„Nora oder Ein Puppenheim“ – Versionsunterschied
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'''Nora oder Ein Puppenheim''' ist ein Theaterstück von [[Henrik Ibsen]]. Das 1879 erschienene Werk heißt im norwegischen Original '''Et dukkehjem''' (wörtlich übersetzt: '''Ein Puppenheim'''). Der Titel beschreibt die Starre und Eingeschlossenheit, aus der die [[Protagonist]]in ''Nora'' am Ende ausbricht. Sowohl ihr Vater als auch ihr Mann ''Torvald'' behandeln sie, den zeitgenössischen gesellschaftlichen Konventionen entsprechend, als einen Besitz, der ihnen zwar kostbar ist, dem sie aber kein Eigenleben zubilligen. |
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Das Stück hatte seine [[Uraufführung]] am 21. Dezember 1879 in [[Kopenhagen]] am [[Det Kongelige Teater|Kongelige Teater]]. Die deutsche Erstaufführung fand 1880 in [[Hamburg]] statt. Für diese Aufführungen musste mit Rücksicht auf die zeitgenössische Sicht der Institution [[Ehe]] der Schluss verändert werden. Vorgesehen war, dass ''Nora'' schließlich ''Helmer'' und die Kinder verlässt. In diesen Aufführungen jedoch blieb ''Nora'' der Kinder wegen. Die erste deutsche Aufführung mit Ibsens Schluss fand 1880 in [[München]] statt. |
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''Nora'' ist ein Theaterstück von [[Henrik Ibsen]]. Das 1879 erschienene "Schauspiel in drei Akten" trägt den Alternativtitel ''Ein Puppenheim''. Dieser beschreibt die Situation, aus der die Protagonistin ''Nora'' auszubrechen versucht. Sowohl ihr Vater, als auch ihr gut situierter und streng konservativer Mann ''Torvald Helmer'' behandeln sie stets besitzergreifend. |
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Das Stück hatte seine [[Uraufführung]] 1879 in [[Kopenhagen]]. Die deutsche Erstaufführung war 1880 in [[Hamburg]]. Für diese Aufführungen musste zu Gunsten der Ehe jedoch der Schluss verändert werden. Vorgesehen war, dass ''Nora'' schließlich ''Helmer'' und die Kinder verlässt. In diesen Aufführungen jedoch blieb ''Nora'' der Kinder wegen. Die erste Aufführung mit dem originalen Schluss fand 1880 in [[München]] statt. |
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== Inhalt == |
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Nora und Torvald Helmer sind bereits seit acht Jahren miteinander verheiratet und haben drei Kinder. Sie leben gutbürgerlich in einer großen Wohnung. Es ist [[Weihnachten]]. Weil Torvald am [[Neujahr]]stag zum Bankdirektor befördert wird, freut sich Nora, endlich nicht mehr sparen zu müssen. Ihr Mann ermahnt sie, vernünftig zu bleiben: Sein erstes Gehalt in der neuen Position werde er erst in einem Vierteljahr erhalten. Falls ihm vorher etwas zustoße, dürfe sie keinesfalls mit Schulden dastehen. Torvald behandelt Nora wie ein Püppchen, mit dem er spielen kann, er nennt sie „Eichkätzchen“ und „Singlerche“ und nimmt sie genauso wenig ernst wie früher ihr Vater. |
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=== Nora === |
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Die Protagonistin des Stücks erfährt eine starke Wandlung. Von einer ursprünglich kapriziösen,kindlichen und allzeit-vergnügten Person verändert sie sich in eine zunehmend nachdenkliche Frau mit einem Verlangen nach mehr Selbstbestimmung. Sie fühlte sich bereits durch ihren Vater eingeengt und erfährt selbiges seit einigen Jahren auch durch ihren Mann ''Torvald Helmer''. Sie soll seine "Lerche", "kleine Nora" sein, immer froh gelaunt und um ihn tanzend. |
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Besonders stolz ist sie darauf, ihrem Torvald das Leben gerettet zu haben, als dieser todkrank war. In finanziell knappen Zeiten rettete ihn nur eine Reise in den Süden, die sie über einen Kredit finanzierte. Allerdings musste sie hierfür die Unterschrift ihres im Sterben liegenden Vaters fälschen, was sie später noch stark unter Druck setzten sollte. |
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An einem dieser weihnachtlichen Tage kommt Noras frühere Freundin ''Christine Linde'' zu Besuch. Beide haben sich seit zehn Jahren nicht mehr gesehen und erzählen sich, was in der Zwischenzeit alles geschehen ist. Christine hat acht Jahre zuvor ebenfalls einen wohlhabenden Mann geheiratet, hauptsächlich, weil sie Geld brauchte, um ihre Mutter und ihre jüngeren Brüder zu versorgen. Bei seinem Tod drei Jahre zuvor hat er ihr aber nichts hinterlassen, so dass sie wieder erwerbstätig werden musste. Inzwischen ist die Mutter gestorben, und die Brüder sind erwachsen. Da sie ihre Stelle verloren hat, bittet sie Nora, Torvald zu fragen, ob er sie in seiner Bank beschäftigen könne. |
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=== Torvald Helmer === |
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Der Rechtsanwalt hat eine Stelle als Direktor einer Aktienbank erhalten, was der Familie zukünftig ein höheres Einkommen verschaffen wird. Er ist sehr fixiert auf das Recht und scheint kaum die Gefühle anderer bei seinen Entscheidungen zu berücksichtigen. Er ergreift von seiner Frau ''Nora'' als seine "Puppe" (vgl. Alternativtitel) Besitz. Als er sich jedoch schützend hätte vor sie stellen können, als ''Krogstad'' sie mit einer gefälschten Unterschrift erpresst, denkt er lediglich an seinen Ruf. |
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Anschließend berichtet Nora von ihren letzten zehn Jahren. Ihr Mann Torvald bekam nach der Eheschließung einen hochgestellten Posten, bei dessen Ausübung er sich derartig übernahm, dass die Ärzte um sein Leben fürchteten und dringend zu einer Erholungsreise in den Süden rieten. Gleich nach der Geburt des ersten Kindes fuhr die Familie deshalb für ein Jahr nach [[Italien]]. Noch heute glaubt Torvald, dass Noras Vater die teure Reise bezahlt habe. Christine ist der erste Mensch, dem Nora die Wahrheit erzählt: Sie nahm bei Rechtsanwalt ''Krogstad'' ein Darlehen auf. Den Schuldschein sollte ihr Vater als Bürge unterschreiben. Aber der lag auf dem Sterbebett, und Nora wollte nicht, dass er sich Sorgen um die Gesundheit ihres Mannes mache. Deshalb fälschte sie die Unterschrift ihres Vaters. |
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=== Christine Linde === |
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Eine Jugendfreundin von Nora, die in ihrer finanziellen Not eine Nutzehe einging. Ihr Mann starb jedoch bald und hinterließ ihr nichts. Die eigentliche Liebe Krogstad verstieß sie damals. Während des Stücks jedoch finden die beiden wieder zueinander. |
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Tatsächlich bemerkt Krogstad aber genau an diesen Weihnachtstagen die Wahrheit: Obwohl Noras Vater bereits seit drei Tagen tot war, hatte er seine Unterschrift hergegeben. Krogstad ist sicher, dass Nora sie gefälscht haben muss. Trotz allem ist die Frau sich keiner Schuld bewusst, denn sie habe das Beste für ihren Mann und ihren Vater gewollt; aber der Anwalt erklärt ihr „Die Gesetze fragen wenig nach den Beweggründen“ und versucht Nora zu erpressen: Sie soll ihren Mann davon abbringen, ihn zu entlassen. Er arbeitet als Bürokraft in der gleichen Bank, der Torvald demnächst vorstehen wird. Torvald geht jedoch nicht auf Noras Bitten ein, denn auch Krogstad soll eine Unterschrift gefälscht haben. „Er hat die Tat nicht geleugnet und eine Strafe dafür verbüßt“, meint Torvald. Als Ersatz für Krogstad, der ihm unsympathisch ist, will er Christine Linde einstellen. |
