„Pädophilie“ – Versionsunterschied
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|01-CODE= F65.4 |
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|01-BEZEICHNUNG= Pädophilie |
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'''Pädophilie''' (von [[Griechische Sprache|griechisch]] παις (''pais'') „[[Knabe]], [[Kind]]“ und φιλια (''philia'') „Freundschaft“) nennt man die primäre erotisch-sexuelle Neigung Erwachsener zu Personen vor der [[Geschlechtsreife]] (im folgenden „Kinder“ genannt). Das Wort „Pädosexualität“ wird oft synonym zu Pädophilie verwendet. |
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Der Begriff '''Pädophilie''' (von {{grcS|παῖς|paîs}} „[[Junge|Knabe]], [[Kind]]“ und {{lang|grc|φιλία|philía}} „Freundschaft“) bezeichnet das ausschließliche oder überwiegende sexuelle Interesse von Menschen an Kindern vor Erreichen der [[Pubertät]]. Sind die jeweiligen Bedingungen der verschiedenen diagnostischen Manuale erfüllt, wird Pädophilie als [[psychische Störung]], genauer als Störung der [[Sexualpräferenz]] bzw. als [[Paraphilie|paraphile Störung]] klassifiziert. Werden entsprechende Neigungen in Handlung umgesetzt, sind im Regelfall zugleich [[strafrecht]]liche [[Rechtsnorm|Normen]] verletzt, die [[sexuelle Handlung]]en mit Kindern zum Gegenstand haben. |
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Im [[International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems|ICD-10]] wird Pädophilie unter dem Code F65.4 (Störung der Sexualpräferenz) geführt; im [[DSM 4|DSM-IV]] unter 302.2 ([[Paraphilie]]). |
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In der [[Massenmedien|medialen]] wie [[Wissenschaft|wissenschaftlichen]] Rezeption wird der Begriff Pädophilie nicht selten als [[Synonym]] für den sexuellen Missbrauch von Kindern bzw. Jugendlichen verwendet. Das ist insofern falsch, als weder der [[Sexueller Missbrauch von Kindern|sexuelle Missbrauch von Kindern]] noch der [[Sexueller Missbrauch von Jugendlichen|sexuelle Missbrauch von Jugendlichen]] – anders als die Pädophilie – eine spezifisch auf diese Altersgruppen gerichtete Sexualpräferenz voraussetzt. Auch ist der Perversionsbegriff von jenem der [[Pädosexualität]] abzugrenzen, der ein abweichendes und in der Regel strafbares Sexualverhalten beschreibt, das jedoch nicht mit einer Pädophilie assoziiert sein muss. Für beide Begriffe gibt es keine Definition, auf die sich die [[Sexualwissenschaft]] oder andere wissenschaftliche Disziplinen geeinigt hätten, was ihre undifferenzierte Verwendung begünstigt. |
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== Eingrenzung des Begriffes == |
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Eingeführt wurde der Begriff (als „Paedophilia erotica“) [[1896]] durch den Wiener Psychiater [[Richard von Krafft-Ebing]] in dessen Schrift ''Psychopathia sexualis''. Im Wesentlichen ist es bei seiner Definition geblieben. Für Pädophilie werden folgende Merkmale aufgeführt: |
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== Begriff == |
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*Das sexuelle Interesse gilt Kindern, die sich vor oder am Beginn der [[Pubertät]] befinden |
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=== Geschichte und diagnostische Einordnung === |
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*Das sexuelle Interesse ist dabei primär, das heißt ausschließlich bzw. überwiegend und ursprünglich auf Kinder ausgerichtet |
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Eingeführt wurde der Begriff als ''„Paedophilia erotica“'' 1886 durch den Wiener Psychiater [[Richard von Krafft-Ebing]] in dessen Schrift ''[[Psychopathia sexualis (Krafft-Ebing)|Psychopathia sexualis]]''.<ref>Richard von Krafft-Ebing: ''Psychopathia sexualis''. Neuauflage. Matthes & Seitz, Berlin 1997, ISBN 3-88221-351-5.</ref> Im Wesentlichen ist es bei seiner Definition geblieben. Für Pädophilie werden folgende Merkmale aufgeführt: |
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*Das sexuelle Interesse ist zeitlich überdauernd |
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* Das sexuelle Interesse gilt Kindern, die sich vor der Pubertät im Sinne der [[Geschlechtsreife#Mensch|Geschlechtsreifung]] befinden. |
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Manche Definitionen setzen zusätzlich ein Altersunterschied von mindestens fünf Jahren voraus, um so sexuelles Interesse von Kindern und Jugendlichen an Kindern nicht zu pathologisieren. Dem entgegen steht jedoch die Beobachtung, dass sich eine pädophile Orientierung bereits in der [[Adoleszenz]] – oder in der Kindheit – heranbildet. |
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* Das sexuelle Interesse ist dabei primär, das heißt ausschließlich bzw. überwiegend und ursprünglich, auf Kinder ausgerichtet. |
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* Das sexuelle Interesse ist zeitlich überdauernd. |
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Im Jahr 1985 legten Sharon Araji und [[David Finkelhor]] ein [[Systematische Übersichtsarbeit|Review]] empirischer Studien zur Pädophilie vor.<ref>{{Literatur |Autor=Sharon Araji, [[David Finkelhor]] |Titel=Explanations of pedophilia. Review of empirical research |Sammelwerk=Bulletin of the American Academy of Psychiatry and the Law |Band=13 |Nummer=1 |Datum=1985 |Sprache=en |Seiten=17–37 |Online=https://scholars.unh.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1210&context=soc_facpub |Abruf=2023-03-07}}</ref> |
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Pädophilie liegt dann nicht vor, wenn zwar eine sexuelle Erregbarkeit durch Kinder besteht, diese aber nicht primär ist. Viele erwachsene Männer sind auch durch Kinder sexuell stimulierbar (Hall et. al 1995, Freund und Watson 1991 und Quinsey et al. 1975), im Unterschied zu Pädophilen jedoch interessieren sie sich sexuell in erster Linie für Erwachsene. Ebenso sind Pädophile teils auch durch Erwachsene stimulierbar, interessieren sich aber in erster Linie für Kinder. |
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Grundlage für die Diagnosestellung einer pädophilen Sexualpräferenz sind heute die in der [[Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme|Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme]] (ICD) sowie die im US-amerikanischen [[DSM-5]] festgelegten Diagnosekriterien. Teilweise widersprechen sich die dort genannten Diagnosekriterien. Zudem gibt es weitere Pädophiliedefinitionen, die seltener verwendet werden und ebenfalls nicht einheitlich sind. |
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Im Gegensatz dazu wird die Bezeichnung ''Pädophilie'' oft nicht im streng wissenschaftlichen Sinne verwendet, wenn grundsätzlich alle [[Täter]], die [[Sexueller Missbrauch von Kindern|Kinder sexuell missbrauchen]] als Pädophile bezeichnet werden. Vor allem sexueller Missbrauch innerhalb der Familie wird oft falsch eingeordnet. Im Fall der nicht primär durch Kinder stimulierbaren Männer spricht man bisweilen auch von ''Pseudopädophilie''. Originäre Pädophile werden zur besseren Abgrenzung auch als ''strukturiert pädophil'' bezeichnet, da ihre sexuelle Orientierung fest in der Persönlichkeitsstruktur verankert ist. |
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In der ICD-10, 2014, ist die Diagnose ''Pädophilie'' unter den Code F65.4 im Kapitel der ''Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen'' (F60 bis F69) als ''Störung der Sexualpräferenz'' verortet. Definiert wird sie als „Sexuelle Präferenz für Kinder, die sich zumeist in der Vorpubertät oder in einem frühen Stadium der Pubertät befinden“.<ref>Horst Dilling, Werner Mombour, Martin H. Schmidt: ''Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische Leitlinien.'' 9. Auflage. Huber, Bern 2014, ISBN 978-3-456-85386-4.</ref> |
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Die primäre Neigung zu Jugendlichen (also Menschen nach Beginn der [[Pubertät]]), wird als [[Ephebophilie]] bezeichnet. Geht es nur um die Neigung zu männlichen Jugendlichen, spricht man von [[Päderastie]]. |
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Pädophilie wird damit ausschließlich als „sexuelle Präferenz“ beschrieben. Maßgeblich sind hier die gedanklichen Vorlieben, die sich (in Anlehnung an Krafft-Ebing) vorrangig auf vorpubertäre Kinder richten müssen. Ob diese Fantasien ausgelebt werden oder nicht, bleibt offen und ist für die Diagnosestellung zweitrangig. |
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Im [[DSM-5]], 2015, ist die Pädophilie, dort als ''Pädophile Störung'' bezeichnet, ebenfalls unter F65.4 als ''Paraphile Störung'' ([[Paraphilie]]) klassifiziert und setzt ein Mindestalter von 16 Jahren voraus. Ebenso muss der Betroffene mindestens fünf Jahre älter sein als das Kind. Zu bestimmen ist außerdem, ob es sich bei der Störung um einen „ausschließlichen Typ (nur auf Kinder orientiert)“ oder einen „nicht ausschließlichen Typ“ handelt, ob die Person „sexuell orientiert auf Jungen“, „sexuell orientiert auf Mädchen“ oder „sexuell orientiert auf Jungen und Mädchen“ ist, und ob die Pädophilie „beschränkt auf [[Inzest]]“ ist. Nicht einzuschließen sind Spätadoleszente, die sich in einer dauerhaften sexuellen Beziehung mit einem 12- oder 13-jährigen Partner bzw. einer Partnerin gleichen Alters befinden.<ref>Peter Falkai, Hans-Ulrich Wittchen: ''Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5''. Hogrefe, Göttingen 2015, ISBN 978-3-8017-2599-0.</ref> Die Diagnosemerkmale nach DSM-5 sind sowohl präferenz- als auch verhaltensorientiert. Das heißt, die Diagnose ''Pädophilie'' kann sich sowohl auf sexuell dranghafte Bedürfnisse oder Fantasien beziehen als auch auf konkrete sexuelle Handlungen mit Kindern. Nach der verhaltensorientierten Definition können sämtliche Missbrauchstäter als pädophil eingestuft werden, auch wenn sie – anders als nach Krafft-Ebing – in ihrer Sexualität nicht primär auf Kinder ausgerichtet sind. |
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Die Sexualwissenschaftler der Berliner [[Charité]] bezeichnen Pädophilie als die „ausschließliche oder überwiegende sexuelle Ansprechbarkeit durch vorpubertäre Kinderkörper“.<ref name="Ahlers/Beier/Schaefer" /> Über das sexuelle Verhalten einer Person sage der Begriff nichts aus, sondern lediglich über die sexuelle Ausrichtung auf das vorpubertäre Alter. [[Gunter Schmidt (Sexualwissenschaftler)|Gunter Schmidt]] bezeichnet Pädophile als „Männer, deren sexuelle Wünsche und deren Wünsche nach Beziehung und Liebe vorrangig oder ausschließlich auf vorpubertäre Kinder gerichtet sind, wobei diese drei Bereiche – Sexualität, Beziehung, Liebe – wie bei anderen Menschen auch unterschiedlich gewichtet sein können“.<ref name="Schmidt">Gunter Schmidt: ''Über die Tragik pädophiler Männer.'' In: ''Zeitschrift für Sexualforschung.'' Nr. 2, 1999, S. 133–139.</ref> Neben der Beschränkung auf Männer betont Schmidt damit im Unterschied zu den diagnostischen Kriterien von ICD und DSM den emotionalen Aspekt der pädophilen Sexualpräferenz. Davison und Neale legen in ihrem Lehrbuch ''Klinische Psychologie'' hingegen eine primär verhaltensorientierte Definition zugrunde, wenn sie Pädophile als Menschen beschreiben, „die durch körperlichen und oft auch sexuellen Kontakt mit präpubertären Kindern, mit denen sie nicht verwandt sind, sexuelle Befriedigung erlangen“.<ref name="Davison/Neale">Gerald C. Davison, John M. Neale: ''Klinische Psychologie.'' 7. Auflage. Beltz PVU, Weinheim 2007, ISBN 978-3-621-27614-6, S. 505–508.</ref> |
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Pädophilie liegt nicht vor, wenn zwar eine sexuelle Erregbarkeit durch Kinder besteht, diese aber nicht primär ist. In mehreren [[Phallografie|phallometrischen]] Studien konnte nachgewiesen werden, dass nicht wenige Männer durch präpubertäre [[Reiz|Stimuli]] (erotische Bilder oder Audiogeschichten) sexuell erregt werden können: In jenen Studien, bei denen zur Ergebnisermittlung die durchschnittliche sexuelle Erregung durch die präpubertären Stimuli mit der durchschnittlichen sexuellen Erregung durch die [[adult]]en Stimuli verglichen wurde, zeigten 6 bis 32 Prozent der erwachsenen Männer unter den präpubertären Stimuli eine mindestens genauso starke sexuelle Erregung wie unter den adulten Stimuli; in jenen Studien, bei denen die jeweiligen maximalen sexuellen Erregungen miteinander verglichen wurden, waren es 25 bis 28 Prozent.<ref>Kurt Freund, Robin J. Watson: ''Assessment of the sensitivity and specificity of a phallometric test: An update of phallometric diagnosis of pedophilia.'' In: ''Psychological Assessment. A Journal of Consulting and Clinical Psychology.'' Band 3, 1991, Nr. 2, S. 254–260.</ref><ref>Orestes Fedora u. a.: ''Sadism and other paraphilias in normal controls and aggressive and nonaggressive sex offenders.'' In: ''Archives of Sexual Behavior.'' Band 21, 1992, Nr. 1, S. 1–15.</ref><ref>Gordon C. Nagayama Hall, Richard Hirschman, Lori L. Oliver: ''Sexual Arousal and Arousability to Pedophilic Stimuli in a Community Sample of Normal Men.'' In: ''Behavior Therapy.'' Band 26, 1995, S. 681–694.</ref><ref>Michael C. Seto, Martin L. Lalumière, Ray Blanchard: ''The Discriminative Validity of a Phallometric Test for Pedophilic Interests Among Adolescent Sex Offenders Against Children.'' In: ''Psychological Assessment.'' Band 12, 2000, Nr. 3, S. 319–327.</ref><ref>Philip Firestone, John M. Bradford, David M. Greenberg, Kevin L. Nunes: ''Differentiation of homicidal child molesters, nonhomicidal child molesters, and nonoffenders by phallometry.'' In: ''American Journal of Psychology.'' Band 157, 2000, Nr. 11, S. 1847–1850.</ref> Der Prozentsatz der erwachsenen Männer, die überhaupt durch präpubertäre Stimuli sexuell erregbar sind, dürfte noch wesentlich höher sein. Daraus kann jedoch nicht ohne Weiteres gefolgert werden, dass auch das tatsächliche primäre sexuelle Interesse an Kindern (= Pädophilie) bei männlichen Erwachsenen in einem vergleichbar hohen Prozentsatz besteht, unter anderem auch deswegen, weil der Vergleich von präpubertären mit adulten Stimuli nicht berücksichtigt, dass es Männer gibt, die maximal durch pubertäre Kinder bzw. durch Jugendliche sexuell stimulierbar sind. So ermittelte eine weitere Studie bei jedem Probanden die durchschnittliche sexuelle Erregung durch Stimuli von 3–11-jährigen Mädchen, jene durch Stimuli von 12–14-jährigen Mädchen und jene durch Stimuli von 16–24-jährigen Frauen und verglich sie miteinander. Es ergab sich, dass nur einer der 22 Probanden durch die präpubertären Stimuli stärker erregt wurde als durch die adulten, wohingegen 3 der 22 Probanden durch die pubertären Stimuli stärker erregt wurden als durch die adulten.<ref>William L. Marshall, Howard E. Barbaree, D. Christophe: ''Sexual offenders against female children: Sexual preferences for age of victims and type of behaviour.'' In: ''Canadian Journal of Behavioural Science/Revue canadienne des sciences du comportement.'' Band 18, 1986, Nr. 4, S. 424–439.</ref> |
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Ebenso sind Pädophile teils auch durch Erwachsene sexuell stimulierbar, interessieren sich aber in erster Linie für Kinder. Im Fall der sekundär durch Kinder sexuell stimulierbaren Erwachsenen spricht man bisweilen auch von ''Pseudopädophilie''. Originäre Pädophile werden zur besseren Abgrenzung auch als ''strukturiert pädophil'' bezeichnet, da ihre sexuelle Orientierung fest in der Persönlichkeitsstruktur verankert ist. Teilweise spricht man auch von ''Kernpädophilen'' oder ''Primärpädophilen.'' |
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Abgrenzen lässt sich die Pädophilie von der [[Hebephilie]], die eine Präferenz für Pubertierende im Alter von etwa 11 bis 14 Jahren beschreibt.<ref name="Cantor2015a">James M. Cantor, Ian V. McPhail: ''Sensitivity and Specificity of the Phallometric Test for Hebephilia.'' In: ''The Journal of Sexual Medicine.'' September 2015, S. 1940–1950, [[doi:10.1111/jsm.12970]].</ref><ref name="RindYuill2012a">Bruce Rind, Richard Yuill: ''Hebephilia as Mental Disorder? A Historical, Cross-Cultural, Sociological, Cross-Species, Non-Clinical Empirical, and Evolutionary Review.'' In: ''Archives of Sexual Behavior.'' Band 41, 2012, S. 797–829, [[doi:10.1007/s10508-012-9982-y]].</ref> Für das sexuelle Interesse an Jugendlichen nach oder in einem späten Stadium der Pubertät werden die Bezeichnungen [[Ephebophilie]] (männliche Jugendliche) und [[Parthenophilie]] (weibliche Jugendliche) verwendet.<ref name="Ahlers/Beier/Schaefer" /><ref name="Beier2013a">Klaus M. Beier, Till Amelung u. a.: {{Webarchiv |url=https://www.kein-taeter-werden.de/documents/000/000/061/beier-et-al.-hebephilie-2013.pdf |text=''Hebephilie als sexuelle Störung''. |format=PDF; 314 kB |wayback=20160304062322}} In: ''Fortschritte der Neurologie-Psychiatrie.'' Band 81, Nr. 3, März 2013, S. 128–137, [[doi:10.1055/s-0032-1330539]].</ref> Beide Begriffe wurden erstmals 1906 von [[Magnus Hirschfeld]] eingeführt.<ref>Magnus Hirschfeld: ''Vom Wesen der Liebe. Zugleich ein Beitrag zur Lösung der Frage der Bisexualität.'' Verlag Max Spohr, Leipzig 1906.</ref> Eine sexualwissenschaftliche wie [[Kriminologie|kriminologische]] Abgrenzung nahm der niederländische Psychoanalytiker [[Gerard J. M. van den Aardweg|Gerard van den Aardweg]] im Jahr 2010 vor.<ref>[[Gerard van den Aardweg]]: [http://www.dijg.de/paedophilie-kindesmissbrauch/ephebophilie-androphilie-paederastie-homosexuelle/?sword_list[0]=kinsey&sword_list[1]=p%C3%A4dophil ''Homosexuelle Pädophilie, Ephebophilie, Androphilie und Päderastie: Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Überschneidungen.''] In: [http://www.dijg.de/bulletin/19-2010-kinsey-money-und-mehr/ ''Bulletin DIJG.'' 2010, Nr. 19: ''Kinsey, Money und mehr. Ein Beitrag zur Debatte über sexuellen Missbrauch an Minderjährigen.''] S. 34–41.</ref> |
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Richtet sich das primäre sexuelle Interesse des Pädophilen auf Kleinkinder im Alter unter drei Jahren, spricht man nicht mehr von Pädophilie, sondern von Infantophilie.<ref>Laws D. Richard: ''Sexual Deviance: Theory, Assessment and Treatment.'' Guilford Press, 2008, ISBN 978-1-59385-605-2, S. 176.</ref> Dieser Begriff ist in der Fachterminologie nicht offiziell anerkannt und wird nach ICD-10 als „Sonstige Störungen der Sexualpräferenz“ unter F65.8 klassifiziert. |
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Mit dem Begriff [[Päderastie]] werden sexuelle Beziehungen erwachsener Männer zu geschlechtsreifen männlichen Jugendlichen bezeichnet, wie sie kulturbedingt z. B. im antiken Griechenland toleriert wurden. Dieser Begriff gilt heute als veraltet und taucht in neueren sexualmedizinischen Klassifikationen nicht mehr auf.<ref name="Ahlers/Beier/Schaefer">Christoph J. Ahlers, Gerard A. Schaefer, Klaus M. Beier: ''Das Spektrum der Sexualstörungen und ihre Klassifizierbarkeit im ICD-10 und DSM-IV.'' In: ''Sexuologie.'' Band 12, Nr. 3/4, 2005, S. 120–152.</ref> |
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Der Begriff '''Korophilie''' (von griechisch [attisch] κόρη ''[[Kore (Skulptur)|kórē]]'' „Mädchen“) wurde 1914 von Hirschfeld eingeführt, um eine Präferenz von erwachsenen Frauen für junge Mädchen zu bezeichnen, und er setzte ihm den Begriff ''Pädophilie'' für vergleichbare männliche Beziehungen gegenüber.<ref name="hirschfeld1914">Magnus Hirschfeld: ''Die Homosexualität des Mannes und des Weibes.'' 1914, S. 280–281 ({{archive.org |DieHomosexualittDesMannesUndDesWeibes1914/Die_Homosexualitt_des_Mannes_und_des_Weibes|Blatt=n302}})</ref> Mit dieser Bedeutung ist Korophilie auch heute in einigen Fachbüchern zu finden.<ref>Uwe Henrik Peters: ''Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, Medizinische Psychologie.'' Elsevier, Urban & Fischer Verlag, 2007, ISBN 978-3-437-15061-6, S. 304. ({{Google Buch |BuchID=w5Rd6NFbMiAC |Seite=304 |Hervorhebung=Korophilie}})</ref> Wie bei den meisten der Begriffe aus seinem System werden heute die weiblichen Begriffe sehr selten verwendet, und es besteht die starke Tendenz, dass das Geschlecht der begehrenden Person für viele irrelevant wird, also Beziehungen sowohl von Frauen als auch von Männern zu Mädchen gemeint sind.<ref>''Korophilie.'' In: ''Duden – Das große Fremdwörterbuch.'' 4., aktualisierte Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2007.</ref> Auf Englisch gibt es die Schreibweisen ''corophilia'' und ''korophilia.'' Erstere wird wie der deutsche Begriff manchmal fälschlicherweise für [[Koprophilie]] verwendet.<ref>American Psychiatric Association. Joint Commission on Public Affairs: ''The American Psychiatric Association’s Psychiatric glossary.'' American Psychiatric Press, 1984, ISBN 0-88048-027-0, S. 24: „corophilia: Excessive or morbid interest in filth or feces ot their symbolic repräsentation.“</ref> Da das attische κόρος ''[[Kouros|kóros]]'' „Jüngling“ bedeutet, wird ''korophilia'' seit spätestens 1997 von manchen als Anziehung zu Buben oder jungen Männern beschrieben,<ref>Charles Harringto Elster: ''There’s a Word for It! A Grandiloquent Guide to Life.'' Simon & Schuster, 1997, ISBN 0-671-77858-7, S. 73.</ref><ref>Adrian Powell: ''Paedophiles, child abuse and the Internet: a practical guide to identification, action and prevention.'' Radcliffe Publishing, 2007, ISBN 978-1-85775-774-3, S. 169. ({{Google Buch |BuchID=w2NFpGQciSQC |Seite=169 |Hervorhebung=Korophilia}})</ref> eine Entwicklung, die auf Deutsch noch nicht gesichtet wurde. |
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=== Begriff in Öffentlichkeit und Medien === |
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In gesellschaftlichen Debatten und in der Berichterstattung in den Medien wird die Bezeichnung ''Pädophilie'' oft nicht im sexualwissenschaftlichen Sinne verwendet, etwa wenn grundsätzlich alle [[Täter (Strafrecht)|Täter]], die [[Sexueller Missbrauch von Kindern|Kinder sexuell missbrauchen]], als Pädophile bezeichnet werden. Insbesondere sexueller Missbrauch innerhalb der Familie wird häufig nicht sexualwissenschaftlich korrekt eingeordnet, da es sich hierbei häufig um Täter handelt, deren Sexualität primär auf Erwachsene ausgerichtet ist. Zudem werden sexualwissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert, etwa wenn grundsätzlich allen Pädophilen unterstellt wird, sie würden Kinder sexuell missbrauchen. |
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Auch in der Berichterstattung über [[Sexueller Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche|sexuelle Übergriffe von Priestern]] auf minderjährige Jungen werden diese meistens als pädophile Taten bezeichnet, obwohl eine im Jahr 2011 veröffentlichte [[Sexueller Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in den Vereinigten Staaten#John-Jay-Studie zu Ursachen und Hintergründen (2011)|Studie in den USA]] aufzeigte, dass nur eine Minderheit der Priester, die sexuelle Übergriffe begingen, den diagnostischen Kriterien der Pädophilie entsprechen.<ref name="John Jay 2011">John Jay College Research Team: [https://www.bishop-accountability.org/news2011/05_06/causes-and-context-of-sexual-abuse-of-minors-by-catholic-priests-in-the-united-states-1950-2010.pdf ''The Causes and Context of Sexual Abuse of Minors by Catholic Priests in the United States, 1950–2010''] (PDF; 2,7 MB), Mai 2011, S. 2, 55.</ref> |
