Zum Inhalt springen

„Bierjunge“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Rituelle Austragung: Die Version, die ich seit 55 Jahren kenne
 
(284 dazwischenliegende Versionen von mehr als 100 Benutzern, die nicht angezeigt werden)
Zeile 1: Zeile 1:
Als '''Bierjunge''' (auch ''Bierskandal'', ''Bierduell'', ''Biermensur'' oder ''Trinkmensur; in der Schweiz auch Jünger genannt'') bezeichnet man einen studentischen [[Brauch]] des [[Wettkampf|kompetitiven]] Trinkens von [[Bier]], wie er heute noch in [[Studentenverbindung]]en gepflegt wird.
[[Bild:Bierduell.jpg|thumb|273px|"Bierduell" von Georg Mühlberg (1863-1925): links und rechts stehen die Kontrahenten in der Mitte der Unparteiische]]
[[Datei:Bierduell.jpg|mini|hochkant=1.4|''Bierduell'' von [[Georg Mühlberg]] (1863–1925): links und rechts stehen die Kontrahenten, in der Mitte der Unparteiische]]


== Historisches ==
Der Ausdruck „Bierjunge“ entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die [[Corps]] in ihren [[Senioren-Convent]]en (SC) schriftlich die Regeln des studentischen Zusammenlebens in [[SC-Comment]]s festlegten. Hier waren auch alle Fragen der [[Satisfaktion]] und des studentischen [[Duell]]s geregelt. Sogar die Schwere von Beleidigungen war genau festgesetzt und wie man auf sie zu reagieren hatte, bisweilen auch mit der blanken Waffe. Als leichteste Beleidigung galt in den meisten Fällen der Ausdruck „Du bist ein dummer Junge!


[[Datei:Tusch (1894).JPG|Ein Tusch (studentische Beleidigung), dargestellt in [[Fliegende Blätter]], 1894|mini]]
Als '''Bierjunge''' (auch '''Bierskandal''', '''Bierduell''', '''Biermensur''' oder '''Trinkmensur''') bezeichnet man eine [[student]]ische Sitte des kompetitiven Trinkens von [[Bier]], wie sie heute nur noch in [[Studentenverbindung]]en gepflegt wird. Der Bierjunge entstand als Parodie auf die [[Mensur (Studentenverbindung)|studentische Mensur]] und wird nur sehr selten [[bierernst]] genommen.
Als sich im Laufe der Zeit die Überzeugung bildete, dass ein Student auf jeden Fall seine Ehre zumindest einmal mit der blanken Waffe verteidigt haben müsse, auch wenn er nicht in Streitfälle verwickelt wurde, bildete sich eine Standardbeleidigung heraus, die nicht mehr als Angriff auf die Ehre betrachtet wurde, sondern nur noch als Aufforderung zum Fechten. Diese Standardbeleidigung war der „dumme Junge“.


Am Biertisch wurden bald die Regeln und Formalismen der [[Comment]]s parodiert. Aus dem [[SC-Comment]] wurde der [[Bier-Comment]], aus dem „Ehrengericht“ das „Biergericht“, statt in den „SC-[[Verruf]]“ oder „Verschiss“ kam man in den „Bierverschiss“, aus der [[Mensur (Studentenverbindung)|Mensur]] wurde die „Biermensur“, der „dumme Junge“ wurde zum „Bierjungen“.
==Historisches==
Es lässt sich heute nicht mehr feststellen, wann Studenten angefangen haben, Bier um die Wette zu trinken. Der Ausdruck "Bierjunge" ist aber in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden, als die [[Corps]] in ihren [[Senioren-Convent]]en (SC) schriftlich die Regeln des studentischen Zusammenlebens in [[SC-Comment]]s festgelegt haben. Hier waren auch alle Fragen der [[Satisfaktion]] und des studentischen [[Duell]]s geregelt. Sogar die Schwere von Beleidigungen war genau festgesetzt und wie man auf sie zu reagieren hatte, in der Regel natürlich mit der blanken Waffe. Als leichteste Beleidigung galt in den meisten Fällen der Ausdruck "Du bist ein dummer Junge!"


