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„Komplexe Zahl“ – Versionsunterschied

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{{Zeichen|<math>\mathbb C</math>|Der [[Buchstabe mit Doppelstrich|Buchstabe C mit Doppelstrich]]<br /> steht für die Menge der ''komplexen Zahlen''}}
Die '''komplexen Zahlen''' erweitern den [[Zahlenbereich]] der [[reelle Zahlen|reellen Zahlen]] derart, dass auch [[Wurzel (Mathematik)|Wurzeln]] negativer Zahlen berechnet werden können. Dies gelingt durch Einführung einer neuen Zahl i als Lösung der Gleichung <math>x^2 = -1</math>. Diese Zahl i wird auch als '''imaginäre Einheit''' bezeichnet. Der Ursprung der Theorie der [[imaginäre Zahl|imaginären Zahlen]], das heißt aller Zahlen, deren [[Quadrat (Arithmetik)|Quadrat]] eine negative reelle Zahl ist, geht auf den italienischen Mathematiker [[Raffaele Bombelli]] bis ins [[16. Jahrhundert]] zurück. Die Einführung der imaginären Einheit i als neue Zahl wird [[Leonhard Euler]] zugeschrieben.
[[Datei:Number-systems (NZQRC).svg|mini|hochkant=1|Die komplexen Zahlen <math>\C</math> umfassen die [[Reelle Zahl|reellen Zahlen]] <math>\R</math> und diese die [[Rationale Zahl|rationalen Zahlen]] <math>\Q</math>, zu denen wiederum die [[Ganze Zahl|ganzen Zahlen]] <math>\Z</math> und die [[Natürliche Zahl|natürlichen Zahlen]] <math>\N</math> gehören.]]


Die '''komplexen Zahlen''' stellen eine Erweiterung der [[Reelle Zahl|reellen Zahlen]] dar.
Komplexe Zahlen werden meist in der Form <math>a+b\cdot \mathrm{i}</math> dargestellt, wobei <math>a</math> und <math>b</math> reelle Zahlen sind und i die imaginäre Einheit ist. Auf die so dargestellten komplexen Zahlen lassen sich die üblichen Rechenregeln für reelle Zahlen anwenden, wobei <math>\mathrm i^2</math> stets durch <math>-1</math> ersetzt werden kann und umgekehrt.
Ziel der Erweiterung ist es, [[algebraische Gleichung]]en wie <math>x^2 + 1 = 0</math> bzw. <math>x^2 = -1</math> lösbar zu machen. Im Gegensatz zu den Erweiterungen <math> \N \subset \Z \subset \Q \subset \R </math> reicht es hier nicht mehr aus, die Zahlen „linksseitig“ zu erweitern ([[ganze Zahl]]en) oder „dichter zu stopfen“ ([[Rationale Zahl|rationale]] und [[reelle Zahl]]en), sondern man wechselt von einer [[Zahlengerade]]n zu einer Zahlenebene.


Da die [[Quadrat (Mathematik)|Quadrate]] aller reellen Zahlen größer oder gleich 0 sind, kann die Lösung der Gleichung <math>x^2 = -1</math> keine reelle Zahl sein. Man braucht eine [[Adjunktion (Algebra)|ganz neue Zahl]], die man üblicherweise <math>\mathrm{i}</math> nennt, mit der Eigenschaft <math>\mathrm{i}^2 = -1.</math> Diese Zahl <math>\mathrm{i}</math> wird als [[Imaginäre Zahl|imaginäre Einheit]] bezeichnet.
Der so konstruierte Zahlenbereich der komplexen Zahlen hat eine Reihe vorteilhafter Eigenschaften, die sich in vielen Bereichen der Natur- und Ingenieurswissenschaften als äußerst nützlich erwiesen haben. Einer der Gründe für diese positiven Eigenschaften ist die algebraische [[Abgeschlossenheit]] der komplexen Zahlen. Dies bedeutet, dass jede [[algebraische Gleichung]] über den komplexen Zahlen eine Lösung besitzt. Diese Eigenschaft ist der Inhalt des [[Fundamentalsatz der Algebra|Fundamentalsatzes der Algebra]]. Ein weiterer Grund ist ein Zusammenhang zwischen [[trigonometrische Funktion|trigonometrischen Funktionen]] und der [[Exponentialfunktion]], der über die komplexen Zahlen hergestellt werden kann.


Komplexe Zahlen werden als Summe <math>a+\mathrm{i} \cdot b</math> definiert, wobei <math>a</math> als '''<!-- sic! Fett, da verlinkt! -->Realteil<!-- sic! Fett, da verlinkt! -->''' und <math>b</math> als '''<!-- sic! Fett, da verlinkt! -->Imaginärteil<!-- sic! Fett, da verlinkt! -->''' bezeichnet wird. Beides sind reelle Zahlen. Die Zahl <math>\mathrm{i}</math> ist die oben definierte imaginäre Einheit.
Für die Menge der komplexen Zahlen wird das Symbol <math>\mathbb{C}</math> verwendet.
Auf die so definierten komplexen Zahlen lassen sich die üblichen Rechenregeln für reelle Zahlen anwenden, wobei <math>\mathrm{i}</math> wie eine Konstante verwendet wird und <math>\mathrm{i}^2</math> durch <math>-1</math> ersetzt werden kann und umgekehrt. Für die Menge der komplexen Zahlen wird das Symbol <math>\mathbb C</math> (<span style="font-family:Arial; font-size:130%; font-weight:900; line-height:19px; vertical-align:top;">ℂ</span> als [[Unicode]]-Zeichen <code>U+2102</code>, siehe [[Buchstaben mit Doppelstrich]]) verwendet.


Der so konstruierte Zahlenbereich der komplexen Zahlen bildet einen [[Körpererweiterung|Erweiterungskörper]] der reellen Zahlen und hat eine Reihe vorteilhafter Eigenschaften, die sich in vielen Bereichen der Natur- und [[Ingenieurwissenschaften]] als äußerst nützlich erwiesen haben. Einer der Gründe für diese nützlichen Eigenschaften ist die [[Algebraisch abgeschlossen|algebraische Abgeschlossenheit]] der komplexen Zahlen. Dies bedeutet, dass jede algebraische Gleichung positiven Grades über den komplexen Zahlen eine Lösung besitzt, was für reelle Zahlen nicht gilt. Diese Eigenschaft ist der Inhalt des [[Fundamentalsatz der Algebra|Fundamentalsatzes der Algebra]]. Ein weiterer Grund ist ein Zusammenhang zwischen [[Trigonometrische Funktion|trigonometrischen Funktionen]] und der [[Exponentialfunktion]] ([[Eulerformel]]), der über die komplexen Zahlen hergestellt werden kann. Ferner ist jede auf einer [[Offene Menge|offenen Menge]] ''einmal'' [[Differenzierbarkeit#Komplexe Funktionen|komplex differenzierbare]] Funktion dort auch ''beliebig oft'' differenzierbar&nbsp;– anders als in der [[Analysis]] der reellen Zahlen. Die Eigenschaften von Funktionen mit komplexen [[Funktion (Mathematik)|Argumenten]] sind Gegenstand der [[Funktionentheorie]], auch komplexe Analysis genannt.
== Definition ==


In der [[Elektrotechnik]] wird stattdessen der Buchstabe <math>\mathrm j</math> verwendet, um einer Verwechslung mit einer (durch <math>i</math> oder <math>i(t)</math> bezeichneten) von der [[Zeit]] <math>t</math> abhängigen [[Stromstärke]] vorzubeugen, allerdings erhöht dies die Verwechslungsgefahr mit der [[Ampèresches Gesetz#Differentielle Form|Stromdichte]] <math>\vec\jmath</math> in der Elektrodynamik.
Als '''komplexe Zahlen''' bezeichnet man die Zahlen der Form <math>a+b\cdot\mathrm{i}</math> (bzw. in verkürzter Notation <math>a+b\,\mathrm{i}</math>), wobei für die Addition
:<math>(a+b\,\mathrm{i})+(c+d\,\mathrm{i})=(a+c)+(b+d)\,\mathrm{i}</math>
und die Multiplikation
:<math>(a+b\,\mathrm{i})\cdot(c+d\,\mathrm{i})=(ac-bd) + (ad+bc)\cdot\mathrm{i}</math>
gilt (das Ergebnis für die Multiplikation ergibt sich durch einfaches ausmultiplizieren und neugruppieren). Die '''[[imaginäre Einheit]] <math>\mathrm{i}</math>''' ist dabei eine nicht-reelle Zahl mit der Eigenschaft <math>\mathrm{i}^2=-1</math>.


== Definition ==
Man nennt <math>a</math> den '''Realteil''' und <math>b</math> den '''Imaginärteil''' von <math>a + b\,\mathrm{i}</math>.
Die komplexen Zahlen lassen sich als Zahlbereich im Sinne einer [[Menge (Mathematik)|Menge]] von Zahlen, für die die [[Grundrechenart]]en [[Addition]], [[Multiplikation]], [[Subtraktion]] und [[Division (Mathematik)|Division]] erklärt sind, mit den folgenden Eigenschaften definieren:
* Die reellen Zahlen sind in den komplexen Zahlen enthalten. Das heißt, dass jede reelle Zahl eine komplexe Zahl ist.
* Das [[Assoziativgesetz]] und das [[Kommutativgesetz]] gelten für die Addition und die Multiplikation komplexer Zahlen.
* Das [[Distributivgesetz]] gilt.
* Für jede komplexe Zahl <math>z</math> existiert eine komplexe Zahl <math>-z</math>, sodass: <math>z+(-z) = 0</math>
* Für jede von Null verschiedene komplexe Zahl <math>z</math> existiert eine komplexe Zahl <math>\tfrac{1}{z}</math>, sodass: <math>z\cdot\tfrac{1}{z} = 1</math>
* Es existiert eine komplexe Zahl <math>\mathrm{i}</math> mit der Eigenschaft: <math>\ \mathrm{i}^2 = -1</math>
* Unter allen Zahlbereichen mit den zuvor genannten Eigenschaften sind die komplexen Zahlen [[Maximales und minimales Element|minimal]].


Eine formale Präzisierung wäre beispielsweise die folgende: Die komplexen Zahlen sind ein [[Körper (Algebra)|Körper]] <math>\mathbb C</math>, der die reellen Zahlen als Teilkörper enthält, zusammen mit einem Element <math>\mathrm i\in\mathbb C</math>, das die Gleichung <math>\mathrm i^2=-1</math> erfüllt, so dass sich jedes Element von <math>\mathbb C</math> auf eindeutige Weise in der Form <math>a+b\mathrm i</math> mit <math>a,b\in\mathbb R</math> schreiben lässt. Zwei Paare <math>(\mathbb C,\mathrm i)</math> und <math>(\tilde{\mathbb C},\tilde{\mathrm i})</math> können auf eindeutige Weise miteinander identifiziert werden.
Die letzte Forderung ist gleichbedeutend damit, dass sich jede komplexe Zahl in der Form <math>a+b\cdot\mathrm{i}</math> (bzw. in verkürzter Notation <math>a+b\,\mathrm{i}</math> oder auch <math>a+\mathrm{i}\,b</math>) mit reellen Zahlen <math>a</math> und <math>b</math> darstellen lässt. Die imaginäre Einheit <math>\mathrm{i}</math> ist dabei keine reelle Zahl. Die Existenz eines solchen Zahlbereichs wird im Abschnitt zur ''[[#Konstruktion|Konstruktion der komplexen Zahlen]]'' nachgewiesen.


Unter Verwendung der Begriffe [[Körper (Algebra)|Körper]] und [[Isomorphismus|Isomorphie]] lässt sich das so formulieren: Es gibt minimale Körper, die den Körper der reellen Zahlen und ein Element <math>\mathrm{i}</math> mit der Eigenschaft <math>\mathrm{i}^2=-1</math> enthalten. In einem solchen Körper hat jedes Element <math>z</math> eine und nur eine Darstellung als <math>z=a+b\,\mathrm{i}</math> mit reellen <math>a, b.</math> Die komplexen Zahlen sind isomorph zu jedem solchen Körper.
=== Zur Notation ===


Wie gesagt, werden die [[Koeffizient]]en <math>a, b</math> als Real- bzw. Imaginärteil von <math>a + b\,\mathrm{i}</math> bezeichnet. Dafür haben sich zwei typografische Schreibweisen etabliert:
*Die <math>a+b\,\mathrm{i}</math>-Notation wird auch als '''kartesische''' oder '''algebraische Form''' bezeichnet. Die Bezeichnung kartesisch erklärt sich aus der Darstellung in der Gauß'schen Zahlenebene (s. weiter unten).
* <math>a = \operatorname{Re}\!{(a + b\,\mathrm{i})}\ </math> und <math>\ b = \operatorname{Im}\!{(a + b\,\mathrm{i})}</math> (Schreibweise der Operatoren ohne besondere Ausschreibung)
*In der [[Elektrotechnik]] wird das kleine ''i'' schon für zeitlich veränderliche Ströme verwendet (siehe [[Wechselstrom]]) und kann zu Verwechselungen mit der imaginären Einheit i führen. Daher wird in diesem Bereich der Buchstabe j verwendet [z.B. Taschenbuch der Hochfrequenztechnik Bd.1..3; Meinke, Grundlach, 1992 ].
* <math>a = \,\,\Re{(a + b\,\mathrm{i})}\ </math> und <math>\;b = \;\;\Im{(a + b\,\mathrm{i})}</math> (Schreibweise der Operatoren in [[Fraktur (Schrift)|Frakturschrift]])
*In der [[Physik]] wird zwischen ''i'' für [[Wechselstrom]] und i für die imaginäre Einheit unterschieden. Dies führt durch die recht klare Trennung beim aufmerksamen Leser nicht zu Verwechslungen und wird in dieser Form weitgehend sowohl in der physikalisch-experimentellen als auch in der physikalisch-theoretischen Literatur angewendet. Siehe auch: [[komplexe Wechselstromrechnung]]
*Komplexe Zahlen werden häufig auch unterstrichen dargestellt, um sie von [[reelle Zahlen|reellen Zahlen]] zu unterscheiden.


In der [[Elektrotechnik]] wird das kleine ''i'' schon für zeitlich veränderliche Ströme verwendet (siehe [[Wechselstrom]]) und kann zu Verwechslungen mit der imaginären Einheit <math>\mathrm{i}</math> führen. Daher wird in der Elektrotechnik üblicherweise für die imaginäre Einheit die Bezeichnung <math>\mathrm{j}</math> gewählt, wie dies auch in der Norm DIN&nbsp;1302 festgelegt ist.
== Konstruktion der komplexen Zahlen ==


In der [[Physik]] wird zwischen <math>i</math> für die [[Stromstärke]] bei [[Wechselstrom]] und <math>\mathrm{i}</math> durch die Art der Darstellung des Buchstabens für die imaginäre Einheit unterschieden. Dies führt durch die Trennung beim aufmerksamen Leser nicht zu Verwechslungen und wird in dieser Form weitgehend sowohl in der physikalisch-experimentellen als auch in der physikalisch-theoretischen Literatur angewandt; handschriftlich ist diese Feinheit allerdings nicht zu halten, weshalb häufig das <math>\mathrm j</math> als Symbol für die imaginäre Einheit verwendet wird. Siehe auch: [[Komplexe Wechselstromrechnung]]
Damit die obige axiomatische Definition einen Sinn hat, muss nachgewiesen werden, dass es überhaupt einen Körper <math>\mathbb C</math> mit den benötigten Eigenschaften gibt. Dies leistet die folgende Konstruktion.


Komplexe Zahlen können gemäß [[DIN 1304]]-1 und [[DIN 5483]]-3 unterstrichen dargestellt werden, um sie von [[Reelle Zahlen|reellen Zahlen]] zu unterscheiden. Siehe auch: [[Phasor]].
=== Die Menge der Paare reeller Zahlen ===


== Grundlegende Eigenschaften ==
Die Konstruktion nimmt zunächst keinerlei Bezug auf die imaginäre Einheit i: Im 2-dimensionalen reellen [[Vektorraum]] <math>\R^2</math> der geordneten reellen Zahlenpaare <math>z=(a,b)</math> wird neben der [[Addition]]
=== {{Anker|Komplexe Zahlenebene}} Darstellung von komplexen Zahlen in der komplexen Zahlenebene ===
:<math>(a, b) + (c, d) = (a + c , b + d)\,</math>
[[Datei:Komplexe zahlenebene.svg|mini|hochkant=1.2|Gaußsche Ebene mit einer komplexen Zahl in kartesischen Koordinaten <math>(a,b)</math> und in Polarkoordinaten <math>(r,\varphi).</math><ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6. Auflage. Verlag Harri Deutsch, S. 35.</ref>]]
(das ist die gewöhnliche Vektoraddition) eine [[Multiplikation]] durch
:<math>(a, b) \cdot (c, d) = (a \cdot c - b \cdot d,\, a \cdot d + b \cdot c)</math>
definiert.


Während sich die Menge <math>\R</math> der [[Reelle Zahlen|reellen Zahlen]] als Punkte auf einer [[Zahlengerade]]n darstellen lässt, lässt sich die Menge <math>\C</math> der komplexen Zahlen als Punkte auf einer Ebene (komplexe Ebene, gaußsche Zahlenebene) darstellen. Da die komplexen Zahlen einen [[Dimension (Vektorraum)|zweidimensionalen]] reellen [[Vektorraum]] definieren, kann die komplexe Ebene mit einem [[Kartesisches Koordinatensystem|kartesischen Koordinatensystem]] versehen werden, das von den beiden [[Vektor#Orthogonalität|orthogonalen Vektoren]] <math>1</math> und <math>\mathrm{i}</math> aufgespannt wird. Es ist üblich, innerhalb diesem die reellen Zahlen <math>\mathbb{R}</math> über eine waagerechte und die imaginären Zahlen <math>\R\mathrm{i}</math> über eine senkrechte Achse darzustellen. Eine komplexe Zahl <math>z = a+b\,\mathrm{i}</math> mit <math>a,b \in \R</math> besitzt dann die „horizontale Koordinate“ <math>a</math> und die „vertikale Koordinate“ <math>b</math>, wird also mit dem Zahlenpaar <math>(a,b) \in \mathbb{R}^2</math> identifiziert. Entsprechend bildet <math>\{1,\mathrm{i}\}</math> eine [[Basis (Vektorraum)|Basis]] des <math>\R</math>-Vektorraumes <math>\C</math>.
Nach dieser Festlegung schreibt man <math>\Bbb C=\R^2</math>, und <math>(\mathbb{C}, +, \cdot)</math> wird zu einem [[Körper (Mathematik)|Körper]], dem '''Körper der komplexen Zahlen'''.


Gemäß Definition entspricht die Addition komplexer Zahlen einer [[Vektoraddition]], wobei man die Punkte in der Zahlenebene mit ihren [[Ortsvektor]]en identifiziert. Die Subtraktion komplexer Zahlen entspricht einer Vektorsubtraktion.
=== Erste Eigenschaften ===
Die Multiplikation ist in der gaußschen Ebene eine [[Drehstreckung]], was nach Einführung der Polarform weiter unten klarer werden sollte.