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Personen, deren sexuelles Interesse Jugendlichen gilt, werden in der Öffentlichkeit ebenfalls oft als Pädophile bezeichnet, obwohl es sich aus [[sexualmedizin]]ischer Sicht hierbei um eine [[Hebephilie|hebe-]], [[Ephebophilie|ephebo-]] oder [[Parthenophilie|parthenophile]] Neigung handelt.<ref name="Ahlers/Beier/Schaefer" /> |
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In Deutschland gab es in der jüngeren Vergangenheit zwei öffentliche ''Pädophilie-Debatten'', eine in den [[Pädophilie-Debatte (1970er und 1980er Jahre)|1970/1980er Jahren]] und eine weitere im Jahr [[Pädophilie-Debatte (Bündnis 90/Die Grünen)#Debatte im Vorfeld der Bundestagswahl 2013|2013]] in der Partei [[Bündnis 90/Die Grünen]]. Beide Debatten haben nicht dazu beigetragen, begriffliche Klarheit zu schaffen. |
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=== Abgrenzung zur Pädosexualität === |
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Der Begriff [[Pädosexualität]] wird einerseits als Unterscheidung, andererseits – aber fälschlich – als [[Synonym]] für den Begriff Pädophilie verwendet und von einigen Interessengruppen aus unterschiedlichen Motiven bevorzugt. |
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Eine frühe Erwähnung des Begriffs erfolgte in einem 1968 von dem [[Theologe]]n Spyker veröffentlichten Buch mit dem Titel ''Die gleichgeschlechtliche Zuneigung. Homotropie: Homosexualität, Homoerotik, Homophilie, und die katholische Moraltheologie''.<ref>{{Literatur |Autor=Herman van de Spyker |Titel=Die gleichgeschlechtliche Zuneigung. Homotropie: Homosexualität, Homoerotik, Homophilie und die katholische Moraltheologie |TitelErg=Mit einem Geleitwort von [[Hans Giese]] und Alois Müller |Verlag=Walter |Ort=Olten / Freiburg i. Br. |Datum=1968}}</ref> In Analogie zu diesen Begrifflichkeiten verwendete er die Unterscheidung zwischen ''Pädosexualität/pädosexuell – Pädoerotik/pädoerotisch – Pädophilie/pädophil'' und benutzte auch das bei ihm übergeordnete Adjektiv ''pädotrop'' („Anziehung zu Kindern“), eindeutiger als ''pädagotrop'' bezeichnet.<ref>Spyker, S. 39 f., 234–236.</ref> Auch bei einer Literaturanalyse über Homotropie von Volker Ott aus dem Jahre 1979 tauchte diese Unterscheidung auf und er verwendete ebenfalls explizit den Begriff ''Pädotropie''.<ref>Volker Ott: ''Homotropie und die Figur des Homotropen in der Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts'' (= ''Europäische Hochschulschriften.'' Band 324). Lang, 1979, ISBN 3-8204-6635-5.</ref> <!-- In der chronologischen Übersicht von Martijn taucht der Begriff ab diesem Zeitpunkt immer wieder auf.<ref>[http://www.martijn.org/page.php?id=1170000 Historisch nieuwsoverzicht]</ref> --> Im Jahr darauf bemerkten auch die deutschen Zeitschriften ''[[Der Spiegel]]''<ref>{{Der Spiegel |ID=14316199 |Titel=Sexualität – Mächtiges Tabu |Jahr=1980 |Nr=30 |Seiten=148 |Kommentar=21. Juli 1980}}</ref> und ''[[Emma (Zeitschrift)|Emma]]''<ref>''Emma: das Magazin von Frauen für Menschen.'' Emma-Verlag, 1980, S. 5, 41.</ref> die Verwendung als Selbstbezeichnung. In der deutschen und englischen [[Sexualwissenschaft]] stieg die Häufigkeit der Verwendung des Begriffs Pädosexualität aus Gründen der Differenzierung ab etwa 1987 langsam an, nachdem [[Martin Dannecker]] seine ''Bemerkungen zur strafrechtlichen Begutachtung der Pädosexualität''<ref>{{Literatur |Autor=[[Martin Dannecker]] |Hrsg=Herbert Jäger, [[Eberhard Schorsch]] |Titel=Bemerkungen zur strafrechtlichen Begutachtung der Pädosexualität |Sammelwerk=Sexualwissenschaft und Strafrecht |Reihe=Beiträge zur Sexualforschung |Band=62 |Verlag=Enke |Ort=Stuttgart |Datum=1987 |ISBN=3-432-96011-5 |Seiten=295 ff.}}</ref> vorgelegt hatte.<ref>[https://forum.sexualaufklaerung.de/ausgaben-ab-2010/2010/ausgabe-3/paedophilie-paedosexualitaet-und-sexueller-kindesmissbrauch-ueber-die-notwendigkeit-einer-differenzierten-betrachtung/ ''Pädophilie, Pädosexualität und sexueller Kindesmissbrauch: Über die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung.''] [[Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung]], aufgerufen am 28. April 2022</ref> Später veröffentlichte er seinen Aufsatz ''Sexueller Missbrauch und Pädosexualität''.<ref>{{Literatur |Autor=Martin Dannecker |Hrsg=[[Volkmar Sigusch]] |Titel=Sexueller Missbrauch und Pädosexualität |Sammelwerk=Sexuelle Störungen und ihre Behandlung |Auflage=4. überarbeitete und erweiterte Auflage |Verlag=Thieme |Ort=Stuttgart / New York |Datum=2007 |ISBN=978-3-13-103944-6}}</ref> |
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Die [[Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung]] hat sich bereits 2010 mit einer gesonderten Unterseite ihrer Internetpräsenz der begrifflichen Unsicherheiten angenommen, als sie einen Aufsatz der Sexualwissenschaftler Christoph Ahlers und Gerard Schaefer – beide vormals Mitarbeiter am sexualwissenschaftlichen Institut der [[Charité]] – unter dem Titel ''Pädophilie, Pädosexualität und sexueller Kindesmissbrauch: Über die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung'' veröffentlichte.<ref name="ahlers_schaefer">{{Literatur |Autor=Christoph J. Ahlers, Gerard A. Schaefer |Titel=Pädophilie, Pädosexualität und sexueller Kindesmissbrauch. Über die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung |Hrsg=[[Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung]] |Datum=2010 |Sprache=de |Reihe=Forum Sexualaufklärung und Familienplanung |NummerReihe=3 |Seiten=45–49 |Online=https://www.sexualtherapie-berlin.de/wp-content/uploads/2022/06/32_Ahlers_Schaefer-2010-Pa%CC%88dophilie_BZgA-Forum.pdf |Format=PDF |KBytes=3630 |Abruf=2024-06-18 |Zitat=Sowohl in der gesellschaftlichen Diskussion und der medialen Berichterstattung als auch in der fachwissenschaftlichen Literatur über sexuellen Kindesmissbrauch wird häufig nicht zutreffend zwischen den unterschiedlichen Phänomenen und Begriffen differenziert. Eine ungenaue und teilweise falsche Verwendung von Begriffen erschwert die notwendige Eindeutigkeit der diagnostischen Zuordnung, was wiederum die Wahl geeigneter Behandlungsansätze, etwa bei potenziellen Tätern, gefährden kann. Der vorliegende Beitrag fokussiert auf die Unterscheidung zwischen sexuellem Erleben und sexuellem Verhalten und betont die Notwendigkeit, zwischen Pädophilie und sexuellem Kindesmissbrauch zu unterscheiden.}}</ref> Ihnen zufolge werde Sexualpräferenz „als Überbegriff für alle Aspekte der sexuellen Ansprechbarkeit eines Menschen verwendet“, zugleich werden Vorschläge zu einer „Vereinheitlichung dessen, was konkret unter der Sexualpräferenz verstanden werden“ könne, unterbreitet. Pädophilie sei „die leidvoll erlebte, selbst- und/oder fremdgefährdende, ausschließliche oder teilweise sexuelle Ansprechbarkeit durch vorpubertäre Kinderkörper“ von Jungen und/oder Mädchen. Pädosexualität beschreibe „ausschließlich die [[Dissexualität|dissexuelle]] Verhaltensäußerung“, wie sie 1987 von Dannecker beschrieben wurde und die „strafrechtlich als sexueller Kindesmissbrauch bezeichnet“ werde. Pädophilie bezeichne eine sexuelle Ausrichtung und nicht zwingend ein Verhalten, Pädosexualität dagegen bezeichne ein Verhalten und nicht zwingend eine Ausrichtung: „Pädophilie ist nicht gleich Pädosexualität und umgekehrt.“<ref name="ahlers_schaefer" /> |
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== Phänomenologie == |
== Phänomenologie == |
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=== Prävalenz und sexuelle Orientierung === |
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Über die Zahl pädophiler Menschen gibt es keine zuverlässigen Angaben. Vorsichtige Schätzungen gehen von 50.000 bis 200.000 pädophilen Menschen in [[Deutschland]] aus. |
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Über die Zahl pädophiler Menschen gibt es keine zuverlässigen Angaben. Vorsichtige Schätzungen gehen von 50.000 bis 200.000 pädophilen Männern in [[Deutschland]] aus.<ref name="Vogt" /> Internationale Studien nehmen bei etwa 1 % aller erwachsenen Männer eine primärpädophile Ausrichtung an,<ref>John Briere, Marsha Runtz: ''University males’ sexual interest in children: Predicting potential indices of „pedophilia“ in a non-forensic sample.'' In: ''Child Abuse & Neglect: The international Journal.'' Band 13, 1989, S. 65–75.</ref> wohingegen Forscher der [[Universität Regensburg]] nach einer Befragung von rund 8700 deutschen Männern schlussfolgerten, dass weniger als 0,1 Prozent der männlichen Bevölkerung die Diagnosekriterien für eine pädophile Störung im Sinne des [[DSM-5]] erfüllen.<ref name="Dombert2015">Beate Dombert, Alexander F. Schmidt, Rainer Banse, Peer Briken, Jürgen Hoyer, Janina Neutze, Michael Osterheider: ''How Common is Men’s Self-Reported Sexual Interest in Prepubescent Children?'' In: ''Journal of sex research.'' August 2015, [[doi:10.1080/00224499.2015.1020108]], PMID 26241201.</ref> Die [[#Pädophilie bei Frauen|Prävalenz bei Frauen]] ist wesentlich geringer. |
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Es gibt [[Homosexualität|homo-]], [[Heterosexualität|hetero-]] und [[Bisexualität|bisexuelle]] Pädophile.<ref name="Bundschuh" /> Einer statistischen Auswertung zufolge, basierend auf pädophilen und hebephilen Teilnehmern des Präventionsprojekts ''Dunkelfeld'' der Charité, ist der Anteil bisexuell kernpädo- oder -hebephiler Männer gering. Die meisten sind entweder auf Jungen oder auf Mädchen orientiert, wobei der Anteil der homosexuellen geringfügig größer ist und knapp über 50 Prozent liegt. Bei den nicht ausschließlich pädo- oder hebephilen Männern ergibt sich eine Verteilung von jeweils etwa einem Drittel mit homo-, hetero- bzw. bisexueller Orientierung, wobei hier der Anteil der heterosexuellen knapp am größten ist.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.kein-taeter-werden.de/_inc/pdf/Projektstatus3.Q_08.pdf |text=Das Präventionsprojekt ''Dunkelfeld'' des Universitätsklinikums Charité Campus Mitte |wayback=20100331152434}}; abgerufen am 13. September 2015.</ref> Das Missbrauchsrisiko soll für Mädchen drei- bis viermal höher als für Jungen sein.<ref name="spiegel2012">[https://www.spiegel.de/panorama/missbrauch-von-mutter-oder-frauen-a-822115.html '' TV-Dokumentation über Pädophilie: Wenn Mütter missbrauchen.''] In: ''Spiegel online.'' 19. März 2012.</ref> In der [[Dissertation]] von Thomas Hertling wird angenommen, für homosexuelle Männer in stabilen Paarbeziehungen bestehe ein niedrigeres Risiko als für gemischtgeschlechtliche Paare, sexuell übergriffig auf Kinder zu werden, weil sie einer erhöhten sozialen Kontrolle unterliegen.<ref>{{Literatur |Autor=Thomas Hertling |Hrsg=Elisabeth Zwick |Titel=Homosexuelle Männlichkeit zwischen Diskriminierung und Emanzipation. Eine Studie zum Leben homosexueller Männer heute und Begründung ihrer wahrzunehmenden Vielfalt |TitelErg=Dissertation |Sammelwerk=Reform und Innovation. Beiträge pädagogischer Forschung |Band=18 |Verlag=Lit-Verlag |Ort=Münster, Hamburg, Berlin, Wien, London |Datum=2011 |ISBN=978-3-643-11355-9 |Seiten=327}}</ref> |
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Über 80 Prozent der Pädophilen sollen auf Jungen fixiert sein, wobei andere Quellen davon ausgehen, dass als Opfer sexueller Übergriffe eher Mädchen betroffen sind. Unklar ist, ob auf Mädchen orientierte Pädophile lediglich in geringerer Zahl öffentlich in Erscheinung treten und so eine Gleichverteilung der Geschlechtspräferenz unter Berücksichtigung dieses [[Dunkelfeld]]es vorliegt. |
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=== Pädophile Sexualpräferenz === |
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Nach Studien von Coxell et al. (1999) haben 13 % der Knaben sexuelle Kontakte zu pädophil oder päderastisch veranlagten Männern gehabt. 5,3 % der befragten Männer berichteten, dass sie als Kind unfreiwillige Sexualkontakte mit einem Mann gehabt hätten, der beträchtlich älter war als sie. 7,7 % sprachen von [[Freiwilligkeit|freiwilligen]] Kontakten zu den Männern. Noch höher liegen die Zahlen bei Kontakten zu Mädchen. Nach einer amerikanischen Studie, die über 1000 junge Frauen und Mädchen befragte, ergab sich, dass rund 30 Prozent der Mädchen im Internet, zum Beispiel in Kinderchats, von Männern, die sich oft als Teenager ausgeben, angesprochen wurden. |
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Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht bei der Pädophilie die primäre sexuelle Ausrichtung auf Kinder. Diese ist nicht zwingend [[Geschlechtsverkehr|koital]] ausgeprägt. Pädophile können bereits durch Situationen erregt und befriedigt werden, in denen kein Körperkontakt zu einem Kind besteht. Bei Situationen mit Körperkontakt kann bereits das Berühren des Kindes allein als erregend empfunden werden, ohne dass diese Berührungen im [[Geschlechtsorgan|Genitalbereich]] stattfinden müssen. Der Wunsch nach dem Vollzug eines Geschlechtsverkehrs mit dem Kind scheint bei Pädophilen seltener anzutreffen zu sein.<ref name="Vogt" /> |
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Ein Teil der Pädophilen schließt sexuelle Kontakte mit Kindern für sich aus.<ref>Loes Rouweler-Wuts: ''Pedofielen, in contact of conflict met de samenleving?'' Van Loghum Slaterus, Deventer 1976, ISBN 90-6001-346-8, S. 94 f.</ref> Ursachen hierfür können zum einen die Befürchtung juristischer und sozialer Konsequenzen sein, zum anderen gibt es Pädophile, die sich der ethischen und moralischen Problematik ihrer sexuellen Wünsche bewusst sind und deshalb sexuelle Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen grundsätzlich ablehnen. |
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''Siehe auch:'' [[Sexueller Missbrauch von Kindern]] |
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Neben dem sexuellen Interesse ist bei Pädophilen ein Bedürfnis nach emotionaler Nähe zu Kindern festzustellen. Einige verlieben sich in Kinder und wünschen sich echte wechselseitige Liebesbeziehungen zu ihnen.<ref name="Becker" /><!-- <ref name="avinus">{{Webarchiv|url=http://www.avinus-magazin.eu/html/beier__klaus_-_jimenez_verlind.html |wayback=20071112033735 |text=Interview in dem Magazin „Avinus“ mit Klaus Beier |archiv-bot=2019-05-08 15:11:09 InternetArchiveBot }}</ref> --> Dass sie eine solche tatsächlich für möglich halten, versteht der Sexualwissenschaftler [[Volkmar Sigusch]] als Ausdruck einer illusionären Verkennung.<ref>{{Internetquelle |autor=Meike Fries |url=https://www.zeit.de/2010/20/Interview-Sigusch |titel=‚Es muss endlich um die Opfer gehen‘. Volkmar Sigusch spricht… |werk=Zeit Online |datum=2010-05-12 |abruf=2018-03-03}}</ref> Manche Pädophile empfinden ihr Leben als unvollständig und emotional destabilisierend, wenn ihr Wunsch nach emotionaler Nähe keine Erfüllung findet. Zudem besteht bei Pädophilen ein soziales Interesse an Kindern und ein Bedürfnis nach Freundschaft. In entsprechenden Berufen, die Umgang mit Kindern ermöglichen, wie beispielsweise als Erzieher oder in der Jugendbetreuung, arbeiten Pädophile daher gern.<ref>Erwin Heaberle: ''dtv-Atlas Sexualität.'' München 2005, ISBN 3-423-03235-9.</ref> |
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=== Auswirkungen auf Betroffene === |
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Welche Auswirkungen die pädophile Sexualpräferenz für den Pädophilen selbst hat, ist von zahlreichen Faktoren abhängig und in seiner Gesamtheit kaum erforscht. Auch hängen die Auswirkungen davon ab, ob die Betroffenen ihre sexuelle Orientierung [[Ich-Syntonie|Ich-synton]] erleben, also damit einverstanden sind, oder es zu einer [[Ichdystone Sexualorientierung|Ich-dystonen]] Verarbeitung gekommen ist, in deren Rahmen eine andere sexuelle Ausrichtung gewünscht wird. Daneben gibt es Pädophile, die ihre sexuellen Impulse als belastend empfinden, sich für ihre Neigung verurteilen oder unter der Angst leiden, den Impulsen nachzugeben und einen sexuellen Übergriff zu begehen.<ref name="Bundschuh" /><ref name="Ahlers">[https://www.zeit.de/2005/22/Sexualmedizin ''Psychologie: Angst vor der eigenen Tat.''] In: ''Die Zeit.'' Nr. 22, 2005. Interview mit Christoph Ahlers</ref><ref name="spiegel" /> Deshalb kann es zu Folgeerkrankungen kommen, wie z. B. [[Depression]] oder Substanzmittelmissbrauch.<ref name="spiegel">[https://www.spiegel.de/spiegel/a-440934.html ''Sexualität: „Es ist einfach Schicksal“.''] ''Spiegel Online.'' 2. Oktober 2006 (über das Präventionsprojekt an der Berliner Charité).</ref><ref name="Bundschuh" /> |
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Für Pädophile, die sexuell [[Sexuelle Abstinenz|abstinent]] leben, sei es aus Angst vor juristischen Konsequenzen oder aufgrund einer generellen Ablehnung pädosexueller Kontakte, bedeutet dies in erster Linie den Verzicht auf die Erfüllung sexueller und emotionaler Bedürfnisse.<ref name="Schmidt" /> Da Pädophile eine sehr geächtete [[Soziale Randgruppe|Randgruppe]] der Gesellschaft darstellen, sind sie zudem meist gezwungen, ihre Neigungen selbst vor Freunden und der Familie zu verheimlichen, da ein Bekanntwerden oft eine völlige gesellschaftliche Isolation bis hin zu Scheidung, Job- und Wohnungsverlust nach sich zieht.<ref name="Vogt" /> |
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=== Alter des Kindes === |
=== Alter des Kindes === |
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Nach sexualmedizinischer Definition richtet sich das sexuelle Interesse der Pädophilen auf Kinder vor Beginn der [[Pubertät]] im Sinne der biologischen [[Geschlechtsreife#Mensch|Geschlechtsreifung]].<ref name="Ahlers/Beier/Schaefer" /><ref name="Becker" /> Da die Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale bei Kindern individuell sehr verschieden einsetzen kann, sind exakte Altersangaben nicht möglich. Im Allgemeinen ist das primäre Interesse der Pädophilen auf Kinder von etwa 4 bis 14 Jahren ausgerichtet, wobei es zwei Gipfel in der Alterspräferenz gibt: Der eine Gipfel liegt bei fünf bis sechs Jahren, der andere bei elf bis zwölf Jahren.<ref name="Becker">Sophinette Becker: [http://www.werkblatt.at./archiv/38becker.html ''Pädophilie zwischen Dämonisierung und Verharmlosung.''] In: ''Werkblatt – Zeitschrift für Psychoanalyse und Gesellschaftskritik.'' Band 38, Nr. 1, 1997, S. 5–21.</ref> Das sexuelle Begehren ist beim konkreten Pädophilen in der Regel auf einen dieser beiden Abschnitte beschränkt, erlischt in der Regel aber spätestens bei der Ausprägung sekundärer Geschlechtsmerkmale beim Kind.<ref name="Ahlers/Beier/Schaefer" /> Allerdings haben hetero- und homosexuell Pädophile deutlich unterschiedliche Alterspräferenzen: Horst Vogt zufolge beträgt das Durchschnittsalter der von heterosexuell pädophilen Männern begehrten Mädchen 8,4 Jahre und jenes der von homosexuell pädophilen Männern begehrten Jungen 11,5 Jahre.<ref>{{Literatur |Autor=Horst Vogt |Titel=Pädophilie. Leipziger Studie zur gesellschaftlichen und psychischen Situation pädophiler Männer |Verlag=Pabst Science Publishers |Ort=Lengerich, Berlin, Bremen, u. a. |Datum=2006 |ISBN=3-89967-323-9 |Seiten=62}}</ref> |
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In wissenschaftlichen Definitionen ist überwiegend die [[Pubertät]] im Sinne der Geschlechtsreife ([[Gonadarche]]) als obere Grenze für den Altersbereich für ‚Kinder‘ im Zusammenhang mit Pädophilie zu finden. Dabei setzt die Pubertät in Ländern westlichen Lebensstandards bei Mädchen heute im Mittel zwischen dem 10. und 11. und bei Jungen zwischen dem 11. und 12. Lebensjahr ein und dauert mehrere Jahre. Die Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale setzt bei Kindern zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein. Zwar kann man sie im Prinzip durch Augenschein feststellen, aber die sexuelle Entwicklung ist ein langjähriger Prozess. |
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=== Mediennutzung zur sexuellen Stimulation === |
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Das primäre Interesse der Pädophilen ist auf Kinder zwischen 4 und 14 Jahren ausgerichtet, wobei es zwei Gipfel in der Alterspräferenz gibt: der eine Gipfel liegt bei 5 bis 6 Jahren, der andere bei 11 bis 12 Jahren. Das sexuelle Begehren ist beim konkreten Pädophilen in der Regel auf einen Altersabschnitt in diesem Bereich – und nicht den gesamten Bereich – orientiert. Es erlischt oft spätestens bei der Ausprägung sekundärer [[Geschlechtsmerkmal]]e beim Kind. Das Erlöschen des sexuellen Interesses geht nicht zwangsläufig mit einem Ende der Beziehung einher. |
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Viele Pädophile nutzen Darstellungen von Kindern zur sexuellen [[Reiz|Stimulation]]. Die Bandbreite reicht hierbei von Kinderbildern aus Versandhauskatalogen über legale erotische Darstellungen von Kindern, z. B. Bilder des Fotografen [[Jock Sturges]], bis hin zur Nutzung illegaler [[Kinderpornographie|kinderpornographischer]] Medien.<ref name="Bundschuh" /> In einer Studie gaben 86 % der Teilnehmer an, Bildmaterial aus dem legalen und/oder illegalen Bereich zu nutzen.<ref name="Vogt" /> |
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Neben Film- und Bildmaterial spielt in jüngster Zeit auch die sogenannte virtuelle Kinderpornographie eine zunehmend größere Rolle, d. h. sexuelle Darstellungen nicht realer, sondern animierter „Kinder“.<ref>[http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/gefaehrliche-erregung-ist-paedophilie-wirklich-therapierbar-1436481.html ''Ist Pädophilie wirklich therapierbar?''] In: ''FAZ.'' 12. Mai 2007. Interview mit Klaus Beier.</ref><ref>[https://www.welt.de/vermischtes/article857400/Die-Paedophilen-von-Second-Life.html ''Die Pädophilen von „Second Life“.''] ''welt.de'', 7. Mai 2007.</ref> Davison und Neale betonen, dass zur sexuellen Stimulation nicht zwangsläufig illegales Material nötig sei, vielmehr konstruieren Pädophile ihr eigenes sexuell erregendes Material aus Quellen, die allgemein als harmlos angesehen werden.<ref name="Davison/Neale" /> Ob der Konsum von Kinderpornographie, wie von vielen Pädophilen behauptet, dem Abbau von Spannungen dient und damit realen Übergriffen entgegenwirkt, oder ob diese durch die zusätzliche Stimulation begünstigt werden, ist wissenschaftlich umstritten. |
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=== Das primäre sexuelle Interesse der Pädophilen === |
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=== Täterprofile === |