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=== Krogstad === |
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''Krogstad'' ist ebenfalls Jurist. Er arbeitet auch in der Aktienbank, soll jedoch auf Grund seiner Vergangenheit (auch er hat Unterschriften gefälscht) entlassen werden. Er versucht dies zu verhindern, indem er ''Nora'', die Frau des Direktors ''Helmer'', mit einer von ihr eindeutig gefälschten Urkunde erpresst. Nachdem er jedoch wieder mit Christine Linde zusammen gefunden hat, vollzieht auch er eine Wandlung. Er schickt die Urkunde zurück an Nora und zieht somit auch alle Erpressungsversuche zurück. |
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Krogstad aber schreibt einen Brief an Torvald, in welchem er diesen über Noras Urkundenfälschung aufklärt. Nachdem er selbst den Brief in Torvalds Postkasten eingeworfen hat, spitzt sich das Geschehen zu: Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Brief gelesen wird. |
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=== Doktor Rank === |
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Der Doktor ist ein Jugendfreund von ''Helmer'', der nahezu täglich zu Gast bei ''Helmer'' und ''Nora'' ist. Wie sich im Stück herausstellt nicht zuletzt, weil er in ''Nora'' verliebt ist. Der Todkranke, der letztendlich in gewollter Einsamkeit stirbt, spielt jedoch keine entscheidende Rolle. |
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Krogstad hatte vor Jahren um Christine Linde geworben. Diese aber musste mit ihm brechen, weil sein Verdienst nicht ausgereicht hätte, ihre Mutter und ihre beiden Brüder mit zu ernähren, wovon er aber nichts weiß. Nun gesteht sie ihm ihre Liebe und veranlasst ihn damit, seinen Brief ungeöffnet von Torvald zurückzuverlangen. Christine bringt ihn jedoch davon ab: Sie ist überzeugt, dass es zwischen Nora und Torvald nicht bei den Heimlichkeiten bleiben kann und es zu einer Aussprache kommen muss. |
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== Inhalt == |
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Torvald liest den Brief und reagiert mit Bestürzung und maßlosen Beschimpfungen: „O, welch ein entsetzliches Erwachen! Diese ganzen acht Jahre hindurch – sie, die meine Freude und mein Stolz war – eine Heuchlerin, eine Lügnerin – ja noch Schlimmeres, Schlimmeres – eine Verbrecherin! […] Alle die leichtsinnigen Grundsätze deines Vaters – schweig! Deines Vaters leichtsinnige Grundsätze – du hast sie alle geerbt. Keine Religion, keine Moral, kein Pflichtgefühl – […] Mein ganzes Glück hast du vernichtet. Die ganze Zukunft hast du mir verdorben. […] Und so jämmerlich muss ich sinken und zugrunde gehen eines leichtsinnigen Weibes wegen!“ |
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''Helmer'' ist seit acht Jahren mit ''Nora'' verheiratet und hat mit ihr drei Kinder. Sie leben gutbürgerlich in einer großen Wohnung. Es ist [[Weihnachten]]. Weil Helmer am [[Neujahr]]stag zum [[Bankdirektor]] befördert wird, freut sich Nora, endlich nicht mehr sparen zu müssen. Ihr Mann ermahnt sie, vernünftig zu bleiben: Sein erstes [[Gehalt]] in der neuen Position werde er erst in einem Vierteljahr erhalten. Falls ihm vorher etwas zustoße, dürfe sie keinesfalls mit [[Schulden]] dastehen. Helmer behandelt Nora wie ein Püppchen mit dem er spielen kann, er nennt sie "Singlerche" und nimmt sie nicht wirklich ernst. Genauso wie ihr Vater früher. |
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Torvald will jedoch um jeden Preis einen Skandal vermeiden und deshalb weder Trennung noch Scheidung. Nora soll im Hause bleiben und nach außen so tun, als sei nichts geschehen. Mit den Erpressungsversuchen Krogstads werde er fertig. |
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An einem dieser weihnachtlichen Tage kommt Noras frühere Freundin ''Christine Linde'' zu Besuch. Nora und ihre Bekannte haben sich seit zehn Jahren nicht mehr gesehen und erzählen sich, was in der Zwischenzeit alles geschah. Christine hat ebenfalls acht Jahre zuvor geheiratet. Es handelt sich um einen wohlhabenden Mann. Sie brauchte sein Geld, um für ihre Mutter und ihre jüngeren Brüder sorgen zu können. Bei seinem Tod drei Jahre zuvor hinterließ er ihr nichts. Sie musste pausenlos arbeiten, um sich und ihre Angehörigen zu versorgen. Inzwischen starb die Mutter, und die Brüder sind erwachsen. |
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Da wird ein weiterer Brief von Krogstad abgegeben, der den Schuldschein mit der gefälschten Unterschrift enthält. Torvald wirft den Schuldschein ins Feuer, vergibt Nora und meint, damit könne nun alles weitergehen wie zuvor. |
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Nora entgegnet, da müsse sie sehr erleichtert sein, aber ihre Freundin empfindet nur die Leere: "Niemand haben, dem man sein Leben widmen kann!". Nun braucht Christine wieder Arbeit, denn schließlich braucht ja auch sie Geld. Nora verspricht Christine ihren Mann zu fragen, ob er der Freundin eine Stelle verschaffen kann. |
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Aber Nora ist tief enttäuscht, denn sie hat jetzt klar erkannt, dass es Torvald stets nur um Ehre und Status ging und geht. Ihr wird bewusst, dass er sie nie als Partnerin ernst genommen hat. „Unser Heim war nichts andres als eine Spielstube. Zu Hause, bei Papa, wurde ich wie eine kleine Puppe behandelt, hier wie eine große. Und die Kinder wiederum waren meine Puppen. Ich war recht vergnügt, wenn du mit mir spieltest, so wie die Kinder vergnügt waren, wenn ich mit ihnen spielte. Das war unsere Ehe, Torvald.“ |
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Nun berichtet auch Nora von ihren letzten zehn Jahren. Ihr Mann Helmer suchte sich nach der [[Ehe|Eheschließung]] eine besser bezahlte Stelle. Im ersten Jahr überanstrengte er sich so, dass die [[Arzt|Ärzte]] um sein Leben fürchteten und dringend zu einer [[Reise|Erholungsreise]] in den [[Süden]] rieten. Gleich nach der [[Geburt]] des ersten Kindes fuhr die Familie deshalb für ein Jahr nach [[Italien]]. Noch heute glaubt Helmer, dass Noras Vater die teure Reise bezahlt habe. Christine ist der erste Mensch, dem Nora die Wahrheit erzählt. Sie nahm bei [[Rechtsanwalt]] ''Krogstad'' ein Darlehen auf. Den [[Schuldschein]] sollte ihr Vater als [[Bürge]] unterschreiben. Aber der lag auf dem Sterbebett, und Nora wollte nicht, dass er sich Sorgen um die Gesundheit ihres Mannes machte. Deshalb fälschte sie die [[Signatur]] ihres Vaters. |
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Als Folge verlässt sie ihren Mann und die Kinder, indem sie zugleich die gesellschaftliche Moral und die vorgegebenen [[Rollenerwartung]]en hinterfragt: „Ich muss herauskriegen, wer recht hat, die Gesellschaft oder ich.“ |