[[Datei:Complex coloring.jpg|mini|hochkant=1.2|Die Farbdarstellung der komplexen Zahlen&shy;ebene wird häufig zur Veranschaulichung komplexer Funktionen (hier: der [[Identische Abbildung|Identität]]) an&shy;gewendet. Die Farbe kodiert das Argument <math>\arg z</math> und die Helligkeit gibt den Betrag <math>|z|</math> an.]]
*Die Abbildung <math>\R\to\Bbb C,\,a\mapsto (a,0)</math> ist eine Körpereinbettung von <math>\R</math> in <math>\Bbb C</math>, vermöge derer wir die reelle Zahl <math>a</math> mit der komplexen Zahl <math>(a,0)</math> identifizieren.
Es gibt mehrere Möglichkeiten der Darstellung von komplexen Zahlen:
Bezüglich der Addition ist:
* Darstellung in kartesischen Koordinaten <math>(a,b)</math>, gelegentlich auch ''algebraische Form'' genannt,<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6. Auflage. Verlag Harri Deutsch, S. 34.</ref> als Summe des reellen <math>a</math> und des rein imaginären Anteils <math>b</math> mit folgenden Schreibweisen, also<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1''. 4. Auflage. Springer, S. 4.</ref>
*die Zahl <math>0=(0,0)</math> das Nullelement in <math>\Bbb C</math> und
*die Zahl <math>-z=(-a,-b)</math> das inverse Element in <math>\Bbb C</math>.
:: <math>z = a + b\,\mathrm{i}</math> oder auch <math>z = a + \mathrm{i}\,b\ </math>.
Bezüglich der Multiplikation ist:
*die Zahl <math>1=(1,0)</math> das neutrale Element (das Einselement) von <math>\Bbb C</math> und
*das Inverse ([[Reziprok|Reziproke]]) zu <math>z=(a,b)\neq 0</math> ist <math>z^{-1} = \left(\frac{a}{a^2+b^2},\,\frac{-b}{a^2+b^2}\right)</math>.


* Darstellung in [[Polarkoordinaten]] bzw. in '''Polardarstellung''' <math>(r,\varphi)</math> als Produkt des absoluten Betrages <math>r</math> gedreht um den Winkel <math>\varphi</math> mit folgenden Schreibweisen:
=== Bezug zur Darstellung in der Form ''a'' + ''b''i ===
** <math>z = r\, (\cos \varphi + \mathrm{i}\sin \varphi)</math>,
** <math>z = r\, \operatorname{cis}\varphi </math>,<ref>John B. Conway: ''Functions of One Complex Variable I'', Second Edition, Springer, S. 4.</ref>
** <math>z = r\; \mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi}. </math>
Hierbei wird der Faktor <math>\mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi}</math> als '''Phasenfaktor''' und der Winkel <math>\varphi </math> auch als ''Argument'' <math>\varphi = \arg(z) </math> der komplexen Zahl (in Polardarstellung) bezeichnet. Hintergrund dieser Darstellung ist die [[Eulersche Formel]], die über die komplexen Zahlen einen fundamentalen Zusammenhang zwischen der natürlichen Exponentialfunktion und den trigonometrischen Funktionen herstellt. Alle oberen Schreibweisen stellen demnach exakt den gleichen Sachverhalt dar. Es ist zu beachten, dass die komplexe Zahl <math>z=0</math> kein Argument besitzt, weshalb hier keine Darstellung in Polarkoordinaten im oberen Sinne möglich ist.


Eine Umwandlung von kartesischer Form in Polarform ist mittels <math>0 \not= z = a + b\,\mathrm{i} = |z|{\mathrm{e}}^{\mathrm{i}\varphi}</math> und
Durch <math>\mathrm{i}=(0,1)</math> wird die '''[[imaginäre Einheit]] i''' festgelegt; für diese gilt <math>\mathrm{i}^2=-1</math>.


: <math>\varphi = \arg (a+b\,\mathrm{i}) = \operatorname{arctan2}(a,\,b) = \begin{cases}
Jede komplexe Zahl <math>z=(a,b)\in\Bbb C</math> besitzt die ''eindeutige'' Darstellung der Form
2 \arctan \dfrac{b}{\sqrt{a^2 \!+\! b^2} + a} &\text{falls } b \neq 0 \text{ oder } a > 0, \\
:<math>z = (a,b) = (a,0)+(b,0)\cdot (0,1) = a + b\,\mathrm{i}</math>
\pi &\text{falls } b = 0 \text{ und } a < 0
mit <math>a,b\in\R</math>; dies ist die übliche Schreibweise für die komplexen Zahlen.
\end{cases}</math>


möglich. Setzt man <math>\ \varphi = \arg z</math>, ergo <math>\ \sin\varphi \!=\! \tfrac{b}{\sqrt{a^2+b^2}}\ </math> und <math>\ \cos\varphi \!=\! \tfrac{a}{\sqrt{a^2+b^2}}</math>, so ist die Gleichheit zur [[arctan2]]-Funktion eine Konsequenz aus der [[Formelsammlung Trigonometrie#Halbwinkelformeln|Halbwinkelformel]]
== Rechenregeln in der algebraischen Form ==
: <math>\tan \frac{\varphi}{2} = \frac{\sin\varphi}{1 + \cos\varphi} = \frac{\tfrac{b}{\sqrt{a^2+b^2}}}{1+\tfrac{a}{\sqrt{a^2+b^2}}}= \frac{b}{\sqrt{a^2+b^2} + a} \qquad ( \text{falls } b \neq 0 \text{ oder } a > 0).</math>
Die linke Seite lässt sich im „vollen Winkelbereich des Hauptarguments“ <math>-\pi < \varphi < \pi</math> unter Anwendung des Arkustangens zu <math>\tfrac{\varphi}{2}</math> umformen. Ist hingegen <math>- \tfrac{\pi}{2} < \varphi < \tfrac{\pi}{2}</math>, also <math>z</math> auf der rechten Halbebene, so kann die Gleichung <math>\tan \varphi = \tfrac{b}{a}</math> vereinfachend auch zu <math>\,\varphi = \arg z = \arctan \tfrac{b}{a} </math> aufgelöst werden.


<!--
=== Addition, Subtraktion ===
{{Klappleiste/Anfang|style=max-width:615px;|style-kopf=text-align:left|style-inhalt=font-size:90%|TITEL=Operationen möglich in Darstellung}}
{| class="wikitable"
|+ Operationen möglich in Darstellung
|-
!rowspan="2"| Operation !!colspan="2"| Argument in Darstellung !!rowspan="2"| beachte
|-
!width="70"| kartesisch
!width="70"| polar
|-
| Addition, Subtraktion ||align="center"| [[#A Add|'''ja''']] ||align="center"| [[#P Add|'''nein''']] || erfordert immer Rückrechnung in kartesische Darstellung
|-
| Multiplikation, Division ||align="center"| [[#A Mul|'''ja''']] ||align="center"| [[#P Mul|'''ja''']] || einfacher in Polardarstellung
|-
| ganzzahlige Potenzen ||align="center"| [[#A Pot|'''ja''']] ||align="center"| [[#P Pow|'''ja''']] || einfacher in Polardarstellung
|-
| Quadratwurzel,<br />2<sup>n</sup>-te Wurzeln ||align="center"| [[#A Srt|'''ja''']] ||align="center"| [[#P Rt|'''ja''']] || einfacher in Polardarstellung
|-
| beliebige Potenzen<br />und Wurzeln ||align="center"| [[#P Pow|Exponent]] ||align="center"| [[#P Pow|Basis]] || Basis in Polardarstellung,<br />Exponent reell oder in kartesische Darstellung
|-
| Gleichheit ||align="center"| [[#A Equ|'''ja''']] ||align="center"| [[#P Equ|'''ja''']] || Mehrdeutigkeit in Polardarstellung berücksichtigen
|-
| Logarithmus ||align="center"| [[#A Log|'''nein''']] ||align="center"| [[#P Log|'''ja''']] || Ergebnis liegt in kartesischer Darstellung vor.
|-
| Exponentialfunktion ||align="center"| [[#A Exp|'''ja''']] ||align="center"| [[#P Exp|'''nein''']] || Ergebnis liegt in Polardarstellung vor.
|-
| Trigonometrische/<br />Hyperbelfunktionen ||align="center"| [[#A Tri|'''ja''']] ||align="center"| [[#P Tri|'''nein''']] ||
|}
{{Klappleiste/Ende}}
-->


=== Komplexe Konjugation {{Anker|K Kon}} ===
Analog zur Addition
{{Hauptartikel|Komplexe Konjugation}}
:<math>(a + b \, \mathrm{i}) + (c + d \, \mathrm{i}) = (a + c) + (b + d) \, \mathrm{i}</math>
[[Datei:Komplexe konjugation.svg|mini|hochkant=1.2|Eine komplexe Zahl <math>z = a+b\,\mathrm{i}</math> und die zu ihr konjugiert komplexe Zahl <math>\bar z=a-b\,\mathrm{i}</math>]]
funktioniert auch die Subtraktion
:<math>(a + b \, \mathrm{i}) - (c + d \, \mathrm{i}) = (a - c) + (b - d) \, \mathrm{i}</math>.


Ändert man das [[Vorzeichen (Zahl)|Vorzeichen]] des Imaginärteils <math>b</math> einer komplexen Zahl <math>z = a+b\,\mathrm{i},</math> so erhält man die zu <math>z</math> [[Komplexe Konjugation|konjugiert komplexe]] Zahl <math>\bar z=a-b\,\mathrm{i}</math> (manchmal auch <math>z^*</math> geschrieben).
=== Multiplikation ===


Die Konjugation <math>\Complex \to \C,\,z\mapsto \bar z</math> ist ein [[Involution (Mathematik)|(involutorischer)]] Körperautomorphismus, da sie mit Addition und Multiplikation verträglich ist, d.&nbsp;h., für alle <math>y,z \in \C</math> gilt
Der Realteil des Produkts besteht aus dem Produkt der Realteile minus dem Produkt der Imaginärteile, der Imaginärteil des Produkts ist die Summe der beiden gemischten Produkte "Realteil mal Imaginärteil":
: <math>\overline{y+z}=\bar y+\bar z,\quad \overline{y\cdot z}=\bar y\cdot \bar z.</math>
: <math>
(a+b\cdot \mathrm{i}) \cdot (c+d\cdot \mathrm{i})
= (a\cdot c - b\cdot d) + (a\cdot d+b\cdot c)\cdot \mathrm{i}
</math>


In der Polardarstellung hat die konjugiert komplexe Zahl <math>\bar z</math> bei unverändertem Betrag gerade den negativen Winkel von <math>z.</math> Man kann die Konjugation in der komplexen Zahlenebene also als die ''Spiegelung an der reellen Achse'' interpretieren. Insbesondere werden unter der Konjugation genau die reellen Zahlen auf sich selbst abgebildet.
=== Division ===


Das Produkt aus einer komplexen Zahl <math>z=a+b\,\mathrm{i}</math> und ihrer komplex Konjugierten <math>\bar z</math> ergibt das Quadrat ihres Betrages:
Der [[Division (Mathematik)|Quotient]] zweier komplexer Zahlen <math>a+b\,\mathrm{i}</math> und <math>c+d\,\mathrm{i}</math> mit <math>c+d\,\mathrm{i}\neq 0</math> lässt sich berechnen, indem man den Bruch mit dem [[Konjugation (Mathematik)|komplex konjugierten]] <math>c-d \,\mathrm{i}</math> des Nenners [[Kürzen|erweitert]]. Der Nenner wird dadurch reell:
: <math>z\cdot\bar z = (a+b\,\mathrm{i}) (a-b\,\mathrm{i}) = a^2 + b^2=|z|^2</math>


Die komplexen Zahlen bilden damit ein triviales Beispiel einer [[C*-Algebra]].
: <math>\frac{a+b\,\mathrm{i}}{c+d\,\mathrm{i}} = \frac{(a+b\,\mathrm{i})(c-d\,\mathrm{i})}{(c+d\,\mathrm{i})(c-d\,\mathrm{i})} = \frac{ac+bd}{c^2+d^2}+\frac{bc-ad}{c^2+d^2}\cdot\mathrm{i}</math>


Die Summe aus einer komplexen Zahl <math>z=a+b\,\mathrm{i}</math> und ihrer komplex Konjugierten <math>\bar z</math> ergibt das 2-Fache ihres Realteils:
=== Rechenbeispiele ===
: <math>z + \bar z = (a+b\,\mathrm{i}) + (a-b\,\mathrm{i}) = 2a = 2\,\operatorname{Re}{\!(z)}</math>


Die Differenz aus einer komplexen Zahl <math>z=a+b\,\mathrm{i}</math> und ihrer komplex Konjugierten <math>\bar z</math> ergibt das <math>\mathrm {2i}</math>-Fache ihres Imaginärteils:
Addition:
: <math>(3+2\mathrm{i}) + (5+5\mathrm{i}) = (3+5) + (2+5)\mathrm{i} = 8 + 7\mathrm{i}</math>
: <math>z - \bar z = (a+b\,\mathrm{i}) - (a-b\,\mathrm{i}) = 2b\,\mathrm{i}= 2\,\mathrm{i}\,\operatorname{Im}{\!(z)}</math>


=== Als normierter, metrischer und topologischer Raum ===
Subtraktion:
Die durch die Abstandsfunktion <math>d_{\C}(z_1,z_2):=|z_1-z_2|</math> induzierte [[Metrischer Raum|Metrik]] versieht den komplexen Vektorraum <math>\C</math> mit seiner [[Standardtopologie]]. Sie stimmt mit der [[Produkttopologie]] von <math>\R \times \R</math> überein, so wie auch die [[Einschränkung]] <math>d_{\R}</math> von <math>d_{\C}</math> auf <math>\R</math> mit der Standardmetrik auf <math>\R</math> übereinstimmt. Der {{Anker|Betrag}} Betrag einer komplexen Zahl <math>z = a + b\mathrm{i}</math> berechnet sich durch <math>|z| := \sqrt{a^2 + b^2}</math>, wobei der nichtnegative Wert der Quadratwurzel gewählt wird. Zum Beispiel gilt
: <math>(5+5\mathrm{i}) - (3+2\mathrm{i}) = (5-3) + (5-2)\mathrm{i} = 2 + 3\mathrm{i}</math>
: <math>|12 + 5\mathrm{i}| = \sqrt{12^2+5^2} = \sqrt{144+25} = \sqrt{169} = 13.</math>


Beide Räume, <math>\C</math> sowie <math>\R</math>, sind [[Vollständiger Raum|vollständig]] unter diesen Metriken. Auf beiden Räumen lässt sich der topologische Begriff der [[Stetige Funktion|Stetigkeit]] zu [[Analysis|analytischen]] Begriffen wie [[Differentialrechnung|Differentiation]] und [[Integralrechnung|Integration]] erweitern.
Multiplikation:
: <math>(2+5\mathrm{i}) \cdot (3+7\mathrm{i}) = (2\cdot 3 - 5\cdot 7)+(2\cdot 7 + 5\cdot 3)\mathrm{i} = -29 + 29\mathrm{i}</math>


=== Ordnung ===
Division:
<math>\Complex</math> ist im Gegensatz zu <math>\R</math> kein [[geordneter Körper]], d.&nbsp;h., es gibt keine mit der Körperstruktur verträgliche lineare Ordnungsrelation auf <math>\Complex</math>. Von zwei unterschiedlichen komplexen Zahlen kann man daher im Allgemeinen nicht sinnvoll (bezogen auf die Addition und Multiplikation in <math>\Complex</math>) festlegen, welche von beiden die „größere“ bzw. die „kleinere“ Zahl ist.<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6. Auflage. Verlag Harri Deutsch, S. 35.</ref>
: <math>{(2+5\mathrm{i}) \over (3+7\mathrm{i})} = {(2+5\mathrm{i}) \over (3+7\mathrm{i})} \cdot {(3-7\mathrm{i}) \over (3-7\mathrm{i})} = {6-14\mathrm{i}+15\mathrm{i}-35\mathrm{i}^2 \over 9+21\mathrm{i}-21\mathrm{i}-49\mathrm{i}^2} = {41+\mathrm{i} \over 9+49} = {41+\mathrm{i} \over 58}</math>


== Weitere Eigenschaften ==
=== Weitere Eigenschaften ===
* Der Körper <math>\Complex</math> der komplexen Zahlen ist einerseits ein Oberkörper von <math>\R</math>, andererseits ein zweidimensionaler {{nowrap|<math>\R</math>-[[Vektorraum]].}} Der [[Isomorphismus]] <math>\Complex \cong \R^2</math> wird auch als [[natürliche Identifikation]] bezeichnet. In der Regel nutzt man dies auch, um <math>\Complex</math> formell als <math>\R^2</math> mit der entsprechenden [[#Multiplikation|komplexen Multiplikation]] zu ''definieren'' und dann <math>\mathrm{i}:= (0,1)^\mathrm{T}</math> zu setzen. Dabei wird gleichzeitig festgelegt:


*Der Körper <math>\Bbb C</math> der komplexen Zahlen ist einerseits ein Oberkörper von <math>\R</math>, andererseits ein zweidimensionaler <math>\R</math>-Vektorraum.
# Die Drehung der komplexen Ebene am Ursprung um den positiven Winkel <math>+\tfrac{\pi}2</math> führt die positive reelle <math>+1</math> in die positiv-imaginäre Einheit <math>+\mathrm{i}</math> über.
# Wenn die positiv-reelle Halbachse in der komplexen Ebene nach rechts geht, dann legt man die positiv-imaginäre Halbachse nach oben. Das ist in Einklang mit dem [[Drehrichtung#Mathematische Definitionen bezüglich Koordinatensystemen|mathematisch positiven Drehsinn]].


*Die [[Körpererweiterung]] <math>\Bbb C:\R</math> ist vom Grad <math>[\Bbb C:\R]=2</math>; genauer ist <math>\Bbb C</math> isomorph zum [[Quotientenkörper]] <math>\R[X]/(X^2+1)</math>, wobei <math>X^2+1</math> das [[Minimalpolynom]] von <math>\mathrm{i}</math> über <math>\R</math> ist. Ferner bildet <math>\Bbb C</math> bereits den [[algebraischer Abschluss|algebraischen Abschluss]] von <math>\R</math>.
* Die [[Körpererweiterung]] <math>\Complex/\R</math> ist vom Grad <math>[\Complex:\R]=2</math>; genauer ist <math>\Complex</math> isomorph zum [[Faktorring]] <math>\R[X]/(X^2+1)</math>, wobei <math>X^2+1</math> das [[Minimalpolynom (Körpertheorie)|Minimalpolynom]] von <math>\mathrm{i}</math> über <math>\R</math> ist. Ferner bildet <math>\Complex</math> bereits den [[Algebraischer Abschluss|algebraischen Abschluss]] von <math>\R</math>.
* Als <math>\R</math>-Vektorraum besitzt <math>\Complex</math> die Basis <math>\{1, \mathrm{i}\}</math>. Daneben ist <math>\Complex</math> wie jeder Körper auch ein Vektorraum über sich selbst, also ein eindimensionaler {{nowrap|<math>\Complex</math>-Vektorraum}} mit Basis <math>\{1\}</math>.
* <math>\mathrm{i}</math> und <math>-\mathrm{i}</math> sind genau die Lösungen der [[Quadratische Gleichung|quadratischen Gleichung]] <math>x^2 + 1 = 0</math>. In diesem Sinne kann <math>\mathrm{i}</math> (aber auch <math>\mathrm{-i}</math>) als „[[Quadratwurzel|Wurzel]] aus <math>-1</math>“ aufgefasst werden.<ref group="Anm">Bei Verwendung des Zeichens <math>\mathrm{i}</math> ist die Konvention noch deutlicher erklärbar, als es bei Verwendung von <math>\sqrt{-1}</math> wäre, dass bei jedem Vorkommen ''dieselbe'' Lösung von <math>\mathrm{i}^2 + 1 = 0</math> (dasselbe „Vorzeichen“) zu nehmen ist, und z.&nbsp;B. auch die Konvention, dass die {{nowrap|<math>+\mathrm{i}</math>-Halbachse}} durch eine Drehung der positiven reellen Halbachse im mathematisch positiven Sinn erreicht wird.<br />Dennoch bleiben alle algebraischen Aussagen gültig, wenn ''überall'' <math>\mathrm{i}</math> durch <math>-\mathrm{i}</math> ersetzt wird.</ref>


== Rechenregeln ==
*Als <math>\R</math>-Vektorraum besitzt <math>\Bbb C</math> die Basis <math>\{1, \mathrm{i}\}</math>. Daneben ist <math>\Bbb C</math> wie jeder Körper auch ein Vektorraum über sich selbst, also ein eindimensionaler <math>\Bbb C</math>-Vektorraum mit Basis <math>\{1\}</math>.
[[Datei:Komplexe addition.svg|mini|hochkant=1.4|Die Addition zweier komplexer Zahlen in algebra&shy;ischen Form <math>z_1 = a + b \mathrm{i}</math> und <math>z_2 = c + d \mathrm{i}</math> als Vektor&shy;addition in der komplexen Ebene veranschaulicht.<br />Da kommutativ, ergibt das Anfügen von <math>z_1</math> an <math>z_2</math> das gleiche Ergebnis wie das Anfügen von <math>z_2</math> an <math>z_1</math>.]]


