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„Stimmbildung“ – Versionsunterschied

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Unter '''Stimmbildung''' kann man unter anderem die Ausbildung der Stimme zum Sprechen und Singen verstehen. Es wird unterschieden zwischen der Ausbildung einer physiologischen (funktionellen) Nutzung der Stimme und einer "schönen" Stimme.
Unter '''Stimmbildung''' versteht man die Ausbildung der [[Menschliche Stimme|Stimme]] zum [[Sprechen]] und [[Gesang|Singen]]. Es wird unterschieden zwischen der Ausbildung einer gesunden, physiologisch effektiven (funktionellen) Nutzung der Stimme, um Krankheiten und Stimmschäden vorzubeugen, und der Ausbildung der professionellen Sprech- und Gesangsstimme.
In der Musik ist die Stimmbildung sehr wichtig, da ohne jegliche Übung die Stimmbänder beschädigt werden könnten.


Die "gute" Stimme - Ausnutzung der physiologischen Gegebenheiten - beugt Stimmschäden vor. Nach Panconcelli-Calca wird eine "gute" Stimme nur mit der für die Leistung nötigen Muskulatur gebildet, ist frei von Nebengeräuschen und Fehlüberspannungen, klingt in jeder Höhe beliebig kräftig oder leise, ist weittragend, resonanzreich, weich und anstrengungslos. Die Stimmbildung einer Sprechstimme orientiert sich an der Ausbildung einer physiologisch genutzten Stimme. Die "schöne" Stimme ist abhängig vom Kulturkreis und den jeweiligen zeitlichen Modeerscheinungen.
Eine gesunde Sprech- bzw. Gesangstechnik kann Stimmschäden vorbeugen. Nach [[Giulio Panconcelli-Calzia]] wird eine „gute“ Stimme nur mit der für die Leistung nötigen Muskulatur gebildet, ist frei von Nebengeräuschen und Fehlspannungen, klingt in jeder Höhe beliebig kräftig oder leise, ist weittragend, resonanzreich, weich und anstrengungslos. Bei der Sprechstimme orientiert sich die Ausbildung an einer physiologischen Nutzung. Die als ästhetisch empfundene Sprech- und Gesangsstimme ist abhängig vom Kulturkreis und den jeweiligen zeitlichen Modeerscheinungen.


Schon im 1. vorchristlichen Jahrtausend hatten die Inder Kenntnisse über Stimmbildung, die für religiöse Rituale genutzt wurden. Da bei den Griechen die Stimme in öffentlichen Diskussionen genutzt wurde, hatte die Stimmbildung ihren festen Platz in der [[Rhetorik]].
Schon im ersten vorchristlichen Jahrtausend hatten die [[Indien|Inder]] Kenntnisse über Stimmbildung, die für religiöse [[Ritual#Religiöse Rituale|Rituale]] genutzt wurden. Da bei den [[Griechen]] die Stimme in öffentlichen Diskussionen genutzt wurde, hatte die Stimmbildung ihren festen Platz in der [[Rhetorik]]. Schauspieler mussten damals vor teilweise über 15.000 Zuschauern sprechen.
Schauspieler mussten damals vor teilweise sogar über 15000 Zuschauern sprechen.


In der Stimmbildung wird die Stimme als Ausdruck der Persönlichkeit angesehen und entsprechend geschult. Spezifische Funktionen (Atmung, Finden der physiologischen Sprechstimmlage u. a.) werden auch einzeln geübt, aber immer wieder in den [[Ganzheit|ganzheitlichen]] Zusammenhang der [[Kommunikation]] gestellt.
In der Stimmbildung wird die Stimme als Ausdruck der Persönlichkeit angesehen und entsprechend geschult. Spezifische Funktionen ([[Atmung]], Finden der physiologischen Sprechstimmlage u. a.) werden auch einzeln geübt, aber immer wieder in den [[ganzheitlich]]en Zusammenhang der [[Kommunikation]] gestellt.

[[Datei:SRF Wissen - Wie entsteht die menschliche Stimme?.webm|mini|Wie entsteht die menschliche Stimme? Erklärvideo (59 Sekunden)]]


== Ziele der Stimmschulung ==
== Ziele der Stimmschulung ==
=== Ökonomische und entspannte Atmung ===
=== Ökonomische und entspannte Atmung ===
{{Hauptartikel|Gesangspädagogik#Stimmatmung und Stützvorgang|titel1=„Stimmatmung und Stützvorgang“ im Artikel Gesangspädagogik}}
Atmung - Stimmerzeugung - Artikulation stehen in einem engen Zusammenhang.
Bei unangemessener Atmung werden verschiedene Muskelgruppen angespannt (z. B. Mundboden, Kiefermuskulatur etc.) und können nicht mehr flexibel reagieren. Dadurch kann es auch zu einem Kehlkopfhochstand kommen, so dass die Resonanzräume nicht mehr gut genutzt werden können. Die Zwerchfellflankenatmung ist die ökonomischste Atmung. Bei dieser wird die Brust zu allen Seiten gedehnt und das Zwerchfell optimal eingesetzt.


