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„Frauenstimmrecht in der Schweiz“ – Versionsunterschied

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Das '''Frauenstimmrecht''' wurde in der [[Schweiz]] auf [[Eidgenossenschaft|eidgenössischer]] Ebene am [[7. Februar]] [[1971]] eingeführt. Die Schweiz war somit eines der letzten europäischen Länder, welches seiner weiblichen Bevölkerung die vollen [[Bürgerrechte|Rechte als Bürgerinnen]] zugestand, doch es war das erste Land, wo dies durch eine Volksabstimmung geschah. Das politisch eng mit der Schweiz verbundene Fürstentum [[Liechtenstein]] führte erst am 1. Juli 1984 im dritten Anlauf das Frauenstimm- und Wahlrecht ein.
[[Datei:ETH-BIB-Zürich-Altstetten, Schulhaus Kappeli, erster Frauenstimmtag im Kanton Zürich-Com M13-0107-0001-0007.tif|mini|Erster Frauenstimmtag in kirchlichen Angelegenheiten 1964 im Kanton Zürich<ref>[https://www.e-newspaperarchives.ch/?a=d&d=DTT19640410-01.2.13 Die Tat, 10. April 1964]</ref>]]
Das '''Frauenstimmrecht in der Schweiz''' ([[Stimmrecht|Stimm-]] und [[Wahlrecht]]) auf Bundesebene wurde durch eine [[Schweiz|eidgenössische]] [[Volksabstimmung (Schweiz)|Volksabstimmung]] allein des männlichen Teils der Bevölkerung am 7. Februar 1971 eingeführt. Die Schweiz war somit eines der letzten europäischen Länder, welche ihrer weiblichen Bevölkerung die vollen [[Bürgerrecht]]e zugestanden. Formell wurde das [[Frauenwahlrecht]] am 16. März 1971 in der Schweiz wirksam.


Bis das Frauenstimmrecht auch in allen [[Kanton (Schweiz)|Kantonen]] durchgesetzt war, sollte es allerdings noch weitere 20 Jahre dauern: Am [[25. März]] [[1990]] gab das [[Bundesgericht (Schweiz)|Bundesgericht]] einer Klage von Frauen aus [[Appenzell Innerrhoden]] Recht und bestätigte damit die Verfassungswidrigkeit der Innerrhoder Kantonsverfassung in diesem Punkt.
Auf [[Kanton (Schweiz)|kantonaler]] Ebene waren 1959 die [[Kanton Waadt|Waadt]] und [[Kanton Neuenburg|Neuenburg]] sowie 1960 [[Kanton Genf|Genf]] die ersten Kantone, die das Frauenstimmrecht einführten. Bis zur Einführung in allen Kantonen vergingen allerdings nach der Einführung auf Bundesebene noch weitere zwanzig Jahre: Am [[Frauenstimmrecht-Entscheid|27. November 1990 gab das Bundesgericht]] einer Klage von Frauen aus dem [[Kanton Appenzell Innerrhoden]] Recht und bestätigte damit die Verfassungswidrigkeit der [[Verfassung für den Eidgenössischen Stand Appenzell Innerrhoden|Innerrhoder Kantonsverfassung]] in diesem Punkt.<ref name="Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts">{{Internetquelle |url=http://relevancy.bger.ch/cgi-bin/JumpCGI?id=BGE-116-IA-359 |titel=Bundesgerichtsurteil vom 27. November 1990 |werk=Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts |abruf=2010-12-25}}</ref> So führte Appenzell Innerrhoden als letzter Kanton das Stimmrecht für Frauen auf kantonaler Ebene ein, entgegen einem Mehrheitsentscheid der Männer an der [[Landsgemeinde]] am 29. April 1990.


Der Hauptgrund für die lange Verzögerung liegt ohne Zweifel im [[politisches System der Schweiz|politischen System der Schweiz]]. Bei Vorlagen, welche die Verfassung betreffen, entscheidet allein das stimmberechtigte Volk zusammen mit den Kantonen.
Der Hauptgrund für die vergleichsweise späte Umsetzung liegt im [[Politisches System der Schweiz|politischen System der Schweiz]]. Vorlagen, welche die [[Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft|Bundes-]] oder die [[Kantonsverfassung]] betreffen, bedürfen zwingend der Zustimmung durch das stimmberechtigte Volk, wogegen das Frauenstimmrecht in den anderen Staaten durch Parlamentsbeschluss verwirklicht werden konnte. Um das [[Stimmrecht]] auf den verschiedenen Ebenen einführen zu können, bedurfte es damit jeweils der Mehrheit der stimmberechtigten Männer.


== Chronologie ==
Um das [[Stimmrecht]] auf den verschiedenen Ebenen einführen zu können, bedurfte es jeweils der Mehrheit der stimmberechtigten Männer. Auf nationaler Ebene war zudem die [[Ständemehr]]heit nötig. Ein weiteres Hindernis lag in der Tatsache, dass in der [[Bundesverfassung (Schweiz)|Bundesverfassung]] (BV) von 1848 (Art. 63. ''Stimmberechtigt ist jeder Schweizer, der das zwanzigste Altersjahr zurückgelegt hat und im Übrigen nach der Gesetzgebung des Kantons, in welchem er seinen Wohnsitz hat, nicht vom Aktivbürgerrecht ausgeschlossen ist'') das Wahlrecht vielfach an den aktiven Wehrdienst gekoppelt war (in vielen Kantonen galt: wer Art. 18 BV ''Jeder Schweizer ist wehrpflichtig'' nicht erfüllte, war vom Aktivbürgerrecht ausgeschlossen).
=== 18. und 19. Jahrhundert: Erste Frauenorganisationen ===
[[Datei:Marie Goegg-Pouchoulin.jpg|mini|hochkant|Marie Goegg-Pouchoulin]]
[[Datei:MetavonSalis.jpg|mini|Meta von Salis (um 1895)]]
Die [[Französische Revolution]] von 1789 wurde allgemein als Beginn der [[Frauenbewegung|Frauenrechtsbewegung]] angesehen, so auch in der Schweiz. In der ersten [[Schweizer Bundesverfassung 1848|Bundesverfassung von 1848]] wurde die [[Rechtsgleichheit]] erklärt: {{" |Sprache=de-CH |Text=Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich. Es gibt in der Schweiz keine Unterthanenverhältnisse, keine Vorrechte des Orts, der Geburt, der Familie oder Personen.}} Frauen wurden nicht erwähnt, weder explizit in diesen Gleichheitsartikel ein- noch ausgeschlossen.<ref>Noëmi Crain Merz: [https://blog.nationalmuseum.ch/2021/04/ob-die-frauen-auch-zum-volk-gehoeren/ ''Ob die Frauen auch zum Volk gehören?''] Im Blog des [[Schweizerisches Nationalmuseum|Schweizerischen Nationalmuseums]] vom 2. April 2021</ref><ref>Kathrin Alder: [https://blog.nationalmuseum.ch/2021/04/sind-alle-vor-dem-gesetz-gleich/ ''Schweizer Frauen waren lange keine Schweizer''] Im Blog des [[Schweizerisches Nationalmuseum|Schweizerischen Nationalmuseums]] vom 30. April 2021</ref> In der Gesetzgebung ergab sich jedoch, dass Frauen zu den Männern in ein Untertanenverhältnis gestellt wurden. Gesetze, die ein partielles Frauenstimmrecht auf kommunaler Ebene vorsahen wie im Kanton Bern, wurden im 19.&nbsp;Jahrhundert nach und nach zugunsten des alleinigen Männerstimmrechts revidiert.<ref>Staatskanzlei des Kantons Bern: [https://www.sta.be.ch/de/start/themen/gleichstellung-von-frau-und-mann/gleichstellung-in-der-politik/der-weg-zum-kantonalen-frauenstimm-und-wahlrecht.html ''Der Weg zum kantonalen Frauenstimm- und -wahlrecht.''] Auf: sta.be.ch. Abgerufen am 22.&nbsp;August 2022.</ref>


In den Jahren von 1860 bis 1874 organisierten sich Schweizer Frauen erstmals zur [[Schweizer Frauenbewegung]]. Sie forderten zivilrechtliche und politische Gleichstellung für die geplante erste Revision der Bundesverfassung. Im Jahr 1874 wurde die [[Totalrevision der Schweizer Bundesverfassung 1874|erste Totalrevision der Bundesverfassung]] vom Stimmvolk angenommen. Obwohl es im Vorfeld grosse Diskussionen für und gegen die politischen Rechte der Frauen gab, kamen auch in der neuen Verfassung keine Frauen vor.
==Chronologie==


1886 reichten 139 Frauen unter Führung der Frauenrechtlerin [[Marie Goegg-Pouchoulin]] ihre erste [[Petition]] an das Parlament ein. Diese Aktion erregte so viel Aufmerksamkeit, dass Anfang des folgenden Jahres die Forderungen der Frauen erstmals den Weg in eine Tageszeitung fanden. In ihrem Artikel ''Ketzerische Neujahrsgedanken einer Frau''<ref>{{Internetquelle |url=https://www.nzz.ch/articleCME8Q-1.98797 |titel=Frauenwahlrecht und Edelmenschen, NIETZSCHE SPRICHT |werk=NZZ Online |abruf=2019-05-09}}</ref> in der ''[[Züricher Post]]''<!--sic--> machte [[Meta von Salis]] auf sich und auf die Ansprüche der Frauen aufmerksam. Neben den fehlenden politischen und zivilen Rechten kritisierte sie die bestehende «Ungleichheit vor dem Richter». Im selben Jahr forderte [[Emilie Kempin-Spyri]], die erste Schweizer Juristin, die Zulassung zum Anwaltsberuf und scheiterte vor dem [[Bundesgericht (Schweiz)|Bundesgericht]].
===18. und 19. Jahrhundert: Frauen organisieren sich===


Während des Jahres 1894 bereiste Meta von Salis das Land und hielt in allen grösseren Städten Vorträge zum Thema «Frauenstimmrecht und die Wahl der Frau». Ihre Referate waren schlecht besucht, und an einigen Orten wurde sie ausgepfiffen, sie liess sich davon aber nicht entmutigen. Im selben Jahr fand in Chicago die erste ''[[Internationale Frauenausstellung]]'' statt, die über die Stellung der Frau in den verschiedenen Ländern informieren sollte.
Die [[Französische Revolution]] von [[1789]] wird allgemein als Beginn der [[Frauenbewegung|Frauenrechtsbewegung]] angesehen, so auch in der Schweiz.


Zwei Jahre später, 1896, wurde in [[Genf]] der [[Schweizerischer Kongress für die Interessen der Frau|Erste Nationale Frauenkongress]] organisiert. Erstmals wurden die Frauen als einflussreiche Gruppierung ernst genommen, und mehrere männliche Redner riefen sie dazu auf, «Verbündete der Männer zu sein und nicht deren Feindinnen» – und sich doch bitte etwas zurückzuhalten mit ihren Forderungen. Als Folge dieses Kongresses wurde die erste [[Parlamentarische Kommission]] mit dem Ziel, die «[[Frauenfrage]]» zu untersuchen, gegründet.
In der ersten [[Bundesverfassung (Schweiz)|Bundesverfassung]] von [[1848]] (siehe auch [[Geschichte der Schweiz]]) wird die [[Rechtsgleichheit]] erklärt: «Alle Menschen sind vor dem Gesetze gleich. Es gibt in der Schweiz keine Untertanenverhältnisse, keine Vorrechte des Ortes, der Geburt, der Familie oder Personen.»


Im Jahr 1897 schrieb [[Carl Hilty]] seinen Aufsatz zum Frauenstimmrecht:
Frauen werden mit keinem Wort erwähnt, weder explizit in diesen Gleichheitsartikel ein- noch ausgeschlossen. In der aus der Verfassung resultierenden Gesetzgebung ergibt sich jedoch, dass Frauen zu den Männern in ein Untertanenverhältnis gestellt wurden.


{{Zitat
In den Jahren von [[1860]] bis [[1874]] organisieren sich die Schweizer Frauen erstmals (siehe [[Schweizer Frauenbewegung]]). Sie fordern zivilrechtliche und politische Gleichstellung für die geplante erste Revision der Bundesverfassung.
|Text=Die Freiheit besteht wesentlich darin, dass man an der Gesetzgebung teilnimmt; alles andere ist eine Gewährung von Rechten, die auf dem guten Willen eines Dritten beruht und deshalb eine sehr zweifelhafte Errungenschaft. Wir betrachten also unsererseits das Frauenstimmrecht als den praktischen Kern der Frauenfrage.
|Sprache=de-CH
<!--|Quelle= ?? -->}}


=== 1900–1959: Vorstösse und Widerstände ===
Im Jahr [[1874]] wird die Erste Revision der Bundesverfassung vom Stimmvolk angenommen. Obwohl es im Vorfeld große Diskussionen für und wider die politischen Rechte der Frauen gab, kommen auch in der neuen Verfassung keine Frauen vor.
Um die Jahrhundertwende organisierten sich Frauen im ganzen Land und bildeten verschiedene Frauenvereine für sowie gegen das Frauenstimmrecht. Die beiden wichtigsten waren der ''[[Bund Schweizerischer Frauenvereine]]'' (BSF) unter der Leitung von [[Helene von Mülinen]] und der ''[[Schweizerischer Verband für Frauenstimmrecht|Schweizerische Verband für Frauenstimmrecht]]'' (SVF).


In der [[Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich|Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich]] wurde 1905 das passive Wahlrecht auch für Frauen eingeführt, 1909 in der [[Église Évangélique Réformée du canton de Vaud|Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Waadt]] das vollständige kirchliche Frauenstimmrecht. Schon 1891 war das Frauenstimmrecht in der [[Église Évangélique Libre de Genève]] eingeführt worden, einer pietistischen Freikirche, die sich 1849 von der Landeskirche abgespalten hatte.<ref name="ch2021">Edith Siegenthaler: [https://ch2021.ch/anfaenge-des-frauenstimmrechts-in-der-reformierten-kirche/ ''Anfänge des Frauenstimmrechts in der reformierten Kirche.''] Auf: ch2021.ch (Manifest CH2021: «Dampf machen!»); abgerufen am 22.&nbsp;August 2022.</ref>
[[1886]] reichen 139 Frauen unter Führung von [[Marie Goegg-Pouchoulin]] ihre erste [[Petition]] ans Parlament ein. Diese Aktion erregt so viel Aufmerksamkeit, dass Anfang des folgenden Jahres ([[1887]]) die Forderungen der Frauen erstmals den Weg in eine Tageszeitung finden. In ihrem Artikel ''Ketzerische Neujahrsgedanken einer Frau'' in der [[Zürcher Post]] macht [[Meta von Salis]] auf sich und auf die Ansprüche der Frauen aufmerksam.
Neben den fehlenden politischen und zivilrechtlichen Rechten kritisiert sie die bestehende «Ungleichheit vor dem Richter». Im selben Jahr fordert [[Emilie Kempin-Spyri]], die erste Schweizer Juristin, die Zulassung zum Anwaltsberuf und scheitert vor dem [[Bundesgericht (Schweiz)|Bundesgericht]].


Während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] kam die Bewegung ins Stocken, weil wichtigere Probleme im Vordergrund standen. Unter anderem leisteten die Frauenverbände die gesamte Sozialfürsorge während des Krieges, da die Schweiz zu diesem Zeitpunkt noch keine [[Sozialversicherung]]en kannte.
Während des Jahres [[1894]] bereist [[Meta von Salis]] das Land und hält in allen größeren Städten Vorträge zum Thema «Frauenstimmrecht und die Wahl der Frau». Ihre Referate sind schlecht besucht und an einigen Orten wird sie ausgepfiffen, sie lässt sich aber nicht entmutigen.
Im selben Jahr findet in Chicago die erste ''Internationale Frauenausstellung'' statt, die über die Stellung der Frau in den verschiedenen Ländern informieren soll.


Beim [[Landesstreik]] von 1918 war das Frauenstimmrecht die zweite von neun Forderungen. Im Dezember wurden zwei erste Vorstösse für das Frauenstimmrecht auf eidgenössischer Ebene durch die Nationalräte [[Herman Greulich]] (SP) und [[Emil Göttisheim]] (FDP) gemacht. In zwei [[Motion (Schweiz)|Motionen]] wurde der [[Bundesrat (Schweiz)|Bundesrat]] aufgefordert, {{" |Sprache=de-CH |Text=Bericht und Antrag einzubringen über die verfassungsmässige Verleihung des gleichen Stimmrechts und der gleichen Wählbarkeit an die Schweizerbürgerinnen wie an die Schweizerbürger}}.
Zwei Jahre später, [[1896]], wird in [[Genf]] der [[Schweizerischer Kongress für die Interessen der Frau|Erste Nationale Frauenkongress]] organisiert. Erstmals werden die Frauen als einflussreiche Gruppierung ernst genommen und mehrere (männliche) Redner rufen sie dazu auf «Verbündete der Männer zu sein und nicht deren Feindinnen» – und sich doch bitte etwas zurückzuhalten mit ihren Forderungen.
Als Folge dieses Kongresses wird die erste parlamentarische [[Parlamentarische Kommission|Kommission]] mit dem Ziel, die «Frauenfrage» zu untersuchen, gegründet.