=== Addition {{Anker|A Add}} ===
*<math>\mathrm{i}</math> und <math>-\mathrm{i}</math> sind genau die Lösungen der [[quadratische Gleichung|quadratischen Gleichung]] <math>x^2 + 1 = 0</math>. In diesem Sinne kann <math>\mathrm{i}</math> als "[[Quadratwurzel|Wurzel]] aus -1" aufgefasst werden.
Für zwei komplexe Zahlen <math>z = a + b\mathrm{i}</math> und <math>w = c + d\mathrm{i}</math> gilt
: <math>z + w = (a+c) + (b+d)\,\mathrm{i}\ </math>.


Addition und Subtraktion sind in Polardarstellung nicht ohne Weiteres möglich. Es ist vorher eine Umrechnung in die kartesische Form und ggf. danach eine Rückrechnung in die Polarform empfehlenswert. Für <math>z_1 = r_1 e^{\mathrm{i}\varphi_1}</math> und <math>z_2 = r_2e^{\mathrm{i}\varphi_2}</math> erhält man
*<math>\Bbb C</math> ist im Gegensatz zu <math>\R</math> kein [[geordneter Körper]], d.h. es gibt keine mit der Körperstruktur verträgliche Ordnungsrelation "<" auf <math>\Bbb C</math>. Von zwei unterschiedlichen komplexen Zahlen kann man daher nicht sagen, welche von beiden die größere bzw. die kleinere Zahl ist.
: <math>z_1 \pm z_2 = r \cdot \mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi} </math>
mit
: <math> r\ := \sqrt{r_1^2 + r_2^2 \pm 2 r_1 r_2 \cos (\varphi_1 - \varphi_2)}\quad </math> und
: <math> \varphi := \operatorname{arctan2}\;\left( r_1 \sin \varphi_1 \pm r_2 \sin \varphi_2,\ r_1 \cos \varphi_1 \pm r_2 \cos \varphi_2 \right)\ </math> unter Nutzung der [[arctan2]]-Funktion.


[[Datei:Komplexe multiplikation.svg|mini|hochkant=1.4|Die Multiplikation zweier komplexer Zahlen entspricht dem Multiplizieren der Beträge <math>r</math> und <math>s</math> und dem Addieren der Argumente (Winkel) <math>\varphi</math> und <math>\psi</math>.]]
== Komplexe Zahlenebene ==


=== Multiplikation {{Anker|A Mul}} ===
[[Bild:Gaussebene_Koordinatendarstellung.png|thumb|Gauß'sche Ebene mit einer komplexen Zahl<br/>in kartesischen und in Polarkoordinaten]]
Für zwei komplexen Zahlen <math>z = a + b\mathrm{i}</math> und <math>w = c + d\mathrm{i}</math> folgt durch direktes [[Ausmultiplizieren]]
Während sich die Menge <math>\mathbb{R}</math> der [[reelle Zahlen|reellen Zahlen]] an einer [[Zahlengerade]]n veranschaulichen lässt, kann man die Menge <math>\mathbb{C}</math> der komplexen Zahlen als Ebene (komplexe Ebene, Gaußsche Zahlenebene) veranschaulichen. Dies entspricht der "doppelten Natur" von <math>\Bbb C</math> als zweidimensionalem reellem Vektorraum. Die Teilmenge der reellen Zahlen bildet darin die waagerechte Achse, die Teilmenge der rein imaginären Zahlen (d.h. mit Realteil 0) bildet die senkrechte Achse. Eine komplexe Zahl <math>z = (a,b) = a+b\,\mathrm{i}</math> besitzt dann die horizontale Koordinate <math>a</math> und die vertikale Koordinate <math>b</math>.
: <math>\begin{align}
z \cdot w & = (a+b\mathrm{i}) \cdot (c+d\mathrm{i}) = (a c-b d) + (a d+b c)\mathrm{i}
\end{align} </math>,
wobei im letzten Schritt <math>\mathrm{i}^2 = -1</math> zu beachten ist.


Für die Multiplikation zweier komplexer Zahlen <math>z_1 = r_1 e^{\mathrm{i}\varphi_1}</math> und <math>z_2 = r_2 e^{\mathrm{i}\varphi_2}</math> in Polarform gilt<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6. Auflage. Verlag Harri Deutsch, S. 37.</ref>
Gemäß Definition entspricht die Addition komplexer Zahlen der Vektoraddition. Die Multiplikation ist in der gaußschen Ebene eine Drehstreckung, was nach Einführung der Polardarstellung weiter unten klarer werden wird.
: <math> z_1 \cdot z_2 = r_1 r_2 \cdot \mathrm{e}^{\mathrm{i}(\varphi_1 + \varphi_2)}\ </math>.
Besonders in der Physik wird die geometrisch anschauliche Ebene häufig als die komplexe Zahlenebene aufgefasst und der Notation der komplexen Zahlen der Vorzug vor der Vektordarstellung gegeben.


=== Polarform und Exponentialform ===
=== Division {{Anker|A Div}} ===
Für die Division einer komplexen Zahl <math>z</math> durch eine komplexe Zahl <math>w\neq 0</math> [[Kürzen|erweitert]] man den Bruch mit der zum Nenner <math>w</math> [[#K Kon|konjugiert komplexen]] Zahl <math>\bar{w} = c-d\,\mathrm{i}</math>. Der Nenner wird dadurch reell (und ist das Quadrat des Betrages von <math>c+d\,\mathrm{i}</math>) und die Division lässt sich auf den vorherigen Fall zurückführen:<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6. Auflage. Verlag Harri Deutsch, S. 37.</ref>
: <math> \frac zw = \frac{z \cdot \bar w}{\underbrace{w \cdot \bar w}_{\text{reell}}} = \frac{(a+b\,\mathrm i)(c-d\,\mathrm i)}{(c+d\,\mathrm i)(c-d\,\mathrm i)} = \frac{ac+bd}{c^2+d^2}+\frac{bc-ad}{c^2+d^2}\,\mathrm i\ .</math>
Alternativ gilt entsprechend zur Multiplikation bei <math>r_2\neq 0</math>
: <math>\frac{z_1}{z_2} = \frac{r_1}{r_2} \cdot \mathrm e^{\mathrm i(\varphi_1 - \varphi_2)}\ .</math>


=== Rechenbeispiele ===
Jede komplexe Zahl <math>z=a+b\,\mathrm{i}</math> kann in der Form
Addition:
:<math>z = r \cdot e^{\mathrm{i}\varphi} = r \cdot (\cos \varphi + \mathrm{i} \cdot \sin \varphi)</math>
: <math>(5+3\mathrm{i}) + (4+2\mathrm{i}) = (5+4) + (3+2)\mathrm{i}= 9 + 5\mathrm{i}</math>
dargestellt werden, da <math>a = r \cdot \cos \varphi</math> und <math>b = r \cdot \sin \varphi</math>.


Subtraktion:
*Die Darstellung <math>r \cdot (\cos \varphi + \mathrm{i} \cdot \sin \varphi)</math> heißt '''Polarform''' oder '''trigonometrische Form'''.
: <math>(5+3\mathrm{i}) - (4+2\mathrm{i}) = (5-4) + (3-2)\mathrm{i}= 1 + 1\mathrm{i}= 1 + \mathrm{i}</math>
*Die Darstellung <math>r \cdot e^{\mathrm{i}\varphi}</math> mit Hilfe der komplexen [[e-Funktion]] heißt auch '''Exponentialform'''.
Vermöge der [[Eulersche Identität|Eulerschen Identität]] sind Polarform und Exponentialform bedeutungsgleich.
Für die Polarform gibt es auch die alternativen Schreibweisen
:<math>r \cdot\operatorname{cis}\,\varphi = r \cdot\operatorname{E}\,(\varphi)=r\, (\cos \varphi + \mathrm{i} \cdot \sin \varphi)</math>.


Multiplikation:
In der komplexen Zahlenebene entspricht dabei <math>r</math> der euklidischen Vektorlänge (d.h. dem Abstand zum Ursprung 0) und <math>\varphi</math> dem mit der reellen Achse eingeschlossenen Winkel der Zahl <math>z</math>.
: <math>(5+3\mathrm{i}) \cdot (4+2\mathrm{i}) = (5\cdot 4 - 3\cdot 2)+(5\cdot 2 + 3\cdot 4)\mathrm{i}= 14 + 22\mathrm{i}</math>


Division:
Üblicherweise wird <math>r</math> der ''[[Absoluter Betrag|Betrag]]'' oder ''Modul'' von <math>z</math> (Schreibweise <math>|z|</math>) genannt, <math>\varphi</math> wird ein ''Argument'' (oder auch Winkel oder Phase) von <math>z</math> genannt. Da <math>\varphi</math> und <math>\varphi+2\pi</math> demselben Winkel entsprechen, ist die Polardarstellung zunächst nicht eindeutig. Deshalb schränkt man <math>\varphi</math> meist auf das [[Intervall (Mathematik)|Intervall]] <math>(-\pi;\pi]</math> ein und spricht dann von ''dem'' Argument von <math>z\neq 0</math>; der Zahl <math>0</math> ließe sich jedes beliebige Argument zuordnen.
: <math>\frac{(5+3\mathrm{i})}{(4+2\mathrm{i})}
= \frac {(5+3\mathrm{i})} {(4+2\mathrm{i})} \cdot \frac {(4-2\mathrm{i})} {(4-2\mathrm{i})}
= \frac{(20 + 6) + (12\mathrm{i}- 10\mathrm{i})} {4^2 + 2^2}
= \frac{26 + 2 \mathrm{i}}{20} = \frac{26}{20} + \frac{2}{20}\mathrm{i}= \frac{13}{10} + \frac{\mathrm{i}}{10}</math>.


=== Potenzen, Wurzeln und Logarithmen ===
Alle Werte <math> e^{\mathrm{i} \varphi}</math> bilden den Einheitskreis der komplexen Zahlen vom Betrag <math>1</math>.
Zu den Rechenoperationen der dritten Stufe gehören [[Potenz (Mathematik)|Potenzieren]], [[Wurzel (Mathematik)|Wurzelziehen]] (Radizieren) und [[Logarithmus|Logarithmieren]].


=== Komplexe Konjugation ===
==== Logarithmen ====
Der [[Logarithmus#Komplexer Logarithmus|komplexe natürliche Logarithmus]] ist (anders als der [[Logarithmus#Definition|reelle]] auf <math>\R^+ </math>) nicht eindeutig. Durch Hinzufügen von Bedingungen kann allerdings wieder eine Eindeutigkeit erreicht werden. Man spricht dann vom sog. ''Hauptzweig'' des Logarithmus. Eine Eigenschaft dieses Hauptzweiges ist, dass seine Einschränkung auf <math>\R^+</math> wieder dem reellen natürlichen Logarithmus entspricht.


Eine komplexe Zahl <math>w</math> heißt Logarithmus der komplexen Zahl <math>z</math>, wenn
[[Bild:Gaussebene_Konjugation.png|framed|right|Eine komplexe Zahl '''''z = a+b''i'''<br/>mit ihrer [[Konjugation (Mathematik)|komplex konjugierten]]]]
: <math>\mathrm{e}^w=z.</math>
Dreht man das Vorzeichen des Imaginärteils <math>b</math> einer komplexen Zahl <math>z = a+b\,\mathrm{i}</math> um, erhält man die zu <math>z</math> [[Konjugation (Mathematik)|konjugiert komplexe]] Zahl <math>\bar z=a-b\,\mathrm{i}</math> (manchmal auch <math>z^*</math> geschrieben).
Mit <math>w</math> ist auch jede Zahl <math>w + 2 \pi \mathrm{i}k</math> mit beliebigem <math>k\in \Z</math> ein Logarithmus von <math>z</math>. Man arbeitet daher mit [[Logarithmus#Komplexer Logarithmus|Hauptwerten]], d.&nbsp;h. mit Werten eines bestimmten Streifens der komplexen Ebene.


Der Hauptwert des natürlichen Logarithmus der komplexen Zahl
Die Konjugation <math>\Bbb C\to\Bbb C,\,z\mapsto \bar z</math> ist ein Körperautomorphismus (involutorischer Automorphismus), da sie mit Addition und Multiplikation verträglich ist, d.h. für alle <math>y,z\in\Bbb C</math> gilt
:<math>\overline{y+z}=\bar y+\bar z,\quad \overline{y\cdot z}=\bar y\cdot \bar z</math>.
: <math>z = r \mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi} \in \Complex^\times</math>
ist<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1''. 4. Auflage. Springer, S. 22.</ref>
: <math>\mathrm{Log}(z) = \ln r + \mathrm{i}\varphi</math>
mit <math>r>0</math> und <math>-\pi <\varphi \leq \pi</math>.
Anders formuliert: Der Hauptwert des natürlichen Logarithmus der komplexen Zahl <math>z \in \Complex^\times </math> ist
: <math>\mathrm{Log}(z) = \ln |z| + \mathrm{i}\, \arg(z),</math>
wobei <math>\arg(z)</math> der Hauptwert des [[#Darstellung von komplexen Zahlen in der komplexen Zahlenebene|Arguments]] von <math>z </math> ist.<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6. Auflage. Verlag Harri Deutsch, S. 35.</ref>


Für allgemeine <math>z, w \in \C^\times</math> gilt<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1''. 4. Auflage. Springer, S. 28.</ref>
In der Polardarstellung hat die komplex konjugierte Zahl <math>\bar z</math> bei unverändertem Betrag gerade den negativen Winkel von <math>z</math>. Man kann die Konjugation in der komplexen Zahlenebene also als die ''Spiegelung an der reellen Achse'' identifizieren. Insbesondere werden unter der Konjugation genau die reellen Zahlen wieder auf sich selbst abgebildet.
: <math> \mathrm{Log}(zw) = \mathrm{Log}(z) + \mathrm{Log}(w) + 2\pi\mathrm{i}h(z,w)</math>,
wobei
: <math>h(z,w) = \begin{cases} 0, & \qquad - \pi < \mathrm{Arg}(z) + \mathrm{Arg}(w) \leq \pi, \\ 1, & \qquad -2\pi < \mathrm{Arg}(z) + \mathrm{Arg}(w) \leq -\pi, \\ -1, & \qquad \pi < \mathrm{Arg}(z) + \mathrm{Arg}(w) \leq 2\pi. \end{cases}</math>
Insbesondere ist die aus der reellen Analysis bekannte Regel <math>\ln(xy) = \ln(x) + \ln(y)</math> für <math>x,y > 0</math> nicht allgemein für den Hauptzweig des Logarithmus gültig.


==== Potenzen ====
Das Produkt einer komplexen Zahl <math>z=a+\mathrm{i}b</math> mit ihrer komplex Konjugierten <math>\bar z</math> ergibt das Quadrat des Betrages:
: <math>z\cdot\bar z = (a+\mathrm{i}b) (a-\mathrm{i}b) = a^2 + b^2.</math>


===== Natürliche Exponenten =====
=== Umrechnungsformeln ===
Für natürliche Zahlen <math>n</math> berechnet sich die <math>n</math>-te Potenz in der polaren Form <math>z=r \mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi}</math> zu<ref>Bronstein, Semendjajew et al.: ''Taschenbuch der Mathematik.'' 6. Auflage. Verlag Harri Deutsch, S. 38.</ref>
: <math>z^n = r^n \cdot \mathrm{e}^{\mathrm{i}n\varphi} = r^n \cdot (\cos n\varphi + \mathrm{i}\cdot \sin n \varphi)</math>


(siehe den [[Moivrescher Satz|Satz von de Moivre]]) oder für die algebraische Form <math>z=a+b\,\mathrm{i}</math> mit Hilfe des [[Binomischer Lehrsatz|binomischen Satzes]] zu
==== Von der algebraischen Form zur Polarform ====
: <math>z^n=\sum_{k=0, \atop k\text{ gerade}}^n \binom nk (-1)^{\frac k2} a^{n-k}b^k + \mathrm{i}\sum_{k=1, \atop k\text{ ungerade}}^n \binom nk (-1)^{\frac{k-1}2} a^{n-k}b^k.</math>
Für <math>z=a+\mathrm{i}b</math> in algebraischer Form ist

: <math>r = |z| = \sqrt{a^2 + b^2}</math> &nbsp; ;
Zum Beispiel gilt
für <math>z\neq 0</math> wird das Argument wie folgt bestimmt:
: <math>\varphi = \begin{cases}\arctan\frac{b}{a}&\mathrm{f\ddot ur}\ a>0\\
: <math> (1 + \mathrm{i})^8 = (2 \mathrm{i})^4 = (-4)^2 = 16</math>
oder
\arctan\frac ba+\pi&\mathrm{f\ddot ur}\ a<0,b\geq0\\
: <math> \textstyle (1 + \mathrm{i})^8 =
\arctan\frac ba-\pi&\mathrm{f\ddot ur}\ a<0,b<0\\
\Big(\binom{8}{0} 1^0 \! 1^8
\pi/2&\mathrm{f\ddot ur}\ a=0,b>0\\
\!-\binom{8}{2} 1^2 \! 1^6
-\pi/2&\mathrm{f\ddot ur}\ a=0,b<0
\!+\binom{8}{4} 1^4 \! 1^4
\end{cases}</math>
\!-\binom{8}{6} 1^6 \! 1^2
::<math>{}=\begin{cases}\arccos\frac ar&\mathrm{f\ddot ur}\ b\geq0\\
\!+\binom{8}{8} 1^8 \! 1^0 \Big)
\arccos\left(-\frac ar\right)-\pi&\mathrm{f\ddot ur}\ b<0
\; + \;
\end{cases}
\Big(\binom{8}{1} 1^1 \! 1^7
\!-\binom{8}{3} 1^3 \! 1^5
\!+\binom{8}{5} 1^5 \! 1^3
\!-\binom{8}{7} 1^7 \! 1^1 \Big) \mathrm{i}
</math>
: <math> \textstyle \qquad\quad\ =
\Big( \binom{8}{0}
\!-\!\binom{8}{2}
\!+\!\binom{8}{4}
\!-\!\binom{8}{6}
\!+\!\binom{8}{8} \Big)
\; + \;
\Big( \binom{8}{1}
\!-\!\binom{8}{3}
\!+\!\binom{8}{5}
\!-\!\binom{8}{7} \Big) \mathrm{i}
</math>
</math>
: <math> \qquad\quad\ = (1 - 28 + 70 - 28 + 1) + (8 - 56 + 56 - 8) \mathrm{i}= 16.</math>


Anwendung findet diese Formel zudem beim Beweis diverser [[Formelsammlung Trigonometrie#Winkelfunktionen für weitere Vielfache|trigonometrischer Identitäten]]. So erhält man, durch Vergleiche von Real- und Imaginärteil mit <math>r=1</math> im Satz von de Moivre, die Ausdrücke<ref>John B. Conway: ''Functions of One Complex Variable I'', Second Edition, Springer, S. 4.</ref>
Die Berechnungsvariante über den Arcustangens benötigt ihre Fallunterscheidungen, da der Sonderfall <math>a=0</math> extra behandelt werden muss und da der [[Tangens]] denselben Wert zweimal im Intervall <math>[0, 2\pi]</math> annimmt. Die Verwendung der arccos-Version kommt mit weniger Fallunterscheidungen aus, da nur das Problem der doppelten Winkel zu behandeln ist. Die neueren Programmiersprachen stellen aber meist eine ArcTan-Funktion zur Verfügung, die den Wert je nach Vorzeichen von ''a'' und ''b'' dem passenden Quadranten zuordnet (häufig mit Namen ''atan2'').
: <math> \cos(n \varphi) = \sum_{j=0}^{\left\lfloor\frac{n}{2}\right\rfloor} (-1)^{j} {n \choose 2j} \sin^{2j}(\varphi) \; \cos^{n - 2j}(\varphi) </math>,
und
: <math> \sin(n \varphi) = \sum_{j=0}^{\left\lfloor\frac{n-1}{2}\right\rfloor} (-1)^{j} {n \choose 2j + 1} \sin^{2j+1}(\varphi) \; \cos^{n - 2j - 1}(\varphi)</math>.


