten Hungersnot, die im Oktober und November 1979 zum Tode von etwa 200.000 Kambodschanern führte.
Die Bilder der über die Grenze nach Thailand flüchtenden Kambodschaner, die kaum mehr als lebende Skelette waren, lösten eine weltweite Welle der Hilfsbereitschaft aus. Auf massiven Druck der USA öffnete Thailand schließlich seine Grenzen für die Flüchtlinge und gestattete den Aufbau von Flüchtlingslagern, die von der UNO, dem Roten Kreuz und anderen Hilfsorganisationen versorgt wurden. Zwischen 1979 und 1992 flüchteten etwa 300.000 kambodschanische Flüchtlinge in Camps an der thailändischen Grenze. Weitere 350.000 lebten außerhalb von Flüchtlingscamps in Thailand, und etwa 100.000 flüchteten nach Vietnam. Die Camps in Thailand wurden extern durch das thailändische Militär bewacht und intern zu einem Großteil durch die Roten Khmer kontrolliert. Etwa 250.000 Kambodschaner aus diesen Camps fanden im Laufe der Jahre Aufnahme in Europa und den USA (206.052, davon alleine 84.559 in Kalifornien), die anderen wurden 1992 nach der Besetzung Kambodschas durch die UNO wieder zurückgesiedelt.
Aber nicht nur die Knappheit an Lebensmitteln traf Kambodscha. Phnom Penh füllte sich rasch wieder mit Menschen, nachdem die befreiten, überlebenden Kambodschaner auf der Suche nach ihren Familien wieder zurück an ihre Heimatorte gezogen waren. Dort zeigten sich die Auswirkungen des Terrorregimes. Die meisten erwachsenen Männer waren tot. Im Durchschnitt überlebte pro drei Frauen nur ein Mann und schon bald entwickelte sich in Phnom Penh ein „Männermarkt“, auf dem Männer durch ihre Familien zeitweise vermietet oder zum Überleben gänzlich verkauft werden mussten. Im Laufe der folgenden Jahre entwickelte es sich temporär zur Normalität, dass mehrere Frauen sich einen Mann als Ehemann teilten, ohne dabei innerhalb der beiden Familien zusammenzuleben.
Vietnam setzte nach seinem Einmarsch in Kambodscha und der Vertreibung des Regimes der Roten Khmer eine provisorische Übergangsregierung aus Exilkambodschanern ein. Diese bestanden zu einem großen Teil aus ehemaligen Roten Khmer, die während der politischen Säuberungen der Roten Khmer in Kambodscha nach Vietnam geflüchtet waren. Chef dieser Regierung (Revolutionärer Volksrat) war Heng Samrin. Parallel dazu stationierte Vietnam rund 225.000 Soldaten in Kambodscha und besetzte alle wichtigen Positionen durch Vietnamesen.
Rund 30.000 Rote Khmer flohen in das Umland, vor allem in die unwegsamen Dschungelgebiete an der Grenze zu Thailand. In einem Blitzkrieg stießen vietnamesische Elitetruppen der 5. Division bis zur thailändischen Grenze vor. Die Vertreibung der Roten Khmer und die Besetzung Kambodschas durch Vietnam wurden seitens der USA, der Volksrepublik China und der prowestlichen ASEAN-Staaten als Versuch einer vietnamesischen Expansion mit sowjetischer Unterstützung in Asien betrachtet. Auf Druck dieser Staaten erkannte die UNO die neue kambodschanische Regierung nicht an, vergab den kambodschanischen Sitz in der UNO an die Roten Khmer und forderte den sofortigen Abzug aller vietnamesischen Truppen aus Kambodscha. Die Besetzung Kambodschas durch Vietnam wurde seitens der UNO bis 1988 offiziell als einziges Problem Kambodschas betrachtet, während die Bedrohung des kambodschanischen Volkes durch die Roten Khmer nicht in den Konflikt des Kalten Krieges passte und daher aus politischen Gründen ignoriert wurde.