Im Laufe der Zeit übernahmen auch andere [[Studentenverbindung|Korporationen]] den Brauch als Parodie auf die Gepflogenheiten der Corpsstudenten. Diese pflegen die Biermensur normalerweise noch deutlich unernster.
Als sich im Laufe der Zeit die Überzeugung bildete, dass ein Student auf jeden Fall seine Ehre zumindest einmal mit der blanken Waffe verteidigt haben müsse, auch wenn er nicht in Streitfälle verwickelt wurde, bildete sich eine Standardbeleidigung heraus, die nicht mehr als Angriff auf die Ehre betrachtet wurde, sondern nur noch als Aufforderung zum Fechten. Diese Standardbeleidigung war der "dumme Junge".


[[Gustav Schwab]]s damals bekanntes „Gewitterlied“ wurde von Kurt Luch umgedichtet.<ref>''[[s:Das Gewitter (Schwab)|Das Gewitter]]'' auf [[Wikisource]]</ref> In der 2.&nbsp;Strophe des „Syphon“ heißt es:
Am Biertisch wurden bald die Regeln und Formalismen der [[Comment]]s parodiert. Aus dem [[SC-Comment]] wurde der [[Bier-Comment]], aus dem "Ehrengericht" das "Biergericht", statt in den "SC-Verruf" oder "Verschiss" kam man in den "Bierverschiss", aus der [[Mensur (Studentenverbindung)|Mensur]] wurde die "Biermensur", der "dumme Junge" wurde zum "Bierjungen". (''Siehe dazu auch:'' [[Bierstaat]])
<poem style="margin-left: 2em; font-style: italic;">
Leibfuchs spricht: Morgen ist
Frühschoppentag,
Wie ich da wieder saufen mag,
Wie will ich spinnen und trinken Rest,
Das Bierjungetrinken ist mir ein Fest –
Dem Bierjungen, dem bin ich hold –
Hört ihr’s, wie der Syphon grollt?
</poem>


Solche Einzelgesänge wurden durch sogenannte Bummellieder unterbrochen, die der Senior anstimmte:<ref>Karl Heinrich: ''Festschrift zum 75. Stiftungsfest des Corps Masovia'', Königsberg 1905</ref>
==Ausführung==
<poem style="margin-left: 2em; font-style: italic;">
In der Regel trinken sich die beiden [[Kontrahent]]en zu, als Startsignal gilt das Anstoßen oder das Kommando "Sauft's! /
Unserm alten Hause, unserm alten Hause
Prost!" des Schiedsrichters. Sieger ist, wer sein Gefäß als erster
Ist ein Schißmalheur passiert.
vollends austrinkt und senkrecht auf den Tisch absetzt. Bei knappen Entscheidungen wird laut Regelwerk die Menge verschütteten (des "gebluteten") Bieres und der Reste im [[Bierglas|Glas]] bewertet. Ist immer noch keine Entscheidung möglich, kann man sich auf ein Unentschieden oder einen weiteren Bierjungen zur Entscheidung einigen.
</poem>


Oder:
Wird man mit "Bierjunge" zu einem solchen gefordert, erwidert man "hängt" um anzuzeigen, dass man ihn annimmt. (Teilweise haben Verbindungen, vor allem in der Schweiz, noch den [[Trinkzwang]].) Es folgt dann als Replik "hängt doppelt", "hängt vierfach" usw. Dabei sollte die Anzahl der Biere stets verdoppelt werden, ein "hängt dreifach" gilt als "[[Buxe|buxig]]". Die maximale Zeit zum Erledigen des Bierjungens beträgt fünf [[Bierminute]]n.
<poem style="margin-left: 2em; font-style: italic;">
Saufen ist das allerbest
Schon zu Christi Zeit gewest.
</poem>