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Tatsächlich bemerkt Krogstad aber genau an diesen Weihnachtstagen die Wahrheit: Obwohl Noras Vater bereits seit drei Tagen tot war, hatte er seine Unterschrift hergegeben. Krogstad war sich bewusst, dass Nora sie gefälscht haben muss. Trotz allem ist die Frau sich keiner [[Schuld]] bewusst, denn sie habe das Beste für ihren Mann und ihren Vater gewollt, aber der Anwalt erklärt ihr: "Die [[Gesetz]]e fragen wenig nach den Beweggründen." Er versucht Nora zu erpressen: Sie soll ihren Mann davon abbringen, Krogstad zu entlassen, der als Bürokraft in der gleichen Bank wie Helmer beschäftigt ist. Helmer geht jedoch nicht auf Noras Bitten ein, denn auch Krogstad soll eine Unterschrift gefälscht haben. Wenn er wenigstens die Tat nicht geleugnet und eine Strafe dafür verbüßt hätte, meint Helmer. Er stellt Christine Linde als Ersatz für Krogstad ein. |
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== Figuren == |
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Nun schreibt Krogstad einen Brief, in dem er Helmer über die [[Urkundenfälschung]] Noras informiert. Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Brief gelesen wird. |
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=== Nora Helmer === |
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Krogstad hatte vor Jahren um Christine Linde geworben. Die aber wies ihn ab, weil sein Verdienst nicht ausgereicht hätte, um ihre Mutter und ihre beiden Brüder mit zu ernähren. Nun gesteht sie ihm aber ihre Liebe. Damit macht sie Krogstad so glücklich, dass er Nora (und somit Christine, die beiden sind ja schließlich Freundinnen) einen Gefallen tun und seinen Brief ungeöffnet von Helmer zurückverlangen will. Christine bringt ihn jedoch davon ab: Sie ist überzeugt, dass es zwischen Nora und Helmer nicht bei den Heimlichkeiten bleiben kann und es zu einer Aussprache kommen muss. |
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Die Protagonistin des Stücks erfährt eine starke Wandlung. Von einer ursprünglich kapriziösen, kindlichen und allzeit vergnügten Person verändert sie sich in eine zunehmend nachdenkliche Frau mit einem Verlangen nach mehr [[Selbstbestimmung]]. Sie fühlte sich bereits durch ihren Vater eingeengt und erfährt selbiges seit einigen Jahren auch durch ihren Mann ''Torvald Helmer''. Sie soll seine „Lerche“, „kleine Nora“ sein, immer froh gelaunt und um ihn tanzend. |
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Besonders stolz ist sie darauf, ihrem Torvald das Leben gerettet zu haben, als dieser todkrank war. In finanziell knappen Zeiten rettete ihn nur ein Kuraufenthalt im Süden, den sie über einen Kredit finanzierte. Allerdings musste sie hierfür die Unterschrift ihres im Sterben liegenden Vaters fälschen, was sie später noch stark unter Druck setzen sollte. |
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Am Schluss ist Nora völlig überzeugt, dass sie und Torvald nicht zueinander passen und dass sie keine richtige Ehe führen. Somit packt sie, trotz inständigen Flehens Torvalds, ihre Sachen und verlässt Mann und Kinder. |
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Nach einem weihnachtlichen Fest liest Helmer den Brief und schimpft: "O, welch ein entsetzliches Erwachen! Diese ganzen acht Jahre hindurch -- sie, die meine Freude und mein Stolz war -- eine Heuchlerin, eine Lügnerin -- ja noch Schlimmeres, Schlimmeres -- eine Verbrecherin! [...] Alle die leichtsinnigen Grundsätze deines Vaters -- schweig! Deines Vaters leichtsinnige Grundsätze -- du hast sie alle geerbt. Keine Religion, keine Moral, kein Pflichtgefühl -- [...] Mein ganzes Glück hast du vernichtet. Die ganze Zukunft hast du mir verdorben. [...] Und so jämmerlich muss ich sinken und zugrunde gehen eines leichtsinnigen Weibes wegen!" |
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=== Torvald Helmer === |
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Er hält Nora zurück, die vorhatte, sich zu ertränken, denn er will alles vertuschen. Sie soll im Haus bleiben und nach außen so tun, als sei nichts geschehen. |
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Torvald Helmer ist der Ehemann von Nora. Er ist Rechtsanwalt und soll nach Neujahr eine Stelle als Bankdirektor einer Aktienbank erhalten, was der Familie zukünftig ein höheres Einkommen verschaffen wird, was wiederum seine gesellschaftliche Position verbessert. Er ist sehr fixiert auf das Recht und scheint kaum die Gefühle anderer bei seinen Entscheidungen zu berücksichtigen. Torvald ist ein Mann, der sehr gewissenhaft mit seinem Leben und sparsam mit Geld umgeht. |
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Dass er sein Berufsziel (die Beförderung zum Bankdirektor) erreicht hat, zeigt, wie strebsam er ist. |
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Torvald hat kein gutes Bild von Frauen, da er seine Frau Nora als Singlerche (ein lebensfroher Vogel, der seine Lust austrällert) bezeichnet. Mit seinem Geld und seinem gespielten Charme versucht er, die Liebe seiner Frau zu erkaufen. Er geht mit ihr um wie mit einem Kind, indem er sie ausfragt, ob sie wieder genascht habe, und gibt ihr kein Geld, da er dann nicht kontrollieren könne, was sie sich dafür kauft. Somit setze sie nämlich ihren eigenen Willen durch, was gegen das damalige Rollenbild einer Frau war. Er ergreift von seiner Frau ''Nora'' als seiner „Puppe“ (vgl. Alternativtitel ''Ein Puppenheim'') Besitz. Als er sich jedoch schützend vor sie stellen musste, nämlich als ''Krogstad'' sie mit einer gefälschten Unterschrift erpresst, denkt er lediglich an seinen Ruf. |
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Da wird ein weiterer Brief von Krogstad abgegeben. Helmer entnimmt den Schuldschein Noras und liest das Begleitschreiben, das wahre Geschehen und damit auch, dass Nora ihm ja das Leben gerettet hat!). Jetzt fühlt sich Helmer schon wieder gerettet. In bester Stimmung wirft er den Schuldschein ins Feuer, vergibt Nora und glaubt, damit sei alles wieder gut. |
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=== Christine Linde === |
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Über Helmers egoistische Haltung ist Nora tief enttäuscht. Sie merkt jetzt, dass es ihm nur um seine Ehre und Karriere ging und dass er sie ebenso wenig liebt wie ihr Vater es tat. Ihr wird bewusst, dass sie nie als Partnerin anerkannt wurde. "Unser Heim war nichts andres als eine Spielstube. Zu Hause, bei Papa, wurde ich wie eine kleine Puppe behandelt, hier wie eine große. Und die Kinder wiederum waren meine Puppen. Ich war recht vergnügt, wenn du mit mir spieltest, so wie die Kinder vergnügt waren, wenn ich mit ihnen spielte. Das war unsere Ehe, Torvald." |
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Sie ist eine Jugendfreundin von Nora, die in ihrer finanziellen Not eine Zweckehe einging. Ihr Mann starb jedoch bald und hinterließ ihr nichts. Ihre eigentliche Liebe Krogstad verstieß sie damals, weil er ihr keine finanzielle Sicherheit bieten konnte. Während des Stücks finden die beiden jedoch wieder zueinander. Sie versucht, den Brief von Krogstad weniger schlimm zu machen, indem sie mit ihm redet, sodass er einen zweiten Brief abgeben lässt, in dem der Schuldschein und ein Beibrief enthalten sind. |
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=== Nils Krogstad === |
