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„Chemie“ – Versionsunterschied

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[[Datei:ThermiteFe2O3.JPG|mini|alt=Ein Foto von einer weißen Flamme, aus der Rauch aufsteigt und leicht bläuliche, ansonsten ebenfalls weiße Funken fliegen. Die Flamme steigt aus einem flachen Kegel aus Erde auf, ist etwa 30 Zentimeter hoch und beleuchtet das Gras rund um den Kegel.|[[Thermitreaktion]]]]
Die '''Chemie''' [{{IPA|ˈçemi:}}] bzw. [{{IPA|ˈkemi:}}], fälschlich auch [{{IPA|ˈʃemiː}}] (von [[Arabische Sprache|arabisch]] ''al-kimiya' '') ist die Lehre vom Aufbau, Verhalten und der Umwandlung der chemischen Elemente und ihren Verbindungen sowie den dabei geltenden [[Naturgesetz|Gesetzmäßigkeiten]]. Die ''Chemie'' entstand in ihrer heutigen Form als exakte [[Naturwissenschaft]] im [[17. Jahrhundert|17.]] und [[18. Jahrhundert]] allmählich aus der Anwendung rationalen Schlußfolgerns basierend auf Beobachtungen und [[Experiment]]en der [[Alchemie]]. Einige der ersten großen [[Chemiker]] waren [[Robert Boyle]], [[Humphry Davy]], [[Jöns Jacob Berzelius]], [[Joseph Louis Gay-Lussac]], [[Joseph-Louis Proust]], [[Marie Lavoisier|Marie]] und [[Antoine Laurent de Lavoisier|Antoine Lavoisier]] und [[Justus von Liebig]].[[Bild:Spiritusflamme_mit_spektrum.png |thumb| Spiritusflamme und ihr Spektrum]]
'''Chemie''' ([[bundesdeutsches Hochdeutsch]]: [{{IPA|çeˈmiː}}]; [[Süddeutschland|süddeutsch]], [[Schweizerdeutsch]], [[österreichisches Hochdeutsch]]: [{{IPA|keˈmiː}}]) ist diejenige [[Naturwissenschaft]], die sich mit dem Aufbau, den [[Eigenschaft]]en und der Umwandlung von [[Chemischer Stoff|Stoffen]] (Substanzen oder Materialien) beschäftigt. Ein Stoff besteht aus [[Atom]]en, [[Molekül]]en oder [[Ion]]en.
[[Bild:Demokritmuenze.jpg|thumb|Griechische Münze mit Demokrit und Atomdarstellung]]
[[Datei:Parnas wagner.jpg|mini|alt=In einem mit Fliesen verkleideten Gasabzug steht eine Glasapparatur. Von rechts nach links:Ein von unten elektrisch beheizter Rundkolben, in dem eine klare Flüssigkeit siedet. Der Dampf der Flüssigkeit wird in einen kleineren Kolben mit einer roten Flüssigkeit geleitet. Von dort führt ein Glasrohr zuerst senkrecht hochsteigend und dann schräg abfallend in einen weiteren Kolben und taucht dort in eine blaue Flüssigkeit ein, die von den aufsteigenden Blasen aufgewühlt ist. Das Rohr ist mit einem zweiten Rohr ummantelt, das das entstehende Gas oben in einen senkrecht stehenden Kugelkühler leitet. Der Kühler ist an die Wasseranschlüsse im Gasabzug angeschlossen. Kondensierte Flüssigkeit tropft aus dem Kühler in ein offenes Becherglas. Eine Plastikpipette ist in das Becherglas gestellt. Im Vordergrund ist eine unbeschriftete Glasflasche mit einer klaren Flüssigkeit und ein Gummiball als Pipettierhilfe.|Versuchsapparatur im Gasabzug eines Chemielabors]]


Zentrale Begriffe der Chemie sind [[Chemische Reaktion|chemische Reaktionen]] und [[chemische Bindung]]en. Durch chemische Reaktionen werden chemische Bindungen gebildet oder gespalten. Dabei verändert sich die Elektronenaufenthaltswahrscheinlichkeit in den Elektronenhüllen der beteiligten Stoffe und damit deren Eigenschaften. Die Herstellung von Stoffen (''[[Synthese (Chemie)|Synthese]]'') mit von der Menschheit benötigten Eigenschaften ist heute das zentrale Anliegen der Chemie.
Bei [[Chemische Reaktion | chemischen Reaktionen]] werden [[Chemische Bindung | Bindungen]] zwischen Atomen getrennt und neu gebildet, es findet also eine Stoffveränderung statt. Da die für die Chemie relevanten Eigenschaften der Atome fast ausschließlich in ihrer elektronischen Struktur ([[Elektronenhülle]]) begründet liegen, können grundlegende Aufgabengebiete der Chemie auch als ''„Physik der äußeren Elektronenhülle“'' betrachtet werden.


Traditionell wird die Chemie in Teilgebiete unterteilt. Die wichtigsten davon sind die [[organische Chemie]], die [[kohlenstoff]]haltige Verbindungen untersucht, die [[anorganische Chemie]], die alle Elemente des [[Periodensystem]]s und deren Verbindungen behandelt, sowie die [[physikalische Chemie]], die sich mit den grundlegenden Phänomenen, die der Chemie zu Grunde liegen, beschäftigt.
Alle Eingriffe, die die Art des [[Stoff (Chemie)|Stoffes]] (Stoff = Substanz) unverändert lassen (z.B.: [[Schmelzen]], [[Erstarren]]), gehören zur [[Physik]]. Zur [[Kernphysik]] zählen Veränderungen am [[Atomkern]].


Die Chemie in ihrer heutigen Form als exakte Naturwissenschaft entstand im 17. und 18. Jahrhundert allmählich aus der Anwendung rationalen Schlussfolgerns, basierend auf Beobachtungen und [[Experiment]]en der [[Alchemie]]. Einige der ersten bedeutenden [[Chemiker]] waren [[Robert Boyle]], [[Humphry Davy]], [[Jöns Jakob Berzelius]], [[Joseph Louis Gay-Lussac]], [[Joseph Louis Proust]], [[Marie Lavoisier|Marie]] und [[Antoine Laurent de Lavoisier|Antoine Lavoisier]] und im 19. Jahrhundert [[Justus von Liebig]].
Zu diesem Thema siehe auch den Artikel [[Grundlagen der Chemie]] und das [[Portal:Chemie]] in der Wikipedia.


Die [[chemische Industrie]] zählt zu den wichtigsten Industriezweigen. Sie stellt Stoffe her, die zur Herstellung von Alltagsgegenständen (z. B. [[Grundchemikalien]], [[Kunststoffe]], [[Lack]]e), Lebensmitteln (auch als Hilfsmittel dazu wie [[Düngemittel]] und [[Pestizid]]e) oder zur Verbesserung der Gesundheit (z. B. [[Arzneimittel|Pharmazeutika]]) benötigt werden.
== Allgemeines ==
Die Chemie befasst sich mit den Eigenschaften der Elemente und Verbindungen, mit den möglichen Umwandlungen eines Stoffes in einen anderen, macht Vorhersagen über die Eigenschaften für bislang unbekannte Verbindungen, liefert Methoden zur Synthese neuer Verbindungen und Messmethoden um die chemische Zusammensetzung unbekannter Proben zu entschlüsseln.


== Wortherkunft ==
Obwohl alle Stoffe aus vergleichsweise wenigen "Bausteinsorten", nämlich aus etwa 80 bis 100 der 118 bekannten [[Chemisches Element|Elemente]] aufgebaut sind, führen die unterschiedlichen Kombinationen und Anordnungen der Elemente zu einigen Millionen sehr unterschiedlichen Verbindungen, die wiederum so unterschiedliche Materieformen wie Wasser, Sand, Pflanzen- und Tiergewebe oder [[PVC]]-Kunststoff aufbauen. Die Art der Zusammensetzung bestimmt schließlich die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Stoffe und macht damit die Chemie zu einer recht umfangreichen Wissenschaft. <br />
[[Datei:Pieter Brueghel the Elder-The Alchemist.jpg|mini|Gravur von [[Pieter Brueghel der Ältere|Pieter Brueghel dem Älteren]]: Der Alchemist]]
Die Bezeichnung ''Chemie'' entstand aus dem von χέω, „gießen“,<ref>[[Franz Dornseiff]]: ''Die griechischen Wörter im Deutschen.'' Berlin 1950, S.&nbsp;40.</ref> abgeleiteten [[Altgriechische Sprache|altgriechischen]] Wort {{lang|grc|χύμεία|chymeía}} bzw. {{lang|grc|χημεία|chēmeía}}<ref>Nach Liddell-Scott's griechischem Wörterbuch ist Chymeia die primäre Schreibweise und mit Chemeia synonym. [https://lsj.gr/wiki/%CF%87%CF%85%CE%BC%CE%B5%CE%AF%CE%B1#English_.28LSJ.29 Online]</ref> „[Kunst der Metall-]Gießerei“ <!-- laut wem?--> im Sinne von „Umwandlung“. Die heutige Schreibweise ''Chemie'' wurde vermutlich erstmals von [[Johann Joachim Lange]] im Jahre 1750–1753<ref>Hans Schimank: ''Der Chemiker im Wandel der Zeiten.'' Verlag Chemie, Weinheim 1972, S. 214.</ref> eingeführt und ersetzte zu Beginn des 19. Jahrhunderts das seit dem 17. Jahrhundert bestehende Wort ''Chymie'', das wahrscheinlich eine Vereinfachung und Umdeutung des seit dem 13. Jahrhundert belegten Ausdrucks ''Alchemie'' „Kunst des Goldherstellens“ war, welches wiederum selbst eine mehrdeutige [[Etymologie]] aufweist (zu den [[Konnotation]]en vergleiche die Etymologie des Wortes ''[[Alchemie]]'':<ref>Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Auflage, ISBN 3-11-017473-1</ref><ref>Laut Kluge gehört „Chemie“ zu griechisch χύμα „Guss“, woraus griechisch-lateinisch ''chymia'' entstand und daraus deutsch „Chymie“. Die Form χημεία, woher „Chemie“ stammt, beruht auf der gleichen Aussprache von η und ī im späteren Griechisch. Siehe [[Friedrich Kluge]], [[Alfred Götze (Philologe)|Alfred Götze]]: ''[[Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache]].'' 20. Auflage. Hrsg. von [[Walther Mitzka]]. De Gruyter, Berlin / New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 117 (''Chemie'') und 257 f. (''gießen'', zur Wurzel *''chy-'' in ''chéein'' „gießen“ und in ''cheũma'', wofür später ''chýama'' „Guss“ stand, sowie in ''chylós'' „Saft“).</ref> Das Wort wurzelt wohl in [[Arabische Sprache|arabisch]] {{lang|ar-Latn|al-kīmiyá}}, welches unter anderem „[[Stein der Weisen]]“ bedeuten kann, eventuell aus altgriechisch {{lang|grc|χυμεία|chymeía}} „Gießung“ oder aus [[Koptische Sprache|koptisch]]/[[Altägyptische Sprache|altägyptisch]] {{lang|cop-Latn|kemi}} „schwarz[e Erden]“, vergleiche hierzu auch [[Kemet (Altes Ägypten)|Kemet]]).


Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts galten die Begriffe „Scheidekunde“ und „Scheidekunst“ als Alternativen für das Wort Chemie.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.duden.de/rechtschreibung/Scheidekunde |titel=Scheidekunde |hrsg=[[Duden]] |abruf=2014-02-03}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=https://www.duden.de/rechtschreibung/Scheidekunst |titel=Scheidekunst |hrsg=Duden |abruf=2014-02-03}}</ref><ref>Crusius (1788): Einleitung zur allgemeinen Scheidekunst, S. 313.</ref>
Fortschritte in den verschiedenen Teilgebieten der Chemie sind oftmals die unabdingbare Voraussetzung für neue Erkenntnisse in anderen Disziplinen, besonders in den Bereichen [[Biologie]] und [[Medizin]], aber auch im Bereich der [[Physik]] und der [[Ingenieurwissenschaften]]. Ausserdem erlauben sie es häufig, die Produktionskosten für viele Industrieprodukte zu senken. Beispielsweise führen verbesserte Katalysatoren zu einem geringeren Energieverbrauch oder eine neue, billigere Reaktion ersetzt eine alte.
*Für die Medizin ist die Chemie bei der Suche nach neuen [[Medikament]]en und bei der Herstellung von [[Arzneimittel]]n unentbehrlich.
*Die Ingenieurwissenschaften suchen häufig je nach Anwendung nach maßgeschneiderten Materialien (leichte Materialien im Flugzeugbau, beständige und belastbare Baustoffe, hochreine Halbleiter...). Die Suche nach solchen, sowie deren Synthese ist eine der Aufgaben der Chemie.
*In der Physik werden z.B. zur Durchführung von Experimenten oft hochreine Stoffe benötigt, deren Herstellung spezielle Synthesemethoden erfordert.


== Geschichte ==
== Wirtschaftliche Bedeutung der Chemie ==
[[Datei:Flamel-figures.png|mini|Die „alchemistischen Figuren“ des [[Nikolaus Flamel]]]]
[[Bild:BASF Hochhaus.jpg|thumb|left|Hochhaus des Chemiekonzernes [[BASF]]]] Die [[chemische Industrie]] ist - gerade auch in [[Deutschland]] - ein sehr bedeutender [[Wirtschaftszweig]]: In Deutschland liegt der [[Erlös|Umsatz]] der Chemieindustrie bei über 100 Milliarden [[Euro]], die Zahl der Beschäftigten lag nach der Wiedervereinigung Deutschlands bei über 700 000 und ist jetzt unter 500 000 gesunken. Sie stellt einmal [[Grundchemikalie]]n wie beispielsweise [[Schwefelsäure]] oder [[Ammoniak]] her - oft im Maßstab von Millionen von Tonnen jährlich -, die sie dann zum Beispiel zur Produktion von [[Düngemittel]]n und [[Kunststoff]]en verwendet. Andererseits produziert sie viele komplexe Stoffe, insbesondere [[Medikament]]e, maßgeschneidert für spezielle Zwecke. Auch die Herstellung von [[Computer]]n, [[Kraftstoff|Kraft-]] und [[Schmierstoff]]en für die [[Automobil]]industrie und vielen anderen technischen Produkten ist ohne industriell hergestellte Chemikalien unmöglich.
{{Hauptartikel|Geschichte der Chemie}}


Die [[Chemie im Altertum|Chemie in der Antike]] bestand im angesammelten praktischen Wissen über Stoffumwandlungsprozesse und den naturphilosophischen Anschauungen der Antike. Die [[Chemie im Mittelalter]] entwickelte sich aus der [[Alchemie]], die in China, Europa und Indien schon seit Jahrtausenden praktiziert wurde.
== Chemie im Alltag == [[Bild:Campfire_4213.jpg|thumb|right|Verbrennung: eine chemische Reaktion]]
Chemische Reaktionen im Alltag finden zum Beispiel beim [[Kochen]], [[Backen]] oder [[Braten (Garmethode)|Braten]] statt, wobei oft gerade die hier ablaufenden, recht komplexen [[Stoffumwandlung]]en zum typischen [[Aroma]] der [[Speise]] beitragen. Weiterhin wird Nahrung chemisch zerlegt und mit körpereigenen Abbauvorgängen in Bestandteile und auch Energie umgewandelt. Eine gut beobachtbare chemische Reaktion ist die [[Verbrennung (Chemie)|Verbrennung]].


