Zum Inhalt springen

„Servetus-Gedenkstein“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Eskimbot (Diskussion | Beiträge)
K Bot: Ergänze: fr
 
(39 dazwischenliegende Versionen von 30 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:MonumentServet1.jpg|mini|hochkant=1.5|Gedenkstein 2010]]
Der '''Servetus-Gedenkstein''' ist ein Denkmal im [[Genf]]er Stadtteil ''Champel'', das an die Hinrichtung von [[Michael Servetus|Miguel Serveto y Reves]] am [[27. Oktober]] [[1553]] erinnert.
<!--schweizbezogen-->Der '''Servetus-Gedenkstein''' ist ein [[Gedenkstein]] im [[Genf]]er Stadtteil ''Champel'', der an die [[Hinrichtung]] von [[Michael Servetus|Miguel Serveto y Reves]] am 27. Oktober 1553 erinnert.


Aufgestellt wurde er am [[27. Oktober]] [[1903]], dem 350. Jahrestag der Hinrichtung, bei der Einmündung der ''Avenue de la Roseraie'' in die ''Avenue de Beau-Séjour'', ungefähr dort, wo seinerzeit der Scheiterhaufen brannte. [[1902]] hatte in Genf vom [[14. September|14.]] bis zum [[18. September]] ein internationaler Kongress von [[Freidenker]]n stattgefunden. Auf den Vorschlag des [[Spanien|spanischen]] [[Atheismus|Atheisten]] [[Pompeyo Gener]] (1848-1919) hin wurde damals entschieden, an der ehemaligen Richtstätte solle ein Denkmal für Servet errichtet werden, und zu diesem Zweck eine internationale Kommission gegründet.
Aufgestellt wurde er am 27. Oktober 1903, dem 350. Jahrestag der Hinrichtung, bei der Einmündung der ''Avenue de la Roseraie'' in die ''Avenue de Beau-Séjour'', ungefähr dort, wo seinerzeit der [[Scheiterhaufen]] brannte. 1902 hatte in Genf vom 14. bis zum 18. September ein internationaler Kongress von [[Freidenker]]n stattgefunden. Auf den Vorschlag des [[Spanien|spanischen]] [[Atheismus|Atheisten]] [[Pompeyo Gener]] (1848–1919) hin wurde damals entschieden, an der ehemaligen Richtstätte solle ein Denkmal für Servet errichtet werden, und zu diesem Zweck eine internationale Kommission gegründet.


[[Reformierte Kirche|Reformierten]] Kreisen in Genf gelang es, das Projekt zu verhindern und stattdessen ein Gegenmonument zu errichten, das weniger das Schicksal Servets würdigt als zur Entschuldigung von [[Johannes Calvin]] dient. Die Inschrift wurde von [[Émile Doumergue]], einem Professor an der theologischen Fakultät von [[Montauban]] und eifrigen [[Calvinismus|Calvinisten]] verfasst, und lautet auf der Vorderseite:
[[Reformierte Kirche|Reformierten]] Kreisen in Genf gelang es, das Projekt zu verhindern und stattdessen ein Gegenmonument zu errichten, das weniger das Schicksal Servets, der überhaupt unerwähnt bleibt, würdigt als zur Entschuldigung von [[Johannes Calvin]] dient. Die Inschrift wurde von [[Émile Doumergue]], einem Professor an der theologischen Fakultät von [[Montauban]] und eifrigen [[Calvinismus|Calvinisten]] verfasst, und lautet auf der Vorderseite:


{| width="60%"
{| border="1" cellspacing="0" cellpadding="5"
! !! Übersetzung
|Fils respectueux et reconnaissants de Calvin</br>
|-
notre grand réformateur</br>
| width="50%"| <poem lang="fr" style="text-transform:uppercase;text-align:center;border:1px solid;">
mais condamnant une erreur</br>
Fils
qui fut celle de son siècle</br>
respectueux et reconnaissants
et fermement attachés à la liberté de conscience</br>
de Calvin
selon les vrais principes de la Réformation</br>
notre grand réformateur
et de l'Évangile</br>
mais condamnant une erreur
nous avons élevé ce monument expiatoire</br>
qui fut celle de son siècle
le XXVII octobre MCMIII
et fermement attachés
|Als achtungsvolle und dankbare Söhne Calvins</br>
à la liberté de conscience
unseres großen Reformators</br>
selon les vrais principes de
die aber einen Fehler verurteilen</br>
la Réformation et de l’Évangile
welcher der seines Jahrhunderts war</br>
nous avons élevé
und fest verbunden der Freiheit des Gewissens</br>
ce monument expiatoire
gemäß den wahren Grundsätzen der Reformation</br>
le XXVII octobre MCMIII
und des Evangeliums</br>
</poem>
haben wir dieses Sühnemal errichtet</br>
| width="50%"| <poem style="text-align:center;padding:0 1em;">
Als
achtungsvolle und dankbare Söhne
Calvins
unseres grossen Reformators
die aber einen Fehler verurteilen
welcher der seines Jahrhunderts war
und fest verbunden der Freiheit des Gewissens
gemäss den wahren Grundsätzen
der Reformation und des Evangeliums
haben wir dieses Sühnemal errichtet
am 27. Oktober 1903
am 27. Oktober 1903
</poem>
|}
|}


Auf der Rückseite des Steines sind die Lebensdaten von Servetus und die Tatsache seiner Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen verzeichnet:
Erst viele Jahre später wurden auf der Rückseite des Steines in einer weiteren Inschrift die Lebensdaten von Servetus und die Tatsache seiner Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen verzeichnet:


{| width="60%"

! !! Übersetzung
<center>
|-
{| border="1" cellspacing="0" cellpadding="5"
| width="50%"| <poem lang="fr" style="text-transform:uppercase;text-align:center;border:1px solid;">
|Le XXVII octobre MDLIII</br>
Le XXVII octobre MDLIII
mourut sur le bucher</br>
mourut sur le bucher
à Champel</br>
à Champel
Michel Servet</br>
Michel Servet
de Villeneuve d'Aragon</br>
de Villeneuve d’Aragon
né le XXIX septembre MDXI
né le XXIX septembre MDXI
</poem>
|Am 27. Oktober 1553</br>
| width="50%"| <poem style="text-align:center;padding:0 1em;">
starb auf dem Scheiterhaufen</br>
Am 27. Oktober 1553
in Champel</br>
starb auf dem Scheiterhaufen
Michel Servet</br>
in Champel
aus Villeneuve d´Aragon</br>
Michel Servet
aus Villeneuve d’Aragon
geboren am 29. September 1511
geboren am 29. September 1511
</br>
</poem>
|}
|}
</center>


Heute trägt eine Strasse zwischen der Einmündung der ''Avenue de la Roseraie'' in die ''Avenue de Beau-Séjour'' und dem Plateau de [[Champel]] den Namen ''Rue Michel-Servet''.


Ein eigentliches Denkmal für Servet wurde [[1908]] auf [[Frankreich|französischem]] Boden in der Ortschaft [[Annemasse]] errichtet, die an der [[Schweiz]]er Grenze nur 8 km vom Genfer Stadtzentrum und 4 km vom Hügel von Champel entfernt liegt. Diesmal kam die Intitative von einer Gruppe liberaler und [[Unitarier|unitarischer]] Christen aus Genf und aus [[Frankreich]]. Das Denkmal bestand aus einer [[Bronze]]statue und war von der [[Protestantismus|protestantischen]] Genferin [[Clotilde Roch]] (1861-1921) entworfen worden, die unter anderem auch [[1915]] für das [[Bundeshaus]] in [[Bern]] unter dem Titel ''La Dernière Bouchée de pain'' ("Der letzte Bissen Brot") die Statue einer Frau schuf, die ein Kind mit Brot speist.
Ein eigentliches Denkmal für Servet wurde 1908 auf [[Frankreich|französischem]] Boden in der Ortschaft [[Annemasse]] errichtet, die an der [[Schweiz]]er Grenze nur 8 km vom Genfer Stadtzentrum und 4 km vom Hügel von Champel entfernt liegt. Diesmal kam die Initiative von einer Gruppe liberaler und [[Unitarismus (Religion)|unitarischer]] Christen aus Genf und aus [[Frankreich]]. Das Denkmal bestand aus einer [[Bronze]]statue und war von der [[Protestantismus|protestantischen]] Genferin [[Clotilde Roch]] (1861–1921) entworfen worden, die unter anderem auch 1915 für das [[Bundeshaus (Bern)|Bundeshaus]] in [[Bern]] unter dem Titel ''La Dernière Bouchée de pain'' («Der letzte Bissen Brot») die Statue einer Frau schuf, die ein Kind mit Brot speist.