[[Atmung]], Stimmerzeugung ([[Phonation]]) und [[Artikulation (Linguistik)|Artikulation]] stehen in einem engen Zusammenhang. Das Erarbeiten eines lebendigen Wechselspiels zwischen Atmung und Kehlkopftätigkeit ist daher eines der wichtigsten Ziele der Stimmbildung.
Die Atmung beim Sprechen oder Singen hat eine verkürzte Einatmungsphase, dann eine verlängerte Ausatmungsphase. In der Ausatmungsphase wirkt die Muskulatur der Ausatmung entgegen (Atmungsstütze = elastische Gegenspannung), um die eingeatmete Luft möglichst optimal zu nutzen.
Dabei entsteht ein Unterdruck im Brustraum, der spontan nach dem Loslassen des Lautgriffs einen Druckausgleich auslöst (s. Coblenzer, s. IVAAP). Die Luft strömt reflektorisch und geräuschlos wieder ein (s. Versuch von Donders). Dazu bedarf es eines flexiblen, elastischen Körpertonus. In der Ruheatmung kommt dann eine längere Atempause.


=== Finden der physiologischen Sprechstimmlage / die Indifferenzlage ===
=== Finden der Sprechstimmlage/Indifferenzlage ===
{{Hauptartikel|Indifferenzlage}}
Jeder Mensch kann in einer bestimmten ihm eigenen Tonhöhe leicht und mühelos sprechen und findet normalerweise darin auch immer wieder zurück. Wenn die Indifferenzlage dauerhaft verlassen wird, im Extremfall überschlägt die Stimme, kommt es zu Anspannungen und Belastungen der Stimme bis zur Heiserkeit. Dies ermüdet Zuhörer und Sprecher. Die Stimme sollte beim Sprechen um die Indifferenzlage pendeln je nach Sprechmelodie.
Jeder Mensch kann in einer bestimmten ihm eigenen Tonhöhe leicht und mühelos sprechen und findet normalerweise auch immer wieder in diese Lage zurück. Wenn die Indifferenzlage dauerhaft verlassen wird, überschlägt sich im Extremfall die Stimme und es kommt zu Anspannungen und Belastungen der Stimme bis zur Heiserkeit. Dies ermüdet Zuhörer und Sprecher. Die Stimme sollte beim Sprechen je nach Sprechmelodie um die Indifferenzlage pendeln.
Eine stark auf der Sprechstimmlage basierenden Stimmbildungsart ist "[[Speech Level Singing]]".


=== Optimale Nutzung der Resonanzräume ===
=== Optimale Nutzung der Resonanzräume ===
{{Hauptartikel|Gesangspädagogik#Klangformung in den Ansatzräumen|titel1=„Klangformung in den Ansatzräumen“ im Artikel Gesangspädagogik}}
Durch Belassen des Kehlkopfes in seiner natürlichen Stellung (oder auch durch aktives Herunterziehen) wird das [[Ansatzrohr]] verlängert. Dadurch treten auch die tieferen Töne vermehrt im Spektrum auf, was die Stimme voller klingen lässt.
Die oberhalb der [[Stimmlippe]]n liegenden Räume bezeichnet man als [[Vokaltrakt]], Ansatzrohr oder auch Artikulations- bzw. Resonanzräume. Dazu gehören Kehlkopfventrikel, [[Taschenfalten]], Kehlkopfeingang, [[Rachen]], [[Mundhöhle]] und Nasenhaupthöhle. Die Ansatzräume können als zusammenhängende Hohlräume bestimmte Anteile des Primärschalls von den Stimmlippen als Resonatoren verstärken oder abschwächen. Dadurch entstehen unterschiedliche Vokal- und Klangfarben. Die anatomischen Voraussetzungen der Ansatzräume, sowie ihre individuelle Auskleidung mit Bindegewebe, Muskeln und Schleimhaut, sowie ihre Flexibilität sind dabei grundlegend für den entstehenden Klang.


=== Stimmeinsatz und -absatz ===
Die Resonanzräume sind in der Lage ihre Funktion zu erfüllen, wenn sie entspannt und geschmeidig sind.
Als '''Stimmeinsatz''' wird der Moment bezeichnet, in dem die Stimmlippen in den Phonationszustand übergehen. Je nach Art des Stimmlippenschlusses, nach Beginn des Schwingungsverhaltens und nach dem Umgang mit der Atemluft entstehen unterschiedliche akustische Eindrücke.<ref>Vgl. Raulin/Bergauer/Janknecht, Praxis der Stimmtherapie, Springer Verlag Heidelberg 2011.</ref> Es gibt drei verschiedene Kategorien vom Stimmeinsatz, wobei die Grenzen dazwischen fließend sind.<ref>Vgl. Günther Habermann: ''Stimme und Sprache.'' Kapitel ''Atemstütze, Stimmeinsatz und -absatz und Stimmansatz'', Thieme-Verlag.</ref>


* Behauchter Stimmeinsatz:
=== Stimmeinsatz ===
Die Luftströmung beginnt vor dem Glottisschluss. Die Luft strömt bereits, während die Stimmlippen von der Respirations- in die Phonationsstellung gehen. Dieser Einsatz ist physiologisch für einen Wortbeginn mit dem Buchstaben h.<ref>Vgl. Raulin/Bergauer/Janknecht, Praxis der Stimmtherapie, Springer Verlag Heidelberg 2011.</ref>
Ob eine Stimme verhaucht oder gepresst wird kann besonders deutlich am Stimmeinsatz gehört werden. Wenn die Stimmlippenschwingungen schon einsetzen bevor die Stimmlippen geschlossen sind, entweicht sehr viel Luft und der Stimmklang klingt gehaucht. Bei Vokalen am Wortanfang sollte dieser Stimmeinsatz nicht vorkommen, da er zu einer Luftverschwendung führt.