===== Beliebige komplexe Exponenten =====
==== Von der Polarform zur algebraischen Form ====
{{Anker|Beliebige komplexe Exponenten}}
Allgemein kann für <math>z\neq 0</math> mit komplexen Exponenten <math>\omega</math>
: <math>z^\omega := \mathrm{e}^{ \omega \cdot \mathrm{Log}(z)}.</math>
definiert werden. Dabei steht <math>\mathrm{Log}</math> für den Hauptzweig des [[Logarithmus#Komplexer Logarithmus|komplexen Logarithmus]]. Diese Definition ist jedoch willkürlich, denn sie hängt von der Wahl des Zweiges des Logarithmus ab. In oberem Fall spricht man entsprechend vom ''Hauptwert'' von <math>z^\omega</math>. Jede Zahl aus der Menge
: <math>\left\{ \mathrm{e}^{\omega(\ln(|z|) + \mathrm{i}\,\mathrm{arg}(z))}\mathrm{e}^{2\pi \mathrm{i}\;\! \omega k},\; k \in \Z\right\} </math>
kann allerdings als ''eine'' <math>\omega</math>-te Potenz von <math>z</math> aufgefasst werden, und die Wahl des Logarithmus wird bei der entsprechenden Definition der Größe <math>z^\omega</math> mit genannt.<ref>[[Serge Lang]]: ''Complex Analysis'', Springer, 122.</ref> Im Fall <math>\omega \in \Z</math> stimmen jedoch alle möglichen Ergebnisse mit dem Hauptwert überein, und die Funktion <math>z \mapsto z^\omega</math> wird eindeutig, d.&nbsp;h. unabhängig von der getroffenen Logarithmuswahl.


Ein Beispiel dieser allgemeinen Regel ist das Potenzieren imaginärer Zahlen mit komplexen Exponenten. So ist der Hauptwert von <math>\mathrm{i}^{a + b\mathrm{i}}</math> wegen <math>\mathrm{Log}(\mathrm{i}) = \tfrac{\pi}{2}\mathrm{i}</math> durch
: <math>a = r \cdot \cos\varphi</math>
: <math> \mathrm{i}^{a + b\mathrm{i}} = \mathrm{e}^{(a + b\mathrm{i})\mathrm{Log}(\mathrm{i})} = \mathrm{e}^{- \frac{b \pi}{2} + \frac{\pi a}{2}\mathrm{i}}.</math>
: <math>b = r \cdot \sin\varphi</math>
gegeben. Zum Beispiel gilt dann <math>\mathrm{i}^{\mathrm{i}} = \mathrm{e}^{-\frac{\pi}{2}}</math>. Allgemein sind alle möglichen Werte des Terms <math>\mathrm{i}^{\mathrm{i}}</math> durch die Elemente der Menge <math>\{\mathrm{e}^{-\tfrac{4k+1}2\pi}, k \in \Z\}</math> gegeben.<ref>Eberhard Freitag, Rolf Busam: ''Funktionentheorie 1''. 4. Auflage. Springer, S. 23.</ref>
Wie weiter oben stellt a den Realteil und b den Imaginärteil jener komplexen Zahl dar.


Beim Rechnen mit beliebigen komplexen Potenzen ist, wegen der vielen verschiedenen Zweige des Logarithmus, große Vorsicht geboten. So ist etwa das aus den reellen Zahlen bekannte Potenzgesetz
=== Multiplikation und Division in der Polarform ===
: <math>(x_1x_2)^{b} = x_1^{b} x_2^{b}, \qquad (x_1, x_2 > 0, b \in \R)</math>
im komplexen ''im Allgemeinen nicht mehr gültig''. Zum Beispiel gilt bei Benutzung des Hauptzweigs
: <math>-1 = \mathrm{i} \cdot \mathrm{i} = (-1)^{\frac{1}{2}} \cdot (-1)^{\frac{1}{2}} \not= ((-1) \cdot (-1))^{\frac{1}{2}} = 1^{\frac12} = 1.</math>


== {{Anker|Unimodular}}Untergruppen ==
Bei der Multiplikation werden die Beträge multipliziert und die Phasen addiert:
Genau die Zahlen <math>\mathrm{e}^{\mathrm{i}\varphi}</math> bilden den [[Einheitskreis]] der komplexen Zahlen mit dem Betrag <math>1</math>, diese Zahlen werden auch '''unimodular''' genannt und bilden die [[Kreisgruppe]].
: <math>
r\cdot (\cos \varphi + \mathrm{i}\cdot\sin \varphi ) \;\cdot\; s \cdot (\cos \psi + \mathrm{i} \cdot \sin \psi)
= r \cdot s \cdot \left[ \cos (\varphi+\psi) + \mathrm{i} \cdot \sin (\varphi+\psi) \right]
</math>
Bei der Division wird der Betrag des [[Division (Mathematik)|Divisors]] durch den Betrag des [[Dividend]]en geteilt, und die Phase des Divisors von der Phase des Dividenden subtrahiert:
: <math>
\frac{p\cdot (\cos \phi + \mathrm{i} \cdot \sin \phi)}{r\cdot (\cos \psi + \mathrm{i} \cdot \sin \psi)}
= \frac{p}{r} \cdot \left[ \cos (\phi-\psi) + \mathrm{i} \cdot \sin (\phi-\psi) \right]
</math>


Dass die Multiplikation von komplexen Zahlen (außer der Null) [[Drehstreckung]]en entspricht, lässt sich mathematisch wie folgt ausdrücken: Die multiplikative [[Gruppe (Mathematik)|Gruppe]] <math>\Complex^\times</math> der komplexen Zahlen ohne die Null lässt sich als [[direktes Produkt]] der Gruppe der [[Drehung]]en –&nbsp;isomorph zur Kreisgruppe&nbsp;– und der Streckungen um einen Faktor ungleich Null –&nbsp;isomorph zur multiplikativen Gruppe <math>\R^+</math>&nbsp;– auffassen. Erstere Gruppe lässt sich durch das Argument <math>\varphi</math> [[Einparameter-Untergruppe|parametrisieren]], zweitere entspricht gerade den Beträgen.
=== Multiplikation in der Exponentialform ===


Alle Elemente einer endlichen Untergruppe der multiplikativen [[Einheitengruppe]] <math>\Complex^\times = \Complex \setminus \{0\}</math> sind [[Einheitswurzel]]n. Unter allen [[Ordnung eines Gruppenelementes|Ordnungen]] von Elementen einer gegebenen endlichen Untergruppe gibt es eine maximale, sie heiße <math>n\in \N</math>. Da <math>\Complex</math> kommutativ ist, erzeugt ein Element mit dieser maximalen Ordnung dann auch die Gruppe, so dass die Gruppe [[Zyklische Gruppe|zyklisch]] ist und genau aus den Elementen
Hier werden die Beträge multipliziert und die Phasen addiert:
: <math>(r\cdot e^{\mathrm{i}\varphi}) \cdot (s \cdot e^{\mathrm{i}\psi}) = (r \cdot s) \cdot e^{\mathrm{i}(\varphi+\psi)}</math>
: <math>\mathrm{e}^{2\pi\mathrm{i}\frac{k}{n}}</math> mit <math>k \in \{0,1,\dotsc, n-1\}</math>
besteht. Alle diese Elemente liegen auf dem Einheitskreis.


Die Vereinigung aller endlichen Untergruppen ist eine Gruppe, die zur [[Torsion (Algebra)|Torsionsgruppe]] <math>\Q/\Z</math> [[Isomorphismus|isomorph]] ist. Sie liegt [[Dichte Teilmenge|dicht]] in ihrer [[Vollständiger Raum|Vervollständigung]], der schon erwähnten Kreisgruppe, die auch als [[Sphäre (Mathematik)|1-Sphäre]] aufgefasst werden kann und zu <math>\R/\Z</math> isomorph ist.
== Wurzeln ==


== Konstruktion ==
Beim Rechnen mit [[Wurzel_(Mathematik)|Wurzeln]] ist größte Vorsicht angebracht, da die bekannten Rechenregeln für reelle Zahlen hier nicht gelten. Egal, welchen der beiden möglichen Werte <math>\mathrm i</math> oder <math>-\mathrm i</math> man für <math>\sqrt{-1}</math> festlegt, erhält man z.B.
In diesem Abschnitt wird nachgewiesen, dass tatsächlich ein [[Körper (Algebra)|Körper]] <math>\mathbb C</math> der komplexen Zahlen existiert, der den in der obigen Definition geforderten Eigenschaften genügt. Es sind dabei verschiedene Konstruktionen möglich, die jedoch bis auf Isomorphie zum selben Körper führen.


=== Paare reeller Zahlen ===
: <math> 1 = \sqrt{1} = \sqrt{(-1) \cdot (-1)} \neq \sqrt{-1} \cdot \sqrt{-1} = -1. </math>
Die Konstruktion nimmt zunächst keinerlei Bezug auf die imaginäre Einheit <math>\mathrm{i}</math>: Im 2-dimensionalen reellen [[Vektorraum]] <math>\R^2</math> der geordneten reellen Zahlenpaare <math>z=(a,b)</math> wird neben der [[Addition]]
: <math>(a, b) + (c, d) := (a + c,\ b + d)</math>
(das ist die gewöhnliche Vektoraddition) eine [[Multiplikation]] durch
: <math>(a, b) \cdot (c, d) := (a \cdot c - b \cdot d,\ a \cdot d + b \cdot c)</math>
definiert.


Nach dieser Festlegung schreibt man <math>\Complex=\R^2</math>, und <math>(\Complex, +, \cdot)</math> wird zu einem Körper, dem '''Körper der komplexen Zahlen.''' Die imaginäre Einheit wird dann durch <math>\mathrm{i}:= (0, 1)</math> definiert.
== Pragmatische Rechenregeln ==


Da <math>\{(1,0),(0,1)\}=\{1,\mathrm{i}\}</math> eine Basis des <math>\R^2</math> bilden, lässt sich <math>z</math> damit als Linearkombination
Am einfachsten lassen sich die Berechnungen folgendermaßen durchführen:
* Addition und Subtraktion komplexer Zahlen werden (in der algebraischen Form) komponentenweise durchgeführt.
* Bei der Multiplikation komplexer Zahlen werden ihre Beträge multipliziert und ihre Argumente (Winkel) addiert.
* Bei der Division komplexer Zahlen werden ihre Beträge dividiert und ihre Argumente (Winkel) subtrahiert.
* Beim Potenzieren komplexer Zahlen werden ihre Beträge potenziert und ihre Argumente (Winkel) mit dem Exponenten multipliziert.
* Beim Radizieren (Wurzel ziehen) komplexer Zahlen werden ihre Beträge radiziert und ihre Argumente (Winkel) durch den Exponenten dividiert. Hierdurch entsteht die erste Lösung. Bei einer n-ten Wurzel entstehen n Lösungen, die im Winkel von 2<math>\pi</math>/n um den Ursprung der Gaußschen Ebene verteilt sind. ''Siehe'' [[Wurzel (Mathematik)]]


: <math>z=1 \cdot (a, 0) + \mathrm{i}\cdot (b, 0) = a + \mathrm{i}b</math>
== Geschichtliches ==


darstellen.
Die Unmöglichkeit der oben angegebenen Lösung ist bei der Behandlung der quadratischen Gleichung schon sehr früh bemerkt und hervorgehoben worden, z.B. schon in der um [[820]] n.Chr. verfassten Algebra des [[Al-Chwarizmi|Muhammed ibn Mûsâ Alchwârizmî]]. Aber bei dem nächstliegenden und unanfechtbaren Schluss, dass diese Art von Gleichung nicht lösbar sind, blieb man nicht stehen.


==== Erste Eigenschaften ====
In gewissem Sinne ist bereits der Italiener [[Gerolamo Cardano]] ([[1501]]–[[1576]]) in seinem [[1545]] erschienenen Buch ''Artis magnae sive de regulis algebraicis liber unus'' darüber hinausgegangen. Er behandelt dort die Aufgabe, zwei Zahlen zu finden, deren Produkt 40 und deren Summe 10 ist. Er hebt hervor, dass die dafür anzusetzende Gleichung:
* Die Abbildung <math>\R\to\Complex,\,a\mapsto (a,0)</math> ist eine [[Einbettung (Mathematik)|Körpereinbettung]] von <math>\R</math> in <math>\Complex</math>, aufgrund der wir die reelle Zahl <math>a</math> mit der komplexen Zahl <math>(a,0)</math> identifizieren.
: <math>x(10-x)=40</math> oder <math>x^2-10x+40=0</math>
Bezüglich der Addition ist:
* die Zahl <math>0=(0,0)</math> das neutrale Element (das Nullelement) in <math>\Complex</math> und
* die Zahl <math>-z=(-a,-b)</math> das inverse Element in <math>\Complex</math>.
Bezüglich der Multiplikation ist:
* die Zahl <math>1=(1,0)</math> das neutrale Element (das Einselement) von <math>\Complex</math> und
* das Inverse ([[Kehrwert|Reziproke]]) zu <math>z=(a,b)\neq (0,0)</math> ist <math>z^{-1} = \left(\frac{a}{a^2+b^2},\,\frac{-b}{a^2+b^2}\right)</math>.


==== Bezug zur Darstellung in der Form ''a'' + ''b''i ====
keine Lösung hat, fügt aber einige Bemerkungen hinzu, indem er in die allgemeine Lösung
Durch <math>\mathrm{i}:=(0,1)</math> wird die imaginäre Einheit festgelegt; für diese gilt <math>\mathrm{i}^2=(0,1)^2=(-1,0)</math>, was nach obiger Einbettung gleich <math>-1\in\R</math> entspricht.
der [[Quadratische Gleichung|quadratischen Gleichung]]
: <math>x_{1,2} = - \frac{p}{2}\pm\sqrt{ \frac{p^2}{4} - q } </math>
für <math>p</math> und <math>q</math> die Werte (−10) und 40 einsetzt. Wenn es also möglich wäre dem sich ergebenden Ausdruck
: <math>\sqrt{25-40}</math> oder <math>\sqrt{-15}</math>
einen Sinn zu geben, und zwar so, dass man mit diesem Zeichen nach den selben Regeln rechnen dürfte, wie mit einer reellen Zahl, so würden die Ausdrücke
: <math>5 + \sqrt{-15}</math> oder <math>5 - \sqrt{-15}</math>
in der Tat eine Lösung darstellen.


Jede komplexe Zahl <math>z=(a,b)\in\Complex</math> besitzt die ''eindeutige'' Darstellung der Form
Für die Quadratwurzel aus negativen Zahlen und allgemeiner für alle aus einer beliebigen reellen Zahl <math>\alpha</math> und einer beliebigen reellen Zahl <math>\beta</math> zusammengesetzten Zahl
: <math>\alpha + \sqrt{-\beta}</math> oder <math>\alpha - \sqrt{-\beta}</math>
: <math>z = (a,b) = (a,0)+(0,b)=a\cdot(1,0)+b\cdot(0,1) = a + b\,\mathrm{i}</math>
mit <math>a,b\in\R</math>; dies ist die übliche Schreibweise für die komplexen Zahlen.
hat sich seit der Mitte des [[17. Jahrhundert]]s die Bezeichnung [[imaginäre Zahl]] eingebürgert.


=== Polynome: Adjunktion ===
Im Gegensatz dazu wurden als ''gewöhnliche'' Zahl die [[Reelle Zahl|reellen Zahlen]] bezeichnet.
Eine weitere Konstruktion der komplexen Zahlen ist der [[Faktorring]]
Eine solche Gegenüberstellung der zwei Begriffe findet sich in der [[1637]] erschienenen ''Geómetrie'' von [[Descartes]] und taucht dort wohl zum ersten Mal auf.
: <math>\R[X]/(X^2+1)</math>
des [[Polynomring]]es in einer Unbestimmten über den reellen Zahlen. Hintergrund ist der [[Surjektive Abbildung|surjektive]] [[Einsetzungshomomorphismus]] <math>\R[X] \to \C</math> mit <math>X \mapsto \mathrm{i}</math>, der als [[Kern (Algebra)|Kern]] das [[Maximales Ideal|maximale Ideal]] <math>(X^2 + 1)</math> hat. Mit dem [[Homomorphiesatz]] ergibt sich dann die behauptete Isomorphie.


Dieses Konstruktionsprinzip ist auch in anderem Kontext anwendbar, man spricht von [[Adjunktion (Algebra)|Adjunktion]].
Heute bezeichnet man nur noch den Ausdruck der durch die Wurzel aus einer negativen Zahl gebildet wird als imaginäre Zahl und die von beiden Arten von Zahlen gebildete Menge von Zahlen als '''komplexe Zahlen'''. Man kann daher sagen, dass Cardano zum erstem mal im heutigen Sinne mit komplexen Zahlen gerechnet hat und damit eine Reihe von Betrachtungen angestellt hat.


=== Matrizen ===
Da das Rechnen mit diesen als "sinnlos" angesehenen Zahlen zunächst als bloßes Spiel erschien, war man um so überraschter, dass dieses "Spiel" sehr häufig wertvolle Ergebnisse lieferte oder schon bekannten Ergebnissen eine befriedigendere Form zu geben erlaubte. So kam [[Leonhard Euler]] zum Beispiel in seiner ''Introductio in analysin infinitorum'' zu einigen bemerkenswerten Gleichungen, die nur reelle Zahlen enthielten und sich ausnahmslos als richtig erwiesen, die aber auf anderem Wege nicht so einfach gewonnen werden konnten.
Die Menge der <math>2\times2</math>-[[Matrix (Mathematik)|Matrizen]] der Form
: <math>Z = \begin{pmatrix}a&-b\\b&a\end{pmatrix} = a \begin{pmatrix}1&0\\0&1\end{pmatrix} + b \begin{pmatrix}0&-1\\1&0\end{pmatrix} = a \cdot E + b \cdot I</math> &nbsp;mit&nbsp; <math>a,b\in\R</math>
bildet ebenfalls ein Modell der komplexen Zahlen. Dabei werden die reelle Einheit <math>1</math> bzw. die imaginäre Einheit <math>\mathrm{i}</math> durch die [[Einheitsmatrix]] <math>E</math> bzw. die Matrix <math>I</math> dargestellt. Daher gilt:
: <math>\operatorname{Re}(Z) = a = \frac12\operatorname{tr}(Z)</math>
: <math>\operatorname{Im}(Z) = b</math>
: <math>I^2 = -E</math>
: <math>\operatorname{abs}(Z) = \sqrt{a^2 + b^2} = \sqrt{\det Z}</math>
: <math>\overline{Z} = \begin{pmatrix}a&b\\-b&a\end{pmatrix} = Z^\top</math>
Diese Menge ist ein [[Untervektorraum|Unterraum]] des [[Vektorraum]]s der reellen <math>2\times2</math>-Matrizen.
Diese Darstellung spielt eine entscheidende Rolle bei [[Holomorphe Funktion|Holomorphen Funktion]] im Zusammenhang der [[Cauchy-Riemannsche partielle Differentialgleichungen|Cauchy-Riemannschen partiellen Differentialgleichungen]].


Reelle Zahlen entsprechen [[Diagonalmatrix|Diagonalmatrizen]] <math>\begin{pmatrix}a&0\\0&a\end{pmatrix}.</math>
So kam es, dass man diese Zahlen nicht als widersinnig verwarf, sondern sich immer mehr mit ihnen beschäftigte. Trotzdem umgab dieses Gebiet der Mathematik noch immer etwas Geheimnisvolles, Rätselhaftes und Unbefriedigendes. Erst durch die Abhandlung ''Essai sur la répresentation analytique de la direction'' aus dem Jahre [[1797]] des norwegisch-dänischen Landmessers [[Caspar Wessels]] (1785–1818) wurde die Aufklärung über diese Zahlen angebahnt. Diese Arbeit, die er bei der dänischen Akademie einreichte, fand anfangs keine Beachtung. Ähnlich erging es Arbeiten anderer Mathematiker, so dass diese Betrachtungen noch mehrfach angestellt werden mussten.


