„Lissenzephalie“ – Versionsunterschied
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⚫ | Die '''Lissenzephalie''' ist beim Menschen eine [[Fehlbildung]] des [[Gehirn]]s. Begrifflich unterschieden werden mehrere Ausprägungen: Das völlige Fehlen der Gyrierung (''[[Gyrus]]'' = Windung, hier: ''Hirnwindung'') wird '''Agyrie''' genannt, Verkleinerungen der Hirnwindungen werden unter dem Begriff '''Mikrogyrie''', Vergrößerungen unter dem Begriff '''Makrogyrie''' zusammengefasst. Mit dem Ausdruck '''Pachygyrie''' ist eine reduzierte Gyrierung mit verdickten / vergröberten Hirnwindungen gemeint. Sind die Hirnwindungen sowohl verkleinert als auch zahlenmäßig vermehrt, spricht man von einer [[Polymikrogyrie]]. Bei einigen Wirbeltieren wie [[Kloakentiere|Kloaken-]] und [[Beuteltiere]]n ist Lissenzephalie physiologisch. |
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⚫ | Die Lissenzephalie ist eine sehr seltene Fehlbildung. Dabei handelt es sich um das angeborene Fehlen bzw. um eine Strukturbesonderheit der Hirnwindungen (''gyri'') des [[Gehirn]]s. Die Folge dieser Störung ist ein sogenanntes ''smooth brain'', das durch eine relativ glatte (= ''lissos'') Oberfläche der Großhirnrinde ([[Cortex cerebri]]) auffällt. |
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== Einteilung == |
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Die Krankheitsgruppe kann wie folgt unterteilt werden:<ref>[https://rarediseases.org/rare-diseases/lissencephaly/ Rarediseases]</ref><ref>{{Orphanet|ID=48471 |Name=Lissenzephalie |Abruf=}}</ref> |
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* ''Isolierte Lissenzephalien ohne bekannte Ursache''<ref>{{Orphanet|ID=1084 |Name=Lissenzephalie Typ 1, isolierte, ohne bekannten genetischen Defekt |Abruf=}}</ref> |
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* ''Lissenzephalien mit schwerer Mikrozephalie'', Synonym: ''Mikrolissenzephalie''<ref>{{Orphanet|ID=1083 |Name=Mikrolissenzephalie |Abruf=}}</ref> |
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* Lissenzephalien im Rahmen von Fehlbildungssyndromen |
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** [[Norman-Roberts-Syndrom]] |
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** ''Lissenzephalie mit zerebellärer Hypoplasie''<ref>{{Orphanet|ID=86823 |Name=Lissenzephalie mit zerebellärer Hypoplasie |Abruf=}}</ref> |
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** [[Baraitser-Winter-Syndrom]]<ref>{{Orphanet|ID=2995 |Name=Baraitser-Winter zerebro-fronto-faziales Syndrom |Abruf=}}</ref> |
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** [[Kraniotelenzephale Dysplasie]]<ref>{{Orphanet|ID=1528 |Name=Dysplasie, kraniotelenzephale |Abruf=}}</ref> |
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** [[Mikro-Syndrom]] |
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'''Typ II''', Synonym : ''Cobblestone-Lissenzephalie'', unregelmäßige ('gepflasterte') Oberfläche, ungeschichteter Kortex<ref>{{Orphanet|ID=51577 |Name=Cobblestone-Lissenzephalie |Abruf=}}</ref> |
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** [[Walker-Warburg-Syndrom]] |
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** [[Muskeldystrophie Typ Fukuyama|Fukuyama-Syndrom]]<ref>{{Orphanet|ID=272 |Name=Muskeldystrophie, kongenitale, Typ Fukuyama |Abruf=}}</ref> |
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** [[Muskel-Auge-Gehirn-Krankheit]] |
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Typ III<ref>{{Orphanet|ID=102011 |Name=Lissenzephalie Typ 3 |Abruf=}}</ref> |
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** [[Lissenzephalie Typ III - familiäre fetale Akinesie/Hypokinesie-Sequenz]]<ref>{{Orphanet|ID=86821 |Name=Lissenzephalie Typ III - familiäre fetale Akinesie/Hypokinesie-Sequenz |Abruf=}}</ref> |
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** [[Lissenzephalie Typ III - metakarpale Knochendysplasie]]<ref>{{Orphanet|ID=86822 |Name=Lissenzephalie Typ III - metakarpale Knochendysplasie |Abruf=}}</ref> |
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** [[Neu-Laxova-Syndrom]] |
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Typ IV '''Mikrolissenzephalie'''<ref>{{Orphanet|ID=1083 |Name=Mikrolissenzephalie |Abruf=}}</ref><ref>{{OMIM|Mikrolissenzephalie|Lissencephaly 4}}</ref> |
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== Diagnose == |