Bekannt war die ''Königsberger Bier-Routine'', der Saufcomment in ''Albertinas Burschenbrauch'' von 1824.<ref>[[:Datei:Königsberger Bier-Routine.pdf|Königsberger Bier-Routine]] (PDF; 45&nbsp;kB)</ref> [[Friedrich Nietzsche]], [[Burschenschafter]] in [[Bonn]], verabscheute den „Biermaterialismus“ seiner [[Kommilitone]]n.<ref>{{Webarchiv |url=http://nietzsche.is.uni-sb.de/extrakte/xsl/ex_br_0026.xml |text=Nietzsche und der Biermaterialismus |wayback=20030613132010}}</ref>
Der Bierjunge wird in unterschiedlichen Varianten ausgetragen, so zum Beispiel - je nach Wahl - in An- oder Abwesenheit eines (oder mehr) ''Unparteiischen'' bzw. eines ''Biergerichts''. Diese Entscheidungsinstanz kann weitere Siegbedingungen festlegen, zum Beispiel "Fünf freundliche Worte an den Kontrahenten nach dem Absetzen." Oft wird auch vor dem Trinken ein Zweizeiler verlangt. Oft werden auch [[Sekundant]]en hinzugezogen.


== Ausführung ==
Als Verballhornung der Mensur ist der Bierjunge hochritualisiert, und die gleichen Personen, die man in der Mensur findet, sind -zumindest bei [[Mensur (Studentenverbindung)|Nichtschlagenden Verbindungen]]- auch häufig im Bierjungen anzutreffen ([[Paukarzt]] mal abgesehen).
Der Stellenwert des Bierjungen unterscheidet sich bei den unterschiedlichen Verbindungstypen. Corpsstudenten pflegen im Gegensatz zu anderen Studentenverbindungen eine vereinfachte Praxis, die sich mittlerweile immer weiter ausbreitet. So ist es undenkbar, dass ein Jüngerer oder gar ein [[Fuchs (Studentenverbindung)|Fuchs]] dem Älteren einen Bierjungen anträgt. Für Corpsstudenten ist der Bierjunge Ausdruck von Wertschätzung.


{{Siehe auch|Buxe}}
Der Bierjunge kann auch doppelt oder beliebig potenziert ausgetragen werden. Hierbei hat sich teils eingebürgert, die Wahl des Glases zu sportlichen und praktischen Zwecken ab bestimmten Mengen zu ermöglichen. So wird beim vierfachen Bierjungen gerne der vom Münchener [[Oktoberfest]] bekannte Maßkrug, beim achtfachen das außerhalb der Szene noch wenig bekannte Luminarc-Achteck (in Verbindungskreisen umgangssprachlich [[Karaffe]] oder Kanne) angewandt. Der irreführende Begriff [[Melange]] ist eine im [[Rheinland]] gebräuchliche Bezeichnung für einen solchen Achtfachen. Eines der größten gebräuchlichen Gemäße ist das so genannte Gurkenglas, welches einem sechzehnfachen Bierjungen entspricht und ausschließlich bei einem einzigen [[Corps]] in [[Süddeutschland]] in Gebrauch ist. Etwa die gleiche Größe hat ein bei einigen Verbindungen benutzter handelsüblicher Sektkübel. Weiterhin sind bei einem Kösener [[Corps]] im äußersten Nordostdeutschland Gemüsefächer von Kühlschränken sowie Gießkannen (bis 10,0l) commentgemäß. Wem das noch nicht reicht, der sollte sich den [[S-Klasse]]n-Kofferraumlümmel antun oder auf der Aktivenfahrt (ab 200 km) gegen den Motor saufen.