Die Alchemisten beschäftigten sich sowohl mit der erhofften Veredlung der Metalle (Herstellung von [[Gold]] aus unedlen Metallen, siehe auch [[Transmutation]]) als auch mit der Suche nach Arzneimitteln. Insbesondere für die Herstellung von Gold suchten die Alchemisten nach einem [[Elixier]] (Philosophen-Stein, [[Stein der Weisen]]), das die unedlen („kranken“) Metalle in edle („gesunde“) Metalle umwandeln sollte. Im medizinischen Zweig der Alchemie wurde ebenfalls nach einem Elixier gesucht, dem Lebenselixier, einem Heilmittel für alle Krankheiten, das schließlich auch Unsterblichkeit verleihen sollte. Kein Alchemist hat allerdings je den Stein der Weisen oder das Lebenselixier entdeckt.
Haarfärbung, Verbrennungsmotoren, Handy-Displays, [[Waschmittel]], [[Dünger]], [[Arzneimittel]] u.v.m. sind weitere Beispiele für Anwendungen der Chemie im alltäglichen Leben.


Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts basierte die Vorstellungswelt der Alchemisten in der Regel nicht auf wissenschaftlichen Untersuchungen, sondern auf Erfahrungstatsachen und empirischen Rezepten. Alchemisten führten eine große Auswahl Experimente mit vielen Substanzen durch, um ihre Ziele zu erreichen. Sie notierten ihre Entdeckungen und verwendeten für ihre Aufzeichnungen die gleichen [[Symbol]]e, wie sie auch in der [[Astrologie]] üblich waren. Die mysteriöse Art ihrer Tätigkeit und die dabei oftmals entstehenden farbigen [[Flamme]]n, [[Rauch]] oder [[Explosion]]en führten dazu, dass sie als [[Zauberer|Magier]] und [[Hexe]]r bekannt und teilweise verfolgt wurden. Für ihre Experimente entwickelten die Alchemisten manche [[Apparat (Verfahrenstechnik)|Apparaturen]], die auch heute noch in der [[Chemieingenieurwesen|chemischen Verfahrenstechnik]] verwendet werden.
Im Alltag wird der Begriff 'Chemie' oft in einem eingeschränkten Sinn als Abkürzung für 'Produkt der chemischen Industrie' verwendet, zum Beispiel bei der 'Chemischen Reinigung': Diese reinigt [[Textilie]]n mit (synthetischen) [[Lösungsmittel]]n. Der Reinigungsvorgang selbst ist in der Regel ein Lösen der Verunreinigung (beispielsweise eines Fettflecks) im Lösungsmittel und damit kein chemischer Prozess (Stoffumwandlung) im eigentlichen Sinne, sondern ein physikalischer Vorgang (Lösen)! Im Gegensatz dazu ist das manchmal als 'Putzen ohne Chemie' gepriesene Auflösen von [[Calciumcarbonat|Kalkflecken]] mit [[Essig]] oder [[Zitronensaft]] sehr wohl ein chemischer Vorgang, da dabei festes [[Calciumcarbonat]] (Kalk) durch die [[Säure]]n zu löslichem [[Hydrogencarbonat]] bzw. [[Kohlenstoffdioxid]] umgesetzt wird.


[[Datei:AlbertusMagnus.jpg|mini|Albertus Magnus; Fresko (1352), Treviso, Italien]]
== Chemie als Schulfach ==
Ein bekannter Alchemist war [[Albertus Magnus]]. Er befasste sich als [[Kleriker]] mit diesem Themenkomplex und fand bei seinen Experimenten ein neues [[chemisches Element]], das [[Arsen]]. Erst mit den Arbeiten von [[Paracelsus]] und [[Robert Boyle]] (''The Sceptical Chymist'', 1661) wandelte sich die Alchemie von einer rein [[Aristotelismus|aristotelisch]] geprägten zu einer mehr empirischen und experimentellen Wissenschaft, die zur Basis der modernen Chemie wurde.
''Hauptartikel:'' [[Chemie für die Schule]]


[[Datei:Chemielabor des 18. Jahrhunderts, Naturhistorisches Museum Wien.jpg|mini|Chemielabor des 18. Jahrhunderts]]
Es ist Aufgabe des [[Chemieunterricht]]s, einen Einblick in stoffliche Zusammensetzung und in Vorgänge der Natur zu geben. Stoffumwandlungen in der belebten und unbelebten Natur beruhen ebenfalls auf chemischen Reaktionen und sollten als solche erkannt werden können. Ebenso sollte aus der Vermittlung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse Verständnis für die moderne Technik und eine positive Einstellung dazu aufgebaut werden, da doch gerade die Chemie durch Einführung neuer Produkte einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen des Menschen geleistet hat. Nicht zuletzt dient der Chemieunterricht auch dazu, die Schüler zu mündigen Verbrauchern zu erziehen.
Die [[Chemie in der Neuzeit]] erhielt als [[Wissenschaft]] entscheidende Impulse im 18. und 19. Jahrhundert: Sie wurde auf die Basis von Messvorgängen und [[Experiment]]en gestellt, v.&nbsp;a. durch Gebrauch der [[Waage]], sowie auf die Beweisbarkeit von [[Hypothese]]n und Theorien über Stoffe und Stoffumwandlungen.


Die Arbeiten von [[Justus von Liebig]] über die Wirkungsweise von [[Dünger]] begründeten die [[Agrochemie|Agrarchemie]] und lieferten wichtige Erkenntnisse über die [[anorganische Chemie]]. Die Suche nach einem synthetischen Ersatz für den [[Farbstoff]] [[Indigo]] zum Färben von [[Textilie]]n waren der Auslöser für die bahnbrechenden Entwicklungen der [[Organische Chemie|organischen Chemie]] und der [[Pharmazie]]. In beiden Gebieten hatte Deutschland bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine absolute Vorrangstellung. Dieser Wissensvorsprung ermöglichte es beispielsweise, den zur Führung des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] notwendigen [[Sprengstoff]] statt aus importierten [[Nitrate]]n mithilfe der [[Katalyse]] aus dem [[Stickstoff]] der [[Luft]] zu gewinnen (siehe [[Haber-Bosch-Verfahren]]).
== Ansehen der Chemie ==
[[Bild:Oppau1921.jpg|thumb|left|Luftbild der Explosion in [[Ludwigshafen-Oppau]], 1921]]
Die Chemie hat in der Öffentlichkeit - auch aufgrund von [[Chemiekatastrophe]]n und [[Umweltskandal]]en - ein relativ schlechtes Ansehen. Viele Fachleute empfinden dies angesichts des Nutzens und der allgemeinen Bedeutung der Chemie als nicht gerechtfertigt, weil in [[Europa]] unter anderem aufgrund der strikten Gesetzgebung ([[Chemikaliengesetz]], [[Gefahrstoffverordnung]]) eine weitgehend sichere Handhabung von [[Chemikalie]]n gewährleistet ist.
Um das Image der Chemie zu verbessern wurde das Jahr [[2003]] von verschiedenen Trägerorganisationen zum "Jahr der Chemie" ([http://www.jahr-der-chemie.de Netseite]) erklärt.
hallo der lügt


Die [[Autarkie]]&shy;bestrebungen der Nationalsozialisten gaben der Chemie als Wissenschaft weitere Impulse. Um von den Importen von [[Erdöl]] unabhängig zu werden, wurden Verfahren zur Verflüssigung von [[Steinkohle]] weiterentwickelt ([[Fischer-Tropsch-Synthese]]). Ein weiteres Beispiel war die Entwicklung von synthetischem [[Kautschuk]] für die Herstellung von Fahrzeug[[reifen]].
== Geschichte ==
[[Bild:Flamel-figures.png|thumb|220px|Die „alchemistischen Figuren“ des Nikolaus Flame]]
''Hauptartikel:'' [[Geschichte der Chemie]], [[Chronologie der chemischen Entdeckungen]]


In der heutigen Zeit ist die Chemie ein wichtiger Bestandteil der Lebens[[kultur]] geworden. Chemische Produkte umgeben uns überall, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Allerdings haben [[Unfall|Unfälle]] der chemischen Groß[[industrie]] wie beispielsweise die von [[Sevesounglück|Seveso]] und [[Bhopalunglück|Bhopal]] der Chemie ein sehr negatives [[Image]] verschafft, so dass [[Slogan]]s wie „Weg von der Chemie!“ sehr populär werden konnten.
Die [[Chemie in der Antike]] bestand im angesammelten praktischen Wissen über Stoffumwandlungsprozesse und den naturphilosophischen Anschauungen der Antike. Die [[Chemie im Mittelalter]] entwickelte sich aus der [[Alchemie]], die in China, Europa und Indien schon seit Jahrtausenden praktiziert wurde.


Die [[Forschung]] entwickelte sich um die Wende zum 20. Jahrhundert so weit, dass vertiefende Studien des Atombaus nicht mehr zum Bereich der Chemie gehörten, sondern zur [[Atomphysik]] bzw. [[Kernphysik]]. Diese Forschungen lieferten dennoch wichtige Erkenntnisse über das Wesen der chemischen Stoffwandlung und der chemischen Bindung. Weitere wichtige Impulse gingen dabei auch von Entdeckungen in der [[Quantenmechanik|Quantenphysik]] aus ([[Atomorbital|Elektronen-Orbitalmodell]]).
Alchemie war die Untersuchung von [[Materie]], wobei die Vorstellungswelt der Alchemisten nicht auf wissenschaftlichen Untersuchungen basierte, sondern auf Erfahrungstatsachen und empirischen Rezepten. Das Ziel ihrer Untersuchungen war eine Substanz mit dem Namen [[Stein der Weisen]], die Stoffe wie Blei in Gold verwandeln sollte. Alchemisten führten eine große Auswahl Experimente mit vielen Substanzen durch, um diesen Stoff zu finden. Sie notierten ihre Entdeckungen und verwendeten für ihre Aufzeichnungen die gleichen [[Symbole]], wie sie auch in der [[Astrologie]] üblich waren. Die mysteriöse Art ihrer Tätigkeit und die dabei fabrizierten farbigen [[Flamme]]n, [[Rauch]] oder [[Explosion]]en führten dazu, dass sie als [[Zauberer|Magier]] und [[Hexe]]r bekannt und teilweise verfolgt wurden. Für ihre Experimente entwickelten die Alchemisten die gleichen [[Apparat]]uren, wie sie heute noch in der [[Chemische Verfahrenstechnik|chemischen Verfahrenstechnik]] verwendet werden.


== Allgemeines ==
[[Bild:AlbertusMagnus.jpg|thumb|left|Albertus Magnus; Fresko (1352), Treviso, Italien]]
[[Datei:Brom amp.jpg|mini|hochkant|[[Brom]] mit Dampf]]
[[Datei:Verbrennung eines Zuckerwürfels.png|mini|''links:'' Teilweise karamellisierter [[Würfelzucker]], ''rechts:'' Verbrennung eines Zuckerwürfels mit [[Asche]] als Katalysator]]
Die Chemie befasst sich mit den Eigenschaften der Elemente und Verbindungen, mit den möglichen Umwandlungen eines Stoffes in einen anderen, macht Vorhersagen über die Eigenschaften für bislang unbekannte Verbindungen, liefert Methoden zur Synthese neuer Verbindungen und Messmethoden, um die chemische Zusammensetzung unbekannter Proben zu entschlüsseln.


Obwohl alle Stoffe aus vergleichsweise wenigen „Bausteinsorten“, nämlich aus etwa 80 bis 100 der 118 bekannten [[Chemisches Element|Elemente]] aufgebaut sind, führen die unterschiedlichen Kombinationen und Anordnungen der Elemente zu einigen Millionen sehr unterschiedlichen Verbindungen, die wiederum so unterschiedliche Materieformen wie Wasser, Sand, Pflanzen- und Tiergewebe oder Kunststoff aufbauen. Die Art der Zusammensetzung bestimmt schließlich die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Stoffe und macht damit die Chemie zu einer umfangreichen Wissenschaft. Neben den Schulkenntnissen können besonders Interessierte und Studenten der Chemie ihre Kenntnisse durch die [[chemische Literatur]] vertiefen.
Ein bekannter Alchimist war [[Albertus Magnus]]. Er befasste sich als [[Kleriker]] mit diesem Themenkomplex und fand bei seinen Experimenten ein neues [[chemisches Element]], das [[Arsen]]. Kein Alchimist hat allerdings je den Stein der Weisen entdeckt und im [[17. Jahrhundert]] wurde die alchemistische Arbeitsweise durch [[wissenschaft]]liche Methodik ersetzt. Einiges vom Wissen der Alchemisten wurde von den ersten Chemikern verwendet, die ihre Arbeit auf logische Schlussfolgerungen ihrer Beobachtungen gründeten und nicht auf der Idee, beispielsweise [[Blei]] in [[Gold]] zu verwandeln.