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Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht bei der Pädophilie die primäre sexuelle Ausrichtung auf Kinder. Im Unterschied zu anderen Sexualitäten ist diese nicht zwingend [[Koitus|koital]] ausgeprägt; Pädophile können bereits durch Situationen erregt und befriedigt werden, in denen kein Körperkontakt zu einem Kind besteht. Das heißt, Erotik spielt im Sexualleben eines Pädophilen eine besonders große Rolle. Bei Situationen mit Körperkontakt kann bereits das Berühren des Kindes allein als erregend empfunden werden, ohne dass diese Berührungen im [[Genitalbereich]] stattfinden müssen. Der Wunsch nach dem Vollzug des [[Geschlechtsverkehr|Koitus]] mit dem Kind scheint bei Pädophilen seltener anzutreffen zu sein. |
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Da die Gruppe der Pädophilen insgesamt äußerst [[Heterogenität (Pädagogik)|heterogen]], also aus sehr verschiedenen Persönlichkeiten zusammengesetzt ist, haben sich die mit ihnen befassten Autoren verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen um Strukturierung bemüht und sogenannte [[Klassifikation#Typologie|Typologien]] erarbeitet. Unter vielen anderen haben die Sexualwissenschaftler [[Klaus Michael Beier|Beier]], Schorsch und Sigusch solche Typologien vorgelegt. Allerdings ist es nicht gelungen, sich auf eines dieser Klassifikationssysteme zu einigen. Hinzu kommt, dass die einzelnen Modelle durchaus Überzeugungskraft besitzen können, sie jedoch zusammengenommen mehr Verwirrung stiften als Klarheit schaffen. Auch wechseln die Bezugsgrößen. Während beispielsweise Schorsch seine Typologie an Pädophilen entwickelte, die ihre Neigung in Handlung umgesetzt hatten und dafür verurteilt worden waren, gehen in andere Ordnungssysteme auch Pädophile ein, die nach eigenen Angaben und soweit überprüfbar abstinent leben. Selbst die verwendeten Begriffe können Verwirrung stiften, wenn beispielsweise von Schorsch für eine Gruppe von „Alterspädophilen“ mit „sexueller Not“ oder einem Mangel an anderer Gelegenheit argumentiert wird. Damit sind Täter beschrieben, die aus anderen Gründen als einer auf Kinder gerichteten Orientierung übergriffig werden.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.krimlex.de/artikel.php?KL_ID=234 |titel=Pädophilie |werk=KrimLEX |abruf=2018-03-04}}</ref> |
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Die [[Sexueller Missbrauch von Kindern#Typen|Tätertypologien]], die Schorsch 1971 und Beier 1995, sich auf Schorsch berufend, vorlegten, unterscheiden sich insbesondere in der Zusammensetzung der Gruppen. Schorsch unterschied verschiedene Gruppen jugendlicher Täter, Täter in mittlerem Lebensalter und sogenannte ''Alterspädophile'' und hob dabei eine Gruppe von Pädagogen hervor, die in illusionärer Verkennung ihrer Berufsrolle über ihre Pädophilie eine scheinbar kinderfreundliche [[Ideologie]] entwickelt hatten. Beier unterschied Gruppen mit, wie er es nannte, pädophiler Hauptströmung, die in der Literatur auch „Kernpädophile“ genannt werden, von anderen mit einer pädophilen Nebenströmung. Beide Autoren erwähnen Täter mit mehr oder weniger ausgeprägter [[Intelligenzminderung]]. |
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Neben dem sexuellen Interesse ist bei Pädophilen ein Bedürfnis nach emotionaler Nähe zu Kindern festzustellen. Manche Pädophile empfinden ihr Leben als unvollständig und emotional destabilisierend, wenn ihr Wunsch nach emotionaler Nähe keine Erfüllung findet. Es wird daher vermutet, dass viele Pädophile entsprechende Berufe oder Freizeitaktivitäten ausüben, um Umgang mit Kindern zu haben. Häufig gelingt es ihnen, ihre sexuellen Neigungen in pädagogisches Engagement zu überführen. Es kann aber auch zu sexuellen Kontakten mit Kindern kommen, die meist Einzelfälle bleiben. Es wird ferner vermutet, dass manche der primär pädophil orientierten Männer alleinstehende Frauen mit vorpubertären Kindern heiraten um ihr Bedürfnis nach Nähe zu befriedigen. |
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Im Jahr 2010 benannte Sigusch in einem Interview in [[Die Zeit#Zeit Online|Zeit Online]] zehn Tätertypen und beschrieb damit zwar auch, aber nicht nur die Gruppe der Pädophilen, sondern die ebenfalls sehr heterogene Gruppe von Menschen, die „in unterschiedlichen Lebenssituationen und mit sehr verschiedenen Motiven“ Kinder sexuell missbrauchen.<ref>[https://www.zeit.de/2010/20/Interview-Sigusch ''Kindesmissbrauch: Es muss endlich um die Opfer gehen.''] In: ''Die Zeit.'' Nr. 20, 12. Mai 2010.</ref> |
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Das Bedürfnis nach körperlicher und emotionaler Nähe ist individuell sehr verschieden ausgeprägt und gewichtet. Die Bedürfnislagen können sowohl einzeln als auch zusammen im Vorder- oder Hintergrund stehen. In den [[1970er]]- und [[1980er]]-Jahren wurde das sexuelle Interesse an Kindern von Pädophilen-Organisationen und Interessensgruppen häufig verneint und Pädophilie als nicht-sexuelle Kinderliebe dargestellt. Mittlerweile werden dort wohl auch die sexuellen Aspekte thematisiert. |
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Im [[Soziolekt]] von [[Gefängnisinsasse]]n, der in den Medien gern als [[Gefängnissprache|Knastjargon]] bezeichnet wird, werden Sexualstraftäter und unter ihnen insbesondere pädophile Mitgefangene als [[Sittich (Gefängnissprache)|''Sittiche'']] bezeichnet.<ref>Timo Baudzus: [https://www.welt.de/regionales/duesseldorf/article124141977/Kein-Insasse-will-im-Knast-sterben.html ''Kein Insasse will im Knast sterben.''] Welt, Regionalredaktion Düsseldorf, 25. Januar 2014.</ref><ref>[http://www.sueddeutsche.de/politik/gewalt-im-jugendgefaengnis-siegburg-ist-keine-justizpanne-das-ist-eine-strafvollzugskatastrophe-1.894210-3 ''„Siegburg ist keine Justizpanne, das ist eine Strafvollzugskatastrophe“.''] Süddeutsche Zeitung, 19. Mai 2010.</ref> Sie stehen in der Hierarchie der Parallelgesellschaft von [[Gefängnis|Justizvollzugsanstalten]] zumeist ganz unten und werden verachtet.<ref>Benjamin Schulz: [https://www.spiegel.de/panorama/justiz/gefaengnis-in-deutschland-ex-gefangener-erzaehlt-vom-alltag-in-haft-a-869733.html ''Gefängnisalltag in Deutschland – Weggesperrt und vergessen.''] Spiegel (Panorama), 15. Januar 2013.</ref> |
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=== Verhalten von Pädophilen === |
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{{Neutralität}} |
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Während 1988 Finkelhor und I. A. Lewis postulierten, "dass die meisten, wenn nicht alle" der "Kinderschänder" kein Interesse an Kindern und keine Empathie für Kinder hätten, sprechen zahlreiche andere Studien von einer Nicht-Aggressivität und Zuneigung der Pädophilen zu Kindern. <!-- (Vgl. etwa K. Howells, "Some meanings of children for paedophiles". Vortrag auf der International Conference on Love and Attraction, Swansea 1977). |
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Dem entspricht auch die Beobachtung, dass sexuell aktive pädophile Männer den Kindern in stärkerem Maße emotional zugewandt zu sein scheinen als andere Sexualstraftäter ihren Opfern. Ein Pädophiler wird meist versuchen die Zuneigung der Kinder zu erlangen. Ob Pädophile gewalttätig werden, hängt von ihren allgemeinen Persönlichkeitsmerkmalen wie z.B. Gewaltbereitschaft und Frustrationstoleranz ab. Ähnlich wie bei Menschen mit primärer sexueller Ausrichtung auf Erwachsene, gibt es auch einen vergleichbar geringen Anteil Pädophiler mit sadistischer Fixierung. Solch ein Fall scheint der Serienmörder [[Jürgen Bartsch]] gewesen zu sein. Außerdem gibt es Fälle von Kindesentführung mit Todesfolge, die hierzu zu rechnen sind. |
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=== Komorbidität === |
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Nach der ersten Kontaktaufnahme halten Pädophile oft einen längeren direkten Kontakt zu den Mädchen und Jungen aufrecht. Sie verschleiern vor den Kindern meistens ihre über die reine Freundschaft hinausreichenden sexuellen Interessen. Es werden Geld- oder andere Geschenke verwendet, um das Kind zu binden. Vor allem Pädophile aus der näheren sozialen Umgebung umwerben die Kinder ähnlich wie es bei normalen Beziehungen zwischen Erwachsenen geschieht. Sie treten dem Kind als der "große Freund" gegenüber, als jemand, der es versteht und auf es eingeht. Es wurde berichtet, dass von ihnen Minderjährige wie Erwachsene behandelt werden, dürfen zum Beispiel Dinge unternehmen, die ihnen im Elternhaus nicht erlaubt sind, wie etwa Rauchen oder Alkohol trinken. Manche Täter sollen versuchen, das kindliche Mitgefühl zum eigenen Vorteil zu nutzen; sie geben sich etwa einsam und ohne Familie, und sagen dem Kind, dass sie es schätzen, wenn es "lieb" zu ihnen ist. Einige Pädosexuelle holen die Kinder als Freund der Familie sogar bei ihren Eltern ab, ohne dass die Eltern Verdacht schöpfen sie seien pädophil, oder treten den Eltern gegenüber offen als Liebhaber des Kindes auf. Manche nutzen bestimmte Wohnungen für ihre Aktivitäten, in denen sie sich mit Kindern treffen und z.B. [[Computer]] aufstellen, um sich beliebt zu machen. Lehnen die Kinder einen körperlichen Kontakt zu den Männern ab, gibt es Fälle in denen ihnen mit Entzug dieser Privilegien gedroht wird. Oder es werden den Kindern ab einem bestimmten Zeitpunkt nur dann noch kostspielige Geschenke gemacht, wenn sie sich willig zeigen. Häufig spielen die Täter so erfolgreich ihre Rolle, dass den betroffenen Minderjährigen und den Eltern die Manipulation verborgen bleibt. |
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Oft tritt die beschriebene Störung im Sexualverhalten [[Komorbidität|komorbid]] mit [[Affektive Störungen|affektiven Störungen]] auf, die aber auch eine Folge der Pädophilie sein können. Dazu gehören [[Angststörung]]en, [[Abhängigkeit (Medizin)|Substanzmittelmissbrauch]] oder anderen Paraphilien.<ref name="Davison/Neale" /> |
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Wenn es zu sexuellen Handlungen kommt, findet in der Regel eine Entwicklung von zunächst einfacheren (zum Beispiel [[Petting]]) hin zu intensiveren sexuellen Handlungen (zum Beispiel [[Masturbation|Masturbieren]] des Kindes) statt. Lautmann (1994) interviewte Pädophile aus dem Dunkelfeld, und kam zu dem Ergebnis, dass die eigene körperliche Stimulation Pädophilen oft weniger wichtig sei und häufig durch Selbstbefriedigung erreicht werde. Er spricht von Pädophilen als "sexuell zurückgenommene Erwachsene". In aller Regel beachteten sie den Willen des Kindes, einerseits im Interesse der eigenen Sicherheit, andererseits weil dies die Voraussetzung für ihren Lustgewinn sei. Von Kritikern wird Lautmann jedoch vorgeworfen, durch die alleinige und ungeprüfte Befragung Pädophiler ausschließlich deren Sicht darzustellen. Er gibt also lediglich wieder, wie sich Pädophile ''selber'' sehen. Die angebliche Beachtung des Willens der Kinder, die sich oft darin äußert, dass den Kindern von den Pädophilen größere Freiheiten als von den Eltern erlaubt werden, diene nur dem Ziel, eine Vertrauensbasis zu schaffen, um letztlich dem Kind körperlich näher zu kommen. |
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=== Pädophilie bei Frauen === |
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Pädosexuelle, die auf Minderjährige aus ihrer entfernteren Umgebung oder völlig fremde Kinder von der Straße übergreifen, suchen sich ihre Opfer oft an Orten, wo sich Kinder häufig aufhalten und unauffällig angesprochen werden können, einschließlich des [[Internet]]s. Laut Professor Adolf Gallwitz halten sich Pädophile "dort auf, wo Kinder gern sind". Dies gelte besonders für Wohngebiete, in denen viele "[[Schlüsselkind]]er" leben, oder auch für Viertel mit einem hohen [[Single (Lebensform)|Singleanteil]]. Die [[Freie Universität Berlin]] arbeitet zusammen mit einer Kinderschutzorganisation an einer Studie, in denen die Orte näher analysiert werden, an denen Kinder besonders gefährdet sind, mit dem Ziel, Präventionsmaßnahmen für diese Schwerpunkte zu erarbeiten. Nach den ersten Erkenntnissen seien z.B. Schwimmbäder als Orte der Kontaktaufnahme bei Pädosexuellen besonders beliebt, doch das Personal wisse häufig nicht, wie es mit Verdächtigen umgehen soll. |
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Pädophile Neigungen sind auch bei Frauen nachgewiesen. In einigen Veröffentlichungen zu diesem Thema wird davon ausgegangen, dass es sich um Einzelfälle handelt.<ref>Eberhard Schorsch: ''Sexuelle Perversionen.'' In: ''Mensch, Medien, Gesellschaft.'' Band 10, 1985, S. 253–260.</ref><ref name="Bundschuh">{{Literatur |Autor=[[Claudia Bundschuh]] |Titel=Pädosexualität. Entstehungsbedingungen und Erscheinungsformen |Verlag=Leske + Budrich |Ort=Opladen |Datum=2001 |ISBN=3-8100-2930-0}}</ref> [[Peter Fiedler (Psychologe)|Peter Fiedler]] vom Psychologischen Institut in Heidelberg vertritt die Ansicht, dass von den Frauen, die sexuelle Übergriffe an Kindern begangen haben, „anteilmäßig ein mehr oder weniger großer Prozentsatz immer auch die Kriterien der Pädophilie-Diagnose erfüllt“.<ref name="Fiedler">[[Peter Fiedler (Psychologe)|Peter Fiedler]]: ''Sexuelle Orientierung und sexuelle Abweichung''. Beltz-PVU, Weinheim 2004, ISBN 3-621-27517-7, S. 295.</ref> Über die Häufigkeit gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, insbesondere angesichts der Dunkelziffer bei sexuellem Missbrauch.<ref name="spiegel2012" /> |
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Sigusch bringt die geringe Zahl von Veröffentlichungen über pädophile Handlungen von Frauen damit in Verbindung, dass die weibliche Sexualität erst „seit etwa zwei Generationen […] nicht mehr am Modell Mann gemessen“ werde. Deshalb habe Sexualforschung über ihre Stärken und Entgleisungen<ref>{{Literatur |Autor=[[Estela Welldon|Estela V. Welldon]] |Titel=Perversionen der Frau |Reihe=Beiträge zur Sexualforschung |BandReihe=82 |Auflage=2 |Verlag=Psychosozial-Verlag |Ort=Gießen |Datum=2014 |ISBN=978-3-8379-2366-7 |Übersetzer=Detlev Rybotycky}}</ref> eine noch junge Tradition; aber immerhin, so sagt er, „gibt es seit den achtziger Jahren eine Forschung, die zum Beispiel ‚perverse Mütterlichkeit‘ untersucht,<ref>{{Literatur |Autor=Estela V. Welldon |Titel=Mutter, Madonna, Hure. Verherrlichung und Erniedrigung der Mutter und der Frau |Verlag=Bonz |Ort=Waiblingen |Datum=1992 |ISBN=3-87089-352-4 |Originaltitel=Mother, madonna, whore |Übersetzer=Detlev Rybotycky}}</ref> eine Störung, durch die das eigene Kind manipuliert oder gewalttätig bis hin zum Inzest traktiert wird.“<ref name="Fries" /> [[Estela Welldon]] forschte darüber. Ihr Buch ''Mutter, Madonna, Hure'' erschien 1992 in deutscher Sprache, die ''[[Perversionen der Frau]]'' erschien 2014. |
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== Strafrechtliche Einordnung == |
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Pädophilie als bloße sexuelle Orientierung wird strafrechtlich nicht verfolgt. Das Ausleben der Orientierung durch sexuelle Kontakte mit Kindern steht dagegen in den meisten Ländern als [[Sexueller Missbrauch von Kindern|sexueller Missbrauch von Kindern]] unter Strafe. Ebenso sind viele Ersatzhandlungen wie Herstellung, Besitz und die Beschaffung von Darstellungen, die Kinder in sexuellen Handlungen oder Positionen zeigen ([[Kinderpornografie]]) strafbar. |
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== Sexueller Missbrauch durch Pädophile an Kindern == |
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Vermutlich wegen der juristischen und sozialen Konsequenzen vermeidet ein nennenswerter Teil der Pädophilen sexuelle Kontakte zu Kindern. |
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=== Strafrechtliche Einordnung und Häufigkeit === |
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Sexuelle Kontakte mit Kindern sind in den meisten Ländern verboten und strafbewehrt. Kulturabhängige Ausnahmen beschrieb [[Gerhard Amendt]].<ref>{{Literatur |Autor=Gerhard Amendt |Titel=Vatersehnsucht. Annäherung in elf Essays |Verlag=Institut für Geschlechter- und Generationenforschung |Ort=Bremen |Datum=1999 |ISBN=3-88722-452-3}}</ref> Im [[Strafrecht (Deutschland)|deutschen Strafrecht]] sind sie als [[Sexueller Missbrauch von Kindern (Deutschland)|''sexueller Missbrauch von Kindern'']] in {{§|176|stgb|juris}} geregelt, in der [[Strafgesetzbuch (Schweiz)|Schweiz]] in {{Art.|187|StGB|ch}} StGB als ''[[sexuelle Handlungen mit Kindern]]'' und in [[Strafrecht (Österreich)|Österreich]] als ''[[sexueller Missbrauch von Unmündigen]]'' in {{§|207|StGB|RIS-B|DokNr=NOR40152326}} StGB, bei schwerem Missbrauch in {{§|206|StGB|RIS-B|DokNr=NOR40152325}} StGB. |
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Zahlen über den Anteil an Sexualstraftätern unter den Pädophilen sind nicht bekannt. Trotz anders anmutender Eindrücke durch die Medienberichterstattung haben mindestens in Deutschland die nach § 176 StGB angezeigten Delikte im langjährigen Mittel nicht zugenommen, wie der [[Polizeiliche Kriminalstatistik (Deutschland)|Polizeilichen Kriminalstatistik]] (PKS) zu entnehmen ist. Bei dem Eindruck einer Zunahme handelt es sich um [[Artefakt (Sozialforschung)|Artefakte]], also um Irrtümer, die auf andere Ursachen zurückzuführen sind. |
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Einmal einschlägig straffällig gewordene Pädophile unterliegen allerdings einer hohen Rückfallgefahr. Internationale Studien haben ergeben, dass die Rückfallquote bei ihnen mit etwa 40 bis 50 Prozent etwa doppelt so hoch ist wie die durchschnittliche Quote für Sexualstraftäter von 22 Prozent (Egg 2001). Die Rückfallwahrscheinlichkeit ist bei Pädophilen, die auf Jungen orientiert sind, deutlich höher als bei solchen, die auf Mädchen orientiert sind. |
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Einschlägig verurteilte Pädophile unterliegen einer hohen Rückfallgefahr. Internationale Studien haben ergeben, dass die Rückfallquote bei ihnen mit annähernd 40 bis 50 Prozent etwa doppelt so hoch ist wie die durchschnittliche Quote für Sexualstraftäter von 22 Prozent.<ref>Rudolf Egg u. a.: ''Evaluation von Straftäterbehandlungsprogrammen in Deutschland. Überblick und Meta-Analyse. Behandlung gefährlicher Straftäter.'' In: ''Behandlung „gefährlicher Straftäter“: Grundlagen, Konzepte, Ergebnisse'' (= ''Studien und Materialien zum Straf- und Maßregelvollzug.'' Band 11). Centaurus, Herbolzheim 2001, S. 321–347.</ref> Die Rückfallwahrscheinlichkeit ist bei Pädophilen, die auf Jungen orientiert sind, deutlich höher als bei solchen, die sich für Mädchen interessieren. |
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Der Anteil pädophiler Täter am [[Sexueller Missbrauch von Kindern|sexuellen Missbrauch von Kindern]] wird auf 2 bis 10 Prozent eingeschätzt (Kinsey-Report, Lautmann, Brongersma, Groth). Der restliche Teil sind Täter, die sexuell primär auf Erwachsene ausgerichtet sind. |
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Zahlreiche Studien belegen, dass der Anteil pädophiler Täter bei weitem nicht den Hauptanteil am sexuellen Kindesmissbrauch darstellt.<ref>Howard Zonana, Gene Abel: ''Dangerous Sex Offenders. A Task Force Report of the American Psychiatric Association.'' American Psychiatric Association, Washington, DC 1999.</ref> Die hierzu verfügbaren Zahlenangaben sind uneinheitlich. Fiedler beispielsweise geht von 12 bis 20 Prozent aus,<ref name="Fiedler" /> [[Werner Stangl]] von etwa 2 bis 10 Prozent.<ref>[http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/MISSBRAUCH/MissbrauchFormen.shtml#Taeter Werner Stangls Arbeitsblätter: ''Formen des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen. Täter.''] Abgerufen am 4. Oktober 2017.</ref> Die Zahlen sind uneinheitlich, weil jeweils verschiedene [[Kohorte (Sozialwissenschaft)|Kohorten]] zugrunde gelegt wurden. Aus den vorgelegten Studien ist zu folgern, dass der sexuelle Missbrauch an Kindern im Wesentlichen nicht durch Pädophile begangen wird. Im Jahr 2010 bezeichnete die Sexualwissenschaftlerin [[Sophinette Becker]] anlässlich der Enthüllungen an der [[Odenwaldschule#Systematischer sexueller Missbrauch|Odenwaldschule]] mehr als 95 Prozent der Täter als „normal veranlagt“.<ref>{{Literatur |Titel=Psychologin findet Missbrauchsdebatte „verlogen“ |Sammelwerk=Die Welt |Datum=2010-03-16 |Online=https://www.welt.de/politik/deutschland/article6798764/Psychologin-findet-Missbrauchsdebatte-verlogen.html |Abruf=2020-01-26}}</ref> |
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== Therapeutischer Aspekt == |
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=== Sexuelle Handlungen === |
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Es wird vermutet, dass die pädophile Orientierung tief in der Persönlichkeitsstruktur verankert ist und sich nicht ohne Weiteres und möglicherweise nicht ohne Schäden an der Persönlichkeit des Betroffenen ändern lässt. Wie jeder andere Mensch auch ist er aber dafür verantwortlich, dass niemand unter seiner Krankheit bzw. seiner sexuellen Orientierung leidet. Dem entsprechend besteht das primäre Ziel einer Therapie meist darin, sexuelle Handlungen an Kindern zu verhindern und die mitunter auch von den Patienten als quälend empfundenen Impulse abzuwehren und zu verringern. Eine ursächliche Therapie, die das sexuelle Verlangen auf Erwachsene ‚umlenkt‘ ist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen kaum oder überhaupt nicht möglich. Weiterhin sind Therapien auch dann nötig wenn der Patient mit den schwerwiegenden sozialen Folgen, die ein Bekanntwerden seiner Pädophilie meist zur Folge hat, konfrontiert wird. |
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Sexuelle Übergriffe durch Pädophile können eine unterschiedliche Ausprägung haben. Hier reicht die Bandbreite von flüchtigen Berührungen an Kopf und Arm über Manipulation der Genitalien bis zur Ermunterung des Kindes, dasselbe zu tun. [[Geschlechtsverkehr|Penetration]] findet eher selten statt.<ref name="Becker" /> Anwendung von Gewalt ist die Ausnahme<ref>{{Literatur |Autor=Eberhard Schorsch |Titel=Perversion, Liebe, Gewalt. Aufsätze zur Psychopathologie und Sozialpsychologie der Sexualität 1967–1991 |Reihe=Beiträge zur Sexualforschung |BandReihe=68 |HrsgReihe=Gunter Schmidt, Volkmar Sigusch |Verlag=Enke |Ort=Stuttgart |Datum=1993 |ISBN=3-432-25391-5}}</ref> und anschließende Tötungsdelikte der Einzelfall.<ref name="Schorsch ua">{{Literatur |Autor=Eberhard Schorsch, Gerlinde Galedary, Antje Haag, Margret Hauch, Hartwig Lohse |Titel=Perversion als Straftat. Dynamik und Psychotherapie |Auflage=2 |Verlag=Enke |Ort=Stuttgart |Datum=1996 |ISBN=3-432-27212-X}}</ref> Wenn es fortlaufend zu sexuellen Handlungen kommt, werden meist Intensität und/oder Nähe schrittweise gesteigert, ohne dass damit zugleich eine Entgleisung in gewalttätige Handlungen verbunden ist. Die pädophilen Kontakte können Wochen, Monate oder Jahre andauern, wenn sie nicht von anderen Erwachsenen entdeckt und unterbunden werden.<ref name="Davison/Neale" /> In der Regel werden die Kinder zur Verschwiegenheit angehalten. |