Obwohl die Vertreibung der Roten Khmer durch die vietnamesische Armee für viele Kambodschaner eine Erlösung und die Rettung vor dem sicheren Tode war, war das Land weit entfernt von der Rückkehr in die Weltgemeinschaft, da es erneut zum Spielball der Supermächte wurde. Ein Stellvertreterkrieg begann. Die Sowjetunion hatte im November 1978 einen Freundschafts- und Beistandspakt mit Vietnam geschlossen und war Hauptwaffenlieferant Vietnams. China leitete nach der vietnamesischen Invasion eine Strafaktion ein, bei der chinesische Truppen die vietnamesische Grenze überschritten. Die USA stellten sich, da die Sowjetunion damals als der Hauptfeind betrachtet wurde, auf die Seite der Roten Khmer und begannen schließlich, Pol Pot mit Waffenlieferungen in seinem Kampf gegen die kambodschanische Regierung zu unterstützen. Menschenrechtsüberlegungen gegen den Terror von Pol Pot spielten auf allen Seiten keine Rolle.
Das Wirtschaftsembargo der westlichen Welt gegenüber Vietnam wurde daher auf Druck der USA auch auf Kambodscha übertragen und die geflüchteten Roten Khmer als nichtkommunistische Widerstandsgruppe und legitime Regierung Kambodschas deklariert. Die Haltung der USA und der UNO und die völlige Ignoranz gegenüber den Verbrechen der Roten Khmer inner- und außerhalb Kambodschas verbitterten die Vietnamesen und die neue kambodschanische Regierung. Dies führte wiederum zu einem tiefen Misstrauen gegenüber allen westlichen Organisationen und einer Blockade gegenüber allen Hilfslieferungen durch den Westen in das Landesinnere. So wurde die westliche Hilfe weitgehend an die durch die Roten Khmer kontrollierten Flüchtlingslager an der thailändischen Grenze oder in den Stützpunkten der Roten Khmer in der grenznahen Bergregion Kambodschas verteilt. Wie schon in der Zeit zwischen 1970 und 1975 standen viele Kambodschaner vor der Wahl, zu verhungern oder sich als Arbeitssklaven in die von den Roten Khmer kontrollierten Gebiete zu begeben.
Trotz der Haltung der UNO kamen jedoch mehr und mehr Berichte über den Völkermord der Roten Khmer an die Weltöffentlichkeit und machten eine weitere Unterstützung der Roten Khmer durch die USA unmöglich. Als politische Lösung gründete Prinz Sihanouk auf Druck der USA, der Volksrepublik China und der ASEAN-Staaten 1982 gemeinsam mit den Roten Khmer und einer weiteren kambodschanischen Exilgruppe eine gemeinsame Befreiungsfront. Prinz Sihanouk ersetzte dabei den Führer der Roten Khmer, Pol Pot, als Exil-Präsident Kambodschas. Damit traten die Roten Khmer in den Hintergrund, und die Weltöffentlichkeit konnte sich weiterhin auf die Besetzung Kambodschas durch Vietnam konzentrieren. Während Prinz Sihanouk mit der Unterstützung der USA und der Volksrepublik China das politische Gesicht der Exilregierung einnahm, erhielten die Roten Khmer umfangreiche Waffenlieferungen aus China, die zum Teil durch die USA finanziert wurden, und bildeten die bewaffnete Front.
In den folgenden zehn Jahren kam es jedes Jahr während der Regenzeit zu Angriffen der Roten Khmer auf die vietnamesische Armee, während die vietnamesische Armee in der Trockenzeit ihre jährliche Offensive startete. Da die Roten Khmer ihre Stützpunkte in den Flüchtlingslagern ansiedelten, wurden diese Lager dabei immer wieder angegriffen bzw. durch Kämpfe zerstört. Jeder dieser Kämpfe trieb weitere kambodschanische Flüchtlinge in die Flüchtlingslager nach Thailand.
1984 rückte Kambodscha mit dem Film „The Killing Fields“, benannt nach den Killing Fields, auf denen die Massenmorde stattfanden, erneut in das Licht der Weltöffentlichkeit. Der Film zeigt am Beispiel des kambodschanischen Journalisten Dith Pran das Terrorregime der Roten Khmer und wurde international ein Kassenschlager. Die Hauptrolle wird von dem kambodschanischen Arzt Haing S. Ngor gespielt, der selber als einziger seiner Familie das Terrorregime der Roten Khmer trotz mehrfacher Folter im Gefängnis überlebte und für seine Rolle mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Die Roten Khmer wurden daraufhin in der Weltöffentlichkeit mit den Nazis gleichgesetzt und der Begriff „Killing Fields“ Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs. Trotzdem änderte sich nichts am Verhalten der UNO und des Westens in Bezug auf die weitere Unterstützung und Anerkennung der Roten Khmer als Teil der Exilregierung und UNO-Vertreter Kambodschas, und der Fokus der Politik blieb auf der Besetzung durch Vietnam behaftet. Vorschläge Australiens zur Errichtung eines internationalen Gerichtshofes zur Untersuchung der Verbrechen der Roten Khmer wurden auf Druck der USA blockiert, da dies die kambodschanische Exilregierung und deren Unterstützung durch die USA und die Volksrepublik China angreifbar gemacht hätte. Seitens der USA spielte hier neben dem generellen Konflikt mit der UdSSR vor allen Dingen auch die Frage des ungeklärten Schicksals amerikanischer Soldaten in Vietnam eine Rolle und verhinderte eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Vietnam, in deren Verlauf auch eine pragmatischere Haltung zur Kambodscha-Problematik möglich gewesen wäre.