Fortschritte in den verschiedenen Teilgebieten der Chemie sind oftmals die unabdingbare Voraussetzung für neue Erkenntnisse in anderen Disziplinen, besonders in den Bereichen [[Biologie]] und [[Medizin]], aber auch im Bereich der [[Physik]] und der [[Ingenieurwissenschaft]]en. Außerdem erlauben sie es häufig, die Produktionskosten für viele Industrieprodukte zu senken. Beispielsweise führen verbesserte [[Katalysator]]en zu schnelleren Reaktionen und dadurch zur Einsparung von Zeit und Energie in der Industrie. Neu entdeckte Reaktionen oder Substanzen können alte ersetzen und somit ebenfalls von Interesse in der Wissenschaft und Industrie sein.
[[Bild:Liebig_small.jpg|thumb|right|150px|Justus von Liebig]]


* Für die Medizin ist die Chemie bei der Suche nach neuen Medikamenten und bei der Herstellung von [[Arzneimittel]]n unentbehrlich.
Die [[Chemie in der Neuzeit]] erhielt als [[Wissenschaft]] entscheidende Impulse im 18. und 19. Jahrhundert: Sie wurde auf die Basis von Messvorgängen und [[Experiment]]en gestellt - den Gebrauch der [[Waage]] sowie die Beweisbarkeit von [[Hypothese]]n und Theorien über Stoffe und Stoffumwandlungen.
* Die Ingenieurwissenschaften suchen häufig, je nach Anwendung, nach maßgeschneiderten Materialien (leichte Materialien für den Flugzeugbau, beständige und belastbare Baustoffe, hochreine [[Halbleiter]]…). Deren Synthese ist eine der Aufgaben der Chemie.
Die Arbeiten von [[Justus von Liebig]] über die Wirkungsweise von [[Dünger]] begründeten die [[Agrarchemie]] und lieferten wichtige Erkenntnisse über die [[anorganische Chemie]]. Die Suche nach einem synthetischen Ersatz für den [[Farbstoff]] [[Indigo]] zum Färben von [[Textil]]ien waren der Auslöser für die bahnbrechenden Entwicklungen der [[Organische Chemie|organischen Chemie]] und der [[Pharmazie]]. Auf beiden Gebieten hatte man in [[Deutschland]] bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine absolute Vorrangstellung. Dieser Wissensvorsprung ermöglichte es beispielsweise, den zur Führung des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] notwendigen [[Sprengstoff]] statt aus importierten [[Nitrat]]en mit Hilfe der [[Katalyse]] aus dem [[Stickstoff]] der [[Luft]] zu gewinnen (siehe [[Haber-Bosch-Verfahren]]).
* In der Physik werden zum Beispiel zur Durchführung von Experimenten oft hochreine Stoffe benötigt, deren Herstellung spezielle Synthesemethoden erfordern.


== Wirtschaftliche Bedeutung der Chemie ==
Die [[Autarkie]]bestrebungen der [[Nationalsozialisten]] gaben der Chemie als Wissenschaft weitere Impulse. Um von den Importen von [[Erdöl]] unabhängig zu werden, wurden Verfahren zur Verflüssigung von [[Steinkohle]] entwickelt ([[Fischer-Tropsch-Synthese]]). Ein weiteres Beispiel war die Entwicklung von synthetischem [[Kautschuk]] für die Herstellung von [[Radreifen|Fahrzeugreifen]].
[[Datei:BASF Hochhaus.jpg|mini|Hochhaus des Chemiekonzerns [[BASF]]]]
Die [[chemische Industrie]] ist – gerade auch in Deutschland – ein sehr bedeutender [[Wirtschaftszweig]]: In Deutschland lag der [[Erlös|Umsatz]] der 20 umsatzstärksten deutschen Chemieunternehmen 2017 bei über 250 Milliarden Euro,<ref name=":0">{{Internetquelle |url=https://www.vci.de/die-branche/zahlen-berichte/die-umsatzstaerksten-deutschen-chemieunternehmen.jsp |titel=Die umsatzstärksten deutschen Chemieunternehmen - Verband der Chemischen Industrie e.&nbsp;V. (VCI) |sprache= |abruf=2018-11-08}}</ref> die Zahl der Beschäftigten lag nach der Wiedervereinigung Deutschlands bei über 700.000 und ist Stand 2017 auf über 900.000 angewachsen.<ref name=":0" /> Sie stellt einerseits [[Grundchemikalie]]n wie beispielsweise [[Schwefelsäure]] oder [[Ammoniak]] her, oft in Mengen von Millionen von Tonnen jährlich, die sie dann zum Beispiel zur Produktion von [[Dünger|Düngemitteln]] und [[Kunststoff]]en verwendet. Andererseits produziert die chemische Industrie viele komplexe Stoffe, unter anderem pharmazeutische Wirkstoffe ([[Arzneistoff]]e) und [[Pflanzenschutzmittel]] ([[Pestizid]]e), maßgeschneidert für spezielle Anwendungen. Auch die Herstellung von [[Computer]]n, [[Kraftstoff|Kraft-]] und [[Schmierstoff]]en für die [[Automobil]]&shy;industrie und vielen anderen technischen Produkten ist ohne industriell hergestellte Chemikalien unmöglich.

== Ausbildung ==
=== Schulunterricht ===
{{Hauptartikel|Chemieunterricht|Chemiedidaktik}}
[[Datei:ChemieunterrichtRSMaidhof1926unbII.jpg|mini|alt=Schwarz-Weiß-Foto von fünf Personen in Labormänteln, die um zwei Tische stehen, auf denen gefüllte Reagenzglas-Halter und Bunsen-Brenner stehen. Sie halten mit Haltezangen die Reagenzgläser und Schmelztiegel in die Flammen. Im Hintergrund ist eine Tafel mit Ergebnissen zu sehen.|Chemieunterricht an der [[Wirtschaftliche Frauenschule|Wirtschaftlichen Frauenschule]] in Maidhof 1926]]
Es ist Aufgabe des Chemieunterrichts, einen Einblick in stoffliche Zusammensetzung, [[Stoffgruppe]]n und stoffliche Vorgänge der Natur zu geben. Stoffumwandlungen in der belebten und unbelebten Natur beruhen ebenfalls auf chemischen Reaktionen und sollten als solche erkannt werden können. Ebenso sollte aus der Vermittlung [[naturwissenschaft]]licher Erkenntnisse Verständnis für die moderne Technik und eine positive Einstellung dazu aufgebaut werden, da gerade die Chemie durch Einführung neuer Produkte einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen des Menschen geleistet hat. Nicht zuletzt dient der Chemieunterricht auch dazu, die Schüler zu mündigen Verbrauchern zu erziehen. Er wird aus diesem Grund nach Lehrplänen (Curricula) und pädagogischen Konzepten gestaltet (Chemiedidaktik).

=== Beruf ===
Es ist möglich, als [[Chemielaborant]] in Betrieb und Berufsschule im so genannten Dualen System ausgebildet zu werden. Ein weiterer Ausbildungsberuf für die Arbeit im Chemielabor ist der [[Chemisch-Technischer Assistent|Chemisch Technische Assistent]] (CTA). Der [[Chemikant]] (auch Chemie- und Pharmatechnologe oder früher Chemiefacharbeiter) ist ein Ausbildungsberuf für Mitarbeiter in der chemischen Industrie.

Viele Universitäten bieten einen [[Chemiestudium|Studiengang Chemie]] an. Ein Großteil der [[Chemiker]] schließt im Anschluss an das Studium eine [[Promotion (Doktor)|Promotion]] an.

== Ansehen ==
Die öffentliche Wahrnehmung der Chemie hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Herrschte in den Industriestaaten des 19. Jahrhunderts noch Begeisterung für die technologischen Möglichkeiten, die die moderne Chemie eröffnete, trübte sich dieses Bild unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs mit seinem umfangreichen Einsatz an Explosivstoffen und [[Chemische Waffe|chemischen Waffen]]. Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts fügten der [[Contergan-Skandal]], die [[Katastrophe von Bhopal]] und [[Umweltproblem]]e dem öffentlichen Bild von der Chemie weiteren Schaden zu. Teilweise ging die chemische Industrie mit [[Schmutzkampagne]]n gegen kritische Wissenschaftler vor, etwa gegen [[Rachel Carson]] nach Veröffentlichung ihres Buches ''[[Der stumme Frühling|Silent Spring]]'' 1962 oder gegen [[Frank Sherwood Rowland]] und [[Mario J. Molina]] nach Veröffentlichung ihrer Studie zum [[Ozonloch]] 1974.<ref>Matthew R. Hartings, Declan Fahy: ''Communicating chemistry for public engagement''. In: ''Nature Chemistry'', 2011, Band 3, S. 674–677. [[doi:10.1038/nchem.1094]]</ref>


Die öffentliche Wahrnehmung der Chemie ist im deutschsprachigen Raum tendenziell negativ geprägt. Die auf Laien abgehoben wirkende, teils unverständliche Formelsprache für [[chemische Verbindung]]en sowie [[Reaktionsgleichung]]en und die Berichterstattung mit Fokus auf [[Chemiekatastrophe]]n und [[Umweltproblem|Umweltskandalen]] hat womöglich zu einer negativen Konnotation geführt. Insbesondere in Europa ist heute unter anderem aufgrund der strikten Gesetzgebung ([[Chemikaliengesetz (Deutschland)|Chemikaliengesetz]], [[Gefahrstoffverordnung]]) eine weitgehend sichere Handhabung von [[Chemikalie]]n gewährleistet.<ref name="chfi">Guido Kickelbick: ''Chemie für Ingenieure.'' Pearson Deutschland 2008, ISBN 978-3-8273-7267-3, S.&nbsp;19.</ref> Um das Ansehen der Chemie zu verbessern, wurde das Jahr 2003 von verschiedenen Trägerorganisationen zum „[[Wissenschaftsjahr#Jahr der Chemie 2003|Jahr der Chemie]]“ erklärt. 2011 wurde von der UN (in Zusammenarbeit mit der [[UNESCO]] und der [[IUPAC]]) zum „Internationalen Jahr der Chemie“ erklärt.<ref>Deutsche UNESCO-Kommission e.&nbsp;V.: [https://www.unesco.de/bildung/bildungsbiografie/schulbildung/welttag-der-lehrerin-und-des-lehrers Internationales Jahr der Chemie 2011].</ref>
In der heutigen Zeit ist die Chemie ein wichtiger Bestandteil der [[Kultur|Lebenskultur]] geworden. Chemische Produkte umgeben uns überall, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Allerdings haben [[Unfall|Unfälle]] der chemischen [[Industrie|Großindustrie]] wie beispielsweise die von [[Seveso]] und [[Bhopal]] der Chemie ein sehr negatives [[Image]] verschafft, so dass [[Slogan]]s wie "Weg von der Chemie!" sehr populär werden konnten.


Irrationale Ablehnung von Chemie wird in jüngerer Vergangenheit unter dem Schlagwort [[Chemophobie]] diskutiert. Diese richtet sich allerdings in erster Linie gegen chemische Stoffe, weniger gegen die Chemie als Wissenschaft oder die forschenden Chemiker selbst. Für das Vereinigte Königreich war eine Untersuchung der [[Royal Society of Chemistry]] 2015 zu dem überraschenden Ergebnis gekommen, dass die Chemie in der Öffentlichkeit einen weitaus weniger schlechten Ruf genießt, als dies von Chemikern selbst gemeinhin angenommen wird.<ref name="RSC2021a">Royal Society of Chemistry: ''Public attitudes to chemistry''. Research report TNS BMBR, 2015. Online auf der [https://www.rsc.org/globalassets/04-campaigning-outreach/campaigning/public-attitudes-to-chemistry/public-attitudes-to-chemistry-research-report.pdf Website der RSC], abgerufen am 26. Juni 2021, S. 19–24.</ref> Wesentlich hierfür ist eine [[Assoziation (Psychologie)|assoziative]] Trennung zwischen Chemikern und der Chemie einerseits und chemischen Stoffen andererseits. Schädliche Auswirkungen der chemischen Industrie werden nicht den Chemikern zugeschrieben, sondern den Entscheidungsträgern in den Unternehmen. Während den Forschern eher noble Motive zugestanden und sie nur wenig mit den Endprodukten ihrer Arbeit in Verbindung gebracht werden, wird die [[Profit]]orientierung der Unternehmen, die potentiell schädlichen Entscheidungen zugrunde liegt, kritisch gesehen.<ref>Royal Society of Chemistry: ''Public attitudes to chemistry''. Research report TNS BMBR, 2015. Online auf der [https://www.rsc.org/globalassets/04-campaigning-outreach/campaigning/public-attitudes-to-chemistry/public-attitudes-to-chemistry-research-report.pdf Website der RSC], abgerufen am 26. Juni 2021, S. 54.</ref> Der Chemie als Wissenschaft standen die meisten Befragten neutral bis positiv, wenn auch distanziert gegenüber. 59 % gingen davon aus, dass der Nutzen der Chemie größer ist als mögliche schädliche Effekte, und 72 % erkannten die Bedeutung chemischer [[Forschung und Entwicklung]] zum [[Wirtschaftswachstum]] an.<ref name="RSC2021a" />
Die [[Forschung]] entwickelte sich um die Wende zum [[20. Jahrhundert]] soweit, dass vertiefende Studien des Atombaus nicht mehr zum Bereich der Chemie gehören, sondern zur [[Atomphysik]] bzw. [[Kernphysik]]. Diese Forschungen lieferten dennoch wichtige Erkenntnisse über das Wesen der chemischen Stoffwandlung und der chemischen Bindung. Weitere wichtige Impulse gingen dabei auch von Entdeckungen in der [[Quantenphysik]] aus ([[Orbitalmodell|Elektronen-Orbitalmodell]]).


== Berühmte Chemiker ==
== Berühmte Chemiker ==
[[Datei:Marie Curie (Nobel-Chem).jpg|mini|hochkant|[[Marie Curie]] ist eine von acht Frauen, die den Nobelpreis für Chemie erhalten haben]]
* [[Liste bedeutender Chemiker (chronologisch)|Bedeutende Chemiker (chronologisch)]] (nach Geburtsdatum geordnet)
* [[Liste bedeutender Chemiker (chronologisch)|Bedeutende Chemiker (chronologisch)]] (nach Geburtsdatum geordnet)
* [[Liste bedeutender Chemiker (alphabetisch)|Bedeutende Chemiker (alphabetisch)]]
* [[Liste bedeutender Chemiker (alphabetisch)|Bedeutende Chemiker (alphabetisch)]]
* [[Liste bedeutender Chemiker (Kategorien)|Bedeutende Chemiker (Kategorien)]] (nach den Fachgebieten geordnet, dort alphabetisch)
* [[Liste bedeutender Chemiker (Kategorien)|Bedeutende Chemiker (Kategorien)]] (nach den Fachgebieten geordnet, dort alphabetisch)
* [[Liste der Nobelpreisträger für Chemie]], [[Nobelpreisträger]]
* [[Liste der Nobelpreisträger für Chemie]]


== Fachrichtungen ==
== Fachrichtungen ==
{{Siehe auch|:Kategorie:Teilgebiet der Chemie}}
Die Chemie wird aus traditionellen Gründen in die organische und anorganische Chemie unterteilt, wobei etwa um 1890 auch noch die physikalische Chemie hinzukam.