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Üblicherweise entsteht der Verdacht während einer [[Ultraschall]]untersuchung noch im Mutterleib oder kurz nach der Geburt. Eine Diagnosesicherung kann bildgebend durch [[Magnetresonanztomographie|MRT]] erfolgen. |
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Da die normale Einfaltung der Großhirnrinde erst nach der 24. Schwangerschaftswoche erfolgt, ist die Diagnose eines Ausbleibens dieser Gyrierung auch nicht vorher möglich.<ref>V. Hofmann, K. H. Deeg, P. F. Hoyer: ''Ultraschalldiagnostik in Pädiatrie und Kinderchirurgie. Lehrbuch und Atlas.'' Thieme, 2005, ISBN 3-13-100953-5.</ref> |
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== Symptome und Beschwerden == |
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Die Art und Schwere der Symptome sind abhängig von der Ausprägung der [[Fehlbildung]], zum Beispiel |
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* Fehlbildungen der [[Innere Organe|inneren Organe]] |
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* Fehlbildungen des [[Gehirn]]s |
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* Fütterstörungen und [[Schluckstörung|Probleme beim Schlucken]] |
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* Atembeschwerden, [[Atemnot]] und häufige [[Lungenentzündung]]en |
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* [[Spastik|Spastische Symptome]] und [[Krampf|Krämpfe]] |
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* [[Epilepsie|Epileptische Anfälle]] |
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* [[Sehbehinderung]] bzw. [[Hörbehinderung]] |
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* Verzögerung der [[körper (Biologie)|körperlichen]] und [[Psychomotorik|psychomotorischen]] Entwicklung |
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* Schwere [[geistige Behinderung]], teilweise auf dem Niveau eines [[Säugling|Babys]] |
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* Je nach Ausprägung können Lissenzephalien nach wenigen Lebensmonaten bis Lebensjahren zum [[Tod]] des Kindes führen. Bei milderen Formen ist ein Erreichen des Erwachsenenalters möglich. |
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== Ursachen == |
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Die Fehlbildung entsteht in den ersten ein bis vier Monaten der [[pränatal]]en (= vorgeburtlichen) Entwicklung des Kindes. |
Die Fehlbildung entsteht in den ersten ein bis vier Monaten der [[pränatal]]en (= vorgeburtlichen) Entwicklung des Kindes. |
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Ursache ist eine Migrationsstörung von kortikalen [[Neuron]]en. Die Fehlbildung kann genetisch veranlagt sein, aber beispielsweise auch durch [[Vergiftung]]en, [[Virusinfektion]]en oder [[Chromosom]]enbesonderheiten entstehen bzw. mit bedingt sein. |
Ursache ist eine [[Neuronale Migrationsstörung|Migrationsstörung]] von [[Großhirnrinde|kortikalen]] [[Neuron]]en. Die Fehlbildung kann genetisch veranlagt sein, aber beispielsweise auch durch [[Vergiftung]]en, [[Virusinfektion]]en oder [[Chromosom]]enbesonderheiten entstehen bzw. mit bedingt sein. |
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== Folgen und Komplikationen == |
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⚫ | Lissenzephalie |
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Durch die [[Fehlbildung]] des [[Gehirn]]s kommt es zu schwerer [[Geistige Behinderung|geistiger Behinderung]] sowie zu Verzögerungen der [[Psychomotorik]]. Die Kinder bleiben teilweise auf dem [[Ontogenese|Entwicklungsstand]] eines [[Säugling|Babys]] stehen, d. h., sie können nicht selbstständig essen und trinken. Daraus folgt, dass sie meist über eine nasale Magensonde oder eine [[perkutane endoskopische Gastrostomie]] (PEG) ernährt werden müssen. Sie können nicht gehen und sprechen, lernen ihren Kopf nicht selbst zu halten, strampeln kaum oder nur sehr plump, haben teilweise eine sehr ausgeprägte Stirn und große Zähne. Nach einigen Lebensmonaten fangen die Kinder spastisch an zu fäusteln. |
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Hinzu kommen ausgeprägte körperliche Krankheitszeichen wie Seh- und Hörbehinderungen, [[Schluckstörung]]en, Atemprobleme (mit häufigen [[Lungenentzündung]]en) und [[Epilepsie|epileptische Syndrome]]. |