Der erste Durchbruch zur Lösung des Kambodscha-Problems erfolgte auf Initiative der UdSSR. Michael Gorbatschows Ziel, die Beziehungen mit der Volksrepublik China und den USA zu normalisieren, führten zu Gesprächen zwischen der UdSSR, Vietnam und der Volksrepublik China in Bezug auf Kambodscha und zur vietnamesischen Zusage, bis 1990 alle Truppen aus Kambodscha abzuziehen.
Durch das persönliche Engagement und die intensive Zusammenarbeit des russischen Diplomaten Igor Rogachew und des französischen Diplomaten Claude Martin, die beide Teile ihres Lebens im Vorkriegs-Kambodscha verbracht hatten, wurden erstmals direkte Gespräche zwischen Prinz Sihanouk als Präsidenten der kambodschanischen Exilregierung und Hun Sen als kambodschanischem Premierminister im Dezember 1987 initiiert. Weitere Gespräche zwischen den beiden Politikern folgten unter weiterer Vermittlung der beiden Diplomaten.
Im Juni 1988 trat Prinz Sihanouk vom Amt des Präsidenten der Exilregierung zurück und beendete damit die Koalition mit den Roten Khmer. Vietnam zog parallel dazu die Hälfte seiner Truppen aus Kambodscha ab. Mit der zunehmenden Lösung der vietnamesischen Besatzung erhielt die Bedrohung durch eine mögliche weitere Machtübernahme der Roten Khmer einen neuen Stellenwert. Erstmals änderte die UNO ihre Haltung und verlangte neben dem Abzug der vietnamesischen Truppen auch einen Plan zur Verhinderung einer neuen Machtübernahme durch die Roten Khmer. Der kambodschanische Sitz in der UNO wurde Prinz Sihanouk zugesprochen, und auch die Volksrepublik China verkündete nach Gesprächen mit dem sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse, dass sie jegliche Hilfe für die Roten Khmer nach Abzug der vietnamesischen Truppen einstelle.
Angezogen durch die wirtschaftlichen Potentiale, änderte auch Thailand seine Haltung unter einem neuen Premierminister und baute einerseits intensive diplomatische Verbindungen mit der kambodschanischen Regierung auf und begann andererseits, auf die USA hinsichtlich einer politischen Lösung des Kambodscha-Problems einzuwirken.
Die Bemühungen Frankreichs und der UdSSR trugen Früchte, und im Juli 1989 einigten sich die Außenminister der USA, der UdSSR und der Volksrepublik China darauf, dass die Roten Khmer keine Machtposition in einer neuen kambodschanischen Regierung erhalten dürften. Im September 1989 zog Vietnam schließlich alle Truppen aus Kambodscha ab. Nach Aussagen Vietnams waren während der Besetzung Kambodschas 55.300 vietnamesische Soldaten bei den Kämpfen mit den Roten Khmer gefallen.
Der Abzug der vietnamesischen Truppen, der zunehmende Druck durch die thailändische Armee und die Aussicht auf eine schlecht ausgerüstete kambodschanische Armee führten zu einem Rückzug der Roten Khmer auf kambodschanisches Gebiet. Innerhalb kurzer Zeit nahmen die Roten Khmer die Provinzhauptstädte Pailin und Battambang ein. Während Pailin eines der bedeutendsten Edelsteinabbaugebiete Asiens darstellt, ist Battambang die Reiskammer Kambodschas. Immer wieder griffen die Roten Khmer andere Landesteile Kambodschas an und verschleppten Kambodschaner als Arbeitssklaven in die von ihnen kontrollierten Gebiete. Mit Hilfe korrupter thailändischer Militärs entwickelte sich rasch ein lukrativer Handel mit Reis und Edelsteinen aus den von den Roten Khmer besetzten Gebieten gegen Waffen aus Thailand.