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[[Verwahrlosung|Verwahrloste]] Pädophile suchen sich nicht selten ihre Opfer an einschlägig bekannten Orten unter Kindern, die ebenfalls aus verwahrlosten Familien stammen, und bezahlen sie oder gewähren andere Vergünstigungen.<ref name="Schorsch ua" /> |
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Gruppentherapie und Selbsthilfegruppen verfolgen ähnliche Ziele. Patienten lernen ähnliche Verhaltensmuster und deren Konsequenzen bei anderen kennen und können lernen, wie andere Patienten mit ihren Impulsen umgehen und können gleichzeitig bei sich und anderen mögliche Muster der Selbsttäuschung und des Leugnens aufdecken. Die Hemmschwelle an einer Selbsthifegruppe teilzunehmen ist im Allgemeinen geringer im Vergleich zu einer Therapie. Viele können sich dort zum ersten Mal eingestehen, dass sie pädophil sind. Gruppentherapien werden von professionellen Betreuern geleitet, meist Psychologen oder Psychiatern, was unter Umständen eine bessere Lenkung der Therapie ermöglicht und gerade bei schweren Konflikten innerhalb der Gruppe entlastend wirken kann. Gruppentherapien und Selbsthilfegruppen können den Betroffenen helfen, schwierige Lebenslagen, die aufgrund von Pädophilie entstehen können, zu bewältigen. |
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Zahlreiche Studien, wie sie unter anderem von dem Sexualwissenschaftler [[Eberhard Schorsch]] vorgelegt wurden, machen unter den Pädophilen eine Gruppe von Tätern aus, die sich dadurch auszeichnen, dass sie sich nicht nur nicht aggressiv verhalten, sondern sich ihren Opfern geradezu liebevoll zuwenden. Es scheint, als würden sie dadurch die Zuneigung der Kinder erlangen wollen, doch machen sie sich tatsächlich auf diese Weise ihre Opfer gefügig und verlieren das Interesse, sobald die Kinder dem kindlichen [[Körperschema]] entwachsen. Dieser Gruppe entgegengesetzt werden vergleichsweise seltene Täter beschrieben, die [[Sadismus|sadistische]] Vorlieben haben und aus dem Zufügen von Schmerz sexuelle Befriedigung ziehen.<ref name="Davison/Neale" /> Dazu gehörte beispielsweise [[Jürgen Bartsch]], der in den 1960er Jahren die Öffentlichkeit bewegte. |
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Es werden Gesprächstherapien angeboten, in denen der Pädophile über seine sexuelle Orientierung reflektieren und einen<!-- ichsyntonen (?) sowie --> verantwortungsvollen gesellschaftskonformen Umgang mit seiner Orientierung erlernen kann. |
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=== Folgen für die Opfer des sexuellen Missbrauchs === |
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Weiterhin werden - in schweren Fällen und bei Zustimmung des Patienten- [[Testosteron]]-[[Antagonist (Pharmakologie)|Antagonisten]] sowie [[Serotonin-Wiederaufnahmehemmer|SSRI]]s (''Selective Serotonin Reception Inhibitors'' – selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer) verwendet, die den Sexualtrieb hemmen, die Impulskontrolle verbessern und somit die Gefahr von Übergriffen, teilweise auch von [[Intrusion]]en (Gedankeneinbrüchen, die vom Patienten nicht willentlich verhindert werden können) dämmen können. |
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{{Hauptartikel|Sexueller Missbrauch von Kindern #Folgen für das Kind}} |
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Nicht zuletzt müssen möglicherweise bestehende Folgestörungen wie zum Beispiel [[Depression]]en und [[Alkoholkrankheit|Alkoholismus]] behandelt werden. |
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== Prävention und Therapie == |
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Neuere Studien (Hanson 2002) zeigen auf, dass Therapien straffällig gewordener Pädophiler die Rückfallwahrscheinlichkeit um etwa 12 bis 17 Prozent zu senken vermögen. Doch bleibt die Rückfallquote vergleichsweise hoch. |
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=== Präventive Optionen === |
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Als [[Prävention]] gegen sexuellen Kindesmissbrauch durch Pädophile wird heute vorwiegend Aufklärung durch Verbreitung von Informationen betrachtet. Sie sollen Kinder, Eltern und Pädagogen erreichen sowie die Gesellschaft für das Problem sensibilisieren.<ref name="Presseinfo Charite">[https://sexualmedizin.charite.de/forschung/kein_taeter_werden/ Informationen des Projektes „Kein Täter werden“ an der Berliner Charité]</ref> Auch die [[Gewerkschaft der Polizei]] informiert auf ihrer Internetpräsenz,<ref>[https://www.polizei-dein-partner.de/themen/sexueller-missbrauch/detailansicht-sexueller-missbrauch/artikel/paedosexualitaet-die-folgen-des-missbrauchs.html ''Pädosexualität: Die Folgen des Missbrauchs.''] [[Gewerkschaft der Polizei|GdP]], aufgerufen am 1. November 2023</ref> wobei sie sich auf [[Pädosexualität|konkrete sexuelle Handlungen an Kindern]] beschränkt, unter deren Folgen diese häufig ein Leben lang leiden.<ref>{{Internetquelle |autor=Monika Egli-Alge |url=https://krimpub.krimz.de/frontdoor/deliver/index/docId/181/file/Abschlussbericht_Reformkommission_Sexualstrafrecht.pdf |titel=Stellungnahme aus fachpsychologischer Sicht zur Frage, inwieweit geistig behinderte Personen strafrechtlich vor sexuellen Übergriffen geschützt werden sollten, wenn sie zwar zum Widerstand fähig wären, aber keinen Widerstand leisten, sondern – scheinbar – einvernehmlich an der sexuellen Handlung mitwirken |werk=Abschlussbericht der Reformkommission zum Sexualstrafrecht |hrsg=Bundesministerium für Justiz |datum=2017-07-19 |format=PDF; 6,75 MB |seiten=897–900, hier S. 698 |abruf=2023-11-01}}</ref> Über Aufklärung hinaus ist es für Kinder vorteilhaft, wenn die Entwicklung von [[Selbstwert|Selbstsicherheit]] gefördert wird und sie lernen, dass sie in solchen Situationen das Recht haben, ''Nein'' zu sagen. Gegen [[Kindesmitnahme|Kindesentführung]] und in der Folge sexuelle Gewalthandlungen vermögen präventive Maßnahmen nichts auszurichten, allerdings sind sie die seltene Ausnahme. |
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Präventionsarbeit mit potentiellen Sexualstraftätern existiert bislang kaum, zumal sie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen [[Krankenkasse]]n gehört.<ref name="Ahlers" /> Das Projekt ''[[Kein Täter werden]]'' an der Berliner [[Charité]] bietet „Therapie zur Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch und dem Konsum von Missbrauchsabbildungen“ an.<ref name="Presseinfo Charite" /> Mittlerweile existieren Standorte des Projektes in weiteren Städten,<ref>[http://www.kein-taeter-werden.de/ Website des Präventionsnetzwerks „Kein Täter werden“]</ref> die sich zum Präventionsnetzwerk ''Kein Täter werden'' zusammengeschlossen haben und nach gemeinsamen Qualitätsstandards arbeiten.<ref>[http://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Grosses-Interesse-an-Ambulanz-fuer-Paedophile-id16908811.html ''Großes Interesse an Ambulanz für Pädophile.''] In: ''Augsburger Allgemeine.'' 28. September 2011.</ref> |
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== Kontroversen == |
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=== Therapeutische Optionen === |
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=== Seelische Störung oder sexuelle Orientierung? === |
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Sexualmediziner gehen heutzutage überwiegend davon aus, dass die Entwicklung der Sexualität im Wesentlichen mit dem Ende der Pubertät abgeschlossen ist und eine grundsätzliche Änderung der pädophilen Sexualpräferenz nicht möglich ist.<ref name="Vogt">Horst Vogt: ''Pädophilie. Leipziger Studie zur gesellschaftlichen und psychischen Situation pädophiler Männer''. Pabst Science Publishers, Lengerich 2006, ISBN 3-89967-323-9.</ref> |
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Das primäre Ziel einer Therapie besteht deshalb meist darin, sexuelle Handlungen an Kindern zu verhindern.<ref name="Becker" /> In Einzel- und Gruppentherapien sollen die Patienten lernen, ihre [[Impulsivität|Impulse]] zu kontrollieren und Verhaltensmuster, die den sexuellen Missbrauch begünstigen, zu vermeiden. Weitere Ziele können die Aufdeckung von Wahrnehmungs- und Interpretationsfehlern des Verhaltens von Kindern sowie die Stärkung der [[Empathie]]fähigkeit sein.<ref name="Presseinfo Charite" /> Speziell zur Behebung von Wahrnehmungsverzerrungen, allerdings nicht auf Pädophile zentriert, legten [[Jürgen Körner (Psychologe)|Jürgen Körner]] und Rebecca Friedmann im Jahr 2005 unter dem Titel ''Denkzeit für delinquente Jugendliche'' ein Buch vor, in dem die sogenannte ''Denkzeit-Methode'' an einer Fallgeschichte ausführlich dargestellt wurde.<ref>{{Literatur |Autor=[[Jürgen Körner (Psychologe)|Jürgen Körner]], Rebecca Friedmann |Titel=Denkzeit für delinquente Jugendliche. Theorie und Methode dargestellt an einer Fallgeschichte |Verlag=Lambertus |Ort=Freiburg im Breisgau |Datum=2005 |ISBN=3-7841-1603-5 |Kommentar=Mehr auf der Seite der Denkzeit-Gesellschaft |Online=https://www.denkzeit.info/ |Abruf=2022-05-02}}</ref> |
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Im Jahr 1996 gab Volkmar Sigusch den Sammelband ''Sexuelle Störungen und ihre Behandlung'' heraus, der 2007 in vierter, überarbeiteter und erweiterter Auflage erschien. Die beitragenden Autorinnen und Autoren geben darin einen Überblick über Behandlungsoptionen, im 5. Kapitel über ''Sexuelle Perversionen'', im 6. Kapitel unter dem Titel ''Sexueller Missbrauch, Gewalt und Delinquenz''.<ref>{{Literatur |Hrsg=Volkmar Sigusch |Titel=Sexuelle Störungen und ihre Behandlung |Auflage=4. überarbeitete und erweiterte Auflage |Verlag=Thieme |Ort=Stuttgart / New York |Datum=2007 |ISBN=978-3-13-103944-6}}</ref> |
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Therapien können auch dann nötig werden, wenn der Patient mit den schwerwiegenden sozialen Folgen, die ein Bekanntwerden seiner Pädophilie meist zur Folge hat, konfrontiert, damit aber nicht fertig wird und darüber erkrankt. Nicht zuletzt müssen möglicherweise bestehende Folgestörungen wie zum Beispiel Depressionen oder [[Alkoholkrankheit|Alkoholismus]] behandelt werden. |
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Neben [[Psychotherapie|psycho-]] oder [[Soziotherapie|soziotherapeutischen]] Angeboten werden manchen Patienten – in schweren Fällen und mit ihrer Zustimmung verabreicht – medikamentöse Behandlungsoptionen angeboten. Dazu zählen die [[Antagonist (Pharmakologie)|Antagonisten]] des Sexualhormons [[Testosteron]], aber auch [[Serotonin-Wiederaufnahmehemmer]], die den Sexualtrieb hemmen, die Impulskontrolle verbessern und somit die Gefahr von Übergriffen eindämmen können. Teilweise kann damit auch Einfluss auf sogenannte [[Intrusion (Psychologie)|Intrusionen]] genommen werden, also Gedankeneinbrüche, die vom Patienten nicht willentlich verhindert werden können. In den letzten Jahren gab es überdies Versuche, das unerwünschte Verhalten mit [[Medroxyprogesteron]] (MPA) zu bekämpfen, welches den Testosteronspiegel von Männern senkt.<ref name="Davison/Neale" /> |
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[[Antiandrogene]], die eine chemische [[Kastration]] bewirken, werden wegen pädophiler Handlungen verurteilten [[Sexualstrafrecht|Sexualstraftätern]] nur noch selten verabreicht, [[stereotaktische Hirnoperation]]en werden, anders als in den 1960er und 1970er Jahren, nicht mehr durchgeführt. [[Georges Fülgraff]] und Ilse Barbey gaben darüber 1978 einen Sammelband heraus.<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Georges Fülgraff]], Ilse Barbey |Titel=Stereotaktische Hirnoperationen bei abweichendem Sexualverhalten. Abschlussbericht der Kommission beim Bundesgesundheitsamt |Reihe=bga-Berichte |BandReihe=3 |Verlag=Reimer |Ort=Berlin |Datum=1978 |ISBN=3-496-02018-0}}</ref> |
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Neuere Studien zeigen auf, dass Therapien straffällig gewordener Pädophiler die Rückfallwahrscheinlichkeit um etwa 12 bis 17 Prozent zu senken vermögen. Doch bleibt die Rückfallquote vergleichsweise hoch.<ref>Rudolf Egg: [http://www.buergerimstaat.de/1_03/grund.htm ''Kriminalität mit sexuellem Hintergrund.''] In: ''Der Bürger im Staat.'' Heft 1, 2003.</ref> |
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== Kontroversen == |
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=== Seelische Störung versus sexuelle Orientierung === |
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Um die sexualmedizinische Einordnung der Pädophilie gibt es seit jeher Kontroversen. Sie finden einerseits unter Fachleuten, Pädophilen und Laien statt und andererseits zwischen diesen Gruppen. Fachleute sind sich relativ einig darüber, dass es sich bei der Pädophilie um eine krankheitswertige Störung handelt. Die weltweit recht gut vernetzte [[Pädophilenbewegung]] ist sich ebenso einig, dass dem nicht so sei. Dazwischen stehen Laien, die ihre Positionen im Wesentlichen aus den Medien beziehen und auf dieser Basis Partei ergreifen. Hinzu kommt eine ausschließlich von [[Profit]]interessen getragene [[Kinderpornografie#Kommerzielle Kinderpornografie|Pornoindustrie]], die die Diskussion zusätzlich und im Sinn ihrer Profitinteressen befeuert. |
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Uneinig sind sich die Fachleute über einige fachspezifische Fragen, an denen Laien kaum interessiert sind. Ihre theoretische Ausrichtung ist verschieden und damit auch erklärende Ansätze. Daneben finden sich Unterschiede über die Frage, welche der zur Verfügung stehenden diagnostischen Klassifikationssysteme sie bevorzugen, ob sie also lieber nach der von der [[Weltgesundheitsorganisation|WHO]] herausgegebenen [[Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme|ICD]] oder dem von der [[American Psychiatric Association|Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung]] entwickelten [[Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders|DSM]] klassifizieren oder gar an dem als veraltet geltenden Begriff der [[Perversion]] festhalten, der unter anderem von Sigusch verteidigt wird: |
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Sowohl in der [[ICD|''International Classification of Diseases, Injuries, and Causes of Death'']] (ICD) als auch im einflussreichen amerikanischen [[DSM|Diagnostic and Statistical Manual]] (DSM) wird Pädophilie als psychische Störung aufgeführt. Um diese Tatsache und um die Details der DSM-Definition hat sich eine Diskussion entwickelt (vgl. ''Archives of Sexual Behavior'', Dezember 2002): |
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{{Zitat |
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|Text=Ich habe mich entschieden, behandlungsbedürftige, süchtige sexuelle Entwicklungen weiterhin Perversion zu nennen. Der Hauptgrund ist: Dieses Wort beschönigt nichts; es ruft die Katastrophe beim Namen. Von dem Ausdruck Paraphilie, den jüngere Sexualwissenschaftler vorziehen, kann das nicht gesagt werden. Dieses Wort sollten wir benutzen, wenn es um ungewöhnliche sexuelle Vorlieben und Verhaltensweisen geht, die keiner Therapie bedürfen und die niemandem Gewalt antun, die also weder den Paraphilen selbst noch eine andere Person schädigen. |
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|Autor=[[Volkmar Sigusch]] |
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|Quelle=Sexuelle Welten |
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|ref=<ref>{{Literatur |Autor=[[Volkmar Sigusch]] |Titel=Sexuelle Welten. Zwischenrufe eines Sexualwissenschaftlers |Verlag=Psychosozial |Ort=Gießen |Datum=2005 |ISBN=3-89806-482-4 |Seiten=100}}</ref>}} |
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Der Begriff der Perversion hatte sich eingebürgert, bald nachdem Freud 1905 seine ''Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie''<ref>{{Literatur |Autor=Sigmund Freud |Titel=Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie |Datum= |Online=[http://www.psychanalyse.lu/Freud/FreudDreiAbhandlungen.pdf psychanalyse.lu] |Format=PDF |KBytes=528 |Abruf=2018-03-07}}</ref> geschrieben hatte. Wie [[Reimut Reiche]] schrieb, war das „der Auftakt einer Umbenennungs-Odyssee, die bis heute andauert“.<ref name="Reiche">{{Literatur |Autor=[[Reimut Reiche]] |Hrsg=Ilka Quindeau, Volkmar Sigusch |Titel=Das Rätsel der Sexualisierung |Sammelwerk=Freud und das Sexuelle. Neue psychoanalytische und sexualwissenschaftliche Perspektiven |Verlag=Campus Verlag |Ort=Frankfurt am Main / New York |Datum=2005 |ISBN=3-593-37848-5 |Seiten=136 |Online={{Google Buch |BuchID=um9HVWY6TUsC |Seite=136}} |Abruf=2018-03-06}}</ref> Dabei mahnte er an, „die normative Kraft von Sprachregelungen“ nicht zu unterschätzen. Sie zeigt sich beispielsweise an [[Robert Stoller|Stollers]] Titel ''[[Perversion – Die erotische Form von Hass]]'' oder an dem Titel ''[[Perversionen der Frau]]'' von [[Estela Welldon]]. |
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Im Bemühen um begriffliche Klarheit schlugen die Sexualwissenschaftler der Berliner Charité im Jahr 2005 vor, zwischen ''sexueller Orientierung'' für das bevorzugte Geschlecht der Sexualpartner, ''sexueller Ausrichtung'' für das bevorzugte Alter der Sexualpartner und ''sexueller Neigung'' für die bevorzugten sexuellen Praktiken zu unterscheiden.<ref name="Ahlers/Beier/Schaefer" /> |
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* Es wurde vorgeschlagen, alle [[Paraphilie]]n (zu denen auch die Pädophilie zählt) aus dem Verzeichnis (DSM) zu streichen. Dafür machen sich jene stark, die den betreffenden Störungen keinen eigentlichen Krankheitswert zuweisen, sondern glauben, dass die Paraphilien nur aufgrund eines gesellschaftlichen Konflikts als psychische Störung aufgefasst würden (solche Konflikte werden (im Prinzip) zur Zeit ausdrücklich nicht als DSM-relevante Störungen angesehen). |
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Drei Jahre zuvor war in der amerikanischen Zeitschrift ''[[Archives of Sexual Behavior]]'' eine breite Kontroverse über den Begriff der Pädophilie und seine Einordnung in die einschlägigen diagnostischen Klassifikationssystemene von ''ICD'' und ''DSM'' veröffentlicht worden.<ref>''Special Section on Pedophilia.'' In: ''Archives of Sexual Behavior.'' Band 31, Nr. 6, Dezember 2002, S. 465–510. {{ISSN|0004-0002}}</ref> Beide sehen für die Pädophilie die Kodierung einer psychischen Störung vor, die ICD unter dem Oberbegriff der ''Sexualpräferenzstörungen'', das DSM unter ''[[Paraphilie]]''. Diese Kontroverse handelte zugleich eine ganze Reihe von Streitgegenständen ab. Einige Autoren schlugen vor, alle Paraphilien, zu denen auch die Pädophilie zählt, aus dem DSM zu streichen, weil sie überzeugt waren, derlei Störungen würden lediglich aufgrund gesellschaftlicher Konflikte den Paraphilen zugewiesen. Darüber hinaus gab es den Vorschlag, die Pädophilie als ''[[Störung der Impulskontrolle|Impulskontrollstörung]]'' (ICD: F63) zu kategorisieren mit der Konsequenz, dass dabei die sexuelle Ausrichtung auf Kinder verschleiert wird. Auch wurde empfohlen, ''sexuelle Präferenz'' und ''sexuelles Verhalten'' zu unterscheiden. Damit würde die ''Pädophilie'' als reine Präferenzstörung von ''Pädosexualität'' als sexueller Verhaltensstörung unterschieden, in deren Rahmen Sexualität mit Kindern stattfindet. Auf diese Weise solle der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es Pädophile gibt, die ihr sexuelles Begehren zwar auf Kinder richten, aber darauf verzichten, dem nachzugeben. Verzichten sie nicht, solle in der Diagnose eine ''sexuelle Verhaltensstörung'' zugewiesen werden, wie beispielsweise Ahlers, Beier und andere vorschlugen.<ref name="Ahlers/Beier/Schaefer" /> Damit bemäße sich der Krankheitswert einer Paraphilie jedoch an ihren Folgen, womit andere Sexualwissenschaftler nicht einverstanden sind. |
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* Über die Frage, unter was für einer Störung Pädophile leiden könnten, gibt es keinen Konsens. Beispielsweise wird vorgeschlagen, Pädophilie als ''[[Impulskontrollstörung]]'' (ICD: F63) zu kategorisieren. Dies ist für die gegenwärtige DSM-Definition von Pädophilie möglich, nicht aber für andere (z.B. ICD). In jedem Fall wird damit das Hauptaugenmerk von der primären sexuellen Orientierung auf Kinder weggenommen und auf das Verhalten des Pädophilen gelenkt. |
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Jenseits dieser Diskussion grenzen sich einige wenige Fachleute von ihrer Kollegenschaft ab, indem sie propädophile Positionen vertreten. So gab es unter dem Titel ''Paidika – Journal of Paedophilia'' eine wissenschaftliche Zeitschrift, in der propädophile Autoren wie [[Edward Brongersma]]<ref>{{Literatur |Autor=[[Edward Brongersma]] |Titel=Die Rechtsposition des Pädophilen |Sammelwerk=[[Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform|MschrKrim.]] |Nummer=2 |Datum=1980 |Seiten=97–108}}</ref> und [[Helmut Graupner]]<ref>{{Literatur |Autor=[[Helmut Graupner]] |Titel=Love versus Abuse: Cross-generational Sexual Relations of Minors. A Gay Rights Issue? |Sammelwerk=Journal of Homosexuality |Band=47 |Nummer=4 |Datum=1999 |Seiten=23–56 |Sprache=en}}</ref> veröffentlichten. Sie „verstand sich als wissenschaftliche Zeitschrift für ‚einvernehmliche generationsübergreifende sexuelle Beziehungen‘“, auch mit Kindern.<ref name="Mascher">{{Internetquelle |autor=Konstantin Mascher |url=http://www.dijg.de/paedophilie-kindesmissbrauch/normalisierung-allianzen-lobby/ |titel=Pädophile Allianzen. Die Pädophilenbewegung in Deutschland und ihre Interessensvertreter |abruf=2018-03-05}}</ref> 1995 wurde sie eingestellt. Konstantin Mascher beschrieb in seiner Schrift ''Die Pädophilenbewegung in Deutschland und ihre Interessensvertreter'' ausführlich, wie aus propädophiler Position agiert werde und wie viel Einfluss sie, insbesondere „im Windschatten der Homosexuellenbewegung“, habe gewinnen können.<ref name="Mascher" /> Graupner beispielsweise war als Sachverständiger vor den [[Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages]] geladen und konnte dort seinen Vorschlag platzieren, [[Artikel 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland|Artikel 3]] des [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetzes]] so zu ergänzen, dass Menschen nicht nur nicht wegen ihrer [[Geschlechtsidentität]], sondern zukünftig auch nicht wegen ihrer „[[Sexuelle Identität|sexuellen Identität]] […] benachteiligt oder bevorzugt werden“ dürften.<ref name="Mascher" /> Sein Vorschlag wurde nicht angenommen und damit ein erster Schritt hin zu einer Legalisierung der Pädophilie verhindert. Die ''Pädophilenbewegung'' hat Interesse daran, sowohl den Krankheitsbegriff der Pädophilie als auch die Strafbarkeit ihrer Ausübung zu tilgen und sie stattdessen als Ausdruck der [[Persönlichkeit]] und als eine eigenständige [[sexuelle Orientierung]] neben Hetero-, Homo- und Bisexualität anerkennen zu lassen. Ihre Kritiker beklagen die damit verbundene Verleugnung und Verharmlosung der Implikationen. |
