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„Tallboy (Bombe)“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Royal Air Force Bomber Command, 1942-1945. CH15363.jpg|mini|Tallboy wird für den Angriff auf [[La Coupole]] verladen]]
[[Image:Tall Boy Bombe.jpg|thumb|Tallboy Bombe]]
Die '''Tallboy-Bombe''' (von [[Englische Sprache|englisch]] ''tall boy'' „großer Junge“) war eine [[Fliegerbombe]] der [[Royal Air Force]] (RAF) und wurde von dem britischen Ingenieur [[Barnes Wallis]] entwickelt, darf aber nicht mit der namensähnlichen ''[[Little Boy]]'' verwechselt werden. Sie war eine [[bunkerbrechende Waffe]]. Die offizielle Bezeichnung lautete D.P.12000&nbsp;lb (''Deep Penetration'', 12.000 [[Pfund]]). Mit einem Gewicht von 5,4 [[Tonne (Einheit)|Tonnen]], davon 2,4 t hochbrisanter Sprengstoff mit einem Äquivalent von 3,6 t [[TNT]]<ref name=":0" />, sowie einem [[Verzögerungszünder|Verzögerungs]]- bzw. [[Säurezünder|Langzeitzünder]] war sie speziell für den Einsatz gegen stark befestigte Betonbauten und Bunker konzipiert worden, gegen die sich kleinere Bomben als unzureichend erwiesen hatten. Ab Frühjahr 1944 wurden insgesamt 854 Bomben an die Verbände der RAF ausgeliefert. Im November 1944 brachten mehrere Tallboys das deutsche [[Schlachtschiff]] ''[[Tirpitz (Schiff, 1941)|Tirpitz]]'' zum [[Kentern]].
Die 5443 kg schwere '''Tallboy [[Bombe]]''' (engl. für "Großer Kerl"), deren Entwicklung im Frühjahr 1944 abgeschlossen war, war speziell für den Einsatz gegen stark befestigte Betonbauten konzipiert worden, gegen die sich frühere, kleinere Bomben als ineffektiv erwiesen hatten. Die mit 2.358 kg hochbrisantem Sprengstoff und einem Verzögerungs[[zünder]] versehene Fliegerbombe hatte eine außerordentlich hohe Durchschlagskraft. Die Bombe wurde von dem britischen Ingenieur Dr. [[Barnes Wallis]] entwickelt. Es wurden 854 Exemplare produziert.


==Geschichte==
== Geschichte ==
[[Datei:Tallboy at Brooklands.jpg|mini|Tallboy auf einem Bombenanhänger im Brooklands Museum]]
Im Bewusstsein, dass der Feind durch Zerstörung seiner Infrastruktur und Fertigungsstätten empfindlich geschwächt werden würde, entwickelte Barnes Wallis bereits zu Beginn des Zweiten Weltkriegs fortschrittliche Bombentypen auf Basis einzelner überschwerer Bomben.


Schon vor dem Krieg hatte er die Idee einer [[Grand Slam (Bombe)|Zehn-Tonnen-Bombe]], die nach dem „Erdbebenprinzip“ arbeitete, in seiner Studie ''A Note on a Method of Attacking the Axis Powers'' (etwa „Notiz über eine Möglichkeit, die Achsenmächte anzugreifen“) vorgestellt.
Barnes Wallis wusste, dass der Feind durch Zerstörung seiner Infrastruktur und Fertigungsstätten empfindlich geschwächt werden würde und entwickelte bereits zu Kriegsbeginn fortschrittliche Bombentypen auf Basis einzelner, überschwerer Bomben.
[[Datei:Germany Under Allied Occupation BU11297.jpg|mini|Wirkung des Einschlags auf [[Fink II]]]]
Seine Berechnungen zeigten, dass eine sehr große Bombe, die in der Nähe eines Ziels unterirdisch detoniert, eher ein „[[camouflet]]“, eine unterirdische, durch eine Explosion verursachte Höhlung statt eines Kraters verursachen würde. Dadurch würde fast die gesamte Energie der Explosion vom Erdboden aufgenommen, und über die Fundamente würde ein deutlich höherer Anteil der Explosionsenergie als [[Schockwelle]] auf das Ziel einwirken als bei Explosionen an der Oberfläche, bei denen ein Großteil des Explosionsdruckes in die Atmosphäre entweicht und (mehr oder weniger wirkungslos) verpufft.


Die Tragekapazität britischer [[Bomber|Vorkriegsbomber]] war damals bei weitem zu gering für derart schwere Waffen. Ab 1939 machte die [[Flugzeugmotor]]en-Technik schnelle Fortschritte: Es war wichtig, welche Flugzeuge schneller und/oder höher fliegen konnten als die gegnerischen beziehungsweise mit welchen Flugmanövern zum Beispiel Bomber reagieren konnten, die von gegnerischen Jagdflugzeugen angegriffen wurden.
Schon früher hatte er die Idee einer 10t-Bombe, die nach dem „[[Erdbebenprinzip]]“ arbeitete, in seiner Studie ''A Note on a Method of Attacking the Axis Powers'' (engl., etwa „Notiz über eine Möglichkeit, die Achsenmächte anzugreifen“) vorgestellt.


Wallis kehrte in den 1940er Jahren zu seinen Entwürfen für die „Erdbebenbomben“ zurück, als die von ihm entwickelte [[Rollbombe]] erfolgreich gegen deutsche Staudämme eingesetzt werden konnte ([[Operation Chastise]], Mai 1943) und in der Folge das Interesse an gezielten strategischen Einsätzen stark zunahm.[[Datei:Mahnmal Tallboy Krumpa.jpg|mini|Mahnmal Tallboy Krumpa]]Im Vorfeld der geplanten [[Landung in der Normandie]] (Juni 1944) hatte die [[Royal Air Force]] (RAF) ein offenes Ohr für visionäre Gedanken, da sie eine geeignete Waffe benötigte, um weitere große zivile Bauwerke (wie beispielsweise [[Tunnel]] und [[Brücke]]n), schwer gepanzerte Ziele (zum Beispiel [[Schlachtschiff]]e) und Betonbauten ([[Bunker (Bauwerk)|Bunker]]) ausschalten zu können. Sie wollte Ziele am [[Atlantikwall]] (zum Beispiel U-Boot-Bunker und Küstenstädte, die Hitler zu [[Fester Platz (Wehrmacht)|„Festungen“]] erklärt hatte) entscheidend treffen.
Seine Berechnungen zeigten, dass eine sehr große Bombe, die in der Nähe eines Ziels detoniert, eher ein „camouflet“, eine unterirdische, durch eine Explosion verursachte Höhlung, statt eines Kraters verursachen würde. Die gesamte Energie der Explosion würde vom Erdboden aufgenommen und als [[Schockwelle]] auf die Fundamente des Ziels übertragen werden.