Die zu den Matrizen gehörenden linearen Abbildungen sind, sofern <math>a</math> und <math>b</math> nicht beide null sind, [[Drehstreckung]]en im Raum <math>\R^2</math>. Es handelt sich um genau dieselben Drehstreckungen wie bei der Interpretation der Multiplikation mit einer komplexen Zahl <math>a+b\mathrm{i}</math> in der [[Gaußsche Zahlenebene|gaußschen Zahlenebene]].
Als erster definierte [[Augustin Louis Cauchy]] 1821 in seinem Lehrbuch ''Cours d'analyse'' eine Funktion komplexer Variablen in die komplexe Zahlenebene und bewies viele grundlegende Sätze der [[Funktionentheorie]].


== Geschichte ==
Allgemeine Beachtungen fanden sie erst dann, als auch [[Carl Friedrich Gauß]] im Jahre [[1831]] in einem Artikel in den ''Göttingschen gelehrten Anzeigen'' dieselben Auffassungen entwickelte, offensichtlich ohne Wissen von irgendwelchen Vorgängern.
Der Begriff „komplexe Zahlen“ wurde von [[Carl Friedrich Gauß]] (''Theoria residuorum biquadraticorum,'' 1831) eingeführt, der Ursprung der Theorie der komplexen Zahlen geht auf die Mathematiker [[Gerolamo Cardano]] (''Ars magna,'' Nürnberg 1545) und [[Rafael Bombelli]] (''L’Algebra,'' Bologna 1572; wahrscheinlich zwischen 1557 und 1560 geschrieben) zurück.<ref>{{Literatur |Autor=[[Helmuth Gericke]] |Titel=Geschichte des Zahlbegriffs |Verlag=Bibliographisches Institut |Ort=Mannheim |Datum=1970 |Seiten=57–67}}</ref>


Die Unmöglichkeit eines naiven [[Radizieren]]s der Art <math>x^2=-1 \Rightarrow x=\pm\sqrt{-1}</math> ist bei der Behandlung quadratischer Gleichungen schon sehr früh bemerkt und hervorgehoben worden, z.&nbsp;B. schon in der um 820 n.&nbsp;Chr. verfassten Algebra des [[Al-Chwarizmi|Muhammed ibn Mûsâ Alchwârizmî]].<!-- Wer das überprüfen kann, möge das bitte tun und gegebenenfalls die dann geeignet erscheinenden Änderungen vornehmen. Siehe dazu auch die [[Diskussion:Komplexe Zahl#Verweis im Text "Die Unmöglichkeit der oben angegebenen Lösung ist bei der Behandlung der quadratischen Gleichung schon sehr früh bemerkt und hervorgehoben worden"|Diskussionsseite]]. --> Aber bei dem nächstliegenden und scheinbar unanfechtbaren Schluss, dass diese Art von Gleichung nicht lösbar sei, blieb die mathematische Forschung nicht stehen.
Heute machen diese Dinge keinerlei begriffliche oder tatsächliche Schwierigkeiten. Durch die Einfachheit der Definition, der bereits erläuterten Bedeutung und Anwendungen in vielen Wissenschaftsgebieten stehen die komplexen Zahlen den reellen Zahlen in nichts nach. Der Begriff der "imaginären" Zahlen, im Sinne von eingebildeten bzw. unwirklichen Zahlen, hat sich also im Laufe der Jahrhunderte als schiefe Auffassung erwiesen.


In gewissem Sinne ist bereits [[Gerolamo Cardano]] (1501–1576) in seinem 1545 erschienenen Buch ''Artis magnae sive de regulis algebraicis liber unus'' darüber hinausgegangen. Er behandelt dort die Aufgabe, zwei Zahlen zu finden, deren Produkt 40 und deren Summe 10 ist. Er hebt hervor, dass die dafür anzusetzende Gleichung
== Anwendung ==
: <math>x(10-x)=40</math>
=== Die komplexen Zahlen in der Elektrotechnik ===
: <math>x^2-10x+40=0</math>
keine Lösung hat, fügt aber einige Bemerkungen hinzu, indem er in die Lösung
: <math>x_{1,2} = -\frac{p}{2}\pm\sqrt{ \frac{p^2}{4} - q }</math>
der allgemeinen normierten [[Quadratische Gleichung|quadratischen Gleichung]]
: <math>x^2 + px + q = 0</math>
für <math>p</math> und <math>q</math> die Werte −10 bzw. 40 einsetzt. Wenn es also möglich wäre, dem sich ergebenden Ausdruck
: <math>\sqrt{25-40} = \sqrt{-15}</math>
einen Sinn zu geben, und zwar so, dass man mit diesem Zeichen nach denselben Regeln rechnen dürfte wie mit einer reellen Zahl, so würden die Ausdrücke
: <math>5 + \sqrt{-15}</math>
: <math>5 - \sqrt{-15}</math>
in der Tat je eine Lösung darstellen.


Für die Quadratwurzel aus negativen Zahlen und allgemeiner für alle aus einer beliebigen reellen Zahl <math>\alpha</math> und einer positiven reellen Zahl <math>\beta</math> zusammengesetzten Zahlen
Komplexe Zahlen werden in der [[Elektrotechnik]] meist in der Form <math>a+b\cdot \mathrm{j}</math> dargestellt, damit sie nicht mit dem Strom <math>\mathrm{i}</math> verwechselt werden können.
: <math>\alpha +\! \sqrt{-\beta\,}</math> &nbsp;oder&nbsp; <math>\alpha -\! \sqrt{-\beta\,}</math>
hat sich seit der Mitte des 17.&nbsp;Jahrhunderts die Bezeichnung [[imaginäre Zahl]] eingebürgert, die ursprünglich von [[René Descartes]] stammt, der in seiner ''La Géométrie'' (1637) damit die Schwierigkeit des Verständnisses komplexer Zahlen als nichtreeller Lösungen algebraischer Gleichungen ausdrückte. [[John Wallis]] erzielte im 17.&nbsp;Jahrhundert erste Fortschritte in Hinblick auf eine geometrische Interpretation komplexer Zahlen. [[Gottfried Wilhelm Leibniz]] nannte sie 1702 eine „feine und wunderbare Zuflucht des menschlichen Geistes, beinahe ein Zwitterwesen zwischen Sein und Nichtsein“.<ref>Remmert: ''Komplexe Zahlen.'' In: Ebbinghaus u.&nbsp;a.: ''Zahlen.'' Springer 1983, S. 48.</ref> Die Einführung der imaginären Einheit <math>\mathrm{i}</math> als neue Zahl wird [[Leonhard Euler]] zugeschrieben. Er erzielte durch Rechnen mit imaginären Zahlen wertvolle neue Erkenntnisse, zum Beispiel veröffentlichte er die [[Eulersche Formel]] 1748 in seiner Einführung in die Analysis und veröffentlichte erstmals explizit die [[Moivrescher Satz|Formel]] von [[Abraham de Moivre]] (Ende des 17.&nbsp;Jahrhunderts, dieser wiederum hatte sie von [[Isaac Newton]]<ref>Nahin: ''An imaginary tale.'' S. 56.</ref>), aber auch Euler hatte noch große Schwierigkeiten beim Verständnis und der Einordnung komplexer Zahlen, obwohl er routinemäßig damit rechnete.


Die geometrische Interpretation wurde zuerst vom Landvermesser [[Caspar Wessel]] (1799 veröffentlicht in den Abhandlungen der [[Königlich Dänische Akademie der Wissenschaften|Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften]], aber erst rund hundert Jahre später weiteren Kreisen bekannt),<ref>Stillwell: ''Mathematics and its History.'' Springer, S.&nbsp;287.</ref> von [[Jean-Robert Argand]] (in einem obskuren Privatdruck 1806, den aber Legendre zur Kenntnis kam und der 1813 breiteren Kreisen bekannt wurde) und Gauß (unveröffentlicht) entdeckt. Gauß erwähnt die Darstellung explizit in einem Brief an [[Friedrich Bessel]] vom 18.&nbsp;Dezember 1811.<ref>[[Morris Kline]]: ''Mathematical thought from ancient to modern times.'' Oxford University Press, 1972, Band&nbsp;2, S.&nbsp;631. Der Brief ist in Band&nbsp;8 der Werke, S.&nbsp;90 abgedruckt. Gauss verwendet die komplexe Zahlenebene wesentlich in seinem Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra von 1816.<br />[[Felix Klein (Mathematiker)|Felix Klein]]: ''Geschichte der Mathematik im 19.&nbsp;Jahrhundert.'' S.&nbsp;28.</ref> Nach Argand wird die geometrische Darstellung in der Zahlenebene manchmal auch '''Arganddiagramm''' genannt.
=== Die komplexen Zahlen in der Physik ===


Als Begründer der [[Funktionentheorie|komplexen Analysis]] gilt [[Augustin-Louis Cauchy]] in einer 1814 bei der französischen Akademie eingereichten Arbeit über Integration im Komplexen, die aber erst 1825 veröffentlicht wurde. 1821 definierte er in seinem Lehrbuch ''Cours d’analyse'' eine Funktion einer komplexen Variablen in die komplexe Zahlenebene und bewies viele grundlegende Sätze der Funktionentheorie.
Komplexe Zahlen spielen in der Grundlagenphysik eine zentrale Rolle. So passt insbesondere die mathematische Struktur der [[Quantentheorie]] exakt zur Struktur der komplexen Zahlenmathematik, die dort nicht wegzudenken ist. Sie findet dort Verwendung bei der Definition von [[Differentialoperator]]en in der [[Schrödinger-Gleichung]] und der [[Klein-Gordon-Gleichung]]. Für die [[Dirac-Gleichung]] benötigt man eine [[Zahlbereichserweiterung]] der komplexen Zahlen, die [[Quaternionen]]. Alternativ ist eine Formulierung mit [[Pauli-Matrizen]] möglich, die aber die gleiche [[Algebra|algebraische Struktur]] wie die Quaternionen aufweisen.


[[William Rowan Hamilton]] strebte aufgrund seiner Interpretation der Philosophie [[Immanuel Kant]]s einen „Aufbau der Algebra als Wissenschaft der reinen Zeit an“ und fand in dem Kontext 1833 eine logisch einwandfreie Begründung der komplexen Zahlen als [[geordnetes Paar]] reeller Zahlen. Er deutete die komplexe Zahl <math>a+b\cdot\mathrm{i}</math> als Zahlenpaar <math>(a,b)</math> und definierte Addition beziehungsweise die Multiplikation durch<ref>{{Literatur |Autor=[[Heinz-Wilhelm Alten]] |Titel=4000 Jahre Algebra. Geschichte, Kulturen, Menschen |Verlag=Springer |Ort=Berlin u.&nbsp;a. |Datum=2003 |ISBN=3-540-43554-9 |Seiten=310}}</ref>
In der [[Relativitätstheorie]] werden Raum und Zeit zu einer vierdimensionalen [[Raumzeit|Raum-Zeit]] verknüpft. Substituiert man dazu die Zeit ''t'' mittels ''x<sub>4</sub> = ''i''ct'' durch eine 4. Raumkoordinate ''x<sub>4</sub>'', so ergibt sich eine Form der [[Naturgesetz]]e, in denen diese vier Koordinaten strukturell völlig gleichberechtigt auftreten. So erhält man insbesondere für die [[Metrik]] ''M'' dieser Raum-Zeit
: <math>\begin{align}
: ''M = x<sub>1</sub><sup>2</sup> + x<sub>2</sub><sup>2</sup> + x<sub>3</sub><sup>2</sup> + x<sub>4</sub><sup>2</sup>'',
(a_1,b_1)+(a_2,b_2) & = (a_1 + a_2,\ b_1 + b_2) \\
die die gleiche fundamentale Rolle für die Raum-Zeit spielt wie der räumliche Abstand für den gewöhnlichen Raum. Diese Substitution wird von einigen Autoren in [[Lehrbuch|Lehrbüchern]] verwendet, die die [[spezielle Relativitätstheorie]] behandeln oder Abschnitte hierüber beinhalten. Der Ausdruck ''x = (x,y,z,''i''ct)'' wird auch als [[Vierervektor]] bezeichnet. In der [[Praxis]] hat sich allerdings eine Formulierung mit reellen Vierervektoren durchgesetzt, eingebettet in einen Formalismus, der direkt zur [[Allgemeine Relativitätstheorie|allgemeinen Relativitätstheorie]] führt. Dabei werden je nach Definition der zugrundeliegenden Metrik verschiedene Formen verwendet, z.B. ''x = (ct,x,y,z)'' oder ''y = (x,y,z,ct)''. Man vermutet jedoch die Existenz zusätzlicher [[verborgene Dimensionen|verborgener Dimensionen]] der Raum-Zeit, über deren Anzahl und Struktur noch spekuliert wird, so dass der Stellenwert der Substitution ''x<sub>4</sub> = ''i''ct'' letztlich noch offen ist.
(a_1,b_1)\;\cdot\,(a_2,b_2) & = (a_1a_2 - b_1b_2,\ a_1b_2 + a_2b_1).
\end{align}</math>


Heute wird die Berechtigung komplexer Zahlen nicht mehr in Frage gestellt: Durch die Einfachheit der Definition, durch die bereits erläuterten Bedeutung und durch Anwendungen in vielen Wissenschaftsgebieten stehen die komplexen Zahlen den reellen Zahlen in nichts nach. Der Begriff der „imaginären“ Zahlen wurde zwar beibehalten, hat aber im Laufe der Jahrhunderte seine ursprünglich pejorative Bedeutung – im Sinne von eingebildeten, unwirklichen, sinnlosen oder nutzlosen Zahlen – abgelegt. Um es mit [[Carl Friedrich Gauß]] zu sagen: ''„Bei allem dem sind die imaginären Grössen, so lange ihre Grundlage immer nur in einer Fiction bestand, in der Mathematik nicht sowohl wie eingebürgert, als viel mehr nur wie geduldet betrachtet, und weit davon entfernt geblieben, mit den reellen Grössen auf gleiche Linie gestellt zu werden. Zu einer solchen Zurücksetzung ist aber jetzt kein Grund mehr […]“''<ref>Das Zitat Carl Friedrich Gauß stammt aus der Zeit nach 1831, siehe ''Werke'', 10, 1, Seite 404. Zitiert nach {{Literatur |Autor=Friedrich Hirzebruch, Reinhold Remmert et al. |Titel=Zahlen |Datum= |Kapitel=3. Komplexe Zahlen §&nbsp;1 Genesis der komplexen Zahlen |Seiten=50}}</ref>
Darüber hinaus ist die Mathematik der komplexen Zahlen derjenigen der reellen Zahlen hinsichtlich Eleganz und Abgeschlossenheit deutlich überlegen. So ist, um nur ein Beispiel zu nennen, jede komplex differenzierbare Funktion automatisch unendlich oft [[Differenzierbarkeit|differenzierbar]], anders als in der Mathematik der reellen Zahlen.


== Bedeutung ==
Es hat sich gezeigt, dass komplexe Zahlen tiefer in der Natur und auch in der Mathematik verankert sind, als man zur Zeit ihrer Entdeckung ahnen konnte. Die grundlegende Frage scheint fast weniger zu sein, warum die Quantentheorie so gut zu den komplexen Zahlen passt, sondern warum wir bei der physikalischen Beschreibung unserer Alltagswelt eigentlich so gut mit den reellen Zahlen auskommen.


=== Komplexe Zahlen in der angewandten Mathematik ===
=== Komplexe Zahlen in der Physik ===
Komplexe Zahlen spielen in der Grundlagenphysik eine zentrale Rolle. In der [[Quantenmechanik]] wird der Zustand eines physikalischen Systems als Element eines ([[Projektiver Hilbertraum|projektiven]]) [[Hilbertraum]]s über den komplexen Zahlen aufgefasst. Komplexe Zahlen finden Verwendung bei der Definition von [[Differentialoperator]]en in der [[Schrödingergleichung]] und der [[Klein-Gordon-Gleichung]]. Für die [[Dirac-Gleichung]] benötigt man eine [[Zahlbereichserweiterung]] der komplexen Zahlen, die [[Quaternionen]]. Alternativ ist eine Formulierung mit [[Pauli-Matrizen]] möglich, die aber die gleiche [[Algebra|algebraische Struktur]] wie die Quaternionen aufweisen.


Komplexe Zahlen haben in der Physik und Technik eine wichtige Rolle als Rechenhilfe. So lässt sich insbesondere die Behandlung von Differentialgleichungen zu Schwingungsvorgängen vereinfachen, da sich damit die komplizierten Beziehungen in Zusammenhang mit Produkten von Sinus- bzw. Kosinusfunktionen durch Produkte von Exponentialfunktionen ersetzen lassen, wobei lediglich die Exponenten addiert werden müssen. So fügt man dazu beispielsweise in der [[komplexe Wechselstromrechnung|komplexen Wechselstromrechnung]] willkürliche aber passende Imaginärteile in die reellen Ausgangsgleichungen ein, die man bei der Auswertung der Rechenergebnisse dann wieder ignoriert. Es handelt sich dabei lediglich um einen Rechentrick ohne philosophischen Hintergrund.
Komplexe Zahlen haben in der Physik und Technik eine wichtige Rolle als Rechenhilfe. So lässt sich insbesondere die Behandlung von Differentialgleichungen zu Schwingungsvorgängen vereinfachen, da sich damit die komplizierten Beziehungen in Zusammenhang mit Produkten von Sinus- bzw. Kosinusfunktionen durch Produkte von Exponentialfunktionen ersetzen lassen, wobei lediglich die Exponenten addiert werden müssen. So fügt man dazu beispielsweise in der [[Komplexe Wechselstromrechnung|komplexen Wechselstromrechnung]] geeignete Imaginärteile in die reellen Ausgangsgleichungen ein, die man bei der Auswertung der Rechenergebnisse dann wieder ignoriert. Dadurch werden in der Zwischenrechnung harmonische Schwingungen (reell) zu [[Eulersche Formel|Kreisbewegungen in der komplexen Ebene]] ergänzt, die mehr Symmetrie aufweisen und deswegen einfacher zu behandeln sind.


In der [[Optik]] werden die brechenden und absorbierenden Effekte einer Substanz in einer komplexen, [[wellenlänge]]nabhängigen [[Permittivität]] (Dielektrizitätskonstante) oder dem komplexen [[Brechungsindex]] zusammengefasst, die wiederum auf die [[elektrische Suszeptibilität]] zurückgeführt wird.
In der [[Fluiddynamik]] werden komplexe Zahlen eingesetzt, um ebene [[Potentialströmung]]en zu erklären und zu verstehen. Jede beliebige komplexe Funktion eines komplexen Arguments stellt immer eine ebene Potenzialströmung dar – der geometrische Ort entspricht dem komplexen Argument in der gaußschen Zahlenebene, das Strömungspotenzial dem Realteil der Funktion, und die Stromlinien den Isolinien des Imaginärteils der Funktion mit umgekehrtem Vorzeichen. Das Vektorfeld der Strömungsgeschwindigkeit entspricht der konjugiert komplexen ersten Ableitung der Funktion. Durch das Experimentieren mit verschiedenen Überlagerungen von Parallelströmung, Quellen, Senken, Dipolen und Wirbeln kann man die Umströmung unterschiedlicher Konturen darstellen. Verzerren lassen sich diese Strömungsbilder durch [[konforme Abbildung]] – das komplexe Argument wird durch eine Funktion des komplexen Arguments ersetzt. Beispielsweise lässt sich die Umströmung eines Kreiszylinders (Parallelströmung + Dipol + Wirbel) in die Umströmung eines tragflügel-ähnlichen Profils ([[Jukowski-Profil]]) verzerren und die Rolle des tragenden Wirbels an einer Flugzeug-Tragfläche studieren. So nützlich diese Methode zum Lernen und Verstehen ist, zur genauen Berechnung reicht sie im allgemeinen nicht aus.


