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„Venantius Fortunatus“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Venantius Fortunatus, Milano C 74 sup.jpg|mini|Gedichte des Venantius Fortunatus mit zwei Versen des irischen Gelehrten Dungal in der Handschrift Mailand, Biblioteca Ambrosiana, C 74 sup., fol. 28r (9. Jahrhundert)]]
'''Venantius Honorius Clementianus Fortunatus''' (* um [[536]] bei [[Treviso]], [[Italien]]; † [[14. Dezember]] [[610]] in [[Poitiers]], [[Frankreich]]) war ein Autor der [[Merowinger]]zeit.
'''Venantius Honorius Clementianus Fortunatus''' (* um 540 in [[Valdobbiadene]] bei [[Treviso]]; † an einem [[14. Dezember]] zwischen 600 und 610 in [[Poitiers]]) war ein bedeutender Dichter und [[Hagiographie|Hagiograph]] der [[Merowinger]]zeit und [[Bischof]] von Poitiers.


== Leben ==
== Leben ==
Venantius ist als der ''letzte römische Dichter'' der [[Spätantike]] ([[Friedrich Leo]]), aber auch als der ''erste Dichter des Mittelalters'' ([[Franz Brunhölzl]]) bezeichnet worden. Beides hat seine Berechtigung, denn der Poet gehört einer Übergangsepoche an. Er erhielt eine solide klassische Ausbildung in [[Ravenna]], dem Sitz des [[Byzantinisches Reich|oströmischen]] Statthalters ([[Exarchat von Ravenna|Exarchen]]) in Italien, und war gut mit den antiken Vorbildern vertraut, darunter [[Vergil]], [[Horaz]], [[Martial]], [[Paulinus von Nola]] und [[Prudentius]]. Im Jahr 565, dem letzten Regierungsjahr Kaiser [[Justinian I.|Justinians]], begab er sich auf eine [[Wallfahrt]] nach [[Tours]] in Gallien zum Grab des Heiligen [[Martin von Tours|Martin]], dem er für seine Heilung von einem Augenleiden danken wollte. Dabei zog er zunächst über die Alpen nach [[Raetia|Raetien]], dann nach [[Mogontiacum]] (Mainz), [[Colonia Claudia Ara Agrippinensium]] (Köln) und [[Augusta Treverorum]] (Trier), schließlich über Metz, Verdun und [[Lutetia]] (Paris) nach Tours. Unterwegs fand er gastliche Aufnahme bei Bischöfen und Aristokraten, denen er mit Gelegenheitsgedichten dankte.


In Metz schrieb er anlässlich der Hochzeit des austrasischen Königs [[Sigibert I.]] mit der westgotischen Prinzessin [[Brunichild]] ein Hochzeitsgedicht nach dem Vorbild der antiken [[Epithalamium|Epithalamien]], was ihm den Zugang zur weltlichen und geistlichen fränkischen Oberschicht öffnete. Es gelang ihm, zahlreiche Förderer zu finden, darunter [[Euphronius von Tours]], der einem [[Gallorömischer Senatsadel|gallorömisch-senatorischen]] Geschlecht entstammte. Durch dessen Empfehlung gelangte Venantius 567 nach Poitiers. Dort trat er in persönliche Beziehung zu der thüringischen Königstochter [[Radegunde von Thüringen|Radegundis]], der Witwe König [[Chlothar I.|Chlothars I.]], und ihrer Pflegetochter [[Agnes von Poitiers|Agnes]], die sich in ein Kloster zurückgezogen hatten. Venantius wurde Priester und Seelsorger des Klosters. Im Auftrag Radegundis’ unternahm Venantius, der inzwischen einen hervorragenden Ruf als lateinischer Dichter genoss, mehrere Reisen. Auch literarisch war er für sie aktiv. Er stand weiterhin in Kontakt zu zahlreichen bedeutenden Zeitgenossen, insbesondere zum Bischof [[Gregor von Tours]], der auch einer seiner Förderer war. Gegen Ende seines Lebens, wohl um das Jahr 600, wurde Venantius [[Bischof]] von Poitiers.
Venantius, der sowohl als der "letzte römische Dichter" ([[Friedrich Leo|F. Leo]]) der [[Spätantike]] als auch als der erste frühmittelalterliche Poet im Frankenreich gilt, erhielt in [[Ravenna]] eine ausgezeichnete Bildung in [[Grammatik]] und [[Rhetorik]], [[Philosophie]] und [[Theologie]]. [[565]] begab er sich auf eine [[Wallfahrt]] nach [[Tours]] zum Grab des Heiligen [[Martin von Tours|Martin]]. Dabei zog er durch [[Gallien]] und [[Germanien]]. Zwei Jahre lang hielt er sich am Hof [[Sigibert I.|Sigiberts von Austrasien]] auf und ließ sich dann [[567]] in [[Poitiers]] nieder. Dort lebte [[Radegunde]], die Gemahlin [[Chlothar I.|Chlothars I.]] in einem [[Kloster]], deren Leben er später beschrieb.