* Weicher Stimmeinsatz:
Werden die Stimmlippen zu stark aneinandergepresst beim Stimmeinsatz, staut sich die Luft unterhalb der Stimmlippen, die dann mit zu großem Druck auseinandergesprengt werden. Dadurch schlagen sie heftig aneinander, und sie können geschädigt werden.
Die Stimmlippen liegen bei Beginn der Phonation weich und ohne Druck aneinander, es besteht ein kleiner elliptischer Spalt. Durch Schließen der Stimmlippen und Steigerung des Anblasedrucks entstehen gleichmäßig zunehmende Stimmlippenschwingungen.<ref>Vgl. Raulin/Bergauer/Janknecht, Praxis der Stimmtherapie, Springer Verlag Heidelberg 2011.</ref>


* Fester Stimmeinsatz:
Ein optimaler Stimmeinsatz öffnet schon durch einen schwachen Luftdruck die Stimmlippen, die sich in einem für die physiologische Stimmgebung erforderlichen Spannungszustand befinden.
Die Stimmlippen liegen vor Beginn der Schwingung mit leichter Anspannung aneinander und werden durch einen leichten subglottischen Druckanstieg geöffnet. In der deutschen Hochsprache ist dieser Stimmeinsatz (Glottisschlag) für anlautende Vokale charakteristisch und hier auch physiologisch.<ref>Vgl. Raulin/Bergauer/Janknecht, Praxis der Stimmtherapie, Springer Verlag Heidelberg 2011.</ref>

Aus stimmbildnerischer Sicht gilt das Erarbeiten eines weichen Stimmeinsatzes – besonders im klassischen Gesang – als erstrebenswert. Bei gesunder Stimme und guter Gesangs- bzw. Sprechtechnik können jedoch alle drei Einsatzarten bewusst und kontrolliert als Stilmittel eingesetzt werden.

Als '''Stimmabsatz''' bezeichnet man den Moment, an dem die Stimmlippenschwingung beendet wird. Auch hier findet man unterschiedliche Varianten. Als physiologisch gelten:

* Der weiche Absatz:
Atemstrom und Stimmlippenschwingung hören gleichzeitig und allmählich ohne Geräusch auf. Die Stimme schwingt sanft aus. Dieser Absatz gilt als die für die Stimmlippen schonendste Art des Phonationsendes.<ref>Vgl. Raulin/Bergauer/Janknecht, Praxis der Stimmtherapie, Springer Verlag Heidelberg 2011.</ref>

* Der feste Absatz:
Die Glottis bleibt nach Ende der Stimmlippenschwingung noch kurz verschlossen, bevor sie sich wieder zum Einatmen öffnet. Hier ist der Absatz ohne Nachklingen der Stimme aber auch ohne Geräusch klar definiert. Wenn der Verschluss nur sanft ist, gilt dieser Absatz auch als physiologisch.<ref>Vgl. Raulin/Bergauer/Janknecht, Praxis der Stimmtherapie, Springer Verlag Heidelberg 2011.</ref>


=== Plastische Artikulation ===
=== Plastische Artikulation ===
Eine deutliche Artikulation erfordert eine präzise Feinabstimmung der Spannkraft und Beweglichkeit von Zunge, Lippen, Kiefergelenk, Gaumen und Rachenmuskulatur. Eine gute Konsonantenartikulation gibt der Stimme Halt und wirkt sich günstig auf Atmung und Stützvorgang aus. Außerdem kann sie zur Entspannung und Tonusregelung der an der Phonation beteiligten Muskulatur beitragen.
Eine deutliche Artikulation ermöglicht nicht nur das bessere Verstehen, sondern kann auch immer wieder zu einer Entspannung und Tonusregulierung der beteiligten Muskelgruppen führen.


=== Entspannungstraining ===
=== Entspannungstraining ===
Oftmals werden Entspannungsübungen zur Tonusregulierung eingesetzt: z. B. [[Progressive Relaxation| Entspannungstraining nach Jacobson]], [[Autogenes Training]], [[F.M. Alexander-Technik]] oder die [[Eutonie]]. Anschließend wird dann die notwendige und ausreichende Muskelspannung zum Sprechen oder Singen aufgebaut.
Oftmals werden Entspannungsübungen zur Tonusregulierung eingesetzt: z.&nbsp;B. [[Progressive Relaxation|Entspannungstraining nach Jacobson]], [[Autogenes Training]], [[Alexander-Technik]] oder die [[Eutonie]]. Anschließend wird die notwendige und ausreichende Muskelspannung zum Sprechen oder Singen aufgebaut.

Funktionelle Entspannung (FE) nach Marianne Fuchs und vor allem die atemrhythmisch angepasste Phonation AAP haben sich in der Stimmbildung, die auf natürlichen Abläufen und der Wohlspannung des Körpers aufbauen, besonders bewährt.
[[Funktionelle Entspannung]] (FE) nach [[Marianne Fuchs (Therapeutin)|Marianne Fuchs]] oder auch die von [[Horst Coblenzer]] und [[Franz Muhar]] entwickelte [[atemrhythmisch angepasste Phonation]] (AAP) haben sich in der Stimmbildung, die auf natürlichen Abläufen und der Wohlspannung des Körpers aufbaut, besonders bewährt.