Ein halbes Jahr später, im Juni 1919, reichten 158 Frauenverbände eine [[Petition]] ein, um den beiden Motionen mehr Gewicht zu verleihen. In der Folge wurden die Motionen Greulich und Göttisheim vom [[Nationalrat (Schweiz)|Nationalrat]] angenommen und zur Ausführung an den Bundesrat überwiesen. Der zuständige Bundesrat [[Heinrich Häberlin]] (FDP) schob die Behandlung jedoch wegen «dringenderer Probleme» auf. 15 Jahre später, 1934, übergab Häberlin das unerledigte Geschäft seinem Nachfolger mit dem Hinweis: {{" |Sprache=de-CH |Text=Das Material für das Frauenstimmrecht liegt in der mittleren Schublade rechts Deines Schreibtisches}}.<ref>{{Internetquelle |autor=Martin Illi |url=http://zuerich98.ch/woche45_04.html |titel=Wochenschau 45: Der Bundesstaat als Männerstaat |werk=zuerich98.ch |hrsg=Fachstelle Kultur des Kantons Zürich |abruf=2016-04-17}}</ref>
[[1897]] schreibt [[Carl Hilty]] seinen Aufsatz zum Frauenstimmrecht:


In den Jahren ab 1919 fanden in mehreren Kantonen Abstimmungen zur zumindest partiellen Einführung des Frauenstimmrechts auf kantonaler Ebene statt. Die Vorlagen wurden überall mit grossen Mehrheiten abgelehnt, so beispielsweise im Kanton Zürich, wo die Stimmbürger 1923 ein Gesetz verwarfen, das den Frauen das Wahlrecht in Kirchen-, Schul- und Armenpflegen geben wollte.<ref name="ch2021" /> Der [[Nationaler Frauenkongress|Zweite Nationale Frauenkongress]] von 1921 in Bern verlief ereignislos. Für einmal stand nicht das Frauenstimmrecht, sondern die Berufstätigkeit und Erwerbsarbeit im Vordergrund.
:''«Die Freiheit besteht wesentlich darin, dass man an der Gesetzgebung Teil nimmt; alles Andere ist eine Gewährung von Rechten, die auf dem guten Willen eines Dritten beruht und deshalb eine sehr zweifelhafte Errungenschaft. Wir betrachten also unsererseits das Frauenstimmrecht als den praktischen Kern der Frauenfrage.»''


Eine Gruppe von Bernerinnen reichte 1923 eine [[staatsrechtliche Beschwerde]] ein. Sie wollten ihr «Stimmrecht in Gemeinde-, Kantons- und Bundesangelegenheiten ausüben», wurden jedoch vom [[Bundesgericht (Schweiz)|Bundesgericht]] unter Berufung auf das [[Gewohnheitsrecht]] abgelehnt.
===1900–1959: Vorstöße und Verschleppungstaktiken===


Fünf Jahre später, 1928, wendete sich [[Léonard Jenni]] mit einer Petition an den Bundesrat und wies darauf hin, dass der Begriff «Stimmbürger» in der deutschen Sprache Menschen beiderlei Geschlechtes beinhalte. Das Gesuch wurde mit folgender Begründung abgelehnt:
Um die Jahrhundertwende organisieren sich die Frauen im ganzen Land und bilden verschiedene Frauenvereine für oder gegen das Frauenstimmrecht. Die beiden wichtigsten sind der ''[[Bund Schweizerischer Frauenvereine]] (BSF)'' (Dachverband, Gründung [[1900]]) unter der Leitung von [[Helene von Mülinen]] und der ''[[Schweizerischer Verband für Frauenstimmrecht|Schweizerische Verband für Frauenstimmrecht]] (SVF)'' ([[1909]]).


{{Zitat
[[Bild:frauenstimmrecht01.jpg|thumb|Zürcher Abstimmungsplakat von 1920]]
|Text=Wenn man nun behauptet, dass der Begriff auch die Schweizer Frauen in sich schliessen sollte, so überschreitet man die Grenzen der zulässigen Interpretation und begeht damit einen Akt, der dem Sinne der Verfassung widerspricht. […] Die Beschränkung des Stimmrechts auf die männlichen Schweizer Bürger ist ein fundamentaler Grundsatz des eidgenössischen öffentlichen Rechts.
|Sprache=de-CH
|ref=<ref>{{Literatur |Autor=Nadine A. Brügger |Titel=Helvetias Töchter |Verlag=mbassador GmbH |Datum=2021 |ISBN=978-3-907238-17-2 |Online=https://books.google.ch/books?id=qV44EAAAQBAJ&lpg=PT372&dq=Wenn%20man%20nun%20behauptet,%20dass%20der%20Begriff%20auch%20die%20Schweizer%20Frauen%20in%20sich%20schliessen%20sollte&hl=de&pg=PT372#v=onepage&q=Wenn%20man%20nun%20behauptet,%20dass%20der%20Begriff%20auch%20die%20Schweizer%20Frauen%20in%20sich%20schliessen%20sollte&f=false |Abruf=2021-07-27}}</ref>}}


Im Sommer des Jahres fand die [[Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit]] (SAFFA) statt. Im Umzug fuhr ein denkwürdiger Wagen mit: eine Schnecke namens «Frauenstimmrecht». Die Organisatorinnen wurden für die Schnecke stark kritisiert, und einige Kritiker sahen diese gar als Zeichen für die politische Unreife der Frauen.
Während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] kommt die Bewegung ins Stocken, weil wichtigere Probleme im Vordergrund stehen. Unter Anderem leisten die Frauenverbände die gesamte Sozialfürsorge während des Krieges, da die Schweiz zu diesem Zeitpunkt noch keine [[Sozialversicherung]]en kennt.


Der SVF lancierte 1929 unter der Leitung von [[Annie Leuch-Reineck]] eine neue Petition<ref>Noëmi Crain Merz: [https://blog.nationalmuseum.ch/2025/02/rekordpetition-in-der-schublade/ ''Rekordpetition in der Schublade''] Im Blog des [[Schweizerisches Nationalmuseum|Schweizerischen Nationalmuseums]] vom 13. Februar 2025</ref> für das Frauenstimmrecht und erreichte diesmal eine Rekordzahl von Unterschriften, die sogar die geforderte Anzahl Unterschriften für eine [[Volksinitiative (Schweiz)|Volksinitiative]] überschritt: 170'397 Unterschriften von Frauen und 78'840 Unterschriften von Männern. Der [[Schweizerischer Katholischer Frauenbund|Katholische Frauenbund]] distanzierte sich explizit von den Forderungen der anderen Frauenverbände. Auch andere gegnerische Organisationen reagierten, und 1931 nahm die [[Schweizer Liga gegen das politische Frauenstimmrecht]] mit einer Eingabe an den Bundesrat «Stellung gegen die Verpolitisierung der Schweizerfrauen». Immer wieder schrieben die Frauen und Männer der Liga, allen voran [[Emma Rufer]], an den Bundesrat und das Parlament und baten sie inständig, von dem Thema abzulassen:
Beim [[Generalstreik]] von [[1918]] ist das Frauenstimmrecht die zweite von neun Forderungen. Im Dezember werden zwei erste Vorstöße für das Frauenstimmrecht auf eidgenössischer Ebene durch die Nationalräte [[Herman Greulich]] (SP) und [[Emil Göttisheim]] (FDP) gemacht.
In zwei [[Motion]]en wird der [[Bundesrat (Schweiz)|Bundesrat]] aufgefordert, «Bericht und Antrag einzubringen über die verfassungsmäßige Verleihung des gleichen Stimmrechts und der gleichen Wählbarkeit an die Schweizerbürgerinnen wie an die Schweizerbürger.»


{{Zitat
Ein halbes Jahr später, im Juni [[1919]], reichen 158 Frauenverbände eine [[Petition]] ein, um den beiden [[Motion]]en mehr Gewicht zu verleihen. In der Folge werden die Motionen Greulich und Göttisheim von [[Nationalrat (Schweiz)|Nationalrat]] angenommen und zur Ausführung an den Bundesrat überwiesen.
|Text=Die Theorie der politischen Gleichstellung der beiden Geschlechter ist eine vom Ausland importierte Idee. An der Spitze der Frauenstimmrechtsbewegung in der Schweiz steht denn heute auch eine ursprüngliche Ausländerin.<br />Wir halten dafür, dass in diesen wichtigen Sachen eigentlich nur gebürtige Schweizerinnen den richtigen Einblick haben können; Leute also, die mit dem Wesen unserer Demokratie und unseres Volkes ganz vertraut sind.
|Sprache=de-CH
|ref=<ref name="Frauennet" />}}


Während der 1930er- und frühen 1940er-Jahre wurden die Bemühungen um das Frauenstimmrecht einmal mehr von den internationalen Ereignissen wie der [[Weltwirtschaftskrise]] und dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] überschattet. Mehrmals wurden die Frauen während dieser Jahre aufgefordert, die «Demokratie zu schützen», worauf die das Stimmrecht befürwortenden Frauenverbände antworteten, dazu müssten sie zuerst über demokratische Rechte verfügen. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges kam die Frage wieder auf, da insbesondere bürgerliche Frauen im Gegenzug zu ihrem Einsatz im militärischen [[Militärischer Frauendienst|Frauenhilfsdienst]] ihre demokratischen Rechte einforderten. Noch [[Schweiz im Zweiten Weltkrieg|während des Krieges]] wurde das [[Aktionskomitee gegen das Frauenstimmrecht]] gegründet:
Dort verschwinden sie jedoch wegen «dringenderer Probleme» für die nächsten Jahre in die Schreibtischschublade von Bundesrat [[Heinrich Häberlin]] (FDP). 15 Jahre später, [[1934]], übergibt Häberlin das unerledigte und ungeliebte Geschäft seinem Nachfolger mit dem Hinweis: «Das Material für das Frauenstimmrecht liegt in der mittleren Schublade rechts Deines Schreibtisches».


{{Zitat
Zwischen [[1919]] und [[1921]] finden in mehreren Kantonen Abstimmungen zur Einführung des Frauenstimmrechts auf kantonaler Ebene statt. Sie werden überall mit großen Mehrheiten abgelehnt.
|Text=Wir erblicken in der Beteiligung der [[Frauen in der Politik|Frau in Partei und Politik]] eine Gefahr für unsere Familien und für die Einigkeit der Frauen unter sich, die sich besonders in der sehr kritischen Zeit des Überganges vom Krieg zum Frieden ungünstig auswirken könnte.
|Sprache=de-CH
|ref=<ref name="Frauennet" />}}


Einen weiteren Dämpfer erhielt die Emanzipation der Frauen in der Schweiz in den 1930er Jahren durch den aufkommenden «Kampf gegen das Doppelverdienertum». So war es für verheiratete Frauen verpönt, weiter in ihrem Beruf tätig zu bleiben. In staatlichen Stellen war es sogar verboten, verheiratete Frauen zu beschäftigen, den Lehrerinnen oder Angestelltinnen der Post wurde mit der Heirat die Stelle gekündigt.<ref>Erika Hebeisen: [https://blog.nationalmuseum.ch/2021/06/weibliches-recht-auf-arbeit/ ''Das ungleiche Recht auf Arbeit''] Im Blog des Schweizerischen Nationalmuseums vom 23. Juni 2021</ref>
Der [[Nationaler Frauenkongress|Zweite Nationale Frauenkongress]] von [[1921]] in Bern verläuft ereignislos. Für einmal steht nicht das Frauenstimmrecht, sondern die Berufstätigkeit und Erwerbsarbeit im Vordergrund.


1944 verlangte Nationalrat und SPS-Präsident [[Hans Oprecht]] in einem Postulat die Einführung des Frauenstimmrechts,<ref>https://www.ekf.admin.ch/dam/ekf/de/dokumente/frauen_macht_geschichte/2_1_der_lange_wegzumstimm-undwahlrechtfuerfrauen13seiten.pdf.download.pdf/2_1_der_lange_wegzumstimm-undwahlrechtfuerfrauen13seiten.pdf, S. 18 (PDF), abgerufen am 6. Juli 2021.</ref> weil wichtige frauenpolitische Anliegen auf der politischen Tagesordnung standen: [[Alters- und Hinterlassenenversicherung]], [[Mutterschaftsversicherung]] und [[Familienschutz]]. Das Postulat wurde vom BSF mit einer Eingabe vom 6. Februar 1945 im Namen von 38 Frauenverbänden unterstützt. Der [[Schweizerischer Gemeinnütziger Frauenverein|Schweizerische Gemeinnützige Frauenverein]] äusserte sich nicht zu der Frage, der Schweizerische Katholische Frauenbund jedoch scherte erstmals aus der konservativen Linie der katholischen Kirche aus und erteilte seinen Mitgliedern Stimmfreigabe. 1945 wurde das [[Schweizerisches Aktionskomitee für Frauenstimmrecht|Schweizerische Aktionskomitee für Frauenstimmrecht]] als meinungsbildendes Instrument gegründet. Der dritte Nationale Frauenkongress von 1946 brachte keine neuen Fortschritte.
[[1923]] reicht eine Gruppe von [[Bern]]erinnen eine [[staatsrechtliche Beschwerde]] ein. Sie wollen ihr «Stimmrecht in Gemeinde-, Kantons- und Bundesangelegenheiten ausüben», werden jedoch vom [[Bundesgericht (Schweiz)|Bundesgericht]] unter Berufung auf das «Gewohnheitsrecht» abgelehnt.


Die [[Partei der Arbeit der Schweiz|Partei der Arbeit]] des Kantons Zürich reichte im Dezember 1945 eine Volksinitiative betreffend die politische Gleichberechtigung der Frauen ein, die dem Regierungsrat im März 1946 zur materiellen Antragstellung überwiesen, wegen anderer gleichlautender Beratungen im Parlament (v.&nbsp;a. die ''Initiative Nägeli'', über die in der kantonalen Abstimmung am 30. November 1947 entschieden wurde)<ref>{{Internetquelle |url=https://app.statistik.zh.ch/wahlen_abstimmungen/prod/#/Archive/Poll/1/1/19471130/103143/Informations |titel=Wahlen- & Abstimmungen |werk=zh.ch |datum=1947-11-30 |abruf=2021-08-24}}</ref> aber nicht dem Kantonsrat weitergeleitet wurde. Erst im Mai 1954 wurde vom Regierungsrat unter [[Paul Meierhans]] über die Initiative der PdA berichtet und darüber im September 1954 im Kantonsrat unter Hans Pestalozzi beraten – beide Organe empfahlen in ihrer Stellungnahme die Ablehnung der Initiative. Sie gelangte am 5. Dezember 1954 vor das Stimmvolk und wurde (genau wie die Nägeli-Initiative sieben Jahre zuvor) verworfen.<ref>{{Internetquelle |url=https://app.statistik.zh.ch/wahlen_abstimmungen/prod/#/Archive/Poll/1/1/19541205/103190/Informations |titel=Wahlen- & Abstimmungen |werk=zh.ch |datum=1954-12-05 |abruf=2021-08-24}}</ref>
Fünf Jahre später, [[1928]], wendet sich Nationalrat [[Léonard Jenni]] mit einer [[Petition]] an den [[Bundesrat (Schweiz)|Bundesrat]] und weist darauf hin, dass der Begriff
«Stimmbürger» in der deutschen Sprache Menschen beiderlei Geschlechtes beinhaltet. Das Gesuch wird mit folgender Begründung abgelehnt:


1948 wurden im ganzen Land Feiern zum 100-jährigen Bestehen der [[Bundesverfassung (Schweiz)|Bundesverfassung]] durchgeführt und die «Schweiz, ein Volk von Brüdern» gefeiert. Die Frauenverbände erklärten das Motto um zu einem «Volk von Brüdern ohne Schwestern» und überreichten dem Bundesrat symbolisch eine Europakarte mit einem schwarzen Fleck in der Mitte. Zu diesem Zeitpunkt hatten alle europäischen Demokratien ausser der Schweiz und Liechtenstein das [[Frauenwahlrecht]] eingeführt. Wie zuvor die SAFFA-Schnecke wurde diese symbolische Karte von Kritikern als Zeichen der politischen Unreife der Frauen interpretiert.
:''«Wenn man nun behauptet, dass der Begriff auch die Schweizer Frauen in sich schließen sollte, so überschreitet man die Grenzen der zulässigen Interpretation und begeht damit einen Akt, der dem Sinne der Verfassung widerspricht. [...] Die Beschränkung des Stimmrechts auf die männlichen Schweizer Bürger ist ein fundamentaler Grundsatz des eidgenössischen öffentlichen Rechts.»''


