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„Sophokles“ – Versionsunterschied

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{{Dieser Artikel|behandelt den altgriechischen Tragödiendichter Sophokles; zu dem griechischen Lexikographen siehe [[Evangelinos Apostolides Sophokles]].}}
[[Bild:Sophokles-.jpg|right|framed|Sophokles]]
[[Datei:Archeologico firenze, bronzi della Meloria, sofocle.JPG|mini|Sophokles]]
'''Sophokles''' ({{grcS|Σοφοκλῆς|Sophoklḗs|variant=alt}}, klassische Aussprache {{IPA|[sopʰoklɛ̂ːs]}}; * [[497 v. Chr.|497]]/[[496 v. Chr.]] in [[Kolonos]]; † [[406 v. Chr.|406]]/[[405 v. Chr.]] in [[Athen]]) war ein Dichter in der Zeit der [[Griechische Klassik (Kunst)|Griechischen Klassik.]]
Er gilt neben [[Aischylos]] und [[Euripides]] als der bedeutendste der [[antike]]n [[Griechische Tragödie|griechischen Tragödiendichter]].
Seine erhaltenen Stücke, vor allem ''[[Antigone (Sophokles)|Antigone]]'' und ''[[König Ödipus]]'', werden auf den Bühnen der ganzen Welt gespielt.


== Leben ==
'''Sophokles''' (* [[496 v. Chr.]] in [[Colonus Hippius]] ([[Athen]]); † [[406 v. Chr.|406]]/[[405 v. Chr.]] in Athen) war ein [[Theater_der_griechischen_Antike|klassischer griechischer Dichter]].
Sophokles stammte aus dem [[Demos]] Kolonos, Phyle [[Aigeis (Phyle)|Aigeis]]. Er war der Sohn des vermögenden Waffenfabrikanten Sophil(l)os.<ref>Die Schreibweise des Vaters schwankt in der Überlieferung. {{lang|grc|Σωφίλος|Sōphílos}} überliefert {{Suda|sigma|815|gr=Σοφοκλῆς}}, während [[Diodor]] 13,103,4 {{lang|grc|Σοφίλος|Sophílos}} schreibt; der unbekannte Verfasser der ''Vita'' des Sophokles hat die Schreibweise {{lang|grc|Σοφίλλος|Sophíllos}}, die sich bereits auf dem [[Parische Chronik|Marmor Parium]] 56 findet; ihr folgen auch [[Claudius Aelianus|Aelian]], ''De natura animalium'' 7,39, [[Clemens von Alexandria]], ''Protrepticus'' 7,74,2, die [[Griechische Anthologie|Anthologia Palatina]] 7,21 und [[Johannes Tzetzes|Tzetzes]], ''Chiliades'' 3,274; 6,650; die Schreibweise ist auch in der modernen wissenschaftlichen Literatur nicht einheitlich; vergleiche etwa Bernhard Zimmermann: ''Sophokles.'' In: Bernhard Zimmermann (Hrsg.): ''Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit'' (= ''[[Handbuch der Altertumswissenschaft]].'' Abt. 7, Band 1). C. H. Beck, München 2011, S. 573: ''Sophilos'', während in der älteren Bearbeitung des Handbuches [[Wilhelm Schmid (Philologe)|Wilhelm Schmid]]: ''Die griechische Literatur zur Zeit der attischen Hegemonie vor dem Eingreifen der Sophistik'' (= ''Handbuch der Altertumswissenschaft.'' Abt. 7, Band 2). 2. Neubearbeitung. C. H. Beck, München 1934, S. 311 ''Sophillos'' den Vorzug gab.</ref> Schon als Knabe gewann er in körperlichen und musischen [[Agon (Wettstreit)|Agonen]]. 480 v. Chr. war er Vorsänger beim [[Paian (Lied)|Siegespaian]] nach der [[Schlacht von Salamis]] und erregte durch seine Schönheit Aufsehen. Sein Musiklehrer war wahrscheinlich [[Lampros]]. Er erlernte nach eigener Aussage bei [[Aischylos]], ob nun persönlich oder als Zuschauer des tragischen Agons, das Handwerk des Stückeschreibens. 468 v. Chr. besiegte er den aus Sizilien zurückgekehrten Aischylos mit seiner ersten [[Tetralogie]], deren erstes Stück ''Triptolemos'' war. In seinem Stück ''Nausikaa'' trat Sophokles als [[Lyra (Zupfinstrument)|Lyraspieler]] auf, in dem Stück ''Thamyras'' als Ballspieler. 443/442 v. Chr. war er Hellenotamias (Verwalter der Schatzkasse des [[Attischer Seebund|Attisch-Delischen Seebunds]]), 441/39 v. Chr. zusammen mit [[Perikles]] [[Strategos|Stratege]] im [[Samischer Krieg|Samischen Krieg]]. [[Ion von Chios]] hat sehr amüsant ein [[Symposion]] aus dieser Zeit beschrieben, an dem Sophokles teilgenommen hat. Wahrscheinlich war Sophokles auch 428 v. Chr. Stratege im Krieg gegen die Anaier. 413–411 v. Chr. gehörte er dem oligarchischen Probulenkollegium an. Trotz zahlreicher ehrenvoller Berufungen ausländischer Könige hat Sophokles – anders als Aischylos und [[Euripides]] – Athen nicht verlassen.


Sophokles übte vielfältige kultische Funktionen aus. Als Priester des Heilheros Halon führte er aus [[Epidauros]] den Kult des [[Asklepios]] in Athen ein und nahm den Gott bis zur Errichtung eines eigenen [[Temenos]] in sein Haus auf. Deshalb wurde Sophokles nach dem Tod als Heros Dexion verehrt. Er war Gründer eines [[Thiasos|Musenthiasos]]. Offenbar fungierte er auch als Medium, durch das die Götter zu den Menschen sprachen. Es wird berichtet, dass ihn eine Traumerscheinung des [[Herakles]] einen von der [[Akropolis]] gestohlenen goldenen Kranz hat finden lassen. Von der Belohnung soll er ein Heiligtum des Herakles Menytes gestiftet haben.
Sophokles ist der größte der bekannten [[Antike|antiken]] [[Griechische Tragödie|griechischen Tragödiendichter]], zu denen neben ihm [[Aischylos]] und [[Euripides]] gezählt werden.