Auch 1943 hatte die RAF noch keine geeignete Plattform zum Einsatz einer zehn Tonnen schweren Bombe. Wallis begann deshalb mit der Entwicklung verkleinerter Versionen, von denen eine die 12.000&nbsp;[[Pfund|lbs]] schwere Tallboy-Bombe werden sollte.
Zu diesem Zeitpunkt war die Tragekapazität der britischen [[Bomber]] jedoch begrenzt und die Möglichkeit, eine so große Waffe überhaupt mitführen zu können, war nicht vorhanden. Wallis kehrte erst zu seinen Entwürfen für die „Erdbebenbomben“ zurück, als die von ihm entwickelte [[Rotationsbombe]] erfolgreich gegen deutsche Staudämme eingesetzt werden konnte ([[Operation Chastise]]) und so das Interesse an gezielten strategischen Einsätzen immer größer wurde. Ab sofort hatte die RAF ein offenes Ohr für die imaginäreren Lösungen, da sie eine geeignete Waffe benötigte, um weitere große zivile Bauwerke (wie z.B. [[Tunnel]] und [[Brücken]]), schwerst gepanzerte Ziele (z.B. [[Schlachtschiff]]e) und Betonbauten ([[Bunker]]) ausschalten zu können.


Die Entwicklung und die Produktion der Waffe(n) erfolgten damals, obwohl weder ein offizieller Auftrag des Ministeriums erteilt noch ein Vertrag abgeschlossen worden war. Die RAF warf also Bomben ab, die sie noch nicht einmal gekauft hatte. Sie waren noch immer Eigentum ihres Herstellers [[Vickers|Vickers-Armstrongs]]. Erst als der Bedarf an einer solchen Waffe erkannt wurde, gab die Führung grünes Licht.
Zu diesem Zeitpunkt war die Möglichkeit, 10 Tonnen per Flugzeug zu transportieren, noch keinesfalls gegeben und Wallis begann deshalb, mit verkleinerten Variationen zu arbeiten - von denen eine die 12.000 lbs schwere Tallboy-Bombe werden sollte.


Die Bombe erhielt eine langgezogene aerodynamische Form. Dabei zeigten erste Ausführungen eine Neigung zum Taumeln, was die [[Zielgenauigkeit]], die aufgrund der großen Abwurfhöhe ohnehin beschränkt war, verminderte. Daraufhin wurden die [[Leitwerk]]e so verändert, dass sie die Bombe in eine Längsrotation versetzten und damit [[Geschossstabilisierung#Drallstabilisierung|drallstabilisierten]].
Die Entwicklung und Produktion der Waffe(n) erfolgte damals, obwohl weder ein offizieller Auftrag des Ministeriums erteilt, noch ein Vertrag abgeschlossen worden war. Die RAF warf also Bomben ab, die sie noch nicht einmal gekauft hatte. Sie waren noch immer Eigentum ihres Herstellers [[Vickers|Vickers Armstrong, Inc.]].


Wie bei der ''[[Grand Slam (Bombe)|Grand Slam]]'' wurden die Bomberbesatzungen aus Kostengründen angewiesen, nicht abgeworfene Bomben wieder zu den Stützpunkten zurückzubringen und mit den Bomben an Bord zu landen. Im Zweiten Weltkrieg war es den Bomberbesatzungen ansonsten aus Sicherheitsgründen vorgeschrieben, nicht eingesetzte Bomben vor der Landung abzuwerfen.
Erst, als der Bedarf einer solchen Waffe erkannt wurde, gab die Führung grünes Licht.