Im Jahr 1950 legte der Bundesrat einen Bericht an die Bundesversammlung über das für die Einführung des Frauenstimmrechts einzuschlagende Verfahren vor. 1951 wendete sich der ''Schweizerische Frauenkreis gegen das Frauenstimmrecht'' unter der Leitung von [[Dora Wipf]] mit einem Schreiben an den Bundesrat:
[[Bild:frauenstimmrecht02.jpg|thumb|Die SAFFA-Schnecke von 1928]]


{{Zitat
Im Sommer desselben Jahres findet die [[Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit]] SAFFA statt. Im Umzug fährt ein denkwürdiger Wagen mit: eine Schnecke namens «Frauenstimmrecht». Die Organisatorinnen werden für die Schnecke stark kritisiert und einige Kritiker sehen diese gar als Zeichen für die politische Unreife der Frauen.
|Text=Wir glauben also, dass wir guten Gewissens behaupten dürfen, die Mehrheit der Schweizerinnen zu vertreten, wenn wir Sie bitten, die Frage wohl zu erwägen, ob in der heutigen Zeit, da die Frau mit Pflichten aller Art stark belastet ist, man ihr die Übernahme weiterer grosser Pflichtenkreise noch zumuten darf. […] Wir glauben nicht, dass unser Land politisierende Frauen braucht, sondern Mütter, leibliche und geistige Mütter, die mithelfen, dass Hass und Misstrauen überwunden werden. Wir vertreten grundsätzlich den Standpunkt, dass die Einführung überhaupt abzulehnen sei.
|Sprache=de-CH
|ref=<ref name="Frauennet" />}}


Ein Jahr später, 1952, verlangten [[Antoinette Quinche]], Präsidentin des «Schweizerischen Aktionskomitees für das Frauenstimmrecht», und 1414 Mitstreiterinnen von ihren Gemeinden die Eintragung ins [[Stimmregister]]. Mit dem Argument, die jeweiligen Kantonsverfassungen würden Frauen nicht explizit vom Stimmrecht ausschliessen, gingen sie mit ihrer Forderung bis vor Bundesgericht. Wie bereits 1923 wurden sie unter Berufung auf das «[[Gewohnheitsrecht]]» abgewiesen.
Der SVF lanciert [[1929]] eine neue [[Petition]] für das Frauenstimmrecht und erreicht diesmal eine Rekordzahl von Unterschriften, die sogar die geforderte Anzahl Unterschriften für eine [[Initiative (Schweizer Politik)|Volksinitiative]] überschreitet: 170397 Unterschriften von Frauen und 78840 Unterschriften von Männern.
Der [[Schweizerischer Katholischer Frauenbund|Katholische Frauenbund]] distanziert sich explizit von den Forderungen der anderen Frauenverbände. Auch andere gegnerische Organisationen reagieren und [[1931]] nimmt die [[Schweizer Liga gegen das politische Frauenstimmrecht]] mit einer Eingabe an den Bundesrat «Stellung gegen die Verpolitisierung der Schweizerfrauen». Immer wieder schreiben die Frauen und Männer der Liga, allen voran [[Emma Rufer]], an den Bundesrat und die Parlamentarier und bitten sie inständig, von dem Thema abzulassen:


[[Datei:Denkmal Unterbäch.jpg|mini|hochkant|Frauendenkmal in Unterbäch]]
:''Die Theorie der politischen Gleichstellung der beiden Geschlechter ist eine vom Ausland importierte Idee. An der Spitze der Frauenstimmrechtsbewegung in der Schweiz steht denn heute auch eine ursprüngliche Ausländerin.<br>Wir halten dafür, dass in diesen wichtigen Sachen eigentlich nur gebürtige Schweizerinnen den richtigen Einblick haben können; Leute also, die mit dem Wesen unserer Demokratie und unseres Volkes ganz vertraut sind.''
[[Datei:Katharina Zenhäusern.jpg|mini|links|hochkant|Katharina Zenhäusern (1919–2014)]]
1957 fand eine [[Volksabstimmung (Schweiz)|Volksabstimmung]] statt, durch welche der [[Zivilschutz (Schweiz)|Zivilschutzdienst]] für alle Schweizer Frauen obligatorisch werden sollte. Während der Abstimmung ereignete sich ein Skandal: Die Frauen der [[Kanton Wallis|Walliser]] Gemeinde [[Unterbäch]] gingen – unterstützt vom Gemeinderat – abstimmen. Der Gemeinderat erklärte, dass laut Verfassung die Gemeinden gesetzlich zuständig seien, um die Stimmregister aufzustellen. Gemeindepräsident und [[Grosser Rat (Wallis)|Grossrat]] [[Paul Zenhäusern]] und der Walliser [[Nationalrat (Schweiz)|Nationalrat]] [[Peter von Roten]] waren die Initiatoren der Frauenabstimmung. Daran beteiligten sich 33 der 84 potentiell stimmberechtigten Unterbächer Frauen; [[Katharina Zenhäusern]], Ehefrau des Gemeindepräsidenten von Unterbäch, war die erste Schweizerin überhaupt, die eine Stimmkarte in eine helvetische [[Wahlurne|Abstimmungsurne]] legte. Die Frauenstimmen, die in einer separaten Urne gesammelt wurden (die Männerstimmen blieben so gültig), mussten annulliert werden, da die Frauenbeteiligung damals noch keine rechtliche Grundlage hatte. Trotzdem schrieb diese erste eidgenössische Abstimmung, an der sich Frauen beteiligten, Schweizer Geschichte, weil sie einen wichtigen Anstoss für die spätere offizielle Einführung des Frauenstimmrechtes gab.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.srf.ch/player/tv/srf-wissen/video/-?id=b9fbe017-2249-4630-a48c-24a1ecec6792 |titel=Erste Frauenabstimmung der Schweiz |werk=[[Schweizer Filmwochenschau]] vom 8. März 1957 |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20140407172111/http://www.srf.ch/player/tv/srf-wissen/video/-?id=b9fbe017-2249-4630-a48c-24a1ecec6792 |archiv-datum=2014-04-07 |abruf=2011-01-05}}</ref><ref>{{Webarchiv |url=http://www.srf.ch/player/tv/10vor10/video/wo-schweizer-frauen-erstmals-abstimmen-durften?id=870920e5-e8f7-4b13-9013-ce7f41902b27 |text=''Wo Schweizer Frauen erstmals Abstimmen durften.'' |wayback=20140407172114}} In: ''10vor10.'' vom 2. März 2007.</ref>


Zur gleichen Abstimmung über die Zivilschutz-Dienstpflicht von Frauen (1957) liess auch die Gemeinde [[Niederdorf BL]] die Frauen konsultativ abstimmen, nachdem der Gemeinderat nach zähem Ringen dem Vorschlag des Gemeindepräsidenten Willy Buser 3:2 gefolgt war. Dank dem Dorf-Archivar Paul Roth existiert mittlerweile auch ein kleiner Dokumentarfilm dazu.<ref>{{YouTube |id=aiL8qVL1sWU |titel=Niederdorf: Vergessenes „Rütli des Frauenstimmrechts“ |abruf=2021-02-07 |kommentar=Dokumentarfilm}}</ref>
Während der Dreißiger- und frühen Vierzigerjahre werden die Bemühungen um das Frauenstimmrecht einmal mehr von den internationalen Ereignissen ([[Weltwirtschaftskrise]], [[Zweiter Weltkrieg]]) überschattet. Mehrmals werden die Frauen während diesen Jahren aufgefordert, die «Demokratie zu schützen», worauf die das Stimmrecht befürwortenden Frauenverbände antworten, dazu müssten sie zuerst über [[demokratische Rechte]] verfügen.
Gegen Ende des 2. Weltkrieges kommt die Frage wieder aufs Tablett, da insbesondere bürgerliche (genannt «freisinnige») Frauen im Gegenzug zu ihrem Einsatz im FHD (militärischen [[Frauenhilfsdienst]]) ihre demokratischen Rechte einfordern. Noch während des Krieges wird das [[Aktionskomitee gegen das Frauenstimmrecht]] gegründet:


Ebenso 1957 führte Unterbäch, als erste Gemeinde der Schweiz, das kommunale Wahl- und Stimmrecht für Frauen ein – trotz Verbot durch den [[Staatsrat des Kantons Wallis|Walliser Staatsrat]].
:''Wir erblicken in der Beteiligung der Frau in Partei und Politik eine Gefahr für unsere Familien und für die Einigkeit der Frauen unter sich, die sich besonders in der sehr kritischen Zeit des Überganges vom Krieg zum Frieden ungünstig auswirken könnte.''


Nachdem der Kanton Basel-Stadt 1957 die drei Bürgergemeinden zur Einführung des Frauenstimmrechts ermächtigt hatte, führte die Bürgergemeinde [[Riehen]] am 26. Juni 1958 als erste in der Schweiz das Frauenstimmrecht ein.<ref>Luzia Knobel: [https://www.lexikon-riehen.ch/ereignisse/stimm-und-wahlrecht-fur-frauen-der-burgergemeinde-riehen/ Stimm- und Wahlrecht für Frauen der Bürgergemeinde Riehen]. In: Gemeinde Lexikon Riehen.</ref> Im selben Jahr wurde [[Gertrud Späth-Schweizer]] in den Bürgerrat und damit als erste Schweizerin in eine politische Körperschaft gewählt.<ref>{{HLS|49649|Späth &#x5B;-Schweizer&#x5D;, Gertrud|Autor=[[Stefan Hess]]}}</ref>
1944 verlangt Nationalrat Emil<!--???--> Oprecht in einem Postulat die Einführung des Frauenstimmrechts, weil wichtige Frauenpolitische Anliegen auf der politischen Tagesordnung stehen: AHV, Mutterschaftsversicherung und Familienschutz. Das Postulat wird vom BSF mit einer Eingabe vom 6. Februar 1945 im Namen von 38 Frauenverbänden unterstützt. Der [[SGF]] äußert sich nicht zu der Frage, der [[Schweizerischer Katholischer Frauenbund|SKF]] jedoch schert erstmals aus der konservativen Linie der katholischen Kirche aus und erteilt seinen Mitgliedern Stimmfreigabe. [[1945]] wurde das [[Schweizerisches Aktionskomitee für Frauenstimmrecht|Schweizerische Aktionskomitee für Frauenstimmrecht]] als Meinungsbildendes Instrument gegründet.


1958 votierte das Bundesparlament erstmals für die Abhaltung einer Volksabstimmung über die Einführung des Frauenstimmrechts in eidgenössischen Angelegenheiten, der Antrag des Bundesrates wurde im [[Nationalrat (Schweiz)|Nationalrat]] mit 96 : 43 Stimmen und im [[Ständerat]] mit 25 : 12 Stimmen angenommen.
Der dritte Nationale Frauenkongress von [[1946]] bringt keine neuen Fortschritte in Sachen Frauenstimmrecht.


Im gleichen Jahr fand einerseits die Zweite Schweizerische Ausstellung zur Frauenarbeit SAFFA statt, andererseits erschien das umstrittene Buch ''Frauen im Laufgitter'' von [[Iris von Roten]]. Verschiedene Seiten sahen den Grund für das Scheitern der Abstimmung von 1959 in dieser Publikation. Nachdem sich die Westschweizer und Deutschschweizer Sektionen der Katholischen Frauenvereine für das Frauenstimmrecht ausgesprochen hatten, gab der SKF die Ja-[[Wahlspruch|Parole]] für die geplante Abstimmung heraus und propagierte das Frauenstimmrecht in den katholischen Organisationen.
[[1948]] werden im ganzen Land Feiern zum 100jährigen Bestehen der [[Bundesverfassung (Schweiz)|Bundesverfassung]] durchgeführt und die «Schweiz, ein Volk von Brüdern» gefeiert. Die Frauenverbände erklären es um zu einem «Volk von Brüdern ohne Schwestern» und überreichen dem Bundesrat symbolisch eine Europakarte mit einem schwarzen Fleck in der Mitte.
Zu diesem Zeitpunkt hatten alle europäischen Länder außer der Schweiz das [[Frauenwahlrecht]] eingeführt. Wie zuvor die SAFFA-Schnecke wurde diese symbolische Karte von Kritikern als Zeichen der politischen Unreife der Frauen interpretiert.


Kurz vor der Abstimmung formierte sich eine neue gegnerische Organisation, das ''Schweizerische Aktionskomitee gegen die Verfassungsvorlage über die Einführung des Frauenstimmrechts im Bund'', das argumentierte:
Im Jahr [[1950]] legt der [[Bundesrat (Schweiz)|Bundesrat]] einen Bericht an die Bundesversammlung über das für die Einführung des Frauenstimmrechts einzuschlagende Verfahren vor. Von nun an ist unbestritten, dass es eingeführt werden muss, die Frage ist wann und wie.


{{Zitat
[[1951]] wendet sich der ''Schweizerische Frauenkreis gegen das Frauenstimmrecht'' unter der Leitung von [[Dora Wipf]] mit einem Schreiben an den Bundesrat:
|Text=Die Vorlage missachtet mit der blossen Kopierung ausländischer Wahlrechtsverhältnisse die Besonderheiten unserer direkten Referendumsdemokratie, in welcher der Stimmbürger nicht nur wählt, sondern dauernd über oft recht schwierige Sachfragen entscheiden muss.
|Sprache=de-CH
|ref=<ref name="Frauennet" />}}


=== Eidgenössische Volksabstimmung 1959 ===
:''«wir glauben also, dass wir guten Gewissens behaupten dürfen, die Mehrheit der Schweizerinnen zu vertreten, wenn wir Sie bitten, die Frage wohl zu erwägen, ob in der heutigen Zeit, da die Frau mit Pflichten aller Art stark belastet ist, man ihr die Übernahme weiterer großer Pflichtenkreise noch zumuten darf. [...] Wir glauben nicht, dass unser Land politisierende Frauen braucht, sondern Mütter, leibliche und geistige Mütter, die mithelfen, dass Hass und Misstrauen überwunden werden. Wir vertreten grundsätzlich den Standpunkt, dass die Einführung überhaupt abzulehnen sei.»''
[[Datei:Volksabstimmung Frauenstimmrecht 1959.svg|mini|hochkant=2|Ergebnisse der Volksabstimmung vom 1. Februar 1959 zur Einführung des Frauenstimmrechts]]
Am 1. Februar 1959 scheiterte die erste Volksabstimmung über das eidgenössische Frauenstimmrecht mit einer [[Wahlbeteiligung|Stimmbeteiligung]] von 67&nbsp;Prozent am Volks- (33&nbsp;Prozent : 67&nbsp;Prozent) und [[Volksmehr und Ständemehr|Ständemehr]] (3 : 16 + 6/2 Kantone).<ref>{{Internetquelle |url=http://www.admin.ch/ch/d/pore/va/19590201/det191.html |titel=Vorlage Nr. 191 |werk=Schweizerische Eidgenossenschaft |abruf=2011-01-04}}</ref> Protestaktionen und [[Frauenstreik (Schweiz)|Frauenstreiks]] in der ganzen Schweiz waren die Folge. Einzig in den [[Romandie|welschen]] Kantonen [[Kanton Waadt|Waadt]], [[Kanton Neuenburg|Neuenburg]] und [[Kanton Genf|Genf]] sprach sich eine Mehrheit für das Frauenstimmrecht aus. Für die Annahme ausgesprochen hatte sich die [[Sozialdemokratische Partei der Schweiz|SP]], die [[Partei der Arbeit der Schweiz|PdA]] sowie der [[Landesring der Unabhängigen|LdU]], dagegen ausgesprochen hatte sich die [[Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei|BGB]] (der später die [[Schweizerische Volkspartei|SVP]] hervorging). Die [[Christlichdemokratische Volkspartei|CVP]] und die [[FDP.Die Liberalen|FDP]] hatten die Stimmfreigabe beschlossen.<ref>{{Internetquelle |url=https://swissvotes.ch/vote/191.00 |titel=Einführung des Frauenstimmrechts |abruf=2022-09-20}}</ref>


{{Farblegende|#b9ffc5|Ja (3 <sup>0</sup>/<sub>2</sub> Stände)}}
Ein Jahr später, [[1952]] verlangen [[Antoinette Quinche]], Präsidentin des «Schweizerischen Aktionskomitees für das Frauenstimmrecht», und 1414 Mitstreiterinnen von ihren Gemeinden die Eintragung ins Stimmregister.
{{Farblegende|#ffcbcb|Nein (16 <sup>6</sup>/<sub>2</sub> Stände)}}
Mit dem Argument, die jeweiligen Kantonsverfassungen würden Frauen nicht explizit vom Stimmrecht ausschließen, gehen sie mit ihrer Forderung bis vor Bundesgericht. Wie bereits 1923 werden sie unter Berufung auf das «Gewohnheitsrecht» abgewiesen.


{| class="wikitable sortable mw-collapsible mw-collapse" style="width:50%"
[[1957]] findet eine Abstimmung statt, in der [[Zivilschutzdienst]] für alle Schweizer Frauen obligatorisch werden soll. Während der [[Volksabstimmung]] ereignet sich ein Skandal: Die Frauen der [[Kanton Wallis|Walliser]] Gemeinde [[Unterbäch]] gehen alle – unterstützt vom Gemeinderat – abstimmen. Der Gemeinderat erklärt, dass laut Verfassung die Gemeinden gesetzlich zuständig seien, um die Stimmregister aufzustellen. Die Abstimmung wird vom Kanton Wallis und vom Bund für diese Gemeinde annulliert.
|+ class="nowrap" | Abstimmungsresultate pro Kanton<ref>{{Internetquelle |autor=Bundeskanzlei BK |url=https://www.bk.admin.ch/bk/de/home/politische-rechte/pore-referenzseite.html |titel=Vorlage Nr. 191: Resultate in den Kantonen |abruf=2020-06-22}}</ref>
|-
! [[Kanton (Schweiz)|Kanton]] !! Ja (%) !! Nein (%) !! Beteiligung (%)
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| 84,5
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| align="left" data-sort-value="Basel-Landschaft" | {{CH-BL}}
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| 60,0
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! align="left"|[[Datei:Coat of Arms of Switzerland.svg|20px|Eidgenössisches Wappen]] <span style="display:none;">ÜÜÜ</span>[[Schweizerische Eidgenossenschaft]]
! 33,1
! 66,9
! 66,7
|}


Aus Protest gegen die Ablehnung des Frauenstimmrechts trat eine Gruppe Basler Pädagoginnen für einen Tag in den Streik.<ref>[https://www.srf.ch/audio/zeitblende/der-erste-frauenstreik-der-schweiz?id=12428176 ''Der erste Frauenstreik der Schweiz''] In: ''[[Schweizer Radio und Fernsehen]].'' 29. Juli 2023.</ref>
Im Jahr [[1958]] findet einerseits die Zweite Schweizerische Ausstellung zur Frauenarbeit SAFFA statt, andererseits erscheint das umstrittene Buch ''Frauen im Laufgitter'' von [[Iris von Roten]] (der deswegen von verschiedenen Seiten die Schuld am Scheitern der Abstimmung von 1959 gegeben wird). Nachdem sich die Westschweizer und Deutschschweizer Sektionen der Katholischen Frauenvereine für das Frauenstimmrecht ausgesprochen haben, gibt der [[SKF]] die Ja-Parole für die geplante Abstimmung heraus und propagiert das Frauenstimmrecht in den katholischen Organisationen.


=== Kantonale Einführungen vor und nach 1959 ===
Kurz vor der Abstimmung erscheint eine neue gegnerische Organisation auf dem politischen Parkett: Das ''Schweizerische Aktionskomitee gegen die Verfassungsvorlage über die Einführung des Frauenstimmrechts im Bund'' hat sich kein geringeres Ziel gesetzt, als die Schweiz vor dem Untergang zu retten:
Die Befürworterinnen konnten jedoch auf kantonaler Ebene erste Erfolge verzeichnen: Am 1. Februar 1959 nahm der Kanton Waadt als erster das Frauenstimmrecht an. Es folgten die Kantone Neuenburg (27. September 1959) und Genf (6. März 1960) sowie als erste Kantone der Deutschschweiz [[Kanton Basel-Stadt|Basel-Stadt]] (26. Juni 1966) und [[Kanton Basel-Landschaft|Basel-Landschaft]] (23. Juni 1968). Ebenfalls noch vor der Einführung des eidgenössischen Frauenstimmrechts wurde den Frauen in den Kantonen [[Kanton Tessin|Tessin]] (19. Oktober 1969), [[Kanton Wallis|Wallis]] (12. April 1970), [[Kanton Luzern|Luzern]] (25. Oktober 1970)<ref>{{Internetquelle |autor=Heidi Bossard-Borner |url=https://staatsarchiv.lu.ch/-/media/Staatsarchiv/Dokumente/luzerner_geschichte/verfassungsgeschichte.pdf?la=de-CH |titel=Kleine Verfassungsgeschichte des Kantons Luzern |seiten=23 |format=PDF |abruf=2016-04-17}}</ref> und [[Kanton Zürich|Zürich]] (15. November 1970) das Stimm- und Wahlrecht auf kantonaler Ebene erteilt.