Neben seiner dichterischen Tätigkeit übernahm Sophokles einige wichtige politische Ämter in Athen. 443/42 v. Chr. war er [[Hellenotamiai|Hellenotamias]] und damit zuständig für die Verwaltung der Mittel, mit denen der [[Attischer Seebund|Attische Seebund]] vor allem seine Militärausgaben bestritt. Zwei- oder dreimal amtierte er als Mitglied des [[Strategos|Strategenkollegiums]], darunter 441/40 v. Chr. gemeinsam mit [[Perikles]] im Krieg gegen [[Samos]]. In den Jahren 413–411 v. Chr. war er als Probulos (Vorberater) für Athens [[Bule|Ratsgremium]] tätig. In dieser Funktion sorgte er mit weiteren Kollegen dafür, dass 411 v. Chr., zwei Jahrzehnte nach Beginn des Peloponnesischen Krieges und als Folgereaktion auf das katastrophale Scheitern der [[Sizilienexpedition]], die Volksversammlung als demokratisches Beschlussorgan von der [[Peloponnesischer Krieg#Oligarchischer Umsturz in Athen|Oligarchie der 400]] abgelöst wurde. [[Thomas Alexander Szlezák]] sieht in dieser Positionierung des Sophokles eine Grundhaltung, die auch aus seinen Tragödien spreche und die in der Überzeugung gründe, dass letztlich göttlicher Weissagung zu folgen sei: Demokratischen Aushandlungs- und Entscheidungsprozessen entzogen sei demnach, was den Gesetzen und dem Willen der Götter nicht entspricht.<ref>Thomas Alexander Szlezák: ''Was Europa den Griechen verdankt. Von den Grundlagen unserer Kultur in der griechischen Antike.'' Tübingen 2010, S. 197, 199 und 203.</ref>
== Leben ==


In seinen gut 90 Lebensjahren war Sophokles zweimal verheiratet. Seine erste Ehe schloss er mit Nikostrate; aus dieser Verbindung ging [[Iophon]] hervor, der als Tragödiendichter bekannt geworden ist. Aus der zweiten Ehe mit der Sikonierin Theoris entstammt der Sohn ''Ariston''. Beide sind die Stammväter einer Dynastie von Tragödiendichtern. Bereits in der Antike gab es Mutmaßungen über seine Bisexualität. So berichten [[Athenaios]] und [[Ion von Chios]] über gleichgeschlechtliche Aktivitäten.
Sophokles stammt aus dem Demos Kolonos, Phyle Aigeis. Er war der Sohn des vermögenden Waffenfabrikanten Sophillos. Schon als Knabe gewann er in körperlichen und musischen Agonen. 480 v. Chr. war er Vorsänger beim Siegespaian nach der [[Schlacht bei Salamis]] und erregte durch seine Schönheit Aufsehen. Sein Musiklehrer war wahrscheinlich [[Lampros]]. Er erlernte nach eigener Aussage bei [[Aischylos]], ob nun persönlich oder als Zuschauer des tragischen Agons, das Handwerk des Stückeschreibens. 468 v. Chr. besiegte er den aus Sizilien zurückgekehrten Aischylos mit seiner ersten Tetralogie, deren erstes ''Triptolemos'' war. In seinem Stück ''Nausikaa'' trat Sophokles als Lyraspieler auf, in dem Stück ''Thamyras'' als Ballspieler. 443/442 v. Chr. war er Hellenotamias, 441/39 v. Chr. zusammen mit [[Perikles]] [[Stratege]] im samischen Krieg. [[Ios von Chios]] hat sehr amüsant ein [[Symposion]] aus dieser Zeit beschrieben, an dem Sophokles teilgenommen hat. Wahrscheinlich war Sophokles auch 428 v. Chr. Stratege im Krieg gegen die Anaier. 413-411 v. Chr. gehörte er dem oligarchischen Probulenkollegium an. Trotz zahlreicher ehrenvoller Berufungen ausländischer Könige hat Sophokles – anders als Aischylos und [[Euripides]] – Athen nicht verlassen.


Antike Biographien berichten, dass Sophokles, als sein Sohn Iophon ihn für unmündig erklären lassen wollte, vor Gericht Verse aus seinem Stück ''Oidipous auf Kolonos'' vorgelesen und damit die völlige Haltlosigkeit der Klage seines Sohnes bewiesen habe. Dokumentiert sind Sophokles’ persönliche Beziehungen zu Perikles, [[Herodot]], [[Ion von Chios]] und – vielleicht nur anekdotisch – auch zu [[Nikias]]. Als Sophokles vom Tod seines großen Konkurrenten Euripides erfuhr, soll er in Trauerkleidern die [[Dionysien]] von 406 v. Chr. eröffnet haben.
Sophokles übte vielfältige kultische Funktionen aus. Als Priester des Heilheros Halon führte er aus Epidauros den Kult des [[Asklepios]] in Athen ein und nahm den Gott bis zur Errichtung eines eigenen Temenos in sein Haus auf. Deshalb wurde Sophokles nach dem Tod als Heros Dexion verehrt. Er war Gründer eines Musenthiasos. Offenbar fungierte er auch als Medium, durch das die Götter zu den Menschen sprachen. Es wird berichtet, dass ihn eine Traumerscheinung des [[Herakles]] einen von der [[Akropolis]] gestohlenen Goldenen Kranz hat finden lassen. Von der Belohnung soll er ein Heiligtum des Herakles Menytes gestiftet haben.


Etwa neunzigjährig ist Sophokles 406 oder 405 v. Chr. gestorben. Er soll an einer Weinbeere erstickt sein<ref>[[Lukian von Samosata|Lukian]], ''Macrobii'' 24</ref> oder dem [[Bolustod]] an der Weinbeere erlegen sein, was wahrscheinlich nicht der Wahrheit entspricht. Der Komödiendichter [[Phrynichos (Komödiendichter)|Phrynichos]] vermerkt, dass Sophokles „eines schönen Todes gestorben [sei], ohne irgend etwas Schlimmes erduldet zu haben“.<ref>Zit. nach [[Rudolf Schottlaender]]: Einleitung zu ''Sophokles: Werke''. Aufbau Verlag, 2. Aufl. Berlin und Weimar 1970, S. V.</ref>
Sophokles war zweimal verheiratet. Seine erste Ehe schloss er mit Nikostrate; aus dieser Verbindung ging [[Iophon]] hervor, der als Tragödiendichter bekannt geworden ist. Aus der zweiten Ehe mit der Sikonierin Theoris entstammt der Sohn [[Ariston]]. Beide sind die Stammväter einer Dynastie von Tragödiendichtern.


