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„Brummton-Phänomen“ – Versionsunterschied

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Das '''Brummton-Phänomen''' ([[Englische Sprache|englisch]] ''The Hum'' oder ''Taos Hum'') bezeichnet die aus vielen Gebieten der Welt berichtete wiederholte [[Wahrnehmung]] niederfrequenter Töne oder Geräusche durch einzelne Personen bei zunächst nicht erkennbarer Ursache.
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== Beschreibung ==
Das '''Brummton-Phänomen''' ([[Englische Sprache|Englisch]]: '''Taos Hum''' oder '''the Hum''') bezeichnet die aus vielen Gebieten der Welt berichtete, wiederholte Wahrnehmung eines Brummtons einzelner Personen mit mehrheitlich nicht erkennbarer Ursache.
Wesentliches Merkmal des Brummton-Phänomens ist das subjektive Wahrnehmen niederfrequenter Töne oder Geräusche, die vermeintlich sicher von außen stammen, denen aber keine akustische Ursache zugeordnet werden kann.<ref Name="Deming">D. Deming: [http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.518.9056&rep=rep1&type=pdf ''The hum: An anomalous sound heard around the world.''] In: ''Journal of Scientific Exploration.'' 18, 2004, S.&nbsp;571–595.</ref>
Häufig wird der Brummton beschrieben als ein Geräusch ähnlich einem in der Ferne mit Standgas laufenden LKW-Dieselmotor, weniger häufig als ein gleichmäßiges Brummen wie das einer Trafostation oder eines Zählerkastens, noch seltener als ein Poltern, Tuckern oder Dröhnen in den Ohren oder im Kopf.
Wiederholt haben Brummton-Betroffene ihre Brummton-Wahrnehmungen mit Tongeneratoren nachgestellt. Dadurch wurde bekannt, dass es keinen einheitlichen Brummton gibt. Jeder Betroffene stellte auf meist mehrere unterschiedliche individuelle Frequenzen zwischen ca. 30 und 80 Hz ein. Der Brummton wird weltweit von mindestens zwei Prozent der Bevölkerung wahrgenommen.<ref Name="Frosch 2008">F. Frosch: ''Neue Erkenntnisse zum Brummton.'' In: ''Tinnitus-Forum, Zeitschrift der Deutschen Tinnitus-Liga e. V.'' (''DTL'') 4, 2008, S.&nbsp;42–43.</ref><ref name="Mullins">J. H. Mullins, J. P. Kelly: {{Webarchiv |url=http://acousticalsociety.org/sites/default/files/docs/echoes/v5n3.pdf |text=''The mystery of the Taos hum.'' |wayback=20140816151706}} In: ''Echoes.'' 5, 1995, S.&nbsp;1–6.</ref><ref name="Frosch 2016">{{Internetquelle |url=http://www.tinnitusjournal.com/articles/manifestations-of-a-lowfrequency-sound-of-unknown-origin-perceived-worldwide-also-known-as-the-hum-or-the-taos-hum.pdf |titel=Manifestations of a low-frequency sound of unknown origin perceived worldwide, also known as “the Hum” or the “Taos Hum” |abruf=2023-04-30}}</ref>


Wahrnehmungen eines Brummtons treten häufiger bei Stille und während der Nachtstunden auf. Er wird in geschlossenen Räumen meist lauter wahrgenommen als im Freien. Etwa die Hälfte der Betroffenen nimmt ihn dauernd wahr, die andere Hälfte nur zeitweise. Die Lautstärke wird als schwankend und die Gestalt des Tones als mitunter sprunghaft erlebt. Die Mehrzahl der Betroffenen hat den Eindruck, dass ein wahrgenommener Brummton [[Schwebung]]en mit benachbarten externen Tönen erzeugt und dass er direkt nach mehrstündigen Reisen mehrere Tage nicht wahrgenommen werden kann. Über ein Drittel der Betroffenen berichtet, dass der Ton bei bestimmten Kopfbewegungen abrupt aussetzt. Jeder Betroffene empfindet einen individuellen Brummton.<ref name="Frosch 2008" />
Das Brummen tritt oft verstärkt während der Nachtstunden auf und wird mit dem Geräusch eines entfernten Lkw-Dieselmotors im Leerlauf beschrieben. Für die Betroffenen kann das Brummen eine starke Einschränkung ihrer Lebensqualität bedeuten. Manche konnten diese Brummtöne nur für eine kurze Zeit in ihrem Leben wahrnehmen.


== Geschichte ==
Eine zweifelsfreie Erklärung konnte bisher nicht gegeben werden. Neben festzustellenden Gemeinsamkeiten unterscheiden sich die von den Betroffenen beschriebenen Wahrnehmungen einerseits voneinader, andererseits wird ihre Vergleichbarkeit häufig methodisch nicht genügend abgesichert. Es ist deshalb anzunehmen, dass der Wirkmechanismus, welcher den größtenteils von Betroffenen selbst untereinander abgeglichenen Beobachtungen zugrundeliegt, nicht in jedem Fall identisch ist. Daher muss eine vom Einzelfall losgelöste, pauschalisierende Betrachtung als unseriös betrachtet werden.
Die ältesten und häufigsten Berichte über Brummtöne stammen aus Großbritannien, wo erstmals in den 1950er Jahren in den nationalen Medien breit berichtet wurde.<ref name="Deming" />


1989 wurde in der Stadt [[Taos (New Mexico)|Taos]] in [[New Mexico]] in den USA erstmals über das Brummton-Phänomen berichtet. Aus der Befragung der Einwohner von Taos und Umgebung errechneten Mullins und Kelly, dass mindestens 2 % der Bewohner einen Brummton wahrnahmen. Sie untersuchten in dieser Zeit das Phänomen im Auftrag der Regierung wissenschaftlich mit beachtlichem Aufwand. Die Untersuchungen ergaben, dass Umweltlärm nicht die Ursache für den Taos Hum war, und dass elektromagnetische Quellen der Umwelt höchstwahrscheinlich ebenfalls nicht verantwortlich waren.<ref name="Mullins" />
== Historie ==