== Stimmbildung und Gesang ==
== Stimmbildung und Gesang ==
{{Hauptartikel|Gesangspädagogik#Stimmbildung|titel1=„Stimmbildung“ im Artikel Gesangspädagogik}}
Während bei der Sprechstimmbildung weitestgehend die Funktionalität der Stimme im Vordergrund steht, erhebt die [[gesang]]liche Stimmbildung einen hohen Anspruch an die klangliche Ästhetik, die bis zu Fragen der Interpretation reicht. Über die physiologischen Grundlagen hinaus spielen musikalische Aspekte wie z. B. [[Vokalausgleich]], Koordination der [[Gesangsregister|Stimmregister]], Erweiterung des Stimmumfanges, Dynamik, [[Stimmsitz]] oder [[Artikulation (Musik)|Artikulation]] eine wichtige Rolle. Gemeinsamkeiten zur [[Sprecherziehung]] ergeben sich aus der Tatsache, dass die Singstimme mit denselben Organen ausgeführt wird, Unterschiede bestehen jedoch hinsichtlich der von unterschiedlichen Hirnregionen ausgehenden nervalen Steuerung von Sprech- und Singstimme. Insofern sind beide Stimmen nur bedingt gegenseitig beeinflussbar, weshalb auch ein jeweils gesondertes Training beider Stimmen erforderlich ist.


== Stimmbildung und Medizin ==
Während bei der Rhetorischen Stimmbildung weitestgehend die Funktionalität der Stimme im Vordergrund steht, erhebt die gesangliche Stimmbildung einen hohen Anspruch an die klangliche Ästhetik, die bis zu Fragen der Interpretation reicht. Über die physiologischen Grundlagen hinaus wird daher sehr viel Wert auf musikalische Aspekte wie Lagenausgleich, Mischung der Stimmregister, Erweiterung des Stimmumfanges oder Artikulation gelegt. Die Grenzen zur Sprecherziehung sind jedoch fließend, da sich beides trotz anderer Primärziele meist gegenseitig positiv beeinflußt.
Medizinisch relevante Störungen der Stimme werden in der Regel von HNO-Ärzten, im günstigen Fall mit Subspezialisierung für Stimm- und Sprachstörungen bzw. [[Phoniatrie]] diagnostiziert, unter Umständen auch unter Mitwirkung von Logopäden oder Klinischen Sprechwissenschaftlern. Für die Behandlung von [[Stimmstörung]]en nach krankenkassenwirksamer Rezeptierung sind von Krankenkassen zugelassene Logopäden, Klinische Sprechwissenschaftler sowie Atem-, Sprech- und Stimmlehrer zuständig.


Da jede behandlungsbedürftige Stimmstörung immer auch etwas mit Funktionen in der Bildung der Stimme zu tun hat, müssen sich auch therapeutische Maßnahmen stimmbildnerischer Methoden bedienen, um eine leistungsfähige und störungsfreie Funktion der Stimme zu erarbeiten und damit Rezidive zu vermeiden. Im Fall von Singstimmstörungen wird unter Umständen ein kundiger Gesangspädagoge oder Gesangsstimmbildner hinzugezogen. Explizit ausgebildete Singstimmtherapeuten gibt es jedoch nicht.<ref>(vgl. Michael Pezenburg: ''Stimmbildung. Wissenschaftliche Grundlagen-Didaktik-Methodik.'' Wißner Verlag, Augsburg 2015, S. 279–286)</ref>
=== Chorische Stimmbildung ===
Die '''chorische Stimmbildung''' ist im Sinne der Stimmbildung ein Sonderfall. Auf der einen Seite sind hier auch idealerweise alle Regeln und Ziele der hier beschriebenen "individuellen Stimmbildung" zu beachten - auf der anderen Seite steht diesem ein gänzlich anderes Ziel - nämlich die klangliche Einheit eines [[Chor]]es - gegenüber. Während persönliche Stimmerkmale im Chor schlichtweg unerwünscht sind (z.&nbsp;B. übermäßiges [[Vibrato]]), steht vor allem die Anpassungsfähigkeit der Stimme im Vordergrund. Da chorische Stimmbildung aber durchgehend nur in Gruppen ("[[Chor]]") praktiziert wird, muss dieses nicht zwingend einer individuellen Stimmbildung widersprechen, auch wenn es manchmal zu Interessenskonflikten kommt.


== Stimmbildung und Medizin ==
== Stimmbildung in der Ausbildung von Lehrern ==
Der Lehrerberuf stellt eine starke Beanspruchung der Stimme dar. Es ist daher auf der einen Seite wichtig, die Unterrichtssituation so zu gestalten, dass es zu keiner stimmlichen Überbelastung kommt, auf der anderen Seite müssen Lehrkräfte aber auch in der Lage sein, hohe Anforderungen an Stimmkondition und sprechsprachliche Kommunikationsfähigkeit zu erfüllen. Konditionell besonders hohe stimmliche Anforderungen betreffen vor allem Grundschullehrer, Kindergartenerzieher, Sportlehrer und – in der Doppelbelastung von Sprech- und Singstimme – Musiklehrer.


Dies kann nur durch eine intensive stimmbildnerische und sprecherzieherische Aus- oder Weiterbildung erreicht werden. Da eine solche nur an wenigen Ausbildungseinrichtungen für Pädagogen in ausreichendem Umfang und gebotener Intensität obligatorisch ist, sind berufseinschränkende Stimmstörungen und Reduktionen in der Wirksamkeit der sprechenden Lehrerpersönlichkeit nicht selten. Oft kommt es auf Grund von stimmlichen Problemen zu krankheitsbedingten Fehlzeiten, in einigen Fällen sogar zu Berufsunfähigkeiten.
Weitestgehend ist auch die medizinische und therapeutische Behandlung von Stimmschäden und [[Sprachstörung|Sprachfehlern]] im Rahmen der [[Logopädie]] und [[Phoniatrie]] als Stimmbildung anzusehen, soweit sie sich auf die Physiologie der Stimme stützt.