Auf Geheiß des mit den [[Deutschland|deutschen]] Besatzungstruppen [[Kollaboration|kollaborierenden]] [[Vichy-Regime]]s wurde das Denkmal in Annemasse am [[13. September]] [[1941]] zerstört. Die [[Résistance]] soll auf den Sockel des zerstörten Denkmals einen Kranz niedergelegt haben, dessen Schleife die Aufschrift trug: "Für Michel Servet, das erste Opfer des [[Faschismus]]". Am [[4. September]] [[1960]] wurde in Annemasse eine Kopie der Bronzestatue enthüllt.
Auf Geheiss des mit den [[Deutsche Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg|deutschen Besatzungstruppen]] [[Kollaboration|kollaborierenden]] [[Vichy-Regime]]s wurde das Denkmal in Annemasse am 13. September 1941 zerstört. Die [[Résistance]] soll auf den Sockel des zerstörten Denkmals einen Kranz niedergelegt haben, dessen Schleife die Aufschrift trug: «Für Michel Servet, das erste Opfer des [[Faschismus]]». Am 4. September 1960 wurde in Annemasse eine Kopie der Bronzestatue enthüllt.


Ein weiteres Denkmal für Servet steht in der französischen Stadt [[Vienne (Stadt)|Vienne]], wo dieser seit [[1540]] gewohnt hatte.
Ein weiteres Denkmal für Servet steht in der französischen Stadt [[Vienne]], wo er seit 1540 gewohnt hatte.

== Siehe auch ==
* [[Reformationsdenkmal (Genf)]]


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [https://www.filosofia.org/lugares/001/g018.htm Spanischer Artikel zur Vorgeschichte der Denkmäler in Annemasse und Genf]
*[http://pbisotopes.ess.sunysb.edu/UU-history/servetus.htm Beschreibung des Gedenksteins in Englisch mit Abbildungen und Lageplan]
*[http://www.filosofia.org/lugares/001/g018.htm Spanischer Artikel zur Vorgeschichte der Denkmäler in Annemasse und Genf]

== Siehe auch ==
*[[Reformationsdenkmal (Genf)]]


{{Coordinate| NS=46/11/33.47/N| EW=6/9/1.26/E|type=landmark|dim=1 |region=CH-GE}}
[[Kategorie:Denkmal in der Schweiz]]
[[Kategorie:Denkmal in der Schweiz]]
[[Kategorie:Reformation]]
[[Kategorie:Bauwerk in Genf]]
[[Kategorie:Reformationsgedenken]]
[[Kategorie:Reformierte Kultur]]
[[Kategorie:Reformierte Kultur]]
[[Kategorie:Genf (Kanton)]]
[[Kategorie:Gedenkstein]]
[[Kategorie:Denkmal nach Person (Christentum)]]

[[Kategorie:Skulptur (1903)]]
[[fr:Monument de Michel Servet]]
[[Kategorie:Inschrift in der Schweiz]]
[[Kategorie:Kunst (Genf)]]
[[Kategorie:Christliche Inschrift]]

Aktuelle Version vom 14. Januar 2025, 17:42 Uhr

Gedenkstein 2010

Der Servetus-Gedenkstein ist ein Gedenkstein im Genfer Stadtteil Champel, der an die Hinrichtung von Miguel Serveto y Reves am 27. Oktober 1553 erinnert.