In Deutschland gab es in der Zeit zwischen 2000 und 2002 gelegentliche Erwähnungen in den Medien. Der verstärkte Kontakt von Betroffenen führte zur Gründung der ''Interessengemeinschaft zur Aufklärung des Brummtons e. V.'' (''IGZAB''). Sie wurde von 1500 Betroffenen kontaktiert. Ein speziell auf die Beobachtungen einzelner Betroffener ausgelegter Fragebogen wurde verschickt und ausgewertet. Die Ergebnisse sind veröffentlicht.<ref name="Frosch 2008" /><ref Name="Frosch 2016" /><ref Name="Frosch 2017">F. G. Frosch: [http://www.tinnitusjournal.com/articles/possible-joint-involvement-of-the-cochlea-and-semicircular-canals-in-the-perception-of-lowfrequency-tinnitus-also-called-the-hum-o.pdf ''Possible joint involvement of the cochlea and semicircular canals in the perception of low-frequency tinnitus, also called “The Hum” or “Taos Hum”.''] In: ''International Tinnitus Journal.'' 21, 2017, S.&nbsp;62–66.</ref>
Über das Auftreten eines solchen Brummtons wurde zum ersten Mal [[1989]] in der Stadt [[Taos]] in [[New Mexico]] berichtet. Bei einer Befragung von 1440 Einwohnern von Taos gaben etwa 2 % an, den Ton zu hören. Das Phänomen wurde dort im Mai 1993 wissenschaftlich, mit beachtlichem Aufwand, aber ohne Erfolg untersucht.


Nach einer Strafanzeige von 200 Betroffenen gegen Unbekannt wegen Körperverletzung kam es ab 2. Mai 2001 durch das Umweltministerium Baden-Württemberg zu einer Messung mit Spezialgeräten an 13 Orten, bei der keine gemeinsame Ursache gefunden werden konnte.<ref name="welt-450658">{{Internetquelle | url=https://www.welt.de/print-welt/article450658/Das-grosse-Brummen.html | titel=Das große Brummen | autor=Thomas Delekat | werk=[[Die Welt#Online-Ausgabe|welt.de]] | datum=2001-05-12 |zugriff=2.&nbsp;Januar 2015}}</ref>
In Deutschland gibt es seit [[2000]] immer wieder Erwähnungen in den Medien, die unter anderem zu einem verstärkten Kontakt von Betroffenen geführt hat. Die ''Interessengemeinschaft zur Aufklärung des Brummtons'' (siehe [[#Weblinks|Weblinks]]) wurde so von 1500 Betroffenen kontaktiert.


== Erklärungsmöglichkeiten ==
== Beschreibung des Brummens ==
=== Tinnitus und Ähnlichkeiten mit otoakustischen Emissionen ===
Jedes Geräusch, das ohne eine äußere akustische Ursache wahrgenommen wird, ist definitionsgemäß [[Tinnitus]]. Nach dieser Definition ist der Brummton als Tinnitus zu bezeichnen. Bereits 1940 unterschied Fowler zwischen dem nicht-vibratorischen und vibratorischen Tinnitus. Der vibratorische Tinnitus ist mechanischen Ursprungs und wird wie ein externer Ton gehört. Nur der vibratorische Tinnitus kann [[Schwebung]]en mit externen Tönen eingehen und erzeugt keine bleibenden Schäden im Ohr.<ref>E. P. Fowler: [http://archotol.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=566108 ''Head noises: Significance, measurement and importance in diagnosis and treatment.''] In: ''Archives of Otolaryngology'', 32, 1940, S.&nbsp;903–914.</ref>


Die Mehrzahl der Brummton-Betroffenen beobachtet Schwebungen zwischen ihrem Brummton und einem benachbarten externen Ton. Ist dies der Fall, hat der Brummton signifikant häufiger noch zwei weitere Eigenschaften, nämlich, dass er bei der Rückkehr des Betroffenen von einer Reise erst um Tage verzögert wieder eintritt, oder dass er während bestimmter Kopfbewegungen verschwindet.<ref name="Frosch 2008" />
Die Betroffenen beschreiben den Ton als tieffrequentes Brummen, ähnlich einem weit entfernt stehenden Dieselmotor durch ein geschlossenes Fenster. Bei manchen ist der Ton anhaltend, einige hören ihn an- und abschwellend oder wie einen Morsecode. Bei vielen ist der Ton in Räumen lauter als im Freien. Nachts und frühmorgens ist der Ton bei etwa zwei Drittel der Betroffenen am stärksten. In einigen Fällen konnte auch beobachtet werden, dass sich der entsprechende Brummlaut im Laufe der Zeit veränderte.


Der Brummton hat viele Eigenschaften wie spontane [[otoakustische Emissionen]] (SOAEs). Bei beiden wird beobachtet, dass sich deren Frequenzen mit den Jahren erniedrigen, sie als ein [[Van-der-Pol-System]] angesehen werden können, welches Schwebungen mit benachbarten externen Tönen erzeugt, dass sie in lokalen Spitzen mit extrem verbesserter Hörfähigkeit auftreten können, sie von ca. 2 % der Bevölkerung als Tinnitus hörbar sind, dass sie mit einer Dosis von ca. 2,4 g [[Acetylsalicylsäure|Aspirin]] bereits nach dem ersten Tag beseitigt werden und sie bei bestimmten Kopfbewegungen verschwinden.<ref>F. G. Frosch: [https://www.scientificexploration.org/docs/27/jse_27_4_Frosch.pdf ''Hum and otoacoustic emissions may arise out of the same mechanisms.''] In: ''Journal of Scientific Exploration.'' 27, 2013, S.&nbsp;603–624.</ref>
=== Abgrenzung ===


Es ist zu erwarten, dass beim Brummton dieselben Strukturen und Prozesse im Innenohr beteiligt sind, die auch für das Auftreten von hörbaren SOAEs verantwortlich sind. Für den normalen Hörprozess verantwortliche Sinnesorgane scheinen dabei in einem begrenzten Frequenz-Bereich nicht optimal abgestimmt zu sein.<ref name="PMID3337771">M. J. Penner: [http://archotol.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=615004 ''Audible and annoying spontaneous otoacoustic emissions. A case study.''] In: ''Archives of otolaryngology.'' Band 114, Nummer 2, Februar 1988, S.&nbsp;150–153, {{ISSN|0886-4470}}. PMID 3337771.</ref>
Nicht gemeint sind hier Brummtöne, für die eine eindeutige Quelle in der Umgebung des Hörers existiert.