Traditionell wird die Chemie in die ''organische'' und ''anorganische'' Chemie unterteilt, etwa um 1890 kam die ''physikalische'' Chemie hinzu.
Seit der Harnstoffsynthese 1828 von [[Friedrich Wöhler]], bei der die organische Substanz [[Harnstoff]] aus der anorganischen Verbindung [[Ammoniumcyanat]] hergestellt wurde, verwischen sich die Grenzen zwischen Stoffen aus der unbelebten (den "anorganischen" Stoffen) und der belebten Natur (den organischen Stoffen). So stellen Lebewesen auch eine Vielzahl anorganischer Stoffe her, während im Labor fast alle organischen Stoffe hergestellt werden können.


Seit der [[Harnstoffsynthese]] 1828 von [[Friedrich Wöhler]], bei der die organische Substanz [[Harnstoff]] aus der anorganischen Verbindung [[Ammoniumcyanat]] hergestellt wurde, verwischen sich die Grenzen zwischen Stoffen aus der unbelebten (den „anorganischen“ Stoffen) und der belebten Natur (den organischen Stoffen). So stellen Lebewesen auch eine Vielzahl anorganischer Stoffe her, während im Labor fast alle organischen Stoffe hergestellt werden können.
Die traditionelle, aber auch willkürliche Unterscheidung zwischen anorganischer und organischer Chemie wurde aber dennoch beibehalten. Ein Grund besteht darin, dass die organische Chemie stark vom [[Molekül]] bestimmt wird, die anorganische Chemie jedoch oft von [[Ion (Chemie)|Ionen]], [[Kristall]]en, [[Komplexverbindungen]] und [[Kolloid]]en. Ein weiterer ist, dass sich die Reaktionsmechanismen und Stoffstrukturen in der Anorganik und Organik vielfach unterscheiden.


Die traditionelle, aber auch willkürliche Unterscheidung zwischen anorganischer und organischer Chemie wurde aber dennoch beibehalten. Ein Grund besteht darin, dass die organische Chemie stark vom [[Molekül]] bestimmt wird, die anorganische Chemie jedoch oft von [[Ion]]en, [[Kristall]]en, [[Komplexchemie|Komplexverbindungen]] und [[Kolloid]]en. Ein weiterer ist, dass sich die Reaktionsmechanismen und Stoffstrukturen in der Anorganik und Organik vielfach unterscheiden.
Eine weitere Möglichkeit ist es, die Chemie nach der Zielrichtung in die untersuchende, 'zerlegende' Analytische Chemie und in die aufbauende, produktorientierte Präparative- oder Synthetische Chemie aufzuspalten. In der Lehrpraxis der [[Universität]]en ist die Analytische Chemie oft als Unterrichtsfach vertreten, während die Präparative Chemie im Rahmen der organischen oder anorganischen Chemie behandelt wird.


Eine weitere Möglichkeit ist es, die Chemie nach der Zielrichtung in die untersuchende, 'zerlegende' Analytische Chemie und in die aufbauende, produktorientierte Präparative- oder Synthetische Chemie aufzuspalten. In der Lehrpraxis der Universitäten ist die Analytische Chemie oft als Unterrichtsfach vertreten, während die Präparative Chemie im Rahmen der organischen oder anorganischen Chemie behandelt wird.
Es gibt natürlich noch weitere Fachgebiete, doch die hier geschilderten sollen einen groben Überblick verschaffen.


Es gibt noch weitere Fachgebiete (etwa die '''Forensische Chemie''' als Teilgebiet der angewandten Chemie<ref>Hochschule Fresenius: {{Webarchiv|url=https://www.hs-fresenius.de/chemie-biologie/schwerpunkt-forensische-chemie/ |wayback=20180506040001 |text=Angewandte Chemie (B.Sc.) – Schwerpunkt Forensik }}.</ref>).
Für die entsprechenden Hauptartikel siehe ''Chemie in der Wikipedia''.


=== Anorganische Chemie ===
=== Allgemeine Chemie ===
[[Datei:Periodic table (German).svg|mini|Periodensystem der Elemente]]
[[Bild:H3po4.jpg|left|thumb|Phosphorsäure]]
Hauptartikel: [[Anorganische Chemie]]
{{Hauptartikel|Allgemeine Chemie}}


Unter Allgemeiner Chemie werden die Grundlagen der Chemie verstanden, die in fast allen chemischen Teilgebieten von Bedeutung sind. Sie stellt somit das begriffliche Fundament der gesamten Chemie dar: den Aufbau des [[Atom]]s, das [[Periodensystem|Periodensystem der Elemente]] (PSE), die [[Chemische Bindung]], die Grundlagen der [[Stöchiometrie]], [[Säuren]], [[Basen (Chemie)|Basen]] und [[Salze]] und [[chemische Reaktion]]en.
Diese, auch Anorganik genannte Richtung, umfasst, einfach ausgedrückt, die Chemie aller Elemente und
Verbindungen, die nicht ausschliesslich Kohlenstoffketten enthalten, denn diese sind Gegenstände der organischen Chemie. Die anorganische Chemie beschäftigt sich beispielsweise mit [[Phosphorsäure]], [[Silizium]] und anderen kohlenstofffreien Verbindungen, aber auch mit [[Kohlendioxid]], den Säuren [[Cyanwasserstoff]] (Blausäure) und [[Kohlensäure]] sowie mit deren Salzen. Es gibt aber noch eine ganze Reihe von Verbindungen, beispielsweise [[Organometallchemie|Organometallverbindungen]], die sich nicht so eindeutig zuordnen lassen.


Im Gegensatz zu anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen gibt es in der Chemie den Terminus Technicus „Allgemeine Chemie“ (eine „Allgemeine Physik“ gibt es nicht). Insofern steht die Allgemeine Chemie am Anfang jeder näheren Beschäftigung mit der Chemie.
In der Anorganik geht es um kleine Moleküle oder überhaupt um Salze bzw. Metalle, daher reicht eine Summenformel meist aus. In wenigen Fällen, wo es dennoch Isomere gibt, werden verständlicherweise wie in der organischen Chemie systamatische Namen und Strukturformeln benötigt. Oft orientieren sich diese dabei sogar an denen von ähnlich aufgebauten Substanzen in der organischen Chemie (siehe beispielsweise [[Silane]]).


=== Anorganische Chemie ===
'''Historische Definition:''' Die Anorganische Chemie befasst sich mit den chemischen Elementen und Reaktionen der Stoffe, die nicht von organischem [[Leben]] (mit Hilfe der hypothetischen [[Lebenskraft]]) erzeugt werden.
[[Datei:Zeolite-ZSM-5-vdW.png|mini|alt=Eine Computergrafik aus grauen und roten Kugeln. Die Kugeln sind teilweise ineinander geschoben und bauen so eine räumliche Struktur auf. Graue Kugeln sind paarweise durch jeweils eine rote Kugel verbunden. In der Struktur sind fünf zylindrische Hohlräume, um die herum sich das Netzwerk der Kugeln legt. Die Hohlräume sind untereinander symmetrisch angeordnet und ihr Durchmesser ist in etwa genau so breit wie der Abstand zwischen zwei Hohlräumen.|[[Zeolithe (Stoffgruppe)|Zeolithe]] (mikroporöse Stoffe)]]
{{Hauptartikel|Anorganische Chemie}}


Diese auch Anorganik genannte Richtung umfasst, einfach ausgedrückt, die Chemie aller Elemente und Verbindungen, die nicht ausschließlich Kohlenstoffketten enthalten, denn diese sind Gegenstände der organischen Chemie. Die anorganische Chemie beschäftigt sich beispielsweise mit den [[Mineralsäuren]], [[Metalle]]n, und anderen kohlenstofffreien Verbindungen, aber auch mit [[Kohlenstoffdioxid|Kohlendioxid]], den Säuren [[Cyanwasserstoff]] (Blausäure) und [[Kohlensäure]] sowie mit deren Salzen. Verbindungen, die sich nicht genau einteilen lassen fallen in den Bereich der [[Organometallchemie]]. Die [[Bioanorganische Chemie]] überschneidet sich hingegen thematisch mehr mit der Biochemie.
Siehe auch zur anorganischen Chemie:
* Chemie der [[Metall]]e
* Chemie der [[Nichtmetall]]e
* [[Komplexchemie]], einschließlich der [[Bioanorganische Chemie|Bioanorganischen Chemie]]
* [[Festkörperchemie]]
* [[Kristallographie]]
* [[Strukturchemie]]
* [[Metallorganische Chemie]] (steht zwischen Anorganischer und Organischer Chemie)
* [[Kolloidchemie]]
* [[Atmosphärenchemie]]


In der klassischen Anorganik geht es um kleine Moleküle oder überhaupt um Salze bzw. Metalle, daher reicht eine Summenformel meist aus. In der [[Komplexchemie]], wo es dennoch Isomere gibt, werden verständlicherweise wie in der organischen Chemie systematische Namen und Strukturformeln benötigt. Oft orientieren sich diese dabei sogar an denen von ähnlich aufgebauten Substanzen in der organischen Chemie (siehe beispielsweise [[Silane]]). Die moderne anorganische Chemie befasst sich damit der Strukturbildung ([[Strukturchemie]]) von Molekülen und Festkörpern ([[Festkörperchemie]]), um zum Beispiel neue Werkstoffe mit speziellen physikalischen und chemischen zu erschaffen oder dem komplexen Verhalten von Teilchen in Lösungen ([[Kolloidchemie]]).
=== Organische Chemie ===
[[Bild:Kohlenwasserstoffe.png|thumb|140px|Kalottenmodelle einiger Kohlenwasserstoffe.]]
Hauptartikel: [[Organische Chemie]]


''Historische Definition:'' Die Anorganische Chemie befasst sich mit den chemischen Elementen und Reaktionen der Stoffe, die nicht von organischem [[Leben]] (mithilfe der hypothetischen [[Lebenskraft]]) erzeugt werden.
Die auch Organik genannte organische Chemie ist eigentlich die Chemie eines einzigen Elementes, des [[Kohlenstoff]]s. Durch dessen Fähigkeit, lange Ketten zu bilden, sowie durch die drei verschiedenen Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungsmöglichkeiten ([[Alkane | Einfach-]], [[Alkene | Doppel-]] und [[Alkine | Dreifachbindung]]). Durch diese enorme Vielfalt an Ketten, Ringen und anderen Verbindungen enthält schon alleine die Chemie der [[Kohlenwasserstoffe]] eine gewaltige Zahl an unterschiedlichen Substanzen, die sich oft nur an einer einzigen Doppelbindung oder überhaupt nur an der Struktur unterscheiden. Hinzu kommt noch, dass häufig auch Fremdatome im Kohlenwasserstoffgerüst eingebaut sind. Um diese Unzahl an Verbindungen einwandfrei zu identifizieren, genügen keine Summenformeln mehr, was sich mit einem Beispiel leicht demonstrieren lässt:


=== Organische Chemie ===
C<sub>2</sub>H<sub>6</sub>O kann bedeuten:
[[Datei:Kohlenwasserstoffe.png|mini|140px|Kalottenmodelle einiger Kohlenwasserstoffe]]
{{Hauptartikel|Organische Chemie}}
Die organische Chemie (auch Organik) ist die Chemie des Elementes [[Kohlenstoff]] und nur wenigen anderen Elementen, besitzt dennoch die größte Vielfalt an chemischen Verbindungen. Durch die Vielzahl an Strukturelementen enthält schon alleine die Chemie der [[Kohlenwasserstoffe]] eine gewaltige Zahl an unterschiedlichen Substanzen, die sich nur in unterschiedlichen Bindungsarten, Anordnungen ([[Isomerie]]) oder überhaupt nur an der Struktur ([[Stereochemie]]) unterscheiden. Hinzu kommt noch, dass häufig auch Fremdatome im Kohlenwasserstoffgerüst eingebaut sind. Um diese Unzahl an Verbindungen einwandfrei zu identifizieren, genügen keine Summenformeln mehr. Aus diesem Grund gibt es die [[International Union of Pure and Applied Chemistry|IUPAC]]-[[Nomenklatur (Chemie)|Nomenklatur]], die jeder Substanz (auch jeder anorganischen) einen eindeutigen, systematischen Namen zuweisen, obwohl gerade bei organischen Stoffen oft Trivialnamen (gewohnte Bezeichnungen; z.&nbsp;B.: Essigsäure) vorhanden sind. Die organische Chemie teilt daher ihre Verbindungen in [[funktionelle Gruppen]] mit ähnlichen chemischen Eigenschaften ein und wird anhand von vergleichbaren [[Reaktionsmechanismus|Reaktionsmechanismen]] gelehrt.


''Historische Definition'': Früher wurde gedacht, dass organische Substanzen, wie schon das Wort „organisch“ sagt, nur von Lebewesen hergestellt werden können. Dies wurde einer so genannten „vis vitalis“, also einer „Lebenskraft“ zugeschrieben, die in diesen Substanzen verborgen sei. Diese Theorie war lange Zeit unangefochten, bis es [[Friedrich Wöhler]] 1828 gelang, erstmals eine anorganische Substanz im Labor in eine organische umzuwandeln. Wöhlers berühmte [[Harnstoff#Geschichte|Harnstoffsynthese]] aus [[Ammoniumcyanat]] durch Erhitzen auf 60&nbsp;°C.
[[Ethanol]] ("Alkohol"): [[bild:Ethanol.png]]


Die Strukturaufklärung und Synthese von natürlichen Stoffen ist Bestandteil der [[Naturstoffchemie]]. Heutzutage ist der Erdölverarbeitende Sektor ([[Petrochemie]]) wirtschaftlich von Bedeutung, da er Ausgangsstoffe für zahlreiche großtechnische Synthese liefert.
[[Dimethylether]]: CH<sub>3</sub>-O-CH<sub>3</sub> ''(falls möglich durch passende Strukturformel (am besten wie oben) ersetzen)''


=== Physikalische Chemie ===
Wie jeder durch bloßes Abzählen feststellen kann, stimmt die Summenformel für beide Substanzen, die allerdings sehr unterschiedlich sind, wovon man sich bei den entsprechenden Hauptartikeln überzeugen kann. Es sind insgesamt nur 7 Atome vorhanden, doch trotzdem ist eine Summenformel allein keine ausreichende Kennzeichnung mehr. Nun muss man sich nur noch zusätzliche Atome vorstellen, und das Chaos ist perfekt.
[[Datei:Walther Nernst.jpg|mini|hochkant|[[Walther Nernst]]]]
{{Hauptartikel|Physikalische Chemie}}
Bei der physikalischen Chemie handelt es sich um den Grenzbereich zwischen [[Physik]] und Chemie. Während in der präparativen Chemie (Organik, Anorganik) die Fragestellung zum Beispiel ist: „Wie kann ich einen Stoff erzeugen?“, beantwortet die physikalische Chemie stärker quantitative Fragen, zum Beispiel „Unter welchen Bedingungen findet eine Reaktion statt?“ ([[Thermodynamik]]), „Wie schnell ist die Reaktion?“ ([[Kinetik (Chemie)|Kinetik]]). Sie liefert auch die Grundlage für analytische Verfahren ([[Spektroskopie]]) oder technische Anwendungen ([[Elektrochemie]], [[Magnetochemie]] und [[Nanochemie]]). In Überschneidung mit der Meteorologie auch [[Atmosphärenchemie]].