== Technische Daten ==
== Technische Daten ==

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{| class="wikitable"
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| Länge ||6,35 m
| Länge || 6,35 m
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|Durchmesser ||950 mm
| Durchmesser || 950&nbsp;mm
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|Gewicht ||5.443 kg (12.000 lbs)
| Gewicht || 5.443&nbsp;kg (12.000&nbsp;lbs)
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|Gefechtskopf ||2.358 kg "[[Torpex]] D1" ('''Torp'''edo '''ex'''plosive; engl. für Torpedosprengstoff)
| Gefechtskopf || 2.358&nbsp;kg [[Torpex]] D1“ ('''''Torp'''edo '''ex'''plosive''; engl. für Torpedosprengstoff)
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|Anzahl eingesetzt ||854
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| Anzahl eingesetzt || 854
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==Tallboy-Einsätze (chronologisch) ==
== Tallboy-Einsätze ==
* Eisenbahntunnel von [[Saumur]] – Die Nordsüd-Strecke über die [[Loire]]. 25 Lancaster der „Dambusters“ genannten [[No. 617 Squadron]] (davon 19 mit Tallboys und 6 konventionell ausgerüstet) griffen in der Nacht vom 8. zum 9.&nbsp;Juni 1944 an. Dies war der erste Einsatz der Tallboy, der Tunnel wurde dabei zerstört – einer der Tallboys bohrte sich durch die Hügelkette und explodierte 20 Meter darunter im Tunnel, der daraufhin einstürzte. Keines der angreifenden Flugzeuge ging verloren.
* [[U-Bootbunker]] bei [[Le Havre]] – Am 14. Juni 1944 griffen während der ersten massiven Tagangriffe seit Mai 1943 22 Lancaster der No. 617&nbsp;Squadron der RAF die stark befestigten Anlagen an. Sie leisteten damit lediglich die Vorarbeit vor dem Anflug der eigentlichen ersten Bomberwelle. Mehrere Treffer waren zu verzeichnen, eine der Bomben durchschlug die Decke.
* [[Blockhaus d’Éperlecques]] im Wald von [[Éperlecques]] – wurde am 19.&nbsp;Juni 1944 im Rahmen der [[Operation Crossbow]] von der No. 617 angegriffen. Der am nächsten abgeworfene Tallboy explodierte 46 Meter vom Ziel entfernt. Der Angriff wurde am 27.&nbsp;Juli wiederholt: ein Tallboy-Treffer, der den Betonpanzer jedoch nicht durchdringen konnte.
* [[La Coupole]], [[A4 (Rakete)|V2]]-[[Bunker (Bauwerk)|Bunker]] bei [[Wizernes]] ([[Département Pas-de-Calais]]) – am 24.&nbsp;Juni 1944 bombardiert. Die 617.&nbsp;Squadron erzielte auch hier mehrere Tallboy-Volltreffer, konnte die Betonkuppel allerdings nicht ernsthaft beschädigen.
* [[Siracourt]], [[Fieseler Fi 103|V1]]-Bunker – Die Lancaster der No. 617 erzielten am 25.&nbsp;Juni 1944 ohne eigene Verluste drei Tallboy-Treffer.
* Bombardierung eines weiteren Eisenbahntunnels bei [[Rilly-la-Montagne]], der als V1-Lagerstätte genutzt wurde (25.&nbsp;Juli 1944). Beide Tunneleinfahrten stürzten nach Tallboy-Treffern ein. Auch dieser Einsatz wurde von den ''Dam Busters'' geflogen.
* [[Kanone V3|V3]]-Geschützstellung von [[Mimoyecques (V3-Bunker)|Mimoyecques]] – Diese deutsche Geschützstellung wurde von der No. 617 durch drei Tallboy-Treffer zerstört, bevor sie gegen London eingesetzt werden konnten (6. Juli 1944).
* Am 5. August 1944 griffen 15 Lancaster der No. 617 die U-Bootbunker in [[Brest (Finistère)|Brest]] an und erzielten sechs Tallboy-Volltreffer, die allesamt die mehrere Meter dicke, speziell verstärkte Decke durchschlugen. Eine Lancaster wurde dabei von der Flak abgeschossen.
* [[Dortmund-Ems-Kanal]] in der Nähe von [[Ladbergen]], nördlich von [[Münster]]. Ziel war es, den Dortmund-Ems-Kanal an der Unterführung des [[Ladberger Mühlenbach|Mühlenbachs]] zu zerstören, um den Kanal auslaufen zu lassen – dies gelang jedoch nie.<ref>Willi Riegert: ''Heimat unter Bomben. Der Luftkrieg im Raum Steinfurt und in Münster und Osnabrück 1939–1945.'' Laumann Druck, 2003, ISBN 978-3-89960-235-7.</ref>
* Stauwehr [[Weil am Rhein#Bauwerke|Märkt]] nördlich von Basel – Die alliierte Führung befürchtete, die angestauten Wassermassen des Rheins könnten benutzt werden, um den vorrückenden US-Truppen den Weg zu versperren. Am 7.&nbsp;Oktober 1944 zerstörten die ''Dam Busters'' die Schleusentore mit aus niedriger Höhe abgeworfenen Tallboys, woraufhin das Wasser ablief.
* [[Sorpetalsperre|Sorpe-Talsperre]] – Der schon einmal von den [[Rollbombe|Dam Busters]] bei der [[Operation Chastise]] attackierte [[Staudamm]] widerstand auch diesmal dem Angriff, obwohl mehrere Volltreffer beobachtet wurden (15.&nbsp;Oktober 1944).