Schon zuvor war in manchen Kantonen das aktive und zum Teil auch passive Frauenstimmrecht in kirchlichen und schulischen Angelegenheiten eingeführt worden. In den Kantonen Genf, Waadt, Basel-Stadt, Bern, Aargau, Thurgau und Graubünden waren Regelungen zum kirchlichen Frauenstimmrecht bereits in der [[Zwischenkriegszeit]] erlassen worden; in der Nachkriegszeit folgte beispielsweise der Kanton Zürich mit dem Frauenstimmrecht in Schule und Kirche im Jahr 1963.<ref name="ch2021" /> Im Kanton [[Kanton Graubünden|Graubünden]] wurden 1962 die Gemeinden ermächtigt, das Frauenstimmrecht einzuführen, was erstmals 1968 von [[Chur]], [[Landarenca]], [[Marmorera]], [[Pontresina]] und [[Sils im Domleschg|Sils i.&nbsp;D.]] umgesetzt wurde. 1983 – 13 Jahre nach der Einführung auf kantonaler Ebene – wurde es durch kantonales Gesetz auch in den letzten 13 Gemeinden, die es noch nicht kannten, eingeführt.<ref>[https://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/ekud/dd/stagl/ueberuns/Projekte/GR-Frauenstimmrecht/Seiten/start.aspx ''50 Jahre kantonales Frauenstimmrecht.''] In: gr.ch (abgerufen am 30.&nbsp;Oktober 2023).</ref>
:''«Die Vorlage missachtet mit der bloßen Kopierung ausländischer Wahlrechtsverhältnisse die Besonderheiten unserer direkten Referendumsdemokratie, in welcher der Stimmbürger nicht nur wählt, sondern dauernd über oft recht schwierige Sachfragen entscheiden muss.»''


=== 1959–1971: Endphase ===
Am [[1. Februar]] [[1959]] scheitert die erste [[Volksabstimmung]] über das eidgenössische Frauenstimmrecht mit einer [[Stimmbeteiligung]] von 67% ganz klar am Volks- (33% : 66%) und Ständemehr (3 : 16 + 6/2 Kantone) [http://www.admin.ch/ch/d/pore/va/19590201/det191.html]. Protestaktionen und Frauenstreiks in der ganzen Schweiz sind die Folge.
Nach der verlorenen Abstimmung 1959 wurde der [[Bund der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht]]<ref>Noëmi Crain Merz: [https://blog.nationalmuseum.ch/2021/07/frauen-gegen-das-frauenstimmrecht/ ''Frauen gegen das Frauenstimmrecht''] Im Blog des [[Schweizerisches Nationalmuseum|Schweizerischen Nationalmuseums]] vom 6. Juli 2021.
</ref> gegründet. Der Verein argumentierte damit, dass die Frauen aufgrund ihrer biologischen Verschiedenheit durch ihre politische und rechtliche Gleichstellung benachteiligt würden. Im Laufe des Jahres 1965 gab es mehrere parlamentarische [[Motion (Schweiz)|Motionen]] zur Einführung des Frauenstimmrechts auf eidgenössischer Ebene. Die rechtlichen Voraussetzungen für den Beitritt der Schweiz zur [[Europäische Menschenrechtskonvention|Europäischen Menschenrechtskonvention]] mussten geschaffen werden. Trotzdem verhielt sich der Bundesrat zögerlich.<ref>Regula Ludi: [https://blog.nationalmuseum.ch/2021/03/frauen-und-das-menschenrecht/ ''Menschen­rech­te ja, aber…''] Im Blog des [[Schweizerisches Nationalmuseum|Schweizerischen Nationalmuseums]] vom 1. März 2021</ref>


In den Folgejahren wurden immer wieder Motionen an den Bundesrat gestellt. Dann erreichten die [[68er-Bewegung|Jugendunruhen von 1968]] auch die Schweiz und die [[Schweizer Frauenbewegung]]. Junge [[Feministin]]nen gingen auf Konfrontationskurs und veranstalteten Protestaktionen und Demonstrationen im ganzen Land. Da ihnen der [[Schweizerischer Verband für Frauenstimmrecht|Schweizerische Verband für Frauenstimmrecht]] zu wenig radikal war – sie bezeichneten diesen als «gemütlich» –, gründeten sie die [[Frauenbefreiungsbewegung]] (FBB), eine radikalfeministische Vereinigung junger Frauen.
Im Herbst können die Frauen jedoch endlich erste Erfolge verzeichnen: Als erster Kanton nimmt [[Kanton Neuenburg|Neuenburg]] das Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene an; die meisten anderen Kantone folgen in den anschließenden Jahren.


Am 1. März 1969 fand der ''Marsch auf Bern'' statt: 5000 Frauen und Männer demonstrierten vor dem [[Bundeshaus (Bern)|Bundeshaus]] in [[Bern]].<ref>[https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/als-frauen-auf-die-maenner-pfiffen/story/18517045 ''Als Frauen auf die Männer pfiffen: «Marsch auf Bern» vor 50 Jahren''] In: ''[[Berner Zeitung]].'' 27. Februar 2019.</ref><ref>Adi Kälin: [https://www.nzz.ch/zuerich/emilie-lieberherr-rief-die-frauen-zum-kampf-auf-ihr-seid-nicht-nur-zum-milchreiskochen-auf-der-welt-ld.1461702 ''Emilie Lieberherr rief die Frauen zum Kampf auf: «Ihr seid nicht nur zum Milchreiskochen auf der Welt»''] In: ''[[Neue Zürcher Zeitung]].'' 23. Februar 2019.</ref> Sie stimmten der Resolution von [[Emilie Lieberherr]] mit grossem Applaus zu:
===1959–1971: Endspurt===


{{Zitat
Nach der Ablehnung wird der [[Bund der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht]] gegründet. Der Verein argumentiert damit, dass die Frauen aufgrund ihrer biologischen Verschiedenheit durch ihre politische und rechtliche Gleichstellung benachteiligt würden.
|Text=Die hier versammelten Schweizerinnen fordern das volle Stimm- und Wahlrecht auf eidgenössischer und kantonaler Ebene und in den Gemeinden. Die Konvention des Europarates zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten darf erst unterzeichnet werden, wenn bezüglich des Stimm- und Wahlrechts kein Vorbehalt mehr nötig ist.<br />Die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter ist eine wichtige Voraussetzung für die Verwirklichung der Menschenrechte. Sämtliche vorgeschlagenen Vorbehalte stellen die Glaubwürdigkeit unseres Landes als Rechtsstaat und Demokratie in Frage.<br />Wir fordern deshalb alle gutgesinnten Politiker und Stimmbürger auf, das Frauenstimm- und Wahlrecht im Bund, in den Kantonen und in allen Gemeinden so rasch als möglich zu verwirklichen.
|Sprache=de-CH
|ref=<ref name="Frauennet" />}}


Die Zahl von 5000 Demonstrierenden erscheint heute gering, hat die Politiker der damaligen Zeit jedoch ziemlich erschreckt. Inzwischen opponierten nämlich nicht allein die radikalen Stimmrechtsvereine und die FBB, sondern auch die konservativen Frauenorganisationen [[Schweizerischer Gemeinnütziger Frauenverein|Gemeinnütziger Frauenverein]], [[Schweizerischer Landfrauenverband|Landfrauenverband]], [[Schweizerischer Katholischer Frauenbund|Katholischer]] und [[Evangelischer Frauenbund der Schweiz|Evangelischer Frauenbund]].
Im Laufe des Jahres [[1965]] gibt es mehrere parlamentarische [[Motion (Schweiz)|Motion]]en zur Einführung des Frauenstimmrechts auf eidgenössischer Ebene. Die rechtlichen Voraussetzungen für den Beitritt der Schweiz zur [[Europäische Menschenrechtskonvention|Europäischen Menschenrechtskonvention]] musste geschaffen werden. Trotzdem verhält sich der Bundesrat zögerlich.


Durch [[Hausbesetzung|Häuserbesetzungen]] und kämpferische Protestaktionen machte die FBB auf sich aufmerksam. Die Gruppierung wurde vom Frauenstimmrechtsverein scharf kritisiert, da befürchtet wurde, die Aktionen könnten «der Sache» schaden. Grosse Teile der Öffentlichkeit, insbesondere junge Menschen, begrüssten hingegen die schärfere Gangart der FBB.
In den Folgejahren werden immer wieder Motionen an den Bundesrat gestellt. Dann erreichen die Jugendunruhen von [[1968]] auch die Schweiz und die [[Schweizer Frauenbewegung]]. Junge [[Feministin]]nen gehen auf Konfrontationskurs und veranstalten Protestaktionen und Demonstrationen im ganzen Land.
[[Datei:ETH-BIB-Zürich, Stadelhoferplatz - Theaterstrasse, Blick nach Südsüdosten (SSE), Ballonpropaganda für das Frauenstimmrecht-Com L18-0428-0005.tif|mini|Ballon mit dem Slogan: «Den Frauen zuliebe – für ein männliches JA»]]
Nun folgte ein langwieriges politisches Hin und Her zwischen [[Bundesrat (Schweiz)|Bundesrat]], [[Nationalrat (Schweiz)|Nationalrat]] und [[Ständerat]], bis eine allgemein anerkannte [[Abstimmungsvorlage]] zur Einführung des Frauenstimmrechts erarbeitet war. Derweil gingen die Protestaktionen der FBB weiter. Der Abstimmungskampf selber verlief relativ ruhig. Alle Regierungsparteien und die beiden einflussreichen Verbände Gewerkschaftsbund und Bauernverband hatten die Ja‑Parole herausgegeben.


Der Slogan und das Plakat der Abstimmungskampagne «Den Frauen zuliebe – für ein männliches JA» wurde von [[Doris Gisler Truog]] verantwortet.<ref>{{Internetquelle |autor=Tim Frei |url=https://www.persoenlich.com/kategorie-werbung/den-frauen-zuliebe-ein-mannliches-ja |titel=Den Frauen zuliebe – ein männliches JA |werk=Persönlich.com |sprache=de |abruf=2021-09-26}}</ref> [[Datei:Frauenstimmrecht 1971 de.svg|mini|hochkant=2|Ergebnisse der Volksabstimmung vom 7. Februar 1971 zur Einführung des Frauenstimmrechts]]
Da ihnen der [[Schweizerischer Verband für Frauenstimmrecht|SVF]] zu wenig radikal ist (sie bezeichneten diesen als «gemütlich»), gründen sie die ''[[Frauenbefreiungsbewegung]] FBB'', eine radikalfeministische Vereinigung junger Frauen.
123 Jahre nach der Bundesverfassung von 1848 gewährten die Schweizer Männer den Frauen aktives und passives [[Wahlrecht]] und [[Stimmrecht]] bei politischen Entscheidungen. Am 7. Februar 1971 wurde die Vorlage vom männlichen Stimmvolk mit 621'109 gegen 323'882 Stimmen (65,7&nbsp;Prozent Ja) und von 15&nbsp;½ [[Kanton (Schweiz)|Ständen]] gegen 6&nbsp;½ Stände angenommen.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.admin.ch/ch/d/pore/va/19710207/index.html |titel=Volksabstimmung vom 7. Februar 1971 |werk=Schweizerische Eidgenossenschaft |abruf=2011-01-15}}</ref> Mehrheitlich gegen die Einführung stimmten Kantone der deutschsprachigen Ost- und Innerschweiz: [[Kanton Appenzell Innerrhoden|Appenzell Innerrhoden]], [[Kanton Appenzell Ausserrhoden|Appenzell Ausserrhoden]], [[Kanton Uri|Uri]], [[Kanton St. Gallen|St.&nbsp;Gallen]], [[Kanton Thurgau|Thurgau]], [[Kanton Glarus|Glarus]], [[Kanton Schwyz|Schwyz]] und [[Kanton Obwalden|Obwalden]].


Im Gegensatz zur ersten Abstimmung beschlossen dieses Mal alle grossen Parteien die Ja-Parole.
Am [[1. März]] [[1969]] findet der ''Marsch auf Bern'' statt: 5000 Frauen und Männer demonstrieren vor dem [[Bundeshaus]] in [[Bern]]. Der Resolution von [[Emilie Lieberherr]] wird von den Versammelten mit großem Applaus zugestimmt:


{{Farblegende|#b9ffc5|Ja (14 <sup>3</sup>/<sub>2</sub> Stände)}}
:''«Die hier versammelten Schweizerinnen fordern das volle Stimm- und Wahlrecht auf eidgenössischer und kantonaler Ebene und in den Gemeinden. Die Konvention des Europarates zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten darf erst unterzeichnet werden, wenn bezüglich des Stimm- und Wahlrechts kein Vorbehalt mehr nötig ist.<br>Die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter ist eine wichtige Voraussetzung für die Verwirklichung der Menschenrechte. Sämtliche vorgeschlagenen Vorbehalte stellen die Glaubwürdigkeit unseres Landes als Rechtsstaat und Demokratie in Frage.<br>Wir fordern deshalb alle gutgesinnten Politiker und Stimmbürger auf, das Frauenstimm- und Wahlrecht im Bund, in den Kantonen und in allen Gemeinden so rasch als möglich zu verwirklichen.»''
{{Farblegende|#ffcbcb|Nein (5 <sup>3</sup>/<sub>2</sub> Stände)}}


{| class="wikitable sortable mw-collapsible mw-collapse" style="width:50%"
Die Zahl von 5000 Demonstrierenden klingt nicht so spektakulär, hat die Politiker der damaligen Zeit jedoch ziemlich erschreckt. Inzwischen opponierten nämlich nicht allein die radikalen Stimmrechtsvereine und der FBB, sondern auch konservative Frauenorganisationen ([[SGF|Gemeinnütziger Frauenverein]], [[Schweizerischer Landfrauenverband|Landfrauenverband]], [[SKF|Katholischer]] und der [[Evangelischer Frauenbund der Schweiz|Evangelischer Frauenbund]]).
|+ class="nowrap" | Abstimmungsresultate pro Kanton<ref>{{Internetquelle |autor=Bundeskanzlei BK |url=https://www.bk.admin.ch/ch/d/pore/va/19710207/index.html |titel=Vorlage Nr. 224: Resultate in den Kantonen |abruf=2020-06-23}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Neue Zürcher Zeitung (NZZ) |url=https://zeitungsarchiv.nzz.ch/read/2106/2106/1971-02-08/1 |titel=1. Seite der NZZ am 8. Februar 1971 |werk=Zeitungsarchiv der NZZ |hrsg=NZZ-Mediengruppe |datum=1971-02-08 |sprache=de |abruf=2022-07-27}}</ref>
|-
! [[Kanton (Schweiz)|Kanton]] !! Ja (%) !! Nein (%) !! Beteiligung (%)
!Ja (Anzahl)
!Nein (Anzahl)
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|- class="unsortable"
! align="left"|[[Datei:Coat of Arms of Switzerland.svg|20px|Eidgenössisches Wappen]] <span style="display:none;">ÜÜÜ</span>[[Schweizerische Eidgenossenschaft]]
! 65,7
! 34,3
! 57,73
|'''621.403'''
|'''323.596'''
|}


{{Zitat
Durch Häuserbesetzungen und kämpferische Protestaktionen macht der FBB auf sich aufmerksam. Die Gruppierung wird vom Frauenstimmrechtsverein scharf kritisiert, da befürchtet wird, die Aktionen könnten «der Sache» schaden. Die Öffentlichkeit, insbesondere die jungen Menschen, begrüßen hingegen die schärfere Gangart des FBB.
|Text=Endlich, endlich, endlich […] Von mir fallen Zentner. Die Aufgabe, die seit bald hundert Jahren ungelöst von einer Generation zur anderen tradiert wurde, hat in der letzten ‹Männerabstimmung› vom 7. Februar 1971 ihre glanzvolle Erfüllung gefunden.<br />Fortan wird es nur noch Volksabstimmungen geben im wahren Sinn des Wortes.
|Sprache=de-CH
|Autor=[[Gertrud Heinzelmann]]}}


Im internationalen Vergleich wurde die politische Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Schweiz spät eingeführt. In [[Neuseeland]] gilt das Frauenwahlrecht seit 1893, in [[Deutschland]] seit 1919, in den [[Vereinigte Staaten von Amerika|Vereinigten Staaten]] seit 1920. Noch später als die Schweiz führten [[Portugal]] am 15. November 1974 sowie das [[Liechtenstein|Fürstentum Liechtenstein]] am 1. Juli 1984 das allgemeine Frauenstimm- und -wahlrecht ein.
Nun folgt ein langwieriges politisches Hin und Her zwischen [[Bundesrat (Schweiz)|Bundesrat]], [[Nationalrat (Schweiz)|Nationalrat]] und [[Ständerat]], bis endlich eine allgemein anerkannte Abstimmungsvorlage zur Einführung des Frauenstimmrechts erarbeitet ist. Derweil gehen die Protestaktionen der FBB weiter.