Aufgestellt wurde er am 27. Oktober 1903, dem 350. Jahrestag der Hinrichtung, bei der Einmündung der Avenue de la Roseraie in die Avenue de Beau-Séjour, ungefähr dort, wo seinerzeit der Scheiterhaufen brannte. 1902 hatte in Genf vom 14. bis zum 18. September ein internationaler Kongress von Freidenkern stattgefunden. Auf den Vorschlag des spanischen Atheisten Pompeyo Gener (1848–1919) hin wurde damals entschieden, an der ehemaligen Richtstätte solle ein Denkmal für Servet errichtet werden, und zu diesem Zweck eine internationale Kommission gegründet.

Reformierten Kreisen in Genf gelang es, das Projekt zu verhindern und stattdessen ein Gegenmonument zu errichten, das weniger das Schicksal Servets, der überhaupt unerwähnt bleibt, würdigt als zur Entschuldigung von Johannes Calvin dient. Die Inschrift wurde von Émile Doumergue, einem Professor an der theologischen Fakultät von Montauban und eifrigen Calvinisten verfasst, und lautet auf der Vorderseite:

Übersetzung

Fils
respectueux et reconnaissants
de Calvin
notre grand réformateur
mais condamnant une erreur
qui fut celle de son siècle
et fermement attachés
à la liberté de conscience
selon les vrais principes de
la Réformation et de l’Évangile
nous avons élevé
ce monument expiatoire
le XXVII octobre MCMIII

Als
achtungsvolle und dankbare Söhne
Calvins
unseres grossen Reformators
die aber einen Fehler verurteilen
welcher der seines Jahrhunderts war
und fest verbunden der Freiheit des Gewissens
gemäss den wahren Grundsätzen
der Reformation und des Evangeliums
haben wir dieses Sühnemal errichtet
am 27. Oktober 1903

Erst viele Jahre später wurden auf der Rückseite des Steines in einer weiteren Inschrift die Lebensdaten von Servetus und die Tatsache seiner Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen verzeichnet:

Übersetzung

Le XXVII octobre MDLIII
mourut sur le bucher
à Champel
Michel Servet
de Villeneuve d’Aragon
né le XXIX septembre MDXI

Am 27. Oktober 1553
starb auf dem Scheiterhaufen
in Champel
Michel Servet
aus Villeneuve d’Aragon
geboren am 29. September 1511

Heute trägt eine Strasse zwischen der Einmündung der Avenue de la Roseraie in die Avenue de Beau-Séjour und dem Plateau de Champel den Namen Rue Michel-Servet.

Ein eigentliches Denkmal für Servet wurde 1908 auf französischem Boden in der Ortschaft Annemasse errichtet, die an der Schweizer Grenze nur 8 km vom Genfer Stadtzentrum und 4 km vom Hügel von Champel entfernt liegt. Diesmal kam die Initiative von einer Gruppe liberaler und unitarischer Christen aus Genf und aus Frankreich. Das Denkmal bestand aus einer Bronzestatue und war von der protestantischen Genferin Clotilde Roch (1861–1921) entworfen worden, die unter anderem auch 1915 für das Bundeshaus in Bern unter dem Titel La Dernière Bouchée de pain («Der letzte Bissen Brot») die Statue einer Frau schuf, die ein Kind mit Brot speist.

Auf Geheiss des mit den deutschen Besatzungstruppen kollaborierenden Vichy-Regimes wurde das Denkmal in Annemasse am 13. September 1941 zerstört. Die Résistance soll auf den Sockel des zerstörten Denkmals einen Kranz niedergelegt haben, dessen Schleife die Aufschrift trug: «Für Michel Servet, das erste Opfer des Faschismus». Am 4. September 1960 wurde in Annemasse eine Kopie der Bronzestatue enthüllt.

Ein weiteres Denkmal für Servet steht in der französischen Stadt Vienne, wo er seit 1540 gewohnt hatte.

Koordinaten: 46° 11′ 33,47″ N, 6° 9′ 1,26″ O; CH1903: 500546 / 116504