In späteren Jahrhunderten wurde Venantius als [[Heiliger]] verehrt. Sein Gedenktag ist sein Todestag, der [[14. Dezember]]; das Todesjahr ist unbekannt.
Weitere Biographien folgten zu [[Martin von Tours]] (''De vita Martini Turonensis'') und [[Hilarius von Poitiers]]. Auch schuf er viele [[Liturgie|liturgische]] Dichtungen.


== Werke ==
Spät trat er in den geistlichen Stand und wurde [[599]] [[Bischof]] in Poitiers, wo er auch starb.
Seine Werke stellen eine wichtige Quelle für die ausgehende [[gallorömische Kultur]] an der Wende von der Spätantike zum [[Frühmittelalter]] dar.
Venantius wurde [[Heilige|heilig gesprochen]], sein Gedenktag ist sein Todestag, der [[14. Dezember]].


Venantius schrieb ein Vers[[epos]] in vier Büchern auf den heiligen [[Martin von Tours]] (''De virtutibus Martini Turonensis''), wobei er von der ''Vita sancti Martini'' des [[Sulpicius Severus]] ausging und auch deren epische Bearbeitung durch [[Paulinus von Périgueux]] heranzog. Es ist [[Gregor von Tours]] gewidmet, die Anfertigung wurde von Radegunde angeregt. Außerdem schrieb er sieben Heiligenviten in Prosa, darunter eine über [[Hilarius von Poitiers]] und eine über Radegundis, die er nach ihrem Tod als Heilige darstellte.
==Werke==
* ''De vita Martini Turonensis''


Von herausragender Bedeutung sind seine elf Bücher ''Carmina miscellanea'', die liturgische [[Hymne]]n, [[Elegie]]n, [[Enkomion|Enkomia]], [[Epigramm]]e, [[Trauerrede|Epitaphien]] und verschiedene [[Gelegenheitsdichtung|Gelegenheitsgedichte]] enthalten. Zu letzteren gehört ''De navigio suo'' (''Über seine Schiffsreise'') aus dem Jahre 588, das von einer Fahrt mit dem jungen [[Merowinger]]könig [[Childebert II.]] (570–595) die [[Mosel]] hinab bis nach [[Koblenz]] und weiter rheinabwärts bis nach [[Andernach]] und [[Leutesdorf]] handelt und ein Gegenstück zu dem berühmten Gedicht ''[[Mosella (Ausonius)|Mosella]]'' des [[Ausonius (Dichter)|Ausonius]] bietet.<ref>Venantius Fortunatus, Carmen X 9 (ed. [[Friedrich Leo]], [[Monumenta Germaniae Historica|MGH]] Auctores Antiquissimi 4.1, Berlin 1881, [http://www.mgh.de/dmgh/resolving/MGH_Auct._ant._4,1_S._242 S.&nbsp;242–244]); deutsche Übersetzung und reichhaltiger Kommentar bei [[Paul Dräger]]: ''Zwei Moselfahrten des Venantius Fortunatus (carmina 6,8 und 10,9).'' In: ''Kurtrierisches Jahrbuch.'' Band 39, Trier 1999, S.&nbsp;67–88, hier besonders S.&nbsp;76–86.</ref> Bemerkenswert ist außerdem ein Lobgedicht auf den oströmischen Kaiser [[Justin II.]] (565–578), der damals in Gallien noch vielfach als Oberherr anerkannt wurde. Unter den Hymnen befinden sich unter anderem die in das römische Brevier aufgenommenen Passionslieder [[Pange lingua (Venantius Fortunatus)|''Pange lingua'']] und ''[[Vexilla regis]]'', die zu den auch heute noch bekanntesten Hymnen der lateinischen [[Liturgie]] zählen. Das ''Pange lingua'' diente auch [[Thomas von Aquin]] als Grundlage für seinen gleichnamigen eucharistischen Hymnus ''[[Pange lingua]]''. Eine besondere Gruppe bilden die [[Figurengedicht]]e (II, 4; II 5; V, 6), die von zentraler Bedeutung für die weitere Gattungsentwicklung sind.
==Literatur==