In der [[Fluiddynamik]] werden komplexe Zahlen eingesetzt, um ebene [[Potentialströmung]]en zu erklären und zu verstehen. Jede beliebige komplexe Funktion eines komplexen Arguments stellt immer eine ebene Potentialströmung dar – der geometrische Ort entspricht dem komplexen Argument in der gaußschen Zahlenebene, das Strömungspotenzial dem Realteil der Funktion, und die Stromlinien den Isolinien des Imaginärteils der Funktion mit umgekehrtem Vorzeichen. Das Vektorfeld der Strömungsgeschwindigkeit entspricht der konjugiert komplexen ersten Ableitung der Funktion. Durch das Experimentieren mit verschiedenen Überlagerungen von Parallelströmung, Quellen, Senken, Dipolen und Wirbeln kann man die Umströmung unterschiedlicher Konturen darstellen. Verzerren lassen sich diese Strömungsbilder durch [[konforme Abbildung]]&nbsp;– das komplexe Argument wird durch eine Funktion des komplexen Arguments ersetzt. Beispielsweise lässt sich die Umströmung eines Kreiszylinders (Parallelströmung + Dipol) in die Umströmung eines tragflügel-ähnlichen Profils ([[Kutta-Schukowski-Transformation|Joukowski-Profil]]) verzerren und die Rolle des tragenden Wirbels an einer Flugzeug-Tragfläche studieren. So nützlich diese Methode zum Lernen und Verstehen ist, zur genauen Berechnung reicht sie im Allgemeinen nicht aus.
Wichtig ist auch die Anwendung komplexer Zahlen bei der Berechnung uneigentlicher reeller [[Integralrechnung|Integral]]e im Rahmen des [[Residuensatz]]es der [[Funktionentheorie]].


=== Komplexe Zahlen in der reinen Mathematik ===
=== Komplexe Zahlen in der Elektrotechnik ===
In der Elektrotechnik besitzt die Darstellung elektrischer Größen mit Hilfe komplexer Zahlen weite Verbreitung. Sie wird bei der Berechnung von zeitlich sinusförmig veränderlichen Größen wie elektrischen und magnetischen Feldern verwendet. Bei der Darstellung einer sinusförmigen [[Wechselspannung]] als komplexe Größe und entsprechenden Darstellungen für Widerstände, Kondensatoren und Spulen vereinfachen sich die Berechnungen des [[Elektrische Stromstärke|elektrischen Stromes]], der [[Wirkleistung|Wirk-]] und der [[Blindleistung]] in einer Schaltung. Um eine Verwechslung der imaginären Einheit <math>\text{i}</math> mit dem Strom <math>i</math> zu vermeiden, wird in der Elektrotechnik international <math>\text{j}</math> für die imaginäre Einheit verwendet. Die durch Differentialquotienten oder Integrale gegebene Verkopplung geht über in eine Verkopplung durch trigonometrische Funktionen; die Berechnung der Zusammenhänge lässt sich damit wesentlich erleichtern. Auch das Zusammenwirken mehrerer verschiedener sinusförmiger Spannungen und Ströme, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihre Nulldurchgänge haben können, lässt sich in komplexer Rechnung leicht darstellen. Genaueres über dieses Thema steht im Artikel über die [[komplexe Wechselstromrechnung]].
Ein wichtiges Anwendungsgebiet in der reinen Mathematik ist die [[Zahlentheorie#Analytische_Zahlentheorie|analytische Zahlentheorie]]. Man nutzt aus, dass die ganzen und die rationalen Zahlen, die eines der Hauptstudienobjekte der Zahlentheorie sind, in den komplexen Zahlen liegen. Die so gewonnene Freiheit erlaubt die Anwendung analytischer Methoden, die ggf. Rückschlüsse auf die ganzen und rationalen Zahlen zulassen.


In den letzten Jahren hat die [[digitale Signalverarbeitung]] außerordentlich an Bedeutung gewonnen, deren Fundament die Rechnung mit komplexen Zahlen bildet.
Ferner liefern die komplexen Zahlen die Ausgangsbasis für die sog. komplexe Geometrie, d.h. das Studium komplexer [[Mannigfaltigkeit]]en. Dieses Gebiet ist schon für sich genommen sehr wichtig. Außerdem liefern Aussagen der komplexen Geometrie oft Hinweise auf Zusammenhänge in der [[Algebraische Geometrie|algebraischen Geometrie]], welche sehr ähnliche Gebilde studiert.

=== Körpertheorie und algebraische Geometrie ===
Der [[Körper (Algebra)|Körper]] der komplexen Zahlen ist der [[Algebraischer Abschluss|algebraische Abschluss]] des Körpers der reellen Zahlen.

Je zwei algebraisch abgeschlossene Körper mit derselben [[Charakteristik (Algebra)|Charakteristik]] und demselben [[Transzendenzgrad]] über ihrem [[Primkörper]] (der durch die Charakteristik festgelegt ist) sind ([[Ringtheorie|ringtheoretisch]]) [[Isomorphismus|isomorph]].<ref>Daher kommt auch, dass es überabzählbar viele „wilde“ [[Automorphismus|Automorphismen]] von <math>\Complex</math> gibt; siehe Paul B. Yale: {{Webarchiv |url=https://www.maa.org/sites/default/files/pdf/upload_library/22/Ford/PaulBYale.pdf |text=''Automorphisms of the Complex Numbers.'' |format=PDF; 217&nbsp;kB |wayback=20140202123928}}.</ref> Bei einem Körper von Charakteristik&nbsp;0 mit [[überabzählbar]]em Transzendenzgrad ist dieser gleich der [[Mächtigkeit (Mathematik)|Kardinalität]] des Körpers. Körpertheoretisch bilden die komplexen Zahlen also den einzigen algebraisch abgeschlossenen Körper mit Charakteristik&nbsp;0 und der Kardinalität <math>\aleph</math> des [[Kontinuum (Mathematik)|Kontinuums]]. Eine Konstruktion des Körpers der komplexen Zahlen ist mithilfe dieser Feststellung auch rein algebraisch etwa als Erweiterung des algebraischen Abschlusses der rationalen Zahlen um <math>\aleph</math> viele transzendente Elemente möglich. Eine weitere Konstruktion liefert ein [[Ultraprodukt]]: Hierzu bilde man zu jedem [[Endlicher Körper|endlichen Körper]] seinen algebraischen Abschluss und bilde von ihnen das Ultraprodukt bezüglich eines beliebigen freien [[Ultrafilter]]s. Aus dem [[Satz von Łoś]] folgt, dass dieses Ultraprodukt ein algebraisch abgeschlossener Körper mit Charakteristik&nbsp;0 ist, die Kardinalität des Kontinuums folgt aus mengentheoretischen Überlegungen.<ref>H. Schoutens: {{Webarchiv |url=http://www.springer.com/cda/content/document/cda_downloaddocument/9783642133671-c1.pdf?SGWID=0-0-45-966343-p174008461 |text=''The Use of Ultraproducts in Commutative Algebra.'' |format=PDF; 305&nbsp;kB |wayback=20150924123351}} Springer, 2010, S. 16.</ref>

Unter dem Schlagwort [[Lefschetz-Prinzip]] werden verschiedene Sätze zusammengefasst, die es erlauben, Ergebnisse der [[Algebraische Geometrie|algebraischen Geometrie]], die über den komplexen Zahlen bewiesen werden, auf andere algebraisch abgeschlossene Körper mit Charakteristik 0 zu übertragen (was maßgeblich auf der [[Vollständigkeit (Logik)|Vollständigkeit]] der Theorie der algebraisch abgeschlossenen Körper mit Charakteristik 0 aufbaut). Die Betrachtung des komplexen Falls bietet den Vorteil, dass dort topologische und analytische Methoden eingesetzt werden können, um algebraische Ergebnisse zu erhalten.<ref>{{Literatur |Autor=[[Gerhard Frey (Mathematiker)|Gerhard Frey]], Hans-Georg Rück |Titel=The Strong Lefschetz Principle in Algebraic Geometry |Sammelwerk=manuscripta mathematica |Band=55 |Datum=1986 |Seiten=385 |Online=[http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/load/img/?PPN=PPN365956996_0055&DMDID=DMDLOG_0026&LOGID=LOG_0026&PHYSID=PHYS_0389 uni-goettingen.de]}}</ref> Obige Ultraproduktkonstruktion erlaubt die Übertragung von Ergebnissen im Fall einer Charakteristik ungleich 0 auf die komplexen Zahlen.<ref>Frey, Rück, S. 389.</ref>

=== Spektraltheorie und Funktionalanalysis ===
Viele Ergebnisse der [[Spektraltheorie]] gelten für komplexe [[Vektorraum|Vektorräume]] in größerem Umfang als für reelle. So treten z.&nbsp;B. komplexe Zahlen als [[Eigenwert]]e reeller [[Matrix (Mathematik)|Matrizen]] auf (dann jeweils zusammen mit dem konjugiert-komplexen Eigenwert). Das erklärt sich dadurch, dass das [[Charakteristisches Polynom|charakteristische Polynom]] der Matrix aufgrund der algebraischen Abgeschlossenheit von <math>\Complex</math> über den komplexen Zahlen stets in [[Linearfaktor]]en zerfällt. Dagegen gibt es reelle Matrizen ohne reelle Eigenwerte, während das [[Spektrum (Operatortheorie)|Spektrum]] eines beliebigen [[Beschränkter Operator|beschränkten Operators]] auf einem komplexen (mindestens eindimensionalen) [[Banachraum]] nie leer ist.<ref>{{Literatur |Autor=[[Dirk Werner (Mathematiker)|Dirk Werner]] |Titel=Funktionalanalysis |Auflage=7. |Verlag=Springer |Datum=2011 |ISBN=978-3-642-21016-7 |Seiten=261}}</ref> In der Spektraltheorie auf [[Hilbertraum|Hilberträumen]] lassen sich Sätze, die im reellen Fall nur für [[Selbstadjungierter Operator|selbstadjungierte Operatoren]] gelten, im komplexen Fall oft auf [[Normaler Operator|normale Operatoren]] übertragen.

Auch in weiteren Teilen der [[Funktionalanalysis]] spielen die komplexen Zahlen eine besondere Rolle. So wird etwa die Theorie der [[C*-Algebra|C*-Algebren]] meist im Komplexen betrieben, die [[harmonische Analyse]] befasst sich mit [[Darstellungstheorie|Darstellungen von Gruppen]] auf komplexen Hilberträumen.

=== Funktionentheorie und komplexe Geometrie ===
Das Studium differenzierbarer Funktionen auf Teilmengen der komplexen Zahlen ist Gegenstand der [[Funktionentheorie]]. Sie ist in vieler Hinsicht starrer als die reelle Analysis und lässt weniger Pathologien zu. Beispiele sind die Aussage, dass jede in einem [[Gebiet (Mathematik)|Gebiet]] differenzierbare Funktion bereits beliebig oft differenzierbar ist, oder der [[Identitätssatz für holomorphe Funktionen]].

Die Funktionentheorie ermöglicht oft auch Rückschlüsse auf rein reelle Aussagen, beispielsweise lassen sich manche Integrale mit dem [[Residuensatz]] berechnen. Ein wichtiges Einsatzgebiet dieser Methoden ist die [[analytische Zahlentheorie]], die Aussagen über ganze Zahlen auf Aussagen über komplexe Funktionen zurückführt, häufig in der Form von [[Dirichletreihe]]n. Ein prominentes Beispiel ist die Verbindung zwischen [[Primzahlsatz]] und [[Riemannsche Zetafunktion|riemannscher ζ-Funktion]]. In diesem Zusammenhang spielt die [[riemannsche Vermutung]] eine zentrale Rolle.

Die oben erwähnte Starrheit holomorpher Funktionen tritt noch stärker bei globalen Fragen in Erscheinung, d.&nbsp;h. beim Studium [[Komplexe Mannigfaltigkeit|komplexer Mannigfaltigkeiten]]. So gibt es auf einer [[Kompakter Raum|kompakten]] komplexen Mannigfaltigkeit keine nichtkonstanten globalen holomorphen Funktionen; Aussagen wie der [[Einbettungssatz von Whitney]] sind im Komplexen also falsch. Diese sogenannte „analytische Geometrie“ (nicht mit der [[analytische Geometrie|klassischen analytischen Geometrie]] von René Descartes zu verwechseln!) ist auch eng mit der [[Algebraische Geometrie|algebraischen Geometrie]] verknüpft, viele Ergebnisse lassen sich übertragen. Die komplexen Zahlen sind auch in einem geeigneten Sinne ausreichend groß, um die Komplexität [[Algebraische Varietät|algebraischer Varietäten]] über beliebigen Körpern der [[Charakteristik (Algebra)|Charakteristik]]&nbsp;0 zu erfassen (Lefschetz-Prinzip).


== Verwandte Themen ==
== Verwandte Themen ==
* [[Gaußsche Zahlen]] und [[Eisenstein-Zahlen]] sind eine Verallgemeinerung der ganzen Zahlen auf die komplexen Zahlen.
* [[Hyperkomplexe Zahlen]] verallgemeinern die algebraische Struktur der komplexen Zahlen.
* [[Komplexwertige Funktion]]en bilden komplexe Zahlen auf komplexe Zahlen ab.


== Anmerkungen ==
* [[Gaußsche Zahlen]]
<references group="Anm" />
* [[Eisenstein-Zahlen]]
* [[Zahlensystem]]


== Weblinks ==
== Literatur ==
* [[Paul Nahin]]: ''An imaginary tale: The story of <math>\sqrt {-1}</math>.'' Princeton University Press, 1998, ISBN 978-0-691-14600-3.
* {{Literatur
|Autor=Reinhold Remmert
|Hrsg=H.-D. Ebbinghaus, H. Hermes, F. Hirzebruch, M. Koecher, K. Mainzer, A. Prestel, R. Remmert
|Titel=Komplexe Zahlen
|Sammelwerk=Zahlen
|Verlag=Springer-Verlag
|Ort=Berlin / Heidelberg / New York / Tokyo
|Datum=1983
|ISBN=3-540-12666-X
|Kapitel=3
|Seiten=4 ff.}}


== Weblinks ==
* [http://de.wikibooks.org/wiki/Komplexe_Zahlen Wikibooks: Komplexe Zahlen]
{{Commonscat|Complex numbers|Komplexe Zahlen}}
* [http://www.komplexe-zahlen.de Eine Facharbeit, die eine Einführung in die komplexen Zahlen gibt]
{{Wiktionary|komplexe Zahl}}
* [http://www.tf.uni-kiel.de/matwis/amat/mw1_ge/kap_2/basics/b2_1_5.html Rechnen mit komplexen Zahlen]
{{Wikibooks|Imaginäre und komplexe Zahlen|suffix=eine kompakte Einführung}}
* [http://www.walter-fendt.de/m11d/komplz.htm Java-Applet zur geometrischen Deutung]
{{Wikibooks|Komplexe Zahlen}}
* [http://www.ate.uni-duisburg.de:8080/hp-renny/download/complex/index.html Java-Klasse, zur Berechung komplexer Zahlen]
* Schriften, Dokumentationen
** [https://www.w-i-g.de/index.php?title=Komplexe_Zahlen Einführung in die komplexen Zahlen.] w-i-g.de
** [http://www.tf.uni-kiel.de/matwis/amat/mw1_ge/kap_2/basics/b2_1_5.html Rechnen mit komplexen Zahlen.] uni-kiel.de
** [http://www.dimensions-math.org/Dim_CH5_DE.htm Anwendung der komplexen Zahlen in der Chaostheorie.] dimensions-math.org; insbesondere Kapitel 5 und&nbsp;6.
* Programme zur direkten Ausführung
** [https://www.walter-fendt.de/html5/mde/complexnumbers_de.htm HTML5-App zur geometrischen Deutung.] walter-fendt.de
** [http://www.calc3d.com/gjavascriptcomplexcalc.html Rechner für komplexe Zahlen.] calc3d.com
* Zur Geschichte
** [http://members.chello.at/gut.jutta.gerhard/imaginaer1.htm Geschichte der komplexen Zahlen.] members.chello.at/gut.jutta.gerhard
** [https://www.youtube.com/watch?v=cUzklzVXJwo How Imaginary Numbers Were Invented.] Youtube; mit wissenschaftlicher Literatur in der Videobeschreibung


== Einzelnachweise ==
{{Navigationsleiste Zahlenbereiche}}
<references />


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[[Kategorie:Zahlen]]


[[Kategorie:Zahl]]
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[[es:Número complejo]]
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[[he:מספר מרוכב]]
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[[it:Numero complesso]]
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[[ko:&#54728;&#49688;]]
[[lt:Kompleksiniai skai&#269;iai]]
[[nl:Complex getal]]
[[no:Komplekst tall]]
[[pl:Liczby zespolone]]
[[pt:Números complexos]]
[[ro:Num&#259;r complex]]
[[ru:&#1050;&#1086;&#1084;&#1087;&#1083;&#1077;&#1082;&#1089;&#1085;&#1086;&#1077; &#1095;&#1080;&#1089;&#1083;&#1086;]]
[[scn:Nummuru complessu]]
[[sl:Kompleksno število]]
[[sv:Komplexa tal]]
[[th:จำนวนเชิงซ้อน]]
[[tr:Karma&#351;&#305;k say&#305;lar]]
[[zh:&#35079;&#25976;]]

Aktuelle Version vom 28. Juli 2025, 23:20 Uhr

Der Buchstabe C mit Doppelstrich
steht für die Menge der komplexen Zahlen
Die komplexen Zahlen umfassen die reellen Zahlen und diese die rationalen Zahlen , zu denen wiederum die ganzen Zahlen und die natürlichen Zahlen gehören.

Die komplexen Zahlen stellen eine Erweiterung der reellen Zahlen dar. Ziel der Erweiterung ist es, algebraische Gleichungen wie bzw. lösbar zu machen. Im Gegensatz zu den Erweiterungen reicht es hier nicht mehr aus, die Zahlen „linksseitig“ zu erweitern (ganze Zahlen) oder „dichter zu stopfen“ (rationale und reelle Zahlen), sondern man wechselt von einer Zahlengeraden zu einer Zahlenebene.

Da die Quadrate aller reellen Zahlen größer oder gleich 0 sind, kann die Lösung der Gleichung keine reelle Zahl sein. Man braucht eine ganz neue Zahl, die man üblicherweise nennt, mit der Eigenschaft Diese Zahl wird als imaginäre Einheit bezeichnet.

Komplexe Zahlen werden als Summe definiert, wobei als Realteil und als Imaginärteil bezeichnet wird. Beides sind reelle Zahlen. Die Zahl ist die oben definierte imaginäre Einheit. Auf die so definierten komplexen Zahlen lassen sich die üblichen Rechenregeln für reelle Zahlen anwenden, wobei wie eine Konstante verwendet wird und durch ersetzt werden kann und umgekehrt. Für die Menge der komplexen Zahlen wird das Symbol ( als Unicode-Zeichen U+2102, siehe Buchstaben mit Doppelstrich) verwendet.

Der so konstruierte Zahlenbereich der komplexen Zahlen bildet einen Erweiterungskörper der reellen Zahlen und hat eine Reihe vorteilhafter Eigenschaften, die sich in vielen Bereichen der Natur- und Ingenieurwissenschaften als äußerst nützlich erwiesen haben. Einer der Gründe für diese nützlichen Eigenschaften ist die algebraische Abgeschlossenheit der komplexen Zahlen. Dies bedeutet, dass jede algebraische Gleichung positiven Grades über den komplexen Zahlen eine Lösung besitzt, was für reelle Zahlen nicht gilt. Diese Eigenschaft ist der Inhalt des Fundamentalsatzes der Algebra. Ein weiterer Grund ist ein Zusammenhang zwischen trigonometrischen Funktionen und der Exponentialfunktion (Eulerformel), der über die komplexen Zahlen hergestellt werden kann. Ferner ist jede auf einer offenen Menge einmal komplex differenzierbare Funktion dort auch beliebig oft differenzierbar – anders als in der Analysis der reellen Zahlen. Die Eigenschaften von Funktionen mit komplexen Argumenten sind Gegenstand der Funktionentheorie, auch komplexe Analysis genannt.