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Diese Diskussionen betreffen lediglich die psychologische Einordnung der Pädophilie, nicht die Bewertung von Handlungen, die aufgrund pädophiler Veranlagungen begangen werden. |
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[[Jeffrey Satinover]], ein amerikanischer Psychoanalytiker und Physiker, hat sich unter dem bezeichnenden Titel ''The Trojan Couch'' zwar nur am Rande mit dem Thema Pädophilie befasst, dabei jedoch Machtstrukturen im Wissenschaftsbetrieb aufgedeckt, die über Wohl und Wehe wissenschaftlicher Positionen entscheiden.<ref>{{Internetquelle |autor=[[Jeffrey Satinover]] |url=http://factsaboutyouth.com/wp-content/uploads/TheTrojanCouchSatinover.pdf |titel=The Trojan Couch. How the Mental Health Associations Misrepresent Science |hrsg=[[National Association for Research and Therapy of Homosexuality|NARTH]] |datum=2005 |format=PDF; 166 kB |sprache=en |abruf=2018-03-05}}</ref> |
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=== Zur Frage der Freiwilligkeit === |
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Auch freiwillige sexuelle Handlungen zwischen Kindern und Erwachsenen sind in den meisten Ländern strafbar. Sie werden auch aus [[Sexualmoral|sitten-moralischen]] Gründen abgelehnt. Diese Ablehnung stützt sich in der Sexualwissenschaft hauptsächlich auf drei Begründungen: |
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*Kinder können zwar ''willentlich'' (fachlich ''simple consent''), nicht aber ''wissentlich'' (fachlich ''[[informed consent]]'') sexuellen Handlungen zustimmen. Demnach wissen Kinder nicht, wozu sie ihre Zustimmung geben. |
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*Ein Modell<!-- von Martin Dannecker --> beschreibt die ''Disparität der Wünsche'' bzw. der ''Ungleichzeitigkeit'', nach dem Erwachsene und Kinder in einer sexuellen Beziehung unterschiedliche Wünsche haben und in ihrer sexuellen Entwicklung ungleichzeitig sind. Die sexuellen Wünsche der Erwachsenen korrelieren damit entwicklungspsychologisch nicht mit den Wünschen des Kindes. |
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*Kinder würden nur den Erwachsenen zuliebe in sexuelle Handlungen mit ihnen einwilligen, da sie von ihnen abhängig sind. Außerdem können Erwachsene, die ja selber Wünsche haben, Signale des Kindes falsch interpretieren. Letzteres gilt besonders, wenn man Pädophilie als Krankheit sieht. |
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*Im Sinne der Rechtssicherheit sollen Kinder vor Fehleinschätzungen bei der Bewertung der Legalität durch den Erwachsenen geschützt werden. |
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=== Frage der Strafwürdigkeit gewaltfreier sexueller Handlungen === |
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Dem halten einige Autoren (u.a. Griesemer) entgegen, dass einige Kinder durchaus von sich aus sexuelle Wünsche hätten und diese teilweise auch auf Erwachsene gerichtet seien. Die Umstellung der sexuellen Wünsche finde teilweise schon im Alter von zwölf Jahren statt. <!-- vgl. Griesemer, M. M. "Zur empirischen Wirklichkeit von Missbrauchssymptomen", u.a. auf itp-arcados.net --> |
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Im ''besonderen Teil'' des [[Strafgesetzbuch (Deutschland)#Besonderer Teil|Strafgesetzbuches]] der Bundesrepublik Deutschland hat der Gesetzgeber im 13. Abschnitt festgelegt, welche sexuellen und mit der Sexualität in Verbindung stehenden Verhaltensweisen er unter Strafe gestellt wissen will. Geregelt wird dies insgesamt in den ''{{§|174–184j|stgb|buzer|text=§§ 174–184j}} [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|StGB]]''. Darüber hinaus gibt es Regelungen im 12. und 16. Abschnitt, die hier außer Betracht bleiben können. Das absolute [[Schutzalter]] liegt in Deutschland allgemein bei 14 Jahren und unter besonderen Umständen bei 16 oder 18 Jahren. Durch das Gesetz besonders geschützt werden Kinder und [[Jugend]]liche, wenn sie zur Betreuung im Rahmen eines [[Obhutsverhältnis]]ses anvertraut wurden, oder bei Ausnutzung einer Zwangslage. Für bestehende Abhängigkeitsverhältnisse und weitere Konstellationen gibt es für das Verbot sexueller Handlungen keine Altersbegrenzung. Sexuelle [[Gewalt]] ist ebenso wie jegliche Ausübung von [[Vis compulsiva|Zwang]] unter allen Umständen strafbar. In anderen Ländern gelten teilweise andere Regelungen. |
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Die Strafwürdigkeit auch zwang- und gewaltfreier pädosexueller Handlungen gründete sich ursprünglich auf [[Sexualethik|sittlich-moralische]] Vorstellungen. Sie wird von Vertretern propädophiler Interessen bestritten, von den meisten Sexualwissenschaftlern jedoch verteidigt. [[Martin Dannecker]] beispielsweise betonte die, wie er es nannte, „[[Disparität]] der Wünsche“, die zwischen dem Pädophilen und einem Kind „schon bei der ersten Begegnung“ herrsche. Sie sei „auch nicht durch die vielleicht miteinander erlebte Sexualität zu überbrücken“, weil das „Verlangen“ des Pädophilen strukturiert und auf ein sogenanntes [[Objektbeziehungstheorie|Objekt]] gerichtet sei, während, sollte es bei dem Kind überhaupt vorhanden sein, es bei ihm „vergleichsweise diffus und objektlos“ wäre. Das Bezugssystem der kindlichen Sexualität im Kontakt mit einem Pädophilen sei „nicht das eigene sexuelle Verlangen, sondern das des anderen“.<ref name="Dannecker">{{Literatur |Autor=[[Martin Dannecker]] |Hrsg=Volkmar Sigusch |Titel=Sexueller Missbrauch und Pädosexualität |Sammelwerk=Sexuelle Störungen und ihre Behandlung |Auflage=4 |Verlag=Thieme |Ort=Stuttgart / New York |Datum=2007 |ISBN=978-3-13-103944-6 |Kapitel=23 |Seiten=295–299 |Online={{Google Buch |BuchID=Fa-vI43CxEsC}} |Abruf=2018-03-09}}</ref> Dannecker ging noch einen Schritt weiter: |
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Die Abgrenzung zwischen Verstößen gegen die willentliche und gegen die wissentliche Zustimmung ist umstritten. |
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{{Zitat |
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|Text=Denn es ist ja gerade nicht so, dass nur ‚pathologisch veranlagte‘ Erwachsene im erotischen Spiel mit Kindern in eine Situation geraten können, in der die Gefahr einer Verwechslung des kindlichen sexuellen Ausdrucks und der kindlichen sexuellen Wünsche mit den Wünschen einer reifen Person auftaucht. |
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|Autor=Martin Dannecker |
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|Quelle=Sexueller Missbrauch und Pädosexualität |
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|ref=<ref name="Dannecker" />}} |
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In eine solche Situation können, so Dannecker, Erwachsene potentiell immer dann geraten, „wenn sie sich in intime und körperliche Nähe zu Kindern begeben“. Dann sei ein „gewisses Maß an Erregung […] in dieser Nähe gar nicht zu vermeiden“. Diesen „Anfechtungen“ gelte es zu widerstehen, was in der Regel gelinge; doch das sei, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht Anliegen des Pädophilen. |
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Weil „ein vorpubertäres Kind nicht weiß, was Liebe und Sexualität sind, was sie bedeuten, was sie symbolisieren“, könne es, so Sigusch, „keine reflektierte Einvernehmlichkeit geben“.<ref name="Fries">{{Internetquelle |autor=Meike Fries |url=https://www.zeit.de/2010/20/Interview-Sigusch |titel=‚Es muss endlich um die Opfer gehen‘. Volkmar Sigusch spricht… |werk=Zeit Online |datum=2010-05-12 |abruf=2018-03-03}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Volkmar Sigusch |Titel=Sexualwissenschaftliche Thesen zur Missbrauchsdebatte |Sammelwerk=Zeitschrift für Sexualforschung |Band=23 |Nummer=3 |Verlag=Thieme |Ort=Stuttgart |Datum=2010 |ISSN=0932-8114 |Seiten=247–257 |Online=[https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0030-1262531 thieme-connect.de] |Abruf=2018-03-09}}</ref> In diesem Zusammenhang wies der amerikanische Sozialwissenschaftler [[David Finkelhor]] darauf hin, dass ein Kind zwar ''willentlich („simple consent“)'' zustimmen könne, nicht aber – und das sei ein bedeutsamer Unterschied – ''wissentlich („[[Informed consent (Pädophilie)|informed consent]]“)''.<ref>[[David Finkelhor]]: ''Child Sexual Abuse: New Theory and Research.'' Free Press, New York 1984, ISBN 0-02-910020-8.</ref> Das Kind könne weder erfassen, aus welchen Beweggründen ein sexuell motivierter Erwachsener seine Nähe sucht, noch sei es in der Lage, die zu erwartenden Folgen abzusehen.<ref>{{Literatur |Hrsg=[[Ursula Enders]] |Titel=Zart war ich, bitter war’s |TitelErg=Handbuch gegen sexuellen Missbrauch |Auflage=3 |Verlag=[[Kiepenheuer & Witsch]] |Ort=Köln |Datum=2003 |ISBN=3-462-03328-X |Seiten=22 |Zitat=Kinder […] können sexuelle Kontakte zu Männern (Frauen) nicht wissentlich ablehnen oder ihnen zustimmen […]. Folglich muss jeder sexuelle Kontakt zwischen einem (einer) Erwachsenen und einem Kind als sexueller Missbrauch bewertet werden ([…] Finkelhor 1979 […]).}}</ref><ref name="Finkelhor, 1986">David Finkelhor et al. (Hrsg.): ''A Sourcebook On Child Sexual Abuse.'' Sage, Newbury Park 1986.</ref> Dieser Unterschied werde von Pädophilen, die von Einvernehmlichkeit ausgehen möchten und deshalb für eine Legalisierung plädieren, nicht gesehen oder verleugnet. |
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== Vermischtes == |
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[[Bild:Pedophile-butterfly.png|thumb|Schmetterling der Pädophilenbewegung]] |
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Der Erziehungswissenschaftler [[Friedrich Koch (Erziehungswissenschaftler)|Friedrich Koch]] plädierte in der Debatte über Pädophilie für eine Erweiterung des Gewaltbegriffes, denn sie könne sogar „im Gewand der Fürsorge, Hilfe und Unterstützung auftreten, auch ohne dass sich diejenigen, die sich unter diesem Vorwand dem Kinde nähern, einer Täuschung bewusst“ seien.<ref>{{Literatur |Autor=Friedrich Koch |Hrsg=Ulrich Büscher |Titel=Sexueller Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen. Die Bedeutung der Sexualerziehung im Rahmen der Prävention |Sammelwerk=Sexueller Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen |Verlag=Westarp-Wiss. |Ort=Essen |Datum=1991 |ISBN=3-89432-045-1 |Seiten=83}}</ref> Kinder müssten auch vor subtilen [[Manipulation]]en durch Erwachsene geschützt werden, weil zwischen ihnen aufgrund verschiedener Lebenserfahrung und geistig-seelischen Reife naturgemäß ein nicht unerhebliches [[Macht]]gefälle bestehe. |
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=== Pädophilengruppen === |
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Die sogenannte ''[[Sexuelle Revolution]]'' in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit ihrem Anspruch einer emanzipatorischen [[Sexualpädagogik#1970er Jahre|Sexualpädagogik]] bereitete ebenso wie die anschließende und bis heute fortdauernde ''[[Neosexuelle Revolution]]'' den Boden für propädophile Positionen. Das hat damit zu tun, dass homosexuell Pädophile ihre Forderungen nach einer Legalisierung der Pädosexualität mit dem Kampf gegen die [[Diskriminierung]] Homosexueller verknüpft hatten. In der frühen Zeit der öffentlichen und wissenschaftlichen Debatten standen die Folgen der Pädosexualität für die betroffenen Kinder noch nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit, so dass sich Sigusch im Jahr 2010 in einem Interview unter dem Titel ''Es muss endlich um die Opfer gehen'' zu Wort meldete.<ref name="Fries" /> |
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Es gibt eine Reihe von Pädophilengruppen, die recht unterschiedliche Ziele verfolgen, zum Beispiel die Legalisierung sexueller Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern, die Ausgliederung der Pädophilie aus den Krankheiten oder auch Öffentlichkeitsarbeit oder Unterstützung für Pädophile in Gefängnissen betreiben. Diese Gruppen werden häufig wegen Verharmlosung von sexuellem Missbrauch und Einseitigkeit angegriffen. Sofern sie die Pädophilie nicht als Krankheit sehen, lehnen sie Therapien, die die Pädophilie selbst betreffen und nicht nur Folgen wie Ausgrenzung und Strafverfolgung, in der Regel ab. Informelle, kriminelle Gruppen benutzen manchmal auch offizielle Gruppen um zum Beispiel Kinderpornografie auszutauschen oder Tipps zu geben, wie man sich am besten Kindern annähert und diese zur Teilnahme an sexuellen Handlungen bewegt. |
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Auch wenn nicht davon ausgegangen werden muss, dass gewaltfreie sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern zwangsläufig zu [[Trauma (Psychologie)|psychotraumatischen Schäden]] führen, lassen sie sich nicht ausschließen.<ref name="Ahlers/Beier/Schaefer" /> Jegliche sexuellen Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern nehmen Einfluss auf ihre psychosexuelle Entwicklung, gefährden diesen Prozess und sind darüber hinaus geeignet, das Vertrauen von Kindern in Erwachsene zu zerstören. In diesem Zusammenhang wird im [[Deutscher Rechtskreis|deutschen Rechtskreis]] von einer ''abstrakten [[Gefährdungsdelikt|Gefährdung]]'' gesprochen. Nicht immer alleinursächlich, aber nahezu immer bergen sie mindestens das Risiko eines bleibenden [[Kindheitstrauma]]s, allein, so Dannecker, durch die plötzliche Sexualisierung der Beziehung zwischen Erwachsenem und Kind.<ref name="Dannecker87">{{Literatur |Autor=Martin Dannecker |Hrsg=[[Herbert Jäger (Jurist)|Herbert Jäger]], Eberhard Schorsch |Titel=Bemerkungen zur strafrechtlichen Behandlung der Pädosexualität |Sammelwerk=Sexualwissenschaft und Strafrecht |Reihe=Beiträge zur Sexualforschung |BandReihe=62 |Verlag=Enke |Ort=Stuttgart |Datum=1986 |ISBN=3-432-96011-5 |Seiten=71–83}}</ref><ref name="Schmidt" /> Sigusch wies darauf hin, dass die Frage, ob und in welchem Ausmaß ein Kind geschädigt werde, neben dem konkreten Tatgeschehen sehr davon abhänge, „in welcher sozialen und seelischen Verfassung es mit welcher Vorgeschichte in welchem sozialen Umfeld in eine Beziehung zu einem Pädosexuellen“ gerate.<ref name="Fries" /> |
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=== Übergriffe von Priestern auf Minderjährige === |
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== Pädophilenbewegung == |
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In jüngerer Zeit betrifft ein besonderes Phänomen vor allem die [[katholische Kirche]]: die Fälle sexueller Übergriffe von [[Priester]]n auf minderjährige Jungen. Derartige Fälle sind zunächst in den [[USA]] und dann auch in [[Deutschland]] und [[Österreich]] bekannt geworden. Dabei wurde die Bezeichnung „pädophile Priester“ übernommen, ohne dass psychologische Diagnosen vorlagen. Eine Untersuchung der katholischen Kirche zeigte unter Zugrundelegung psychologischer Diagnosen ([[DSM-IV]]), dass 80 Prozent der auffällig gewordenen Priester nicht pädophil orientiert waren. Kritiker bemängelten jedoch, dass diese Untersuchungen von unabhängiger Seite nicht verifiziert wurden und warfen der Kirche Vertuschung vor. |
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{{Hauptartikel|Pädophilenbewegung}} |
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=== Pädophilie und Internet === |
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Über Pädophilie wird häufig im Zusammenhang mit dem Internet berichtet. Es steht zu vermuten, dass viele Pädophile das Internet zum Austausch von [[Kinderpornografie]], vornehmlich über [[Tauschbörse]]n, [[IRC]] und das [[Usenet]], benutzen. Besitzer von Kinderpornografie müssen nicht in jedem Fall pädophil sein; sie können sich das Material auch wegen des "Reizes des Verbotenen" verschafft haben. Oft wird in Ermittlungsverfahren zusätzlich Pornographie unterschiedlichster Art sichergestellt. Vor der Verbreitung über das Internet Ende der 1980er lag der Anteil Nicht-Pädophiler Konsumenten (sogenannte "Neugierkäufer") bei schätzungsweise 5-15%<!-- |
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Zitiert nach Bundschuh "Pädosexualität" (1998/2001): |
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85%-95% Pädosexuelle Konsumenten (Schmidt 1988, S. 51; Hebditch&Anning 1988, S. 211) |
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Bundschuh gibt weitere mögliche Motive von "Neugierkäufern" außer Neugierde an. |
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-->. |
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In den 1970er Jahren gründeten sich weltweit Gruppierungen, die Rechte für Pädophile reklamierten. Einige strebten dabei eine Legalisierung pädosexueller Kontakte an. Der Medizinhistoriker [[Florian Mildenberger]] schrieb darüber am Beispiel von [[Peter Schult]], der in dieser Zeit zu den umstrittenen [[Protagonist]]en der öffentlichen Debatten gehörte.<ref name="Schulte">{{Literatur |Autor=[[Florian Mildenberger]] |Titel=Beispiel: Peter Schult. Pädophilie im öffentlichen Diskurs |Reihe=Bibliothek rosa Winkel |BandReihe=40 |Verlag=Männerschwarm-Verlag |Ort=Hamburg |Datum=2006 |ISBN=3-935596-40-5}}</ref> Auch wenn diese Gruppen aus nicht-pädophilen Kreisen zeitweise unterstützt wurden, lösten sich einige infolge heftiger Kritik auf. Andere und insbesondere einzelne ihrer Vertreter blieben weiterhin aktiv, wie Konstantin Mascher in seiner ausführlichen Recherche zusammengetragen hat.<ref name="Mascher" /> |
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Über [[Chat]]s im Internet kann es zur Anbahnung sexueller Kontakte zwischen Kindern und vermutlich Pädophilen kommen. Finkelhor (2000) gab an, dass 3% der Kinder und Jugendlichen im Internet danach gefragt worden seien, sich mit jemandem zu treffen, mit jemandem telefoniert hätten oder Geld- bzw. Sachgeschenke erhalten hätten. Dabei sei es jedoch nicht zu sexuellen Kontaktanbahnungen gekommen. Ein Drittel dieser Kinder und Jugendlichen habe sich dadurch sehr beunruhigt gefühlt. Ein Drittel der Kontaktpersonen sei über 18 Jahre alt gewesen. Finkelhor et al. (2004) <!-- |
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November 2004, Journal of Adolescent Health |
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http://www.apa.org/releases/online_sexabuse.html |
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untersuchte Fälle von verhafteten Tätern, die ihre Opfer online kennengelernt hatten. Meist seien die Opfer zwischen 13 und 15 Jahre alt gewesen, und hätten bei mehr als einer Gelegenheit sexuellen Kontakt mit dem Täter gehabt. Keines sei jünger als zwölf gewesen. Bei den Taten sei überwiegend <!-- |
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76% = 100% - "force (5%) or coercion (16%) or abduction (3%)" |
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kein Zwang angewendet worden. Die meisten Täter hätten ihre Opfer nicht über ihr Alter oder ihre sexuellen Motive getäuscht. Die Hälfte der Opfer habe angegeben, den Täter zu lieben oder ihm eng verbunden zu sein. |
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Seit Ende der 1970er Jahre existieren in zahlreichen deutschen Städten [[Selbsthilfegruppe]]n für Pädophile. Von Kritikern, wie beispielsweise dem Journalisten [[Manfred Karremann]], wurde diesen Gruppen wiederholt vorgeworfen, die Folgen sexuellen Missbrauchs zu verharmlosen und ihre Treffen zum Austausch kinderpornographischer Medien zu nutzen.<ref>{{Literatur |Autor=Manfred Karremann |Titel=Es geschieht am helllichten Tag. Die verborgene Welt der Pädophilen und wie wir unsere Kinder vor Missbrauch schützen |Verlag=DuMont |Ort=Köln |Datum=2007 |ISBN=978-3-8321-8040-9}}</ref> Daneben gibt es Gruppen, die sich um einen verantwortlichen Umgang mit der eigenen Pädophilie mühen und für Verzicht plädieren: |
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Seit Sommer [[2003]] schult das [[FBI]] einzelne Beamte darin, sich durch einschlägiges Vokabular in Chaträumen als Mädchen auszugeben und auf eine scheinbare Kontaktanbahnung zwecks Verhaftung hinzuwirken. Diese Taktik hat bereits zu mehreren Verhaftungen geführt. |
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{{Zitat |
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|Text=Heißt pädophil sein Kinder zu missbrauchen? Eindeutig nein. […] Allerdings gehören teils viel Kraft und Mut dazu, seine hauptsächliche sexuelle Neigung nie vollständig auszuleben. |
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|Quelle=''Schicksal und Herausforderung e. V.'' |
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|ref=<ref>{{Internetquelle|url=http://www.schicksal-und-herausforderung.de/about/ |titel=Schicksal und Herausforderung. Über uns |abruf=2022-10-06}}</ref> |
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}} |
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Diese Website, die schon früher existierte, gab sich im Jahr 2006 den Namen ''Schicksal und Herausforderung'' und wird seitdem von einer Gruppe überwiegend pädophiler Menschen betrieben, die sich, wie ihre Vorgänger, der ethischen Problematik ihrer Neigungen bewusst sind und aufklären wollen.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.schicksal-und-herausforderung.de/about/ |titel=Schicksal und Herausforderung. Über uns |abruf=2022-10-06}}</ref><ref name="Ahlers/Beier/Schaefer" /> Im Herbst 2020 haben die Betreiber außerdem einen eingetragenen Verein gegründet, dessen erstes Ziel die Selbsthilfe zur Vermeidung strafbaren Handelns ist.<ref>{{Internetquelle |url=https://suh-ev.de/about/verein |titel=Verein {{!}} Schicksal und Herausforderung |abruf=2022-10-06}}</ref> Daneben bieten sie ein Forum für den kommunikativen Austausch an.<ref>{{Internetquelle |url=https://gsa-forum.de/start |titel=Gemeinsam statt allein – Startseite |abruf=2022-10-06}}</ref> Im internationalen Raum gibt es weitere Foren mit vergleichbarer Haltung zu sexuellen Übergriffen, wie die „Tschechoslowakische Pädophilengemeinschaft“ ČEPEK und das englischsprachige Forum [[Virtuous Pedophiles]]. |
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Propädophile Kreise, wie sie in der ''Pädophilenbewegung'' vertreten sind, haben Begriffe zur Selbstbezeichnung etabliert. Sie verwenden selbsterklärende [[Anglizismus|Anglizismen]], die auf die [[Sexualpräferenz|präferierte]] Altersgruppe verweisen, wie ''Boylover'', ''Girllover'', ''Littleboylover'' oder ''Babyboylover.'' Dieser Sprachgebrauch wird von ihren Kritikern als mindestens beschönigend abgelehnt. |
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Pädophile Einzelpersonen und Gruppen nutzen das Internet als Medium zur Selbstdarstellung, politisches Diskussionsforum und zur Verbreitung in ihrem Sinne vorteilhafter wissenschaftlicher Studien. Offene Foren haben dabei teils mehr als 27.500 registrierte Mitglieder. |