* Koebner, Richard: ''Venantius Fortunatus. Seine Persönlichkeit und seine Stellung n der geistigen Kultur des Merowingerreichs.'' Hildesheim: Gerstenberg, 1973. ISBN 3-8067-0120-2 (Repr. d. Ausg. Leipzig 1915)
Außerhalb der Gedichtsammlung überliefert sind das ebenfalls in das Brevier übernommene Marienlied ''Quem terra, pontus, aethera'', ein längeres Gedicht zum Lob Mariens (''In laudem sanctae Mariae'') sowie ein Klagelied über den Untergang des thüringischen Königshauses, aus dem Radegunde stammte (''De excidio Thoringiae'').
* Macchiarulo, Louis A.: ''The life and times of Venantius Fortunatus''. New York, Fordham Univ. Diss., 1986.

Unter die Carmina gemischt sind verschiedene Briefe und zwei Traktate in Prosa: eine Auslegung des [[Vaterunser]]s und eine Auslegung des Glaubensbekenntnisses, die an [[Rufinus von Aquileia]] anknüpft.

== Ausgaben und Übersetzungen ==
* ''Fortvnati Episcopi Pictaviensis De Resvrrectionis Dominicae Die Carmen''. Mameranus, Coloniae 1550 ({{ULBDD|urn:nbn:de:hbz:061:1-102883}})
* Gedichte: {{MGH|AuctAnt|4,1}}.
* ''Venance Fortunat, Poèmes''. Herausgegeben und ins Französische übersetzt von Marc Reydellet, 3 Bände, Paris 1994–2004.
* Heiligenleben in Prosa: {{MGH|AuctAnt|4,2}}, sowie {{MGH|SSrerMerov|2|364|377}}, {{MGH|SSrerMerov|7|219|224}} und {{MGH|SSrerMerov|7|372|418}}
* Judith W. George (Hrsg.): ''Venantius Fortunatus: Personal and Political Poems''. [[Translated Texts for Historians]]. Liverpool 1996.
* S. di Brazzano: ''Venanzio Fortunato. Opere / 1 (Gedichte, Appendix)''. Rom 2001 (Text und ital. Übersetzung).
* Wolfgang Fels: ''Venantius Fortunatus. Gelegentlich Gedichte. Das lyrische Werk. Die Vita des hl. Martin''. Eingeleitet, übersetzt und kommentiert. Hiersemann, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-7772-0603-5.
* Venantius Fortunatus: ''Vita sanctae Radegundis.'' Das Leben der heiligen Radegunde, Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-018559-9
* [[Michael John Roberts]]: ''The Humblest Sparrow. The Poetry of Venantius Fortunatus''. Ann Arbor 2009, ISBN 0-472-11683-5.
* Michael John Roberts (Hrsg.): ''Venantius Fortunatus: Poems'' (= ''Dumbarton Oaks medieval library.'' Band 46). Harvard University Press, Cambridge (MA)/London 2017, ISBN 978-0-674-97492-0.
* N[igel] M. Kay (Einl., Hrsg., Übers., Komm.): ''Venantius Fortunatus'' Vita Sancti Martini. ''Prologue and Books I–II'' (= ''Cambridge Classical Texts and Commentaries.'' Band 59). Cambridge University Press, Cambridge u.&nbsp;a. 2020, ISBN 978-1-108-42584-1.