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Nun verlässt sie ihren Mann und die Kinder. Sie hinterfragt die gesellschaftliche Moral und die vorgegebenen Rollenerwartungen: "Ich muss herauskriegen, wer Recht hat, die Gesellschaft oder ich." |
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''Krogstad'' ist derjenige, bei dem Nora heimlich das Geld für die Reise mit Helmer geliehen hat. Er ist ebenfalls Jurist und arbeitet auch in der Aktienbank, soll jedoch aufgrund seiner Vergangenheit (auch er hat Unterschriften gefälscht) entlassen werden. Er versucht dies zu verhindern, indem er ''Nora'', die Frau des Direktors ''Helmer'', mit der von ihr eindeutig gefälschten Unterschrift erpresst. Nachdem er jedoch wieder mit seiner Jugendliebe, Noras Freundin Christine Linde, zusammengekommen ist, vollzieht auch er eine Wandlung. Er schickt die Urkunde an Nora zurück und zieht somit auch seine Erpressungsversuche zurück. |
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=== Doktor Rank === |
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Der Doktor ist ein Jugendfreund von ''Helmer/Torvald'', der nahezu täglich zu Gast bei ''Helmer'' und ''Nora'' ist. Wie sich im Stück herausstellt, macht er das nicht zuletzt, weil er in ''Nora'' verliebt ist. Der Todkranke, der letztendlich in gewollter Einsamkeit stirbt, spielt jedoch keine entscheidende Rolle. |
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* [[1943]] - Nora - Regie: Harald Braun |
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Es ist aber zu bemerken, dass er der Einzige ist, mit dem Nora reden kann. |
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* [[1972]] - Nora (''A doll's house'') - Regie: [[Joseph Losey]] |
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* [[1973]] - Nora Helmer - Regie: [[Rainer Werner Fassbinder]] |
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* [[1973]] - Ein Puppenheim (''A doll's house'') - Regie: Patrick Garland |
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=== Noras Kinder === |
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==Weblinks== |
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Noras Kinder ''Ivar'' (kurz vor der Italienreise als Erster geboren), ''Bob'' und ''Emmy'' sind zwar nur im ersten Akt zu sehen, werden aber später häufig erwähnt. Als Nora ihre eigene Zukunft bedroht sieht, denkt sie immer als erstes auch gleich an sie. Als sie ihren Mann verlässt, verlässt sie jedoch auch ganz bewusst ihre Kinder, ohne sie vorher noch einmal gesehen oder sich von ihnen verabschiedet zu haben. So wie Torvald Nora als Puppe behandelt hat, hat Nora die Kinder als Puppen behandelt und sieht sich außerstande, sie zu Menschen und nicht zu Puppen zu erziehen, da sie selbst nie eine solche Erziehung genießen durfte. |
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*[http://privat.oliverkuna.de/suche.php?search=nora www.privat.oliverkuna.de] Private Homepage von Oliver Kuna mit mehreren Hausarbeiten zu Ibsen's Drama "Nora" |
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=== Anne-Marie === |
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[[Kategorie:Literarisches Werk]] |
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''Anne-Marie'' ist das Kindermädchen der Familie Helmer. Dadurch ist sie fast wie eine zweite Mutter für Noras Kinder. Außerdem war sie bereit, ihr eigenes Kind zu verlassen, um Noras Kindermädchen zu sein. Sie kennt Nora von Kindesbeinen an. |
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=== Helene === |
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[[en:A Doll's House]] |
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''Helene'' ist das Hausmädchen bei Helmers und hat nur eine Nebenrolle. Anne-Marie, das Kindermädchen, wird viel mehr beschrieben, obwohl sie beide eine ähnliche Rolle spielen. Sie helfen beide der Familie Helmer. |
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[[he:בית הבובות (מחזה)]] |
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[[it:Casa di bambola]] |
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=== Stadtbote === |
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[[no:Et Dukkehjem]] |
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Der ''Stadtbote'' tritt nur ganz kurz am Anfang des Stückes auf, als er Nora, die mit ihm vom Einkaufen der Weihnachtsgeschenke und des Weihnachtsbaumes kommt, hilft. Er spielt keine weitere Rolle, nur wird durch Noras Worte „Da ist eine [[Norwegische Krone|Krone]]. Nein – behalten Sie den Rest“ verdeutlicht, dass die Familie dem höheren Mittelstand angehört, da zu der damaligen Zeit der durchschnittliche Tagesverdienst eines solchen Dienstboten 2,22 Kronen betrug, Nora ihm also ein sehr hohes Trinkgeld gibt. |
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== Adaptionen == |
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=== Bühne und Literatur === |
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* Die schottische Autorin [[Zinnie Harris]] adaptierte Ibsen Stück, welches unter dem Titel ''A Doll’s House'' am 14. Mai 2009 im [[Donmar Warehouse]] in Londoner Westend Weltpremiere feierte. Unter der Regie von [[Kfir Yefet]] übernahmen [[Gillian Anderson]] und [[Toby Stephens]] die Hauptrollen. |
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* [[Lee Breuer]] inszenierte Ibsens Puppenheim radikal und intelligent. Die Deutschland-Premiere für ''Mabou Mines Dollhouse'' war beim Festival [[Theater der Welt]] in Stuttgart im Jahr 2005. |
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* [[Esther Vilar]]: ''Helmer oder Ein Puppenheim. Variation über ein Thema von Henrik Ibsen''. Ullstein, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-548-20188-1 (mit einem [[Essay]] der Autorin zum Feminismus). |
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* [[Elfriede Jelinek]]: ''Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte oder Stützen der Gesellschaften''. 1977. |
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* Lucas Hnath schrieb mit ''A Doll’s House, Part 2'' eine Fortsetzung des Stückes von Henrik Ibsen, in welchem Nora fünfzehn Jahre, nachdem sie aus der Tür hinaus getreten ist, ihre Familie zum ersten Mal wieder besucht. Es wurde 2017 mit [[Laurie Metcalf]] in der Hauptrolle am [[Broadway (Theater)|Broadway]] aufgeführt, wofür sie ihren ersten [[Tony Awards|Tony Award]] gewann. |
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=== Verfilmungen === |
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!width="12%"| <small>Produktionsland</small> |
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!width="12%"|<small>Regisseur</small> |
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!width="12%"| <small>Darstellerin der Nora</small> |
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! <small>Anmerkung</small> |
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|[[Filmjahr 1923|1923]] |
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| [[Nora (1923)|Nora]] |
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|[[Deutschland]] |
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|[[Berthold Viertel]] |
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|[[Olga Tschechowa]] |
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|Stummfilm |