* Schlachtschiff ''[[Tirpitz (Schiff, 1941)|Tirpitz]]'' der [[Kriegsmarine]] – Da sich der Liegeplatz im [[Kåfjord (Finnmark)|Kåfjord]] außerhalb der Reichweite britischer Bomberstützpunkte befand, griffen am 15.&nbsp;September 1944 die 617. und die 9.&nbsp;Squadron mit insgesamt 24 Tallboys von [[Yagodnik]] in der Nähe von [[Archangelsk]] in Russland aus das Schiff an. Der einzige Treffer, der das Vorschiff 10 Meter hinter dem Bug auf Höhe des Kettenstoppers durchschlug und außenbords unter Wasser detonierte, beschädigte es so schwer, dass es nicht mehr seefähig war und nach einer Behelfsreparatur zwar mit eigener Kraft, aber nur noch mit höchstens 10 Knoten zu einem Liegeplatz bei [[Tromsø]] verlegt wurde. Die RAF startete am 29.&nbsp;Oktober 1944 von der Basis [[RAF Lossiemouth|Lossiemouth]] (Schottland) aus einen weiteren Angriff mit 32 Lancaster-Bombern, wobei der einzige Nahtreffer die Backbord-Außenwelle (die Außenstopfbuchse) beschädigte sowie das Achterschiff aufriss und backbordseitig auf 35 Meter unter Wasser setzte. Bei einem dritten Angriff am 12.&nbsp;November 1944 mit 29 geworfenen Bomben verursachten zwei Tallboy-Volltreffer sowie zwei Nahtreffer<ref>Gerhard Koop und Klaus-Peter Schmolke: ''Die Schlachtschiffe der Bismarck-Klasse.'' S. 60–61.</ref> das Kentern der ''Tirpitz'', die aber nicht vollständig sank, weil die Aufbauten im seichten Wasser Grundberührung hatten.
* [[Torpedobunker IJmuiden|Schnellbootbunker bei IJmuiden]] – Am 15. Dezember 1944 griff die No. 617 die Anlage mit Tallboys an, die Einschläge konnten aufgrund starker Rauchentwicklung nicht beobachtet werden.
* U-Boot-Bunker in [[Bergen (Norwegen)|Bergen]] – bombardiert von der No. 617 und der No. 9 Squadron mit Tallboys (12.&nbsp;Januar 1945). Drei Volltreffer durchschlugen die 3,5 Meter dicke Stahlbetondecke des Bunkers und richteten massive Zerstörungen an. Bei dem Angriff wurden drei Lancaster-Bomber abgeschossen.
* [[Schnellboot]]bunker bei IJmuiden – erneute Bombardierung durch die No. 9 Squadron mit Tallboys am 3.&nbsp;Februar 1945.
* U-Bootbunker in [[Poortershaven]] – von der 617. am 3. Februar 1945 mit Tallboys angegriffen.
* U-Bootbunker IJmuiden – erneuter Tallboy-Angriff der No. 617 am 8. Februar 1945, keine britischen Verluste.
* [[Schildescher Viadukt]] bei Bielefeld – am 14. März 1945 von der No. 617 und der No. 9 [[Staffel (Militär)|Squadron]] mit Tallboys und der ersten [[Grand Slam (Bombe)|Grand Slam Bombe]] bombardiert. Der Eisenbahnviadukt stürzte auf einer Länge von knapp 100 Metern ein. Es gab keine [[Volltreffer]]. Die Grand-Slam-Bombe detonierte 30 Meter südlich der Brücke tief in der Erde; die [[Druckwelle]]n waren kilometerweit zu spüren. Der [[Explosionskrater|Bombenkrater]] war 18 Meter tief.<ref>Axel Frick: ''Als in Schildesche die Erde bebte – Die Geschichte des Viaduktes'', Heka-Verlag Heinz Kameier, [[Leopoldshöhe]] 1985, 1. Auflage, 96 Seiten. Auf Seite 66 wird die Einsturzlänge mit „etwa 130 Metern“ angegeben.</ref>
* [[Arnsberger Viadukt]] – Angriff der 9. am 15. März 1945 mit einer Grand Slam und zehn Tallboy-Bomben; das Bauwerk hielt stand. Beim erneuten Angriff am 19.&nbsp;März zerstörten sechs Grand-Slam- und zwölf Tallboy-Bomben das Viadukt.
* [[U-Boot-Bunker Valentin]] in [[Bremen-Farge]]: Am 27. März griffen 18 Lancaster mit 13 Grand Slams, vier Tallboys und zwölf 454-kg-Bomben an. Zwei Grand Slams rissen jeweils acht Meter große Löcher in die Bunkerdecke.
* [[Mineralölwerk Lützkendorf]] (bei [[Krumpa]] im [[Geiseltal]]) der [[Wintershall|Wintershall AG]]: In der Nacht vom 8. zum 9.&nbsp;April 1945 mit 18 Maschinen der No. 9&nbsp;Squadron. 17 Tallboys über dem Ziel realisiert, ein Abbruch auf Grund von Triebwerksproblemen und Abwurf in der Nähe von Cochem, ein Abschuss durch Flak beim Zielanflug. Lützkendorf wurde als letztes produzierendes Treibstoffwerk im Deutschen Reich total zerstört. Darauf wurde die alliierte Offensive gegen die Hydrierwerke am 12.&nbsp;April 1945 eingestellt.
* U-Bootbunker [[Fink II]], Hamburg – Am 9. April 1945 von der No. 617 mit Tallboys und Grand Slam Bomben angegriffen. Mehrere Treffer, keine eigenen Verluste.
* Schwerer Kreuzer ''[[Deutschland (Schiff, 1933)|Lützow]]'' (vormals Panzerschiff ''Deutschland'') – am 16.&nbsp;April 1945 in der [[Kaiserfahrt]] bei Swinemünde von der No. 617&nbsp;Squadron trotz schwersten Flakfeuers mit Tallboys und 500-kg-Bomben angegriffen. Ein Tallboy-Nahtreffer verursachte einen etwa 20 Meter langen Riss in der Wasserlinie, worauf der Kreuzer in dem seichten Wasser auf Grund sank. Von den 15 angreifenden Bombern kehrte einer nicht zurück. Dies war der letzte Verlust des Geschwaders während des Krieges. Am 16. September 2019 wurde ein Tallboy-Blindgänger im Zuge der Vertiefungsarbeiten im Kanal gefunden.<ref>{{Internetquelle |autor=iswinoujscie.pl |url=http://www.iswinoujscie.pl/artykuly/62065/?v=1 |titel=Jest się czego bać. W Świnoujściu znaleziono największy niewybuch w Polsce. Zobacz film! |abruf=2019-09-20 |sprache=pl}}</ref> Der Blindgänger wurde nach akribischen Vorbereitungen am 13. Oktober 2020 von polnischen Marinetauchern gesprengt.<ref name=":0">{{Internetquelle |autor=Der Spiegel |url=https://www.spiegel.de/panorama/tallboy-riesige-weltkriegsbombe-in-swinemuende-entschaerft-a-c7f06914-33e3-4bd5-b7bf-f768ce0f670b |titel=Polens Superbombe - "Tallboy" - der große Junge gesprengt – Der Spiegel – Panorama |abruf=2020-10-14 |sprache=de}}</ref>
* Küstenbatterien auf [[Helgoland]] – Angriff am 19. April 1945 von der 617. und der 9. mit Tallboys. Alle Stellungen wurden getroffen, keine eigenen Verluste.
* Hitlers [[Kehlsteinhaus]] bei [[Berchtesgaden]] – nicht getroffen – am 25.&nbsp;April 1945 von einer gemischten Einheit (unter anderem die No. 617, die ihre letzten Tallboys abwarf) angegriffen.