Eine qualifizierte Schulung der Sprechstimme liegt idealerweise in den Händen von Diplom-Sprecherziehern, Diplom-Sprechwissenschaftlern, Sprecherziehern (DGSS) und Atem-, Sprech- und Stimmlehrern. Betont werden muss außerdem, dass Sing- und Sprechstimme sich zwar in bestimmtem Maß gegenseitig beeinflussen, weil sie mit denselben Organen ausgeführt, aber kortikal von unterschiedlichen Zentren gesteuert werden. Daher sind getrennte Schulungen für Singstimme (Stimmbildung, Gesangspädagogik) und Sprechstimme (Sprecherziehung, Atem-, Sprech- und Stimmschulung) erforderlich.<ref>(vgl. Pezenburg, 2015, Lernpsychologische Grundlagen der Stimmbildung, S. 141 ff.)</ref>

== Siehe auch ==
* [[Stimme]], Begriffsklärungsseite
* [[Stimmtraining]]


== Literatur ==
== Literatur ==
* Horst Coblenzer, Franz Muhar: ''Atem und Stimme.'' 17. Auflage. ÖBV Pädagogischer Verlag, Wien 1997, ISBN 3-215-02040-8
* Franz Brandl: ''Die Kunst der Stimmbildung auf physiologischer Grundlage''. Eigenverlag, München 2001, ISBN 3-00-008593-9.
* Horst Coblenzer: ''Erfolgreich Sprechen. Fehler und wie man sie vermeidet.'' 4. Auflage. ÖBV Pädagogischer Verlag, Wien 1999, ISBN 3-215-06547-9
* Horst Coblenzer, Franz Muhar: ''Atem und Stimme.'' 17. Auflage. ÖBV Pädagogischer Verlag, Wien 1997, ISBN 3-215-02040-8.
* Wilhelm Ehmann, Frauke Haasemann: ''Handbuch der chorischen Stimmbildung.'' Bärenreiter, Kassel 1984, ISBN 3-7618-0691-4
* Emil Fischer: ''Handbuch der Stimmbildung.'' Hans Schneider, Tutzing 1969.
* Heinz Fiukowski: ''Sprecherzieherisches Elementarbuch.'' Niemeyer, Tübingen 1992, ISBN 3-484-73000-5
* [[Heinz Fiukowski]]: ''Sprecherzieherisches Elementarbuch.'' 8. Auflage. de Gruyter, Berlin/New York 2010, ISBN 978-3-11-023373-5.
* Günther Habermann: ''Stimme und Sprache.'' Thieme, Stuttgart 1978, ISBN 3-13-556002-3
* Günther Habermann: ''Stimme und Sprache.'' Thieme, Stuttgart 1978, ISBN 3-13-556002-3.
* [[Sabine Horstmann]]: ''Chorische Stimmbildung''. Merseburger, Berlin 1996/2006.
* Marianne Spiecker-Henke: ''Leitlinien der Stimmtherapie.'' Thieme, Stuttgart - New York 1997, ISBN 3-13-103161-1
* [[Kristin Linklater]]: ''Die persönliche Stimme entwickeln. Ein ganzheitliches Übungsprogramm zur Befreiung der Stimme.'' Ernst Reinhardt Verlag, München 2005, ISBN 3-497-01743-4.
* Michael Pezenburg: ''Stimmbildung. Wissenschaftliche Grundlagen-Didaktik-Methodik.'' 4. erweiterte Auflage, Wißner Verlag, Augsburg 2022, ISBN 978-3-95786-302-7.
* [[Bernhard Richter (Mediziner)|Bernhard Richter]]: ''Die Stimme. Grundlagen, künstlerische Praxis, Gesunderhaltung.'' Henschel Verlag, Leipzig 2013, ISBN 978-3-89487-727-9.
* [[Clara Schlaffhorst]], [[Hedwig Andersen]]: ''Atmung und Stimme.'' Möseler Verlag, Neuausgabe 1996, ISBN 3-7877-3519-4.
* Marianne Spiecker-Henke: ''Leitlinien der Stimmtherapie.'' Thieme, Stuttgart 2004, ISBN 3-13-103162-X.
* Rita Zellerhoff: ''Auf die Vielfalt kommt es an. Ausbildung des Variantenreichtums der Stimmen zukünftiger Lehrerinnen und Lehrer entsprechend der Vielfalt der Anforderungssituationen.'' In: Teuchert, Brigitte (Hrsg.): ''Mündliche Kommunikation lehren und lernen. Facetten der Rhetorik in Schule und Beruf.'' Baltmannsweiler: Schneider Verl. Hohengehren (2015) S. 37–47

== Weblinks ==
* [http://www.aap-online.com/ Internetpräsenz der ''Internationalen Vereinigung für Atemrhythmisch Angepasste Phonation'']
* [https://www2.hhu.de/muendlichkeit/ratgeber/rezensionen/Wittstock-Coblenzer-Muhar-Waibel-Beitler.htm Artikel ''Stimm-Ratgeber im Vergleich'' auf der Internetpräsenz der Uni Düsseldorf]