Die an Bedeutung gewinnende theoretische Chemie, Quantenchemie oder Molekularphysik versucht, Eigenschaften von Stoffen, chemischer Reaktionen und [[Reaktionsmechanismus|Reaktionsmechanismen]] anhand von physikalischen Modellen, wie zum Beispiel der [[Quantenmechanik]] oder [[Quantenelektrodynamik]] und numerischen Berechnungen zu ergründen.
Aus diesem Grund gibt es die [[IUPAC]]-[[Nomenklatur (Chemie) | Nomenklatur]], die jeder Substanz (auch jeder anorganischen) einen eindeutigen, systematischen Namen zuweisen, obwohl gerade bei organischen Stoffen oft Trivialnamen (gewohnte Bezeichnungen; z.B.: Essigsäure) vorhanden sind. Nach diesen Regeln wird die erste Substanz Ethan(C<sub>2</sub>H<sub>6</sub>) + ol (Endung für [[Alkohole]], also -OH), also Ethanol, und die zweite Meth(Methyl (CH<sub>3</sub>-)) + oxy (-O-) + Methan, also Methoxymethan, genannt. [[bild:friedrich woehler.jpg|thumb|Friedrich Wöhler]]


Die Physikalische Chemie wurde um 1890 vor allem von [[Svante Arrhenius]], [[Jacobus Henricus van ’t Hoff]] und [[Wilhelm Ostwald]] begründet. Letzterer war auch erster Herausgeber der 1887 gemeinsam mit van ’t Hoff gegründeten [[Zeitschrift für Physikalische Chemie|Zeitschrift für physikalische Chemie]] und hatte in [[Universität Leipzig|Leipzig]] den ersten deutschen Lehrstuhl für Physikalische Chemie inne.
'''Historische Definition''': Früher dachte man, dass organische Substanzen, wie schon das Wort "organisch" sagt, nur von Lebewesen hergestellt werden könne. Man schrieb dies einer so genannten "vis vitalis", also einer "Lebenskraft" zu, die in diesen Substanzen verborgen sei. Diese Theorie war lange Zeit unangefochten, bis es [[Friedrich Wöhler]] [[1828]] gelang, erstmals eine anorganische Substanz im Labor in eine organische umzuwandeln. Wöhlers berühmte [[Harnstoffsynthese]] aus [[Ammoniumcyanat]] durch Erhitzen auf 60°:


Das erste eigenständige Institut für Physikalische Chemie wurde 1895 von [[Walther Nernst]], der sich bei Ostwald habilitiert hatte, in [[Georg-August-Universität Göttingen|Göttingen]] gegründet. Weitere spezifisch der Physikalischen Chemie gewidmete Institute folgten dann in rascher Folge in Leipzig (1897), [[Technische Universität Dresden|Dresden]] (1900), [[Karlsruher Institut für Technologie|Karlsruhe]] (1903), Breslau, [[Humboldt-Universität zu Berlin|Berlin]] (1905) und andernorts.
[[Bild:Ammonium.PNG]]OCN<sup>-</sup>&nbsp;&nbsp; <math> \rightarrow </math> &nbsp;&nbsp;[[Bild:Harnstoff.png|80px]]


[[Chemiker]] und [[Physiker]], die vorwiegend im Bereich der Physikalischen Chemie tätig sind, werden auch als Physikochemiker bezeichnet.
Siehe auch zur organischen Chemie:
* [[Namensreaktionen]]
* [[Nomenklatur (Chemie)|Nomenklatur]]
* [[Kunststoffchemie]]
* [[Naturstoffchemie]]
* [[Petrochemie]]
* [[Stereochemie]]


=== Physikalische Chemie ===
=== Biochemie ===
{{Hauptartikel|Biochemie}}
[[bild:Walther Nernst.jpg|thumb|Walther Nernst]]
Die Biochemie ist die Grenzdisziplin zur [[Biologie]] und befasst sich mit der Aufklärung von [[Stoffwechsel]]-Vorgängen, Vererbungslehre auf molekularer Ebene ([[Genetik]]) und der Strukturaufklärung und der Synthese ([[Molekulardesign]]) von großen Biomolekülen. Die Anwendung der Biochemie im technischen Bereich wird als [[Biotechnologie]] bezeichnet. Sie überschneidet sich mit den angrenzenden Disziplinen [[Pharmazeutische Chemie]] und [[Medizinische Chemie]].
Hauptartikel: [[Physikalische Chemie]]


=== Theoretische Chemie ===
Bei der physikalischen Chemie handelt es sich um den Grenzbereich zwischen [[Physik]] und Chemie. Während in der [[Präperative Chemie|präparativen Chemie]] (Organik, Anorganik) die Fragestellung z. B. ist: "Wie kann ich einen Stoff erzeugen", beantwortet die physikalische Chemie stärker quantitative Fragen, z. B. "Unter welchen Bedingungen findet eine Reaktion statt?" (Thermodynamik), oder "Wie schnell ist die Reaktion" (Kinetik). Die an Bedeutung gewinnende theoretische Chemie, Quantenchemie oder Molekularphysik versucht, Eigenschaften von Stoffen, chemischer Reaktionen und [[Reaktionsmechanismus|Reaktionsmechanismen]] anhand von physikalischen Modellen, wie z. B. der [[Quantentheorie]] oder [[Quantenelektrodynamik]] und numerischen Berechnungen zu ergründen.
[[Datei:Linus Pauling 1962.jpg|mini|hochkant|[[Linus Carl Pauling|Linus Pauling]]]]
{{Hauptartikel|Theoretische Chemie}}


Theoretische Chemie ist die Anwendung nichtexperimenteller (üblicherweise mathematischer oder computersimulationstechnischer) Methoden zur Erklärung oder Vorhersage chemischer [[Phänomen]]e. Die Theoretische Chemie kann grob in zwei Richtungen unterteilt werden: Einige Methoden basieren auf Quantenmechanik ([[Quantenchemie]]), andere auf der statistischen Thermodynamik ([[Statistische Mechanik]]). Wichtige Beiträge zur theoretischen Chemie bzw. [[Physikalische Chemie|physikalischen Chemie]] leisteten [[Linus Carl Pauling]], [[John Anthony Pople]], [[Walter Kohn]] und [[John C. Slater]].
Die Physikalische Chemie wurde um [[1890]] vor allem von [[Svante Arrhenius]], [[Jacobus Henricus van 't Hoff]] und [[Wilhelm Ostwald]] begründet.
Letzterer war auch erster Herausgeber der [[1887]] gemeinsam mit van 't Hoff gegründeten ''Zeitschrift für physikalische Chemie'' und hatte in [[Universität Leipzig|Leipzig]] den ersten deutschen Lehrstuhl für Physikalische Chemie inne.
Das erste eigenständige Institut für Physikalische Chemie wurde [[1895]] von [[Walther Hermann Nernst|Walther Nernst]], der sich bei Ostwald habilitiert hatte, in [[Georg-August-Universität Göttingen|Göttingen]] gegründet.
Weitere spezifisch der Physikalischen Chemie gewidmete Institute folgten dann in rascher Folge in Leipzig ([[1897]]), [[Technische Universität Dresden|Dresden]] ([[1900]]),
[[Universität Karlsruhe (TH)|Karlsruhe]] ([[1903]]), Breslau, [[Humboldt-Universität Berlin|Berlin]] ([[1905]]) und andernorts.


=== Präparative Chemie ===
[[Chemiker]] und [[Physiker]], die vorwiegend im Bereich der Phyikalischen Chemie tätig sind, werden auch als Physikochemiker bezeichnet.
Dieses Teilgebiet der Chemie ist gewissermaßen das Gegenteil der [[Analytische Chemie|analytischen Chemie]] und befasst sich mit [[Synthese (Chemie)|Synthesen]] von [[Chemische Verbindung|chemischen Verbindungen]]. Die anderen Teilbereiche sind im Wesentlichen präparativ ausgerichtet, da es eine Hauptaufgabe der Chemie ist, Verbindungen entweder im kleinen Maßstab oder in großen Mengen, wie im Rahmen der [[Technische Chemie|technischen Chemie]], zu synthetisieren. Insofern ist die präparative Chemie ein wesentlicher Bestandteil der Chemikerausbildung. Sie spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle in sich mit der Chemie überschneidenden Gebieten, wie der [[Pharmazeutische Chemie|pharmazeutischen Chemie]] bzw. [[Pharmazeutische Technologie|pharmazeutischen Technologie]].


=== Analytische Chemie ===
Siehe auch zur physikalischen Chemie:
{{Hauptartikel|Analytische Chemie}}
* Chemische [[Sensorik]], z. B. Abgasanalyse mit der [[Lambda-Sonde]];
Die Analytische Chemie beschäftigt sich mit der [[Qualitative Analyse|qualitativen Analyse]] (''welche'' Stoffe sind enthalten?) und der [[Quantitative Analyse|quantitativen Analyse]] (''wie viel'' von der Substanz ist enthalten?) von Stoffen. Während die klassische analytische Chemie noch stark auf aufwendige [[Trennungsgang|Trennungsgänge]], um verschiedene Substanzen zu isolieren und [[Nachweisreaktionen]] im Reagenzglas aufbaute, so werden heutzutage diese Fragestellungen in der [[Instrumentelle Analytik|instrumentellen Analytik]] mit hohem apparativen Aufwand bearbeitet.
* [[Elektrochemie]] ([[Elektrolyse]], [[Batterie]]n, [[Akku]]s, [[Brennstoffzelle]]n, [[Galvanotechnik]]);
* [[Atmosphärenchemie]], z. B. [[Ozonloch]];
* [[Prozessanalytik]]: Beobachten und Regeln von Produktionsanlagen;
* [[Spektroskopie]], z. B. zum Entwickeln neuer analytischer Verfahren;
* [[Phasenlehre]]: [[LCD]]-[[Flachbildschirm]]e;
* [[Magnetochemie]]


Auch hier wird in [[Anorganische analytische Chemie]] und [[Organische analytische Chemie]] unterteilt. Hier haben sich zahlreiche Spezialgebiete herausgestellt, beispielsweise die [[klinische Chemie]] in Überschneidung mit der Medizin (vergleiche [[Laboratoriumsmedizin|Labormedizin]]) und [[Toxikologie]] (als '''toxikologische Chemie''')<ref>Vgl. E. Mannheim: ''Toxikologische Chemie.'' 3., verbesserte Auflage, hrsg. von Fr. X. Bernhard. Berlin (= ''[[Sammlung Göschen]].'' Band 465.</ref>) oder die [[Lebensmittelchemie]]. Für manche Verfahren in der [[Mikrochemie]] und [[Spurenanalytik]] werden nur noch kleinste Substanzmengen benötigt.
=== Biochemie ===
Hauptartikel: [[Biochemie]]


=== Technische Chemie ===
* [[Genetik]]
[[Datei:Fritz Haber.png|mini|hochkant|[[Fritz Haber]], 1918]]
* [[Biotechnologie]]
* [[Medizinische Chemie]]
{{Hauptartikel|Technische Chemie}}
Die Technische Chemie beschäftigt sich mit der Umsetzung von chemischen Reaktionen im Labormaßstab auf großmaßstäbliche Industrieproduktion. Chemische Reaktionen aus dem Labor lassen sich nicht ohne weiteres auf die großindustrielle Produktion übertragen. Die technische Chemie beschäftigt sich daher mit der Frage, wie aus einigen Gramm Produkt im Labor viele Tonnen desselben Produktes in einer Fabrik entstehen.
* [[Pharmazeutische Chemie]]


Etwas abstrakter ausgedrückt: Die technische Chemie sucht nach den optimalen Bedingungen für die Durchführung technisch relevanter Reaktionen; dies geschieht empirisch oder mehr und mehr durch eine mathematische Optimierung auf der Grundlage einer modellhaften Beschreibung des Reaktionsablaufs und des Reaktors.
=== Theoretische Chemie ===
[[bild:Pauling.jpg|thumb|Linus Pauling]]
Hauptartikel: [[Theoretische Chemie]]


: Vorbereitung → Reaktion → Aufbereitung
* [[Quantenmechanik]]
* [[Quantenchemie]]
* [[Thermodynamik]]
* [[Statistische Mechanik]]


Nahezu jede Produktion in der chemischen Industrie lässt sich in diese drei Schritte gliedern. Zunächst müssen dabei die [[Edukt]]e vorbereitet werden. Sie werden eventuell erhitzt, zerkleinert oder komprimiert. Im zweiten Schritt findet die eigentliche Reaktion statt. Im letzten Schritt wird schließlich das Reaktionsgemisch aufbereitet. Mit der Vorbereitung und der Aufbereitung beschäftigt sich die chemische Verfahrenstechnik. Mit der Reaktion im technischen Maßstab beschäftigt sich die [[Chemische Reaktionstechnik]].
=== Analytische Chemie ===
Hauptartikel: [[Analytische Chemie]]


=== Kosmochemie ===
* [[Qualitative Analyse]] mit [[Nachweisreaktionen]] und [[Kationentrenngang]]
{{Hauptartikel|Kosmochemie}}
* [[Quantitative Analyse]]
Die Kosmochemie befasst sich mit chemischen Vorgängen im [[Weltraum]]. Ihr Gegenstand sind chemische Substanzen und Reaktionen, die im interstellaren Raum, auf interstellaren Staubkörnern und auf [[Himmelskörper]]n wie z.&nbsp;B. [[Planet]]en, [[Komet]]en, [[Planetoid]]en und [[Satellit (Astronomie)|Monden]] ablaufen können.
* [[Anorganische analytische Chemie]]
* [[Organische analytische Chemie]]
* [[Lebensmittelchemie]]
* [[Mikrochemie]] und [[Spurenanalyse]]
* [[Klinische Chemie]] (vgl. [[Labormedizin]]) und [[Toxikologie]]
* [[Chemometrik]]
* [[Chromatographie|Chromatographische Analysenverfahren]]
* [[Spektroskopie|Spektroskopische Analysenverfahren]]


{{Navigationsleiste Teilbereiche der Chemie}}
=== Technische Chemie ===
Hauptartikel: [[Technische Chemie]]