Ende 1989 legte Australien einen Plan zu einer Besetzung Kambodschas durch die UNO und einer Entwaffnung aller politischen Parteien mit anschließenden Wahlen vor. Dieser Plan wurde von dem russischen Diplomaten Igor Rogachew und dem französischen Diplomaten Claude Martin wiederum in intensiver gemeinsamer Arbeit als Grundstein für die spätere UNTAC-Mission gelegt.
UN-Verwaltung und dritter Bürgerkrieg (1990–1998)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1991: Wiederaufflammen der Kämpfe zwischen Regierung und Roten Khmer.
- 1992–1993: Kambodscha wird vorübergehend der Aufsicht der UNO unterstellt (siehe auch UNTAC).
- 1993: In Kambodscha finden unter UN-Aufsicht erste freie Wahlen seit mehr als 20 Jahren statt (Wahlbeteiligung: 90 Prozent), die von den Roten Khmer boykottiert werden.
- 24. September 1993: Das Land erhält eine neue Verfassung als konstitutionelle Monarchie. Norodom Sihanouk wird erneut König.
- 1994–1996: Erneute Auseinandersetzungen mit den Roten Khmer.
- 1997: Pol Pot wird in einem öffentlichen Prozess verurteilt und stirbt kurz darauf. Ob durch Suizid oder eines natürlichen Todes, ist bis jetzt nicht restlos geklärt, jedoch ist ein Selbstmord wahrscheinlich.
Unabhängigkeit, Wiederaufbau und Restauration der Monarchie (seit 1998)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 26. Juli 1998: Im Lande werden freie Wahlen abgehalten, welche die Europäische Union mit einem Aufwand von 11 Millionen US-Dollar unterstützt.[8]
- 2003: Im Februar 2003 kommt es zu massiven Verstimmungen mit Thailand, als wütende Kambodschaner die thailändische Botschaft und mehrere thailändische Hotels in Phnom Penh anzünden. Auslöser war die Äußerung der thailändischen Schauspielerin Suwanan Kongying Angkor Wat gehöre eigentlich zu Thailand.[9] Dabei entkommt der bekannte deutsche Journalist Ralph Wagner nur knapp einem Anschlag. Thailand errichtet eine Luftbrücke mit Militärmaschinen und fliegt seine Bürger aus, bevor nach zwei Tagen die Unruhen zu Ende sind. Später stellt sich heraus, dass es sich bei dem angeblichen Radiointerview um einen Fernsehausschnitt handelte, der einer Soap-Episode entnommen war. Es werden Vermutungen laut, dass die kambodschanische Regierung diesen Streit lanciert habe, um bei den bevorstehenden Wahlen besser abzuschneiden.
- 7. Oktober 2004: In einem Brief aus Peking bittet König Sihanouk, seinen Rücktritt als Staatsoberhaupt zu akzeptieren, und fordert die Regierung auf, den in der Verfassung vorgesehenen 9-köpfigen Thronrat einzuberufen, der einen Nachfolger bestimmen muss. Der König ist seit Jahren schwerkrank, jedoch wird vermutet, dass der Grund für seinen Rücktritt die Unzufriedenheit mit den Streitigkeiten zwischen den führenden Parteien des Landes ist.
- 13. Oktober 2004: Kambodscha wird Mitglied der WTO.
- 14. Oktober 2004: König Norodom Sihanouk dankt ab. Neuer König wird sein Sohn Norodom Sihamoni.
- 2005: Ein Internationales Rote-Khmer-Tribunal soll in Phnom Penh seine Arbeit aufnehmen. Ziel des Tribunals ist die Verurteilung führender Köpfe der Khmer Rouge, die für die Massenmorde während des Pol-Pot-Regimes von 1975 bis 1979 verantwortlich waren.
- Juli / August 2007: Erste Anklage durch das UN-Tribunal wegen Menschenrechtsverletzungen nach Inhaftierung von Duch (Kaing Guek Eav), der Leiter des berüchtigten Gefängnisses Tuol Sleng war, in dem 16.000 Menschen gefoltert und dann auf die Killing Fields gebracht wurden.