== Erhaltene Exemplare ==
* Saumur Eisenbahntunnel – Die Nord-Süd Strecke auf der Loire. 25 Lancaster der „[[Dam Busters]]“ (davon 19 mit Tallboys und 6 konventionell augerüstet) griffen in der Nacht vom [[8. Juni|8.]] zum [[9. Juni]] [[1944]] an. Dies war der erste Einsatz der Tallboy, der Tunnel wurde dabei zerstört - einer der Tallboys bohrte sich durch die Hügelkette und explodierte 20 Meter darunter im Tunnel, der daraufhin einstürzte. Keines der angreifenden Flugzeuge ging verloren.
[[Datei:Schleswig-Holstein, Kreis Pinneberg, Helgoland im Juli 2019 NIK 7698.jpg|mini|hochkant|Tallboy im [[Museum Helgoland]]]]
* [[U-Boot]]-Bunker bei [[Le Havre]] – Am [[14. Juni]] 1944 griffen während den ersten massiven Tagangriffen der RAF seit Mai 1943 22 Lancaster der [[Dam_Busters|617.]] die stark befestigten Anlagen an. Sie leisteten damit lediglich die Vorarbeit vor Anflug der eigentlichen ersten Bomberwelle. Mehrere Treffer waren zu verzeichnen, eine der Bomben durchschlug die Decke.
Im U-Boot-Bunker Valentin wird noch heute ein Mantelrest einer Tallboy gelagert und während einer Bunkerführung gezeigt. Da der Bunker nach dem Krieg zu Testzwecken angegriffen wurde, ist unklar, ob es sich um eine Bombe des Angriffs vom 27.&nbsp;März 1945 oder aus den Testangriffen handelt.
* [[Eperleques]] [[Blockhaus]] im Wald bei [[Watten, Nord|Watten]] – wurde am [[19. Juni]] 1944 von der 617. angegriffen. Der nächste Tallboy explodierte 46 Meter vom Ziel entfernt. (Angriff wurde am [[27. Juli]] wiederholt: ein Tallboy-Treffer, der den Panzer jedoch nicht durchdringen konnte.)
* [[La Coupole]] [[V2]]-[[Bunker]] bei [[Wizernes]] – am [[24. Juni]] 1944 bombardiert. Die 617. Squadron erzielte auch hier mehrere Tallboy-Volltreffer, konnte die Betonkuppeln allerdings nicht ernsthaft beschädigen.
* [[Siracourt]] [[V1]]-Stellungen – Die Lancaster der 617. erzielte ohne eigene Verluste drei Tallboy-Treffer. Über die Auswirkungen ist nichts bekannt ([[25. Juni]] 1944).
* Bombardierung eines weiteren Eisenbahntunnels bei [[Rilly La Montage]], der als V1-Lagerstätte genutzt wurde ([[25. Juli]] 1944). Beide Tunneleinfahrten stürzten nach Tallboy-Treffern ein. Auch dieser Einsatz wurde von den Dam Busters geflogen.
* [[V3]]-Geschütze bei [[Mimoyecques]] – Diese deutschen Riesengeschütze wurden von der 617. durch mehrere Tallboy-Treffer zerstört, bevor sie gegen London eingesetzt werden konnten ([[6. Juli]] 1944)
* Am [[5. August]] 1944 griffen 15 Lancaster der 617. die U-Boot-Bunker in [[Brest, Frankreich|Brest]] an und erzielten sechs Tallboy-Volltreffer, die allesamt die mehrere Meter dicke, speziell verstärkte Decke durchschlugen. Eine Lancaster wurde dabei von der Flak abgeschossen. Darauffolgende Bemühungen der Kriegsmarine, die verbleibenden Stützpunkte mit noch dickeren Betondecken zu verstärken, beanspruchte dringend benötigte Ressourcen anderer Bauvorhaben.
* [[Dortmund-Ems-Kanal]] in der Nähe von [[Ladbergen]], nördlich von [[Münster (Westfalen)|Münster]] – Die 617. erzielte auch hier sechs Tallboy-Volltreffer (Nacht vom [[23. September|23.]] zum [[24. September]] 1944)
* [[Kemb]]-Talsperre nördlich von Basel – Die alliierte Führung befürchtete, die angestauten Wassermassen könnten benutzt werden, um den vorrückenden US-Truppen den Weg zu versperren. Am [[7. Oktober]] 1944 zerstörten die Dam Busters die Schleusentore mit aus niedriger Höhe abgeworfenen Tallboys, woraufhin das Wasser ablief.
* [[Sorpesee|Sorpe Talsperre]] – Der schon einmal von den Dam Busters attackierte [[Staudamm]] widerstand auch diesmal dem Angriff, obwohl mehrere Volltreffer beobachtet wurden ([[15. Oktober]] 1944)
* Das deutsche Schlachtschiff [[Tirpitz]] – Die ''Tirpitz'' bedrohte die Konvois, die von den Westalliierten durch die Arktis geschickt wurden, um die Sowjetunion zu unterstützen. Da ihr Liegeplatz außerhalb der Reichweite britischer Bomberstützpunkte war, griffen die 617. und die 9. Squadron der RAF mit insgesamt 24 Tallboys von [[Yagodnik]] in der Nähe von [[Archelansk]] in Russland an ([[15. September]] 1944). Angesichts des massiven Flakfeuers und der sehr starken Rauchentwicklung gelang es den Besatzungen nicht, das Schiff zu versenken. Es wurde jedoch so schwer beschädigt, dass es nach Süden in den [[Fjord]] von [[Tromsø]] ausweichen musste, um repariert werden zu können. Dieser Fjord lag jedoch in der Reichweite der RAF. Von [[Lossiemouth]] aus wurde sie im Oktober erneut angegriffen, jedoch ohne Erfolg. Letztendlich griffen am [[12. November]] 1944 beide Geschwader erneut an und erzielten drei Volltreffer auf der Tirpitz, die daraufhin sehr schnell kenterte und sank.
* [[U-Boot]]-Bunker bei [[Ijmuiden]] – Am [[15. Dezember]] 1944 griff die 617. die Anlage mit Tallboys an, die Einschläge konnten aufgrund starker Rauchentwicklung nicht beobachtet werden.
* U-Boot-Bunker in [[Bergen]] – bombardiert von der 617. und der 9. mit Tallboys ([[12. Januar]] [[1945]]). Drei Volltreffer durchschlugen die über 3,5 Meter dicke Stahlbetondecke des Bunkers und richteten massive Zerstörungen an. Drei Lancaster wurden abgeschossen.
* U-Boot-Bunker bei Ijmuiden – erneute Bombardierung durch die 9. Squadron mit Tallboys am [[3. Februar]] 1945. Mehrere vermutete Treffer, keine eigenen Verluste.
* U-Boot-Bunker in [[Poortershaven]] – von der 617. am [[3. Februar]] 1945 mit Tallboys angegriffen. Mehrere vermutete Treffer, keine eigenen Verluste.
* U-Boot-Bunker Ijmuiden – erneuter Tallboy-Angriff der 617. am [[8. Februar]] 1945, keine eigenen Verluste.
* [[Bielefeld]]er und [[Arnsberg]]er Eisenbahnviadukte – bombardiert von der 617. und der 9. mit Tallboys und der ersten [[Grand_Slam (Bombe)|Grand Slam]]-Bombe am [[14. März]] 1945. Der Arnsberger Viadukt hielt stand, der Bielefelder Viadukt jedoch stürzte auf einer Länge von knapp 100 Meter in sich zusammen, da er den erdbebenartigen Schockwellen der "Grand Slam" und Tallboys nicht standhielt.
* Arnsberger Viadukt – Zweiter Angriff der 9. am [[15. März]] 1945, auch diesmal hielt das Bauwerk stand.
* [[U-Bootbunker Valentin]] in [[Bremen-Farge]]: Am 27. März greifen 18 Lancaster mit 13 Grand Slam, vier Tallboys und zwölf 454kg Bombenan. Zwei Grand Slam reissen jeweils acht Meter große Löcher.
* [[Hamburg]]er U-Boot-Bunker – Am [[9. April]] 1945 von der 617. mit Tallboys und Grand Slam Bomben angegriffen. Mehrere Treffer, keine eigenen Verluste.
* Westentaschen-Schlachtschiff ''[[Panzerschiff_Lützow|Lützow]]'' – am [[16. April]] 1945 von der 617. trotz schwersten Flakfeuers mit Tallboys und 500-kg-Bomben angegriffen. Ein Tallboy-Nahtreffer verursachte einen etwa 20 Meter langen Riss in der Wasserlinie, worauf der Kreuzer in dem seichten Wasser auf Grund sank. Von den 15 angreifenden Bombern kehrte einer nicht zurück. Dies war der letzte Verlust des Geschwaders während des Krieges.
* Küstenbatterien auf [[Helgoland]] – bombardiert am [[19. April]] 1945 von der 617. und der 9. mit Tallboys. Alle Stellungen wurden getroffen, keine eigenen Verluste.
* Hitlers [[Kehlsteinhaus]] („Eagle's Nest“) bei [[Berchtesgaden]] – bombardiert am [[25. April]] 1945 von einer gemischten Einheit (unter anderem die 617., die ihre letzten Tallboys abwarf.)