=== Rituelle Austragung ===
Üblich ist aber auch schlicht und einfach vier 0,2-0,3-Gefäße zum vierfachen Bierjungen. Gebräuchlich sind aber auch ''Mensurstiefel'', also [[Bierglas|Trinkstiefel]], dann natürlich nur bei einfacher Forderung.
Wird ein Verbindungsstudent mit dem Wort „Bierjunge“ zu einem solchen gefordert, erwidert er mit dem Wort „hängt“ oder "sitzt!", um anzuzeigen, dass er annimmt. Vor allem [[Schweizer Studentenverbindungen]] haben noch den Trinkzwang. Die maximale Zeit zum Erledigen des Bierjungens beträgt fünf [[Bier-Comment#Bierminute|Bierminuten]]. Der Bierjunge wird in unterschiedlichen Varianten ausgetragen, so zum Beispiel –&nbsp;je nach Wahl&nbsp;– in An- oder Abwesenheit eines ''Unparteiischen'' oder ''Biergerichts''. Diese Entscheidungsinstanz kann weitere Siegbedingungen festlegen, zum Beispiel „Fünf freundliche Worte an den Kontrahenten nach dem Absetzen.“ Zuweilen wird auch vor dem Trinken ein Zweizeiler verlangt. Obligat ist [[Prosit|Prostsagen]]. Oft werden auch [[Sekundant]]en hinzugezogen. Sieger ist, wer sein Gefäß als erster vollends austrinkt und senkrecht abgesetzt hat. Bei knappen Entscheidungen wird die sogenannte Nagelprobe herangezogen, welche die Menge des verschütteten Bieres und der Reste im [[Bierglas]] bewertet. Ist immer noch keine Entscheidung möglich, kann ein weiterer Bierjunge zur Entscheidung festgelegt werden.


{{Zitat|Text=Der dümmste Leim, auf den man kriecht, ist ein betrunk´nes Biergericht.|Autor=Alte Weisheit<ref>zitiert nach Siegfried Schindelmeiser, Corps Baltia, Bd. 2, S. 243</ref>}}
In Norddeutschland ist meist ein 0,2l-Glas oder 0,3l-Glas die einfache Menge für einen Bierjungen, südlich des [[Main]]s ist der 0,5l-Krug als einfache Menge üblich. Die Trinkfreude bzw. die Potenzen des Bierjungen werden dadurch leicht vermindert. Verbindungen, die dem [[Prinzipien von Studentenverbindungen|''Christianum'' oder dem ''Religio''-Prinzip]] folgen, verwenden meist, sofern sie den Bierjungen praktizieren, auch südlich des Mains 0,3l-Gläser.


=== Vereinfachte Ausführung ===
Neben Bierjungen gibt es auch Weinjungen, Sektlümmel und alle möglichen anderen Arten von -jungen, die sich nach persönlicher Präferenz und Alkoholmöglichkeit (z.B. eines Autofahrers) richten; so z.B. "Apfelschorlejungen" oder auch "Milchmädchen". Nur etwas für ganz tapfere Verbindungsstudenten in diesem Kontext der "Cola-light-Junge". Dabei ist es nicht zwingend erforderlich, dass für den Wettstreit etwas trinkbares verwendet wird: So sind auch "Zigarettenlümmel", "Brötchenjungen" oder "Gulaschsuppenjungen" bekannt.
Nach dem „Kieler Comment“ wird beim Bierjungen auf einen Unparteiischen, Sekundanten und rituelle Ausführung verzichtet. Das Anstoßen gilt hierbei als Startsignal. In dieser vereinfachten Variante folgt auf das Hängen eines Bierjungen auch oft als Replik „hängt doppelt“, „hängt vierfach“ usw. Dabei sollte die Anzahl der Biere stets verdoppelt werden, ein „hängt dreifach“ gilt als „[[Buxe|buxig]]“. In dieser vereinfachten Version fassen die Gläser 0,2 oder 0,3 Liter. Es können aber auch größere Gläser bis hin zur Karaffe verwendet werden. Außerdem kann ein Bierjunge "auf Spiel" ausgeführt werden, in diesem Fall muss der Verlierer die vorher bestimmte Anzahl an Gemäßen nochmals trinken. Als Strafe sozusagen. Neben Bierjungen gibt es auch Weinlümmel, Sektmädel und alle möglichen anderen Arten von -lümmel/-mädel, die sich nach persönlicher Präferenz richten. Dabei ist es nicht zwingend erforderlich, dass für den Wettstreit etwas Trinkbares verwendet wird. Grundsätzlich werden alle in den Wettstreitigkeiten verwendeten Speisen und Getränke außer Bier mit der Endung „-lümmel“ tituliert.