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Die Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern mit Lissenzephalie sind deutlich begrenzt. Eine altersentsprechende Entwicklung ist nicht möglich. Durch schwere [[Körperbehinderung|körperliche]] und [[kognitive Behinderung|kognitive]] Beeinträchtigungen sie sind lebenslang auf intensive medizinische und soziale Begleitung und Pflege angewiesen. |
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⚫ | Eine Lissenzephalie ist häufig eine anatomische Anomalie im Rahmen von [[Syndrom]]en ([[Zellweger-Syndrom]] oder [[Neu-Laxova-Syndrom]]) bzw. zieht andere Besonderheiten nach sich: z. B. [[Mikrocephalie]]. Die Fehlbildungen im Gehirn wirken epileptogen, d. h. das Risiko, dass sich eine [[Epilepsie]] entwickelt (z. B. das [[West-Syndrom]] / BNS-Epilepsie) ist überdurchschnittlich hoch. |
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Seltene Sonderformen der Lissenzephalie sind das [[ |
Seltene Sonderformen der Lissenzephalie sind das [[Muskeldystrophie Typ Fukuyama|Fukuyama-Syndrom]] und das [[Norman-Roberts-Syndrom]]. |
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== Behandlung == |
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Bei der sogenannten ''Miller-Dieker-Lissenzephalie'' (Miller-Dieker-Syndrom)können bei etwa 9 von 10 Kindern Mikro[[deletion]]en im [[terminal]]en kurzen Arm von [[Chromosom 17]] (Band p13.3) festgestellt werden. |
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Eine ursächliche Behandlung der Lissenzephalie gibt es nicht. Es ist höchstens möglich, die einzelnen Symptome zu behandeln. |
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== Siehe auch == |
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* [[Baraitser-Winter-Syndrom]] |
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* [[XLAG-Syndrom]] |
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== Weblinks == |
== Weblinks == |
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*[http://www.lissenzephalie.de "Liss" – Lissenzephalie-Info-Center, u.a. Erfahrungsberichte] |
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* [http://www.lissenzephalie.de/ Selbsthilfeverein Liss e. V.] |
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*[http://www.thieme.de/abstracts/aktneu/abstracts2003/daten/p417.html ARX-Mutationen bei X-chromosomaler Lissenzephalie mit abnormalen Genitalien (XLAG)] |
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*[http://www.onmeda.de/krankheiten/lissenzephalie_sequenz_isolierte.html Isolierte Lissenzephalie-Sequenz] |
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*[http://www.whitesaberwolf.de/Elfenbaby/julia.htm Erfahrungsbericht Julia, *?] |
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*[http://www.robin-reich.de/ Erfahrungsbericht Robin, *1999] |
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== Einzelnachweise == |
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<references /> |
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{{Gesundheitshinweis}} |
{{Gesundheitshinweis}} |
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[[Kategorie:Neurologie]] |
[[Kategorie:Krankheitsbild in der Neurologie]] |
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[[Kategorie:Fehlbildung]] |
[[Kategorie:Fehlbildung]] |
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[[Kategorie: |
[[Kategorie:Behinderungsart]] |
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[[Kategorie:Gehirn]] |
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[[en:Lissencephaly]] |
Aktuelle Version vom 12. April 2025, 17:46 Uhr
Klassifikation nach ICD-10 | |
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Q04.3 | Sonstige Reduktionsdeformitäten des Gehirns |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Die Lissenzephalie ist beim Menschen eine Fehlbildung des Gehirns. Begrifflich unterschieden werden mehrere Ausprägungen: Das völlige Fehlen der Gyrierung (Gyrus = Windung, hier: Hirnwindung) wird Agyrie genannt, Verkleinerungen der Hirnwindungen werden unter dem Begriff Mikrogyrie, Vergrößerungen unter dem Begriff Makrogyrie zusammengefasst. Mit dem Ausdruck Pachygyrie ist eine reduzierte Gyrierung mit verdickten / vergröberten Hirnwindungen gemeint. Sind die Hirnwindungen sowohl verkleinert als auch zahlenmäßig vermehrt, spricht man von einer Polymikrogyrie. Bei einigen Wirbeltieren wie Kloaken- und Beuteltieren ist Lissenzephalie physiologisch.