Der Brummton kann ebenso wie hörbare SOAEs als vibratorischer Tinnitus bezeichnet werden. Bei beiden befinden sich die mechanischen Oszillationen innerhalb der Hörbahn. Im Gegensatz zu SOAEs ist der Brummton derzeit objektiv nicht messbar. Die heute übliche Einteilung des Tinnitus in subjektiven und objektiven Tinnitus ist zur Einordnung des Brummtons ungeeignet, wenn sie von einer Erkrankung ausgeht, und mechanische Vibrationen, die derzeit objektiv nicht messbar sind, nicht berücksichtigt.
Dass es sich bei dem hier erwähnten Brummton nicht auch um eine weniger bekannte Form des ''objektiven'' [[Tinnitus]] handeln könnte (Tieftontinnitus), war nicht nur unter Betroffenen lange Zeit umstritten. Das [[#Das Ergomodell|Ergomodell]] bot aber auch Ansätze zur Erklärung der Interaktion von per Kopfhörer zugespielten Tönen mit dem Brummton, wie sie auch im Rahmen der Taos-Untersuchung und von Betroffenen im Selbstversuch festgestellt wurde. Diese Interaktionsfähigkeit ([[Schwebung]], Auslösung, Verstärkung, Dämpfung, z.T. mit Zeitverzögerungen) wurde aber häufig berechtigter Weise als Argument gegen eine verbreitete Form des ''subjektiven'' Tinnitus angeführt, die auch im Tieftonbereich ihre Ursache wahrscheinlich im [[Innenohr]] hat und damit anderen Gesetzen unterliegt.


Eine besondere Eigenschaft des Brummtons ist sein vorübergehendes Verschwinden nach Ortsveränderungen. Ob dieses Phänomen auch bei SOAEs auftritt, ist anzunehmen, aber nicht bekannt. Denkbare Ursachen für diese Eigenschaft können eine abrupte Änderung des [[Luftdruck]]s, der [[Erdanziehungskraft]], eine anhaltende Einwirkung von [[Vibration]]en oder [[Lärm]] sein, für die bekannt ist, dass sie auf das Innenohr einwirken. Andere noch unbekannte Einflüsse sind nicht auszuschließen.
== Mögliche Erklärungen ==


=== Lokal extrem gute Hörfähigkeit ===
Es gibt vielfältige Erklärungsversuche, darunter auch solche, die den Rahmen einer naturwissenschaftlichen Beschreibung verlassen. Festzuhalten ist, dass weder die Quelle des Brummtons, noch seine Übertragung, noch die individuellen Voraussetzungen für das Hören umfassend geklärt sind.
Von vielen wird die Vermutung vertreten, dass eine äußere Quelle mit einer individuellen Disposition zusammenkommen müssen (''Resonanz'').


Häufig liegt im Bereich des Brummtons eine lokal extrem verbesserte Hörfähigkeit vor. Unter diesen Voraussetzungen können Umweltgeräusche den Höreindruck des Brummtons erzeugen oder einen vorhandenen Brummton verstärken. In diesen Fällen wird der Brummton tatsächlich von externen Tönen erzeugt oder verstärkt.<ref>{{Internetquelle |autor=S. Wilson |url=https://books.google.de/books?id=66VHTgzbIEUC&pg=PA868 |titel=Mystery of people who hear the hum |werk=New Scientist |datum=13.12.1979 |seiten=868–870 |sprache=en |archiv-url=https://web.archive.org/web/20190403103214/https://books.google.de/books?id=66VHTgzbIEUC&pg=PA868 |abruf=30.12.2023 |kommentar=}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Barry Fox |url=https://www.newscientist.com/article/mg12416942-500-science-low-frequency-hum-may-permeate-the-environment/ |titel=Science: Low-frequency 'hum' may permeate the environment |werk=New Scientist |datum=9 December 1989 |sprache=en |abruf=30.12.2023 |kommentar=ganzer Text in Firefox-Leseansicht}}</ref>
=== Das Ergomodell ===


=== Elektromagnetische Felder ===
Das nach dem [[Pseudonym]] seines Urhebers benannte Modell war das erste umfassende, uneingeschränkt zugängliche, in deutscher Sprache verfasste, auch für Laien verständliche, neurophysiologische Erklärungsmodell, welches die meisten Effekte im Zusammenhang mit dem individuellen ("echten") Brummton erklären will und diesen vom subjektiven Tieftontinnitus abgrenzt. Es wurde Ende September 2005 auf der Website der IGZAB als Forschungsbeitrag veröffentlicht und seine Entwicklung lässt sich dort bis ins Jahr 2002 zurückverfolgen. Entwickelt wurde es von einem Betroffenen, der seine Thesen theoretisch untermauert und im Selbstversuch erhärtet haben will. Auch wenn das Modell keinen wissenschaftlichen Anspruch erhebt, wollte es sich trotzdem der bewährten wissenschaftlichen Methode der Modellerstellung bedienen.


[[Elektromagnetisches_Feld|Elektromagnetische Felder]], die von digitalem Mobilfunk, DECT-Telefonen oder WLAN ausgehen, sind mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die Ursache des Brummtons, weil dieser bereits vor deren Erscheinen auftrat. In der Nähe von leistungsstarken gepulsten Hochfrequenzstrahlen oder von Radaranlagen treten bei einigen Personen Höreindrücke auf, die aber dem Wesen des Brummtons nicht ähneln, siehe [[Frey-Effekt]]. Andere Effekte in diesem Zusammenhang können jedoch wegen einiger noch ungeklärter Phänomene nicht ausgeschlossen werden.
Nach dem Ergomodell handelt es sich beim Brummton um einen objektiven [[Tinnitus]], welcher von hörbaren Vibrationen einiger am Hörprozess beteiligter Muskeln im [[Mittelohr]] ausgeht. In schwereren Fällen, die außerdem mit der Wahrnehmung von körperlichen Vibrationen verbunden sind, wären demnach auch andere Regionen des neuromotorischen Systems aus Nerven und Muskel betroffen.