=== Überstürzen ===
Vor allem im Gegensatz zu [[Mensur (Studentenverbindung)|Nichtschlagenden Verbindungen]] (z.B. [[Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen]], [[Wingolf]], [[VVDSt]] usw.) ist der Bierjunge bei den [[Corps]] nicht zwingend Ersatz für die [[Satisfaktion]]. Aus diesem Grund gelten unter [[Corps | Corpsstudenten]] oben genannte manierierte Gepflogenheiten - sowohl in der Variation des Getränkes, wie auch in der gespreizten Austragung, als "[[Buxe|buxig]]" - vielmehr pflegen sie Bierjunge bis hin zum Kühlschranklümmel in puristischer Authentizität.
Wie im Kieler Comment dargelegt, kann ein einfacher Bierjunge statt mit der Antwort „hängt“ angenommen mit der Erwiderung „hängt doppelt“ (bei einigen Verbindungen „Pabst“) überstürzt werden. Der Vorherige, welcher den Bierjungen angetragen hat, kann nun wieder mit einem „hängt vierfach“ überstürzen.


== Stafette ==
== Stafette ==
[[Datei:Afsluitestafette.jpg|mini|Stafette]]
Zu mehr oder weniger besonderen Anlässen trinken Mitglieder von [[Studentenverbindung]]en, aber auch von [[Schülerverbindung]]en so genannte '''Stafetten'''. Eine Stafette (auch "Bier-Stafette" genannt) ist die Mannschaftsversion des Bierjungen.
Zu mehr oder weniger besonderen Anlässen trinken Mitglieder von [[Studentenverbindung]]en, aber auch von [[Schülerverbindung]]en so genannte Stafetten, die Mannschaftsversion des Bierjungen.


Bei einer Stafette stellen sich jeweils zwei (möglichst gleichstarke) Gruppen gegenüber auf und trinken der Reihe nach ihr Bier "auf ex", also in einem Zug aus. Sobald das Glas des gerade Trinkenden den Tisch berührt, nimmt der nächste der Stafette sein Glas in die Hand und trinkt dieses. Das letzte "Glied" einer Stafette ruft nach dem Absetzen "[[durch]]". Wenn beide Gruppen gleich schnell sind (''a tempo'' ital. "gleichzeitig"), sollte die Stafette wiederholt werden.
Bei einer Stafette stellen sich jeweils zwei (möglichst gleich starke) Gruppen gegenüber auf und trinken der Reihe nach ihr Bier „auf ex“, also in einem Zug aus. Sobald das Glas des gerade Trinkenden den Tisch berührt, nimmt der nächste der Stafette sein Glas in die Hand und trinkt dieses. Das letzte „Glied“ einer Stafette ruft nach dem Absetzen „durch“. Wenn beide Gruppen gleich schnell sind (''a tempo'' ital. „gleichzeitig“), sollte die Stafette wiederholt werden.


Vor einer Stafette wird üblicherweise "durchgezählt", d.h. jeder zählt zunächst die linke Seite (vom [[Biergericht]] aus gesehen, falls vorhanden, sonst egal) in aufsteigender Reihenfolge durch, der letzte fügt noch ein "Durch!" an.
Vor einer Stafette wird auf beiden Seiten wie beim [[Appell (Militär)|Appell]] „durchgezählt“. Der letzte fügt noch ein „Durch! an.


Seit den 1970er Jahren ermöglicht die [[Telekommunikation]] die Telefonstafette. Hier trinken zwei Gruppen in verschiedenen Städten gegeneinander, wobei die Ansage „durch“ per Telefon übermittelt wird. Spontane Überprüfungen des angezweifelten Ausgangs schließen sich ''ad hoc'' oft an. Auf diese Weise pflegen manche befreundete Verbindungen ihre Beziehungen.
Es haben sich viele Unterarten der Stafette entwickelt, wie z.B. die doppelte Stafette, bei der jeder Teilnehmer zwei [[Gemäße]] vor sich hat, welche er nacheinander austrinkt.