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|[[Filmjahr 1944|1944]] |
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|[[Nora (1944)|Nora]] |
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|[[Deutschland]] |
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|[[Harald Braun]] |
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|[[Luise Ullrich]] |
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|[[Filmjahr 1965|1965]] |
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|Nora oder ein Puppenheim |
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|[[Deutschland]] |
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|[[Imo Moszkowicz]] |
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|[[Maria Schell]] |
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|Fernsehfilm |
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|[[Filmjahr 1973|1973]] |
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| [[Nora Helmer]] |
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|[[Deutschland]] |
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| [[Rainer Werner Fassbinder]] |
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|[[Margit Carstensen]] |
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|Fernsehfilm |
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|[[Filmjahr 1973|1973]] |
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| A Doll’s House |
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|[[Vereinigtes Königreich]] |
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|Patrick Garland |
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|[[Claire Bloom]] |
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|Fernsehfilm |
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|[[Filmjahr 1973|1973]] |
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|[[Nora (1973, Losey)|Nora]] |
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|[[Vereinigtes Königreich]] |
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|[[Joseph Losey]] |
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|[[Jane Fonda]] |
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|[[Filmjahr 1980|1980]] |
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|L’ultimo spettacolo di Nora Helmer |
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|[[Italien]] |
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|Carlo Quartucci |
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|Valeria Ciangottini |
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|Fernsehfilm |
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|[[Filmjahr 2003|2003]] |
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|Nora |
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|[[Deutschland]] |
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|[[Thomas Ostermeier]] |
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|[[Anne Tismer]] |
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|Fernsehfilm |
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|[[Filmjahr 2008|2008]] |
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| Mabou Mines Dollhouse |
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|[[Vereinigte Staaten]] |
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| Lee Breuer |
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| Fernsehfilm, Adaption der modernen Theaterinszenierung |
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|[[Filmjahr 2011|2011]] |
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| Nora oder Ein Puppenhaus |
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|[[Deutschland]] |
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|[[Herbert Fritsch]] |
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|[[Manja Kuhl]] |
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| Fernsehfilm, Adaption nach einer Inszenierung des [[Theater Oberhausen]] |
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|} |
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== Literatur == |
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* Henrik Ibsen: ''Nora oder ein Puppenheim''. Vom Autor autorisierte Übersetzung durch Marie von Borch und Emma Klingenfeld, Fischer, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-596-90047-3 (= ''Fischer-Taschenbuch'', Band 90047 ''Fischer Klassik''). |
|||
* [[Henrik Ibsen]]: ''Nora – Ein Puppenheim'' /''Et dukkehjem''. Zweisprachige Ausgabe: Deutsch /Norwegisch. Ondefo-Verlag 2006, ISBN 978-3-939703-03-7 |
|||
* Henrik Ibsen: ''Nora (Ein Puppenheim).'' Übersetzt von Richard Linder, Nachwort von Aldo Keel. Reclam Verlag, Stuttgart 2019 (zuerst 1951), ISBN 978-3-15-001257-4 |
|||
* Henrik Ibsen: ''Nora (Ein Puppenheim).'' Textausgabe mit Kommentar und Materialien. Übersetzt von Richard Linder, herausgegeben von Mario Leis und Nancy Hönsch. Reclam Verlag, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-15-019245-0 (= ''Reclam XL. Text und Kontext'', Nr. 19245). |
|||
* Rüdiger Bernhardt: ''Henrik Ibsen: Nora (Ein Puppenheim).'' Königs Erläuterungen und Materialien (Band 177). Bange Verlag, Hollfeld 2005, ISBN 978-3-8044-1768-7 |
|||
* Aldo Keel: ''Risse im Puppenheim – Nora''. In: ''Ibsens Dramen''. Reclam, Stuttgart 2005, ISBN 3-15-017530-5, S. 69–87 (= ''Reclam Interpretationen'', RUB 17530). |
|||
* Zinnie Harris: ''A Doll’s House.'' Faber and Faber, 2009, ISBN 978-0-571-24954-1. |
|||
== Weblinks == |
|||
* [https://www.theguardian.com/stage/2009/may/02/ibsen-a-dolls-house Artikel über die Hauptfigur und das Stück.] ''[[The Guardian]]'' (englisch) |
|||
* {{PGDW|ibsen/puppenh/puppenh}} |
|||
* [http://www.litura.de/werke/nora-ein-puppenheim-henrik-ibsen.html Referat ''Nora oder Ein Puppenheim''.] litura.de |
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{{Gesprochene Version |
|||
|datei=De-Nora oder Ein Puppenheim-article.ogg |
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|länge=19:28 min |
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|||
|datum=17. März 2013 |
|||
|version=115172621 |
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}} |
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{{Normdaten|TYP=w|GND=4099245-7|VIAF=293018205}} |
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[[Kategorie:Literarisches Werk]] |
|||
[[Kategorie:Literatur (Norwegisch)]] |
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[[Kategorie:Literatur (19. Jahrhundert)]] |
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[[Kategorie:Drama]] |
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[[Kategorie:Werk von Henrik Ibsen]] |
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[[Kategorie:1879]] |
Aktuelle Version vom 2. April 2025, 14:58 Uhr
Nora oder Ein Puppenheim ist ein Theaterstück von Henrik Ibsen. Das 1879 erschienene Werk heißt im norwegischen Original Et dukkehjem (wörtlich übersetzt: Ein Puppenheim). Der Titel beschreibt die Starre und Eingeschlossenheit, aus der die Protagonistin Nora am Ende ausbricht. Sowohl ihr Vater als auch ihr Mann Torvald behandeln sie, den zeitgenössischen gesellschaftlichen Konventionen entsprechend, als einen Besitz, der ihnen zwar kostbar ist, dem sie aber kein Eigenleben zubilligen.