== Organisationen ==
* [[Chemische Verfahrenstechnik]]
* [[Chemische Reaktionstechnik]]
* [[American Chemical Society]]
* [[Deutsche Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie]]
* [[Gesellschaft Deutscher Chemiker]]
* [[International Union of Pure and Applied Chemistry]] (IUPAC)
* [[Royal Society of Chemistry]]
* [[Société Chimique de France]]


== Quellen und weiterführende Informationen ==
=== Spezielle Chemie ===
* [[Bioanorganische Chemie]]
{{Portal|Chemie}}
* [[Geochemie]]
* [[Kosmochemie]]
* [[Lebensmittelchemie]]
* [[Metallorganische Chemie]] (oder [[Organometallchemie]])
* [[Umweltchemie]]
* [[Wasserchemie]]
* [[Geschichte der Chemie]]


== Literatur ==
== Literatur ==
=== Lexika ===
*Charles E. Mortimer: ''Chemie - Das Basiswissen der Chemie''. Thieme 2003, ISBN 3134843080
* [[Römpp Lexikon Chemie]]
* Eine Zusammenstellung von ausgewählten Beiträgen aus Spektrum der Wissenschaft: ''Digest: Moderne Chemie''. Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg, Juni 1995, {{ISSN|0945-9537}}

* Pedro Cintas: ''Der Weg zu chemischen Namen und Eponymen: Entdeckung, Priorität und Würdigung''. Angewandte Chemie 116(44), S. 6012 - 6018 (2004), {{ISSN|0044-8249}}
=== Sachbücher ===
* Joachim Kranz; Manfred Kuballa: ''Chemie im Alltag'', Berlin, 2003, ISBN 3-589-21692-1
* [[Gerhard Quinkert]]: ''Spuren der Chemie im Weltbild unserer Zeit.'' In: J. Mittelstraß, G. Stock (Hrsg.): ''Chemie und Geisteswissenschaften: Versuch einer Annäherung.'' Akademie Verlag, Berlin 1992.
* Michael Wächter: ''Stoffe, Teilchen, Reaktionen''. Verlag Handwerk und Technik, Hamburg 2000, ISBN 3-582-01235-2
* Charles E. Mortimer: ''Chemie – Das Basiswissen der Chemie''. Thieme, Stuttgart 2003, ISBN 3-13-484308-0.
* Joachim Kranz, Manfred Kuballa: ''Chemie im Alltag.'' Cornelsen Scriptor, Berlin 2003, ISBN 3-589-21692-1.
* Michael Wächter: ''Kleine Entdeckungsgeschichte(n) der Chemie im Kontext von Zeitgeschichte und Naturwissenschaften'', Verlag Königshausen und Neumann, Würzburg 2018, ISBN 978-3-8260-6510-1

=== Datensammlungen ===
* Karl-Heinz Lautenschläger, Wolfgang Weber: ''Taschenbuch der Chemie'', Verlag Europa-Lehrmittel Nourney, Vollmer GmbH & Co., Ausgabe 22., vollständig überarbeitete Auflage, 2018, ISBN 978-3-8085-5763-1
* Wächter, Michael: ''Tabellenbuch der Chemie. Daten zur Analytik, Laborpraxis und Theorie'', Wiley-VCH, Weinheim 2012, 1. Aufl., ISBN 978-3-527-32960-1
* Aylward, Gordon H., Findlay Tristan J. V.: ''Datensammlung Chemie in SI-Einheiten'', 3. erw. und neu bearb. Aufl., Verlag Chemie, Weinheim 1999, ISBN 978-3-527-29468-8

=== Allgemeinverständliche Chemie-Zeitschriften ===
* [[Chemie in unserer Zeit]] {{ISSN|0009-2851}}

=== Chemische Fachzeitschriften (Auswahl) ===
* Accounts of Chemical Research (engl.) {{ISSN|0001-4842}}
* [[Angewandte Chemie (Zeitschrift)|Angewandte Chemie]] {{ISSN|0044-8249}}
* Chemical Reviews (engl.) {{ISSN|0009-2665}}
* [[Journal of Chemical Education]] (engl.) {{ISSN|0021-9584}}
* [[Journal of the American Chemical Society]] (engl.) {{ISSN|0002-7863}}


== Weblinks ==
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{{Commons|Chemistry|Chemie}}
*[http://dc2.uni-bielefeld.de Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie]
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*[http://www.chemieonline.de Portal für Schüler und Studenten mit Forum, Jobbörse und Buchbesprechungen]
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*[http://www.chemikalien.de Portal mit Forum zur Chemie]
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*[http://www.lambdasyn.com Versuche und Synthesen für Chemiestudenten und Hobbyisten]
* {{DNB-Portal|/4009816-3}}
*[http://www.chemie-lk.de Chemie-Portal mit Forum für den Chemie-Leistungskurs]
* {{dmoz|World/Deutsch/Wissenschaft/Naturwissenschaften/Chemie}}
*[http://www.TOMCHEMIE.de Chemie-Portal mit Forum und einem Chemiechat, Tomchemie]
* [https://www.gsbl.de/ gsbl.de: ''Gemeinsamer Stoffdatenpool Bund/Länder'']
*[http://www.chemie.de Deutsches Chemie-Portal]
* [https://www.zdf.de/suche?q=chemie&synth=true&sender=Gesamtes+Angebot&from=&to=&attrs=&abName=ab-2021-11-22&abGroup=gruppe-d: ''zdf TerraX: Chemie - Die Bausteine der Natur. Eine Produktion der Gruppe 5 Filmproduktion, Köln. ZDF 2021'']
*[http://www.Netchemie.de Netchemie - Chemie für Schule Studium und Alltag: Lexika, Versuche, Software und Forum]
*[http://www.cci.ethz.ch/de/start.html Chemische Experimente auf dem WEB] - Ziel dieses Angebotes der [[Eidgenössische Technische Hochschule Zürich|ETHZ]] ist es, den Studierenden und Dozierenden auf [[Video]] aufgezeichnete [[Experiment]]e jederzeit bereitzustellen
*[http://www.experimentalchemie.de Experimentalchemie.de] - Chemische Experimente für Unterricht und zu Showzwecken
*[http://www.vs-c.de Vernetztes Studium Chemie] - ein online-Lehrbuch zur Chemie mit Animationen, Übungsaufgaben und Glossar.
----
{{Wiktionary|Chemie}}
{{Wikibooks|Regal Chemie|Chemie}}


== Einzelnachweise ==
[http://www.seilnacht.com/Lexikon/ULexikon.htm umweltlexikon (ozon, treibhauseffekt, solarenergie, abgase, gifte und arbeitsblätter)]
<references />


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Aktuelle Version vom 10. März 2025, 18:29 Uhr

Ein Foto von einer weißen Flamme, aus der Rauch aufsteigt und leicht bläuliche, ansonsten ebenfalls weiße Funken fliegen. Die Flamme steigt aus einem flachen Kegel aus Erde auf, ist etwa 30 Zentimeter hoch und beleuchtet das Gras rund um den Kegel.
Thermitreaktion

Chemie (bundesdeutsches Hochdeutsch: [çeˈmiː]; süddeutsch, Schweizerdeutsch, österreichisches Hochdeutsch: [keˈmiː]) ist diejenige Naturwissenschaft, die sich mit dem Aufbau, den Eigenschaften und der Umwandlung von Stoffen (Substanzen oder Materialien) beschäftigt. Ein Stoff besteht aus Atomen, Molekülen oder Ionen.

In einem mit Fliesen verkleideten Gasabzug steht eine Glasapparatur. Von rechts nach links:Ein von unten elektrisch beheizter Rundkolben, in dem eine klare Flüssigkeit siedet. Der Dampf der Flüssigkeit wird in einen kleineren Kolben mit einer roten Flüssigkeit geleitet. Von dort führt ein Glasrohr zuerst senkrecht hochsteigend und dann schräg abfallend in einen weiteren Kolben und taucht dort in eine blaue Flüssigkeit ein, die von den aufsteigenden Blasen aufgewühlt ist. Das Rohr ist mit einem zweiten Rohr ummantelt, das das entstehende Gas oben in einen senkrecht stehenden Kugelkühler leitet. Der Kühler ist an die Wasseranschlüsse im Gasabzug angeschlossen. Kondensierte Flüssigkeit tropft aus dem Kühler in ein offenes Becherglas. Eine Plastikpipette ist in das Becherglas gestellt. Im Vordergrund ist eine unbeschriftete Glasflasche mit einer klaren Flüssigkeit und ein Gummiball als Pipettierhilfe.
Versuchsapparatur im Gasabzug eines Chemielabors

Zentrale Begriffe der Chemie sind chemische Reaktionen und chemische Bindungen. Durch chemische Reaktionen werden chemische Bindungen gebildet oder gespalten. Dabei verändert sich die Elektronenaufenthaltswahrscheinlichkeit in den Elektronenhüllen der beteiligten Stoffe und damit deren Eigenschaften. Die Herstellung von Stoffen (Synthese) mit von der Menschheit benötigten Eigenschaften ist heute das zentrale Anliegen der Chemie.

Traditionell wird die Chemie in Teilgebiete unterteilt. Die wichtigsten davon sind die organische Chemie, die kohlenstoffhaltige Verbindungen untersucht, die anorganische Chemie, die alle Elemente des Periodensystems und deren Verbindungen behandelt, sowie die physikalische Chemie, die sich mit den grundlegenden Phänomenen, die der Chemie zu Grunde liegen, beschäftigt.

Die Chemie in ihrer heutigen Form als exakte Naturwissenschaft entstand im 17. und 18. Jahrhundert allmählich aus der Anwendung rationalen Schlussfolgerns, basierend auf Beobachtungen und Experimenten der Alchemie. Einige der ersten bedeutenden Chemiker waren Robert Boyle, Humphry Davy, Jöns Jakob Berzelius, Joseph Louis Gay-Lussac, Joseph Louis Proust, Marie und Antoine Lavoisier und im 19. Jahrhundert Justus von Liebig.

Die chemische Industrie zählt zu den wichtigsten Industriezweigen. Sie stellt Stoffe her, die zur Herstellung von Alltagsgegenständen (z. B. Grundchemikalien, Kunststoffe, Lacke), Lebensmitteln (auch als Hilfsmittel dazu wie Düngemittel und Pestizide) oder zur Verbesserung der Gesundheit (z. B. Pharmazeutika) benötigt werden.

Wortherkunft

Gravur von Pieter Brueghel dem Älteren: Der Alchemist

Die Bezeichnung Chemie entstand aus dem von χέω, „gießen“,[1] abgeleiteten altgriechischen Wort χύμεία chymeía bzw. χημεία chēmeía[2] „[Kunst der Metall-]Gießerei“ im Sinne von „Umwandlung“. Die heutige Schreibweise Chemie wurde vermutlich erstmals von Johann Joachim Lange im Jahre 1750–1753[3] eingeführt und ersetzte zu Beginn des 19. Jahrhunderts das seit dem 17. Jahrhundert bestehende Wort Chymie, das wahrscheinlich eine Vereinfachung und Umdeutung des seit dem 13. Jahrhundert belegten Ausdrucks Alchemie „Kunst des Goldherstellens“ war, welches wiederum selbst eine mehrdeutige Etymologie aufweist (zu den Konnotationen vergleiche die Etymologie des Wortes Alchemie:[4][5] Das Wort wurzelt wohl in arabisch al-kīmiyá, welches unter anderem „Stein der Weisen“ bedeuten kann, eventuell aus altgriechisch χυμεία chymeía „Gießung“ oder aus koptisch/altägyptisch kemi „schwarz[e Erden]“, vergleiche hierzu auch Kemet).

Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts galten die Begriffe „Scheidekunde“ und „Scheidekunst“ als Alternativen für das Wort Chemie.[6][7][8]

Geschichte

Die „alchemistischen Figuren“ des Nikolaus Flamel

Die Chemie in der Antike bestand im angesammelten praktischen Wissen über Stoffumwandlungsprozesse und den naturphilosophischen Anschauungen der Antike. Die Chemie im Mittelalter entwickelte sich aus der Alchemie, die in China, Europa und Indien schon seit Jahrtausenden praktiziert wurde.

Die Alchemisten beschäftigten sich sowohl mit der erhofften Veredlung der Metalle (Herstellung von Gold aus unedlen Metallen, siehe auch Transmutation) als auch mit der Suche nach Arzneimitteln. Insbesondere für die Herstellung von Gold suchten die Alchemisten nach einem Elixier (Philosophen-Stein, Stein der Weisen), das die unedlen („kranken“) Metalle in edle („gesunde“) Metalle umwandeln sollte. Im medizinischen Zweig der Alchemie wurde ebenfalls nach einem Elixier gesucht, dem Lebenselixier, einem Heilmittel für alle Krankheiten, das schließlich auch Unsterblichkeit verleihen sollte. Kein Alchemist hat allerdings je den Stein der Weisen oder das Lebenselixier entdeckt.

Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts basierte die Vorstellungswelt der Alchemisten in der Regel nicht auf wissenschaftlichen Untersuchungen, sondern auf Erfahrungstatsachen und empirischen Rezepten. Alchemisten führten eine große Auswahl Experimente mit vielen Substanzen durch, um ihre Ziele zu erreichen. Sie notierten ihre Entdeckungen und verwendeten für ihre Aufzeichnungen die gleichen Symbole, wie sie auch in der Astrologie üblich waren. Die mysteriöse Art ihrer Tätigkeit und die dabei oftmals entstehenden farbigen Flammen, Rauch oder Explosionen führten dazu, dass sie als Magier und Hexer bekannt und teilweise verfolgt wurden. Für ihre Experimente entwickelten die Alchemisten manche Apparaturen, die auch heute noch in der chemischen Verfahrenstechnik verwendet werden.

Albertus Magnus; Fresko (1352), Treviso, Italien

Ein bekannter Alchemist war Albertus Magnus. Er befasste sich als Kleriker mit diesem Themenkomplex und fand bei seinen Experimenten ein neues chemisches Element, das Arsen. Erst mit den Arbeiten von Paracelsus und Robert Boyle (The Sceptical Chymist, 1661) wandelte sich die Alchemie von einer rein aristotelisch geprägten zu einer mehr empirischen und experimentellen Wissenschaft, die zur Basis der modernen Chemie wurde.

Chemielabor des 18. Jahrhunderts

Die Chemie in der Neuzeit erhielt als Wissenschaft entscheidende Impulse im 18. und 19. Jahrhundert: Sie wurde auf die Basis von Messvorgängen und Experimenten gestellt, v. a. durch Gebrauch der Waage, sowie auf die Beweisbarkeit von Hypothesen und Theorien über Stoffe und Stoffumwandlungen.