Eine Neuerung des Internetzeitalters ist die Videostafette, bei der über [[Instant Messaging]] (z.&nbsp;B. [[Skype]]) eine Überprüfung des Ausganges möglich ist. Im Jahr 2014 breitete sich über [[Facebook]] das an den Brauch angelehnte Trinkspiel [[Biernominierung]] aus.<ref>[https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/social-beer-game-das-hat-dem-internet-noch-gefehlt-12785100.html Paul Middelhoff: ''Social Beer Game. Das hat dem Internet noch gefehlt.'' In: ''faz.net'' vom 4. Februar 2014]</ref>
Eine besondere Errungenschaft des [[Telekommunikation]]szeitalters ist die Telefonstafette, die Anfang der 1970er Jahre entstanden ist. Hier trinken zwei Gruppen in verschiedenen Städten gegeneinander, wobei die Ansage "durch" per Telefon übermittelt wird. Spontane Überprüfungen des angezweifelten Ausgangs schließen sich ad hoc oft an. Auf diese Weise pflegen manche befreundete Verbindungen ihre Beziehungen.
Sie kann jedoch in keinem Fall die persönliche Stafette von Angesicht zu Angesicht ersetzen!


== Siehe auch ==
* [[Bierstaat]]
* [[Königsberger Bierreich]]
* [[Trinkspiel]]


== Literatur ==
* [[Adolf Bingel (Mediziner, 1879)|Adolf Bingel]]: ''Untersuchungen über den Einfluss des Biertrinkens und Fechtens auf das Herz junger Leute''. [[Münchener Medizinische Wochenschrift]] 54 (1907), S. 57 ff.
* Michael Foshag, Jochen Scheld und Horst Scheurer (Hg.): ''Allgemeiner Deutscher Bierkomment''. 1899; Neuausgabe [[Morstadt Verlag]], Kehl, ISBN 3-88571-316-0
* [[Peter Hauser (Autor)|Peter Hauser]]: ''Studentische Kneipzeremonien und Trinkspiele in den Alpenländern''. [[Verein für corpsstudentische Geschichtsforschung|Einst und Jetzt]], Bd. 44 (1999), S.&nbsp;19–31


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Boat race (game)|Bierjunge}}
* [http://www.bierjunge.ch Das Schweizer Bierjunge-Forum]
* [http://www.budissa.de/bier_fr.html Bierjunge online bei Corps Budissa Leipzig zu Passau]


== Einzelnachweise ==
<references />


[[Kategorie:Studentenverbindung]]
[[Kategorie:Studentisches Brauchtum und Ritual]]
[[Kategorie:Trinkspiel]]
[[Kategorie:Bierkultur]]

Aktuelle Version vom 12. Mai 2025, 23:26 Uhr

Als Bierjunge (auch Bierskandal, Bierduell, Biermensur oder Trinkmensur; in der Schweiz auch Jünger genannt) bezeichnet man einen studentischen Brauch des kompetitiven Trinkens von Bier, wie er heute noch in Studentenverbindungen gepflegt wird.

Bierduell von Georg Mühlberg (1863–1925): links und rechts stehen die Kontrahenten, in der Mitte der Unparteiische

Der Ausdruck „Bierjunge“ entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Corps in ihren Senioren-Conventen (SC) schriftlich die Regeln des studentischen Zusammenlebens in SC-Comments festlegten. Hier waren auch alle Fragen der Satisfaktion und des studentischen Duells geregelt. Sogar die Schwere von Beleidigungen war genau festgesetzt und wie man auf sie zu reagieren hatte, bisweilen auch mit der blanken Waffe. Als leichteste Beleidigung galt in den meisten Fällen der Ausdruck „Du bist ein dummer Junge!“

Ein Tusch (studentische Beleidigung), dargestellt in Fliegende Blätter, 1894

Als sich im Laufe der Zeit die Überzeugung bildete, dass ein Student auf jeden Fall seine Ehre zumindest einmal mit der blanken Waffe verteidigt haben müsse, auch wenn er nicht in Streitfälle verwickelt wurde, bildete sich eine Standardbeleidigung heraus, die nicht mehr als Angriff auf die Ehre betrachtet wurde, sondern nur noch als Aufforderung zum Fechten. Diese Standardbeleidigung war der „dumme Junge“.