Das Stück hatte seine Uraufführung am 21. Dezember 1879 in Kopenhagen am Kongelige Teater. Die deutsche Erstaufführung fand 1880 in Hamburg statt. Für diese Aufführungen musste mit Rücksicht auf die zeitgenössische Sicht der Institution Ehe der Schluss verändert werden. Vorgesehen war, dass Nora schließlich Helmer und die Kinder verlässt. In diesen Aufführungen jedoch blieb Nora der Kinder wegen. Die erste deutsche Aufführung mit Ibsens Schluss fand 1880 in München statt.
Inhalt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nora und Torvald Helmer sind bereits seit acht Jahren miteinander verheiratet und haben drei Kinder. Sie leben gutbürgerlich in einer großen Wohnung. Es ist Weihnachten. Weil Torvald am Neujahrstag zum Bankdirektor befördert wird, freut sich Nora, endlich nicht mehr sparen zu müssen. Ihr Mann ermahnt sie, vernünftig zu bleiben: Sein erstes Gehalt in der neuen Position werde er erst in einem Vierteljahr erhalten. Falls ihm vorher etwas zustoße, dürfe sie keinesfalls mit Schulden dastehen. Torvald behandelt Nora wie ein Püppchen, mit dem er spielen kann, er nennt sie „Eichkätzchen“ und „Singlerche“ und nimmt sie genauso wenig ernst wie früher ihr Vater.
An einem dieser weihnachtlichen Tage kommt Noras frühere Freundin Christine Linde zu Besuch. Beide haben sich seit zehn Jahren nicht mehr gesehen und erzählen sich, was in der Zwischenzeit alles geschehen ist. Christine hat acht Jahre zuvor ebenfalls einen wohlhabenden Mann geheiratet, hauptsächlich, weil sie Geld brauchte, um ihre Mutter und ihre jüngeren Brüder zu versorgen. Bei seinem Tod drei Jahre zuvor hat er ihr aber nichts hinterlassen, so dass sie wieder erwerbstätig werden musste. Inzwischen ist die Mutter gestorben, und die Brüder sind erwachsen. Da sie ihre Stelle verloren hat, bittet sie Nora, Torvald zu fragen, ob er sie in seiner Bank beschäftigen könne.
Anschließend berichtet Nora von ihren letzten zehn Jahren. Ihr Mann Torvald bekam nach der Eheschließung einen hochgestellten Posten, bei dessen Ausübung er sich derartig übernahm, dass die Ärzte um sein Leben fürchteten und dringend zu einer Erholungsreise in den Süden rieten. Gleich nach der Geburt des ersten Kindes fuhr die Familie deshalb für ein Jahr nach Italien. Noch heute glaubt Torvald, dass Noras Vater die teure Reise bezahlt habe. Christine ist der erste Mensch, dem Nora die Wahrheit erzählt: Sie nahm bei Rechtsanwalt Krogstad ein Darlehen auf. Den Schuldschein sollte ihr Vater als Bürge unterschreiben. Aber der lag auf dem Sterbebett, und Nora wollte nicht, dass er sich Sorgen um die Gesundheit ihres Mannes mache. Deshalb fälschte sie die Unterschrift ihres Vaters.
Tatsächlich bemerkt Krogstad aber genau an diesen Weihnachtstagen die Wahrheit: Obwohl Noras Vater bereits seit drei Tagen tot war, hatte er seine Unterschrift hergegeben. Krogstad ist sicher, dass Nora sie gefälscht haben muss. Trotz allem ist die Frau sich keiner Schuld bewusst, denn sie habe das Beste für ihren Mann und ihren Vater gewollt; aber der Anwalt erklärt ihr „Die Gesetze fragen wenig nach den Beweggründen“ und versucht Nora zu erpressen: Sie soll ihren Mann davon abbringen, ihn zu entlassen. Er arbeitet als Bürokraft in der gleichen Bank, der Torvald demnächst vorstehen wird. Torvald geht jedoch nicht auf Noras Bitten ein, denn auch Krogstad soll eine Unterschrift gefälscht haben. „Er hat die Tat nicht geleugnet und eine Strafe dafür verbüßt“, meint Torvald. Als Ersatz für Krogstad, der ihm unsympathisch ist, will er Christine Linde einstellen.
Krogstad aber schreibt einen Brief an Torvald, in welchem er diesen über Noras Urkundenfälschung aufklärt. Nachdem er selbst den Brief in Torvalds Postkasten eingeworfen hat, spitzt sich das Geschehen zu: Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Brief gelesen wird.
Krogstad hatte vor Jahren um Christine Linde geworben. Diese aber musste mit ihm brechen, weil sein Verdienst nicht ausgereicht hätte, ihre Mutter und ihre beiden Brüder mit zu ernähren, wovon er aber nichts weiß. Nun gesteht sie ihm ihre Liebe und veranlasst ihn damit, seinen Brief ungeöffnet von Torvald zurückzuverlangen. Christine bringt ihn jedoch davon ab: Sie ist überzeugt, dass es zwischen Nora und Torvald nicht bei den Heimlichkeiten bleiben kann und es zu einer Aussprache kommen muss.