In der Elektrotechnik wird stattdessen der Buchstabe verwendet, um einer Verwechslung mit einer (durch oder bezeichneten) von der Zeit abhängigen Stromstärke vorzubeugen, allerdings erhöht dies die Verwechslungsgefahr mit der Stromdichte in der Elektrodynamik.

Die komplexen Zahlen lassen sich als Zahlbereich im Sinne einer Menge von Zahlen, für die die Grundrechenarten Addition, Multiplikation, Subtraktion und Division erklärt sind, mit den folgenden Eigenschaften definieren:

  • Die reellen Zahlen sind in den komplexen Zahlen enthalten. Das heißt, dass jede reelle Zahl eine komplexe Zahl ist.
  • Das Assoziativgesetz und das Kommutativgesetz gelten für die Addition und die Multiplikation komplexer Zahlen.
  • Das Distributivgesetz gilt.
  • Für jede komplexe Zahl existiert eine komplexe Zahl , sodass:
  • Für jede von Null verschiedene komplexe Zahl existiert eine komplexe Zahl , sodass:
  • Es existiert eine komplexe Zahl mit der Eigenschaft:
  • Unter allen Zahlbereichen mit den zuvor genannten Eigenschaften sind die komplexen Zahlen minimal.

Die letzte Forderung ist gleichbedeutend damit, dass sich jede komplexe Zahl in der Form (bzw. in verkürzter Notation oder auch ) mit reellen Zahlen und darstellen lässt. Die imaginäre Einheit ist dabei keine reelle Zahl. Die Existenz eines solchen Zahlbereichs wird im Abschnitt zur Konstruktion der komplexen Zahlen nachgewiesen.

Unter Verwendung der Begriffe Körper und Isomorphie lässt sich das so formulieren: Es gibt minimale Körper, die den Körper der reellen Zahlen und ein Element mit der Eigenschaft enthalten. In einem solchen Körper hat jedes Element eine und nur eine Darstellung als mit reellen Die komplexen Zahlen sind isomorph zu jedem solchen Körper.

Wie gesagt, werden die Koeffizienten als Real- bzw. Imaginärteil von bezeichnet. Dafür haben sich zwei typografische Schreibweisen etabliert:

  • und (Schreibweise der Operatoren ohne besondere Ausschreibung)
  • und (Schreibweise der Operatoren in Frakturschrift)

In der Elektrotechnik wird das kleine i schon für zeitlich veränderliche Ströme verwendet (siehe Wechselstrom) und kann zu Verwechslungen mit der imaginären Einheit führen. Daher wird in der Elektrotechnik üblicherweise für die imaginäre Einheit die Bezeichnung gewählt, wie dies auch in der Norm DIN 1302 festgelegt ist.

In der Physik wird zwischen für die Stromstärke bei Wechselstrom und durch die Art der Darstellung des Buchstabens für die imaginäre Einheit unterschieden. Dies führt durch die Trennung beim aufmerksamen Leser nicht zu Verwechslungen und wird in dieser Form weitgehend sowohl in der physikalisch-experimentellen als auch in der physikalisch-theoretischen Literatur angewandt; handschriftlich ist diese Feinheit allerdings nicht zu halten, weshalb häufig das als Symbol für die imaginäre Einheit verwendet wird. Siehe auch: Komplexe Wechselstromrechnung

Komplexe Zahlen können gemäß DIN 1304-1 und DIN 5483-3 unterstrichen dargestellt werden, um sie von reellen Zahlen zu unterscheiden. Siehe auch: Phasor.

Grundlegende Eigenschaften

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Darstellung von komplexen Zahlen in der komplexen Zahlenebene

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Gaußsche Ebene mit einer komplexen Zahl in kartesischen Koordinaten und in Polarkoordinaten [1]

Während sich die Menge der reellen Zahlen als Punkte auf einer Zahlengeraden darstellen lässt, lässt sich die Menge der komplexen Zahlen als Punkte auf einer Ebene (komplexe Ebene, gaußsche Zahlenebene) darstellen. Da die komplexen Zahlen einen zweidimensionalen reellen Vektorraum definieren, kann die komplexe Ebene mit einem kartesischen Koordinatensystem versehen werden, das von den beiden orthogonalen Vektoren und aufgespannt wird. Es ist üblich, innerhalb diesem die reellen Zahlen über eine waagerechte und die imaginären Zahlen über eine senkrechte Achse darzustellen. Eine komplexe Zahl mit besitzt dann die „horizontale Koordinate“ und die „vertikale Koordinate“ , wird also mit dem Zahlenpaar identifiziert. Entsprechend bildet eine Basis des -Vektorraumes .

Gemäß Definition entspricht die Addition komplexer Zahlen einer Vektoraddition, wobei man die Punkte in der Zahlenebene mit ihren Ortsvektoren identifiziert. Die Subtraktion komplexer Zahlen entspricht einer Vektorsubtraktion. Die Multiplikation ist in der gaußschen Ebene eine Drehstreckung, was nach Einführung der Polarform weiter unten klarer werden sollte.

Die Farbdarstellung der komplexen Zahlen­ebene wird häufig zur Veranschaulichung komplexer Funktionen (hier: der Identität) an­gewendet. Die Farbe kodiert das Argument und die Helligkeit gibt den Betrag an.

Es gibt mehrere Möglichkeiten der Darstellung von komplexen Zahlen:

  • Darstellung in kartesischen Koordinaten , gelegentlich auch algebraische Form genannt,[2] als Summe des reellen und des rein imaginären Anteils mit folgenden Schreibweisen, also[3]
oder auch .
  • Darstellung in Polarkoordinaten bzw. in Polardarstellung als Produkt des absoluten Betrages gedreht um den Winkel mit folgenden Schreibweisen:
    • ,
    • ,[4]

Hierbei wird der Faktor als Phasenfaktor und der Winkel auch als Argument der komplexen Zahl (in Polardarstellung) bezeichnet. Hintergrund dieser Darstellung ist die Eulersche Formel, die über die komplexen Zahlen einen fundamentalen Zusammenhang zwischen der natürlichen Exponentialfunktion und den trigonometrischen Funktionen herstellt. Alle oberen Schreibweisen stellen demnach exakt den gleichen Sachverhalt dar. Es ist zu beachten, dass die komplexe Zahl kein Argument besitzt, weshalb hier keine Darstellung in Polarkoordinaten im oberen Sinne möglich ist.

Eine Umwandlung von kartesischer Form in Polarform ist mittels und

möglich. Setzt man , ergo und , so ist die Gleichheit zur arctan2-Funktion eine Konsequenz aus der Halbwinkelformel

Die linke Seite lässt sich im „vollen Winkelbereich des Hauptarguments“ unter Anwendung des Arkustangens zu umformen. Ist hingegen , also auf der rechten Halbebene, so kann die Gleichung vereinfachend auch zu aufgelöst werden.


Komplexe Konjugation

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Eine komplexe Zahl und die zu ihr konjugiert komplexe Zahl

Ändert man das Vorzeichen des Imaginärteils einer komplexen Zahl so erhält man die zu konjugiert komplexe Zahl (manchmal auch geschrieben).

Die Konjugation ist ein (involutorischer) Körperautomorphismus, da sie mit Addition und Multiplikation verträglich ist, d. h., für alle gilt

In der Polardarstellung hat die konjugiert komplexe Zahl bei unverändertem Betrag gerade den negativen Winkel von Man kann die Konjugation in der komplexen Zahlenebene also als die Spiegelung an der reellen Achse interpretieren. Insbesondere werden unter der Konjugation genau die reellen Zahlen auf sich selbst abgebildet.

Das Produkt aus einer komplexen Zahl und ihrer komplex Konjugierten ergibt das Quadrat ihres Betrages:

Die komplexen Zahlen bilden damit ein triviales Beispiel einer C*-Algebra.

Die Summe aus einer komplexen Zahl und ihrer komplex Konjugierten ergibt das 2-Fache ihres Realteils:

Die Differenz aus einer komplexen Zahl und ihrer komplex Konjugierten ergibt das -Fache ihres Imaginärteils:

Als normierter, metrischer und topologischer Raum

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Die durch die Abstandsfunktion induzierte Metrik versieht den komplexen Vektorraum mit seiner Standardtopologie. Sie stimmt mit der Produkttopologie von überein, so wie auch die Einschränkung von auf mit der Standardmetrik auf übereinstimmt. Der Betrag einer komplexen Zahl berechnet sich durch , wobei der nichtnegative Wert der Quadratwurzel gewählt wird. Zum Beispiel gilt

Beide Räume, sowie , sind vollständig unter diesen Metriken. Auf beiden Räumen lässt sich der topologische Begriff der Stetigkeit zu analytischen Begriffen wie Differentiation und Integration erweitern.

ist im Gegensatz zu kein geordneter Körper, d. h., es gibt keine mit der Körperstruktur verträgliche lineare Ordnungsrelation auf . Von zwei unterschiedlichen komplexen Zahlen kann man daher im Allgemeinen nicht sinnvoll (bezogen auf die Addition und Multiplikation in ) festlegen, welche von beiden die „größere“ bzw. die „kleinere“ Zahl ist.[5]

Weitere Eigenschaften

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  • Der Körper der komplexen Zahlen ist einerseits ein Oberkörper von , andererseits ein zweidimensionaler -Vektorraum. Der Isomorphismus wird auch als natürliche Identifikation bezeichnet. In der Regel nutzt man dies auch, um formell als mit der entsprechenden komplexen Multiplikation zu definieren und dann zu setzen. Dabei wird gleichzeitig festgelegt:
  1. Die Drehung der komplexen Ebene am Ursprung um den positiven Winkel führt die positive reelle in die positiv-imaginäre Einheit über.
  2. Wenn die positiv-reelle Halbachse in der komplexen Ebene nach rechts geht, dann legt man die positiv-imaginäre Halbachse nach oben. Das ist in Einklang mit dem mathematisch positiven Drehsinn.
  • Die Körpererweiterung ist vom Grad ; genauer ist isomorph zum Faktorring , wobei das Minimalpolynom von über ist. Ferner bildet bereits den algebraischen Abschluss von .
  • Als -Vektorraum besitzt die Basis . Daneben ist wie jeder Körper auch ein Vektorraum über sich selbst, also ein eindimensionaler -Vektorraum mit Basis .
  • und sind genau die Lösungen der quadratischen Gleichung . In diesem Sinne kann (aber auch ) als „Wurzel aus “ aufgefasst werden.[Anm 1]
Die Addition zweier komplexer Zahlen in algebra­ischen Form und als Vektor­addition in der komplexen Ebene veranschaulicht.
Da kommutativ, ergibt das Anfügen von an das gleiche Ergebnis wie das Anfügen von an .

Für zwei komplexe Zahlen und gilt

.

Addition und Subtraktion sind in Polardarstellung nicht ohne Weiteres möglich. Es ist vorher eine Umrechnung in die kartesische Form und ggf. danach eine Rückrechnung in die Polarform empfehlenswert. Für und erhält man

mit

und
unter Nutzung der arctan2-Funktion.
Die Multiplikation zweier komplexer Zahlen entspricht dem Multiplizieren der Beträge und und dem Addieren der Argumente (Winkel) und .

Multiplikation

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Für zwei komplexen Zahlen und folgt durch direktes Ausmultiplizieren

,

wobei im letzten Schritt zu beachten ist.

Für die Multiplikation zweier komplexer Zahlen und in Polarform gilt[6]

.

Für die Division einer komplexen Zahl durch eine komplexe Zahl erweitert man den Bruch mit der zum Nenner konjugiert komplexen Zahl . Der Nenner wird dadurch reell (und ist das Quadrat des Betrages von ) und die Division lässt sich auf den vorherigen Fall zurückführen:[7]

Alternativ gilt entsprechend zur Multiplikation bei

Rechenbeispiele

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Addition:

Subtraktion:

Multiplikation:

Division:

.

Potenzen, Wurzeln und Logarithmen

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Zu den Rechenoperationen der dritten Stufe gehören Potenzieren, Wurzelziehen (Radizieren) und Logarithmieren.

Der komplexe natürliche Logarithmus ist (anders als der reelle auf ) nicht eindeutig. Durch Hinzufügen von Bedingungen kann allerdings wieder eine Eindeutigkeit erreicht werden. Man spricht dann vom sog. Hauptzweig des Logarithmus. Eine Eigenschaft dieses Hauptzweiges ist, dass seine Einschränkung auf wieder dem reellen natürlichen Logarithmus entspricht.

Eine komplexe Zahl heißt Logarithmus der komplexen Zahl , wenn

Mit ist auch jede Zahl mit beliebigem ein Logarithmus von . Man arbeitet daher mit Hauptwerten, d. h. mit Werten eines bestimmten Streifens der komplexen Ebene.

Der Hauptwert des natürlichen Logarithmus der komplexen Zahl

ist[8]

mit und . Anders formuliert: Der Hauptwert des natürlichen Logarithmus der komplexen Zahl ist

wobei der Hauptwert des Arguments von ist.[9]

Für allgemeine gilt[10]

,

wobei

Insbesondere ist die aus der reellen Analysis bekannte Regel für nicht allgemein für den Hauptzweig des Logarithmus gültig.

Natürliche Exponenten
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Für natürliche Zahlen berechnet sich die -te Potenz in der polaren Form zu[11]

(siehe den Satz von de Moivre) oder für die algebraische Form mit Hilfe des binomischen Satzes zu

Zum Beispiel gilt

oder

Anwendung findet diese Formel zudem beim Beweis diverser trigonometrischer Identitäten. So erhält man, durch Vergleiche von Real- und Imaginärteil mit im Satz von de Moivre, die Ausdrücke[12]

,

und

.
Beliebige komplexe Exponenten
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Allgemein kann für mit komplexen Exponenten

definiert werden. Dabei steht für den Hauptzweig des komplexen Logarithmus. Diese Definition ist jedoch willkürlich, denn sie hängt von der Wahl des Zweiges des Logarithmus ab. In oberem Fall spricht man entsprechend vom Hauptwert von . Jede Zahl aus der Menge

kann allerdings als eine -te Potenz von aufgefasst werden, und die Wahl des Logarithmus wird bei der entsprechenden Definition der Größe mit genannt.[13] Im Fall stimmen jedoch alle möglichen Ergebnisse mit dem Hauptwert überein, und die Funktion wird eindeutig, d. h. unabhängig von der getroffenen Logarithmuswahl.

Ein Beispiel dieser allgemeinen Regel ist das Potenzieren imaginärer Zahlen mit komplexen Exponenten. So ist der Hauptwert von wegen durch

gegeben. Zum Beispiel gilt dann . Allgemein sind alle möglichen Werte des Terms durch die Elemente der Menge gegeben.[14]

Beim Rechnen mit beliebigen komplexen Potenzen ist, wegen der vielen verschiedenen Zweige des Logarithmus, große Vorsicht geboten. So ist etwa das aus den reellen Zahlen bekannte Potenzgesetz

im komplexen im Allgemeinen nicht mehr gültig. Zum Beispiel gilt bei Benutzung des Hauptzweigs

Genau die Zahlen bilden den Einheitskreis der komplexen Zahlen mit dem Betrag , diese Zahlen werden auch unimodular genannt und bilden die Kreisgruppe.

Dass die Multiplikation von komplexen Zahlen (außer der Null) Drehstreckungen entspricht, lässt sich mathematisch wie folgt ausdrücken: Die multiplikative Gruppe der komplexen Zahlen ohne die Null lässt sich als direktes Produkt der Gruppe der Drehungen – isomorph zur Kreisgruppe – und der Streckungen um einen Faktor ungleich Null – isomorph zur multiplikativen Gruppe  – auffassen. Erstere Gruppe lässt sich durch das Argument parametrisieren, zweitere entspricht gerade den Beträgen.

Alle Elemente einer endlichen Untergruppe der multiplikativen Einheitengruppe sind Einheitswurzeln. Unter allen Ordnungen von Elementen einer gegebenen endlichen Untergruppe gibt es eine maximale, sie heiße . Da kommutativ ist, erzeugt ein Element mit dieser maximalen Ordnung dann auch die Gruppe, so dass die Gruppe zyklisch ist und genau aus den Elementen

mit

besteht. Alle diese Elemente liegen auf dem Einheitskreis.

Die Vereinigung aller endlichen Untergruppen ist eine Gruppe, die zur Torsionsgruppe isomorph ist. Sie liegt dicht in ihrer Vervollständigung, der schon erwähnten Kreisgruppe, die auch als 1-Sphäre aufgefasst werden kann und zu isomorph ist.

In diesem Abschnitt wird nachgewiesen, dass tatsächlich ein Körper der komplexen Zahlen existiert, der den in der obigen Definition geforderten Eigenschaften genügt. Es sind dabei verschiedene Konstruktionen möglich, die jedoch bis auf Isomorphie zum selben Körper führen.

Paare reeller Zahlen

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Die Konstruktion nimmt zunächst keinerlei Bezug auf die imaginäre Einheit : Im 2-dimensionalen reellen Vektorraum der geordneten reellen Zahlenpaare wird neben der Addition

(das ist die gewöhnliche Vektoraddition) eine Multiplikation durch

definiert.

Nach dieser Festlegung schreibt man , und wird zu einem Körper, dem Körper der komplexen Zahlen. Die imaginäre Einheit wird dann durch definiert.

Da eine Basis des bilden, lässt sich damit als Linearkombination

darstellen.

Erste Eigenschaften

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  • Die Abbildung ist eine Körpereinbettung von in , aufgrund der wir die reelle Zahl mit der komplexen Zahl identifizieren.

Bezüglich der Addition ist:

  • die Zahl das neutrale Element (das Nullelement) in und
  • die Zahl das inverse Element in .

Bezüglich der Multiplikation ist:

  • die Zahl das neutrale Element (das Einselement) von und
  • das Inverse (Reziproke) zu ist .

Bezug zur Darstellung in der Form a + bi

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Durch wird die imaginäre Einheit festgelegt; für diese gilt , was nach obiger Einbettung gleich entspricht.

Jede komplexe Zahl besitzt die eindeutige Darstellung der Form

mit ; dies ist die übliche Schreibweise für die komplexen Zahlen.

Polynome: Adjunktion

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Eine weitere Konstruktion der komplexen Zahlen ist der Faktorring

des Polynomringes in einer Unbestimmten über den reellen Zahlen. Hintergrund ist der surjektive Einsetzungshomomorphismus mit , der als Kern das maximale Ideal hat. Mit dem Homomorphiesatz ergibt sich dann die behauptete Isomorphie.

Dieses Konstruktionsprinzip ist auch in anderem Kontext anwendbar, man spricht von Adjunktion.

Die Menge der -Matrizen der Form

 mit 

bildet ebenfalls ein Modell der komplexen Zahlen. Dabei werden die reelle Einheit bzw. die imaginäre Einheit durch die Einheitsmatrix bzw. die Matrix dargestellt. Daher gilt:

Diese Menge ist ein Unterraum des Vektorraums der reellen -Matrizen. Diese Darstellung spielt eine entscheidende Rolle bei Holomorphen Funktion im Zusammenhang der Cauchy-Riemannschen partiellen Differentialgleichungen.

Reelle Zahlen entsprechen Diagonalmatrizen

Die zu den Matrizen gehörenden linearen Abbildungen sind, sofern und nicht beide null sind, Drehstreckungen im Raum . Es handelt sich um genau dieselben Drehstreckungen wie bei der Interpretation der Multiplikation mit einer komplexen Zahl in der gaußschen Zahlenebene.

Der Begriff „komplexe Zahlen“ wurde von Carl Friedrich Gauß (Theoria residuorum biquadraticorum, 1831) eingeführt, der Ursprung der Theorie der komplexen Zahlen geht auf die Mathematiker Gerolamo Cardano (Ars magna, Nürnberg 1545) und Rafael Bombelli (L’Algebra, Bologna 1572; wahrscheinlich zwischen 1557 und 1560 geschrieben) zurück.[15]

Die Unmöglichkeit eines naiven Radizierens der Art ist bei der Behandlung quadratischer Gleichungen schon sehr früh bemerkt und hervorgehoben worden, z. B. schon in der um 820 n. Chr. verfassten Algebra des Muhammed ibn Mûsâ Alchwârizmî. Aber bei dem nächstliegenden und scheinbar unanfechtbaren Schluss, dass diese Art von Gleichung nicht lösbar sei, blieb die mathematische Forschung nicht stehen.