Sophokles wurde in der Familiengruft an der Straße nach [[Dekeleia]], elf Meilen vor Athen, bestattet. Sein Grabmal war mit einer Sirene oder mit [[Kaledon]] geschmückt.
Antike Biographien berichten, dass Sophokles, als sein Sohn [[Iophon]] ihn für unmündig erklären lassen wollte, vor Gericht Verse aus seinem Stück Oidipos auf Kolonnos vorgelesen und damit die völlige Haltlosigkeit der Klage seines Sohnes bewiesen habe.


Schon den Zeitgenossen galt Sophokles als Liebling der Götter. Gesegnet mit Genie, Liebenswürdigkeit und Schönheit, gilt er bis heute als eine der überragenden Personen der Geschichte. Ihm wird häufig – jedoch ohne Grund – der Ausspruch „Töte nicht den Boten“ zugeordnet.
Dokumentiert sind Sophokles persönliche Beziehungen zu [[Perikles]], [[Herodot]], [[Ios von Chios]]. Als Sophokles vom Tod seines großen Konkurrenten [[Euripides]] erfuhr, soll er in Trauerkleidern die Dionysien von 406 v.Chr. eröffnet haben.


== Werke ==
Etwa neunzigjährig ist Sophokles 406 oder 405 v. Chr. gestorben. Er soll an einer Weintraube erstickt sein, was wahrscheinlich nicht der Wahrheit entspricht. Er wurde in der Familiengruft an der Straße nach Dekeleia, elf Meilen vor Athen, bestattet. Sein Grabmal war mit einer Sirene oder mit [[Kaledon]] geschmückt.
[[Datei:Sophocles, Oedipus the King, Vaticanus graecus 920.jpg|mini|Sophokles, ''König Ödipus'' in der 1340 geschriebenen Handschrift Rom, [[Vatikanische Apostolische Bibliothek|Biblioteca Apostolica Vaticana]], Vaticanus graecus 920, fol. 193v]]
Sophokles hat ein umfangreiches Werk hinterlassen. Die [[Suda]] nennt 123 Stücke (30 vollständige Tetralogien und eine Trilogie). 132 Stücke sind dem Titel nach bekannt; wahrscheinlich haben einige Stücke mehrere Titel gehabt. Außerdem schrieb er Elegien, Paiane und eine Prosaschrift über den Chor. Von Sophokles’ Elegie auf Herodot sind Fragmente bekannt.


Sophokles hat 20 oder 24 mal im tragischen Agon gesiegt und niemals den dritten Preis erhalten.
Schon den Zeitgenossen galt Sophokles als Liebling der Götter. Gesegnet mit Genie, Liebenswürdigkeit und Schönheit gilt er bis heute als einer der überragenden Menschen in der Menschheitsgeschichte. Ihm wird der Ausspruch '''"Töte nicht den Boten."''' zugeordnet.


Er selbst hat seine künstlerische Entwicklung in drei Abschnitte eingeteilt. Seine ersten Stücke seien voll aischyleischen Überschwangs gewesen, die Stücke der mittleren Phase voller Herbheit und Künstlichkeit. Erst in der letzten Phase habe er den persönlichen Stil gefunden.
== Portraits ==


Sophokles sind einige szenische und dramaturgische Neuerungen zu verdanken. Deren bedeutendste war sicherlich die Einführung des dritten Schauspielers (des ''Tritagonisten'', wodurch packende Szenen möglich werden wie im Verhör zweier Zeugen durch einen Dritten in ''König Ödipus'') und von Bühnenmaschinen; dies muss noch zu Lebzeiten Aischylos’ geschehen sein. Auch erhöhte er die Zahl der Chorsänger von 12 auf 15. Anders als Aischylos hat er bis auf eine Ausnahme keine inhaltlich gebundenen Trilogien geschrieben.
Nicht erhalten ist die Statue, die Iophon seinem Vater bald nach dessen Tod errichtet hat, auch nicht [[Polygnotos]] Portrait in der [[Stoa Poikile]]. Vier Typen geben eine Vorstellung von Sophokles Aussehen. 1. der Typus Farnese (Sophokles als ältlicher Mann), etwa 310 v. Chr. geschaffen; 2. der Typus Lateran (Sophokles in der Blüte seiner Jahre), Kopie der von [[Lykurgos]] 340/30 v. Chr. gestifteteten und im Dionysos-Theater aufgestellten Bronzestatue; 3. als junger Mann, Original vielleicht 360/50 v. Chr.; 4. Sophokles als Greis (hellenistisches Werk).


Er selbst grenzt sich nach überlieferten Aussagen von Aischylos ab, der zwar das Notwendige gedichtet habe, aber nur unbewusst, und daher auch vieles Überflüssige, Unpassende und auch „Schwulst“ geschrieben habe. Von dem zwölf Jahre jüngeren [[Euripides]] unterscheidet er sich nach eigener Aussage dadurch, dass er diesem die Einsicht in die Notwendigkeit der dramatischen Handlung voraushabe. Diese sei ein gültigerer Maßstab als die Wirklichkeit. Damit meint Sophokles offenbar nicht eine ethische Notwendigkeit (denn keiner seiner Helden ist schuldlos, und doch trifft sie ein ungerechtes Strafmaß, so dass sie Mitleid verdienen), sondern die Folgerichtigkeit, mit dem die Akteure ihr Gesetz, nach dem sie antreten und das ansatzweise im [[Mythos]] enthalten ist, erfüllen.
== Werke ==


Deutlich wird dies in seiner ''Elektra'', dem einzigen Drama, das von allen drei Autoren gestaltet wurde. Bei Aischylos ist die wie eine Sklavin gehaltene Elektra unschlüssig, ob sie die Rache der Götter erflehen darf. Eine solche Haltung ist für Sophokles inkonsequent: Eine von verbrecherischen Verwandten solchermaßen behandelte und erniedrigte Freie ''muss'' die Rache mit voller Leidenschaft wollen. Euripides’ etwa zwei Jahre nach Sophokles’ Werk entstandene ''[[Elektra (Euripides)|Elektra]]'' löst sich hingegen weit von der mythologischen Vorlage. Sein Ziel ist eher eine radikale Religionskritik; seine publikumswirksamen psychologischen Darstellungsmittel (die Deklassierung Elektras durch ihre nicht standesgemäße Scheinehe, ihre raffinierte Schläue, ihr innerer Zwiespalt) verhindern nach Sophokles die Entfaltung des mythischen Keims der Tragödie. Sophokles erzielt die psychologische Wirkung seiner Stücke demgegenüber durch die unverhältnismäßige Vergeltung von Fehltaten (im Sinne von [[Hamartie|Hamartia]], nicht nur von moralischer Schuld) durch ein Übermaß an Leiden.<ref>Rudolf Schottlaender: Einleitung zu ''Sophokles: Werke''. Aufbau Verlag, 2. Aufl. Berlin und Weimar 1970, S. V–VII.</ref>
Sophokles hat ein riesiges Werk hinterlassen. Die [[Suda]] nennt 123 Stücke (30 vollständige Tetralogien und eine Trilogie). 132 Stücke sind dem Titel nach bekannt; wahrscheinlich haben einige Stücke mehrere Titel gehabt. Außerdem waren Elegien, Paiane und eine Prosaschrift über den Chor. Von Sophokles' Elegie auf Herodot sind Fragmente bekannt.