=== Netzbrummen ===
Da hierbei der Brummton als mechanische Schwingung unter Beteiligung des Mittelohrs tatsächlich über die normale Hörbahn gehört würde, könnte dieser leicht mit von außen kommenden Geräuschen verwechselt werden und sogar mit solchen interagieren bzw. über neuronale Rückkopplungs- und Speichereffekte von solchen ausgelöst oder abgeschwächt werden.


[[Netzbrummen]] bezeichnet eine unerwünschte Schwingung, die von der elektrischen Netzspannung herrührt. Die konkrete Brummfrequenz ist von der Netzfrequenz abhängig und beträgt in Europa in der Fundamentalschwingung 50 Hz. In bestimmten Situationen kann es zu einer Verdopplung der Fundamentalfrequenz im Ton kommen, beispielsweise infolge Gleichrichtung oder beim Brummen von Leistungstransformatoren, deren akustisch wahrnehmbarer Brummton 100 Hz beträgt.
Der zentralnervöse Ausgangspunkt der Brummtonentstehung ist hiernach die spontane Aktivität von [[Motoneuron]]en und zugeordneten Muskelzellen im Ruhezustand. Als Ursache werden ungünstige, selbsterregende Verknüpfungen vermutet, wie sie bei der Regeneration abgestorbener Nervenzellen entstehen können und in welchen sich Betroffene von Nicht-Betroffenen unterscheiden sollen. Auf neurophysiologischer Ebene wird eine Verwandtschaft mit [[Epilepsie]] und [[Restless-Legs-Syndrom|RLS]] vermutet.


=== Gebäudevibrationen verursacht durch Bodenerschütterungen ===
Es werden einige Substanzen genannt, welche die spontane Ruheaktivität betroffener Neuronen beeinflussen können. Die Konzentration dieser Substanzen im Blut durch die Aufnahme mit der Nahrung könnten demnach den Brummton ebenso beeinflussen wie der mit der inneren Uhr gekoppelte Hormonspiegel. Diese Faktoren können sich in ihrer Wirkung gegenseitig potenzieren und dabei zum sonst nur schwer nachvollziehbaren Verhalten eines individuellen Brummtons führen. Zu den schädlichen, von außen zugeführten Substanzen gehören danach u.A. [[Glutamat]], [[Aspartam]], [[Acrylamid]] und [[Nonylphenol]]. Den [[Omega-3-Fettsäure]]n werden in diesem Zusammenhang vorbeugende und heilende Wirkungen zugeschrieben.


Prinzipiell können Brummgeräusche in Gebäuden und Wohnräumen durch leichte Gebäudevibrationen entstehen.<ref>{{Internetquelle| hrsg=Schweizerische Gesellschaft für Akustik| url=https://www.sga-ssa.ch/docs/events//buetikofer_abgestrahlter_koerperschall.pdf| format=PDF| titel=Sekundär abgestrahlter Körperschall| datum=2018-10-13| zugriff=2018-10-13}}</ref> Die Erschütterungen selbst können vom Menschen nur gespürt, aber nicht gehört werden. Hörbar ist aber der sekundäre Luftschall, der von schwingenden Wänden abgestrahlt wird<ref name="TaschenbuchAkustik" />. Das Spektrum des hörbaren sekundären Luftschalls entspricht dem der Vibrationen der Wände. Ein Schallspektrum, in welchem tiefe Frequenzen stark überproportional vorhanden sind oder sogar eine einzelne tiefe Frequenz hervorsticht, wird vom Menschen als unnatürlich und störend empfunden.<ref name="Feldmann2006" />
Dem Brummton ist danach aus den folgenden Gründen in der Praxis nur schwer beizukommen: Da die Entstehung des Brummtons mit der Beteiligung von akustischen, neurologischen und pharmakologischen Komponenten multifaktoriell ist, reicht die isolierte Sichtweise einer einzelnen Disziplin nicht aus, um das Problem zu lösen. Hinzu kommt die breite individuelle und zeitliche Streuung der vom Modell benannten Einflussfaktoren und Speichereffekte, welche zusätzlich auch noch schwer erfassbar und kontrollierbar sind. Außerdem wird die Verwechslungsgefahr mit äußeren Geräuschen und Vibrationen angeführt, welcher Betroffene leicht erliegen könnten.


In Wohnräume übertragene Umweltgeräusche durchlaufen auf ihrem Weg vom Ort ihrer Entstehung (Emissionsort) hin zum Ort ihrer Wirkung (Immissionsort) verschiedene physikalische Tiefpassfilter.<ref name="Feldmann2006">{{cite journal|last1=Feldmann|first1=Joachim|last2=Jakob|first2=André|title=Tieffrequenter Wohnlärm – Ursachen, Auswirkungen und Minderungsmöglichkeiten|journal=DAGA'06 Braunschweig|date=2006|url=http://pub.dega-akustik.de/DAGA_1999-2008/data/articles/002653.pdf}}</ref> Ein Grund hierfür ist die mit abnehmender Frequenz geringer werdende Dämpfung von Geräuschen und Erschütterungen. So ist bekannt, dass sich eine Erschütterung im Erdboden bei halber Frequenz etwa doppelt so weit ausbreitet, bevor eine gleich starke Dämpfung des Schallpegels eintritt.<ref name="TaschenbuchAkustik">{{cite book|author=M. Heckl, H.A. Müller|title=Taschenbuch der Technischen Akustik|publisher=Springer|date=1995}}</ref> Dies hat zur Folge, dass sich Erschütterungen von ursprünglich rein tieffrequenten Quellen weitgehend ohne wesentliche Abschwächung übertragen oder sich ein ursprünglich breitbandiges Geräuschspektrum tieffrequent einfärbt<ref name="Feldmann2006" />. Zusätzlich dazu können einzelne tieffrequente Anteile des Spektrums durch Raum- und Wandresonanzen weiter verstärkt werden.<ref>{{cite journal|last=Hubbard|first=Harvey H.|title=Noise Induced House Vibrations and Human Perception|journal=Noise Control Engineering Journal|date=1982|url=https://waubrafoundation.org.au/wp-content/uploads/2013/08/Hubbard-1982-Noise-Induced-House-Vibrations-airports.pdf |language=en}}</ref>
Der Wert des Ergomodells für die Betroffenen bestand zunächst darin, dass es konkrete Substanzen identifizierte, welche verstärkend oder abschwächend auf den Brummton wirken sollen. Hierdurch wies es der Ursachensuche eine bis dahin weniger beachtete Richtung. Es bot damit nicht nur Therapieansätze durch gezielte Ernährungsumstellung, sondern gleichzeitig auch die Grundlage für weitergehende Experimente und Studien zur [[Verifikation]] bzw. [[Falsifikation]] des Modells auf breiterer Ebene.