Im Ortskern von [[Krumpa]] am ehemaligen [[Mineralölwerk Lützkendorf]] kann das vollständige Kopfteil einer Tallboy frei besichtigt werden. Es steht auf einem Sockel gegenüber dem öffentlich zugänglichen Bunker-Denkmal ''"B134a-Luftschutzbunker Krumpa"'' und dient als Mahnmal gegen Krieg und Zerstörung. Diese Bombe wurde während des Angriffs vom 8./9.&nbsp;April 1945 abgeworfen.
== Hinweis ==
Im [[U-Bootbunker Valentin]] wird noch heute ein Mantelrest einer '''Tallboy''' gelagert und während einer
Bunkerführung gezeigt. Da der Bunker nach dem Krieg zu Testzwecken angegriffen wurde, ist unklar ob es sich um eine Bombe des Angriffs oder eine aus den Testangriffen handelt.


Auf Helgoland befindet sich eine komplett erhaltene Tallboy im Museumshof der Insel.

== Siehe auch ==
* [[BLU-82 Commando Vault]] (Daisy Cutter)
* [[Grand Slam (Bombe)|Grand Slam]]
* [[Massive Ordnance Penetrator]]
* [[FAB-9000]]
* [[MOAB]]
* [[Robust Nuclear Earth Penetrator]]
* [[Cloudmaker|T-12 Cloudmaker]]
* [[Vater aller Bomben]]
* [[Zarenbombe]]


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Tallboy bomb|Tallboy (Bombe)}}
* [http://www.marinekameradschaft-muenchen.de/Bilder/tirpitztallboy.jpg Bild vom Tallboy]
* [http://www.barneswallistrust.org/dambusters.htm Barnes Wallis Trust (engl.)]
* [http://www.barneswallistrust.org/dambusters.htm Barnes Wallis Trust] (englisch)
* [http://spartacus-educational.com/2WWtallboy.htm Artikel bei Spartacus: Tallboy] (englisch)
* [http://www.constable.ca/bombs.htm Britische Bomben im 2. Weltkrieg (engl.]
* [http://www.wsv.de/wsd-sw/wir_ueber_uns/veroeffentlichungen/oeffentlichkeitsarbeit/informationsschrift_2007/pdf/Seite-65-67-Kampfmittelerkundung.pdf Bericht des WSA Freiburg mit Beschreibung einer Tallboy-Bombe mit Langzeitzünder (30 min)] (PDF; 531&nbsp;kB)
* [http://www.ww2guide.com/bombs.shtml Bomben, Bordwaffen, Raketen, Flugzeuge (engl.)]
* [http://www.spartacus.schoolnet.co.uk/2WWtallboy.htm Artikel bei Spartacus: Tallboy (engl.)]


== Einzelnachweise ==
[[Kategorie:Bombe]]
<references />
[[Kategorie:Luftkrieg]]


[[Kategorie:Bombe]]
[[en:Tallboy bomb]]
[[Kategorie:Fliegerbombe]]
[[he:טולבוי]]
[[Kategorie:Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg]]
[[ja:トールボーイ]]
[[Kategorie:Militärtechnik (Zweiter Weltkrieg)]]

Aktuelle Version vom 26. Januar 2025, 03:58 Uhr

Tallboy wird für den Angriff auf La Coupole verladen

Die Tallboy-Bombe (von englisch tall boy „großer Junge“) war eine Fliegerbombe der Royal Air Force (RAF) und wurde von dem britischen Ingenieur Barnes Wallis entwickelt, darf aber nicht mit der namensähnlichen Little Boy verwechselt werden. Sie war eine bunkerbrechende Waffe. Die offizielle Bezeichnung lautete D.P.12000 lb (Deep Penetration, 12.000 Pfund). Mit einem Gewicht von 5,4 Tonnen, davon 2,4 t hochbrisanter Sprengstoff mit einem Äquivalent von 3,6 t TNT[1], sowie einem Verzögerungs- bzw. Langzeitzünder war sie speziell für den Einsatz gegen stark befestigte Betonbauten und Bunker konzipiert worden, gegen die sich kleinere Bomben als unzureichend erwiesen hatten. Ab Frühjahr 1944 wurden insgesamt 854 Bomben an die Verbände der RAF ausgeliefert. Im November 1944 brachten mehrere Tallboys das deutsche Schlachtschiff Tirpitz zum Kentern.

Tallboy auf einem Bombenanhänger im Brooklands Museum

Im Bewusstsein, dass der Feind durch Zerstörung seiner Infrastruktur und Fertigungsstätten empfindlich geschwächt werden würde, entwickelte Barnes Wallis bereits zu Beginn des Zweiten Weltkriegs fortschrittliche Bombentypen auf Basis einzelner überschwerer Bomben.

Schon vor dem Krieg hatte er die Idee einer Zehn-Tonnen-Bombe, die nach dem „Erdbebenprinzip“ arbeitete, in seiner Studie A Note on a Method of Attacking the Axis Powers (etwa „Notiz über eine Möglichkeit, die Achsenmächte anzugreifen“) vorgestellt.

Wirkung des Einschlags auf Fink II

Seine Berechnungen zeigten, dass eine sehr große Bombe, die in der Nähe eines Ziels unterirdisch detoniert, eher ein „camouflet“, eine unterirdische, durch eine Explosion verursachte Höhlung statt eines Kraters verursachen würde. Dadurch würde fast die gesamte Energie der Explosion vom Erdboden aufgenommen, und über die Fundamente würde ein deutlich höherer Anteil der Explosionsenergie als Schockwelle auf das Ziel einwirken als bei Explosionen an der Oberfläche, bei denen ein Großteil des Explosionsdruckes in die Atmosphäre entweicht und (mehr oder weniger wirkungslos) verpufft.

Die Tragekapazität britischer Vorkriegsbomber war damals bei weitem zu gering für derart schwere Waffen. Ab 1939 machte die Flugzeugmotoren-Technik schnelle Fortschritte: Es war wichtig, welche Flugzeuge schneller und/oder höher fliegen konnten als die gegnerischen beziehungsweise mit welchen Flugmanövern zum Beispiel Bomber reagieren konnten, die von gegnerischen Jagdflugzeugen angegriffen wurden.

Wallis kehrte in den 1940er Jahren zu seinen Entwürfen für die „Erdbebenbomben“ zurück, als die von ihm entwickelte Rollbombe erfolgreich gegen deutsche Staudämme eingesetzt werden konnte (Operation Chastise, Mai 1943) und in der Folge das Interesse an gezielten strategischen Einsätzen stark zunahm.

Mahnmal Tallboy Krumpa

Im Vorfeld der geplanten Landung in der Normandie (Juni 1944) hatte die Royal Air Force (RAF) ein offenes Ohr für visionäre Gedanken, da sie eine geeignete Waffe benötigte, um weitere große zivile Bauwerke (wie beispielsweise Tunnel und Brücken), schwer gepanzerte Ziele (zum Beispiel Schlachtschiffe) und Betonbauten (Bunker) ausschalten zu können. Sie wollte Ziele am Atlantikwall (zum Beispiel U-Boot-Bunker und Küstenstädte, die Hitler zu „Festungen“ erklärt hatte) entscheidend treffen.