== Literatur ==
* {{LexMA|8|1453|1454|Venantius Fortunatus|[[Reinhard Düchting]]}}
* {{BBKL|archiveurl=https://web.archive.org/web/20070630001840/http://www.bautz.de/bbkl/f/fortunatus_v.shtml |band=2|spalte=73|autor=[[Friedrich Wilhelm Bautz]]|artikel=Fortunatus, Venantius}}
* Oliver Ehlen: ''Venantius-Interpretationen. Rhetorische und generische Transgressionen beim „neuen Orpheus“.'' Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2011.
* Wolfgang Fels: ''Studien zu Venantius Fortunatus mit einer deutschen Übersetzung seiner metrischen Dichtungen.'' Heidelberg 2006 ([http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/volltexte/2007/7023/pdf/Studien_zu_VFT.pdf online Fakultätsfassung der Dissertation]).
* Judith W. George: ''Venantius Fortunatus.'' In: ''[[Theologische Realenzyklopädie]]''. Bd. 34 (2002), S. 565–568.
* Judith W. George: ''Venantius Fortunatus. A Latin Poet in Merovingian Gaul.'' Clarendon Press, Oxford 1992, ISBN 0-19-814898-4.
* [[Richard Koebner]]: ''Venantius Fortunatus.'' Teubner, Leipzig u. a. 1915 (''Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance'' 22; Nachdruck: Gerstenberg, Hildesheim 1973, ISBN 3-8067-0120-2; [https://archive.org/stream/MN42053ucmf_3#page/n3/mode/1up Online])
* [[Wilhelm Meyer (Philologe)|Wilhelm Meyer]]: ''Der Gelegenheitsdichter Venantius Fortunatus'' (= ''Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Philosophisch-Historische Klasse.'' Neue Folge Band IV Nr. 5). Weidmann, Berlin 1901.
* Michael Roberts: ''The Last Epic of Antiquity: Generic Continuity and Innovation in the „Vita Sancti Martini“ of Venantius Fortunatus.'' In: ''Transactions of the American Philological Association'' 131 (2001), S. 257–285.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Venantius Fortunatus}}
* {{PND|118767933}}
'''Texte'''
* [http://www.orbilat.com/Latin/Texts/06_Medieval_period/Poetry-Religious/Venantius_Fortunatus-Pange_lingua.html ''Pange, Lingua, gloriosi proelium certaminis''] (lat.)
* [http://daten.digitale-sammlungen.de/0000/bsb00000790/images/?seite=3 MGH Auctores antiquissimi IV.1] und [http://daten.digitale-sammlungen.de/0000/bsb00000791/images/?seite=3 IV.2]: Digitalisat der Werkausgaben von Leo und Krusch (lateinisch)
* [http://www.thelatinlibrary.com/venantius.html Poems] Latin Library (lat.)
* [http://www.newadvent.org/cathen/06149a.htm Venantius Fortunatus] Catholic Encyclopedia (1914; engl.)
* [http://www.thelatinlibrary.com/venantius.html Gedichte] Latin Library (lateinisch)
* [http://www.orbilat.com/Languages/Latin/Texts/06_Medieval_period/Poetry-Religious/Venantius_Fortunatus-Pange_lingua.html ''Pange, Lingua, gloriosi proelium certaminis''] (lateinisch; das Versmaß ist dort zu ungenau angegeben)


'''Literatur'''
[[Kategorie:Römisch-katholischer Bischof (7. Jh.)]]
* {{DNB-Portal|118767933}}
[[Kategorie:Heiliger]]
* [http://www.newadvent.org/cathen/06149a.htm Venantius Fortunatus] in der Catholic Encyclopedia (1914)

== Anmerkungen ==
<references />

{{Folgenleiste
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}}

Aktuelle Version vom 16. März 2025, 19:24 Uhr

Gedichte des Venantius Fortunatus mit zwei Versen des irischen Gelehrten Dungal in der Handschrift Mailand, Biblioteca Ambrosiana, C 74 sup., fol. 28r (9. Jahrhundert)

Venantius Honorius Clementianus Fortunatus (* um 540 in Valdobbiadene bei Treviso; † an einem 14. Dezember zwischen 600 und 610 in Poitiers) war ein bedeutender Dichter und Hagiograph der Merowingerzeit und Bischof von Poitiers.