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Normdaten|TYP=s|GND=4057583-4}}


[[Kategorie:Menschliche Stimme]]
[[Kategorie:Menschliche Stimme]]
[[Kategorie:Gesang]]
[[Kategorie:Stimmbildung| ]]
[[Kategorie:Kulturpädagogik]]
[[Kategorie:Musikunterricht]]
[[Kategorie:Wikipedia:Artikel mit Video]]

Aktuelle Version vom 13. März 2025, 10:09 Uhr

Unter Stimmbildung versteht man die Ausbildung der Stimme zum Sprechen und Singen. Es wird unterschieden zwischen der Ausbildung einer gesunden, physiologisch effektiven (funktionellen) Nutzung der Stimme, um Krankheiten und Stimmschäden vorzubeugen, und der Ausbildung der professionellen Sprech- und Gesangsstimme. In der Musik ist die Stimmbildung sehr wichtig, da ohne jegliche Übung die Stimmbänder beschädigt werden könnten.

Eine gesunde Sprech- bzw. Gesangstechnik kann Stimmschäden vorbeugen. Nach Giulio Panconcelli-Calzia wird eine „gute“ Stimme nur mit der für die Leistung nötigen Muskulatur gebildet, ist frei von Nebengeräuschen und Fehlspannungen, klingt in jeder Höhe beliebig kräftig oder leise, ist weittragend, resonanzreich, weich und anstrengungslos. Bei der Sprechstimme orientiert sich die Ausbildung an einer physiologischen Nutzung. Die als ästhetisch empfundene Sprech- und Gesangsstimme ist abhängig vom Kulturkreis und den jeweiligen zeitlichen Modeerscheinungen.

Schon im ersten vorchristlichen Jahrtausend hatten die Inder Kenntnisse über Stimmbildung, die für religiöse Rituale genutzt wurden. Da bei den Griechen die Stimme in öffentlichen Diskussionen genutzt wurde, hatte die Stimmbildung ihren festen Platz in der Rhetorik. Schauspieler mussten damals vor teilweise über 15.000 Zuschauern sprechen.

In der Stimmbildung wird die Stimme als Ausdruck der Persönlichkeit angesehen und entsprechend geschult. Spezifische Funktionen (Atmung, Finden der physiologischen Sprechstimmlage u. a.) werden auch einzeln geübt, aber immer wieder in den ganzheitlichen Zusammenhang der Kommunikation gestellt.

Wie entsteht die menschliche Stimme? Erklärvideo (59 Sekunden)

Ziele der Stimmschulung

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Ökonomische und entspannte Atmung

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Atmung, Stimmerzeugung (Phonation) und Artikulation stehen in einem engen Zusammenhang. Das Erarbeiten eines lebendigen Wechselspiels zwischen Atmung und Kehlkopftätigkeit ist daher eines der wichtigsten Ziele der Stimmbildung.

Finden der Sprechstimmlage/Indifferenzlage

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Jeder Mensch kann in einer bestimmten ihm eigenen Tonhöhe leicht und mühelos sprechen und findet normalerweise auch immer wieder in diese Lage zurück. Wenn die Indifferenzlage dauerhaft verlassen wird, überschlägt sich im Extremfall die Stimme und es kommt zu Anspannungen und Belastungen der Stimme bis zur Heiserkeit. Dies ermüdet Zuhörer und Sprecher. Die Stimme sollte beim Sprechen je nach Sprechmelodie um die Indifferenzlage pendeln.

Optimale Nutzung der Resonanzräume

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Die oberhalb der Stimmlippen liegenden Räume bezeichnet man als Vokaltrakt, Ansatzrohr oder auch Artikulations- bzw. Resonanzräume. Dazu gehören Kehlkopfventrikel, Taschenfalten, Kehlkopfeingang, Rachen, Mundhöhle und Nasenhaupthöhle. Die Ansatzräume können als zusammenhängende Hohlräume bestimmte Anteile des Primärschalls von den Stimmlippen als Resonatoren verstärken oder abschwächen. Dadurch entstehen unterschiedliche Vokal- und Klangfarben. Die anatomischen Voraussetzungen der Ansatzräume, sowie ihre individuelle Auskleidung mit Bindegewebe, Muskeln und Schleimhaut, sowie ihre Flexibilität sind dabei grundlegend für den entstehenden Klang.

Stimmeinsatz und -absatz

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Als Stimmeinsatz wird der Moment bezeichnet, in dem die Stimmlippen in den Phonationszustand übergehen. Je nach Art des Stimmlippenschlusses, nach Beginn des Schwingungsverhaltens und nach dem Umgang mit der Atemluft entstehen unterschiedliche akustische Eindrücke.[1] Es gibt drei verschiedene Kategorien vom Stimmeinsatz, wobei die Grenzen dazwischen fließend sind.[2]

  • Behauchter Stimmeinsatz:

Die Luftströmung beginnt vor dem Glottisschluss. Die Luft strömt bereits, während die Stimmlippen von der Respirations- in die Phonationsstellung gehen. Dieser Einsatz ist physiologisch für einen Wortbeginn mit dem Buchstaben h.[3]

  • Weicher Stimmeinsatz:

Die Stimmlippen liegen bei Beginn der Phonation weich und ohne Druck aneinander, es besteht ein kleiner elliptischer Spalt. Durch Schließen der Stimmlippen und Steigerung des Anblasedrucks entstehen gleichmäßig zunehmende Stimmlippenschwingungen.[4]