Die Arbeiten von Justus von Liebig über die Wirkungsweise von Dünger begründeten die Agrarchemie und lieferten wichtige Erkenntnisse über die anorganische Chemie. Die Suche nach einem synthetischen Ersatz für den Farbstoff Indigo zum Färben von Textilien waren der Auslöser für die bahnbrechenden Entwicklungen der organischen Chemie und der Pharmazie. In beiden Gebieten hatte Deutschland bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine absolute Vorrangstellung. Dieser Wissensvorsprung ermöglichte es beispielsweise, den zur Führung des Ersten Weltkrieges notwendigen Sprengstoff statt aus importierten Nitraten mithilfe der Katalyse aus dem Stickstoff der Luft zu gewinnen (siehe Haber-Bosch-Verfahren).

Die Autarkie­bestrebungen der Nationalsozialisten gaben der Chemie als Wissenschaft weitere Impulse. Um von den Importen von Erdöl unabhängig zu werden, wurden Verfahren zur Verflüssigung von Steinkohle weiterentwickelt (Fischer-Tropsch-Synthese). Ein weiteres Beispiel war die Entwicklung von synthetischem Kautschuk für die Herstellung von Fahrzeugreifen.

In der heutigen Zeit ist die Chemie ein wichtiger Bestandteil der Lebenskultur geworden. Chemische Produkte umgeben uns überall, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Allerdings haben Unfälle der chemischen Großindustrie wie beispielsweise die von Seveso und Bhopal der Chemie ein sehr negatives Image verschafft, so dass Slogans wie „Weg von der Chemie!“ sehr populär werden konnten.

Die Forschung entwickelte sich um die Wende zum 20. Jahrhundert so weit, dass vertiefende Studien des Atombaus nicht mehr zum Bereich der Chemie gehörten, sondern zur Atomphysik bzw. Kernphysik. Diese Forschungen lieferten dennoch wichtige Erkenntnisse über das Wesen der chemischen Stoffwandlung und der chemischen Bindung. Weitere wichtige Impulse gingen dabei auch von Entdeckungen in der Quantenphysik aus (Elektronen-Orbitalmodell).

Allgemeines

Brom mit Dampf
links: Teilweise karamellisierter Würfelzucker, rechts: Verbrennung eines Zuckerwürfels mit Asche als Katalysator

Die Chemie befasst sich mit den Eigenschaften der Elemente und Verbindungen, mit den möglichen Umwandlungen eines Stoffes in einen anderen, macht Vorhersagen über die Eigenschaften für bislang unbekannte Verbindungen, liefert Methoden zur Synthese neuer Verbindungen und Messmethoden, um die chemische Zusammensetzung unbekannter Proben zu entschlüsseln.

Obwohl alle Stoffe aus vergleichsweise wenigen „Bausteinsorten“, nämlich aus etwa 80 bis 100 der 118 bekannten Elemente aufgebaut sind, führen die unterschiedlichen Kombinationen und Anordnungen der Elemente zu einigen Millionen sehr unterschiedlichen Verbindungen, die wiederum so unterschiedliche Materieformen wie Wasser, Sand, Pflanzen- und Tiergewebe oder Kunststoff aufbauen. Die Art der Zusammensetzung bestimmt schließlich die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Stoffe und macht damit die Chemie zu einer umfangreichen Wissenschaft. Neben den Schulkenntnissen können besonders Interessierte und Studenten der Chemie ihre Kenntnisse durch die chemische Literatur vertiefen.

Fortschritte in den verschiedenen Teilgebieten der Chemie sind oftmals die unabdingbare Voraussetzung für neue Erkenntnisse in anderen Disziplinen, besonders in den Bereichen Biologie und Medizin, aber auch im Bereich der Physik und der Ingenieurwissenschaften. Außerdem erlauben sie es häufig, die Produktionskosten für viele Industrieprodukte zu senken. Beispielsweise führen verbesserte Katalysatoren zu schnelleren Reaktionen und dadurch zur Einsparung von Zeit und Energie in der Industrie. Neu entdeckte Reaktionen oder Substanzen können alte ersetzen und somit ebenfalls von Interesse in der Wissenschaft und Industrie sein.

  • Für die Medizin ist die Chemie bei der Suche nach neuen Medikamenten und bei der Herstellung von Arzneimitteln unentbehrlich.
  • Die Ingenieurwissenschaften suchen häufig, je nach Anwendung, nach maßgeschneiderten Materialien (leichte Materialien für den Flugzeugbau, beständige und belastbare Baustoffe, hochreine Halbleiter…). Deren Synthese ist eine der Aufgaben der Chemie.
  • In der Physik werden zum Beispiel zur Durchführung von Experimenten oft hochreine Stoffe benötigt, deren Herstellung spezielle Synthesemethoden erfordern.

Wirtschaftliche Bedeutung der Chemie

Hochhaus des Chemiekonzerns BASF

Die chemische Industrie ist – gerade auch in Deutschland – ein sehr bedeutender Wirtschaftszweig: In Deutschland lag der Umsatz der 20 umsatzstärksten deutschen Chemieunternehmen 2017 bei über 250 Milliarden Euro,[9] die Zahl der Beschäftigten lag nach der Wiedervereinigung Deutschlands bei über 700.000 und ist Stand 2017 auf über 900.000 angewachsen.[9] Sie stellt einerseits Grundchemikalien wie beispielsweise Schwefelsäure oder Ammoniak her, oft in Mengen von Millionen von Tonnen jährlich, die sie dann zum Beispiel zur Produktion von Düngemitteln und Kunststoffen verwendet. Andererseits produziert die chemische Industrie viele komplexe Stoffe, unter anderem pharmazeutische Wirkstoffe (Arzneistoffe) und Pflanzenschutzmittel (Pestizide), maßgeschneidert für spezielle Anwendungen. Auch die Herstellung von Computern, Kraft- und Schmierstoffen für die Automobil­industrie und vielen anderen technischen Produkten ist ohne industriell hergestellte Chemikalien unmöglich.

Ausbildung

Schulunterricht

Schwarz-Weiß-Foto von fünf Personen in Labormänteln, die um zwei Tische stehen, auf denen gefüllte Reagenzglas-Halter und Bunsen-Brenner stehen. Sie halten mit Haltezangen die Reagenzgläser und Schmelztiegel in die Flammen. Im Hintergrund ist eine Tafel mit Ergebnissen zu sehen.
Chemieunterricht an der Wirtschaftlichen Frauenschule in Maidhof 1926

Es ist Aufgabe des Chemieunterrichts, einen Einblick in stoffliche Zusammensetzung, Stoffgruppen und stoffliche Vorgänge der Natur zu geben. Stoffumwandlungen in der belebten und unbelebten Natur beruhen ebenfalls auf chemischen Reaktionen und sollten als solche erkannt werden können. Ebenso sollte aus der Vermittlung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse Verständnis für die moderne Technik und eine positive Einstellung dazu aufgebaut werden, da gerade die Chemie durch Einführung neuer Produkte einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen des Menschen geleistet hat. Nicht zuletzt dient der Chemieunterricht auch dazu, die Schüler zu mündigen Verbrauchern zu erziehen. Er wird aus diesem Grund nach Lehrplänen (Curricula) und pädagogischen Konzepten gestaltet (Chemiedidaktik).

Beruf

Es ist möglich, als Chemielaborant in Betrieb und Berufsschule im so genannten Dualen System ausgebildet zu werden. Ein weiterer Ausbildungsberuf für die Arbeit im Chemielabor ist der Chemisch Technische Assistent (CTA). Der Chemikant (auch Chemie- und Pharmatechnologe oder früher Chemiefacharbeiter) ist ein Ausbildungsberuf für Mitarbeiter in der chemischen Industrie.

Viele Universitäten bieten einen Studiengang Chemie an. Ein Großteil der Chemiker schließt im Anschluss an das Studium eine Promotion an.

Ansehen

Die öffentliche Wahrnehmung der Chemie hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Herrschte in den Industriestaaten des 19. Jahrhunderts noch Begeisterung für die technologischen Möglichkeiten, die die moderne Chemie eröffnete, trübte sich dieses Bild unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs mit seinem umfangreichen Einsatz an Explosivstoffen und chemischen Waffen. Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts fügten der Contergan-Skandal, die Katastrophe von Bhopal und Umweltprobleme dem öffentlichen Bild von der Chemie weiteren Schaden zu. Teilweise ging die chemische Industrie mit Schmutzkampagnen gegen kritische Wissenschaftler vor, etwa gegen Rachel Carson nach Veröffentlichung ihres Buches Silent Spring 1962 oder gegen Frank Sherwood Rowland und Mario J. Molina nach Veröffentlichung ihrer Studie zum Ozonloch 1974.[10]

Die öffentliche Wahrnehmung der Chemie ist im deutschsprachigen Raum tendenziell negativ geprägt. Die auf Laien abgehoben wirkende, teils unverständliche Formelsprache für chemische Verbindungen sowie Reaktionsgleichungen und die Berichterstattung mit Fokus auf Chemiekatastrophen und Umweltskandalen hat womöglich zu einer negativen Konnotation geführt. Insbesondere in Europa ist heute unter anderem aufgrund der strikten Gesetzgebung (Chemikaliengesetz, Gefahrstoffverordnung) eine weitgehend sichere Handhabung von Chemikalien gewährleistet.[11] Um das Ansehen der Chemie zu verbessern, wurde das Jahr 2003 von verschiedenen Trägerorganisationen zum „Jahr der Chemie“ erklärt. 2011 wurde von der UN (in Zusammenarbeit mit der UNESCO und der IUPAC) zum „Internationalen Jahr der Chemie“ erklärt.[12]

Irrationale Ablehnung von Chemie wird in jüngerer Vergangenheit unter dem Schlagwort Chemophobie diskutiert. Diese richtet sich allerdings in erster Linie gegen chemische Stoffe, weniger gegen die Chemie als Wissenschaft oder die forschenden Chemiker selbst. Für das Vereinigte Königreich war eine Untersuchung der Royal Society of Chemistry 2015 zu dem überraschenden Ergebnis gekommen, dass die Chemie in der Öffentlichkeit einen weitaus weniger schlechten Ruf genießt, als dies von Chemikern selbst gemeinhin angenommen wird.[13] Wesentlich hierfür ist eine assoziative Trennung zwischen Chemikern und der Chemie einerseits und chemischen Stoffen andererseits. Schädliche Auswirkungen der chemischen Industrie werden nicht den Chemikern zugeschrieben, sondern den Entscheidungsträgern in den Unternehmen. Während den Forschern eher noble Motive zugestanden und sie nur wenig mit den Endprodukten ihrer Arbeit in Verbindung gebracht werden, wird die Profitorientierung der Unternehmen, die potentiell schädlichen Entscheidungen zugrunde liegt, kritisch gesehen.[14] Der Chemie als Wissenschaft standen die meisten Befragten neutral bis positiv, wenn auch distanziert gegenüber. 59 % gingen davon aus, dass der Nutzen der Chemie größer ist als mögliche schädliche Effekte, und 72 % erkannten die Bedeutung chemischer Forschung und Entwicklung zum Wirtschaftswachstum an.[13]

Berühmte Chemiker

Marie Curie ist eine von acht Frauen, die den Nobelpreis für Chemie erhalten haben

Fachrichtungen

Traditionell wird die Chemie in die organische und anorganische Chemie unterteilt, etwa um 1890 kam die physikalische Chemie hinzu.

Seit der Harnstoffsynthese 1828 von Friedrich Wöhler, bei der die organische Substanz Harnstoff aus der anorganischen Verbindung Ammoniumcyanat hergestellt wurde, verwischen sich die Grenzen zwischen Stoffen aus der unbelebten (den „anorganischen“ Stoffen) und der belebten Natur (den organischen Stoffen). So stellen Lebewesen auch eine Vielzahl anorganischer Stoffe her, während im Labor fast alle organischen Stoffe hergestellt werden können.

Die traditionelle, aber auch willkürliche Unterscheidung zwischen anorganischer und organischer Chemie wurde aber dennoch beibehalten. Ein Grund besteht darin, dass die organische Chemie stark vom Molekül bestimmt wird, die anorganische Chemie jedoch oft von Ionen, Kristallen, Komplexverbindungen und Kolloiden. Ein weiterer ist, dass sich die Reaktionsmechanismen und Stoffstrukturen in der Anorganik und Organik vielfach unterscheiden.

Eine weitere Möglichkeit ist es, die Chemie nach der Zielrichtung in die untersuchende, 'zerlegende' Analytische Chemie und in die aufbauende, produktorientierte Präparative- oder Synthetische Chemie aufzuspalten. In der Lehrpraxis der Universitäten ist die Analytische Chemie oft als Unterrichtsfach vertreten, während die Präparative Chemie im Rahmen der organischen oder anorganischen Chemie behandelt wird.

Es gibt noch weitere Fachgebiete (etwa die Forensische Chemie als Teilgebiet der angewandten Chemie[15]).

Allgemeine Chemie

Periodensystem der Elemente

Unter Allgemeiner Chemie werden die Grundlagen der Chemie verstanden, die in fast allen chemischen Teilgebieten von Bedeutung sind. Sie stellt somit das begriffliche Fundament der gesamten Chemie dar: den Aufbau des Atoms, das Periodensystem der Elemente (PSE), die Chemische Bindung, die Grundlagen der Stöchiometrie, Säuren, Basen und Salze und chemische Reaktionen.

Im Gegensatz zu anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen gibt es in der Chemie den Terminus Technicus „Allgemeine Chemie“ (eine „Allgemeine Physik“ gibt es nicht). Insofern steht die Allgemeine Chemie am Anfang jeder näheren Beschäftigung mit der Chemie.

Anorganische Chemie

Eine Computergrafik aus grauen und roten Kugeln. Die Kugeln sind teilweise ineinander geschoben und bauen so eine räumliche Struktur auf. Graue Kugeln sind paarweise durch jeweils eine rote Kugel verbunden. In der Struktur sind fünf zylindrische Hohlräume, um die herum sich das Netzwerk der Kugeln legt. Die Hohlräume sind untereinander symmetrisch angeordnet und ihr Durchmesser ist in etwa genau so breit wie der Abstand zwischen zwei Hohlräumen.
Zeolithe (mikroporöse Stoffe)

Diese auch Anorganik genannte Richtung umfasst, einfach ausgedrückt, die Chemie aller Elemente und Verbindungen, die nicht ausschließlich Kohlenstoffketten enthalten, denn diese sind Gegenstände der organischen Chemie. Die anorganische Chemie beschäftigt sich beispielsweise mit den Mineralsäuren, Metallen, und anderen kohlenstofffreien Verbindungen, aber auch mit Kohlendioxid, den Säuren Cyanwasserstoff (Blausäure) und Kohlensäure sowie mit deren Salzen. Verbindungen, die sich nicht genau einteilen lassen fallen in den Bereich der Organometallchemie. Die Bioanorganische Chemie überschneidet sich hingegen thematisch mehr mit der Biochemie.