=== Erhaltene Werke ===
Sophokles hat 20 oder 24 mal im tragischen Agon gesiegt und niemals den 3. Preis erhalten.
* Thebanische Trilogie
** [[Antigone (Sophokles)|Antigone]] ({{lang|grc|Ἀντιγόνη}}), 442 v. Chr.
** [[König Ödipus]] ({{lang|grc|Οἰδίπους τύραννος}} ''Oidipous tyrannos''), 429–425 v. Chr.
** [[Ödipus auf Kolonos]] ({{lang|grc|Οἰδίπους ἐπὶ Κολωνῷ}} ''Oidipous epi Kolōnō''), 401 v. Chr. postum aufgeführt
* [[Aias (Sophokles)|Aias]] ({{lang|grc|Αἴας}}), 455–450 v. Chr.
* [[Die Trachinierinnen]] ({{lang|grc|Τραχίνιαι}} ''Trachiniai''), vor 442 v. Chr.
* [[Elektra (Sophokles)|Elektra]] ({{lang|grc|Ἠλέκτρα}}), ca. 413 v. Chr.
* [[Philoktetes (Sophokles)|Philoktetes]] ({{lang|grc|Φιλοκτήτης}}), 409 v. Chr.


=== Verlorene bzw. fragmentarisch überlieferte Werke ===
Er selbst hat seine künstlerische Entwicklung in drei Perioden eingeteilt. Seine ersten Stücke seien voll aischyleischen Überschwangs gewesen, die Stücke der mittleren Periode voller Herbheit und Künstlichkeit. Erst in der letzten Phase habe er den persönlichen Stil gefunden.
{{Mehrspaltige Liste |breite=20em |liste=
* Achaion Syllogos
* Achileos Erastai
* Aias Lokros
* Aichmalotides
* Aigeus
* Aithiopes
* Akrisios
* Aleadai
* Alexandros
* Alkmeon
* Amykos
* Amphiareos
* Amphitryon
* Andromeda
* Antenoridai
* Athamas A
* Athamas B
* Atreus / Mykenaiai
* Chryses
* Daidalos
* Danae
* Dionysiskos
* Dolopes
* Epigonoi (Die Epigonen)
* Epi Tainaroi / Epitainarioi
* Erigone
* Eris
* Eriphyle
* [[Eumelos von Korinth|Eumelos]]
* Euryalos
* Eurypylos
* Helenes Apaitesis
* Helenes Arpage
* Helenes Gamos
* Herakleiskos
* Herakles
* Hermione
* Hipponous
* Hybris
* Hydrophoroi
* [[Ichneutai]] (Die Spürhunde)
* Inachos
* Iobates
* Ion
* Iphigeneia
* Iphikles
* Ixion
* Kamikoi
* Kedalion
* Kerberos
* Klytaimestra
* [[Kolchides]]
* Kophoi
* Kreousa
* Krisis
* Lakainai
* [[Laokoon#Sophokles|Laokoon]]
* Larisaioi
* Lemniai
* Manteis / Polyidos
* Meleagros
* Minos
* Momos
* Mousai
* Mysoi
* Nauplios Katapleon / Nauplios Pyrkaeus
* Nausikaa / Plyntriai
* Niobe
* Niptra
* Odysseus Akanthoplex
* Odysseus Mainomenos
* Oikles
* Oinomaos
* Palamedes
* Pandora / Sphyrokopoi
* Peleus
* Phaiakes
* Phaidra
* Philoktetes o en Troiai
* Phineus A
* Phineus B
* Phoinix
* Phrixos
* Phryges
* Phthiotides
* Poimenes 1
* Polyxene
* Priamos
* Prokris
* Rizotomoi
* Salmoneus
* Sinon
* Sisyphos
* [[Skythai]]
* Skyrioi
* Syndeipnoi
* Tantalos
* Telepheia
* Telephos
* Tereus
* Teukros
* Thamyras
* Thyestes
* Triptolemos (468 v. Chr.?)
* Troilos
* Tympanistai
* Tyndareos
* Tyro A
* Tyro B
}}
(Insgesamt 109 Werke)


Vom [[Satyrspiel]] [[Ichneutai]] (''Die Spürhunde'') wurden 1911 in [[Ägypten]] ungefähr 400 lesbare Verse auf Papyrus entdeckt.
Sophokles sind einige szenische und dramaturgische Neuerungen zu verdanken. Deren bedeutendste war sicherlich die Einführung des 3. Schauspielers und von Bühnenmaschinen; dies muss noch zu Lebzeiten Aischylos' geschehen sein. Auch hat er die Zahl der Chorsänger von zwölf auf 15 erhöht. Anders als Aischylos hat er bis auf eine Ausnahme keine inhaltlich gebundenen Tetralogien geschrieben (doch ist dies keine Neuerung des Sophokles, da man beweisen kann, dass bereits Aischylos und [[Phrynchios]] die inhaltliche Gebundenheit der Tetralogien aufgegeben haben).


2005 wurden auf einem Papyrus aus der [[Ägypten|ägyptischen]] Ausgrabungsstelle [[Oxyrhynchus]] mit einer neuen fotografischen Technik Verse aus der Tragödie ''Epigonoi'' (deutsch ''Die [[Epigone]]n'') gefunden. Hier in einer Übersetzung aus dem Englischen:
=== Liste der erhaltenen Werke ===
: A: Verschlingend das Ganze, schärfend das blitzende Eisen.
: B: Und die Helme schütteln ihre purpurgefärbten Büsche,
:: und die Weber stimmen für die Träger der Brustplatten an
:: das weise Weberschiffchenlied, das die Schlafenden weckt.
: A: Und er leimt des Triumphwagens Deichsel zusammen.