Tieffrequente Körperschallquellen sind Baustellen sowie Industrie- oder Gewerbeanlagen mit drehenden Maschinen hoher Masse und mit hohem Energieumsatz, wie Generatoren, Motoren oder Pumpen.<ref>{{cite journal|last1=Berglund|first1=Birgitta|last2=Hassmén|first2=Peter|last3=Soames Job|first3=R. F.|title=Sources and effects of low-frequency noise|journal=The Journal of the Acoustical Society of America|date=1996|url=https://www.researchgate.net/publication/14558678_Sources_and_effects_of_low-frequency_noise |language=en}}</ref><ref>{{cite journal|last=Svinkin|first=Mark R.|title=Soil and Structure Vibrations from Construction and Industrial Sources|journal=Sixth International Conference on Case Histories in Geotechnical Engineering|date=2008|url=https://scholarsmine.mst.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=2969&context=icchge |language=en}}</ref> Des Weiteren sind Windkraftanlagen zu nennen, die über ihre Fundamente tieffrequente Bodenerschütterungen verursachen.<ref>{{cite book|author=Rachel Westwood|title=Seismic monitoring and multiphysics modelling of ground-borne vibrations from small wind turbines|date=2012|url=https://www.researchgate.net/publication/266208651_Seismic_monitoring_and_multiphysics_modelling_of_ground-borne_vibrations_from_small_wind_turbines |language=en}}</ref> Eine weitere wichtige Quelle ist Straßen- und Schienenverkehr.
Als Kritik zum Ergomodell wäre anzumerken, dass neben der zu geringen empirischen Untersuchungsbasis bis zum Veröffentlichungszeitpunkt des Modells, ungeachtet der Gründe, keine Fälle veröffentlich wurden, in denen die Objektivität des zugrunde gelegten Tinnitus direkt nachgewiesen wurde. Dies konnte das Modell trotz großer Erklärungskraft, erdrückender Indizienlast und fundierter Betrachtung sowie Schlussweise zunächst in Teilen noch spekulativ erscheinen lassen. So bot das Modell zwar ''eine mögliche'', aber nicht in allen Punkten zwingend die ''einzig mögliche'' Erklärung.


Der bei einer Erschütterungsbelastung vorliegende sekundäre Luftschall kann auf Basis der [[Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm|TA Lärm]] analysiert werden. Häufig sind die Grenzwerte der TA Lärm trotz anhaltender Beschwerden eingehalten.<ref name="Feldmann2006" /> Es ist jedoch möglich, die Sachlage auch auf Grundlage der Erschütterungsleitlinie<ref>{{Internetquelle|url=https://www.lanuv.nrw.de/umwelt/laerm/erschuetterungen_koerperschall/einwirkungen_auf_menschen_und_gebaeude|titel=Einwirkungen auf Menschen und Gebäude|autor=Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen|zugriff=2018-10-06|archiv-url=https://web.archive.org/web/20181006235046/https://www.lanuv.nrw.de/umwelt/laerm/erschuetterungen_koerperschall/einwirkungen_auf_menschen_und_gebaeude/|archiv-datum=2018-10-06|offline=ja|archiv-bot=2023-06-19 04:53:03 InternetArchiveBot}}</ref> messtechnisch zu analysieren. Die Grenzwerte der hier verwendeten Norm DIN 4150-2 sind so definiert, dass sie von vornherein auch die Sekundäreffekte berücksichtigen. Beispielsweise kann die Beurteilungs-Schwingstärke <math>KB_{FTr}</math> bereits dann überschritten sein, wenn noch keinerlei taktile Wahrnehmung der eigentlichen Erschütterung wahrnehmbar ist.<ref>{{Internetquelle|url=https://www.lai-immissionsschutz.de/documents/erschuetterungsleitfaden_veroeffentlicht_stand_2018_1529053753.pdf|titel=Erschuetterungsleitfaden|autor=Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI)|zugriff=2018-10-06}}</ref>
Es ist jedoch auch bemerkenswert, dass bis zur Veröffentlichung des Ergomodells der Brummton in der öffentlichen Diskussion nicht als objektiver Tinnitus erkannt worden sein wollte, oder konnte, und dadurch der Herausbildung weniger fundierter Theorien lange Zeit Tür und Tor geöffnet war.


==Weblinks==
== Literatur ==
* Milo Sediq, Christoph Koschnitzke: ''Das Brummton-Phänomen. Baden-Württemberg untersucht rätselhafte Geräusche.'' BIMAX, Königsmoos 2002, ISBN 3-932540-30-1
* [https://www.bundestag.de/blob/407246/a7c46e8ab241894bf29c3c85c0ee96f5/wf-viii-g-053-02-pdf-data.pdf Zum aktuellen Erkenntnisstand des Brummton-Phänomens], [[Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages]], Reg.-Nr. WF VIII G-053-02, 27. August 2002