  • Fester Stimmeinsatz:

Die Stimmlippen liegen vor Beginn der Schwingung mit leichter Anspannung aneinander und werden durch einen leichten subglottischen Druckanstieg geöffnet. In der deutschen Hochsprache ist dieser Stimmeinsatz (Glottisschlag) für anlautende Vokale charakteristisch und hier auch physiologisch.[5]

Aus stimmbildnerischer Sicht gilt das Erarbeiten eines weichen Stimmeinsatzes – besonders im klassischen Gesang – als erstrebenswert. Bei gesunder Stimme und guter Gesangs- bzw. Sprechtechnik können jedoch alle drei Einsatzarten bewusst und kontrolliert als Stilmittel eingesetzt werden.

Als Stimmabsatz bezeichnet man den Moment, an dem die Stimmlippenschwingung beendet wird. Auch hier findet man unterschiedliche Varianten. Als physiologisch gelten:

  • Der weiche Absatz:

Atemstrom und Stimmlippenschwingung hören gleichzeitig und allmählich ohne Geräusch auf. Die Stimme schwingt sanft aus. Dieser Absatz gilt als die für die Stimmlippen schonendste Art des Phonationsendes.[6]

  • Der feste Absatz:

Die Glottis bleibt nach Ende der Stimmlippenschwingung noch kurz verschlossen, bevor sie sich wieder zum Einatmen öffnet. Hier ist der Absatz ohne Nachklingen der Stimme aber auch ohne Geräusch klar definiert. Wenn der Verschluss nur sanft ist, gilt dieser Absatz auch als physiologisch.[7]

Plastische Artikulation

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Eine deutliche Artikulation erfordert eine präzise Feinabstimmung der Spannkraft und Beweglichkeit von Zunge, Lippen, Kiefergelenk, Gaumen und Rachenmuskulatur. Eine gute Konsonantenartikulation gibt der Stimme Halt und wirkt sich günstig auf Atmung und Stützvorgang aus. Außerdem kann sie zur Entspannung und Tonusregelung der an der Phonation beteiligten Muskulatur beitragen.

Entspannungstraining

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Oftmals werden Entspannungsübungen zur Tonusregulierung eingesetzt: z. B. Entspannungstraining nach Jacobson, Autogenes Training, Alexander-Technik oder die Eutonie. Anschließend wird die notwendige und ausreichende Muskelspannung zum Sprechen oder Singen aufgebaut.

Funktionelle Entspannung (FE) nach Marianne Fuchs oder auch die von Horst Coblenzer und Franz Muhar entwickelte atemrhythmisch angepasste Phonation (AAP) haben sich in der Stimmbildung, die auf natürlichen Abläufen und der Wohlspannung des Körpers aufbaut, besonders bewährt.

Stimmbildung und Gesang

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Während bei der Sprechstimmbildung weitestgehend die Funktionalität der Stimme im Vordergrund steht, erhebt die gesangliche Stimmbildung einen hohen Anspruch an die klangliche Ästhetik, die bis zu Fragen der Interpretation reicht. Über die physiologischen Grundlagen hinaus spielen musikalische Aspekte wie z. B. Vokalausgleich, Koordination der Stimmregister, Erweiterung des Stimmumfanges, Dynamik, Stimmsitz oder Artikulation eine wichtige Rolle. Gemeinsamkeiten zur Sprecherziehung ergeben sich aus der Tatsache, dass die Singstimme mit denselben Organen ausgeführt wird, Unterschiede bestehen jedoch hinsichtlich der von unterschiedlichen Hirnregionen ausgehenden nervalen Steuerung von Sprech- und Singstimme. Insofern sind beide Stimmen nur bedingt gegenseitig beeinflussbar, weshalb auch ein jeweils gesondertes Training beider Stimmen erforderlich ist.

Stimmbildung und Medizin

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Medizinisch relevante Störungen der Stimme werden in der Regel von HNO-Ärzten, im günstigen Fall mit Subspezialisierung für Stimm- und Sprachstörungen bzw. Phoniatrie diagnostiziert, unter Umständen auch unter Mitwirkung von Logopäden oder Klinischen Sprechwissenschaftlern. Für die Behandlung von Stimmstörungen nach krankenkassenwirksamer Rezeptierung sind von Krankenkassen zugelassene Logopäden, Klinische Sprechwissenschaftler sowie Atem-, Sprech- und Stimmlehrer zuständig.

Da jede behandlungsbedürftige Stimmstörung immer auch etwas mit Funktionen in der Bildung der Stimme zu tun hat, müssen sich auch therapeutische Maßnahmen stimmbildnerischer Methoden bedienen, um eine leistungsfähige und störungsfreie Funktion der Stimme zu erarbeiten und damit Rezidive zu vermeiden. Im Fall von Singstimmstörungen wird unter Umständen ein kundiger Gesangspädagoge oder Gesangsstimmbildner hinzugezogen. Explizit ausgebildete Singstimmtherapeuten gibt es jedoch nicht.[8]

Stimmbildung in der Ausbildung von Lehrern

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Der Lehrerberuf stellt eine starke Beanspruchung der Stimme dar. Es ist daher auf der einen Seite wichtig, die Unterrichtssituation so zu gestalten, dass es zu keiner stimmlichen Überbelastung kommt, auf der anderen Seite müssen Lehrkräfte aber auch in der Lage sein, hohe Anforderungen an Stimmkondition und sprechsprachliche Kommunikationsfähigkeit zu erfüllen. Konditionell besonders hohe stimmliche Anforderungen betreffen vor allem Grundschullehrer, Kindergartenerzieher, Sportlehrer und – in der Doppelbelastung von Sprech- und Singstimme – Musiklehrer.