Am Biertisch wurden bald die Regeln und Formalismen der Comments parodiert. Aus dem SC-Comment wurde der Bier-Comment, aus dem „Ehrengericht“ das „Biergericht“, statt in den „SC-Verruf“ oder „Verschiss“ kam man in den „Bierverschiss“, aus der Mensur wurde die „Biermensur“, der „dumme Junge“ wurde zum „Bierjungen“.

Im Laufe der Zeit übernahmen auch andere Korporationen den Brauch als Parodie auf die Gepflogenheiten der Corpsstudenten. Diese pflegen die Biermensur normalerweise noch deutlich unernster.

Gustav Schwabs damals bekanntes „Gewitterlied“ wurde von Kurt Luch umgedichtet.[1] In der 2. Strophe des „Syphon“ heißt es:

Leibfuchs spricht: Morgen ist
Frühschoppentag,
Wie ich da wieder saufen mag,
Wie will ich spinnen und trinken Rest,
Das Bierjungetrinken ist mir ein Fest –
Dem Bierjungen, dem bin ich hold –
Hört ihr’s, wie der Syphon grollt?

Solche Einzelgesänge wurden durch sogenannte Bummellieder unterbrochen, die der Senior anstimmte:[2]

Unserm alten Hause, unserm alten Hause
Ist ein Schißmalheur passiert.

Oder:

Saufen ist das allerbest
Schon zu Christi Zeit gewest.

Bekannt war die Königsberger Bier-Routine, der Saufcomment in Albertinas Burschenbrauch von 1824.[3] Friedrich Nietzsche, Burschenschafter in Bonn, verabscheute den „Biermaterialismus“ seiner Kommilitonen.[4]

Der Stellenwert des Bierjungen unterscheidet sich bei den unterschiedlichen Verbindungstypen. Corpsstudenten pflegen im Gegensatz zu anderen Studentenverbindungen eine vereinfachte Praxis, die sich mittlerweile immer weiter ausbreitet. So ist es undenkbar, dass ein Jüngerer oder gar ein Fuchs dem Älteren einen Bierjungen anträgt. Für Corpsstudenten ist der Bierjunge Ausdruck von Wertschätzung.

Rituelle Austragung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wird ein Verbindungsstudent mit dem Wort „Bierjunge“ zu einem solchen gefordert, erwidert er mit dem Wort „hängt“ oder "sitzt!", um anzuzeigen, dass er annimmt. Vor allem Schweizer Studentenverbindungen haben noch den Trinkzwang. Die maximale Zeit zum Erledigen des Bierjungens beträgt fünf Bierminuten. Der Bierjunge wird in unterschiedlichen Varianten ausgetragen, so zum Beispiel – je nach Wahl – in An- oder Abwesenheit eines Unparteiischen oder Biergerichts. Diese Entscheidungsinstanz kann weitere Siegbedingungen festlegen, zum Beispiel „Fünf freundliche Worte an den Kontrahenten nach dem Absetzen.“ Zuweilen wird auch vor dem Trinken ein Zweizeiler verlangt. Obligat ist Prostsagen. Oft werden auch Sekundanten hinzugezogen. Sieger ist, wer sein Gefäß als erster vollends austrinkt und senkrecht abgesetzt hat. Bei knappen Entscheidungen wird die sogenannte Nagelprobe herangezogen, welche die Menge des verschütteten Bieres und der Reste im Bierglas bewertet. Ist immer noch keine Entscheidung möglich, kann ein weiterer Bierjunge zur Entscheidung festgelegt werden.