Die Lissenzephalie ist eine sehr seltene Fehlbildung. Dabei handelt es sich um das angeborene Fehlen bzw. um eine Strukturbesonderheit der Hirnwindungen (gyri) des Gehirns. Die Folge dieser Störung ist ein sogenanntes smooth brain, das durch eine relativ glatte (= lissos) Oberfläche der Großhirnrinde (Cortex cerebri) auffällt.
Der ICD-10-Code für die Lissenzephalie ist Q04.3.
Einteilung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Krankheitsgruppe kann wie folgt unterteilt werden:[1][2]
Typ I, klassische Lissenzephalie, verdickter vierschichtiger Kortex (10–20 mm, normal: 2,5–4 mm, sechsschichtig)[3]
Nach der genetischen Ätiologie werden 4 Formen unterschieden:
- Lissenzephalie mit Mutationen im LIS1-Gen, Synonym: PAFAH1B1-assoziierte Lissenzephalie[4]
- Isolierte Lissenzephalie, Synonym: Isolated lissencephaly sequence (ILS)[5]
- Miller-Dieker-Syndrom
- Lissenzephalie mit Mutationen in den TUBA-Genen[6]
- Lissenzephalie mit Mutationen in den DCX-Genen, Synonym: Lissenzephalie Typ 1, X-chromosomale[7]
- Lissenzephalien mit Mutationen im ARX-Gen, Synonym: X-chromosomale Lissenzephalie mit Agenesie des Corpus callosum; XLAG-Syndrom[8]
- Isolierte Lissenzephalien ohne bekannte Ursache[9]
- Lissenzephalien mit schwerer Mikrozephalie, Synonym: Mikrolissenzephalie[10]
- Lissenzephalien im Rahmen von Fehlbildungssyndromen
- Norman-Roberts-Syndrom
- Lissenzephalie mit zerebellärer Hypoplasie[11]
- Baraitser-Winter-Syndrom[12]
- Kraniotelenzephale Dysplasie[13]
- Mikro-Syndrom
- Mikrolissenzephalie-Mikromelie-Syndrom, Synonym: Basel-Vanagaite-Sirota-Syndrom[14]
Typ II, Synonym : Cobblestone-Lissenzephalie, unregelmäßige ('gepflasterte') Oberfläche, ungeschichteter Kortex[15]
Typ III[17]
Typ IV Mikrolissenzephalie[20][21]
Diagnose
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Üblicherweise entsteht der Verdacht während einer Ultraschalluntersuchung noch im Mutterleib oder kurz nach der Geburt. Eine Diagnosesicherung kann bildgebend durch MRT erfolgen.
Da die normale Einfaltung der Großhirnrinde erst nach der 24. Schwangerschaftswoche erfolgt, ist die Diagnose eines Ausbleibens dieser Gyrierung auch nicht vorher möglich.[22]
Symptome und Beschwerden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Art und Schwere der Symptome sind abhängig von der Ausprägung der Fehlbildung, zum Beispiel
- Fehlbildungen der inneren Organe
- Fehlbildungen des Gehirns
- Fütterstörungen und Probleme beim Schlucken
- Atembeschwerden, Atemnot und häufige Lungenentzündungen
- Spastische Symptome und Krämpfe
- Epileptische Anfälle
- Sehbehinderung bzw. Hörbehinderung
- Verzögerung der körperlichen und psychomotorischen Entwicklung
- Schwere geistige Behinderung, teilweise auf dem Niveau eines Babys
- Je nach Ausprägung können Lissenzephalien nach wenigen Lebensmonaten bis Lebensjahren zum Tod des Kindes führen. Bei milderen Formen ist ein Erreichen des Erwachsenenalters möglich.