Dies kann nur durch eine intensive stimmbildnerische und sprecherzieherische Aus- oder Weiterbildung erreicht werden. Da eine solche nur an wenigen Ausbildungseinrichtungen für Pädagogen in ausreichendem Umfang und gebotener Intensität obligatorisch ist, sind berufseinschränkende Stimmstörungen und Reduktionen in der Wirksamkeit der sprechenden Lehrerpersönlichkeit nicht selten. Oft kommt es auf Grund von stimmlichen Problemen zu krankheitsbedingten Fehlzeiten, in einigen Fällen sogar zu Berufsunfähigkeiten.

Eine qualifizierte Schulung der Sprechstimme liegt idealerweise in den Händen von Diplom-Sprecherziehern, Diplom-Sprechwissenschaftlern, Sprecherziehern (DGSS) und Atem-, Sprech- und Stimmlehrern. Betont werden muss außerdem, dass Sing- und Sprechstimme sich zwar in bestimmtem Maß gegenseitig beeinflussen, weil sie mit denselben Organen ausgeführt, aber kortikal von unterschiedlichen Zentren gesteuert werden. Daher sind getrennte Schulungen für Singstimme (Stimmbildung, Gesangspädagogik) und Sprechstimme (Sprecherziehung, Atem-, Sprech- und Stimmschulung) erforderlich.[9]

  • Franz Brandl: Die Kunst der Stimmbildung auf physiologischer Grundlage. Eigenverlag, München 2001, ISBN 3-00-008593-9.
  • Horst Coblenzer, Franz Muhar: Atem und Stimme. 17. Auflage. ÖBV Pädagogischer Verlag, Wien 1997, ISBN 3-215-02040-8.
  • Emil Fischer: Handbuch der Stimmbildung. Hans Schneider, Tutzing 1969.
  • Heinz Fiukowski: Sprecherzieherisches Elementarbuch. 8. Auflage. de Gruyter, Berlin/New York 2010, ISBN 978-3-11-023373-5.
  • Günther Habermann: Stimme und Sprache. Thieme, Stuttgart 1978, ISBN 3-13-556002-3.
  • Sabine Horstmann: Chorische Stimmbildung. Merseburger, Berlin 1996/2006.
  • Kristin Linklater: Die persönliche Stimme entwickeln. Ein ganzheitliches Übungsprogramm zur Befreiung der Stimme. Ernst Reinhardt Verlag, München 2005, ISBN 3-497-01743-4.
  • Michael Pezenburg: Stimmbildung. Wissenschaftliche Grundlagen-Didaktik-Methodik. 4. erweiterte Auflage, Wißner Verlag, Augsburg 2022, ISBN 978-3-95786-302-7.
  • Bernhard Richter: Die Stimme. Grundlagen, künstlerische Praxis, Gesunderhaltung. Henschel Verlag, Leipzig 2013, ISBN 978-3-89487-727-9.
  • Clara Schlaffhorst, Hedwig Andersen: Atmung und Stimme. Möseler Verlag, Neuausgabe 1996, ISBN 3-7877-3519-4.
  • Marianne Spiecker-Henke: Leitlinien der Stimmtherapie. Thieme, Stuttgart 2004, ISBN 3-13-103162-X.
  • Rita Zellerhoff: Auf die Vielfalt kommt es an. Ausbildung des Variantenreichtums der Stimmen zukünftiger Lehrerinnen und Lehrer entsprechend der Vielfalt der Anforderungssituationen. In: Teuchert, Brigitte (Hrsg.): Mündliche Kommunikation lehren und lernen. Facetten der Rhetorik in Schule und Beruf. Baltmannsweiler: Schneider Verl. Hohengehren (2015) S. 37–47

Einzelnachweise

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  1. Vgl. Raulin/Bergauer/Janknecht, Praxis der Stimmtherapie, Springer Verlag Heidelberg 2011.
  2. Vgl. Günther Habermann: Stimme und Sprache. Kapitel Atemstütze, Stimmeinsatz und -absatz und Stimmansatz, Thieme-Verlag.
  3. Vgl. Raulin/Bergauer/Janknecht, Praxis der Stimmtherapie, Springer Verlag Heidelberg 2011.
  4. Vgl. Raulin/Bergauer/Janknecht, Praxis der Stimmtherapie, Springer Verlag Heidelberg 2011.
  5. Vgl. Raulin/Bergauer/Janknecht, Praxis der Stimmtherapie, Springer Verlag Heidelberg 2011.
  6. Vgl. Raulin/Bergauer/Janknecht, Praxis der Stimmtherapie, Springer Verlag Heidelberg 2011.
  7. Vgl. Raulin/Bergauer/Janknecht, Praxis der Stimmtherapie, Springer Verlag Heidelberg 2011.
  8. (vgl. Michael Pezenburg: Stimmbildung. Wissenschaftliche Grundlagen-Didaktik-Methodik. Wißner Verlag, Augsburg 2015, S. 279–286)
  9. (vgl. Pezenburg, 2015, Lernpsychologische Grundlagen der Stimmbildung, S. 141 ff.)