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== Siehe auch == |
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==Weiterführende Angaben== |
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* [[Pädokriminalität]] |
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===Literatur=== |
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* [[Kinderprostitution]] |
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* [http://jama.ama-assn.org/cgi/content/full/288/19/2458 Fagan PJ, Wise TN, ''et al'' "Pedophilia"] JAMA. 2002;288:2458-2465. |
|||
* Archives of Sexual Behavior: ''Special Section on Pedophilia'', Vol. 31, No. 6 (Dec. 2002), S. 465-510 (mit Beiträgen insbes. von Green, Schmidt, Rind, u.a.) |
|||
* Volkmar Sigusch: ''Sexuelle Störungen und ihre Behandlung'', Thieme 2001, ISBN 3131039434 |
|||
* Matthias Stöckel: ''Pädophilie. Befreiung oder sexuelle Ausbeutung von Kindern''. Campus-Verlag, Frankfurt/M. 1998 |
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* Beier, Bosinski, Hartmann, Loewit: ''Sexualmedizin'', Urban & Fischer 2001, ISBN 3-437-51086-X |
|||
* Frits Bernard: ''Pädophilie ohne Grenzen: Theorie, Forschung, Praxis''. Förster, Frankfurt/M. 1997 |
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* Martin Dannecker: ''Das Drama der Sexualität'', Europäische Verlagsanstalt 1992, ISBN 3434460993 |
|||
* Günther Deegener: ''Sexueller Missbrauch: Die Täter'', Beltz 1995, ISBN 3621272518 |
|||
* Rüdiger Lautmann: ''Die Lust am Kind - Portrait des Pädophilen'', Klein, Hamburg 1994, ISBN 3895210153 |
|||
* ''Pedophila'' : Biosocial Perspectives / Jay R. Feierman, Ed. -- x, 594 pp. -- New York, 1990 ISBN 0-387-97243-9 |
|||
* Theo Sandfort: ''Pädophile Erlebnisse: Aus einer Untersuchung der Reichsuniversität Utrecht über Sexualität in pädophilen Beziehungen'', Gerd J. Holtzmeyer Verlag, Braunschweig 1986, ISBN 3-923722-17-6 [http://www.paedosexualitaet.de/German/lib/Sandfort1986.html Auszüge] |
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== |
== Literatur == |
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* {{Literatur |
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|Autor=Sophinette Becker |
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|Titel=Pädophilie zwischen Dämonisierung und Verharmlosung |
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|Sammelwerk=Werkblatt – Zeitschrift für Psychoanalyse und Gesellschaftskritik |
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|Band=38 |
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|Nummer=1 |
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|Datum=1997 |
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|Seiten=5–21 |
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|Online=[http://www.werkblatt.at./archiv/38becker.html werkblatt.at] |
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|Abruf=2018-03-02}} |
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* Klaus M. Beier, Hartmut A. G. Bosinski, Udo Hartmann, Kurt Loewit: ''Sexualmedizin.'' Urban & Fischer, 2001, ISBN 3-437-51086-X. |
|||
* Gisela Braun, Marianne Hasebrink, Martina Huxoll: ''Pädosexualität ist Gewalt.'' Beltz Votum, 2003, ISBN 3-407-55896-1. |
|||
* Günther Deegener: ''Sexueller Missbrauch: Die Täter.'' Beltz, 1995, ISBN 3-621-27251-8. |
|||
* M. Hautzinger (Hrsg.); Gerald C. Davison, John M. Neale: ''Klinische Psychologie.'' 7. Aufl. Beltz PVU, Weinheim 2007, ISBN 978-3-621-27614-6. |
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* {{Literatur |
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|Hrsg=[[Hertha Richter-Appelt]] |
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|Titel=Verführung – Trauma – Mißbrauch 1896–1996 |
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|Reihe=Beiträge zur Sexualforschung – Sonderband |
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|Verlag=Psychosozial-Verlag |
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|Ort=Gießen |
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|Datum=2002 |
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|ISBN=3-89806-192-2}} |
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* {{Literatur |
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|Autor=[[Eberhard Schorsch]] |
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|Titel=Sexualstraftäter |
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|Verlag=Enke |
|||
|Ort=Stuttgart |
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|Datum=1971 |
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|ISBN=3-432-01708-1}} |
|||
* {{Literatur |
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|Autor=Eberhard Schorsch, Gerlinde Galedary, Antje Haag, Margret Hauch, Hartwig Lohse |
|||
|Titel=Perversion als Straftat. Dynamik und Psychotherapie |
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|Auflage=2 |
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|Verlag=Enke |
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|Ort=Stuttgart |
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|Datum=1996 |
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|ISBN=3-432-27212-X |
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|VerlagEA=Springer |
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|OrtEA=Berlin / Heidelberg / New York / Tokyo |
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|JahrEA=1985}} |
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* {{Literatur |Hrsg=Volkmar Sigusch |Titel=Sexuelle Störungen und ihre Behandlung |Auflage=4. überarbeitete und erweiterte Auflage |Verlag=Thieme |Ort=Stuttgart / New York |Datum=2007 |ISBN=978-3-13-103944-6}} |
|||
* Matthias Stöckel: ''Pädophilie: Befreiung oder sexuelle Ausbeutung von Kindern. Fakten, Mythen, Theorien.'' Campus-Verlag, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-593-35944-8. |
|||
* Horst Vogt: ''Pädophilie. Leipziger Studie zur gesellschaftlichen und psychischen Situation pädophiler Männer.'' Pabst Science Publishers, Lengerich 2006, ISBN 3-89967-323-9. |
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== Weblinks == |
|||
*[[Babystrich]] |
|||
* [http://www.bevor-was-passiert.de/ Website des Projektes „Stopp-bevor was passiert!“ der Behandlungsinitiative Opferschutz e. V.] |
|||
*[[Kinderpornografie]] |
|||
* [https://www.kein-taeter-werden.de/ Website des Projektes „Kein Täter werden“] an der Berliner [[Charité]] |
|||
*[[Kinderprostitution]] |
|||
* [[3sat]]: [http://www.3sat.de/page/?source=/wissenschaftsdoku/sendungen/182864/index.html ''Unheilbar pädophil?''] Wissenschaftsdoku, 2015. |
|||
*[[Krumme 13]] |
|||
* [[Arte]]: [http://programm.ard.de/TV/Programm/Sender/?sendung=2872418517482090 Der pädophile Patient]. Dokumentation, Deutschland 2016. |
|||
*[[Päderastie]] |
|||
* Marcus Schwandner: [http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/sexueller-kindesmissbrauch/-/id=660374/nid=660374/did=10417616/113vkbf/ ''Ursachen und Therapie – Sexueller Kindesmissbrauch durch Jugendliche.''] In ''[[SWR2]] Wissen'' vom 14. November 2012. |
|||
*[[Pädokriminalität]] |
|||
* [http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2018/03/06/unter_kontrolle_wie_paedophile_mit_ihrer_neigung_leben_dlf_20180306_1915_db9db4ec.mp3 ''Wie Pädophile mit ihrer Neigung leben.''] Feature im [[Deutschlandfunk]] |
|||
*[[Pubertät]] |
|||
* [http://www.schicksal-und-herausforderung.de/home.html Betroffenenwebsite: ''Schicksal und Herausforderung''] |
|||
*[[Schutzalter]] |
|||
* [https://www.aufarbeitungskommission.de/ Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs] |
|||
*[[Sexualität]] |
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*[[Sexueller Missbrauch von Kindern]] |
|||
*[[Strichjunge]] |
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== Einzelnachweise == |
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<references responsive /> |
|||
* http://paedosexualitaet.de/ |
|||
* [http://www.werkblatt.at/archiv/38becker.html Dipl. Psych. Sophinette Becker: ''Pädophilie zwischen Dämonisierung und Verharmlosung''] |
|||
*[http://www.itp-arcados.net/griesemer/medienkriminologie.htm Analyse einer Hysterie] Dipl.-Psych. M. Griesemer (ITP-Arcados) |
|||
* [http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/16/0,1872,2055408,FF.html Ist Pädosexualität eine Krankheit?] |
|||
* [http://www.itp-arcados.net/wissen/liste_psych_krankheiten.html Pädophilie soll von der Liste der psychischen Krankheiten gestrichen werden] |
|||
* [http://kein-taeter-werden.de/ Therapie: Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch im Dunkelfeld] |
|||
*[http://www.helping-people.info/articles/gewalt.htm Ist Pädophilie Gewalt?] Tom O'Carroll |
|||
*[http://pda.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID2918528_TYP8_MOD1,00.html Journalist inkognito in der Pädo-Szene] |
|||
*[http://web.archive.org/web/20050205045852/http://www.ahs-online.de/texte/ks_broschuere.php3 Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen] - Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität |
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{{Normdaten|TYP=s|GND=4126403-4}} |
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[[Kategorie:Sexuelle Neigung]] |
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{{SORTIERUNG:Padophilie}} |
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[[bg:Педофилия]] |
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[[Kategorie:Pädophilie| ]] |
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[[da:Pædofili]] |
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[[Kategorie:Sexualpräferenz]] |
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[[en:Pedophilia]] |
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[[Kategorie:Paraphilie]] |
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[[Kategorie:Psychische Störung]] |
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[[es:Pedofilia]] |
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[[fi:Pedofilia]] |
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[[fr:Pédophilie]] |
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[[he:פדופיליה]] |
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[[it:Pedofilia]] |
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[[ja:ペドフィリア]] |
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[[ko:소아성애]] |
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[[nl:Pedofilie]] |
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[[no:Pedofili]] |
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[[pl:Pedofilia]] |
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[[pt:Pedofilia]] |
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[[ru:Педофилия]] |
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[[simple:Pedophile]] |
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[[sv:Pedofili]] |
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[[zh:恋童癖]] |
Aktuelle Version vom 17. Dezember 2024, 11:04 Uhr
Klassifikation nach ICD-10 | |
---|---|
F65.4 | Pädophilie |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Der Begriff Pädophilie (von altgriechisch παῖς paîs „Knabe, Kind“ und φιλία philía „Freundschaft“) bezeichnet das ausschließliche oder überwiegende sexuelle Interesse von Menschen an Kindern vor Erreichen der Pubertät. Sind die jeweiligen Bedingungen der verschiedenen diagnostischen Manuale erfüllt, wird Pädophilie als psychische Störung, genauer als Störung der Sexualpräferenz bzw. als paraphile Störung klassifiziert. Werden entsprechende Neigungen in Handlung umgesetzt, sind im Regelfall zugleich strafrechtliche Normen verletzt, die sexuelle Handlungen mit Kindern zum Gegenstand haben.
In der medialen wie wissenschaftlichen Rezeption wird der Begriff Pädophilie nicht selten als Synonym für den sexuellen Missbrauch von Kindern bzw. Jugendlichen verwendet. Das ist insofern falsch, als weder der sexuelle Missbrauch von Kindern noch der sexuelle Missbrauch von Jugendlichen – anders als die Pädophilie – eine spezifisch auf diese Altersgruppen gerichtete Sexualpräferenz voraussetzt. Auch ist der Perversionsbegriff von jenem der Pädosexualität abzugrenzen, der ein abweichendes und in der Regel strafbares Sexualverhalten beschreibt, das jedoch nicht mit einer Pädophilie assoziiert sein muss. Für beide Begriffe gibt es keine Definition, auf die sich die Sexualwissenschaft oder andere wissenschaftliche Disziplinen geeinigt hätten, was ihre undifferenzierte Verwendung begünstigt.
Begriff
Geschichte und diagnostische Einordnung
Eingeführt wurde der Begriff als „Paedophilia erotica“ 1886 durch den Wiener Psychiater Richard von Krafft-Ebing in dessen Schrift Psychopathia sexualis.[1] Im Wesentlichen ist es bei seiner Definition geblieben. Für Pädophilie werden folgende Merkmale aufgeführt:
- Das sexuelle Interesse gilt Kindern, die sich vor der Pubertät im Sinne der Geschlechtsreifung befinden.
- Das sexuelle Interesse ist dabei primär, das heißt ausschließlich bzw. überwiegend und ursprünglich, auf Kinder ausgerichtet.
- Das sexuelle Interesse ist zeitlich überdauernd.
Im Jahr 1985 legten Sharon Araji und David Finkelhor ein Review empirischer Studien zur Pädophilie vor.[2]
Grundlage für die Diagnosestellung einer pädophilen Sexualpräferenz sind heute die in der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) sowie die im US-amerikanischen DSM-5 festgelegten Diagnosekriterien. Teilweise widersprechen sich die dort genannten Diagnosekriterien. Zudem gibt es weitere Pädophiliedefinitionen, die seltener verwendet werden und ebenfalls nicht einheitlich sind.
In der ICD-10, 2014, ist die Diagnose Pädophilie unter den Code F65.4 im Kapitel der Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F60 bis F69) als Störung der Sexualpräferenz verortet. Definiert wird sie als „Sexuelle Präferenz für Kinder, die sich zumeist in der Vorpubertät oder in einem frühen Stadium der Pubertät befinden“.[3] Pädophilie wird damit ausschließlich als „sexuelle Präferenz“ beschrieben. Maßgeblich sind hier die gedanklichen Vorlieben, die sich (in Anlehnung an Krafft-Ebing) vorrangig auf vorpubertäre Kinder richten müssen. Ob diese Fantasien ausgelebt werden oder nicht, bleibt offen und ist für die Diagnosestellung zweitrangig.
Im DSM-5, 2015, ist die Pädophilie, dort als Pädophile Störung bezeichnet, ebenfalls unter F65.4 als Paraphile Störung (Paraphilie) klassifiziert und setzt ein Mindestalter von 16 Jahren voraus. Ebenso muss der Betroffene mindestens fünf Jahre älter sein als das Kind. Zu bestimmen ist außerdem, ob es sich bei der Störung um einen „ausschließlichen Typ (nur auf Kinder orientiert)“ oder einen „nicht ausschließlichen Typ“ handelt, ob die Person „sexuell orientiert auf Jungen“, „sexuell orientiert auf Mädchen“ oder „sexuell orientiert auf Jungen und Mädchen“ ist, und ob die Pädophilie „beschränkt auf Inzest“ ist. Nicht einzuschließen sind Spätadoleszente, die sich in einer dauerhaften sexuellen Beziehung mit einem 12- oder 13-jährigen Partner bzw. einer Partnerin gleichen Alters befinden.[4] Die Diagnosemerkmale nach DSM-5 sind sowohl präferenz- als auch verhaltensorientiert. Das heißt, die Diagnose Pädophilie kann sich sowohl auf sexuell dranghafte Bedürfnisse oder Fantasien beziehen als auch auf konkrete sexuelle Handlungen mit Kindern. Nach der verhaltensorientierten Definition können sämtliche Missbrauchstäter als pädophil eingestuft werden, auch wenn sie – anders als nach Krafft-Ebing – in ihrer Sexualität nicht primär auf Kinder ausgerichtet sind.
Die Sexualwissenschaftler der Berliner Charité bezeichnen Pädophilie als die „ausschließliche oder überwiegende sexuelle Ansprechbarkeit durch vorpubertäre Kinderkörper“.[5] Über das sexuelle Verhalten einer Person sage der Begriff nichts aus, sondern lediglich über die sexuelle Ausrichtung auf das vorpubertäre Alter. Gunter Schmidt bezeichnet Pädophile als „Männer, deren sexuelle Wünsche und deren Wünsche nach Beziehung und Liebe vorrangig oder ausschließlich auf vorpubertäre Kinder gerichtet sind, wobei diese drei Bereiche – Sexualität, Beziehung, Liebe – wie bei anderen Menschen auch unterschiedlich gewichtet sein können“.[6] Neben der Beschränkung auf Männer betont Schmidt damit im Unterschied zu den diagnostischen Kriterien von ICD und DSM den emotionalen Aspekt der pädophilen Sexualpräferenz. Davison und Neale legen in ihrem Lehrbuch Klinische Psychologie hingegen eine primär verhaltensorientierte Definition zugrunde, wenn sie Pädophile als Menschen beschreiben, „die durch körperlichen und oft auch sexuellen Kontakt mit präpubertären Kindern, mit denen sie nicht verwandt sind, sexuelle Befriedigung erlangen“.[7]
Pädophilie liegt nicht vor, wenn zwar eine sexuelle Erregbarkeit durch Kinder besteht, diese aber nicht primär ist. In mehreren phallometrischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass nicht wenige Männer durch präpubertäre Stimuli (erotische Bilder oder Audiogeschichten) sexuell erregt werden können: In jenen Studien, bei denen zur Ergebnisermittlung die durchschnittliche sexuelle Erregung durch die präpubertären Stimuli mit der durchschnittlichen sexuellen Erregung durch die adulten Stimuli verglichen wurde, zeigten 6 bis 32 Prozent der erwachsenen Männer unter den präpubertären Stimuli eine mindestens genauso starke sexuelle Erregung wie unter den adulten Stimuli; in jenen Studien, bei denen die jeweiligen maximalen sexuellen Erregungen miteinander verglichen wurden, waren es 25 bis 28 Prozent.[8][9][10][11][12] Der Prozentsatz der erwachsenen Männer, die überhaupt durch präpubertäre Stimuli sexuell erregbar sind, dürfte noch wesentlich höher sein. Daraus kann jedoch nicht ohne Weiteres gefolgert werden, dass auch das tatsächliche primäre sexuelle Interesse an Kindern (= Pädophilie) bei männlichen Erwachsenen in einem vergleichbar hohen Prozentsatz besteht, unter anderem auch deswegen, weil der Vergleich von präpubertären mit adulten Stimuli nicht berücksichtigt, dass es Männer gibt, die maximal durch pubertäre Kinder bzw. durch Jugendliche sexuell stimulierbar sind. So ermittelte eine weitere Studie bei jedem Probanden die durchschnittliche sexuelle Erregung durch Stimuli von 3–11-jährigen Mädchen, jene durch Stimuli von 12–14-jährigen Mädchen und jene durch Stimuli von 16–24-jährigen Frauen und verglich sie miteinander. Es ergab sich, dass nur einer der 22 Probanden durch die präpubertären Stimuli stärker erregt wurde als durch die adulten, wohingegen 3 der 22 Probanden durch die pubertären Stimuli stärker erregt wurden als durch die adulten.[13]
Ebenso sind Pädophile teils auch durch Erwachsene sexuell stimulierbar, interessieren sich aber in erster Linie für Kinder. Im Fall der sekundär durch Kinder sexuell stimulierbaren Erwachsenen spricht man bisweilen auch von Pseudopädophilie. Originäre Pädophile werden zur besseren Abgrenzung auch als strukturiert pädophil bezeichnet, da ihre sexuelle Orientierung fest in der Persönlichkeitsstruktur verankert ist. Teilweise spricht man auch von Kernpädophilen oder Primärpädophilen.
Abgrenzen lässt sich die Pädophilie von der Hebephilie, die eine Präferenz für Pubertierende im Alter von etwa 11 bis 14 Jahren beschreibt.[14][15] Für das sexuelle Interesse an Jugendlichen nach oder in einem späten Stadium der Pubertät werden die Bezeichnungen Ephebophilie (männliche Jugendliche) und Parthenophilie (weibliche Jugendliche) verwendet.[5][16] Beide Begriffe wurden erstmals 1906 von Magnus Hirschfeld eingeführt.[17] Eine sexualwissenschaftliche wie kriminologische Abgrenzung nahm der niederländische Psychoanalytiker Gerard van den Aardweg im Jahr 2010 vor.[18]
Richtet sich das primäre sexuelle Interesse des Pädophilen auf Kleinkinder im Alter unter drei Jahren, spricht man nicht mehr von Pädophilie, sondern von Infantophilie.[19] Dieser Begriff ist in der Fachterminologie nicht offiziell anerkannt und wird nach ICD-10 als „Sonstige Störungen der Sexualpräferenz“ unter F65.8 klassifiziert.
Mit dem Begriff Päderastie werden sexuelle Beziehungen erwachsener Männer zu geschlechtsreifen männlichen Jugendlichen bezeichnet, wie sie kulturbedingt z. B. im antiken Griechenland toleriert wurden. Dieser Begriff gilt heute als veraltet und taucht in neueren sexualmedizinischen Klassifikationen nicht mehr auf.[5]
Der Begriff Korophilie (von griechisch [attisch] κόρη kórē „Mädchen“) wurde 1914 von Hirschfeld eingeführt, um eine Präferenz von erwachsenen Frauen für junge Mädchen zu bezeichnen, und er setzte ihm den Begriff Pädophilie für vergleichbare männliche Beziehungen gegenüber.[20] Mit dieser Bedeutung ist Korophilie auch heute in einigen Fachbüchern zu finden.[21] Wie bei den meisten der Begriffe aus seinem System werden heute die weiblichen Begriffe sehr selten verwendet, und es besteht die starke Tendenz, dass das Geschlecht der begehrenden Person für viele irrelevant wird, also Beziehungen sowohl von Frauen als auch von Männern zu Mädchen gemeint sind.[22] Auf Englisch gibt es die Schreibweisen corophilia und korophilia. Erstere wird wie der deutsche Begriff manchmal fälschlicherweise für Koprophilie verwendet.[23] Da das attische κόρος kóros „Jüngling“ bedeutet, wird korophilia seit spätestens 1997 von manchen als Anziehung zu Buben oder jungen Männern beschrieben,[24][25] eine Entwicklung, die auf Deutsch noch nicht gesichtet wurde.
Begriff in Öffentlichkeit und Medien
In gesellschaftlichen Debatten und in der Berichterstattung in den Medien wird die Bezeichnung Pädophilie oft nicht im sexualwissenschaftlichen Sinne verwendet, etwa wenn grundsätzlich alle Täter, die Kinder sexuell missbrauchen, als Pädophile bezeichnet werden. Insbesondere sexueller Missbrauch innerhalb der Familie wird häufig nicht sexualwissenschaftlich korrekt eingeordnet, da es sich hierbei häufig um Täter handelt, deren Sexualität primär auf Erwachsene ausgerichtet ist. Zudem werden sexualwissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert, etwa wenn grundsätzlich allen Pädophilen unterstellt wird, sie würden Kinder sexuell missbrauchen.
Auch in der Berichterstattung über sexuelle Übergriffe von Priestern auf minderjährige Jungen werden diese meistens als pädophile Taten bezeichnet, obwohl eine im Jahr 2011 veröffentlichte Studie in den USA aufzeigte, dass nur eine Minderheit der Priester, die sexuelle Übergriffe begingen, den diagnostischen Kriterien der Pädophilie entsprechen.[26]
Personen, deren sexuelles Interesse Jugendlichen gilt, werden in der Öffentlichkeit ebenfalls oft als Pädophile bezeichnet, obwohl es sich aus sexualmedizinischer Sicht hierbei um eine hebe-, ephebo- oder parthenophile Neigung handelt.[5]
In Deutschland gab es in der jüngeren Vergangenheit zwei öffentliche Pädophilie-Debatten, eine in den 1970/1980er Jahren und eine weitere im Jahr 2013 in der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Beide Debatten haben nicht dazu beigetragen, begriffliche Klarheit zu schaffen.