Venantius ist als der letzte römische Dichter der Spätantike (Friedrich Leo), aber auch als der erste Dichter des Mittelalters (Franz Brunhölzl) bezeichnet worden. Beides hat seine Berechtigung, denn der Poet gehört einer Übergangsepoche an. Er erhielt eine solide klassische Ausbildung in Ravenna, dem Sitz des oströmischen Statthalters (Exarchen) in Italien, und war gut mit den antiken Vorbildern vertraut, darunter Vergil, Horaz, Martial, Paulinus von Nola und Prudentius. Im Jahr 565, dem letzten Regierungsjahr Kaiser Justinians, begab er sich auf eine Wallfahrt nach Tours in Gallien zum Grab des Heiligen Martin, dem er für seine Heilung von einem Augenleiden danken wollte. Dabei zog er zunächst über die Alpen nach Raetien, dann nach Mogontiacum (Mainz), Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln) und Augusta Treverorum (Trier), schließlich über Metz, Verdun und Lutetia (Paris) nach Tours. Unterwegs fand er gastliche Aufnahme bei Bischöfen und Aristokraten, denen er mit Gelegenheitsgedichten dankte.

In Metz schrieb er anlässlich der Hochzeit des austrasischen Königs Sigibert I. mit der westgotischen Prinzessin Brunichild ein Hochzeitsgedicht nach dem Vorbild der antiken Epithalamien, was ihm den Zugang zur weltlichen und geistlichen fränkischen Oberschicht öffnete. Es gelang ihm, zahlreiche Förderer zu finden, darunter Euphronius von Tours, der einem gallorömisch-senatorischen Geschlecht entstammte. Durch dessen Empfehlung gelangte Venantius 567 nach Poitiers. Dort trat er in persönliche Beziehung zu der thüringischen Königstochter Radegundis, der Witwe König Chlothars I., und ihrer Pflegetochter Agnes, die sich in ein Kloster zurückgezogen hatten. Venantius wurde Priester und Seelsorger des Klosters. Im Auftrag Radegundis’ unternahm Venantius, der inzwischen einen hervorragenden Ruf als lateinischer Dichter genoss, mehrere Reisen. Auch literarisch war er für sie aktiv. Er stand weiterhin in Kontakt zu zahlreichen bedeutenden Zeitgenossen, insbesondere zum Bischof Gregor von Tours, der auch einer seiner Förderer war. Gegen Ende seines Lebens, wohl um das Jahr 600, wurde Venantius Bischof von Poitiers.

In späteren Jahrhunderten wurde Venantius als Heiliger verehrt. Sein Gedenktag ist sein Todestag, der 14. Dezember; das Todesjahr ist unbekannt.

Seine Werke stellen eine wichtige Quelle für die ausgehende gallorömische Kultur an der Wende von der Spätantike zum Frühmittelalter dar.

Venantius schrieb ein Versepos in vier Büchern auf den heiligen Martin von Tours (De virtutibus Martini Turonensis), wobei er von der Vita sancti Martini des Sulpicius Severus ausging und auch deren epische Bearbeitung durch Paulinus von Périgueux heranzog. Es ist Gregor von Tours gewidmet, die Anfertigung wurde von Radegunde angeregt. Außerdem schrieb er sieben Heiligenviten in Prosa, darunter eine über Hilarius von Poitiers und eine über Radegundis, die er nach ihrem Tod als Heilige darstellte.

Von herausragender Bedeutung sind seine elf Bücher Carmina miscellanea, die liturgische Hymnen, Elegien, Enkomia, Epigramme, Epitaphien und verschiedene Gelegenheitsgedichte enthalten. Zu letzteren gehört De navigio suo (Über seine Schiffsreise) aus dem Jahre 588, das von einer Fahrt mit dem jungen Merowingerkönig Childebert II. (570–595) die Mosel hinab bis nach Koblenz und weiter rheinabwärts bis nach Andernach und Leutesdorf handelt und ein Gegenstück zu dem berühmten Gedicht Mosella des Ausonius bietet.[1] Bemerkenswert ist außerdem ein Lobgedicht auf den oströmischen Kaiser Justin II. (565–578), der damals in Gallien noch vielfach als Oberherr anerkannt wurde. Unter den Hymnen befinden sich unter anderem die in das römische Brevier aufgenommenen Passionslieder Pange lingua und Vexilla regis, die zu den auch heute noch bekanntesten Hymnen der lateinischen Liturgie zählen. Das Pange lingua diente auch Thomas von Aquin als Grundlage für seinen gleichnamigen eucharistischen Hymnus Pange lingua. Eine besondere Gruppe bilden die Figurengedichte (II, 4; II 5; V, 6), die von zentraler Bedeutung für die weitere Gattungsentwicklung sind.