== Weblinks ==
*[http://www.brummton.net Verein zur Erforschung und Verhinderung des Brummtons]
*[http://www.igzab.de Interessengemeinschaft zur Aufklärung des Brummtons]
* {{Webarchiv | url=http://www.igzab.de/ | wayback=20121024005526 | text=Seite der ehemaligen ''Interessengemeinschaft zur Aufklärung des Brummtons''}} mit viel Material zum Phänomen (originale Seite offline, hier verlinkt ins [[Internet Archive]])
* {{Internetquelle| hrsg=Initiative Brummfreies München| url=http://www.daten.brummen-europa.de/brummen_muc.pdf| format=PDF, 241 kB| titel=Brummen München – Auswertung von Betroffenenangaben| datum=2006-06-01| archiv-url=https://web.archive.org/web/20130228035717/http://www.daten.brummen-europa.de/brummen_muc.pdf| archiv-datum=2013-02-28| zugriff=2012-12-09}}
*[http://www.igzab.de/Aktuell/Forschung/forschung.html Das Brummtonmodell von Ergo (Ergomodell)]
* {{Internetquelle| autor=Roland Benedikter| hrsg=philoSOPHIA Landesvereinigung Hessen e.&nbsp;V.| url=http://www.philosophia-online.de/mafo/heft2003-6/benedikter_brummton.htm| titel=Das Brummton-Phänomen| titelerg=Annäherung an ein Rätsel| werk=Marburger Forum. Beiträge zur geistigen Situation der Gegenwart, Jg. 4 (2003), Heft 6| datum=2005-04-10| archiv-url=https://web.archive.org/web/20130903113142/http://www.philosophia-online.de/mafo/heft2003-6/benedikter_brummton.htm| archiv-datum=2013-09-03| zugriff=2012-12-09}}
* {{Internetquelle| hrsg=Verein zur Erforschung und Verhinderung des Brummtons Köln| url=http://www.brummton.net/phaenomen.htm| titel=Das Brummtonphänomen| datum=2010-01-25| zugriff=2012-12-09}}
* {{Internetquelle|url=http://www.suedkurier.de/region/schwarzwald-baar-heuberg/furtwangen/Ungeloestes-Raetsel-Buergermeister-erklaert-Brummton-zur-Chefsache;art372517,6993846 |titel=Furtwangen: Ungelöstes Rätsel: Bürgermeister erklärt Brummton zur Chefsache |autor= |werk=suedkurier.de |datum=2014-06-05 |zugriff=2015-01-02}}
* {{Internetquelle|url=http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/akustisches-phaenomen-das-brummen-im-schwarzwald-1.2286219|titel=Akustisches Phänomen – Das Brummen im Schwarzwald |autor=Esther Göbel |werk=[[Süddeutsche.de]] |datum=2015-01-03 |zugriff=2015-01-03}}
* [http://thehum.info/ The World Hum Map and Database] Weltkarte der Brummton-Vorkommen mit Datenbank zum Selbsteintrag (engl.)
* Eckard Blumschein: [http://pub.dega-akustik.de/DAGA_1999-2008/data/articles/000696.pdf ''Prävention subjektiver Störgeräusche''] (PDF), [[Deutsche Gesellschaft für Akustik]]
* Kai-Uwe Bellut: Brummton.info (Informationsseite zum Thema Brummton und Tiefton-Tinnitus) [http://www.Brummton.info www.Brummton.info]

== Fußnoten ==
<references />


{{Gesundheitshinweis}}
{{Gesundheitshinweis}}


{{SORTIERUNG:BrummtonPhanomen}}
[[Kategorie:Hören]]
[[Kategorie:Hören]]
[[Kategorie:Geräusch]]
[[Kategorie:Geräusch]]
[[Kategorie:Parawissenschaft]]
[[bg:Таоско бучене]]
[[en:Taos Hum]]

Aktuelle Version vom 11. Mai 2025, 16:00 Uhr

Das Brummton-Phänomen (englisch The Hum oder Taos Hum) bezeichnet die aus vielen Gebieten der Welt berichtete wiederholte Wahrnehmung niederfrequenter Töne oder Geräusche durch einzelne Personen bei zunächst nicht erkennbarer Ursache.

Wesentliches Merkmal des Brummton-Phänomens ist das subjektive Wahrnehmen niederfrequenter Töne oder Geräusche, die vermeintlich sicher von außen stammen, denen aber keine akustische Ursache zugeordnet werden kann.[1] Häufig wird der Brummton beschrieben als ein Geräusch ähnlich einem in der Ferne mit Standgas laufenden LKW-Dieselmotor, weniger häufig als ein gleichmäßiges Brummen wie das einer Trafostation oder eines Zählerkastens, noch seltener als ein Poltern, Tuckern oder Dröhnen in den Ohren oder im Kopf. Wiederholt haben Brummton-Betroffene ihre Brummton-Wahrnehmungen mit Tongeneratoren nachgestellt. Dadurch wurde bekannt, dass es keinen einheitlichen Brummton gibt. Jeder Betroffene stellte auf meist mehrere unterschiedliche individuelle Frequenzen zwischen ca. 30 und 80 Hz ein. Der Brummton wird weltweit von mindestens zwei Prozent der Bevölkerung wahrgenommen.[2][3][4]

Wahrnehmungen eines Brummtons treten häufiger bei Stille und während der Nachtstunden auf. Er wird in geschlossenen Räumen meist lauter wahrgenommen als im Freien. Etwa die Hälfte der Betroffenen nimmt ihn dauernd wahr, die andere Hälfte nur zeitweise. Die Lautstärke wird als schwankend und die Gestalt des Tones als mitunter sprunghaft erlebt. Die Mehrzahl der Betroffenen hat den Eindruck, dass ein wahrgenommener Brummton Schwebungen mit benachbarten externen Tönen erzeugt und dass er direkt nach mehrstündigen Reisen mehrere Tage nicht wahrgenommen werden kann. Über ein Drittel der Betroffenen berichtet, dass der Ton bei bestimmten Kopfbewegungen abrupt aussetzt. Jeder Betroffene empfindet einen individuellen Brummton.[2]

Die ältesten und häufigsten Berichte über Brummtöne stammen aus Großbritannien, wo erstmals in den 1950er Jahren in den nationalen Medien breit berichtet wurde.[1]

1989 wurde in der Stadt Taos in New Mexico in den USA erstmals über das Brummton-Phänomen berichtet. Aus der Befragung der Einwohner von Taos und Umgebung errechneten Mullins und Kelly, dass mindestens 2 % der Bewohner einen Brummton wahrnahmen. Sie untersuchten in dieser Zeit das Phänomen im Auftrag der Regierung wissenschaftlich mit beachtlichem Aufwand. Die Untersuchungen ergaben, dass Umweltlärm nicht die Ursache für den Taos Hum war, und dass elektromagnetische Quellen der Umwelt höchstwahrscheinlich ebenfalls nicht verantwortlich waren.[3]