Abgrenzung zur Pädosexualität
Der Begriff Pädosexualität wird einerseits als Unterscheidung, andererseits – aber fälschlich – als Synonym für den Begriff Pädophilie verwendet und von einigen Interessengruppen aus unterschiedlichen Motiven bevorzugt.
Eine frühe Erwähnung des Begriffs erfolgte in einem 1968 von dem Theologen Spyker veröffentlichten Buch mit dem Titel Die gleichgeschlechtliche Zuneigung. Homotropie: Homosexualität, Homoerotik, Homophilie, und die katholische Moraltheologie.[27] In Analogie zu diesen Begrifflichkeiten verwendete er die Unterscheidung zwischen Pädosexualität/pädosexuell – Pädoerotik/pädoerotisch – Pädophilie/pädophil und benutzte auch das bei ihm übergeordnete Adjektiv pädotrop („Anziehung zu Kindern“), eindeutiger als pädagotrop bezeichnet.[28] Auch bei einer Literaturanalyse über Homotropie von Volker Ott aus dem Jahre 1979 tauchte diese Unterscheidung auf und er verwendete ebenfalls explizit den Begriff Pädotropie.[29] Im Jahr darauf bemerkten auch die deutschen Zeitschriften Der Spiegel[30] und Emma[31] die Verwendung als Selbstbezeichnung. In der deutschen und englischen Sexualwissenschaft stieg die Häufigkeit der Verwendung des Begriffs Pädosexualität aus Gründen der Differenzierung ab etwa 1987 langsam an, nachdem Martin Dannecker seine Bemerkungen zur strafrechtlichen Begutachtung der Pädosexualität[32] vorgelegt hatte.[33] Später veröffentlichte er seinen Aufsatz Sexueller Missbrauch und Pädosexualität.[34]
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat sich bereits 2010 mit einer gesonderten Unterseite ihrer Internetpräsenz der begrifflichen Unsicherheiten angenommen, als sie einen Aufsatz der Sexualwissenschaftler Christoph Ahlers und Gerard Schaefer – beide vormals Mitarbeiter am sexualwissenschaftlichen Institut der Charité – unter dem Titel Pädophilie, Pädosexualität und sexueller Kindesmissbrauch: Über die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung veröffentlichte.[35] Ihnen zufolge werde Sexualpräferenz „als Überbegriff für alle Aspekte der sexuellen Ansprechbarkeit eines Menschen verwendet“, zugleich werden Vorschläge zu einer „Vereinheitlichung dessen, was konkret unter der Sexualpräferenz verstanden werden“ könne, unterbreitet. Pädophilie sei „die leidvoll erlebte, selbst- und/oder fremdgefährdende, ausschließliche oder teilweise sexuelle Ansprechbarkeit durch vorpubertäre Kinderkörper“ von Jungen und/oder Mädchen. Pädosexualität beschreibe „ausschließlich die dissexuelle Verhaltensäußerung“, wie sie 1987 von Dannecker beschrieben wurde und die „strafrechtlich als sexueller Kindesmissbrauch bezeichnet“ werde. Pädophilie bezeichne eine sexuelle Ausrichtung und nicht zwingend ein Verhalten, Pädosexualität dagegen bezeichne ein Verhalten und nicht zwingend eine Ausrichtung: „Pädophilie ist nicht gleich Pädosexualität und umgekehrt.“[35]
Phänomenologie
Prävalenz und sexuelle Orientierung
Über die Zahl pädophiler Menschen gibt es keine zuverlässigen Angaben. Vorsichtige Schätzungen gehen von 50.000 bis 200.000 pädophilen Männern in Deutschland aus.[36] Internationale Studien nehmen bei etwa 1 % aller erwachsenen Männer eine primärpädophile Ausrichtung an,[37] wohingegen Forscher der Universität Regensburg nach einer Befragung von rund 8700 deutschen Männern schlussfolgerten, dass weniger als 0,1 Prozent der männlichen Bevölkerung die Diagnosekriterien für eine pädophile Störung im Sinne des DSM-5 erfüllen.[38] Die Prävalenz bei Frauen ist wesentlich geringer.
Es gibt homo-, hetero- und bisexuelle Pädophile.[39] Einer statistischen Auswertung zufolge, basierend auf pädophilen und hebephilen Teilnehmern des Präventionsprojekts Dunkelfeld der Charité, ist der Anteil bisexuell kernpädo- oder -hebephiler Männer gering. Die meisten sind entweder auf Jungen oder auf Mädchen orientiert, wobei der Anteil der homosexuellen geringfügig größer ist und knapp über 50 Prozent liegt. Bei den nicht ausschließlich pädo- oder hebephilen Männern ergibt sich eine Verteilung von jeweils etwa einem Drittel mit homo-, hetero- bzw. bisexueller Orientierung, wobei hier der Anteil der heterosexuellen knapp am größten ist.[40] Das Missbrauchsrisiko soll für Mädchen drei- bis viermal höher als für Jungen sein.[41] In der Dissertation von Thomas Hertling wird angenommen, für homosexuelle Männer in stabilen Paarbeziehungen bestehe ein niedrigeres Risiko als für gemischtgeschlechtliche Paare, sexuell übergriffig auf Kinder zu werden, weil sie einer erhöhten sozialen Kontrolle unterliegen.[42]
Pädophile Sexualpräferenz
Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht bei der Pädophilie die primäre sexuelle Ausrichtung auf Kinder. Diese ist nicht zwingend koital ausgeprägt. Pädophile können bereits durch Situationen erregt und befriedigt werden, in denen kein Körperkontakt zu einem Kind besteht. Bei Situationen mit Körperkontakt kann bereits das Berühren des Kindes allein als erregend empfunden werden, ohne dass diese Berührungen im Genitalbereich stattfinden müssen. Der Wunsch nach dem Vollzug eines Geschlechtsverkehrs mit dem Kind scheint bei Pädophilen seltener anzutreffen zu sein.[36]
Ein Teil der Pädophilen schließt sexuelle Kontakte mit Kindern für sich aus.[43] Ursachen hierfür können zum einen die Befürchtung juristischer und sozialer Konsequenzen sein, zum anderen gibt es Pädophile, die sich der ethischen und moralischen Problematik ihrer sexuellen Wünsche bewusst sind und deshalb sexuelle Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen grundsätzlich ablehnen.
Neben dem sexuellen Interesse ist bei Pädophilen ein Bedürfnis nach emotionaler Nähe zu Kindern festzustellen. Einige verlieben sich in Kinder und wünschen sich echte wechselseitige Liebesbeziehungen zu ihnen.[44] Dass sie eine solche tatsächlich für möglich halten, versteht der Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch als Ausdruck einer illusionären Verkennung.[45] Manche Pädophile empfinden ihr Leben als unvollständig und emotional destabilisierend, wenn ihr Wunsch nach emotionaler Nähe keine Erfüllung findet. Zudem besteht bei Pädophilen ein soziales Interesse an Kindern und ein Bedürfnis nach Freundschaft. In entsprechenden Berufen, die Umgang mit Kindern ermöglichen, wie beispielsweise als Erzieher oder in der Jugendbetreuung, arbeiten Pädophile daher gern.[46]
Auswirkungen auf Betroffene
Welche Auswirkungen die pädophile Sexualpräferenz für den Pädophilen selbst hat, ist von zahlreichen Faktoren abhängig und in seiner Gesamtheit kaum erforscht. Auch hängen die Auswirkungen davon ab, ob die Betroffenen ihre sexuelle Orientierung Ich-synton erleben, also damit einverstanden sind, oder es zu einer Ich-dystonen Verarbeitung gekommen ist, in deren Rahmen eine andere sexuelle Ausrichtung gewünscht wird. Daneben gibt es Pädophile, die ihre sexuellen Impulse als belastend empfinden, sich für ihre Neigung verurteilen oder unter der Angst leiden, den Impulsen nachzugeben und einen sexuellen Übergriff zu begehen.[39][47][48] Deshalb kann es zu Folgeerkrankungen kommen, wie z. B. Depression oder Substanzmittelmissbrauch.[48][39]
Für Pädophile, die sexuell abstinent leben, sei es aus Angst vor juristischen Konsequenzen oder aufgrund einer generellen Ablehnung pädosexueller Kontakte, bedeutet dies in erster Linie den Verzicht auf die Erfüllung sexueller und emotionaler Bedürfnisse.[6] Da Pädophile eine sehr geächtete Randgruppe der Gesellschaft darstellen, sind sie zudem meist gezwungen, ihre Neigungen selbst vor Freunden und der Familie zu verheimlichen, da ein Bekanntwerden oft eine völlige gesellschaftliche Isolation bis hin zu Scheidung, Job- und Wohnungsverlust nach sich zieht.[36]
Alter des Kindes
Nach sexualmedizinischer Definition richtet sich das sexuelle Interesse der Pädophilen auf Kinder vor Beginn der Pubertät im Sinne der biologischen Geschlechtsreifung.[5][44] Da die Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale bei Kindern individuell sehr verschieden einsetzen kann, sind exakte Altersangaben nicht möglich. Im Allgemeinen ist das primäre Interesse der Pädophilen auf Kinder von etwa 4 bis 14 Jahren ausgerichtet, wobei es zwei Gipfel in der Alterspräferenz gibt: Der eine Gipfel liegt bei fünf bis sechs Jahren, der andere bei elf bis zwölf Jahren.[44] Das sexuelle Begehren ist beim konkreten Pädophilen in der Regel auf einen dieser beiden Abschnitte beschränkt, erlischt in der Regel aber spätestens bei der Ausprägung sekundärer Geschlechtsmerkmale beim Kind.[5] Allerdings haben hetero- und homosexuell Pädophile deutlich unterschiedliche Alterspräferenzen: Horst Vogt zufolge beträgt das Durchschnittsalter der von heterosexuell pädophilen Männern begehrten Mädchen 8,4 Jahre und jenes der von homosexuell pädophilen Männern begehrten Jungen 11,5 Jahre.[49]
Mediennutzung zur sexuellen Stimulation
Viele Pädophile nutzen Darstellungen von Kindern zur sexuellen Stimulation. Die Bandbreite reicht hierbei von Kinderbildern aus Versandhauskatalogen über legale erotische Darstellungen von Kindern, z. B. Bilder des Fotografen Jock Sturges, bis hin zur Nutzung illegaler kinderpornographischer Medien.[39] In einer Studie gaben 86 % der Teilnehmer an, Bildmaterial aus dem legalen und/oder illegalen Bereich zu nutzen.[36]
Neben Film- und Bildmaterial spielt in jüngster Zeit auch die sogenannte virtuelle Kinderpornographie eine zunehmend größere Rolle, d. h. sexuelle Darstellungen nicht realer, sondern animierter „Kinder“.[50][51] Davison und Neale betonen, dass zur sexuellen Stimulation nicht zwangsläufig illegales Material nötig sei, vielmehr konstruieren Pädophile ihr eigenes sexuell erregendes Material aus Quellen, die allgemein als harmlos angesehen werden.[7] Ob der Konsum von Kinderpornographie, wie von vielen Pädophilen behauptet, dem Abbau von Spannungen dient und damit realen Übergriffen entgegenwirkt, oder ob diese durch die zusätzliche Stimulation begünstigt werden, ist wissenschaftlich umstritten.
Täterprofile
Da die Gruppe der Pädophilen insgesamt äußerst heterogen, also aus sehr verschiedenen Persönlichkeiten zusammengesetzt ist, haben sich die mit ihnen befassten Autoren verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen um Strukturierung bemüht und sogenannte Typologien erarbeitet. Unter vielen anderen haben die Sexualwissenschaftler Beier, Schorsch und Sigusch solche Typologien vorgelegt. Allerdings ist es nicht gelungen, sich auf eines dieser Klassifikationssysteme zu einigen. Hinzu kommt, dass die einzelnen Modelle durchaus Überzeugungskraft besitzen können, sie jedoch zusammengenommen mehr Verwirrung stiften als Klarheit schaffen. Auch wechseln die Bezugsgrößen. Während beispielsweise Schorsch seine Typologie an Pädophilen entwickelte, die ihre Neigung in Handlung umgesetzt hatten und dafür verurteilt worden waren, gehen in andere Ordnungssysteme auch Pädophile ein, die nach eigenen Angaben und soweit überprüfbar abstinent leben. Selbst die verwendeten Begriffe können Verwirrung stiften, wenn beispielsweise von Schorsch für eine Gruppe von „Alterspädophilen“ mit „sexueller Not“ oder einem Mangel an anderer Gelegenheit argumentiert wird. Damit sind Täter beschrieben, die aus anderen Gründen als einer auf Kinder gerichteten Orientierung übergriffig werden.[52]
Die Tätertypologien, die Schorsch 1971 und Beier 1995, sich auf Schorsch berufend, vorlegten, unterscheiden sich insbesondere in der Zusammensetzung der Gruppen. Schorsch unterschied verschiedene Gruppen jugendlicher Täter, Täter in mittlerem Lebensalter und sogenannte Alterspädophile und hob dabei eine Gruppe von Pädagogen hervor, die in illusionärer Verkennung ihrer Berufsrolle über ihre Pädophilie eine scheinbar kinderfreundliche Ideologie entwickelt hatten. Beier unterschied Gruppen mit, wie er es nannte, pädophiler Hauptströmung, die in der Literatur auch „Kernpädophile“ genannt werden, von anderen mit einer pädophilen Nebenströmung. Beide Autoren erwähnen Täter mit mehr oder weniger ausgeprägter Intelligenzminderung.
Im Jahr 2010 benannte Sigusch in einem Interview in Zeit Online zehn Tätertypen und beschrieb damit zwar auch, aber nicht nur die Gruppe der Pädophilen, sondern die ebenfalls sehr heterogene Gruppe von Menschen, die „in unterschiedlichen Lebenssituationen und mit sehr verschiedenen Motiven“ Kinder sexuell missbrauchen.[53]
Im Soziolekt von Gefängnisinsassen, der in den Medien gern als Knastjargon bezeichnet wird, werden Sexualstraftäter und unter ihnen insbesondere pädophile Mitgefangene als Sittiche bezeichnet.[54][55] Sie stehen in der Hierarchie der Parallelgesellschaft von Justizvollzugsanstalten zumeist ganz unten und werden verachtet.[56]
Komorbidität
Oft tritt die beschriebene Störung im Sexualverhalten komorbid mit affektiven Störungen auf, die aber auch eine Folge der Pädophilie sein können. Dazu gehören Angststörungen, Substanzmittelmissbrauch oder anderen Paraphilien.[7]
Pädophilie bei Frauen
Pädophile Neigungen sind auch bei Frauen nachgewiesen. In einigen Veröffentlichungen zu diesem Thema wird davon ausgegangen, dass es sich um Einzelfälle handelt.[57][39] Peter Fiedler vom Psychologischen Institut in Heidelberg vertritt die Ansicht, dass von den Frauen, die sexuelle Übergriffe an Kindern begangen haben, „anteilmäßig ein mehr oder weniger großer Prozentsatz immer auch die Kriterien der Pädophilie-Diagnose erfüllt“.[58] Über die Häufigkeit gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, insbesondere angesichts der Dunkelziffer bei sexuellem Missbrauch.[41]
Sigusch bringt die geringe Zahl von Veröffentlichungen über pädophile Handlungen von Frauen damit in Verbindung, dass die weibliche Sexualität erst „seit etwa zwei Generationen […] nicht mehr am Modell Mann gemessen“ werde. Deshalb habe Sexualforschung über ihre Stärken und Entgleisungen[59] eine noch junge Tradition; aber immerhin, so sagt er, „gibt es seit den achtziger Jahren eine Forschung, die zum Beispiel ‚perverse Mütterlichkeit‘ untersucht,[60] eine Störung, durch die das eigene Kind manipuliert oder gewalttätig bis hin zum Inzest traktiert wird.“[61] Estela Welldon forschte darüber. Ihr Buch Mutter, Madonna, Hure erschien 1992 in deutscher Sprache, die Perversionen der Frau erschien 2014.
Sexueller Missbrauch durch Pädophile an Kindern
Strafrechtliche Einordnung und Häufigkeit
Sexuelle Kontakte mit Kindern sind in den meisten Ländern verboten und strafbewehrt. Kulturabhängige Ausnahmen beschrieb Gerhard Amendt.[62] Im deutschen Strafrecht sind sie als sexueller Missbrauch von Kindern in § 176 geregelt, in der Schweiz in Art. 187 StGB als sexuelle Handlungen mit Kindern und in Österreich als sexueller Missbrauch von Unmündigen in § 207 StGB, bei schwerem Missbrauch in § 206 StGB.
Zahlen über den Anteil an Sexualstraftätern unter den Pädophilen sind nicht bekannt. Trotz anders anmutender Eindrücke durch die Medienberichterstattung haben mindestens in Deutschland die nach § 176 StGB angezeigten Delikte im langjährigen Mittel nicht zugenommen, wie der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) zu entnehmen ist. Bei dem Eindruck einer Zunahme handelt es sich um Artefakte, also um Irrtümer, die auf andere Ursachen zurückzuführen sind.
Einschlägig verurteilte Pädophile unterliegen einer hohen Rückfallgefahr. Internationale Studien haben ergeben, dass die Rückfallquote bei ihnen mit annähernd 40 bis 50 Prozent etwa doppelt so hoch ist wie die durchschnittliche Quote für Sexualstraftäter von 22 Prozent.[63] Die Rückfallwahrscheinlichkeit ist bei Pädophilen, die auf Jungen orientiert sind, deutlich höher als bei solchen, die sich für Mädchen interessieren.
Zahlreiche Studien belegen, dass der Anteil pädophiler Täter bei weitem nicht den Hauptanteil am sexuellen Kindesmissbrauch darstellt.[64] Die hierzu verfügbaren Zahlenangaben sind uneinheitlich. Fiedler beispielsweise geht von 12 bis 20 Prozent aus,[58] Werner Stangl von etwa 2 bis 10 Prozent.[65] Die Zahlen sind uneinheitlich, weil jeweils verschiedene Kohorten zugrunde gelegt wurden. Aus den vorgelegten Studien ist zu folgern, dass der sexuelle Missbrauch an Kindern im Wesentlichen nicht durch Pädophile begangen wird. Im Jahr 2010 bezeichnete die Sexualwissenschaftlerin Sophinette Becker anlässlich der Enthüllungen an der Odenwaldschule mehr als 95 Prozent der Täter als „normal veranlagt“.[66]
Sexuelle Handlungen
Sexuelle Übergriffe durch Pädophile können eine unterschiedliche Ausprägung haben. Hier reicht die Bandbreite von flüchtigen Berührungen an Kopf und Arm über Manipulation der Genitalien bis zur Ermunterung des Kindes, dasselbe zu tun. Penetration findet eher selten statt.[44] Anwendung von Gewalt ist die Ausnahme[67] und anschließende Tötungsdelikte der Einzelfall.[68] Wenn es fortlaufend zu sexuellen Handlungen kommt, werden meist Intensität und/oder Nähe schrittweise gesteigert, ohne dass damit zugleich eine Entgleisung in gewalttätige Handlungen verbunden ist. Die pädophilen Kontakte können Wochen, Monate oder Jahre andauern, wenn sie nicht von anderen Erwachsenen entdeckt und unterbunden werden.[7] In der Regel werden die Kinder zur Verschwiegenheit angehalten.
Verwahrloste Pädophile suchen sich nicht selten ihre Opfer an einschlägig bekannten Orten unter Kindern, die ebenfalls aus verwahrlosten Familien stammen, und bezahlen sie oder gewähren andere Vergünstigungen.[68]
Zahlreiche Studien, wie sie unter anderem von dem Sexualwissenschaftler Eberhard Schorsch vorgelegt wurden, machen unter den Pädophilen eine Gruppe von Tätern aus, die sich dadurch auszeichnen, dass sie sich nicht nur nicht aggressiv verhalten, sondern sich ihren Opfern geradezu liebevoll zuwenden. Es scheint, als würden sie dadurch die Zuneigung der Kinder erlangen wollen, doch machen sie sich tatsächlich auf diese Weise ihre Opfer gefügig und verlieren das Interesse, sobald die Kinder dem kindlichen Körperschema entwachsen. Dieser Gruppe entgegengesetzt werden vergleichsweise seltene Täter beschrieben, die sadistische Vorlieben haben und aus dem Zufügen von Schmerz sexuelle Befriedigung ziehen.[7] Dazu gehörte beispielsweise Jürgen Bartsch, der in den 1960er Jahren die Öffentlichkeit bewegte.
Folgen für die Opfer des sexuellen Missbrauchs
Prävention und Therapie
Präventive Optionen
Als Prävention gegen sexuellen Kindesmissbrauch durch Pädophile wird heute vorwiegend Aufklärung durch Verbreitung von Informationen betrachtet. Sie sollen Kinder, Eltern und Pädagogen erreichen sowie die Gesellschaft für das Problem sensibilisieren.[69] Auch die Gewerkschaft der Polizei informiert auf ihrer Internetpräsenz,[70] wobei sie sich auf konkrete sexuelle Handlungen an Kindern beschränkt, unter deren Folgen diese häufig ein Leben lang leiden.[71] Über Aufklärung hinaus ist es für Kinder vorteilhaft, wenn die Entwicklung von Selbstsicherheit gefördert wird und sie lernen, dass sie in solchen Situationen das Recht haben, Nein zu sagen. Gegen Kindesentführung und in der Folge sexuelle Gewalthandlungen vermögen präventive Maßnahmen nichts auszurichten, allerdings sind sie die seltene Ausnahme.
Präventionsarbeit mit potentiellen Sexualstraftätern existiert bislang kaum, zumal sie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehört.[47] Das Projekt Kein Täter werden an der Berliner Charité bietet „Therapie zur Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch und dem Konsum von Missbrauchsabbildungen“ an.[69] Mittlerweile existieren Standorte des Projektes in weiteren Städten,[72] die sich zum Präventionsnetzwerk Kein Täter werden zusammengeschlossen haben und nach gemeinsamen Qualitätsstandards arbeiten.[73]
Therapeutische Optionen
Sexualmediziner gehen heutzutage überwiegend davon aus, dass die Entwicklung der Sexualität im Wesentlichen mit dem Ende der Pubertät abgeschlossen ist und eine grundsätzliche Änderung der pädophilen Sexualpräferenz nicht möglich ist.[36]
Das primäre Ziel einer Therapie besteht deshalb meist darin, sexuelle Handlungen an Kindern zu verhindern.[44] In Einzel- und Gruppentherapien sollen die Patienten lernen, ihre Impulse zu kontrollieren und Verhaltensmuster, die den sexuellen Missbrauch begünstigen, zu vermeiden. Weitere Ziele können die Aufdeckung von Wahrnehmungs- und Interpretationsfehlern des Verhaltens von Kindern sowie die Stärkung der Empathiefähigkeit sein.[69] Speziell zur Behebung von Wahrnehmungsverzerrungen, allerdings nicht auf Pädophile zentriert, legten Jürgen Körner und Rebecca Friedmann im Jahr 2005 unter dem Titel Denkzeit für delinquente Jugendliche ein Buch vor, in dem die sogenannte Denkzeit-Methode an einer Fallgeschichte ausführlich dargestellt wurde.[74]
Im Jahr 1996 gab Volkmar Sigusch den Sammelband Sexuelle Störungen und ihre Behandlung heraus, der 2007 in vierter, überarbeiteter und erweiterter Auflage erschien. Die beitragenden Autorinnen und Autoren geben darin einen Überblick über Behandlungsoptionen, im 5. Kapitel über Sexuelle Perversionen, im 6. Kapitel unter dem Titel Sexueller Missbrauch, Gewalt und Delinquenz.[75]
Therapien können auch dann nötig werden, wenn der Patient mit den schwerwiegenden sozialen Folgen, die ein Bekanntwerden seiner Pädophilie meist zur Folge hat, konfrontiert, damit aber nicht fertig wird und darüber erkrankt. Nicht zuletzt müssen möglicherweise bestehende Folgestörungen wie zum Beispiel Depressionen oder Alkoholismus behandelt werden.