Außerhalb der Gedichtsammlung überliefert sind das ebenfalls in das Brevier übernommene Marienlied Quem terra, pontus, aethera, ein längeres Gedicht zum Lob Mariens (In laudem sanctae Mariae) sowie ein Klagelied über den Untergang des thüringischen Königshauses, aus dem Radegunde stammte (De excidio Thoringiae).

Unter die Carmina gemischt sind verschiedene Briefe und zwei Traktate in Prosa: eine Auslegung des Vaterunsers und eine Auslegung des Glaubensbekenntnisses, die an Rufinus von Aquileia anknüpft.

Ausgaben und Übersetzungen

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  • Fortvnati Episcopi Pictaviensis De Resvrrectionis Dominicae Die Carmen. Mameranus, Coloniae 1550 (Digitalisat)
  • Gedichte: Friedrich Leo (Hrsg.): Auctores antiquissimi 4,1: Venanti Honori Clementiani Fortunati presbyteri Italici Opera poetica. Berlin 1881 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat).
  • Venance Fortunat, Poèmes. Herausgegeben und ins Französische übersetzt von Marc Reydellet, 3 Bände, Paris 1994–2004.
  • Heiligenleben in Prosa: Bruno Krusch (Hrsg.): Auctores antiquissimi 4,2: Venanti Honori Clementiani Fortunati presbyteri Italici Opera pedestria. Berlin 1885 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat), sowie Bruno Krusch (Hrsg.): Scriptores rerum Merovingicarum 2: Fredegarii et aliorum Chronica. Vitae sanctorum. Hannover 1888, S. 364–377 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat), Bruno Krusch, Wilhelm Levison (Hrsg.): Scriptores rerum Merovingicarum 7: Passiones vitaeque sanctorum aevi Merovingici (V). Hannover 1920, S. 219–224 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat) und Bruno Krusch, Wilhelm Levison (Hrsg.): Scriptores rerum Merovingicarum 7: Passiones vitaeque sanctorum aevi Merovingici (V). Hannover 1920, S. 372–418 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
  • Judith W. George (Hrsg.): Venantius Fortunatus: Personal and Political Poems. Translated Texts for Historians. Liverpool 1996.
  • S. di Brazzano: Venanzio Fortunato. Opere / 1 (Gedichte, Appendix). Rom 2001 (Text und ital. Übersetzung).
  • Wolfgang Fels: Venantius Fortunatus. Gelegentlich Gedichte. Das lyrische Werk. Die Vita des hl. Martin. Eingeleitet, übersetzt und kommentiert. Hiersemann, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-7772-0603-5.
  • Venantius Fortunatus: Vita sanctae Radegundis. Das Leben der heiligen Radegunde, Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-018559-9
  • Michael John Roberts: The Humblest Sparrow. The Poetry of Venantius Fortunatus. Ann Arbor 2009, ISBN 0-472-11683-5.
  • Michael John Roberts (Hrsg.): Venantius Fortunatus: Poems (= Dumbarton Oaks medieval library. Band 46). Harvard University Press, Cambridge (MA)/London 2017, ISBN 978-0-674-97492-0.
  • N[igel] M. Kay (Einl., Hrsg., Übers., Komm.): Venantius Fortunatus Vita Sancti Martini. Prologue and Books I–II (= Cambridge Classical Texts and Commentaries. Band 59). Cambridge University Press, Cambridge u. a. 2020, ISBN 978-1-108-42584-1.
Commons: Venantius Fortunatus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Texte

Literatur

  1. Venantius Fortunatus, Carmen X 9 (ed. Friedrich Leo, MGH Auctores Antiquissimi 4.1, Berlin 1881, S. 242–244); deutsche Übersetzung und reichhaltiger Kommentar bei Paul Dräger: Zwei Moselfahrten des Venantius Fortunatus (carmina 6,8 und 10,9). In: Kurtrierisches Jahrbuch. Band 39, Trier 1999, S. 67–88, hier besonders S. 76–86.
VorgängerAmtNachfolger
Platon von PoitiersBischof von Poitiers
um 600
Caregisile