In Deutschland gab es in der Zeit zwischen 2000 und 2002 gelegentliche Erwähnungen in den Medien. Der verstärkte Kontakt von Betroffenen führte zur Gründung der Interessengemeinschaft zur Aufklärung des Brummtons e. V. (IGZAB). Sie wurde von 1500 Betroffenen kontaktiert. Ein speziell auf die Beobachtungen einzelner Betroffener ausgelegter Fragebogen wurde verschickt und ausgewertet. Die Ergebnisse sind veröffentlicht.[2][4][5]

Nach einer Strafanzeige von 200 Betroffenen gegen Unbekannt wegen Körperverletzung kam es ab 2. Mai 2001 durch das Umweltministerium Baden-Württemberg zu einer Messung mit Spezialgeräten an 13 Orten, bei der keine gemeinsame Ursache gefunden werden konnte.[6]

Erklärungsmöglichkeiten

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Tinnitus und Ähnlichkeiten mit otoakustischen Emissionen

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Jedes Geräusch, das ohne eine äußere akustische Ursache wahrgenommen wird, ist definitionsgemäß Tinnitus. Nach dieser Definition ist der Brummton als Tinnitus zu bezeichnen. Bereits 1940 unterschied Fowler zwischen dem nicht-vibratorischen und vibratorischen Tinnitus. Der vibratorische Tinnitus ist mechanischen Ursprungs und wird wie ein externer Ton gehört. Nur der vibratorische Tinnitus kann Schwebungen mit externen Tönen eingehen und erzeugt keine bleibenden Schäden im Ohr.[7]

Die Mehrzahl der Brummton-Betroffenen beobachtet Schwebungen zwischen ihrem Brummton und einem benachbarten externen Ton. Ist dies der Fall, hat der Brummton signifikant häufiger noch zwei weitere Eigenschaften, nämlich, dass er bei der Rückkehr des Betroffenen von einer Reise erst um Tage verzögert wieder eintritt, oder dass er während bestimmter Kopfbewegungen verschwindet.[2]

Der Brummton hat viele Eigenschaften wie spontane otoakustische Emissionen (SOAEs). Bei beiden wird beobachtet, dass sich deren Frequenzen mit den Jahren erniedrigen, sie als ein Van-der-Pol-System angesehen werden können, welches Schwebungen mit benachbarten externen Tönen erzeugt, dass sie in lokalen Spitzen mit extrem verbesserter Hörfähigkeit auftreten können, sie von ca. 2 % der Bevölkerung als Tinnitus hörbar sind, dass sie mit einer Dosis von ca. 2,4 g Aspirin bereits nach dem ersten Tag beseitigt werden und sie bei bestimmten Kopfbewegungen verschwinden.[8]

Es ist zu erwarten, dass beim Brummton dieselben Strukturen und Prozesse im Innenohr beteiligt sind, die auch für das Auftreten von hörbaren SOAEs verantwortlich sind. Für den normalen Hörprozess verantwortliche Sinnesorgane scheinen dabei in einem begrenzten Frequenz-Bereich nicht optimal abgestimmt zu sein.[9]

Der Brummton kann ebenso wie hörbare SOAEs als vibratorischer Tinnitus bezeichnet werden. Bei beiden befinden sich die mechanischen Oszillationen innerhalb der Hörbahn. Im Gegensatz zu SOAEs ist der Brummton derzeit objektiv nicht messbar. Die heute übliche Einteilung des Tinnitus in subjektiven und objektiven Tinnitus ist zur Einordnung des Brummtons ungeeignet, wenn sie von einer Erkrankung ausgeht, und mechanische Vibrationen, die derzeit objektiv nicht messbar sind, nicht berücksichtigt.

Eine besondere Eigenschaft des Brummtons ist sein vorübergehendes Verschwinden nach Ortsveränderungen. Ob dieses Phänomen auch bei SOAEs auftritt, ist anzunehmen, aber nicht bekannt. Denkbare Ursachen für diese Eigenschaft können eine abrupte Änderung des Luftdrucks, der Erdanziehungskraft, eine anhaltende Einwirkung von Vibrationen oder Lärm sein, für die bekannt ist, dass sie auf das Innenohr einwirken. Andere noch unbekannte Einflüsse sind nicht auszuschließen.

Lokal extrem gute Hörfähigkeit

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Häufig liegt im Bereich des Brummtons eine lokal extrem verbesserte Hörfähigkeit vor. Unter diesen Voraussetzungen können Umweltgeräusche den Höreindruck des Brummtons erzeugen oder einen vorhandenen Brummton verstärken. In diesen Fällen wird der Brummton tatsächlich von externen Tönen erzeugt oder verstärkt.[10][11]

Elektromagnetische Felder

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Elektromagnetische Felder, die von digitalem Mobilfunk, DECT-Telefonen oder WLAN ausgehen, sind mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die Ursache des Brummtons, weil dieser bereits vor deren Erscheinen auftrat. In der Nähe von leistungsstarken gepulsten Hochfrequenzstrahlen oder von Radaranlagen treten bei einigen Personen Höreindrücke auf, die aber dem Wesen des Brummtons nicht ähneln, siehe Frey-Effekt. Andere Effekte in diesem Zusammenhang können jedoch wegen einiger noch ungeklärter Phänomene nicht ausgeschlossen werden.

Netzbrummen bezeichnet eine unerwünschte Schwingung, die von der elektrischen Netzspannung herrührt. Die konkrete Brummfrequenz ist von der Netzfrequenz abhängig und beträgt in Europa in der Fundamentalschwingung 50 Hz. In bestimmten Situationen kann es zu einer Verdopplung der Fundamentalfrequenz im Ton kommen, beispielsweise infolge Gleichrichtung oder beim Brummen von Leistungstransformatoren, deren akustisch wahrnehmbarer Brummton 100 Hz beträgt.