„Der dümmste Leim, auf den man kriecht, ist ein betrunk´nes Biergericht.“

Alte Weisheit[5]

Vereinfachte Ausführung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem „Kieler Comment“ wird beim Bierjungen auf einen Unparteiischen, Sekundanten und rituelle Ausführung verzichtet. Das Anstoßen gilt hierbei als Startsignal. In dieser vereinfachten Variante folgt auf das Hängen eines Bierjungen auch oft als Replik „hängt doppelt“, „hängt vierfach“ usw. Dabei sollte die Anzahl der Biere stets verdoppelt werden, ein „hängt dreifach“ gilt als „buxig“. In dieser vereinfachten Version fassen die Gläser 0,2 oder 0,3 Liter. Es können aber auch größere Gläser bis hin zur Karaffe verwendet werden. Außerdem kann ein Bierjunge "auf Spiel" ausgeführt werden, in diesem Fall muss der Verlierer die vorher bestimmte Anzahl an Gemäßen nochmals trinken. Als Strafe sozusagen. Neben Bierjungen gibt es auch Weinlümmel, Sektmädel und alle möglichen anderen Arten von -lümmel/-mädel, die sich nach persönlicher Präferenz richten. Dabei ist es nicht zwingend erforderlich, dass für den Wettstreit etwas Trinkbares verwendet wird. Grundsätzlich werden alle in den Wettstreitigkeiten verwendeten Speisen und Getränke außer Bier mit der Endung „-lümmel“ tituliert.

Wie im Kieler Comment dargelegt, kann ein einfacher Bierjunge statt mit der Antwort „hängt“ angenommen mit der Erwiderung „hängt doppelt“ (bei einigen Verbindungen „Pabst“) überstürzt werden. Der Vorherige, welcher den Bierjungen angetragen hat, kann nun wieder mit einem „hängt vierfach“ überstürzen.

Stafette

Zu mehr oder weniger besonderen Anlässen trinken Mitglieder von Studentenverbindungen, aber auch von Schülerverbindungen so genannte Stafetten, die Mannschaftsversion des Bierjungen.

Bei einer Stafette stellen sich jeweils zwei (möglichst gleich starke) Gruppen gegenüber auf und trinken der Reihe nach ihr Bier „auf ex“, also in einem Zug aus. Sobald das Glas des gerade Trinkenden den Tisch berührt, nimmt der nächste der Stafette sein Glas in die Hand und trinkt dieses. Das letzte „Glied“ einer Stafette ruft nach dem Absetzen „durch“. Wenn beide Gruppen gleich schnell sind (a tempo ital. „gleichzeitig“), sollte die Stafette wiederholt werden.

Vor einer Stafette wird auf beiden Seiten wie beim Appell „durchgezählt“. Der letzte fügt noch ein „Durch!“ an.

Seit den 1970er Jahren ermöglicht die Telekommunikation die Telefonstafette. Hier trinken zwei Gruppen in verschiedenen Städten gegeneinander, wobei die Ansage „durch“ per Telefon übermittelt wird. Spontane Überprüfungen des angezweifelten Ausgangs schließen sich ad hoc oft an. Auf diese Weise pflegen manche befreundete Verbindungen ihre Beziehungen.

Eine Neuerung des Internetzeitalters ist die Videostafette, bei der über Instant Messaging (z. B. Skype) eine Überprüfung des Ausganges möglich ist. Im Jahr 2014 breitete sich über Facebook das an den Brauch angelehnte Trinkspiel Biernominierung aus.[6]

Commons: Bierjunge – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Das Gewitter auf Wikisource
  2. Karl Heinrich: Festschrift zum 75. Stiftungsfest des Corps Masovia, Königsberg 1905
  3. Königsberger Bier-Routine (PDF; 45 kB)
  4. Nietzsche und der Biermaterialismus (Memento vom 13. Juni 2003 im Internet Archive)
  5. zitiert nach Siegfried Schindelmeiser, Corps Baltia, Bd. 2, S. 243
  6. Paul Middelhoff: Social Beer Game. Das hat dem Internet noch gefehlt. In: faz.net vom 4. Februar 2014