== Porträt ==
:Thebanische Trilogie
Nicht erhalten ist die Statue, die Iophon seinem Vater bald nach dessen Tod errichtet hat, auch nicht [[Polygnotos]]’ Porträt in der [[Stoa Poikile]].
:: [[Antigone]] (442 v. Chr.), (deutsch: Antigone)
:: [[Oidipus tyrannos]] (429-425 v. Chr.), (deutsch: König Ödipus)
:: [[Oedipus epi kolono]] (401 v. Chr. postum aufgeführt), (deutsch: Ödipus auf Kolonos)
: [[Aiax (Sophokles)|Aiax]] (455-450 v. Chr.)
: [[Trachiniai]] (vor 442 v. Chr.), (deutsch: Die Trachinierinnen)
: [[Elektra (Sophokles|Elektra]] (ca 420 v. Chr.), (deutsch: Elektra)
: [[Philoktetes]] ([[409 v. Chr.]]), (deutsch: Philoktet)


Vier Typen geben eine Vorstellung von Sophokles’ Aussehen:
=== Liste der fragmentarisch erhaltenen Werke ===
* als junger Mann, Original vielleicht 360/50 v. Chr.
* der [[Statue des Sophokles (Typus Lateran) |Typus Lateran]] (Sophokles in der Blüte seiner Jahre), Kopie der von [[Lykurg (Redner)|Lykurg]] 340/330 v. Chr. gestifteten und im [[Dionysostheater]] aufgestellten Bronzestatue
* der Typus Farnese (Sophokles als ältlicher Mann), etwa 310 v. Chr. geschaffen
* Sophokles als Greis (hellenistisches Werk)


== Ausgaben und Übersetzungen ==
# Achaion Syllogos
* ''Sophokles’ Tragödien.'' Übers. von [[Johann Jakob Christian Donner]], hrsg. und mit Einleitungen versehen von Gotthold Klee, Leipzig 1910. (Hesse und Becker)
# Achileos Erastai
* Sophoclis: ''Fabulae''. Hrsg. von A. C. Pearson, Oxford 1928. ([[Oxford University Press|Clarendon Press]], [[Oxford Classical Texts]])
# Aias Lokros
* Sophokles: ''Werke in einem Band''. Hrsg. und übers. von Rudolf Schottlaender, 2. Aufl., Berlin u. Weimar 1970. ([[Aufbau-Verlag|Aufbau Verlag]], Bibliothek der Antike)
# Aichmalotides
* Sophoclis: ''Fabulae''. Hrsg. von [[Hugh Lloyd-Jones]] und [[Nigel Guy Wilson]], Oxford 1990 ([[Oxford University Press|Clarendon Press]], [[Oxford Classical Texts]], maßgebliche textkritische Ausgabe)
# Aigeus
* Sophokles: ''Werke in 2 Bänden.'' Übers., hrsg. und kommentiert von [[Dietrich Ebener]], Berlin 1995. ([[Aufbau-Verlag|Aufbau Verlag]], Bibliothek der Antike)
# Aithiopes
* Sophokles: ''Dramen. Griechisch – Deutsch''. Hrsg. u. übers. von [[Wilhelm Willige]], überarb. von [[Karl Bayer (Altphilologe)|Karl Bayer]], 5. Aufl., Düsseldorf 2007. (Artemis & Winkler, [[Sammlung Tusculum]])
# Akrisios
* Sophokles: ''Die Tragödien''. Übers. von [[Heinrich Weinstock]], hrsg. von [[Bernhard Zimmermann (Philologe)|Bernhard Zimmermann]], 6. Aufl., Stuttgart 2016. ([[Alfred Kröner Verlag]])
# Aleadai
# Alexandros
# Alkmeon
# Amykos
# Amphiareos
# Amphitryon
# Andromeda
# Antenoridai
# Athamas A
# Athamas B
# Atreus / Mykenaiai
# Chryses
# Daidalos
# Danae
# Dionysiskos
# Dolopes
# Epigonoi (Die Epigonen)
# Epi Tainaroi / Epitainarioi
# Erigone
# Eris
# Eriphyle
# Eumelos
# Euryalos
# Eurypylos
# Helenes Apaitesis
# Helenes Arpage
# Helenes Gamos
# Herakleiskos
# Herakles
# Hermione
# Hipponous
# Hybris
# Hydrophoroi
# Ichneutai (Die Spürhunde)
# Inachos
# Iobates
# Ion
# Iphigeneia
# Iphikles
# Ixion
# Kamikoi
# Kedalion
# Kerberos
# Klytaimestra
# Kolchides
# Kophoi
# Kreousa
# Krisis
# Lakainai
# Laokoon
# Larisaioi
# Lemniai
# Manteis / Polyidos
# Meleagros
# Minos
# Momos
# Mousai
# Mysoi
# Nauplios Katapleon / Nauplios Pyrkaeus
# Nausikaa / Plyntriai
# Niobe
# Niptra
# Odysseus Akanthoples
# Odysseus Mainomenos
# Oikles
# Oinomaos
# Palamedes
# Pandora / Sphyrokopoi
# Peleus
# Phaiakes
# Phaidra
# Philoktetes o en Troiai
# Phineus A
# Phineus B
# Phoinix
# Phrixos
# Phryges
# Phthiotides
# Poimenes
# Polyxene
# Priamos
# Prokris
# Rizotomoi
# Salmoneus
# Sinon
# Sisyphos
# Skythai
# Skyrioi
# Syndeipnoi
# Tantalos
# Telepheia
# Telephos
# Tereus
# Teukros
# Thamyras
# Thyestes
# Triptolemos (468 vor Chr.?)
# Troilos
# Tympanistai
# Tyndareos
# Tyro A
# Tyro B


== Literatur ==
'''Übersichtsdarstellungen'''
* Bernhard Zimmermann: ''Die attische Tragödie.'' In: Bernhard Zimmermann (Hrsg.): ''Handbuch der griechischen Literatur der Antike.'' Band 1: ''Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit''. C. H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-57673-7, S. 484–610, hier: 573–586 (siehe auch S. 644–649)
'''Einführungen und Untersuchungen'''
* [[Richard G. A. Buxton]]: ''Sophocles'' (= Greece and Rome New Surveys in the Classics, no. 16). Clarendon Press, Oxford 1984, ISBN 0-903035-13-8; zweite Auflage mit Addenda for scholarship between 1983 and 1995, ebenda 1995, ISBN 0-903035-13-8.
* [[Hellmut Flashar]]: ''Sophokles. Dichter im demokratischen Athen''. München 2000, ISBN 978-3-406-69272-7.
* Gordon M. Kirkwood: ''A Study of Sophoclean Drama.'' Ithaca 1994
* [[Walter Nicolai (Altphilologe)|Walter Nicolai]]: ''Zu Sophokles’ Wirkungsabsichten.'' Carl Winter, Heidelberg 1992, ISBN 3-533-04564-1 ([http://ubm.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2011/2636/pdf/doc.pdf online]; PDF; 4,2&nbsp;MB)
* [[Charles Segal|Charles P. Segal]]: ''Sophocles’ Tragic World.'' Cambridge 1995
'''Hilfsmittel'''
* ''Lexicon Sophocleum adhibitis interpretum explicationibus, grammaticorum notationibus, recentiorum doctorum commentariis. Composuit [[Friedrich Ellendt|Fridericus Ellendt]]. Editio altera emendata, curavit Hermannus Genthe''. Berlin 1872 {{archive.org|lexiconsophocleu00elleuoft}}, {{archive.org|lexiconsophoclev00elle}}