== Die ersten Parlamentswahlen mit Frauen ==
Der Abstimmungskampf selber verläuft relativ ruhig und optimistisch: Alle Regierungsparteien und die beiden einflussreichsten Berufsverbände (Gewerkschaftsbund, Bauernverband) haben die JA-Parole herausgegeben.
{{Anker|Die elf ersten Nationalrätinnen}}
Bei den [[Schweizer Parlamentswahlen 1971|eidgenössischen Wahlen vom 31. Oktober 1971]] waren somit erstmals Frauen wahlberechtigt und wählbar. Elf Frauen wurden in den [[Nationalrat (Schweiz)|Nationalrat]] gewählt, was bei 200 Mandataren einen Frauenanteil von 5,5&nbsp;Prozent ausmachte:


[[Elisabeth Blunschy]] (1922–2015), CVP; [[Tilo Frey]] (1923–2008), FDP; [[Hedi Lang]] (1931–2004), SP; [[Josi Meier]] (1926–2006), CVP; [[Gabrielle Nanchen]] (* 1943), SP; [[Martha Ribi]] (1915–2010), FDP; [[Hanna Sahlfeld-Singer]] (* 1943), SP; [[Liselotte Spreng]] (1912–1992), FDP; [[Hanny Thalmann]] (1912–2000), CVP; [[Lilian Uchtenhagen]] (1928–2016), SP; [[Nelly Wicky]] (1923–2020), PdA<ref>[https://www.parlament.ch/de/%C3%BCber-das-parlament/politfrauen/aktionen-im-parlamentsgebaude/hommage-pionierinnen-bundesversammlung ''Aussergewöhnliche Frauen''], parlament.ch, abgerufen am 11. Februar 2020.</ref>
Die Schweiz ist sich für einmal einig. Nach 123 Jahren Kampf seit der [[Bundesverfassung (Schweiz)|Bundesverfassung]] von [[1848]] gewähren schließlich die Schweizer Männer den Frauen aktives und passives [[Wahlrecht]] und Stimmrecht bei politischen Entscheidungen.
Am [[7. Februar]] [[1971]] wird die Vorlage vom (männlichen) Stimmvolk mit 621109 gegen 323882 Stimmen (65,7% Ja) und von 14 3/2 [[Kanton (Schweiz)|Ständen]] gegen 5 3/2 Stände angenommen.


Als einzige Frau wurde die [[Freisinnig-Demokratische Partei|Freisinnige]] [[Lise Girardin]] (1921–2010), FDP, vom [[Kanton Genf]] in den [[Ständerat]] gewählt, sie war auch die erste [[Stadtpräsident]]in ([[Genf]]; 1968, 1972 und 1975) der Schweiz.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.srf.ch/player/tv/srf-wissen/video/erstmals-ziehen-frauen-ins-schweizer-parlament-ein-?id=d6f96916-03a2-4269-b88e-23a306bb5b14 |titel=Erstmals ziehen Frauen ins Schweizer Parlament ein. |titelerg=SRF Wissen |werk=Schweizer Filmwochenschau |datum=1971-12-10 |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20140407172035/http://www.srf.ch/player/tv/srf-wissen/video/erstmals-ziehen-frauen-ins-schweizer-parlament-ein-?id=d6f96916-03a2-4269-b88e-23a306bb5b14 |archiv-datum=2014-04-07 |abruf=2014-04-05}}</ref>
:''«Endlich, endlich, endlich ... Von mir fallen Zentner. Die Aufgabe, die seit bald hundert Jahren ungelöst von einer Generation zur anderen tradiert wurde, hat in der letzten ‹Männerabstimmung› vom 7. Februar 1971 ihre glanzvolle Erfüllung gefunden.<br>Fortan wird es nur noch Volksabstimmungen geben im wahren Sinn des Wortes.»'' ([[Gertrud Heinzelmann]]).


<gallery>
Bei den Nationalratswahlen vom [[31. Oktober]] [[1971]] sind somit erstmals Frauen wahlberechtigt und wählbar. Elf Frauen werden gewählt, was bei 200 Mandataren einen Frauenanteil von 5,5 % ausmacht.
ETH-BIB-Elisabeth Blunschy-Steiner-Com L20-0941-0069.tif|Elisabeth Blunschy
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</gallery>


== Schwerpunkte der Diskussion ==
==Verfassungsartikel zum Stimm- und Wahlrecht==
Im Folgenden werden die Begründungen, die insbesondere während der Abstimmungskampagnen für oder gegen eine Einführung des Frauenstimmrechts angeführt wurden, noch einmal zusammengefasst:
===Bundesverfassung 1848===


Die befürwortenden Argumente zeichneten sich insgesamt durch ihre starke Bezugnahme auf grundlegende politische Prinzipien und rechtliche Normen aus. Eine der wichtigsten war Artikel 1 der Schweizer Bundesverfassung von 1848, der ohne Qualifikation besagte: «Alle Schweizer sind vor dem Gesetz gleich.» Ergänzend konnten die Befürworter auf die Menschenrechte verweisen, die allen Menschen und damit also auch Frauen ein Stimm- und Wahlrecht zusprechen. Mit dem Grundsatz, dass in einer Demokratie mit der Pflicht, die Gesetze eines Landes zu befolgen, auch das Recht einhergehen müsse, selbige Gesetze mitzubeschliessen, konnten sie zudem auf eine wichtige rechtsphilosophische Position verweisen. Das von den Gegnern vorgebrachte Gegenargument, Frauen könnten dies ja bereits über die Einflussnahme auf ihre Männer tun, wurde in charakteristischer Weise wieder mit Rückgriff auf einen allgemeinen Grundsatz abgelehnt, wonach die Ausübung von Rechten nicht vom guten Willen Dritter abhängen darf.
:'''Art. 63. BV:'''<br>
:''Stimmberechtigt ist jeder Schweizer, der das zwanzigste Altersjahr zurückgelegt hat und im Übrigen nach der Gesetzgebung des Kantons, in welchem er seinen Wohnsitz hat, nicht vom Aktivbürgerrecht ausgeschlossen ist.'' [http://www.verfassungen.de/ch/verf48-i.htm]


Die Gegner des Frauenstimmrechts argumentierten dagegen mit Argumenten, die zum einen die Notwendigkeit einer Neuerung in Zweifel zogen, zum anderen aber vor den zu erwartenden, vermeintlich negativen Folgen des Frauenwahlrechts warnten.
===Bundesverfassung 1874===


Im ersteren Sinne wurde etwa angeführt, die Idee eines Frauenwahlrechts sei eine aus dem Ausland importierte, unschweizerische Idee, die auch von der grossen Mehrheit der Schweizer Frauen abgelehnt werde, welche an einem Stimmrecht gar nicht interessiert seien, zumal jede Frau ihre Meinung indirekt über ihren Mann zum Ausdruck bringen könne.
:'''Art. 74. BV:'''<br>
:''Stimmberechtigt ist jeder Schweizer, der das zwanzigste Altersjahr zurückgelegt hat und im Übrigen nach der Gesetzgebung des Kantons, in welchem er seinen Wohnsitz hat, nicht vom Aktivbürgerrecht ausgeschlossen ist.''


Ein weiterer Aspekt kam in der Vorstellung zum Ausdruck, Politik sei ein schmutziges Geschäft, in dem Frauen es zu schwer haben würden, die Achtung der Gesellschaft zu wahren. Ihre Einbeziehung in politische Entscheidungen werde so unweigerlich zum Verlust ihrer [[Weiblichkeit]] führen, während die Abhängigkeit von ihren Männern durch die Einführung des Stimmrechts nur gegen neue Abhängigkeiten eingetauscht werde.
Der Artikel wurde am 7. Februar 1971 in veränderter Form in der Verfassung verankert:


Daneben wurde aber auch die negative Einwirkung auf Männer herausgestellt, die aufgrund der Bevölkerungsmehrheit der Frauen unweigerlich diskriminiert werden würden. Eine wichtige Rolle spielte dabei der nur für Männer verbindliche Militärdienst, der diese ohnehin benachteilige – ein Argument, welches von Befürworterseite meist mit dem Hinweis auf den freiwilligen Fraueneinsatz im militärischen Hilfsdienst gekontert wurde.
:'''Art. 74 BV:'''<br>
:''Bei eidgenössischen Abstimmungen und Wahlen haben Schweizer und Schweizerinnen die gleichen politischen Rechte und Pflichten.''<br>
:''Stimm- und wahlberechtigt bei solchen Abstimmungen und Wahlen sind alle Schweizer und Schweizerinnen, die das 20. Altersjahr zurückgelegt haben und nicht nach dem Rechte des Bundes vom Aktivbürgerrecht ausgeschlossen sind.''


Schliesslich wurde auch die kategorische Auffassung vertreten, der Staat selbst sei seinem Wesen nach eine männliche Institution, die von Frauen daher ihrer Natur gemäss nicht in der notwendigen Tiefe verstanden werden könne.
Das Alter wurde 1991 auf 18 Jahre gesenkt. [http://www.verfassungen.de/ch/verf74-i.htm]


== Verfassungsartikel zum Stimm- und Wahlrecht ==
===Bundesverfassung 2000===
=== Bundesverfassung 1848 ===
:'''Art. 136 Abs. 1 BV''':<br>
{{Gesetzestext|'''Art. 63. BV:'''<br />
:''«Die politischen Rechte in Bundessachen stehen allen <u>Schweizerinnen und</u> Schweizern zu, die das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und die nicht wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind. Alle haben die gleichen politischen Rechte und Pflichten.»'' [http://www.verfassungen.de/ch/ch99.htm]
Stimmberechtigt ist jeder Schweizer, der das zwanzigste Altersjahr zurückgelegt hat und im Übrigen nach der Gesetzgebung des Kantons, in welchem er seinen Wohnsitz hat, nicht vom Aktivbürgerrecht ausgeschlossen ist.|ref=<ref>[http://www.verfassungen.de/ch/verf48-i.htm Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (1848)<!-- Automatisch generierter titel -->]</ref>}}


=== Bundesverfassung 1874 ===
==Schwerpunkte der Diskussion==
{{Gesetzestext|'''Art. 74. BV:'''<br />
Stimmberechtigt ist jeder Schweizer, der das zwanzigste Altersjahr zurückgelegt hat und im Übrigen nach der Gesetzgebung des Kantons, in welchem er seinen Wohnsitz hat, nicht vom Aktivbürgerrecht ausgeschlossen ist.}}


Der Artikel wurde am 7.&nbsp;Februar 1971 in veränderter Form in der Verfassung verankert:
Im Folgenden werden die Begründungen, die insbesondere während der Abstimmungskampagnen für oder gegen eine Einführung des Frauenstimmrechts angeführt wurden, noch einmal zusammengefasst:


{{Gesetzestext|'''Art. 74 BV:'''<br />
Die befürwortenden Argumente zeichneten sich insgesamt durch ihre starke Bezugnahme auf grundlegende politische Prinzipien und rechtliche Normen aus. Eine der wichtigsten war Artikel 1 der Schweizer Bundesverfassung von 1848, der ohne Qualifikation besagte: ''«Alle Schweizer sind vor dem Gesetz gleich.»'' Ergänzend konnten die Befürworter auf die Menschenrechte verweisen, die allen Menschen und damit also auch Frauen ein Stimm- und Wahlrecht zusprechen. Mit dem Grundsatz, dass in einer Demokratie mit der Pflicht, die Gesetze eines Landes zu befolgen, auch das Recht einhergehen müsse, selbige Gesetze mitzubeschließen, konnten sie zudem auf eine wichtige rechtsphilosophische Position verweisen. Das von den Gegnern vorgebrachte Gegenargument, Frauen könnten dies ja bereits über die Einflussnahme auf ihre Männer tun, wurde in charakteristischer Weise wieder mit Rückgriff auf einen allgemeinen Grundsatz abgelehnt, wonach die Ausübung von Rechten nicht vom guten Willen Dritter abhängen darf.
Bei eidgenössischen Abstimmungen und Wahlen haben Schweizer und Schweizerinnen die gleichen politischen Rechte und Pflichten.<br />
Stimm- und wahlberechtigt bei solchen Abstimmungen und Wahlen sind alle Schweizer und Schweizerinnen, die das 20. Altersjahr zurückgelegt haben und nicht nach dem Rechte des Bundes vom Aktivbürgerrecht ausgeschlossen sind.}}


Das Alter wurde 1991 auf 18 Jahre gesenkt.<ref>[[Schweizerische Bundeskanzlei]]: [https://www.fedlex.admin.ch/eli/oc/1991/1122_1122_1122/de AS 1991 1122]</ref>
Die Gegner des Frauenstimmrechts argumentierten dagegen mit einer Reihe eher [[Disparität|disparater]] Argumente, die zum einen die Notwendigkeit einer Neuerung in Zweifel zogen, zum anderen aber vor den zu erwartenden negativen Folgen des Frauenwahlrechts warnten.


=== Bundesverfassung vom 18. April 1999 ===
Im ersteren Sinne wurde etwa angeführt, die Idee eines Frauenwahlrechts sei eine aus dem Ausland importierte, unschweizerische Idee, die auch von der großen Mehrheit der Schweizerfrauen abgelehnt werde, welche an einem Stimmrecht gar nicht interessiert sei, zumal jede Frau ihre Meinung indirekt über ihren Mann zum Ausdruck bringen könne.
{{Gesetzestext|'''Art. 136 Abs. 1 BV''':<br />

Die politischen Rechte in Bundessachen stehen allen Schweizerinnen und Schweizern zu, die das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und die nicht wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind. Alle haben die gleichen politischen Rechte und Pflichten.|ref=<ref>{{Art.|136|BV|ch}} Abs. 1 [[Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft|BV]]</ref>}}
Ein eher fürsorglich verstandener Aspekt kam dagegen in der Vorstellung zum Ausdruck, Politik sei ein schmutziges Geschäft, in dem Frauen es zu schwer haben würden, die Achtung der Gesellschaft zu wahren. Ihre Einbeziehung in politische Entscheidungen werde so unweigerlich zum Verlust ihrer Weiblichkeit führen, während die Abhängigkeit von ihren Männern durch die Einführung des Stimmrechts nur gegen neue Abhängigkeiten eingetauscht werde.

Daneben wurde aber auch die negative Einwirkung auf Männer herausgestellt, die aufgrund der Bevölkerungsmehrheit der Frauen unweigerlich diskriminiert werden würden. Eine wichtige Rolle spielte dabei der nur für Männer verbindliche Militärdienst, der diese ohnehin benachteilige - ein Argument, das freilich von Befürworterseite meist mit dem Hinweis auf den Fraueneinsatz im militärischen Hilfsdienst gekontert wurde.

Schließlich wurde auch die kategorische Auffassung vertreten, der Staat selbst sei seinem Wesen nach eine männliche Institution, die von Frauen daher ihrer Natur gemäß nicht in der notwendigen Tiefe verstanden werden könne.

==Auswahl beteiligter Personen==
{| width="100%" border="0" cellspacing="5"
| width="50%" | '''Befürworter(innen)'''
| width="50%" | '''Gegner(innen)'''
|----- valign="top"
|

*[[Marie Goegg-Pouchoulin]]
*[[Julie von May von Rüed]]
*[[Meta von Salis|Meta von Salis-Marschlins]]
*[[Helene von Mülinen]]
*[[Carl Hilty]]
*[[Emilie Gourd]]
*[[Léonard Jenni]]
*[[Antoinette Quinche]]
*[[Emilie Lieberherr]]
*[[Gertrud Heinzelmann]]
*[[Marthe Gosteli]]
*[[Iris von Roten]]

|

*[[Heinrich Häberlin]]
*[[Jakob Bircher]]
*[[Emma Rufer]]
*[[Dora Wipf]]


== Auswahl beteiligter Personen ==
{| border="0" cellspacing="5"
! Befürworter
! Gegner
|-
|
----
|
----
|- style="vertical-align:top"
|
* [[Marcel Beck]] (1971)
* [[Marie Goegg-Pouchoulin]]
* [[Marthe Gosteli]]
* [[Emilie Gourd]]
* [[Gertrud Heinzelmann]]
* [[Carl Hilty]]
* [[Léonard Jenni]]
* [[Elisabeth Kopp]]
* [[Emilie Lieberherr]]
* [[Antoinette Quinche]]
* [[Julie von May von Rüed]]
* [[Helene von Mülinen]]
* [[Elisabeth Pletscher]]
* [[Iris von Roten]]
* [[Peter von Roten]]
* [[Meta von Salis|Meta von Salis-Marschlins]]
* [[Gertrud Spiess]]
* [[Clara Stockmeyer]]
* [[Paul Zenhäusern]]
|
* [[Franz Arnold (Politiker)|Franz Arnold]]
* Marcel Beck (1959)
* [[Jakob Bircher]]
* [[Heinrich Häberlin]]
* [[Gertrud Haldimann]]
* Verena Keller
* [[Emil Rahm (Publizist)|Emil Rahm]]
* [[Emma Rufer]]
* [[Josephine Steffen]]
* [[Dora Wipf]]
|}
|}


== 50 Jahre nach 1971 ==
==Parteien==
[[Datei:Foto vom Bundeshaus "Hommage 2021" 50 Jahre Frauenstimmrecht.jpg|mini|50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz: Fahnen zur Erinnerung am Bundeshaus vom 6. Februar 2021]]
{| width="100%" border="0" cellspacing="5"
Im Jahr 2021 wurde der historischen Abstimmung von 1971 in vielfältiger Form gedacht.<ref>{{Internetquelle |url=https://ch2021.ch/ |titel=CH2021 – 50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz |abruf=2021-02-06}}</ref> So beispielsweise mit einer Ausstellung namens ''Hommage 2021'' in der Altstadt von Bern mit 52 Porträts von Frauen aus allen Kantonen.<ref>{{Internetquelle |url=https://hommage2021.ch/ |titel=50 Jahre Frauenstimm- und Wahlrecht |werk=hommage2021.ch |abruf=2021-02-06}}</ref><ref>Antonia Kleikamp: [https://www.welt.de/geschichte/article225798387/Schweiz-Liebesstreik-fuer-das-Frauenwahlrecht.html ''Entschied ein „Liebesstreik“ zugunsten des Frauenwahlrechts?''] [[Die Welt#Online-Ausgabe|WELT Online]], 7. Februar 2021, abgerufen am 11. Februar 2021.</ref> Ebenso erschienen Buchpublikationen zum Thema.<ref> {{Internetquelle |url=https://www.limmatverlag.ch/programm/titel/889-50-jahre-frauenstimmrecht.html |titel=50 Jahre Frauenstimmrecht |hrsg=[[Limmat Verlag]] |abruf=2024-10-18}}</ref> Wegen der damaligen Ansteckungsgefahr durch [[COVID-19-Pandemie in der Schweiz|Covid-19]] konnten jedoch viele Veranstaltungen nicht wie geplant stattfinden.<ref>{{Internetquelle |url=https://hommage2021.ch/aktuell/ausstellungseroeffnung-und-verschiebung-projektion |titel=Ausstellungseröffnung und Verschiebung Projektion |hrsg=Hommage2021 |abruf=2021-02-06}}</ref> Im Frühling 2023 konnte die vom Verein «Hommage2021» erstellte Projektion schliesslich im Rahmen einer Ausstellung im Zürcher [[Landesmuseum]] einem grösseren Publikum vorgeführt werden.<ref> {{Internetquelle |url=https://www.landesmuseum.ch/hommage2021 |titel=Kraftakt Frauenstimm- und Wahlrecht |hrsg=[[Landesmuseum Zürich]] |datum=2023-02-09 |abruf=2024-10-18}}</ref>
| &nbsp; || '''Pro''' || '''Contra'''
|- valign="top"
| '''1959''' ||


== Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene ==
*Landesring der Unabhängigen ([[LDU]])
Bei Einführung des eidgenössischen Frauenstimmrechts (7. Februar 1971) hatten neun Kantone bereits ein kantonales Frauenstimmrecht eingeführt, etliche weitere folgten in den Jahren 1971 und 1972.<ref>{{Literatur |Hrsg=Eidg. Kommission für Frauenfragen |Titel=Frauen Macht Geschichte. Zur Geschichte der Gleichstellung in der Schweiz 1848–2000 |Ort=Bern |Datum=2001 |Kapitel=Kapitel 2.2: ''Politische Teilrechte für Frauen in Kantonen und Gemeinden'' |Online=[http://www.ekf.admin.ch/dokumentation/00444/00517/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCDdH59gGym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A-- PDF] |Abruf=2016-04-17}} {{Webarchiv |url=http://www.ekf.admin.ch/dokumentation/00444/00517/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCDdH59gGym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A-- |text=PDF |wayback=20160417154532}}</ref> Bei seiner Gründung am 1. Januar 1979 nahm [[Kanton Jura|Jura]] das Frauenstimmrecht mit (vorher Teil des Kantons Bern). Appenzell Innerrhoden war der letzte Kanton, in dem das Frauenstimmrecht eingeführt worden ist, und zwar erst mit dem [[Frauenstimmrecht-Entscheid]] des Bundesgerichts, gegen den Willen der (männlichen) Stimmbürger an der Landsgemeinde vom 29. April 1990.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.srf.ch/play/tv/redirect/detail/6a92710c-30a2-4b8b-b9bc-c8d75e3f6a44 |titel=Die Appenzeller Landsgemeinde 1990 – TV-Beitrag von SRF |werk=Schweizer Radio und Fernsehen |datum=1990-04-29 |abruf=2021-04-28}}</ref> Die bestehende kantonale Regelung wurde erstmals als Verstoss gegen die Bundesverfassung erklärt.<ref name="Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts" />
*Sozialdemokratische Partei der Schweiz ([[Sozialdemokratische Partei der Schweiz|SPS]])
*Partei der Arbeit ([[Partei der Arbeit der Schweiz|PdA]])

|

*Bauern und Gewerbepartei BGB (die spätere [[Schweizerische Volkspartei|SVP]])


{| class="wikitable"
|+Chronologische Entwicklung der Einführung des kantonalen Frauenstimmrechts
!Datum
! style="text-align:left"|Kantone
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|-
|style="text-align:right"| 1. Februar 1959||[[Kanton Waadt|Waadt]]
| &nbsp;
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| colspan="2" | (Die anderen Parteien erteilten ihren Mitgliedern Stimmfreigabe und gaben keine Abstimmungsparole heraus.)
|style="text-align:right"|27. September 1959||[[Kanton Neuenburg|Neuenburg]]
|- valign="top"
|-
| '''1971''' ||
|style="text-align:right"|6. März 1960||[[Kanton Genf|Genf]] (Die erste Frau im Kanton Genf, die von ihrem passiven Wahlrecht Gebrauch machte, war [[Renée Pellet]]. Sie wurde 1960 zur stellvertretenden Bürgermeisterin von [[Meyrin]] gewählt. Sie war die erste Frau, die in der Schweiz ein Exekutivamt übernahm.)
*Freisinnig Demokratische Partei ([[Freisinnig-Demokratische Partei|FDP]])
|-
*Sozialdemokratische Partei der Schweiz ([[Sozialdemokratische Partei der Schweiz|SPS]])
|style="text-align:right"|26. Juni 1966||[[Kanton Basel-Stadt|Basel-Stadt]]
*Christlichdemokratische Volkspartei ([[Christlichdemokratische Volkspartei|CVP]], ehem. Katholisch-Konservative)
|-
*Bauern- und Gewerbepartei (BGB, heutige [[Schweizerische Volkspartei|SVP]])
|style="text-align:right"| 23. Juni 1968||[[Kanton Basel-Landschaft|Basel-Landschaft]]
*Landesring der Unabhängigen ([[LdU]])
|-
*Evangelische Volkspartei ([[EVP (Schweiz)|EVP]])
|style="text-align:right"| 19. Oktober 1969||[[Kanton Tessin|Tessin]]

|-
Keine Parteien, aber ebenfalls einflussreich:<br>
|style="text-align:right"| 12. April 1970||[[Kanton Wallis|Wallis]]
*[[Schweizerischer Gewerkschaftsbund]] (SGB)
|-
*[[Schweizerischer Bauernverband]]
|style="text-align:right"| 25. Oktober 1970||[[Kanton Luzern|Luzern]]
||
|-
*keine
|style="text-align:right"| 15. November 1970||[[Kanton Zürich|Zürich]]
|- style="background:#EAECF0;"
|style="text-align:right"|7. Februar 1971||Einführung auf Bundesebene
|-
|style="text-align:right"|7. Februar 1971||[[Kanton Aargau|Aargau]], [[Kanton Freiburg|Freiburg]], [[Kanton Schaffhausen|Schaffhausen]], [[Kanton Zug|Zug]]
|-
|style="text-align:right"|2. Mai 1971||[[Kanton Glarus|Glarus]]<ref>{{Webarchiv |url=http://www.ekf.admin.ch/themen/00501/00554/00555/00556/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1acy4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCDdH59gGym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A-- |text=Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen in Kantonsangelegenheiten |wayback=20150923234657}}</ref> (an der Landsgemeinde)
|-
|style="text-align:right"| 6. Juni 1971||[[Kanton Solothurn|Solothurn]]
|-
|style="text-align:right"| 12. Dezember 1971||[[Kanton Bern|Bern]] (auch der ab dem 1. Januar 1979 von Bern abgespaltene [[Kanton Jura|Jura]]), [[Kanton Thurgau|Thurgau]]
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|style="text-align:right"| 23. Januar 1972||[[Kanton St. Gallen|St. Gallen]]
|-
|style="text-align:right"| 30. Januar 1972||[[Kanton Uri|Uri]]
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|style="text-align:right"|5. März 1972||[[Kanton Schwyz|Schwyz]], [[Kanton Graubünden|Graubünden]]
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|style="text-align:right"| 30. April 1972||[[Kanton Nidwalden|Nidwalden]] (an der Landsgemeinde)
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|style="text-align:right"| 24. September 1972||[[Kanton Obwalden|Obwalden]]
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|style="text-align:right"| 30. April 1989||[[Kanton Appenzell Ausserrhoden|Appenzell Ausserrhoden]] (an der Landsgemeinde)
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|style="text-align:right"| 27. November 1990||[[Kanton Appenzell Innerrhoden|Appenzell Innerrhoden]] ([[Frauenstimmrecht-Entscheid]] des [[Bundesgericht (Schweiz)|Bundesgerichts]])
|}
|}


== Film ==
==Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene==
* Dokumentarfilm „[[Männer im Ring]]“ (Schweiz 1990, Regie: [[Erich Langjahr (Regisseur)|Erich Langjahr]])
Bei Einführung des eidgenössischen Frauenstimmrechts hatten einige Kantone bereits ein kantonales
* Filmdrama „[[Die göttliche Ordnung]]“ (Schweiz 2017, Regie: [[Petra Volpe]])
Frauenstimmrecht eingeführt, die meisten folgten jedoch in den Jahren 1971 und 1972 (Details siehe [http://www.frauenkommission.ch/pdf/d_2_2_politik.pdf]).
* Dokumentarfilm „Das katholische Korsett – oder der mühevolle Weg zum Frauenstimmrecht“ über die Innerschweiz (Schweiz 2021, Regie: [[Beat Bieri]] & Jörg Huwyler)


== Literatur ==
* 1. Februar 1959 – [[Kanton Neuenburg|Neuenburg]] und [[Waadt]]
* Eidgenössische Kommission für Frauenfragen (Hrsg.): ''Frauen Macht Geschichte. Frauen- und gleichstellungspolitische Ereignisse in der Schweiz 1848–1998''. EDMZ, Bern 2001. Online: {{webarchiv|url=http://www.ekf.admin.ch/dokumentation/00444/00517/index.html|wayback=20141110194949|text=''Frauen Macht Geschichte 1848–2000''}}.
* 6. März 1960 – [[Kanton Genf|Genf]]
* Daniel Furter: ''«Die umgekehrten Suffragetten.» Die Gegnerinnen des Frauenstimmrechts in der Schweiz von 1958 bis 1971.'' Lizenziatsarbeit, Universität Bern, 2003. ([http://furter.net/downloads/Lizentiat_Die_Gegnerinnen_des_Frauenstimmrechts.pdf Digitalisat,] PDF; 924&nbsp;kB).
* 26. Juni 1966 – [[Basel-Stadt]]
* Eva Gschwind: ''50 Jahre Frauen im Basler Parlament.'' In: ''Basler Stadtbuch 2018.'' Hrsg. von der Christoph Merian Stiftung. Basel 2018, S. 1–13. ([https://www.baslerstadtbuch.ch/dossier/2018/2018-01.html Digitalisat]).
* 23. Juni 1968 – [[Basel-Landschaft]]
* Sibylle Hardmeier: ''Frühe Frauenstimmrechtsbewegung in der Schweiz (1890–1930) – Argumente, Strategien, Netzwerk und Gegenbewegung.'' Chronos, Zürich 1997, ISBN 3-905312-44-1.
* 19. Oktober 1969 – [[Tessin]]
* [[Peter Heim (Historiker)|Peter Heim]]: ''Die Anfänge der Frauenbewegung in Olten.'' In: ''Oltner Neujahrsblätter.'' Band 74, 2016, S. 30–33 ([https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=olt-001:2016:74#34 Digitalisat] in [[E-Periodica]]).
* 12. April 1970 – [[Wallis]]
* [[Werner Kägi (Rechtswissenschafter)|Werner Kägi]]: ''Der Anspruch der Schweizerfrau auf politische Gleichberechtigung. Gutachten.'' Polygraphischer Verlag, Zürich 1957.
* 15. November 1970 – [[Kanton Zürich|Zürich]]
* [[Beatrix Mesmer]]: ''Staatsbürgerinnen ohne Stimmrecht. Die Politik der schweizerischen Frauenverbände 1914–1971.'' Chronos, Zürich 2007, ISBN 3-0340-0857-0.
* 7. Februar 1971 – [[Aargau]], [[Kanton Freiburg|Freiburg]], [[Kanton Schaffhausen|Schaffhausen]], [[Kanton Zug|Zug]]
* [[Franziska Rogger]]: ''"Gebt den Schweizerinnen ihre Geschichte!" Marthe Gosteli, ihr Archiv und der übersehene Kampf ums Frauenstimmrecht.'' NZZ-Libro, Zürich 2015, ISBN 978-3-03-810006-5.
* 2. Mai 1971 – [[Kanton Glarus|Glarus]]
* Isabel Rohner; Irène Schäppi (Hrsg.): ''50 Jahre Frauenstimmrecht. 25 Frauen über Demokratie, Macht und Gleichberechtigung.'' Limmat Verlag, Zürich 2020, ISBN 978-3-85791-891-9.
* 6. Juni 1971 – [[Kanton Solothurn|Solothurn]]
* [[Regula Stämpfli]]: ''Mit der Schürze in die Landesverteidigung 1918–1945. Über Frauen, Politik und Militär.'' Orell Füssli, Zürich 2002, ISBN 3-280-02820-5.
* 25. Oktober 1971 – [[Kanton Luzern|Luzern]]
* Regula Stämpfli: ''Vom Stummbürger zum Stimmbürger. Ein Abc der Schweizer Politik.'' Orell Füssli, Zürich 2003, ISBN 3-280-05016-2.
* 12. Dezember 1971 – [[Kanton Bern|Bern]], [[Thurgau]]
* [[Brigitte Studer]]; Judith Wyttenbach: ''Frauenstimmrecht. Historische und rechtliche Entwicklung 1848–1971.'' Hier und Jetzt, Zürich 2021, ISBN 978-3-03919-540-4.
* 23. Januar 1972 – [[Kanton St. Gallen|St. Gallen]]
* {{HLS|10380|Frauenstimmrecht|Autor=Yvonne Voegeli}}
* 30. Januar 1972 – [[Uri]]
* Yvonne Voegeli: ''Zwischen Hausrat und Rathaus, Auseinandersetzungen um die politische Gleichberechtigung der Frauen in der Schweiz 1945–1971.'' Chronos, Zürich 1997, ISBN 3-905312-30-1.
* 5. März 1972 – [[Kanton Schwyz|Schwyz]], [[Graubünden]]
* Thomas Ernst Wanger: ''Vom Frauenstudium zum Frauenwahlrecht in der Schweiz und in Liechtenstein.'' In: ''Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung.'' Band 122, 2004, S.&nbsp;117–157. ([http://www.bodenseebibliotheken.eu/page?vgeb-j2004-t-A117 Digitalisat]).
* 30. April 1972 – [[Nidwalden]]
* {{Literatur
* 24. September 1972 – [[Obwalden]]
|Autor=Renate Wegmüller
* 20. März 1977 – [[Kanton Jura|Jura]] (direkt mit der Kantonsgründung, vorher seit 12. Dezember 1971 als Teil des Kantons Bern)
|Titel=«Die Frau gehört ins Haus» – Frauenstimmrecht und seine Hindernisse in der Schweiz und im Kanton Bern
* 30. April 1989 – [[Appenzell Ausserrhoden|Appenzell AR]] (an der Landsgemeinde)
|Verlag=Edition Soziothek
* 27. November 1990 – [[Appenzell Innerrhoden|Appenzell IR]] (durch Bundesgerichtsurteil)
|Ort=Bern

|Datum=2000
==Literatur==
|ISBN=3-905596-34-2

|Online={{Webarchiv |url=http://www.cx.unibe.ch/oefre/vfgeschichte/schweiz/Frauenstimmrecht.htm |text=«Die Frau gehört ins Haus» – Frauenstimmrecht und seine Hindernisse in der Schweiz und im Kanton Bern |wayback=20040826034632}}}}
*Sibylle Hardmeier: ''Frühe Frauenstimmrechtsbewegung in der Schweiz (1890–1930) – Argumente, Strategien, Netzwerk und Gegenbewegung''. Chronos, Zürich 1997.
* [[Susanna Woodtli]]: ''Gleichberechtigung. Der Kampf um die politischen Rechte der Frau in der Schweiz.'' Huber, Frauenfeld 1975 ([http://opac.nebis.ch/objects/pdf/z01_3-7193-0503-1_01.pdf Inhaltsverzeichnis]; PDF; 93&nbsp;kB); 2., ergänzte Auflage 1983 ([http://opac.nebis.ch/objects/pdf/z06_3-7193-0914-2_01.pdf Inhaltsverzeichnis]; PDF; 94&nbsp;kB).
*Werner Kägi: ''Der Anspruch der Schweizerfrau auf politische Gleichberechtigung.'' Zürich 1957.
*Yvonne Vögeli: ''Zwischen Hausrat und Rathaus, Auseinandersetzungen um die politische Gleichberechtigung der Frauen in der Schweiz 1945–1971.'' Chronos, Zürich, 1997.
*Dokumentationsmappe Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen: Frauen Macht Geschichte, Frauen- und gleichstellungspolitische Ereignisse in der Schweiz 1848–1998, Bern 1999. Die Mappe [http://www.frauenkommission.ch/geschichte_chronik_d.htm steht auch als PDF-Datei zur Verfügung].