In der klassischen Anorganik geht es um kleine Moleküle oder überhaupt um Salze bzw. Metalle, daher reicht eine Summenformel meist aus. In der Komplexchemie, wo es dennoch Isomere gibt, werden verständlicherweise wie in der organischen Chemie systematische Namen und Strukturformeln benötigt. Oft orientieren sich diese dabei sogar an denen von ähnlich aufgebauten Substanzen in der organischen Chemie (siehe beispielsweise Silane). Die moderne anorganische Chemie befasst sich damit der Strukturbildung (Strukturchemie) von Molekülen und Festkörpern (Festkörperchemie), um zum Beispiel neue Werkstoffe mit speziellen physikalischen und chemischen zu erschaffen oder dem komplexen Verhalten von Teilchen in Lösungen (Kolloidchemie).

Historische Definition: Die Anorganische Chemie befasst sich mit den chemischen Elementen und Reaktionen der Stoffe, die nicht von organischem Leben (mithilfe der hypothetischen Lebenskraft) erzeugt werden.

Organische Chemie

Kalottenmodelle einiger Kohlenwasserstoffe

Die organische Chemie (auch Organik) ist die Chemie des Elementes Kohlenstoff und nur wenigen anderen Elementen, besitzt dennoch die größte Vielfalt an chemischen Verbindungen. Durch die Vielzahl an Strukturelementen enthält schon alleine die Chemie der Kohlenwasserstoffe eine gewaltige Zahl an unterschiedlichen Substanzen, die sich nur in unterschiedlichen Bindungsarten, Anordnungen (Isomerie) oder überhaupt nur an der Struktur (Stereochemie) unterscheiden. Hinzu kommt noch, dass häufig auch Fremdatome im Kohlenwasserstoffgerüst eingebaut sind. Um diese Unzahl an Verbindungen einwandfrei zu identifizieren, genügen keine Summenformeln mehr. Aus diesem Grund gibt es die IUPAC-Nomenklatur, die jeder Substanz (auch jeder anorganischen) einen eindeutigen, systematischen Namen zuweisen, obwohl gerade bei organischen Stoffen oft Trivialnamen (gewohnte Bezeichnungen; z. B.: Essigsäure) vorhanden sind. Die organische Chemie teilt daher ihre Verbindungen in funktionelle Gruppen mit ähnlichen chemischen Eigenschaften ein und wird anhand von vergleichbaren Reaktionsmechanismen gelehrt.

Historische Definition: Früher wurde gedacht, dass organische Substanzen, wie schon das Wort „organisch“ sagt, nur von Lebewesen hergestellt werden können. Dies wurde einer so genannten „vis vitalis“, also einer „Lebenskraft“ zugeschrieben, die in diesen Substanzen verborgen sei. Diese Theorie war lange Zeit unangefochten, bis es Friedrich Wöhler 1828 gelang, erstmals eine anorganische Substanz im Labor in eine organische umzuwandeln. Wöhlers berühmte Harnstoffsynthese aus Ammoniumcyanat durch Erhitzen auf 60 °C.

Die Strukturaufklärung und Synthese von natürlichen Stoffen ist Bestandteil der Naturstoffchemie. Heutzutage ist der Erdölverarbeitende Sektor (Petrochemie) wirtschaftlich von Bedeutung, da er Ausgangsstoffe für zahlreiche großtechnische Synthese liefert.

Physikalische Chemie

Walther Nernst

Bei der physikalischen Chemie handelt es sich um den Grenzbereich zwischen Physik und Chemie. Während in der präparativen Chemie (Organik, Anorganik) die Fragestellung zum Beispiel ist: „Wie kann ich einen Stoff erzeugen?“, beantwortet die physikalische Chemie stärker quantitative Fragen, zum Beispiel „Unter welchen Bedingungen findet eine Reaktion statt?“ (Thermodynamik), „Wie schnell ist die Reaktion?“ (Kinetik). Sie liefert auch die Grundlage für analytische Verfahren (Spektroskopie) oder technische Anwendungen (Elektrochemie, Magnetochemie und Nanochemie). In Überschneidung mit der Meteorologie auch Atmosphärenchemie.

Die an Bedeutung gewinnende theoretische Chemie, Quantenchemie oder Molekularphysik versucht, Eigenschaften von Stoffen, chemischer Reaktionen und Reaktionsmechanismen anhand von physikalischen Modellen, wie zum Beispiel der Quantenmechanik oder Quantenelektrodynamik und numerischen Berechnungen zu ergründen.

Die Physikalische Chemie wurde um 1890 vor allem von Svante Arrhenius, Jacobus Henricus van ’t Hoff und Wilhelm Ostwald begründet. Letzterer war auch erster Herausgeber der 1887 gemeinsam mit van ’t Hoff gegründeten Zeitschrift für physikalische Chemie und hatte in Leipzig den ersten deutschen Lehrstuhl für Physikalische Chemie inne.

Das erste eigenständige Institut für Physikalische Chemie wurde 1895 von Walther Nernst, der sich bei Ostwald habilitiert hatte, in Göttingen gegründet. Weitere spezifisch der Physikalischen Chemie gewidmete Institute folgten dann in rascher Folge in Leipzig (1897), Dresden (1900), Karlsruhe (1903), Breslau, Berlin (1905) und andernorts.

Chemiker und Physiker, die vorwiegend im Bereich der Physikalischen Chemie tätig sind, werden auch als Physikochemiker bezeichnet.

Biochemie

Die Biochemie ist die Grenzdisziplin zur Biologie und befasst sich mit der Aufklärung von Stoffwechsel-Vorgängen, Vererbungslehre auf molekularer Ebene (Genetik) und der Strukturaufklärung und der Synthese (Molekulardesign) von großen Biomolekülen. Die Anwendung der Biochemie im technischen Bereich wird als Biotechnologie bezeichnet. Sie überschneidet sich mit den angrenzenden Disziplinen Pharmazeutische Chemie und Medizinische Chemie.

Theoretische Chemie

Linus Pauling

Theoretische Chemie ist die Anwendung nichtexperimenteller (üblicherweise mathematischer oder computersimulationstechnischer) Methoden zur Erklärung oder Vorhersage chemischer Phänomene. Die Theoretische Chemie kann grob in zwei Richtungen unterteilt werden: Einige Methoden basieren auf Quantenmechanik (Quantenchemie), andere auf der statistischen Thermodynamik (Statistische Mechanik). Wichtige Beiträge zur theoretischen Chemie bzw. physikalischen Chemie leisteten Linus Carl Pauling, John Anthony Pople, Walter Kohn und John C. Slater.

Präparative Chemie

Dieses Teilgebiet der Chemie ist gewissermaßen das Gegenteil der analytischen Chemie und befasst sich mit Synthesen von chemischen Verbindungen. Die anderen Teilbereiche sind im Wesentlichen präparativ ausgerichtet, da es eine Hauptaufgabe der Chemie ist, Verbindungen entweder im kleinen Maßstab oder in großen Mengen, wie im Rahmen der technischen Chemie, zu synthetisieren. Insofern ist die präparative Chemie ein wesentlicher Bestandteil der Chemikerausbildung. Sie spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle in sich mit der Chemie überschneidenden Gebieten, wie der pharmazeutischen Chemie bzw. pharmazeutischen Technologie.

Analytische Chemie

Die Analytische Chemie beschäftigt sich mit der qualitativen Analyse (welche Stoffe sind enthalten?) und der quantitativen Analyse (wie viel von der Substanz ist enthalten?) von Stoffen. Während die klassische analytische Chemie noch stark auf aufwendige Trennungsgänge, um verschiedene Substanzen zu isolieren und Nachweisreaktionen im Reagenzglas aufbaute, so werden heutzutage diese Fragestellungen in der instrumentellen Analytik mit hohem apparativen Aufwand bearbeitet.

Auch hier wird in Anorganische analytische Chemie und Organische analytische Chemie unterteilt. Hier haben sich zahlreiche Spezialgebiete herausgestellt, beispielsweise die klinische Chemie in Überschneidung mit der Medizin (vergleiche Labormedizin) und Toxikologie (als toxikologische Chemie)[16]) oder die Lebensmittelchemie. Für manche Verfahren in der Mikrochemie und Spurenanalytik werden nur noch kleinste Substanzmengen benötigt.

Technische Chemie

Fritz Haber, 1918

Die Technische Chemie beschäftigt sich mit der Umsetzung von chemischen Reaktionen im Labormaßstab auf großmaßstäbliche Industrieproduktion. Chemische Reaktionen aus dem Labor lassen sich nicht ohne weiteres auf die großindustrielle Produktion übertragen. Die technische Chemie beschäftigt sich daher mit der Frage, wie aus einigen Gramm Produkt im Labor viele Tonnen desselben Produktes in einer Fabrik entstehen.

Etwas abstrakter ausgedrückt: Die technische Chemie sucht nach den optimalen Bedingungen für die Durchführung technisch relevanter Reaktionen; dies geschieht empirisch oder mehr und mehr durch eine mathematische Optimierung auf der Grundlage einer modellhaften Beschreibung des Reaktionsablaufs und des Reaktors.

Vorbereitung → Reaktion → Aufbereitung

Nahezu jede Produktion in der chemischen Industrie lässt sich in diese drei Schritte gliedern. Zunächst müssen dabei die Edukte vorbereitet werden. Sie werden eventuell erhitzt, zerkleinert oder komprimiert. Im zweiten Schritt findet die eigentliche Reaktion statt. Im letzten Schritt wird schließlich das Reaktionsgemisch aufbereitet. Mit der Vorbereitung und der Aufbereitung beschäftigt sich die chemische Verfahrenstechnik. Mit der Reaktion im technischen Maßstab beschäftigt sich die Chemische Reaktionstechnik.

Kosmochemie

Die Kosmochemie befasst sich mit chemischen Vorgängen im Weltraum. Ihr Gegenstand sind chemische Substanzen und Reaktionen, die im interstellaren Raum, auf interstellaren Staubkörnern und auf Himmelskörpern wie z. B. Planeten, Kometen, Planetoiden und Monden ablaufen können.

Organisationen

Quellen und weiterführende Informationen

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Literatur

Lexika

Sachbücher

  • Gerhard Quinkert: Spuren der Chemie im Weltbild unserer Zeit. In: J. Mittelstraß, G. Stock (Hrsg.): Chemie und Geisteswissenschaften: Versuch einer Annäherung. Akademie Verlag, Berlin 1992.
  • Charles E. Mortimer: Chemie – Das Basiswissen der Chemie. Thieme, Stuttgart 2003, ISBN 3-13-484308-0.
  • Joachim Kranz, Manfred Kuballa: Chemie im Alltag. Cornelsen Scriptor, Berlin 2003, ISBN 3-589-21692-1.
  • Michael Wächter: Kleine Entdeckungsgeschichte(n) der Chemie im Kontext von Zeitgeschichte und Naturwissenschaften, Verlag Königshausen und Neumann, Würzburg 2018, ISBN 978-3-8260-6510-1

Datensammlungen

  • Karl-Heinz Lautenschläger, Wolfgang Weber: Taschenbuch der Chemie, Verlag Europa-Lehrmittel Nourney, Vollmer GmbH & Co., Ausgabe 22., vollständig überarbeitete Auflage, 2018, ISBN 978-3-8085-5763-1
  • Wächter, Michael: Tabellenbuch der Chemie. Daten zur Analytik, Laborpraxis und Theorie, Wiley-VCH, Weinheim 2012, 1. Aufl., ISBN 978-3-527-32960-1
  • Aylward, Gordon H., Findlay Tristan J. V.: Datensammlung Chemie in SI-Einheiten, 3. erw. und neu bearb. Aufl., Verlag Chemie, Weinheim 1999, ISBN 978-3-527-29468-8

Allgemeinverständliche Chemie-Zeitschriften

Chemische Fachzeitschriften (Auswahl)

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Einzelnachweise

  1. Franz Dornseiff: Die griechischen Wörter im Deutschen. Berlin 1950, S. 40.
  2. Nach Liddell-Scott's griechischem Wörterbuch ist Chymeia die primäre Schreibweise und mit Chemeia synonym. Online
  3. Hans Schimank: Der Chemiker im Wandel der Zeiten. Verlag Chemie, Weinheim 1972, S. 214.
  4. Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Auflage, ISBN 3-11-017473-1
  5. Laut Kluge gehört „Chemie“ zu griechisch χύμα „Guss“, woraus griechisch-lateinisch chymia entstand und daraus deutsch „Chymie“. Die Form χημεία, woher „Chemie“ stammt, beruht auf der gleichen Aussprache von η und ī im späteren Griechisch. Siehe Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Auflage. Hrsg. von Walther Mitzka. De Gruyter, Berlin / New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 117 (Chemie) und 257 f. (gießen, zur Wurzel *chy- in chéein „gießen“ und in cheũma, wofür später chýama „Guss“ stand, sowie in chylós „Saft“).
  6. Scheidekunde. Duden, abgerufen am 3. Februar 2014.
  7. Scheidekunst. Duden, abgerufen am 3. Februar 2014.
  8. Crusius (1788): Einleitung zur allgemeinen Scheidekunst, S. 313.
  9. a b Die umsatzstärksten deutschen Chemieunternehmen - Verband der Chemischen Industrie e. V. (VCI). Abgerufen am 8. November 2018.
  10. Matthew R. Hartings, Declan Fahy: Communicating chemistry for public engagement. In: Nature Chemistry, 2011, Band 3, S. 674–677. doi:10.1038/nchem.1094
  11. Guido Kickelbick: Chemie für Ingenieure. Pearson Deutschland 2008, ISBN 978-3-8273-7267-3, S. 19.
  12. Deutsche UNESCO-Kommission e. V.: Internationales Jahr der Chemie 2011.
  13. a b Royal Society of Chemistry: Public attitudes to chemistry. Research report TNS BMBR, 2015. Online auf der Website der RSC, abgerufen am 26. Juni 2021, S. 19–24.
  14. Royal Society of Chemistry: Public attitudes to chemistry. Research report TNS BMBR, 2015. Online auf der Website der RSC, abgerufen am 26. Juni 2021, S. 54.
  15. Hochschule Fresenius: Angewandte Chemie (B.Sc.) – Schwerpunkt Forensik (Memento vom 6. Mai 2018 im Internet Archive).
  16. Vgl. E. Mannheim: Toxikologische Chemie. 3., verbesserte Auflage, hrsg. von Fr. X. Bernhard. Berlin (= Sammlung Göschen. Band 465.