Torvald liest den Brief und reagiert mit Bestürzung und maßlosen Beschimpfungen: „O, welch ein entsetzliches Erwachen! Diese ganzen acht Jahre hindurch – sie, die meine Freude und mein Stolz war – eine Heuchlerin, eine Lügnerin – ja noch Schlimmeres, Schlimmeres – eine Verbrecherin! […] Alle die leichtsinnigen Grundsätze deines Vaters – schweig! Deines Vaters leichtsinnige Grundsätze – du hast sie alle geerbt. Keine Religion, keine Moral, kein Pflichtgefühl – […] Mein ganzes Glück hast du vernichtet. Die ganze Zukunft hast du mir verdorben. […] Und so jämmerlich muss ich sinken und zugrunde gehen eines leichtsinnigen Weibes wegen!“
Torvald will jedoch um jeden Preis einen Skandal vermeiden und deshalb weder Trennung noch Scheidung. Nora soll im Hause bleiben und nach außen so tun, als sei nichts geschehen. Mit den Erpressungsversuchen Krogstads werde er fertig.
Da wird ein weiterer Brief von Krogstad abgegeben, der den Schuldschein mit der gefälschten Unterschrift enthält. Torvald wirft den Schuldschein ins Feuer, vergibt Nora und meint, damit könne nun alles weitergehen wie zuvor.
Aber Nora ist tief enttäuscht, denn sie hat jetzt klar erkannt, dass es Torvald stets nur um Ehre und Status ging und geht. Ihr wird bewusst, dass er sie nie als Partnerin ernst genommen hat. „Unser Heim war nichts andres als eine Spielstube. Zu Hause, bei Papa, wurde ich wie eine kleine Puppe behandelt, hier wie eine große. Und die Kinder wiederum waren meine Puppen. Ich war recht vergnügt, wenn du mit mir spieltest, so wie die Kinder vergnügt waren, wenn ich mit ihnen spielte. Das war unsere Ehe, Torvald.“
Als Folge verlässt sie ihren Mann und die Kinder, indem sie zugleich die gesellschaftliche Moral und die vorgegebenen Rollenerwartungen hinterfragt: „Ich muss herauskriegen, wer recht hat, die Gesellschaft oder ich.“
Figuren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nora Helmer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Protagonistin des Stücks erfährt eine starke Wandlung. Von einer ursprünglich kapriziösen, kindlichen und allzeit vergnügten Person verändert sie sich in eine zunehmend nachdenkliche Frau mit einem Verlangen nach mehr Selbstbestimmung. Sie fühlte sich bereits durch ihren Vater eingeengt und erfährt selbiges seit einigen Jahren auch durch ihren Mann Torvald Helmer. Sie soll seine „Lerche“, „kleine Nora“ sein, immer froh gelaunt und um ihn tanzend. Besonders stolz ist sie darauf, ihrem Torvald das Leben gerettet zu haben, als dieser todkrank war. In finanziell knappen Zeiten rettete ihn nur ein Kuraufenthalt im Süden, den sie über einen Kredit finanzierte. Allerdings musste sie hierfür die Unterschrift ihres im Sterben liegenden Vaters fälschen, was sie später noch stark unter Druck setzen sollte.
Am Schluss ist Nora völlig überzeugt, dass sie und Torvald nicht zueinander passen und dass sie keine richtige Ehe führen. Somit packt sie, trotz inständigen Flehens Torvalds, ihre Sachen und verlässt Mann und Kinder.
Torvald Helmer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Torvald Helmer ist der Ehemann von Nora. Er ist Rechtsanwalt und soll nach Neujahr eine Stelle als Bankdirektor einer Aktienbank erhalten, was der Familie zukünftig ein höheres Einkommen verschaffen wird, was wiederum seine gesellschaftliche Position verbessert. Er ist sehr fixiert auf das Recht und scheint kaum die Gefühle anderer bei seinen Entscheidungen zu berücksichtigen. Torvald ist ein Mann, der sehr gewissenhaft mit seinem Leben und sparsam mit Geld umgeht. Dass er sein Berufsziel (die Beförderung zum Bankdirektor) erreicht hat, zeigt, wie strebsam er ist.
Torvald hat kein gutes Bild von Frauen, da er seine Frau Nora als Singlerche (ein lebensfroher Vogel, der seine Lust austrällert) bezeichnet. Mit seinem Geld und seinem gespielten Charme versucht er, die Liebe seiner Frau zu erkaufen. Er geht mit ihr um wie mit einem Kind, indem er sie ausfragt, ob sie wieder genascht habe, und gibt ihr kein Geld, da er dann nicht kontrollieren könne, was sie sich dafür kauft. Somit setze sie nämlich ihren eigenen Willen durch, was gegen das damalige Rollenbild einer Frau war. Er ergreift von seiner Frau Nora als seiner „Puppe“ (vgl. Alternativtitel Ein Puppenheim) Besitz. Als er sich jedoch schützend vor sie stellen musste, nämlich als Krogstad sie mit einer gefälschten Unterschrift erpresst, denkt er lediglich an seinen Ruf.
Christine Linde
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sie ist eine Jugendfreundin von Nora, die in ihrer finanziellen Not eine Zweckehe einging. Ihr Mann starb jedoch bald und hinterließ ihr nichts. Ihre eigentliche Liebe Krogstad verstieß sie damals, weil er ihr keine finanzielle Sicherheit bieten konnte. Während des Stücks finden die beiden jedoch wieder zueinander. Sie versucht, den Brief von Krogstad weniger schlimm zu machen, indem sie mit ihm redet, sodass er einen zweiten Brief abgeben lässt, in dem der Schuldschein und ein Beibrief enthalten sind.
Nils Krogstad
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Krogstad ist derjenige, bei dem Nora heimlich das Geld für die Reise mit Helmer geliehen hat. Er ist ebenfalls Jurist und arbeitet auch in der Aktienbank, soll jedoch aufgrund seiner Vergangenheit (auch er hat Unterschriften gefälscht) entlassen werden. Er versucht dies zu verhindern, indem er Nora, die Frau des Direktors Helmer, mit der von ihr eindeutig gefälschten Unterschrift erpresst. Nachdem er jedoch wieder mit seiner Jugendliebe, Noras Freundin Christine Linde, zusammengekommen ist, vollzieht auch er eine Wandlung. Er schickt die Urkunde an Nora zurück und zieht somit auch seine Erpressungsversuche zurück.