== Weblinks ==
{{Wikiquote|Sophokles}}
{{Wikisource|Sophokles}}
{{Wikisource|Σοφοκλής|Sophokles (griechisch)|lang=el}}
{{Commonscat|Sophocles|Sophokles}}
* {{DNB-Portal|118615688}}
* {{DDB|Person|118615688}}
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== Anmerkungen ==
Vom [[Satyrspiel]] [[Ichneutai]], (deutsch: Die Spürhunde), wurden [[1911]] in [[Ägypten]] ungefähr 400 lesbare Verse auf Papyrus entdeckt.
<references />


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2005 wurden auf einem Papyrus aus der [[Ägypten|ägyptischen]] Ausgrabungsstelle [[Oxyrhynchus]] mit einer neuen fotographischen Technik Verse aus der Tragödie ''[[Epigonoi]]'' (dt. Die [[Epigone]]n) gefunden (Übersetzung aus dem Englischen):
A: Verschlingend das Ganze, schärfend das blitzende Eisen.
B: Und die Helme schütteln ihre purpurgefärbten Büsche,
und die Weber stimmen für die Träger der Brustplatten an
das weise Weberschiffchenlied, das die Schlafenden weckt.
A: Und er leimt des Triumphwagens Deichsel zusammen.

==Weblinks==
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Aktuelle Version vom 17. April 2025, 10:43 Uhr

Sophokles

Sophokles (altgriechisch Σοφοκλῆς Sophoklḗs, klassische Aussprache [sopʰoklɛ̂ːs]; * 497/496 v. Chr. in Kolonos; † 406/405 v. Chr. in Athen) war ein Dichter in der Zeit der Griechischen Klassik. Er gilt neben Aischylos und Euripides als der bedeutendste der antiken griechischen Tragödiendichter. Seine erhaltenen Stücke, vor allem Antigone und König Ödipus, werden auf den Bühnen der ganzen Welt gespielt.

Sophokles stammte aus dem Demos Kolonos, Phyle Aigeis. Er war der Sohn des vermögenden Waffenfabrikanten Sophil(l)os.[1] Schon als Knabe gewann er in körperlichen und musischen Agonen. 480 v. Chr. war er Vorsänger beim Siegespaian nach der Schlacht von Salamis und erregte durch seine Schönheit Aufsehen. Sein Musiklehrer war wahrscheinlich Lampros. Er erlernte nach eigener Aussage bei Aischylos, ob nun persönlich oder als Zuschauer des tragischen Agons, das Handwerk des Stückeschreibens. 468 v. Chr. besiegte er den aus Sizilien zurückgekehrten Aischylos mit seiner ersten Tetralogie, deren erstes Stück Triptolemos war. In seinem Stück Nausikaa trat Sophokles als Lyraspieler auf, in dem Stück Thamyras als Ballspieler. 443/442 v. Chr. war er Hellenotamias (Verwalter der Schatzkasse des Attisch-Delischen Seebunds), 441/39 v. Chr. zusammen mit Perikles Stratege im Samischen Krieg. Ion von Chios hat sehr amüsant ein Symposion aus dieser Zeit beschrieben, an dem Sophokles teilgenommen hat. Wahrscheinlich war Sophokles auch 428 v. Chr. Stratege im Krieg gegen die Anaier. 413–411 v. Chr. gehörte er dem oligarchischen Probulenkollegium an. Trotz zahlreicher ehrenvoller Berufungen ausländischer Könige hat Sophokles – anders als Aischylos und Euripides – Athen nicht verlassen.

Sophokles übte vielfältige kultische Funktionen aus. Als Priester des Heilheros Halon führte er aus Epidauros den Kult des Asklepios in Athen ein und nahm den Gott bis zur Errichtung eines eigenen Temenos in sein Haus auf. Deshalb wurde Sophokles nach dem Tod als Heros Dexion verehrt. Er war Gründer eines Musenthiasos. Offenbar fungierte er auch als Medium, durch das die Götter zu den Menschen sprachen. Es wird berichtet, dass ihn eine Traumerscheinung des Herakles einen von der Akropolis gestohlenen goldenen Kranz hat finden lassen. Von der Belohnung soll er ein Heiligtum des Herakles Menytes gestiftet haben.

Neben seiner dichterischen Tätigkeit übernahm Sophokles einige wichtige politische Ämter in Athen. 443/42 v. Chr. war er Hellenotamias und damit zuständig für die Verwaltung der Mittel, mit denen der Attische Seebund vor allem seine Militärausgaben bestritt. Zwei- oder dreimal amtierte er als Mitglied des Strategenkollegiums, darunter 441/40 v. Chr. gemeinsam mit Perikles im Krieg gegen Samos. In den Jahren 413–411 v. Chr. war er als Probulos (Vorberater) für Athens Ratsgremium tätig. In dieser Funktion sorgte er mit weiteren Kollegen dafür, dass 411 v. Chr., zwei Jahrzehnte nach Beginn des Peloponnesischen Krieges und als Folgereaktion auf das katastrophale Scheitern der Sizilienexpedition, die Volksversammlung als demokratisches Beschlussorgan von der Oligarchie der 400 abgelöst wurde. Thomas Alexander Szlezák sieht in dieser Positionierung des Sophokles eine Grundhaltung, die auch aus seinen Tragödien spreche und die in der Überzeugung gründe, dass letztlich göttlicher Weissagung zu folgen sei: Demokratischen Aushandlungs- und Entscheidungsprozessen entzogen sei demnach, was den Gesetzen und dem Willen der Götter nicht entspricht.[2]

In seinen gut 90 Lebensjahren war Sophokles zweimal verheiratet. Seine erste Ehe schloss er mit Nikostrate; aus dieser Verbindung ging Iophon hervor, der als Tragödiendichter bekannt geworden ist. Aus der zweiten Ehe mit der Sikonierin Theoris entstammt der Sohn Ariston. Beide sind die Stammväter einer Dynastie von Tragödiendichtern. Bereits in der Antike gab es Mutmaßungen über seine Bisexualität. So berichten Athenaios und Ion von Chios über gleichgeschlechtliche Aktivitäten.