Auch 1943 hatte die RAF noch keine geeignete Plattform zum Einsatz einer zehn Tonnen schweren Bombe. Wallis begann deshalb mit der Entwicklung verkleinerter Versionen, von denen eine die 12.000 lbs schwere Tallboy-Bombe werden sollte.

Die Entwicklung und die Produktion der Waffe(n) erfolgten damals, obwohl weder ein offizieller Auftrag des Ministeriums erteilt noch ein Vertrag abgeschlossen worden war. Die RAF warf also Bomben ab, die sie noch nicht einmal gekauft hatte. Sie waren noch immer Eigentum ihres Herstellers Vickers-Armstrongs. Erst als der Bedarf an einer solchen Waffe erkannt wurde, gab die Führung grünes Licht.

Die Bombe erhielt eine langgezogene aerodynamische Form. Dabei zeigten erste Ausführungen eine Neigung zum Taumeln, was die Zielgenauigkeit, die aufgrund der großen Abwurfhöhe ohnehin beschränkt war, verminderte. Daraufhin wurden die Leitwerke so verändert, dass sie die Bombe in eine Längsrotation versetzten und damit drallstabilisierten.

Wie bei der Grand Slam wurden die Bomberbesatzungen aus Kostengründen angewiesen, nicht abgeworfene Bomben wieder zu den Stützpunkten zurückzubringen und mit den Bomben an Bord zu landen. Im Zweiten Weltkrieg war es den Bomberbesatzungen ansonsten aus Sicherheitsgründen vorgeschrieben, nicht eingesetzte Bomben vor der Landung abzuwerfen.

Technische Daten

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Länge 6,35 m
Durchmesser 950 mm
Gewicht 5.443 kg (12.000 lbs)
Gefechtskopf 2.358 kg „Torpex D1“ (Torpedo explosive; engl. für Torpedosprengstoff)
Anzahl eingesetzt 854

Tallboy-Einsätze

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  • Eisenbahntunnel von Saumur – Die Nordsüd-Strecke über die Loire. 25 Lancaster der „Dambusters“ genannten No. 617 Squadron (davon 19 mit Tallboys und 6 konventionell ausgerüstet) griffen in der Nacht vom 8. zum 9. Juni 1944 an. Dies war der erste Einsatz der Tallboy, der Tunnel wurde dabei zerstört – einer der Tallboys bohrte sich durch die Hügelkette und explodierte 20 Meter darunter im Tunnel, der daraufhin einstürzte. Keines der angreifenden Flugzeuge ging verloren.
  • U-Bootbunker bei Le Havre – Am 14. Juni 1944 griffen während der ersten massiven Tagangriffe seit Mai 1943 22 Lancaster der No. 617 Squadron der RAF die stark befestigten Anlagen an. Sie leisteten damit lediglich die Vorarbeit vor dem Anflug der eigentlichen ersten Bomberwelle. Mehrere Treffer waren zu verzeichnen, eine der Bomben durchschlug die Decke.
  • Blockhaus d’Éperlecques im Wald von Éperlecques – wurde am 19. Juni 1944 im Rahmen der Operation Crossbow von der No. 617 angegriffen. Der am nächsten abgeworfene Tallboy explodierte 46 Meter vom Ziel entfernt. Der Angriff wurde am 27. Juli wiederholt: ein Tallboy-Treffer, der den Betonpanzer jedoch nicht durchdringen konnte.
  • La Coupole, V2-Bunker bei Wizernes (Département Pas-de-Calais) – am 24. Juni 1944 bombardiert. Die 617. Squadron erzielte auch hier mehrere Tallboy-Volltreffer, konnte die Betonkuppel allerdings nicht ernsthaft beschädigen.
  • Siracourt, V1-Bunker – Die Lancaster der No. 617 erzielten am 25. Juni 1944 ohne eigene Verluste drei Tallboy-Treffer.
  • Bombardierung eines weiteren Eisenbahntunnels bei Rilly-la-Montagne, der als V1-Lagerstätte genutzt wurde (25. Juli 1944). Beide Tunneleinfahrten stürzten nach Tallboy-Treffern ein. Auch dieser Einsatz wurde von den Dam Busters geflogen.
  • V3-Geschützstellung von Mimoyecques – Diese deutsche Geschützstellung wurde von der No. 617 durch drei Tallboy-Treffer zerstört, bevor sie gegen London eingesetzt werden konnten (6. Juli 1944).
  • Am 5. August 1944 griffen 15 Lancaster der No. 617 die U-Bootbunker in Brest an und erzielten sechs Tallboy-Volltreffer, die allesamt die mehrere Meter dicke, speziell verstärkte Decke durchschlugen. Eine Lancaster wurde dabei von der Flak abgeschossen.
  • Dortmund-Ems-Kanal in der Nähe von Ladbergen, nördlich von Münster. Ziel war es, den Dortmund-Ems-Kanal an der Unterführung des Mühlenbachs zu zerstören, um den Kanal auslaufen zu lassen – dies gelang jedoch nie.[2]
  • Stauwehr Märkt nördlich von Basel – Die alliierte Führung befürchtete, die angestauten Wassermassen des Rheins könnten benutzt werden, um den vorrückenden US-Truppen den Weg zu versperren. Am 7. Oktober 1944 zerstörten die Dam Busters die Schleusentore mit aus niedriger Höhe abgeworfenen Tallboys, woraufhin das Wasser ablief.
  • Sorpe-Talsperre – Der schon einmal von den Dam Busters bei der Operation Chastise attackierte Staudamm widerstand auch diesmal dem Angriff, obwohl mehrere Volltreffer beobachtet wurden (15. Oktober 1944).
  • Schlachtschiff Tirpitz der Kriegsmarine – Da sich der Liegeplatz im Kåfjord außerhalb der Reichweite britischer Bomberstützpunkte befand, griffen am 15. September 1944 die 617. und die 9. Squadron mit insgesamt 24 Tallboys von Yagodnik in der Nähe von Archangelsk in Russland aus das Schiff an. Der einzige Treffer, der das Vorschiff 10 Meter hinter dem Bug auf Höhe des Kettenstoppers durchschlug und außenbords unter Wasser detonierte, beschädigte es so schwer, dass es nicht mehr seefähig war und nach einer Behelfsreparatur zwar mit eigener Kraft, aber nur noch mit höchstens 10 Knoten zu einem Liegeplatz bei Tromsø verlegt wurde. Die RAF startete am 29. Oktober 1944 von der Basis Lossiemouth (Schottland) aus einen weiteren Angriff mit 32 Lancaster-Bombern, wobei der einzige Nahtreffer die Backbord-Außenwelle (die Außenstopfbuchse) beschädigte sowie das Achterschiff aufriss und backbordseitig auf 35 Meter unter Wasser setzte. Bei einem dritten Angriff am 12. November 1944 mit 29 geworfenen Bomben verursachten zwei Tallboy-Volltreffer sowie zwei Nahtreffer[3] das Kentern der Tirpitz, die aber nicht vollständig sank, weil die Aufbauten im seichten Wasser Grundberührung hatten.
  • Schnellbootbunker bei IJmuiden – Am 15. Dezember 1944 griff die No. 617 die Anlage mit Tallboys an, die Einschläge konnten aufgrund starker Rauchentwicklung nicht beobachtet werden.
  • U-Boot-Bunker in Bergen – bombardiert von der No. 617 und der No. 9 Squadron mit Tallboys (12. Januar 1945). Drei Volltreffer durchschlugen die 3,5 Meter dicke Stahlbetondecke des Bunkers und richteten massive Zerstörungen an. Bei dem Angriff wurden drei Lancaster-Bomber abgeschossen.
  • Schnellbootbunker bei IJmuiden – erneute Bombardierung durch die No. 9 Squadron mit Tallboys am 3. Februar 1945.
  • U-Bootbunker in Poortershaven – von der 617. am 3. Februar 1945 mit Tallboys angegriffen.
  • U-Bootbunker IJmuiden – erneuter Tallboy-Angriff der No. 617 am 8. Februar 1945, keine britischen Verluste.
  • Schildescher Viadukt bei Bielefeld – am 14. März 1945 von der No. 617 und der No. 9 Squadron mit Tallboys und der ersten Grand Slam Bombe bombardiert. Der Eisenbahnviadukt stürzte auf einer Länge von knapp 100 Metern ein. Es gab keine Volltreffer. Die Grand-Slam-Bombe detonierte 30 Meter südlich der Brücke tief in der Erde; die Druckwellen waren kilometerweit zu spüren. Der Bombenkrater war 18 Meter tief.[4]
  • Arnsberger Viadukt – Angriff der 9. am 15. März 1945 mit einer Grand Slam und zehn Tallboy-Bomben; das Bauwerk hielt stand. Beim erneuten Angriff am 19. März zerstörten sechs Grand-Slam- und zwölf Tallboy-Bomben das Viadukt.
  • U-Boot-Bunker Valentin in Bremen-Farge: Am 27. März griffen 18 Lancaster mit 13 Grand Slams, vier Tallboys und zwölf 454-kg-Bomben an. Zwei Grand Slams rissen jeweils acht Meter große Löcher in die Bunkerdecke.
  • Mineralölwerk Lützkendorf (bei Krumpa im Geiseltal) der Wintershall AG: In der Nacht vom 8. zum 9. April 1945 mit 18 Maschinen der No. 9 Squadron. 17 Tallboys über dem Ziel realisiert, ein Abbruch auf Grund von Triebwerksproblemen und Abwurf in der Nähe von Cochem, ein Abschuss durch Flak beim Zielanflug. Lützkendorf wurde als letztes produzierendes Treibstoffwerk im Deutschen Reich total zerstört. Darauf wurde die alliierte Offensive gegen die Hydrierwerke am 12. April 1945 eingestellt.
  • U-Bootbunker Fink II, Hamburg – Am 9. April 1945 von der No. 617 mit Tallboys und Grand Slam Bomben angegriffen. Mehrere Treffer, keine eigenen Verluste.
  • Schwerer Kreuzer Lützow (vormals Panzerschiff Deutschland) – am 16. April 1945 in der Kaiserfahrt bei Swinemünde von der No. 617 Squadron trotz schwersten Flakfeuers mit Tallboys und 500-kg-Bomben angegriffen. Ein Tallboy-Nahtreffer verursachte einen etwa 20 Meter langen Riss in der Wasserlinie, worauf der Kreuzer in dem seichten Wasser auf Grund sank. Von den 15 angreifenden Bombern kehrte einer nicht zurück. Dies war der letzte Verlust des Geschwaders während des Krieges. Am 16. September 2019 wurde ein Tallboy-Blindgänger im Zuge der Vertiefungsarbeiten im Kanal gefunden.[5] Der Blindgänger wurde nach akribischen Vorbereitungen am 13. Oktober 2020 von polnischen Marinetauchern gesprengt.[1]
  • Küstenbatterien auf Helgoland – Angriff am 19. April 1945 von der 617. und der 9. mit Tallboys. Alle Stellungen wurden getroffen, keine eigenen Verluste.
  • Hitlers Kehlsteinhaus bei Berchtesgaden – nicht getroffen – am 25. April 1945 von einer gemischten Einheit (unter anderem die No. 617, die ihre letzten Tallboys abwarf) angegriffen.