Neben psycho- oder soziotherapeutischen Angeboten werden manchen Patienten – in schweren Fällen und mit ihrer Zustimmung verabreicht – medikamentöse Behandlungsoptionen angeboten. Dazu zählen die Antagonisten des Sexualhormons Testosteron, aber auch Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, die den Sexualtrieb hemmen, die Impulskontrolle verbessern und somit die Gefahr von Übergriffen eindämmen können. Teilweise kann damit auch Einfluss auf sogenannte Intrusionen genommen werden, also Gedankeneinbrüche, die vom Patienten nicht willentlich verhindert werden können. In den letzten Jahren gab es überdies Versuche, das unerwünschte Verhalten mit Medroxyprogesteron (MPA) zu bekämpfen, welches den Testosteronspiegel von Männern senkt.[7]
Antiandrogene, die eine chemische Kastration bewirken, werden wegen pädophiler Handlungen verurteilten Sexualstraftätern nur noch selten verabreicht, stereotaktische Hirnoperationen werden, anders als in den 1960er und 1970er Jahren, nicht mehr durchgeführt. Georges Fülgraff und Ilse Barbey gaben darüber 1978 einen Sammelband heraus.[76]
Neuere Studien zeigen auf, dass Therapien straffällig gewordener Pädophiler die Rückfallwahrscheinlichkeit um etwa 12 bis 17 Prozent zu senken vermögen. Doch bleibt die Rückfallquote vergleichsweise hoch.[77]
Kontroversen
Seelische Störung versus sexuelle Orientierung
Um die sexualmedizinische Einordnung der Pädophilie gibt es seit jeher Kontroversen. Sie finden einerseits unter Fachleuten, Pädophilen und Laien statt und andererseits zwischen diesen Gruppen. Fachleute sind sich relativ einig darüber, dass es sich bei der Pädophilie um eine krankheitswertige Störung handelt. Die weltweit recht gut vernetzte Pädophilenbewegung ist sich ebenso einig, dass dem nicht so sei. Dazwischen stehen Laien, die ihre Positionen im Wesentlichen aus den Medien beziehen und auf dieser Basis Partei ergreifen. Hinzu kommt eine ausschließlich von Profitinteressen getragene Pornoindustrie, die die Diskussion zusätzlich und im Sinn ihrer Profitinteressen befeuert.
Uneinig sind sich die Fachleute über einige fachspezifische Fragen, an denen Laien kaum interessiert sind. Ihre theoretische Ausrichtung ist verschieden und damit auch erklärende Ansätze. Daneben finden sich Unterschiede über die Frage, welche der zur Verfügung stehenden diagnostischen Klassifikationssysteme sie bevorzugen, ob sie also lieber nach der von der WHO herausgegebenen ICD oder dem von der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung entwickelten DSM klassifizieren oder gar an dem als veraltet geltenden Begriff der Perversion festhalten, der unter anderem von Sigusch verteidigt wird:
„Ich habe mich entschieden, behandlungsbedürftige, süchtige sexuelle Entwicklungen weiterhin Perversion zu nennen. Der Hauptgrund ist: Dieses Wort beschönigt nichts; es ruft die Katastrophe beim Namen. Von dem Ausdruck Paraphilie, den jüngere Sexualwissenschaftler vorziehen, kann das nicht gesagt werden. Dieses Wort sollten wir benutzen, wenn es um ungewöhnliche sexuelle Vorlieben und Verhaltensweisen geht, die keiner Therapie bedürfen und die niemandem Gewalt antun, die also weder den Paraphilen selbst noch eine andere Person schädigen.“
Der Begriff der Perversion hatte sich eingebürgert, bald nachdem Freud 1905 seine Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie[79] geschrieben hatte. Wie Reimut Reiche schrieb, war das „der Auftakt einer Umbenennungs-Odyssee, die bis heute andauert“.[80] Dabei mahnte er an, „die normative Kraft von Sprachregelungen“ nicht zu unterschätzen. Sie zeigt sich beispielsweise an Stollers Titel Perversion – Die erotische Form von Hass oder an dem Titel Perversionen der Frau von Estela Welldon.
Im Bemühen um begriffliche Klarheit schlugen die Sexualwissenschaftler der Berliner Charité im Jahr 2005 vor, zwischen sexueller Orientierung für das bevorzugte Geschlecht der Sexualpartner, sexueller Ausrichtung für das bevorzugte Alter der Sexualpartner und sexueller Neigung für die bevorzugten sexuellen Praktiken zu unterscheiden.[5]
Drei Jahre zuvor war in der amerikanischen Zeitschrift Archives of Sexual Behavior eine breite Kontroverse über den Begriff der Pädophilie und seine Einordnung in die einschlägigen diagnostischen Klassifikationssystemene von ICD und DSM veröffentlicht worden.[81] Beide sehen für die Pädophilie die Kodierung einer psychischen Störung vor, die ICD unter dem Oberbegriff der Sexualpräferenzstörungen, das DSM unter Paraphilie. Diese Kontroverse handelte zugleich eine ganze Reihe von Streitgegenständen ab. Einige Autoren schlugen vor, alle Paraphilien, zu denen auch die Pädophilie zählt, aus dem DSM zu streichen, weil sie überzeugt waren, derlei Störungen würden lediglich aufgrund gesellschaftlicher Konflikte den Paraphilen zugewiesen. Darüber hinaus gab es den Vorschlag, die Pädophilie als Impulskontrollstörung (ICD: F63) zu kategorisieren mit der Konsequenz, dass dabei die sexuelle Ausrichtung auf Kinder verschleiert wird. Auch wurde empfohlen, sexuelle Präferenz und sexuelles Verhalten zu unterscheiden. Damit würde die Pädophilie als reine Präferenzstörung von Pädosexualität als sexueller Verhaltensstörung unterschieden, in deren Rahmen Sexualität mit Kindern stattfindet. Auf diese Weise solle der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es Pädophile gibt, die ihr sexuelles Begehren zwar auf Kinder richten, aber darauf verzichten, dem nachzugeben. Verzichten sie nicht, solle in der Diagnose eine sexuelle Verhaltensstörung zugewiesen werden, wie beispielsweise Ahlers, Beier und andere vorschlugen.[5] Damit bemäße sich der Krankheitswert einer Paraphilie jedoch an ihren Folgen, womit andere Sexualwissenschaftler nicht einverstanden sind.
Jenseits dieser Diskussion grenzen sich einige wenige Fachleute von ihrer Kollegenschaft ab, indem sie propädophile Positionen vertreten. So gab es unter dem Titel Paidika – Journal of Paedophilia eine wissenschaftliche Zeitschrift, in der propädophile Autoren wie Edward Brongersma[82] und Helmut Graupner[83] veröffentlichten. Sie „verstand sich als wissenschaftliche Zeitschrift für ‚einvernehmliche generationsübergreifende sexuelle Beziehungen‘“, auch mit Kindern.[84] 1995 wurde sie eingestellt. Konstantin Mascher beschrieb in seiner Schrift Die Pädophilenbewegung in Deutschland und ihre Interessensvertreter ausführlich, wie aus propädophiler Position agiert werde und wie viel Einfluss sie, insbesondere „im Windschatten der Homosexuellenbewegung“, habe gewinnen können.[84] Graupner beispielsweise war als Sachverständiger vor den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages geladen und konnte dort seinen Vorschlag platzieren, Artikel 3 des Grundgesetzes so zu ergänzen, dass Menschen nicht nur nicht wegen ihrer Geschlechtsidentität, sondern zukünftig auch nicht wegen ihrer „sexuellen Identität […] benachteiligt oder bevorzugt werden“ dürften.[84] Sein Vorschlag wurde nicht angenommen und damit ein erster Schritt hin zu einer Legalisierung der Pädophilie verhindert. Die Pädophilenbewegung hat Interesse daran, sowohl den Krankheitsbegriff der Pädophilie als auch die Strafbarkeit ihrer Ausübung zu tilgen und sie stattdessen als Ausdruck der Persönlichkeit und als eine eigenständige sexuelle Orientierung neben Hetero-, Homo- und Bisexualität anerkennen zu lassen. Ihre Kritiker beklagen die damit verbundene Verleugnung und Verharmlosung der Implikationen.
Jeffrey Satinover, ein amerikanischer Psychoanalytiker und Physiker, hat sich unter dem bezeichnenden Titel The Trojan Couch zwar nur am Rande mit dem Thema Pädophilie befasst, dabei jedoch Machtstrukturen im Wissenschaftsbetrieb aufgedeckt, die über Wohl und Wehe wissenschaftlicher Positionen entscheiden.[85]
Frage der Strafwürdigkeit gewaltfreier sexueller Handlungen
Im besonderen Teil des Strafgesetzbuches der Bundesrepublik Deutschland hat der Gesetzgeber im 13. Abschnitt festgelegt, welche sexuellen und mit der Sexualität in Verbindung stehenden Verhaltensweisen er unter Strafe gestellt wissen will. Geregelt wird dies insgesamt in den §§ 174–184j StGB. Darüber hinaus gibt es Regelungen im 12. und 16. Abschnitt, die hier außer Betracht bleiben können. Das absolute Schutzalter liegt in Deutschland allgemein bei 14 Jahren und unter besonderen Umständen bei 16 oder 18 Jahren. Durch das Gesetz besonders geschützt werden Kinder und Jugendliche, wenn sie zur Betreuung im Rahmen eines Obhutsverhältnisses anvertraut wurden, oder bei Ausnutzung einer Zwangslage. Für bestehende Abhängigkeitsverhältnisse und weitere Konstellationen gibt es für das Verbot sexueller Handlungen keine Altersbegrenzung. Sexuelle Gewalt ist ebenso wie jegliche Ausübung von Zwang unter allen Umständen strafbar. In anderen Ländern gelten teilweise andere Regelungen.
Die Strafwürdigkeit auch zwang- und gewaltfreier pädosexueller Handlungen gründete sich ursprünglich auf sittlich-moralische Vorstellungen. Sie wird von Vertretern propädophiler Interessen bestritten, von den meisten Sexualwissenschaftlern jedoch verteidigt. Martin Dannecker beispielsweise betonte die, wie er es nannte, „Disparität der Wünsche“, die zwischen dem Pädophilen und einem Kind „schon bei der ersten Begegnung“ herrsche. Sie sei „auch nicht durch die vielleicht miteinander erlebte Sexualität zu überbrücken“, weil das „Verlangen“ des Pädophilen strukturiert und auf ein sogenanntes Objekt gerichtet sei, während, sollte es bei dem Kind überhaupt vorhanden sein, es bei ihm „vergleichsweise diffus und objektlos“ wäre. Das Bezugssystem der kindlichen Sexualität im Kontakt mit einem Pädophilen sei „nicht das eigene sexuelle Verlangen, sondern das des anderen“.[86] Dannecker ging noch einen Schritt weiter:
„Denn es ist ja gerade nicht so, dass nur ‚pathologisch veranlagte‘ Erwachsene im erotischen Spiel mit Kindern in eine Situation geraten können, in der die Gefahr einer Verwechslung des kindlichen sexuellen Ausdrucks und der kindlichen sexuellen Wünsche mit den Wünschen einer reifen Person auftaucht.“
In eine solche Situation können, so Dannecker, Erwachsene potentiell immer dann geraten, „wenn sie sich in intime und körperliche Nähe zu Kindern begeben“. Dann sei ein „gewisses Maß an Erregung […] in dieser Nähe gar nicht zu vermeiden“. Diesen „Anfechtungen“ gelte es zu widerstehen, was in der Regel gelinge; doch das sei, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht Anliegen des Pädophilen.
Weil „ein vorpubertäres Kind nicht weiß, was Liebe und Sexualität sind, was sie bedeuten, was sie symbolisieren“, könne es, so Sigusch, „keine reflektierte Einvernehmlichkeit geben“.[61][87] In diesem Zusammenhang wies der amerikanische Sozialwissenschaftler David Finkelhor darauf hin, dass ein Kind zwar willentlich („simple consent“) zustimmen könne, nicht aber – und das sei ein bedeutsamer Unterschied – wissentlich („informed consent“).[88] Das Kind könne weder erfassen, aus welchen Beweggründen ein sexuell motivierter Erwachsener seine Nähe sucht, noch sei es in der Lage, die zu erwartenden Folgen abzusehen.[89][90] Dieser Unterschied werde von Pädophilen, die von Einvernehmlichkeit ausgehen möchten und deshalb für eine Legalisierung plädieren, nicht gesehen oder verleugnet.
Der Erziehungswissenschaftler Friedrich Koch plädierte in der Debatte über Pädophilie für eine Erweiterung des Gewaltbegriffes, denn sie könne sogar „im Gewand der Fürsorge, Hilfe und Unterstützung auftreten, auch ohne dass sich diejenigen, die sich unter diesem Vorwand dem Kinde nähern, einer Täuschung bewusst“ seien.[91] Kinder müssten auch vor subtilen Manipulationen durch Erwachsene geschützt werden, weil zwischen ihnen aufgrund verschiedener Lebenserfahrung und geistig-seelischen Reife naturgemäß ein nicht unerhebliches Machtgefälle bestehe.
Die sogenannte Sexuelle Revolution in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit ihrem Anspruch einer emanzipatorischen Sexualpädagogik bereitete ebenso wie die anschließende und bis heute fortdauernde Neosexuelle Revolution den Boden für propädophile Positionen. Das hat damit zu tun, dass homosexuell Pädophile ihre Forderungen nach einer Legalisierung der Pädosexualität mit dem Kampf gegen die Diskriminierung Homosexueller verknüpft hatten. In der frühen Zeit der öffentlichen und wissenschaftlichen Debatten standen die Folgen der Pädosexualität für die betroffenen Kinder noch nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit, so dass sich Sigusch im Jahr 2010 in einem Interview unter dem Titel Es muss endlich um die Opfer gehen zu Wort meldete.[61]
Auch wenn nicht davon ausgegangen werden muss, dass gewaltfreie sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern zwangsläufig zu psychotraumatischen Schäden führen, lassen sie sich nicht ausschließen.[5] Jegliche sexuellen Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern nehmen Einfluss auf ihre psychosexuelle Entwicklung, gefährden diesen Prozess und sind darüber hinaus geeignet, das Vertrauen von Kindern in Erwachsene zu zerstören. In diesem Zusammenhang wird im deutschen Rechtskreis von einer abstrakten Gefährdung gesprochen. Nicht immer alleinursächlich, aber nahezu immer bergen sie mindestens das Risiko eines bleibenden Kindheitstraumas, allein, so Dannecker, durch die plötzliche Sexualisierung der Beziehung zwischen Erwachsenem und Kind.[92][6] Sigusch wies darauf hin, dass die Frage, ob und in welchem Ausmaß ein Kind geschädigt werde, neben dem konkreten Tatgeschehen sehr davon abhänge, „in welcher sozialen und seelischen Verfassung es mit welcher Vorgeschichte in welchem sozialen Umfeld in eine Beziehung zu einem Pädosexuellen“ gerate.[61]
Pädophilenbewegung
In den 1970er Jahren gründeten sich weltweit Gruppierungen, die Rechte für Pädophile reklamierten. Einige strebten dabei eine Legalisierung pädosexueller Kontakte an. Der Medizinhistoriker Florian Mildenberger schrieb darüber am Beispiel von Peter Schult, der in dieser Zeit zu den umstrittenen Protagonisten der öffentlichen Debatten gehörte.[93] Auch wenn diese Gruppen aus nicht-pädophilen Kreisen zeitweise unterstützt wurden, lösten sich einige infolge heftiger Kritik auf. Andere und insbesondere einzelne ihrer Vertreter blieben weiterhin aktiv, wie Konstantin Mascher in seiner ausführlichen Recherche zusammengetragen hat.[84]
Seit Ende der 1970er Jahre existieren in zahlreichen deutschen Städten Selbsthilfegruppen für Pädophile. Von Kritikern, wie beispielsweise dem Journalisten Manfred Karremann, wurde diesen Gruppen wiederholt vorgeworfen, die Folgen sexuellen Missbrauchs zu verharmlosen und ihre Treffen zum Austausch kinderpornographischer Medien zu nutzen.[94] Daneben gibt es Gruppen, die sich um einen verantwortlichen Umgang mit der eigenen Pädophilie mühen und für Verzicht plädieren:
„Heißt pädophil sein Kinder zu missbrauchen? Eindeutig nein. […] Allerdings gehören teils viel Kraft und Mut dazu, seine hauptsächliche sexuelle Neigung nie vollständig auszuleben.“
Diese Website, die schon früher existierte, gab sich im Jahr 2006 den Namen Schicksal und Herausforderung und wird seitdem von einer Gruppe überwiegend pädophiler Menschen betrieben, die sich, wie ihre Vorgänger, der ethischen Problematik ihrer Neigungen bewusst sind und aufklären wollen.[96][5] Im Herbst 2020 haben die Betreiber außerdem einen eingetragenen Verein gegründet, dessen erstes Ziel die Selbsthilfe zur Vermeidung strafbaren Handelns ist.[97] Daneben bieten sie ein Forum für den kommunikativen Austausch an.[98] Im internationalen Raum gibt es weitere Foren mit vergleichbarer Haltung zu sexuellen Übergriffen, wie die „Tschechoslowakische Pädophilengemeinschaft“ ČEPEK und das englischsprachige Forum Virtuous Pedophiles.
Propädophile Kreise, wie sie in der Pädophilenbewegung vertreten sind, haben Begriffe zur Selbstbezeichnung etabliert. Sie verwenden selbsterklärende Anglizismen, die auf die präferierte Altersgruppe verweisen, wie Boylover, Girllover, Littleboylover oder Babyboylover. Dieser Sprachgebrauch wird von ihren Kritikern als mindestens beschönigend abgelehnt.
Siehe auch
Literatur
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Weblinks
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- Website des Projektes „Kein Täter werden“ an der Berliner Charité
- 3sat: Unheilbar pädophil? Wissenschaftsdoku, 2015.
- Arte: Der pädophile Patient. Dokumentation, Deutschland 2016.
- Marcus Schwandner: Ursachen und Therapie – Sexueller Kindesmissbrauch durch Jugendliche. In SWR2 Wissen vom 14. November 2012.
- Wie Pädophile mit ihrer Neigung leben. Feature im Deutschlandfunk
- Betroffenenwebsite: Schicksal und Herausforderung
- Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs
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- ↑ a b c Informationen des Projektes „Kein Täter werden“ an der Berliner Charité
- ↑ Pädosexualität: Die Folgen des Missbrauchs. GdP, aufgerufen am 1. November 2023
- ↑ Monika Egli-Alge: Stellungnahme aus fachpsychologischer Sicht zur Frage, inwieweit geistig behinderte Personen strafrechtlich vor sexuellen Übergriffen geschützt werden sollten, wenn sie zwar zum Widerstand fähig wären, aber keinen Widerstand leisten, sondern – scheinbar – einvernehmlich an der sexuellen Handlung mitwirken. (PDF; 6,75 MB) In: Abschlussbericht der Reformkommission zum Sexualstrafrecht. Bundesministerium für Justiz, 19. Juli 2017, S. 897–900, hier S. 698, abgerufen am 1. November 2023.
- ↑ Website des Präventionsnetzwerks „Kein Täter werden“
- ↑ Großes Interesse an Ambulanz für Pädophile. In: Augsburger Allgemeine. 28. September 2011.
- ↑ Jürgen Körner, Rebecca Friedmann: Denkzeit für delinquente Jugendliche. Theorie und Methode dargestellt an einer Fallgeschichte. Lambertus, Freiburg im Breisgau 2005, ISBN 3-7841-1603-5 (denkzeit.info [abgerufen am 2. Mai 2022] Mehr auf der Seite der Denkzeit-Gesellschaft).
- ↑ Volkmar Sigusch (Hrsg.): Sexuelle Störungen und ihre Behandlung. 4. überarbeitete und erweiterte Auflage. Thieme, Stuttgart / New York 2007, ISBN 978-3-13-103944-6.
- ↑ Georges Fülgraff, Ilse Barbey (Hrsg.): Stereotaktische Hirnoperationen bei abweichendem Sexualverhalten. Abschlussbericht der Kommission beim Bundesgesundheitsamt (= bga-Berichte. Band 3). Reimer, Berlin 1978, ISBN 3-496-02018-0.
- ↑ Rudolf Egg: Kriminalität mit sexuellem Hintergrund. In: Der Bürger im Staat. Heft 1, 2003.
- ↑ Volkmar Sigusch: Sexuelle Welten. Zwischenrufe eines Sexualwissenschaftlers. Psychosozial, Gießen 2005, ISBN 3-89806-482-4, S. 100.
- ↑ Sigmund Freud: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie. (psychanalyse.lu [PDF; 528 kB; abgerufen am 7. März 2018]).
- ↑ Reimut Reiche: Das Rätsel der Sexualisierung. In: Ilka Quindeau, Volkmar Sigusch (Hrsg.): Freud und das Sexuelle. Neue psychoanalytische und sexualwissenschaftliche Perspektiven. Campus Verlag, Frankfurt am Main / New York 2005, ISBN 3-593-37848-5, S. 136 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 6. März 2018]).
- ↑ Special Section on Pedophilia. In: Archives of Sexual Behavior. Band 31, Nr. 6, Dezember 2002, S. 465–510. ISSN 0004-0002
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- ↑ a b c d Konstantin Mascher: Pädophile Allianzen. Die Pädophilenbewegung in Deutschland und ihre Interessensvertreter. Abgerufen am 5. März 2018.
- ↑ Jeffrey Satinover: The Trojan Couch. How the Mental Health Associations Misrepresent Science. (PDF; 166 kB) NARTH, 2005, abgerufen am 5. März 2018 (englisch).
- ↑ a b Martin Dannecker: Sexueller Missbrauch und Pädosexualität. In: Volkmar Sigusch (Hrsg.): Sexuelle Störungen und ihre Behandlung. 4. Auflage. Thieme, Stuttgart / New York 2007, ISBN 978-3-13-103944-6, Kap. 23, S. 295–299 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 9. März 2018]).
- ↑ Volkmar Sigusch: Sexualwissenschaftliche Thesen zur Missbrauchsdebatte. In: Zeitschrift für Sexualforschung. Band 23, Nr. 3. Thieme, 2010, ISSN 0932-8114, S. 247–257 (thieme-connect.de [abgerufen am 9. März 2018]).
- ↑ David Finkelhor: Child Sexual Abuse: New Theory and Research. Free Press, New York 1984, ISBN 0-02-910020-8.
- ↑ Ursula Enders (Hrsg.): Zart war ich, bitter war’s. Handbuch gegen sexuellen Missbrauch. 3. Auflage. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003, ISBN 3-462-03328-X, S. 22: „Kinder […] können sexuelle Kontakte zu Männern (Frauen) nicht wissentlich ablehnen oder ihnen zustimmen […]. Folglich muss jeder sexuelle Kontakt zwischen einem (einer) Erwachsenen und einem Kind als sexueller Missbrauch bewertet werden ([…] Finkelhor 1979 […]).“
- ↑ David Finkelhor et al. (Hrsg.): A Sourcebook On Child Sexual Abuse. Sage, Newbury Park 1986.
- ↑ Friedrich Koch: Sexueller Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen. Die Bedeutung der Sexualerziehung im Rahmen der Prävention. In: Ulrich Büscher (Hrsg.): Sexueller Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen. Westarp-Wiss., Essen 1991, ISBN 3-89432-045-1, S. 83.
- ↑ Martin Dannecker: Bemerkungen zur strafrechtlichen Behandlung der Pädosexualität. In: Herbert Jäger, Eberhard Schorsch (Hrsg.): Sexualwissenschaft und Strafrecht (= Beiträge zur Sexualforschung. Band 62). Enke, Stuttgart 1986, ISBN 3-432-96011-5, S. 71–83.
- ↑ Florian Mildenberger: Beispiel: Peter Schult. Pädophilie im öffentlichen Diskurs (= Bibliothek rosa Winkel. Band 40). Männerschwarm-Verlag, Hamburg 2006, ISBN 3-935596-40-5.
- ↑ Manfred Karremann: Es geschieht am helllichten Tag. Die verborgene Welt der Pädophilen und wie wir unsere Kinder vor Missbrauch schützen. DuMont, Köln 2007, ISBN 978-3-8321-8040-9.
- ↑ Schicksal und Herausforderung. Über uns. Abgerufen am 6. Oktober 2022.
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- ↑ Verein | Schicksal und Herausforderung. Abgerufen am 6. Oktober 2022.
- ↑ Gemeinsam statt allein – Startseite. Abgerufen am 6. Oktober 2022.