- April 2009: Drei Jahrzehnte nach dem Sturz der Roten Khmer hat ein Mitglied der Führungsriege die Verantwortung für die mörderischen Verbrechen im berüchtigten Foltergefängnis S-21 übernommen. Er wolle sein „Bedauern und seine aufrichtige Reue“ zum Ausdruck bringen, sagte der frühere Leiter von S-21, Kaing Guek Eav, genannt Duch. Die Anklage erklärte, sie wolle 1,7 Millionen Opfern des damaligen Regimes in Kambodscha zu später Gerechtigkeit verhelfen. „Das verlangt die Geschichte“, sagte Staatsanwältin Chea Leang. Duch muss sich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Folter und Mord vor dem von der UNO unterstützten Tribunal verantworten. Der zur Zeit des Prozesses 66-Jährige hatte das S-21 genannte Folterlager Tuol Sleng in der Hauptstadt Phnom Penh geleitet, in dem 16.000 Männer, Frauen und Kinder brutal gefoltert und schließlich vor den Toren der Stadt umgebracht wurden. Er ist geständig und hat zu Beginn der Vorverhandlung im Februar bereits um Vergebung für seine Taten gebeten.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Martin F. Herz: A Short History of Cambodia from the Days of Angkor to the Present. Frederick A. Praeger, New York 1958.
- A. Forest: Le Cambodge et la colonisation française, 1897–1920. L’Harmattan, Paris 1980, ISBN 2-85802-139-2.
- A. Dauphin-Meunier: Histoire du Cambodge. PUF, Paris 1983.
- Michael Freeman, Claude Jacques: Ancient Angkor. Asia Books, Bangkok 1999, ISBN 974-8225-27-5.
- Karl-Heinz Golzio: Geschichte Kambodschas. Beck, München 2003, ISBN 3-406-49435-8.
- David P. Chandler: A History of Cambodia. 4. Auflage. Westview, Boulder 2007, ISBN 978-0-8133-4363-1.
- A. Goeb: Kambodscha. Reisen in einem traumatisierten Land. Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 2007.
- Bernd Stöver: Geschichte Kambodschas: Von Angkor bis zur Gegenwart. C. H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-67432-7.
- William J. Rust: Eisenhower and Cambodia. Diplomacy, Covert Action, and the Origin of the Second Indochina War. University Press of Kentucky, Lexington 2016, ISBN 978-0-8131-6742-8.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b David Chandler: A History of Cambodia. Westview Press, Boulder Colorado 2008, ISBN 978-1-57856-696-9, S. 13.
- ↑ Gerd Albrecht, Miriam Noel Haidle, Chhor Sivleng Heang Leang Hong, Heng Sophady, Heng Than, Mao Someaphyvath, Sirik Kada, Som Sophal, Thuy Chanthourn, Vin Laychour: Circular Earthwork Krek 52/62: Recent Research on the Prehistory of Cambodia. In: Asian Perspectives. Band 39, Nr. 1–2, 2000 (jhu.edu [abgerufen am 14. Juli 2018]).
- ↑ Daniel Bultmann: Kambodscha unter den Roten Khmer: Die Erschaffung des perfekten Sozialisten. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2017, ISBN 978-3-506-78692-0, S. 24.
- ↑ Ben Kiernan: The Pol Pot Regime. Race, Power and Genocide in Cambodia under the Khmer Rouge, 1975–79. 2. Auflage. Yale University Press, New Haven (CT) 2002. (Silkworm Books, Chiang Mai (Thailand) 2005, ISBN 974-9575-71-7, S. 5, 6)
- ↑ a b Ben Kiernan: The Pol Pot Regime. Race, Power and Genocide in Cambodia under the Khmer Rouge, 1975–79. 2. Auflage. Yale University Press, New Haven (CT) 2002. (Silkworm Books, Chiang Mai (Thailand) 2005, ISBN 974-9575-71-7, S. 12)
- ↑ Jad Adams: Women and the Vote. A World History. Oxford University Press, Oxford 2014, ISBN 978-0-19-870684-7, Seite 438
- ↑ Ben Kiernan, Taylor Owen: Making More Enemies than We Kill? Calculating U.S. Bomb Tonnages Dropped on Laos and Cambodia, and Weighing Their Implications. In: The Asia–Pacific Journal. 26. April 2015, abgerufen am 18. Juli 2017: „"First, the bombing forced the Vietnamese Communists deeper and deeper into Cambodia, bringing them into greater contact with Khmer Rouge insurgents."“
- ↑ EGKS-EG-EAG: Kambodscha. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (14/31). In: Bulletin EU 6-1998. Europäische Kommission, 20. April 1999, S. 1.4.14., abgerufen am 19. September 2012.
- ↑ Thailand wirft Kambodscha nach Unruhen Sicherheitsversäumnisse vor. In: News.at. 30. Januar 2003, abgerufen am 2. März 2012.