Gebäudevibrationen verursacht durch Bodenerschütterungen

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Prinzipiell können Brummgeräusche in Gebäuden und Wohnräumen durch leichte Gebäudevibrationen entstehen.[12] Die Erschütterungen selbst können vom Menschen nur gespürt, aber nicht gehört werden. Hörbar ist aber der sekundäre Luftschall, der von schwingenden Wänden abgestrahlt wird[13]. Das Spektrum des hörbaren sekundären Luftschalls entspricht dem der Vibrationen der Wände. Ein Schallspektrum, in welchem tiefe Frequenzen stark überproportional vorhanden sind oder sogar eine einzelne tiefe Frequenz hervorsticht, wird vom Menschen als unnatürlich und störend empfunden.[14]

In Wohnräume übertragene Umweltgeräusche durchlaufen auf ihrem Weg vom Ort ihrer Entstehung (Emissionsort) hin zum Ort ihrer Wirkung (Immissionsort) verschiedene physikalische Tiefpassfilter.[14] Ein Grund hierfür ist die mit abnehmender Frequenz geringer werdende Dämpfung von Geräuschen und Erschütterungen. So ist bekannt, dass sich eine Erschütterung im Erdboden bei halber Frequenz etwa doppelt so weit ausbreitet, bevor eine gleich starke Dämpfung des Schallpegels eintritt.[13] Dies hat zur Folge, dass sich Erschütterungen von ursprünglich rein tieffrequenten Quellen weitgehend ohne wesentliche Abschwächung übertragen oder sich ein ursprünglich breitbandiges Geräuschspektrum tieffrequent einfärbt[14]. Zusätzlich dazu können einzelne tieffrequente Anteile des Spektrums durch Raum- und Wandresonanzen weiter verstärkt werden.[15]

Tieffrequente Körperschallquellen sind Baustellen sowie Industrie- oder Gewerbeanlagen mit drehenden Maschinen hoher Masse und mit hohem Energieumsatz, wie Generatoren, Motoren oder Pumpen.[16][17] Des Weiteren sind Windkraftanlagen zu nennen, die über ihre Fundamente tieffrequente Bodenerschütterungen verursachen.[18] Eine weitere wichtige Quelle ist Straßen- und Schienenverkehr.

Der bei einer Erschütterungsbelastung vorliegende sekundäre Luftschall kann auf Basis der TA Lärm analysiert werden. Häufig sind die Grenzwerte der TA Lärm trotz anhaltender Beschwerden eingehalten.[14] Es ist jedoch möglich, die Sachlage auch auf Grundlage der Erschütterungsleitlinie[19] messtechnisch zu analysieren. Die Grenzwerte der hier verwendeten Norm DIN 4150-2 sind so definiert, dass sie von vornherein auch die Sekundäreffekte berücksichtigen. Beispielsweise kann die Beurteilungs-Schwingstärke bereits dann überschritten sein, wenn noch keinerlei taktile Wahrnehmung der eigentlichen Erschütterung wahrnehmbar ist.[20]

  1. a b D. Deming: The hum: An anomalous sound heard around the world. In: Journal of Scientific Exploration. 18, 2004, S. 571–595.
  2. a b c d F. Frosch: Neue Erkenntnisse zum Brummton. In: Tinnitus-Forum, Zeitschrift der Deutschen Tinnitus-Liga e. V. (DTL) 4, 2008, S. 42–43.
  3. a b J. H. Mullins, J. P. Kelly: The mystery of the Taos hum. (Memento vom 16. August 2014 im Internet Archive) In: Echoes. 5, 1995, S. 1–6.
  4. a b Manifestations of a low-frequency sound of unknown origin perceived worldwide, also known as “the Hum” or the “Taos Hum”. Abgerufen am 30. April 2023.
  5. F. G. Frosch: Possible joint involvement of the cochlea and semicircular canals in the perception of low-frequency tinnitus, also called “The Hum” or “Taos Hum”. In: International Tinnitus Journal. 21, 2017, S. 62–66.
  6. Thomas Delekat: Das große Brummen. In: welt.de. 12. Mai 2001, abgerufen am 2. Januar 2015.
  7. E. P. Fowler: Head noises: Significance, measurement and importance in diagnosis and treatment. In: Archives of Otolaryngology, 32, 1940, S. 903–914.
  8. F. G. Frosch: Hum and otoacoustic emissions may arise out of the same mechanisms. In: Journal of Scientific Exploration. 27, 2013, S. 603–624.
  9. M. J. Penner: Audible and annoying spontaneous otoacoustic emissions. A case study. In: Archives of otolaryngology. Band 114, Nummer 2, Februar 1988, S. 150–153, ISSN 0886-4470. PMID 3337771.
  10. S. Wilson: Mystery of people who hear the hum. In: New Scientist. 13. Dezember 1979, S. 868–870, archiviert vom Original; abgerufen am 30. Dezember 2023 (englisch).
  11. Barry Fox: Science: Low-frequency 'hum' may permeate the environment. In: New Scientist. 9. Dezember 1989, abgerufen am 30. Dezember 2023 (englisch, ganzer Text in Firefox-Leseansicht).
  12. Sekundär abgestrahlter Körperschall. (PDF) Schweizerische Gesellschaft für Akustik, 13. Oktober 2018, abgerufen am 13. Oktober 2018.
  13. a b M. Heckl, H.A. Müller: Taschenbuch der Technischen Akustik. Springer, 1995.
  14. a b c d Joachim Feldmann, André Jakob: Tieffrequenter Wohnlärm – Ursachen, Auswirkungen und Minderungsmöglichkeiten. In: DAGA'06 Braunschweig. 2006 (dega-akustik.de [PDF]).
  15. Harvey H. Hubbard: Noise Induced House Vibrations and Human Perception. In: Noise Control Engineering Journal. 1982 (englisch, org.au [PDF]).
  16. Birgitta Berglund, Peter Hassmén, R. F. Soames Job: Sources and effects of low-frequency noise. In: The Journal of the Acoustical Society of America. 1996 (englisch, researchgate.net).
  17. Mark R. Svinkin: Soil and Structure Vibrations from Construction and Industrial Sources. In: Sixth International Conference on Case Histories in Geotechnical Engineering. 2008 (englisch, mst.edu).
  18. Rachel Westwood: Seismic monitoring and multiphysics modelling of ground-borne vibrations from small wind turbines. 2012 (englisch, researchgate.net).
  19. Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen: Einwirkungen auf Menschen und Gebäude. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 6. Oktober 2018; abgerufen am 6. Oktober 2018.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.lanuv.nrw.de
  20. Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI): Erschuetterungsleitfaden. Abgerufen am 6. Oktober 2018.