Antike Biographien berichten, dass Sophokles, als sein Sohn Iophon ihn für unmündig erklären lassen wollte, vor Gericht Verse aus seinem Stück Oidipous auf Kolonos vorgelesen und damit die völlige Haltlosigkeit der Klage seines Sohnes bewiesen habe. Dokumentiert sind Sophokles’ persönliche Beziehungen zu Perikles, Herodot, Ion von Chios und – vielleicht nur anekdotisch – auch zu Nikias. Als Sophokles vom Tod seines großen Konkurrenten Euripides erfuhr, soll er in Trauerkleidern die Dionysien von 406 v. Chr. eröffnet haben.

Etwa neunzigjährig ist Sophokles 406 oder 405 v. Chr. gestorben. Er soll an einer Weinbeere erstickt sein[3] oder dem Bolustod an der Weinbeere erlegen sein, was wahrscheinlich nicht der Wahrheit entspricht. Der Komödiendichter Phrynichos vermerkt, dass Sophokles „eines schönen Todes gestorben [sei], ohne irgend etwas Schlimmes erduldet zu haben“.[4]

Sophokles wurde in der Familiengruft an der Straße nach Dekeleia, elf Meilen vor Athen, bestattet. Sein Grabmal war mit einer Sirene oder mit Kaledon geschmückt.

Schon den Zeitgenossen galt Sophokles als Liebling der Götter. Gesegnet mit Genie, Liebenswürdigkeit und Schönheit, gilt er bis heute als eine der überragenden Personen der Geschichte. Ihm wird häufig – jedoch ohne Grund – der Ausspruch „Töte nicht den Boten“ zugeordnet.

Sophokles, König Ödipus in der 1340 geschriebenen Handschrift Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vaticanus graecus 920, fol. 193v

Sophokles hat ein umfangreiches Werk hinterlassen. Die Suda nennt 123 Stücke (30 vollständige Tetralogien und eine Trilogie). 132 Stücke sind dem Titel nach bekannt; wahrscheinlich haben einige Stücke mehrere Titel gehabt. Außerdem schrieb er Elegien, Paiane und eine Prosaschrift über den Chor. Von Sophokles’ Elegie auf Herodot sind Fragmente bekannt.

Sophokles hat 20 oder 24 mal im tragischen Agon gesiegt und niemals den dritten Preis erhalten.

Er selbst hat seine künstlerische Entwicklung in drei Abschnitte eingeteilt. Seine ersten Stücke seien voll aischyleischen Überschwangs gewesen, die Stücke der mittleren Phase voller Herbheit und Künstlichkeit. Erst in der letzten Phase habe er den persönlichen Stil gefunden.

Sophokles sind einige szenische und dramaturgische Neuerungen zu verdanken. Deren bedeutendste war sicherlich die Einführung des dritten Schauspielers (des Tritagonisten, wodurch packende Szenen möglich werden wie im Verhör zweier Zeugen durch einen Dritten in König Ödipus) und von Bühnenmaschinen; dies muss noch zu Lebzeiten Aischylos’ geschehen sein. Auch erhöhte er die Zahl der Chorsänger von 12 auf 15. Anders als Aischylos hat er bis auf eine Ausnahme keine inhaltlich gebundenen Trilogien geschrieben.

Er selbst grenzt sich nach überlieferten Aussagen von Aischylos ab, der zwar das Notwendige gedichtet habe, aber nur unbewusst, und daher auch vieles Überflüssige, Unpassende und auch „Schwulst“ geschrieben habe. Von dem zwölf Jahre jüngeren Euripides unterscheidet er sich nach eigener Aussage dadurch, dass er diesem die Einsicht in die Notwendigkeit der dramatischen Handlung voraushabe. Diese sei ein gültigerer Maßstab als die Wirklichkeit. Damit meint Sophokles offenbar nicht eine ethische Notwendigkeit (denn keiner seiner Helden ist schuldlos, und doch trifft sie ein ungerechtes Strafmaß, so dass sie Mitleid verdienen), sondern die Folgerichtigkeit, mit dem die Akteure ihr Gesetz, nach dem sie antreten und das ansatzweise im Mythos enthalten ist, erfüllen.

Deutlich wird dies in seiner Elektra, dem einzigen Drama, das von allen drei Autoren gestaltet wurde. Bei Aischylos ist die wie eine Sklavin gehaltene Elektra unschlüssig, ob sie die Rache der Götter erflehen darf. Eine solche Haltung ist für Sophokles inkonsequent: Eine von verbrecherischen Verwandten solchermaßen behandelte und erniedrigte Freie muss die Rache mit voller Leidenschaft wollen. Euripides’ etwa zwei Jahre nach Sophokles’ Werk entstandene Elektra löst sich hingegen weit von der mythologischen Vorlage. Sein Ziel ist eher eine radikale Religionskritik; seine publikumswirksamen psychologischen Darstellungsmittel (die Deklassierung Elektras durch ihre nicht standesgemäße Scheinehe, ihre raffinierte Schläue, ihr innerer Zwiespalt) verhindern nach Sophokles die Entfaltung des mythischen Keims der Tragödie. Sophokles erzielt die psychologische Wirkung seiner Stücke demgegenüber durch die unverhältnismäßige Vergeltung von Fehltaten (im Sinne von Hamartia, nicht nur von moralischer Schuld) durch ein Übermaß an Leiden.[5]

Erhaltene Werke

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  • Thebanische Trilogie
    • Antigone (Ἀντιγόνη), 442 v. Chr.
    • König Ödipus (Οἰδίπους τύραννος Oidipous tyrannos), 429–425 v. Chr.
    • Ödipus auf Kolonos (Οἰδίπους ἐπὶ Κολωνῷ Oidipous epi Kolōnō), 401 v. Chr. postum aufgeführt
  • Aias (Αἴας), 455–450 v. Chr.
  • Die Trachinierinnen (Τραχίνιαι Trachiniai), vor 442 v. Chr.
  • Elektra (Ἠλέκτρα), ca. 413 v. Chr.
  • Philoktetes (Φιλοκτήτης), 409 v. Chr.