In gewissem Sinne ist bereits Gerolamo Cardano (1501–1576) in seinem 1545 erschienenen Buch Artis magnae sive de regulis algebraicis liber unus darüber hinausgegangen. Er behandelt dort die Aufgabe, zwei Zahlen zu finden, deren Produkt 40 und deren Summe 10 ist. Er hebt hervor, dass die dafür anzusetzende Gleichung

keine Lösung hat, fügt aber einige Bemerkungen hinzu, indem er in die Lösung

der allgemeinen normierten quadratischen Gleichung

für und die Werte −10 bzw. 40 einsetzt. Wenn es also möglich wäre, dem sich ergebenden Ausdruck

einen Sinn zu geben, und zwar so, dass man mit diesem Zeichen nach denselben Regeln rechnen dürfte wie mit einer reellen Zahl, so würden die Ausdrücke

in der Tat je eine Lösung darstellen.

Für die Quadratwurzel aus negativen Zahlen und allgemeiner für alle aus einer beliebigen reellen Zahl und einer positiven reellen Zahl zusammengesetzten Zahlen

 oder 

hat sich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts die Bezeichnung imaginäre Zahl eingebürgert, die ursprünglich von René Descartes stammt, der in seiner La Géométrie (1637) damit die Schwierigkeit des Verständnisses komplexer Zahlen als nichtreeller Lösungen algebraischer Gleichungen ausdrückte. John Wallis erzielte im 17. Jahrhundert erste Fortschritte in Hinblick auf eine geometrische Interpretation komplexer Zahlen. Gottfried Wilhelm Leibniz nannte sie 1702 eine „feine und wunderbare Zuflucht des menschlichen Geistes, beinahe ein Zwitterwesen zwischen Sein und Nichtsein“.[16] Die Einführung der imaginären Einheit als neue Zahl wird Leonhard Euler zugeschrieben. Er erzielte durch Rechnen mit imaginären Zahlen wertvolle neue Erkenntnisse, zum Beispiel veröffentlichte er die Eulersche Formel 1748 in seiner Einführung in die Analysis und veröffentlichte erstmals explizit die Formel von Abraham de Moivre (Ende des 17. Jahrhunderts, dieser wiederum hatte sie von Isaac Newton[17]), aber auch Euler hatte noch große Schwierigkeiten beim Verständnis und der Einordnung komplexer Zahlen, obwohl er routinemäßig damit rechnete.

Die geometrische Interpretation wurde zuerst vom Landvermesser Caspar Wessel (1799 veröffentlicht in den Abhandlungen der Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften, aber erst rund hundert Jahre später weiteren Kreisen bekannt),[18] von Jean-Robert Argand (in einem obskuren Privatdruck 1806, den aber Legendre zur Kenntnis kam und der 1813 breiteren Kreisen bekannt wurde) und Gauß (unveröffentlicht) entdeckt. Gauß erwähnt die Darstellung explizit in einem Brief an Friedrich Bessel vom 18. Dezember 1811.[19] Nach Argand wird die geometrische Darstellung in der Zahlenebene manchmal auch Arganddiagramm genannt.

Als Begründer der komplexen Analysis gilt Augustin-Louis Cauchy in einer 1814 bei der französischen Akademie eingereichten Arbeit über Integration im Komplexen, die aber erst 1825 veröffentlicht wurde. 1821 definierte er in seinem Lehrbuch Cours d’analyse eine Funktion einer komplexen Variablen in die komplexe Zahlenebene und bewies viele grundlegende Sätze der Funktionentheorie.

William Rowan Hamilton strebte aufgrund seiner Interpretation der Philosophie Immanuel Kants einen „Aufbau der Algebra als Wissenschaft der reinen Zeit an“ und fand in dem Kontext 1833 eine logisch einwandfreie Begründung der komplexen Zahlen als geordnetes Paar reeller Zahlen. Er deutete die komplexe Zahl als Zahlenpaar und definierte Addition beziehungsweise die Multiplikation durch[20]

Heute wird die Berechtigung komplexer Zahlen nicht mehr in Frage gestellt: Durch die Einfachheit der Definition, durch die bereits erläuterten Bedeutung und durch Anwendungen in vielen Wissenschaftsgebieten stehen die komplexen Zahlen den reellen Zahlen in nichts nach. Der Begriff der „imaginären“ Zahlen wurde zwar beibehalten, hat aber im Laufe der Jahrhunderte seine ursprünglich pejorative Bedeutung – im Sinne von eingebildeten, unwirklichen, sinnlosen oder nutzlosen Zahlen – abgelegt. Um es mit Carl Friedrich Gauß zu sagen: „Bei allem dem sind die imaginären Grössen, so lange ihre Grundlage immer nur in einer Fiction bestand, in der Mathematik nicht sowohl wie eingebürgert, als viel mehr nur wie geduldet betrachtet, und weit davon entfernt geblieben, mit den reellen Grössen auf gleiche Linie gestellt zu werden. Zu einer solchen Zurücksetzung ist aber jetzt kein Grund mehr […]“[21]

Komplexe Zahlen in der Physik

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Komplexe Zahlen spielen in der Grundlagenphysik eine zentrale Rolle. In der Quantenmechanik wird der Zustand eines physikalischen Systems als Element eines (projektiven) Hilbertraums über den komplexen Zahlen aufgefasst. Komplexe Zahlen finden Verwendung bei der Definition von Differentialoperatoren in der Schrödingergleichung und der Klein-Gordon-Gleichung. Für die Dirac-Gleichung benötigt man eine Zahlbereichserweiterung der komplexen Zahlen, die Quaternionen. Alternativ ist eine Formulierung mit Pauli-Matrizen möglich, die aber die gleiche algebraische Struktur wie die Quaternionen aufweisen.

Komplexe Zahlen haben in der Physik und Technik eine wichtige Rolle als Rechenhilfe. So lässt sich insbesondere die Behandlung von Differentialgleichungen zu Schwingungsvorgängen vereinfachen, da sich damit die komplizierten Beziehungen in Zusammenhang mit Produkten von Sinus- bzw. Kosinusfunktionen durch Produkte von Exponentialfunktionen ersetzen lassen, wobei lediglich die Exponenten addiert werden müssen. So fügt man dazu beispielsweise in der komplexen Wechselstromrechnung geeignete Imaginärteile in die reellen Ausgangsgleichungen ein, die man bei der Auswertung der Rechenergebnisse dann wieder ignoriert. Dadurch werden in der Zwischenrechnung harmonische Schwingungen (reell) zu Kreisbewegungen in der komplexen Ebene ergänzt, die mehr Symmetrie aufweisen und deswegen einfacher zu behandeln sind.

In der Optik werden die brechenden und absorbierenden Effekte einer Substanz in einer komplexen, wellenlängenabhängigen Permittivität (Dielektrizitätskonstante) oder dem komplexen Brechungsindex zusammengefasst, die wiederum auf die elektrische Suszeptibilität zurückgeführt wird.

In der Fluiddynamik werden komplexe Zahlen eingesetzt, um ebene Potentialströmungen zu erklären und zu verstehen. Jede beliebige komplexe Funktion eines komplexen Arguments stellt immer eine ebene Potentialströmung dar – der geometrische Ort entspricht dem komplexen Argument in der gaußschen Zahlenebene, das Strömungspotenzial dem Realteil der Funktion, und die Stromlinien den Isolinien des Imaginärteils der Funktion mit umgekehrtem Vorzeichen. Das Vektorfeld der Strömungsgeschwindigkeit entspricht der konjugiert komplexen ersten Ableitung der Funktion. Durch das Experimentieren mit verschiedenen Überlagerungen von Parallelströmung, Quellen, Senken, Dipolen und Wirbeln kann man die Umströmung unterschiedlicher Konturen darstellen. Verzerren lassen sich diese Strömungsbilder durch konforme Abbildung – das komplexe Argument wird durch eine Funktion des komplexen Arguments ersetzt. Beispielsweise lässt sich die Umströmung eines Kreiszylinders (Parallelströmung + Dipol) in die Umströmung eines tragflügel-ähnlichen Profils (Joukowski-Profil) verzerren und die Rolle des tragenden Wirbels an einer Flugzeug-Tragfläche studieren. So nützlich diese Methode zum Lernen und Verstehen ist, zur genauen Berechnung reicht sie im Allgemeinen nicht aus.

Komplexe Zahlen in der Elektrotechnik

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In der Elektrotechnik besitzt die Darstellung elektrischer Größen mit Hilfe komplexer Zahlen weite Verbreitung. Sie wird bei der Berechnung von zeitlich sinusförmig veränderlichen Größen wie elektrischen und magnetischen Feldern verwendet. Bei der Darstellung einer sinusförmigen Wechselspannung als komplexe Größe und entsprechenden Darstellungen für Widerstände, Kondensatoren und Spulen vereinfachen sich die Berechnungen des elektrischen Stromes, der Wirk- und der Blindleistung in einer Schaltung. Um eine Verwechslung der imaginären Einheit mit dem Strom zu vermeiden, wird in der Elektrotechnik international für die imaginäre Einheit verwendet. Die durch Differentialquotienten oder Integrale gegebene Verkopplung geht über in eine Verkopplung durch trigonometrische Funktionen; die Berechnung der Zusammenhänge lässt sich damit wesentlich erleichtern. Auch das Zusammenwirken mehrerer verschiedener sinusförmiger Spannungen und Ströme, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihre Nulldurchgänge haben können, lässt sich in komplexer Rechnung leicht darstellen. Genaueres über dieses Thema steht im Artikel über die komplexe Wechselstromrechnung.

In den letzten Jahren hat die digitale Signalverarbeitung außerordentlich an Bedeutung gewonnen, deren Fundament die Rechnung mit komplexen Zahlen bildet.

Körpertheorie und algebraische Geometrie

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Der Körper der komplexen Zahlen ist der algebraische Abschluss des Körpers der reellen Zahlen.

Je zwei algebraisch abgeschlossene Körper mit derselben Charakteristik und demselben Transzendenzgrad über ihrem Primkörper (der durch die Charakteristik festgelegt ist) sind (ringtheoretisch) isomorph.[22] Bei einem Körper von Charakteristik 0 mit überabzählbarem Transzendenzgrad ist dieser gleich der Kardinalität des Körpers. Körpertheoretisch bilden die komplexen Zahlen also den einzigen algebraisch abgeschlossenen Körper mit Charakteristik 0 und der Kardinalität des Kontinuums. Eine Konstruktion des Körpers der komplexen Zahlen ist mithilfe dieser Feststellung auch rein algebraisch etwa als Erweiterung des algebraischen Abschlusses der rationalen Zahlen um viele transzendente Elemente möglich. Eine weitere Konstruktion liefert ein Ultraprodukt: Hierzu bilde man zu jedem endlichen Körper seinen algebraischen Abschluss und bilde von ihnen das Ultraprodukt bezüglich eines beliebigen freien Ultrafilters. Aus dem Satz von Łoś folgt, dass dieses Ultraprodukt ein algebraisch abgeschlossener Körper mit Charakteristik 0 ist, die Kardinalität des Kontinuums folgt aus mengentheoretischen Überlegungen.[23]

Unter dem Schlagwort Lefschetz-Prinzip werden verschiedene Sätze zusammengefasst, die es erlauben, Ergebnisse der algebraischen Geometrie, die über den komplexen Zahlen bewiesen werden, auf andere algebraisch abgeschlossene Körper mit Charakteristik 0 zu übertragen (was maßgeblich auf der Vollständigkeit der Theorie der algebraisch abgeschlossenen Körper mit Charakteristik 0 aufbaut). Die Betrachtung des komplexen Falls bietet den Vorteil, dass dort topologische und analytische Methoden eingesetzt werden können, um algebraische Ergebnisse zu erhalten.[24] Obige Ultraproduktkonstruktion erlaubt die Übertragung von Ergebnissen im Fall einer Charakteristik ungleich 0 auf die komplexen Zahlen.[25]

Spektraltheorie und Funktionalanalysis

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Viele Ergebnisse der Spektraltheorie gelten für komplexe Vektorräume in größerem Umfang als für reelle. So treten z. B. komplexe Zahlen als Eigenwerte reeller Matrizen auf (dann jeweils zusammen mit dem konjugiert-komplexen Eigenwert). Das erklärt sich dadurch, dass das charakteristische Polynom der Matrix aufgrund der algebraischen Abgeschlossenheit von über den komplexen Zahlen stets in Linearfaktoren zerfällt. Dagegen gibt es reelle Matrizen ohne reelle Eigenwerte, während das Spektrum eines beliebigen beschränkten Operators auf einem komplexen (mindestens eindimensionalen) Banachraum nie leer ist.[26] In der Spektraltheorie auf Hilberträumen lassen sich Sätze, die im reellen Fall nur für selbstadjungierte Operatoren gelten, im komplexen Fall oft auf normale Operatoren übertragen.

Auch in weiteren Teilen der Funktionalanalysis spielen die komplexen Zahlen eine besondere Rolle. So wird etwa die Theorie der C*-Algebren meist im Komplexen betrieben, die harmonische Analyse befasst sich mit Darstellungen von Gruppen auf komplexen Hilberträumen.

Funktionentheorie und komplexe Geometrie

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Das Studium differenzierbarer Funktionen auf Teilmengen der komplexen Zahlen ist Gegenstand der Funktionentheorie. Sie ist in vieler Hinsicht starrer als die reelle Analysis und lässt weniger Pathologien zu. Beispiele sind die Aussage, dass jede in einem Gebiet differenzierbare Funktion bereits beliebig oft differenzierbar ist, oder der Identitätssatz für holomorphe Funktionen.

Die Funktionentheorie ermöglicht oft auch Rückschlüsse auf rein reelle Aussagen, beispielsweise lassen sich manche Integrale mit dem Residuensatz berechnen. Ein wichtiges Einsatzgebiet dieser Methoden ist die analytische Zahlentheorie, die Aussagen über ganze Zahlen auf Aussagen über komplexe Funktionen zurückführt, häufig in der Form von Dirichletreihen. Ein prominentes Beispiel ist die Verbindung zwischen Primzahlsatz und riemannscher ζ-Funktion. In diesem Zusammenhang spielt die riemannsche Vermutung eine zentrale Rolle.

Die oben erwähnte Starrheit holomorpher Funktionen tritt noch stärker bei globalen Fragen in Erscheinung, d. h. beim Studium komplexer Mannigfaltigkeiten. So gibt es auf einer kompakten komplexen Mannigfaltigkeit keine nichtkonstanten globalen holomorphen Funktionen; Aussagen wie der Einbettungssatz von Whitney sind im Komplexen also falsch. Diese sogenannte „analytische Geometrie“ (nicht mit der klassischen analytischen Geometrie von René Descartes zu verwechseln!) ist auch eng mit der algebraischen Geometrie verknüpft, viele Ergebnisse lassen sich übertragen. Die komplexen Zahlen sind auch in einem geeigneten Sinne ausreichend groß, um die Komplexität algebraischer Varietäten über beliebigen Körpern der Charakteristik 0 zu erfassen (Lefschetz-Prinzip).

Verwandte Themen

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  1. Bei Verwendung des Zeichens ist die Konvention noch deutlicher erklärbar, als es bei Verwendung von wäre, dass bei jedem Vorkommen dieselbe Lösung von (dasselbe „Vorzeichen“) zu nehmen ist, und z. B. auch die Konvention, dass die -Halbachse durch eine Drehung der positiven reellen Halbachse im mathematisch positiven Sinn erreicht wird.
    Dennoch bleiben alle algebraischen Aussagen gültig, wenn überall durch ersetzt wird.
  • Paul Nahin: An imaginary tale: The story of . Princeton University Press, 1998, ISBN 978-0-691-14600-3.
  • Reinhold Remmert: Komplexe Zahlen. In: H.-D. Ebbinghaus, H. Hermes, F. Hirzebruch, M. Koecher, K. Mainzer, A. Prestel, R. Remmert (Hrsg.): Zahlen. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York / Tokyo 1983, ISBN 3-540-12666-X, Kap. 3, S. 4 ff.
Commons: Komplexe Zahlen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: komplexe Zahl – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikibooks: Imaginäre und komplexe Zahlen – eine kompakte Einführung
Wikibooks: Komplexe Zahlen – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise

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  1. Bronstein, Semendjajew et al.: Taschenbuch der Mathematik. 6. Auflage. Verlag Harri Deutsch, S. 35.
  2. Bronstein, Semendjajew et al.: Taschenbuch der Mathematik. 6. Auflage. Verlag Harri Deutsch, S. 34.
  3. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4. Auflage. Springer, S. 4.
  4. John B. Conway: Functions of One Complex Variable I, Second Edition, Springer, S. 4.
  5. Bronstein, Semendjajew et al.: Taschenbuch der Mathematik. 6. Auflage. Verlag Harri Deutsch, S. 35.
  6. Bronstein, Semendjajew et al.: Taschenbuch der Mathematik. 6. Auflage. Verlag Harri Deutsch, S. 37.
  7. Bronstein, Semendjajew et al.: Taschenbuch der Mathematik. 6. Auflage. Verlag Harri Deutsch, S. 37.
  8. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4. Auflage. Springer, S. 22.
  9. Bronstein, Semendjajew et al.: Taschenbuch der Mathematik. 6. Auflage. Verlag Harri Deutsch, S. 35.
  10. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4. Auflage. Springer, S. 28.
  11. Bronstein, Semendjajew et al.: Taschenbuch der Mathematik. 6. Auflage. Verlag Harri Deutsch, S. 38.
  12. John B. Conway: Functions of One Complex Variable I, Second Edition, Springer, S. 4.
  13. Serge Lang: Complex Analysis, Springer, 122.
  14. Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4. Auflage. Springer, S. 23.
  15. Helmuth Gericke: Geschichte des Zahlbegriffs. Bibliographisches Institut, Mannheim 1970, S. 57–67.
  16. Remmert: Komplexe Zahlen. In: Ebbinghaus u. a.: Zahlen. Springer 1983, S. 48.
  17. Nahin: An imaginary tale. S. 56.
  18. Stillwell: Mathematics and its History. Springer, S. 287.
  19. Morris Kline: Mathematical thought from ancient to modern times. Oxford University Press, 1972, Band 2, S. 631. Der Brief ist in Band 8 der Werke, S. 90 abgedruckt. Gauss verwendet die komplexe Zahlenebene wesentlich in seinem Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra von 1816.
    Felix Klein: Geschichte der Mathematik im 19. Jahrhundert. S. 28.
  20. Heinz-Wilhelm Alten: 4000 Jahre Algebra. Geschichte, Kulturen, Menschen. Springer, Berlin u. a. 2003, ISBN 3-540-43554-9, S. 310.
  21. Das Zitat Carl Friedrich Gauß stammt aus der Zeit nach 1831, siehe Werke, 10, 1, Seite 404. Zitiert nach Friedrich Hirzebruch, Reinhold Remmert et al.: Zahlen. 3. Komplexe Zahlen § 1 Genesis der komplexen Zahlen, S. 50.
  22. Daher kommt auch, dass es überabzählbar viele „wilde“ Automorphismen von gibt; siehe Paul B. Yale: Automorphisms of the Complex Numbers. (Memento vom 2. Februar 2014 im Internet Archive; PDF; 217 kB).
  23. H. Schoutens: The Use of Ultraproducts in Commutative Algebra. (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive; PDF; 305 kB) Springer, 2010, S. 16.
  24. Gerhard Frey, Hans-Georg Rück: The Strong Lefschetz Principle in Algebraic Geometry. In: manuscripta mathematica. Band 55, 1986, S. 385 (uni-goettingen.de).
  25. Frey, Rück, S. 389.
  26. Dirk Werner: Funktionalanalysis. 7. Auflage. Springer, 2011, ISBN 978-3-642-21016-7, S. 261.