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Women's suffrage in Switzerland|Frauenstimmrecht in der Schweiz}}

{{Wiktionary|Frauenstimmrecht}}
{{Wiktionary|Frauenstimmrecht}}
*[http://www.gosteli-foundation.ch/ Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung]
* [https://www.gosteli-foundation.ch/ Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung]
* [https://www.ekf.admin.ch/ekf/de/home/suche.html#frauenstimmrecht Schweizer Frauenstimmrecht], Eidgenössische Kommission für Frauenfragen EKF
*[http://www.cx.unibe.ch/oefre/vfgeschichte/schweiz/Frauenstimmrecht.htm «Die Frau gehört ins Haus» – Frauenstimmrecht und seine Hindernisse in der Schweiz und im Kanton Bern]
* {{Webarchiv |url=http://www.wissen.sf.tv/Dossiers/Historisch/Frauenstimmrecht%23!videos |text=Dossier: Frauenstimmrecht. |archive-is=20130418183340}} Viele Videos zum Thema im Dossier auf SF Wissen
*[http://www.cx.unibe.ch/oefre/vfgeschichte/schweiz/StimmrechtFrauen.htm Die Geschichte des politischen Stimmrechts der Frauen in der Schweiz seit der Französischen Revolution bis zum Ersten Weltkrieg]
* Benedikt Meyer: [https://blog.nationalmuseum.ch/2020/06/frauenstimmrecht/ ''Endlich!''] Im Blog des [[Schweizerisches Nationalmuseum|Schweizerischen Nationalmuseums]] vom 1. Juni 2020
*[http://www.lexhist.ch/externe/protect/textes/d/D10380.html Artikel ''Frauenstimmrecht''] im [[Historisches Lexikon der Schweiz|Historischen Lexikon der Schweiz]]
* Kristina Schulz: [https://blog.nationalmuseum.ch/2021/02/langer-weg-zum-frauenstimmrecht/ ''Der lange Weg zum Frauenstimmrecht.''] Im Blog des [[Schweizerisches Nationalmuseum|Schweizerischen Nationalmuseums]] vom 3. Februar 2021

;Audio und Video
'''''Bemerkung zu den Quellen:''''' <small>Die meisten Zitate in diesem Artikel wurden aus den letzten beiden verlinkten Seiten der Universität Bern entnommen, stammen jedoch ursprünglich aus öffentlich zugänglichen Quellen wie Staatsarchiven und Pressearchiven.<br />
* ''[https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/50-jahre-frauenstimmrecht-mehr-soziales-und-umweltschutz-weniger-militaer 50 Jahre Frauenstimmrecht.]'' In: ''SRF.'' Abgerufen am 3. Februar 2021.
Die Bilder stammen aus der Pressemappe des Zürcher Staatsarchivs zum 150jährigen Bestehen der Eidgenossenschaft und sind öffentlich.</small><!-- was heisst denn öffentlich? -->
* [https://www.srf.ch/audio/zeitblende/kampf-ums-frauenstimmrecht-1971-war-es-klar-dass-wir-gewinnen?id=11926042 ''Kampf ums Frauenstimmrecht: «1971 war es klar, dass wir gewinnen».''] In: ''Zeitblende'' von ''[[Schweizer Radio und Fernsehen]]'' vom 6. Dezember 2021 (Audio)

* [https://www.srf.ch/audio/zeitblende/1968-katalysator-fuer-die-frauenbewegung?id=11322320 ''1968: Katalysator für die Frauenbewegung.''] In: ''Zeitblende'' von ''[[Schweizer Radio und Fernsehen]]'' vom 5. Mai 2018 (Audio)
* [https://www.srf.ch/audio/zeitblende/der-erste-frauenstreik-der-schweiz?id=12428176 ''Der erste Frauenstreik der Schweiz.''] In: ''Zeitblende'' von ''[[Schweizer Radio und Fernsehen]]'' vom 27. Juli 2023 (Audio)
* [https://www.srf.ch/audio/tagesgespraech/der-lange-weg-zum-frauenstimmrecht-in-der-schweiz?id=12633194 ''Der lange Weg zum Frauenstimmrecht in der Schweiz, Teil 1.''] In: ''Tagesgespräch'' von ''[[Schweizer Radio und Fernsehen]]'' vom 30. Juli 2024 (Audio, original Tondokumente)
* [https://www.srf.ch/audio/tagesgespraech/der-lange-weg-zum-frauenstimmrecht-in-der-schweiz?id=12633794 ''Der lange Weg zum Frauenstimmrecht in der Schweiz, Teil 2.''] In: ''Tagesgespräch'' von ''[[Schweizer Radio und Fernsehen]]'' vom 31. Juli 2024 (Audio, original Tondokumente)


== Einzelnachweise ==
{{Exzellent}}
<references>
<ref name="Frauennet">
{{Internetquelle
|url=http://www.frauennet.ch/index.php/frauen-bewegung/29-frauenstimmrecht-und-frauenbewegung
|titel=Frauenstimmrecht und Frauenbewegung
|werk=FRAUENNET.ch
|offline=1
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|archiv-datum=2016-04-17
|archiv-bot=2023-05-04 22:05:25 InternetArchiveBot
|abruf=2016-04-17}}
</ref>
</references>


{{Lesenswert|26. Dezember 2010|83056867}}
[[Kategorie:1971]]
[[Kategorie:Politik (Schweiz)]]
[[Kategorie:Schweizerische Frauengeschichte|!]]


[[Kategorie:Öffentliches Recht (Schweiz)]]
[[fr:Suffrage féminin en Suisse]]
[[Kategorie:Schweizerische Frauengeschichte|Stimm- und Wahlrecht]]
[[Kategorie:Schweizerische Politikgeschichte]]
[[Kategorie:Eidgenössische Volksabstimmung]]
[[Kategorie:Politik 1971]]
[[Kategorie:Schweizerische Geschichte (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Rechtsgeschichte (Schweiz)]]

Aktuelle Version vom 22. April 2025, 10:54 Uhr

Erster Frauenstimmtag in kirchlichen Angelegenheiten 1964 im Kanton Zürich[1]

Das Frauenstimmrecht in der Schweiz (Stimm- und Wahlrecht) auf Bundesebene wurde durch eine eidgenössische Volksabstimmung allein des männlichen Teils der Bevölkerung am 7. Februar 1971 eingeführt. Die Schweiz war somit eines der letzten europäischen Länder, welche ihrer weiblichen Bevölkerung die vollen Bürgerrechte zugestanden. Formell wurde das Frauenwahlrecht am 16. März 1971 in der Schweiz wirksam.

Auf kantonaler Ebene waren 1959 die Waadt und Neuenburg sowie 1960 Genf die ersten Kantone, die das Frauenstimmrecht einführten. Bis zur Einführung in allen Kantonen vergingen allerdings nach der Einführung auf Bundesebene noch weitere zwanzig Jahre: Am 27. November 1990 gab das Bundesgericht einer Klage von Frauen aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden Recht und bestätigte damit die Verfassungswidrigkeit der Innerrhoder Kantonsverfassung in diesem Punkt.[2] So führte Appenzell Innerrhoden als letzter Kanton das Stimmrecht für Frauen auf kantonaler Ebene ein, entgegen einem Mehrheitsentscheid der Männer an der Landsgemeinde am 29. April 1990.

Der Hauptgrund für die vergleichsweise späte Umsetzung liegt im politischen System der Schweiz. Vorlagen, welche die Bundes- oder die Kantonsverfassung betreffen, bedürfen zwingend der Zustimmung durch das stimmberechtigte Volk, wogegen das Frauenstimmrecht in den anderen Staaten durch Parlamentsbeschluss verwirklicht werden konnte. Um das Stimmrecht auf den verschiedenen Ebenen einführen zu können, bedurfte es damit jeweils der Mehrheit der stimmberechtigten Männer.

18. und 19. Jahrhundert: Erste Frauenorganisationen

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Marie Goegg-Pouchoulin
Meta von Salis (um 1895)

Die Französische Revolution von 1789 wurde allgemein als Beginn der Frauenrechtsbewegung angesehen, so auch in der Schweiz. In der ersten Bundesverfassung von 1848 wurde die Rechtsgleichheit erklärt: «Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich. Es gibt in der Schweiz keine Unterthanenverhältnisse, keine Vorrechte des Orts, der Geburt, der Familie oder Personen.» Frauen wurden nicht erwähnt, weder explizit in diesen Gleichheitsartikel ein- noch ausgeschlossen.[3][4] In der Gesetzgebung ergab sich jedoch, dass Frauen zu den Männern in ein Untertanenverhältnis gestellt wurden. Gesetze, die ein partielles Frauenstimmrecht auf kommunaler Ebene vorsahen wie im Kanton Bern, wurden im 19. Jahrhundert nach und nach zugunsten des alleinigen Männerstimmrechts revidiert.[5]

In den Jahren von 1860 bis 1874 organisierten sich Schweizer Frauen erstmals zur Schweizer Frauenbewegung. Sie forderten zivilrechtliche und politische Gleichstellung für die geplante erste Revision der Bundesverfassung. Im Jahr 1874 wurde die erste Totalrevision der Bundesverfassung vom Stimmvolk angenommen. Obwohl es im Vorfeld grosse Diskussionen für und gegen die politischen Rechte der Frauen gab, kamen auch in der neuen Verfassung keine Frauen vor.

1886 reichten 139 Frauen unter Führung der Frauenrechtlerin Marie Goegg-Pouchoulin ihre erste Petition an das Parlament ein. Diese Aktion erregte so viel Aufmerksamkeit, dass Anfang des folgenden Jahres die Forderungen der Frauen erstmals den Weg in eine Tageszeitung fanden. In ihrem Artikel Ketzerische Neujahrsgedanken einer Frau[6] in der Züricher Post machte Meta von Salis auf sich und auf die Ansprüche der Frauen aufmerksam. Neben den fehlenden politischen und zivilen Rechten kritisierte sie die bestehende «Ungleichheit vor dem Richter». Im selben Jahr forderte Emilie Kempin-Spyri, die erste Schweizer Juristin, die Zulassung zum Anwaltsberuf und scheiterte vor dem Bundesgericht.

Während des Jahres 1894 bereiste Meta von Salis das Land und hielt in allen grösseren Städten Vorträge zum Thema «Frauenstimmrecht und die Wahl der Frau». Ihre Referate waren schlecht besucht, und an einigen Orten wurde sie ausgepfiffen, sie liess sich davon aber nicht entmutigen. Im selben Jahr fand in Chicago die erste Internationale Frauenausstellung statt, die über die Stellung der Frau in den verschiedenen Ländern informieren sollte.

Zwei Jahre später, 1896, wurde in Genf der Erste Nationale Frauenkongress organisiert. Erstmals wurden die Frauen als einflussreiche Gruppierung ernst genommen, und mehrere männliche Redner riefen sie dazu auf, «Verbündete der Männer zu sein und nicht deren Feindinnen» – und sich doch bitte etwas zurückzuhalten mit ihren Forderungen. Als Folge dieses Kongresses wurde die erste Parlamentarische Kommission mit dem Ziel, die «Frauenfrage» zu untersuchen, gegründet.

Im Jahr 1897 schrieb Carl Hilty seinen Aufsatz zum Frauenstimmrecht:

«Die Freiheit besteht wesentlich darin, dass man an der Gesetzgebung teilnimmt; alles andere ist eine Gewährung von Rechten, die auf dem guten Willen eines Dritten beruht und deshalb eine sehr zweifelhafte Errungenschaft. Wir betrachten also unsererseits das Frauenstimmrecht als den praktischen Kern der Frauenfrage.»

1900–1959: Vorstösse und Widerstände

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Um die Jahrhundertwende organisierten sich Frauen im ganzen Land und bildeten verschiedene Frauenvereine für sowie gegen das Frauenstimmrecht. Die beiden wichtigsten waren der Bund Schweizerischer Frauenvereine (BSF) unter der Leitung von Helene von Mülinen und der Schweizerische Verband für Frauenstimmrecht (SVF).

In der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich wurde 1905 das passive Wahlrecht auch für Frauen eingeführt, 1909 in der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Waadt das vollständige kirchliche Frauenstimmrecht. Schon 1891 war das Frauenstimmrecht in der Église Évangélique Libre de Genève eingeführt worden, einer pietistischen Freikirche, die sich 1849 von der Landeskirche abgespalten hatte.[7]

Während des Ersten Weltkrieges kam die Bewegung ins Stocken, weil wichtigere Probleme im Vordergrund standen. Unter anderem leisteten die Frauenverbände die gesamte Sozialfürsorge während des Krieges, da die Schweiz zu diesem Zeitpunkt noch keine Sozialversicherungen kannte.

Beim Landesstreik von 1918 war das Frauenstimmrecht die zweite von neun Forderungen. Im Dezember wurden zwei erste Vorstösse für das Frauenstimmrecht auf eidgenössischer Ebene durch die Nationalräte Herman Greulich (SP) und Emil Göttisheim (FDP) gemacht. In zwei Motionen wurde der Bundesrat aufgefordert, «Bericht und Antrag einzubringen über die verfassungsmässige Verleihung des gleichen Stimmrechts und der gleichen Wählbarkeit an die Schweizerbürgerinnen wie an die Schweizerbürger».

Ein halbes Jahr später, im Juni 1919, reichten 158 Frauenverbände eine Petition ein, um den beiden Motionen mehr Gewicht zu verleihen. In der Folge wurden die Motionen Greulich und Göttisheim vom Nationalrat angenommen und zur Ausführung an den Bundesrat überwiesen. Der zuständige Bundesrat Heinrich Häberlin (FDP) schob die Behandlung jedoch wegen «dringenderer Probleme» auf. 15 Jahre später, 1934, übergab Häberlin das unerledigte Geschäft seinem Nachfolger mit dem Hinweis: «Das Material für das Frauenstimmrecht liegt in der mittleren Schublade rechts Deines Schreibtisches».[8]

In den Jahren ab 1919 fanden in mehreren Kantonen Abstimmungen zur zumindest partiellen Einführung des Frauenstimmrechts auf kantonaler Ebene statt. Die Vorlagen wurden überall mit grossen Mehrheiten abgelehnt, so beispielsweise im Kanton Zürich, wo die Stimmbürger 1923 ein Gesetz verwarfen, das den Frauen das Wahlrecht in Kirchen-, Schul- und Armenpflegen geben wollte.[7] Der Zweite Nationale Frauenkongress von 1921 in Bern verlief ereignislos. Für einmal stand nicht das Frauenstimmrecht, sondern die Berufstätigkeit und Erwerbsarbeit im Vordergrund.

Eine Gruppe von Bernerinnen reichte 1923 eine staatsrechtliche Beschwerde ein. Sie wollten ihr «Stimmrecht in Gemeinde-, Kantons- und Bundesangelegenheiten ausüben», wurden jedoch vom Bundesgericht unter Berufung auf das Gewohnheitsrecht abgelehnt.

Fünf Jahre später, 1928, wendete sich Léonard Jenni mit einer Petition an den Bundesrat und wies darauf hin, dass der Begriff «Stimmbürger» in der deutschen Sprache Menschen beiderlei Geschlechtes beinhalte. Das Gesuch wurde mit folgender Begründung abgelehnt:

«Wenn man nun behauptet, dass der Begriff auch die Schweizer Frauen in sich schliessen sollte, so überschreitet man die Grenzen der zulässigen Interpretation und begeht damit einen Akt, der dem Sinne der Verfassung widerspricht. […] Die Beschränkung des Stimmrechts auf die männlichen Schweizer Bürger ist ein fundamentaler Grundsatz des eidgenössischen öffentlichen Rechts.»[9]

Im Sommer des Jahres fand die Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit (SAFFA) statt. Im Umzug fuhr ein denkwürdiger Wagen mit: eine Schnecke namens «Frauenstimmrecht». Die Organisatorinnen wurden für die Schnecke stark kritisiert, und einige Kritiker sahen diese gar als Zeichen für die politische Unreife der Frauen.

Der SVF lancierte 1929 unter der Leitung von Annie Leuch-Reineck eine neue Petition[10] für das Frauenstimmrecht und erreichte diesmal eine Rekordzahl von Unterschriften, die sogar die geforderte Anzahl Unterschriften für eine Volksinitiative überschritt: 170'397 Unterschriften von Frauen und 78'840 Unterschriften von Männern. Der Katholische Frauenbund distanzierte sich explizit von den Forderungen der anderen Frauenverbände. Auch andere gegnerische Organisationen reagierten, und 1931 nahm die Schweizer Liga gegen das politische Frauenstimmrecht mit einer Eingabe an den Bundesrat «Stellung gegen die Verpolitisierung der Schweizerfrauen». Immer wieder schrieben die Frauen und Männer der Liga, allen voran Emma Rufer, an den Bundesrat und das Parlament und baten sie inständig, von dem Thema abzulassen:

«Die Theorie der politischen Gleichstellung der beiden Geschlechter ist eine vom Ausland importierte Idee. An der Spitze der Frauenstimmrechtsbewegung in der Schweiz steht denn heute auch eine ursprüngliche Ausländerin.
Wir halten dafür, dass in diesen wichtigen Sachen eigentlich nur gebürtige Schweizerinnen den richtigen Einblick haben können; Leute also, die mit dem Wesen unserer Demokratie und unseres Volkes ganz vertraut sind.»[11]

Während der 1930er- und frühen 1940er-Jahre wurden die Bemühungen um das Frauenstimmrecht einmal mehr von den internationalen Ereignissen wie der Weltwirtschaftskrise und dem Zweiten Weltkrieg überschattet. Mehrmals wurden die Frauen während dieser Jahre aufgefordert, die «Demokratie zu schützen», worauf die das Stimmrecht befürwortenden Frauenverbände antworteten, dazu müssten sie zuerst über demokratische Rechte verfügen. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges kam die Frage wieder auf, da insbesondere bürgerliche Frauen im Gegenzug zu ihrem Einsatz im militärischen Frauenhilfsdienst ihre demokratischen Rechte einforderten. Noch während des Krieges wurde das Aktionskomitee gegen das Frauenstimmrecht gegründet:

«Wir erblicken in der Beteiligung der Frau in Partei und Politik eine Gefahr für unsere Familien und für die Einigkeit der Frauen unter sich, die sich besonders in der sehr kritischen Zeit des Überganges vom Krieg zum Frieden ungünstig auswirken könnte.»[11]

Einen weiteren Dämpfer erhielt die Emanzipation der Frauen in der Schweiz in den 1930er Jahren durch den aufkommenden «Kampf gegen das Doppelverdienertum». So war es für verheiratete Frauen verpönt, weiter in ihrem Beruf tätig zu bleiben. In staatlichen Stellen war es sogar verboten, verheiratete Frauen zu beschäftigen, den Lehrerinnen oder Angestelltinnen der Post wurde mit der Heirat die Stelle gekündigt.[12]

1944 verlangte Nationalrat und SPS-Präsident Hans Oprecht in einem Postulat die Einführung des Frauenstimmrechts,[13] weil wichtige frauenpolitische Anliegen auf der politischen Tagesordnung standen: Alters- und Hinterlassenenversicherung, Mutterschaftsversicherung und Familienschutz. Das Postulat wurde vom BSF mit einer Eingabe vom 6. Februar 1945 im Namen von 38 Frauenverbänden unterstützt. Der Schweizerische Gemeinnützige Frauenverein äusserte sich nicht zu der Frage, der Schweizerische Katholische Frauenbund jedoch scherte erstmals aus der konservativen Linie der katholischen Kirche aus und erteilte seinen Mitgliedern Stimmfreigabe. 1945 wurde das Schweizerische Aktionskomitee für Frauenstimmrecht als meinungsbildendes Instrument gegründet. Der dritte Nationale Frauenkongress von 1946 brachte keine neuen Fortschritte.