Doktor Rank
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Doktor ist ein Jugendfreund von Helmer/Torvald, der nahezu täglich zu Gast bei Helmer und Nora ist. Wie sich im Stück herausstellt, macht er das nicht zuletzt, weil er in Nora verliebt ist. Der Todkranke, der letztendlich in gewollter Einsamkeit stirbt, spielt jedoch keine entscheidende Rolle. Es ist aber zu bemerken, dass er der Einzige ist, mit dem Nora reden kann.
Noras Kinder
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Noras Kinder Ivar (kurz vor der Italienreise als Erster geboren), Bob und Emmy sind zwar nur im ersten Akt zu sehen, werden aber später häufig erwähnt. Als Nora ihre eigene Zukunft bedroht sieht, denkt sie immer als erstes auch gleich an sie. Als sie ihren Mann verlässt, verlässt sie jedoch auch ganz bewusst ihre Kinder, ohne sie vorher noch einmal gesehen oder sich von ihnen verabschiedet zu haben. So wie Torvald Nora als Puppe behandelt hat, hat Nora die Kinder als Puppen behandelt und sieht sich außerstande, sie zu Menschen und nicht zu Puppen zu erziehen, da sie selbst nie eine solche Erziehung genießen durfte.
Anne-Marie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anne-Marie ist das Kindermädchen der Familie Helmer. Dadurch ist sie fast wie eine zweite Mutter für Noras Kinder. Außerdem war sie bereit, ihr eigenes Kind zu verlassen, um Noras Kindermädchen zu sein. Sie kennt Nora von Kindesbeinen an.
Helene
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Helene ist das Hausmädchen bei Helmers und hat nur eine Nebenrolle. Anne-Marie, das Kindermädchen, wird viel mehr beschrieben, obwohl sie beide eine ähnliche Rolle spielen. Sie helfen beide der Familie Helmer.
Stadtbote
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Stadtbote tritt nur ganz kurz am Anfang des Stückes auf, als er Nora, die mit ihm vom Einkaufen der Weihnachtsgeschenke und des Weihnachtsbaumes kommt, hilft. Er spielt keine weitere Rolle, nur wird durch Noras Worte „Da ist eine Krone. Nein – behalten Sie den Rest“ verdeutlicht, dass die Familie dem höheren Mittelstand angehört, da zu der damaligen Zeit der durchschnittliche Tagesverdienst eines solchen Dienstboten 2,22 Kronen betrug, Nora ihm also ein sehr hohes Trinkgeld gibt.
Adaptionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bühne und Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die schottische Autorin Zinnie Harris adaptierte Ibsen Stück, welches unter dem Titel A Doll’s House am 14. Mai 2009 im Donmar Warehouse in Londoner Westend Weltpremiere feierte. Unter der Regie von Kfir Yefet übernahmen Gillian Anderson und Toby Stephens die Hauptrollen.
- Lee Breuer inszenierte Ibsens Puppenheim radikal und intelligent. Die Deutschland-Premiere für Mabou Mines Dollhouse war beim Festival Theater der Welt in Stuttgart im Jahr 2005.
- Esther Vilar: Helmer oder Ein Puppenheim. Variation über ein Thema von Henrik Ibsen. Ullstein, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-548-20188-1 (mit einem Essay der Autorin zum Feminismus).
- Elfriede Jelinek: Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte oder Stützen der Gesellschaften. 1977.
- Lucas Hnath schrieb mit A Doll’s House, Part 2 eine Fortsetzung des Stückes von Henrik Ibsen, in welchem Nora fünfzehn Jahre, nachdem sie aus der Tür hinaus getreten ist, ihre Familie zum ersten Mal wieder besucht. Es wurde 2017 mit Laurie Metcalf in der Hauptrolle am Broadway aufgeführt, wofür sie ihren ersten Tony Award gewann.
Verfilmungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Jahr | Filmtitel | Produktionsland | Regisseur | Darstellerin der Nora | Anmerkung |
---|---|---|---|---|---|
1923 | Nora | Deutschland | Berthold Viertel | Olga Tschechowa | Stummfilm |
1944 | Nora | Deutschland | Harald Braun | Luise Ullrich | |
1965 | Nora oder ein Puppenheim | Deutschland | Imo Moszkowicz | Maria Schell | Fernsehfilm |
1973 | Nora Helmer | Deutschland | Rainer Werner Fassbinder | Margit Carstensen | Fernsehfilm |
1973 | A Doll’s House | Vereinigtes Königreich | Patrick Garland | Claire Bloom | Fernsehfilm |
1973 | Nora | Vereinigtes Königreich | Joseph Losey | Jane Fonda | |
1980 | L’ultimo spettacolo di Nora Helmer | Italien | Carlo Quartucci | Valeria Ciangottini | Fernsehfilm |
2003 | Nora | Deutschland | Thomas Ostermeier | Anne Tismer | Fernsehfilm |
2008 | Mabou Mines Dollhouse | Vereinigte Staaten | Lee Breuer | Fernsehfilm, Adaption der modernen Theaterinszenierung | |
2011 | Nora oder Ein Puppenhaus | Deutschland | Herbert Fritsch | Manja Kuhl | Fernsehfilm, Adaption nach einer Inszenierung des Theater Oberhausen |
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Henrik Ibsen: Nora oder ein Puppenheim. Vom Autor autorisierte Übersetzung durch Marie von Borch und Emma Klingenfeld, Fischer, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-596-90047-3 (= Fischer-Taschenbuch, Band 90047 Fischer Klassik).
- Henrik Ibsen: Nora – Ein Puppenheim /Et dukkehjem. Zweisprachige Ausgabe: Deutsch /Norwegisch. Ondefo-Verlag 2006, ISBN 978-3-939703-03-7
- Henrik Ibsen: Nora (Ein Puppenheim). Übersetzt von Richard Linder, Nachwort von Aldo Keel. Reclam Verlag, Stuttgart 2019 (zuerst 1951), ISBN 978-3-15-001257-4
- Henrik Ibsen: Nora (Ein Puppenheim). Textausgabe mit Kommentar und Materialien. Übersetzt von Richard Linder, herausgegeben von Mario Leis und Nancy Hönsch. Reclam Verlag, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-15-019245-0 (= Reclam XL. Text und Kontext, Nr. 19245).
- Rüdiger Bernhardt: Henrik Ibsen: Nora (Ein Puppenheim). Königs Erläuterungen und Materialien (Band 177). Bange Verlag, Hollfeld 2005, ISBN 978-3-8044-1768-7
- Aldo Keel: Risse im Puppenheim – Nora. In: Ibsens Dramen. Reclam, Stuttgart 2005, ISBN 3-15-017530-5, S. 69–87 (= Reclam Interpretationen, RUB 17530).
- Zinnie Harris: A Doll’s House. Faber and Faber, 2009, ISBN 978-0-571-24954-1.