Verlorene bzw. fragmentarisch überlieferte Werke

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  • Achaion Syllogos
  • Achileos Erastai
  • Aias Lokros
  • Aichmalotides
  • Aigeus
  • Aithiopes
  • Akrisios
  • Aleadai
  • Alexandros
  • Alkmeon
  • Amykos
  • Amphiareos
  • Amphitryon
  • Andromeda
  • Antenoridai
  • Athamas A
  • Athamas B
  • Atreus / Mykenaiai
  • Chryses
  • Daidalos
  • Danae
  • Dionysiskos
  • Dolopes
  • Epigonoi (Die Epigonen)
  • Epi Tainaroi / Epitainarioi
  • Erigone
  • Eris
  • Eriphyle
  • Eumelos
  • Euryalos
  • Eurypylos
  • Helenes Apaitesis
  • Helenes Arpage
  • Helenes Gamos
  • Herakleiskos
  • Herakles
  • Hermione
  • Hipponous
  • Hybris
  • Hydrophoroi
  • Ichneutai (Die Spürhunde)
  • Inachos
  • Iobates
  • Ion
  • Iphigeneia
  • Iphikles
  • Ixion
  • Kamikoi
  • Kedalion
  • Kerberos
  • Klytaimestra
  • Kolchides
  • Kophoi
  • Kreousa
  • Krisis
  • Lakainai
  • Laokoon
  • Larisaioi
  • Lemniai
  • Manteis / Polyidos
  • Meleagros
  • Minos
  • Momos
  • Mousai
  • Mysoi
  • Nauplios Katapleon / Nauplios Pyrkaeus
  • Nausikaa / Plyntriai
  • Niobe
  • Niptra
  • Odysseus Akanthoplex
  • Odysseus Mainomenos
  • Oikles
  • Oinomaos
  • Palamedes
  • Pandora / Sphyrokopoi
  • Peleus
  • Phaiakes
  • Phaidra
  • Philoktetes o en Troiai
  • Phineus A
  • Phineus B
  • Phoinix
  • Phrixos
  • Phryges
  • Phthiotides
  • Poimenes 1
  • Polyxene
  • Priamos
  • Prokris
  • Rizotomoi
  • Salmoneus
  • Sinon
  • Sisyphos
  • Skythai
  • Skyrioi
  • Syndeipnoi
  • Tantalos
  • Telepheia
  • Telephos
  • Tereus
  • Teukros
  • Thamyras
  • Thyestes
  • Triptolemos (468 v. Chr.?)
  • Troilos
  • Tympanistai
  • Tyndareos
  • Tyro A
  • Tyro B

(Insgesamt 109 Werke)

Vom Satyrspiel Ichneutai (Die Spürhunde) wurden 1911 in Ägypten ungefähr 400 lesbare Verse auf Papyrus entdeckt.

2005 wurden auf einem Papyrus aus der ägyptischen Ausgrabungsstelle Oxyrhynchus mit einer neuen fotografischen Technik Verse aus der Tragödie Epigonoi (deutsch Die Epigonen) gefunden. Hier in einer Übersetzung aus dem Englischen:

A: Verschlingend das Ganze, schärfend das blitzende Eisen.
B: Und die Helme schütteln ihre purpurgefärbten Büsche,
und die Weber stimmen für die Träger der Brustplatten an
das weise Weberschiffchenlied, das die Schlafenden weckt.
A: Und er leimt des Triumphwagens Deichsel zusammen.

Nicht erhalten ist die Statue, die Iophon seinem Vater bald nach dessen Tod errichtet hat, auch nicht Polygnotos’ Porträt in der Stoa Poikile.

Vier Typen geben eine Vorstellung von Sophokles’ Aussehen:

  • als junger Mann, Original vielleicht 360/50 v. Chr.
  • der Typus Lateran (Sophokles in der Blüte seiner Jahre), Kopie der von Lykurg 340/330 v. Chr. gestifteten und im Dionysostheater aufgestellten Bronzestatue
  • der Typus Farnese (Sophokles als ältlicher Mann), etwa 310 v. Chr. geschaffen
  • Sophokles als Greis (hellenistisches Werk)

Ausgaben und Übersetzungen

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Übersichtsdarstellungen

  • Bernhard Zimmermann: Die attische Tragödie. In: Bernhard Zimmermann (Hrsg.): Handbuch der griechischen Literatur der Antike. Band 1: Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit. C. H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-57673-7, S. 484–610, hier: 573–586 (siehe auch S. 644–649)

Einführungen und Untersuchungen

Hilfsmittel

  • Lexicon Sophocleum adhibitis interpretum explicationibus, grammaticorum notationibus, recentiorum doctorum commentariis. Composuit Fridericus Ellendt. Editio altera emendata, curavit Hermannus Genthe. Berlin 1872 archive.org, archive.org
Wikisource: Sophokles – Quellen und Volltexte
Wikisource: Sophokles (griechisch) – Quellen und Volltexte (griechisch)
Commons: Sophokles – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Die Schreibweise des Vaters schwankt in der Überlieferung. Σωφίλος Sōphílos überliefert Suda, Stichwort Σοφοκλῆς, Adler-Nummer: sigma 815, Suda-Online, während Diodor 13,103,4 Σοφίλος Sophílos schreibt; der unbekannte Verfasser der Vita des Sophokles hat die Schreibweise Σοφίλλος Sophíllos, die sich bereits auf dem Marmor Parium 56 findet; ihr folgen auch Aelian, De natura animalium 7,39, Clemens von Alexandria, Protrepticus 7,74,2, die Anthologia Palatina 7,21 und Tzetzes, Chiliades 3,274; 6,650; die Schreibweise ist auch in der modernen wissenschaftlichen Literatur nicht einheitlich; vergleiche etwa Bernhard Zimmermann: Sophokles. In: Bernhard Zimmermann (Hrsg.): Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit (= Handbuch der Altertumswissenschaft. Abt. 7, Band 1). C. H. Beck, München 2011, S. 573: Sophilos, während in der älteren Bearbeitung des Handbuches Wilhelm Schmid: Die griechische Literatur zur Zeit der attischen Hegemonie vor dem Eingreifen der Sophistik (= Handbuch der Altertumswissenschaft. Abt. 7, Band 2). 2. Neubearbeitung. C. H. Beck, München 1934, S. 311 Sophillos den Vorzug gab.
  2. Thomas Alexander Szlezák: Was Europa den Griechen verdankt. Von den Grundlagen unserer Kultur in der griechischen Antike. Tübingen 2010, S. 197, 199 und 203.
  3. Lukian, Macrobii 24
  4. Zit. nach Rudolf Schottlaender: Einleitung zu Sophokles: Werke. Aufbau Verlag, 2. Aufl. Berlin und Weimar 1970, S. V.
  5. Rudolf Schottlaender: Einleitung zu Sophokles: Werke. Aufbau Verlag, 2. Aufl. Berlin und Weimar 1970, S. V–VII.