Ursachen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Fehlbildung entsteht in den ersten ein bis vier Monaten der pränatalen (= vorgeburtlichen) Entwicklung des Kindes.
Ursache ist eine Migrationsstörung von kortikalen Neuronen. Die Fehlbildung kann genetisch veranlagt sein, aber beispielsweise auch durch Vergiftungen, Virusinfektionen oder Chromosomenbesonderheiten entstehen bzw. mit bedingt sein.
Folgen und Komplikationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Durch die Fehlbildung des Gehirns kommt es zu schwerer geistiger Behinderung sowie zu Verzögerungen der Psychomotorik. Die Kinder bleiben teilweise auf dem Entwicklungsstand eines Babys stehen, d. h., sie können nicht selbstständig essen und trinken. Daraus folgt, dass sie meist über eine nasale Magensonde oder eine perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) ernährt werden müssen. Sie können nicht gehen und sprechen, lernen ihren Kopf nicht selbst zu halten, strampeln kaum oder nur sehr plump, haben teilweise eine sehr ausgeprägte Stirn und große Zähne. Nach einigen Lebensmonaten fangen die Kinder spastisch an zu fäusteln.
Hinzu kommen ausgeprägte körperliche Krankheitszeichen wie Seh- und Hörbehinderungen, Schluckstörungen, Atemprobleme (mit häufigen Lungenentzündungen) und epileptische Syndrome.
Eine Lissenzephalie ist häufig eine anatomische Anomalie im Rahmen von Syndromen (Zellweger-Syndrom oder Neu-Laxova-Syndrom) bzw. zieht andere Besonderheiten nach sich: z. B. Mikrocephalie. Die Fehlbildungen im Gehirn wirken epileptogen, d. h. das Risiko, dass sich eine Epilepsie entwickelt (z. B. das West-Syndrom / BNS-Epilepsie) ist überdurchschnittlich hoch.
Seltene Sonderformen der Lissenzephalie sind das Fukuyama-Syndrom und das Norman-Roberts-Syndrom.
Behandlung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine ursächliche Behandlung der Lissenzephalie gibt es nicht. Es ist höchstens möglich, die einzelnen Symptome zu behandeln.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Klinik, Genetik und Pathogenese der Lissenzephalien
- Genetik der Lissenzephalie: eine neuronale Migrationsstörung
- Selbsthilfeverein Liss e. V.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Rarediseases
- ↑ Eintrag zu Lissenzephalie. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Lissenzephalie, klassische. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Lissenzephalie durch LIS1-Genmutation. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Genetics Home Reference ILS
- ↑ Eintrag zu Lissenzephalie durch TUBA1A-Genmutation. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Lissenzephalie Typ 1 mit Doublecortin(DCX)-Genmutation. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu X-chromosomale Lissenzephalie mit Genitalanomalien. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Lissenzephalie Typ 1, isolierte, ohne bekannten genetischen Defekt. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Mikrolissenzephalie. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Lissenzephalie mit zerebellärer Hypoplasie. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Baraitser-Winter zerebro-fronto-faziales Syndrom. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Dysplasie, kraniotelenzephale. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Mikrolissenzephalie-Mikromelie-Syndrom. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Cobblestone-Lissenzephalie. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Muskeldystrophie, kongenitale, Typ Fukuyama. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Lissenzephalie Typ 3. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Lissenzephalie Typ III - familiäre fetale Akinesie/Hypokinesie-Sequenz. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Lissenzephalie Typ III - metakarpale Knochendysplasie. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Eintrag zu Mikrolissenzephalie. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- ↑ Lissencephaly 4. In: Online Mendelian Inheritance in Man. (englisch)
- ↑ V. Hofmann, K. H. Deeg, P. F. Hoyer: Ultraschalldiagnostik in Pädiatrie und Kinderchirurgie. Lehrbuch und Atlas. Thieme, 2005, ISBN 3-13-100953-5.