Erhaltene Exemplare

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Tallboy im Museum Helgoland

Im U-Boot-Bunker Valentin wird noch heute ein Mantelrest einer Tallboy gelagert und während einer Bunkerführung gezeigt. Da der Bunker nach dem Krieg zu Testzwecken angegriffen wurde, ist unklar, ob es sich um eine Bombe des Angriffs vom 27. März 1945 oder aus den Testangriffen handelt.

Im Ortskern von Krumpa am ehemaligen Mineralölwerk Lützkendorf kann das vollständige Kopfteil einer Tallboy frei besichtigt werden. Es steht auf einem Sockel gegenüber dem öffentlich zugänglichen Bunker-Denkmal "B134a-Luftschutzbunker Krumpa" und dient als Mahnmal gegen Krieg und Zerstörung. Diese Bombe wurde während des Angriffs vom 8./9. April 1945 abgeworfen.

Auf Helgoland befindet sich eine komplett erhaltene Tallboy im Museumshof der Insel.

Commons: Tallboy (Bombe) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Der Spiegel: Polens Superbombe - "Tallboy" - der große Junge gesprengt – Der Spiegel – Panorama. Abgerufen am 14. Oktober 2020.
  2. Willi Riegert: Heimat unter Bomben. Der Luftkrieg im Raum Steinfurt und in Münster und Osnabrück 1939–1945. Laumann Druck, 2003, ISBN 978-3-89960-235-7.
  3. Gerhard Koop und Klaus-Peter Schmolke: Die Schlachtschiffe der Bismarck-Klasse. S. 60–61.
  4. Axel Frick: Als in Schildesche die Erde bebte – Die Geschichte des Viaduktes, Heka-Verlag Heinz Kameier, Leopoldshöhe 1985, 1. Auflage, 96 Seiten. Auf Seite 66 wird die Einsturzlänge mit „etwa 130 Metern“ angegeben.
  5. iswinoujscie.pl: Jest się czego bać. W Świnoujściu znaleziono największy niewybuch w Polsce. Zobacz film! Abgerufen am 20. September 2019 (polnisch).