Die Partei der Arbeit des Kantons Zürich reichte im Dezember 1945 eine Volksinitiative betreffend die politische Gleichberechtigung der Frauen ein, die dem Regierungsrat im März 1946 zur materiellen Antragstellung überwiesen, wegen anderer gleichlautender Beratungen im Parlament (v. a. die Initiative Nägeli, über die in der kantonalen Abstimmung am 30. November 1947 entschieden wurde)[14] aber nicht dem Kantonsrat weitergeleitet wurde. Erst im Mai 1954 wurde vom Regierungsrat unter Paul Meierhans über die Initiative der PdA berichtet und darüber im September 1954 im Kantonsrat unter Hans Pestalozzi beraten – beide Organe empfahlen in ihrer Stellungnahme die Ablehnung der Initiative. Sie gelangte am 5. Dezember 1954 vor das Stimmvolk und wurde (genau wie die Nägeli-Initiative sieben Jahre zuvor) verworfen.[15]

1948 wurden im ganzen Land Feiern zum 100-jährigen Bestehen der Bundesverfassung durchgeführt und die «Schweiz, ein Volk von Brüdern» gefeiert. Die Frauenverbände erklärten das Motto um zu einem «Volk von Brüdern ohne Schwestern» und überreichten dem Bundesrat symbolisch eine Europakarte mit einem schwarzen Fleck in der Mitte. Zu diesem Zeitpunkt hatten alle europäischen Demokratien ausser der Schweiz und Liechtenstein das Frauenwahlrecht eingeführt. Wie zuvor die SAFFA-Schnecke wurde diese symbolische Karte von Kritikern als Zeichen der politischen Unreife der Frauen interpretiert.

Im Jahr 1950 legte der Bundesrat einen Bericht an die Bundesversammlung über das für die Einführung des Frauenstimmrechts einzuschlagende Verfahren vor. 1951 wendete sich der Schweizerische Frauenkreis gegen das Frauenstimmrecht unter der Leitung von Dora Wipf mit einem Schreiben an den Bundesrat:

«Wir glauben also, dass wir guten Gewissens behaupten dürfen, die Mehrheit der Schweizerinnen zu vertreten, wenn wir Sie bitten, die Frage wohl zu erwägen, ob in der heutigen Zeit, da die Frau mit Pflichten aller Art stark belastet ist, man ihr die Übernahme weiterer grosser Pflichtenkreise noch zumuten darf. […] Wir glauben nicht, dass unser Land politisierende Frauen braucht, sondern Mütter, leibliche und geistige Mütter, die mithelfen, dass Hass und Misstrauen überwunden werden. Wir vertreten grundsätzlich den Standpunkt, dass die Einführung überhaupt abzulehnen sei.»[11]

Ein Jahr später, 1952, verlangten Antoinette Quinche, Präsidentin des «Schweizerischen Aktionskomitees für das Frauenstimmrecht», und 1414 Mitstreiterinnen von ihren Gemeinden die Eintragung ins Stimmregister. Mit dem Argument, die jeweiligen Kantonsverfassungen würden Frauen nicht explizit vom Stimmrecht ausschliessen, gingen sie mit ihrer Forderung bis vor Bundesgericht. Wie bereits 1923 wurden sie unter Berufung auf das «Gewohnheitsrecht» abgewiesen.

Frauendenkmal in Unterbäch
Katharina Zenhäusern (1919–2014)

1957 fand eine Volksabstimmung statt, durch welche der Zivilschutzdienst für alle Schweizer Frauen obligatorisch werden sollte. Während der Abstimmung ereignete sich ein Skandal: Die Frauen der Walliser Gemeinde Unterbäch gingen – unterstützt vom Gemeinderat – abstimmen. Der Gemeinderat erklärte, dass laut Verfassung die Gemeinden gesetzlich zuständig seien, um die Stimmregister aufzustellen. Gemeindepräsident und Grossrat Paul Zenhäusern und der Walliser Nationalrat Peter von Roten waren die Initiatoren der Frauenabstimmung. Daran beteiligten sich 33 der 84 potentiell stimmberechtigten Unterbächer Frauen; Katharina Zenhäusern, Ehefrau des Gemeindepräsidenten von Unterbäch, war die erste Schweizerin überhaupt, die eine Stimmkarte in eine helvetische Abstimmungsurne legte. Die Frauenstimmen, die in einer separaten Urne gesammelt wurden (die Männerstimmen blieben so gültig), mussten annulliert werden, da die Frauenbeteiligung damals noch keine rechtliche Grundlage hatte. Trotzdem schrieb diese erste eidgenössische Abstimmung, an der sich Frauen beteiligten, Schweizer Geschichte, weil sie einen wichtigen Anstoss für die spätere offizielle Einführung des Frauenstimmrechtes gab.[16][17]

Zur gleichen Abstimmung über die Zivilschutz-Dienstpflicht von Frauen (1957) liess auch die Gemeinde Niederdorf BL die Frauen konsultativ abstimmen, nachdem der Gemeinderat nach zähem Ringen dem Vorschlag des Gemeindepräsidenten Willy Buser 3:2 gefolgt war. Dank dem Dorf-Archivar Paul Roth existiert mittlerweile auch ein kleiner Dokumentarfilm dazu.[18]

Ebenso 1957 führte Unterbäch, als erste Gemeinde der Schweiz, das kommunale Wahl- und Stimmrecht für Frauen ein – trotz Verbot durch den Walliser Staatsrat.

Nachdem der Kanton Basel-Stadt 1957 die drei Bürgergemeinden zur Einführung des Frauenstimmrechts ermächtigt hatte, führte die Bürgergemeinde Riehen am 26. Juni 1958 als erste in der Schweiz das Frauenstimmrecht ein.[19] Im selben Jahr wurde Gertrud Späth-Schweizer in den Bürgerrat und damit als erste Schweizerin in eine politische Körperschaft gewählt.[20]

1958 votierte das Bundesparlament erstmals für die Abhaltung einer Volksabstimmung über die Einführung des Frauenstimmrechts in eidgenössischen Angelegenheiten, der Antrag des Bundesrates wurde im Nationalrat mit 96 : 43 Stimmen und im Ständerat mit 25 : 12 Stimmen angenommen.

Im gleichen Jahr fand einerseits die Zweite Schweizerische Ausstellung zur Frauenarbeit SAFFA statt, andererseits erschien das umstrittene Buch Frauen im Laufgitter von Iris von Roten. Verschiedene Seiten sahen den Grund für das Scheitern der Abstimmung von 1959 in dieser Publikation. Nachdem sich die Westschweizer und Deutschschweizer Sektionen der Katholischen Frauenvereine für das Frauenstimmrecht ausgesprochen hatten, gab der SKF die Ja-Parole für die geplante Abstimmung heraus und propagierte das Frauenstimmrecht in den katholischen Organisationen.

Kurz vor der Abstimmung formierte sich eine neue gegnerische Organisation, das Schweizerische Aktionskomitee gegen die Verfassungsvorlage über die Einführung des Frauenstimmrechts im Bund, das argumentierte:

«Die Vorlage missachtet mit der blossen Kopierung ausländischer Wahlrechtsverhältnisse die Besonderheiten unserer direkten Referendumsdemokratie, in welcher der Stimmbürger nicht nur wählt, sondern dauernd über oft recht schwierige Sachfragen entscheiden muss.»[11]

Eidgenössische Volksabstimmung 1959

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Ergebnisse der Volksabstimmung vom 1. Februar 1959 zur Einführung des Frauenstimmrechts

Am 1. Februar 1959 scheiterte die erste Volksabstimmung über das eidgenössische Frauenstimmrecht mit einer Stimmbeteiligung von 67 Prozent am Volks- (33 Prozent : 67 Prozent) und Ständemehr (3 : 16 + 6/2 Kantone).[21] Protestaktionen und Frauenstreiks in der ganzen Schweiz waren die Folge. Einzig in den welschen Kantonen Waadt, Neuenburg und Genf sprach sich eine Mehrheit für das Frauenstimmrecht aus. Für die Annahme ausgesprochen hatte sich die SP, die PdA sowie der LdU, dagegen ausgesprochen hatte sich die BGB (der später die SVP hervorging). Die CVP und die FDP hatten die Stimmfreigabe beschlossen.[22]

  • Ja (3 0/2 Stände)
  • Nein (16 6/2 Stände)
  • Abstimmungsresultate pro Kanton[23]
    Kanton Ja (%) Nein (%) Beteiligung (%)
    Kanton Aargau Aargau 22,8 77,2 84,9
    Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell Ausserrhoden 15,5 84,5 73,4
    Kanton Appenzell Innerrhoden Appenzell Innerrhoden 4,9 95,1 60,3
    Kanton Basel-Landschaft Basel-Landschaft 37,3 62,7 63,1
    Kanton Basel-Stadt Basel-Stadt 46,8 53,2 54,4
    Kanton Bern Bern 35,5 64,5 62,2
    Kanton Freiburg Freiburg 29,8 70,2 58,7
    Kanton Genf Genf 60,0 40,0 45,0
    Kanton Glarus Glarus 19,1 80,9 70,7
    Kanton Graubünden Graubünden 22,4 77,6 67,8
    Kanton Luzern Luzern 21,3 78,7 69,9
    Kanton Neuenburg Neuenburg 52,2 47,8 64,4
    Kanton Nidwalden Nidwalden 19,5 80,5 71,8
    Kanton Obwalden Obwalden 14,3 85,7 62,6
    Kanton Schaffhausen Schaffhausen 31,9 68,1 86,6
    Kanton Schwyz Schwyz 14,2 85,8 65,6
    Kanton Solothurn Solothurn 30,0 70,0 70,2
    Kanton St. Gallen St. Gallen 19,3 80,7 75,0
    Kanton Tessin Tessin 37,1 62,9 56,8
    Kanton Thurgau Thurgau 19,9 80,1 78,6
    Kanton Uri Uri 14,6 85,4 71,2
    Kanton Waadt Waadt 51,3 48,7 54,4
    Kanton Wallis Wallis 30,5 69,5 55,4
    Kanton Zug Zug 24,3 75,7 65,0
    Kanton Zürich Zürich 36,2 63,8 77,1
    Eidgenössisches Wappen ÜÜÜSchweizerische Eidgenossenschaft 33,1 66,9 66,7

    Aus Protest gegen die Ablehnung des Frauenstimmrechts trat eine Gruppe Basler Pädagoginnen für einen Tag in den Streik.[24]

    Kantonale Einführungen vor und nach 1959

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    Die Befürworterinnen konnten jedoch auf kantonaler Ebene erste Erfolge verzeichnen: Am 1. Februar 1959 nahm der Kanton Waadt als erster das Frauenstimmrecht an. Es folgten die Kantone Neuenburg (27. September 1959) und Genf (6. März 1960) sowie als erste Kantone der Deutschschweiz Basel-Stadt (26. Juni 1966) und Basel-Landschaft (23. Juni 1968). Ebenfalls noch vor der Einführung des eidgenössischen Frauenstimmrechts wurde den Frauen in den Kantonen Tessin (19. Oktober 1969), Wallis (12. April 1970), Luzern (25. Oktober 1970)[25] und Zürich (15. November 1970) das Stimm- und Wahlrecht auf kantonaler Ebene erteilt.

    Schon zuvor war in manchen Kantonen das aktive und zum Teil auch passive Frauenstimmrecht in kirchlichen und schulischen Angelegenheiten eingeführt worden. In den Kantonen Genf, Waadt, Basel-Stadt, Bern, Aargau, Thurgau und Graubünden waren Regelungen zum kirchlichen Frauenstimmrecht bereits in der Zwischenkriegszeit erlassen worden; in der Nachkriegszeit folgte beispielsweise der Kanton Zürich mit dem Frauenstimmrecht in Schule und Kirche im Jahr 1963.[7] Im Kanton Graubünden wurden 1962 die Gemeinden ermächtigt, das Frauenstimmrecht einzuführen, was erstmals 1968 von Chur, Landarenca, Marmorera, Pontresina und Sils i. D. umgesetzt wurde. 1983 – 13 Jahre nach der Einführung auf kantonaler Ebene – wurde es durch kantonales Gesetz auch in den letzten 13 Gemeinden, die es noch nicht kannten, eingeführt.[26]

    1959–1971: Endphase

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    Nach der verlorenen Abstimmung 1959 wurde der Bund der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht[27] gegründet. Der Verein argumentierte damit, dass die Frauen aufgrund ihrer biologischen Verschiedenheit durch ihre politische und rechtliche Gleichstellung benachteiligt würden. Im Laufe des Jahres 1965 gab es mehrere parlamentarische Motionen zur Einführung des Frauenstimmrechts auf eidgenössischer Ebene. Die rechtlichen Voraussetzungen für den Beitritt der Schweiz zur Europäischen Menschenrechtskonvention mussten geschaffen werden. Trotzdem verhielt sich der Bundesrat zögerlich.[28]

    In den Folgejahren wurden immer wieder Motionen an den Bundesrat gestellt. Dann erreichten die Jugendunruhen von 1968 auch die Schweiz und die Schweizer Frauenbewegung. Junge Feministinnen gingen auf Konfrontationskurs und veranstalteten Protestaktionen und Demonstrationen im ganzen Land. Da ihnen der Schweizerische Verband für Frauenstimmrecht zu wenig radikal war – sie bezeichneten diesen als «gemütlich» –, gründeten sie die Frauenbefreiungsbewegung (FBB), eine radikalfeministische Vereinigung junger Frauen.

    Am 1. März 1969 fand der Marsch auf Bern statt: 5000 Frauen und Männer demonstrierten vor dem Bundeshaus in Bern.[29][30] Sie stimmten der Resolution von Emilie Lieberherr mit grossem Applaus zu:

    «Die hier versammelten Schweizerinnen fordern das volle Stimm- und Wahlrecht auf eidgenössischer und kantonaler Ebene und in den Gemeinden. Die Konvention des Europarates zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten darf erst unterzeichnet werden, wenn bezüglich des Stimm- und Wahlrechts kein Vorbehalt mehr nötig ist.
    Die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter ist eine wichtige Voraussetzung für die Verwirklichung der Menschenrechte. Sämtliche vorgeschlagenen Vorbehalte stellen die Glaubwürdigkeit unseres Landes als Rechtsstaat und Demokratie in Frage.
    Wir fordern deshalb alle gutgesinnten Politiker und Stimmbürger auf, das Frauenstimm- und Wahlrecht im Bund, in den Kantonen und in allen Gemeinden so rasch als möglich zu verwirklichen.»[11]

    Die Zahl von 5000 Demonstrierenden erscheint heute gering, hat die Politiker der damaligen Zeit jedoch ziemlich erschreckt. Inzwischen opponierten nämlich nicht allein die radikalen Stimmrechtsvereine und die FBB, sondern auch die konservativen Frauenorganisationen Gemeinnütziger Frauenverein, Landfrauenverband, Katholischer und Evangelischer Frauenbund.

    Durch Häuserbesetzungen und kämpferische Protestaktionen machte die FBB auf sich aufmerksam. Die Gruppierung wurde vom Frauenstimmrechtsverein scharf kritisiert, da befürchtet wurde, die Aktionen könnten «der Sache» schaden. Grosse Teile der Öffentlichkeit, insbesondere junge Menschen, begrüssten hingegen die schärfere Gangart der FBB.

    Ballon mit dem Slogan: «Den Frauen zuliebe – für ein männliches JA»

    Nun folgte ein langwieriges politisches Hin und Her zwischen Bundesrat, Nationalrat und Ständerat, bis eine allgemein anerkannte Abstimmungsvorlage zur Einführung des Frauenstimmrechts erarbeitet war. Derweil gingen die Protestaktionen der FBB weiter. Der Abstimmungskampf selber verlief relativ ruhig. Alle Regierungsparteien und die beiden einflussreichen Verbände Gewerkschaftsbund und Bauernverband hatten die Ja‑Parole herausgegeben.

    Der Slogan und das Plakat der Abstimmungskampagne «Den Frauen zuliebe – für ein männliches JA» wurde von Doris Gisler Truog verantwortet.[31]

    Ergebnisse der Volksabstimmung vom 7. Februar 1971 zur Einführung des Frauenstimmrechts

    123 Jahre nach der Bundesverfassung von 1848 gewährten die Schweizer Männer den Frauen aktives und passives Wahlrecht und Stimmrecht bei politischen Entscheidungen. Am 7. Februar 1971 wurde die Vorlage vom männlichen Stimmvolk mit 621'109 gegen 323'882 Stimmen (65,7 Prozent Ja) und von 15 ½ Ständen gegen 6 ½ Stände angenommen.[32] Mehrheitlich gegen die Einführung stimmten Kantone der deutschsprachigen Ost- und Innerschweiz: Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Uri, St. Gallen, Thurgau, Glarus, Schwyz und Obwalden.

    Im Gegensatz zur ersten Abstimmung beschlossen dieses Mal alle grossen Parteien die Ja-Parole.

  • Ja (14 3/2 Stände)
  • Nein (5 3/2 Stände)
  • Abstimmungsresultate pro Kanton[33][34]
    Kanton Ja (%) Nein (%) Beteiligung (%) Ja (Anzahl) Nein (Anzahl)
    Kanton Aargau Aargau 50,2 49,8 72,9 39.469 39.229
    Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell Ausserrhoden 39,9 60,1 65,4 3.485 5.253
    Kanton Appenzell Innerrhoden Appenzell Innerrhoden 28,9 71,1 52,5 574 1.141
    Kanton Basel-Landschaft Basel-Landschaft 79,9 20,1 50,4 21.229 5.353
    Kanton Basel-Stadt Basel-Stadt 82,2 17,8 51,2 27.480 5.962
    Kanton Bern Bern 66,5 33,5 51,3 95.482 48.028
    Kanton Freiburg Freiburg 71,1 28,9 53,8 19.405 7.888
    Kanton Genf Genf 91,1 8,9 56,4 38.135 3.738
    Kanton Glarus Glarus 41,3 58,7 62,9 2.692 3.823
    Kanton Graubünden Graubünden 54,8 45,2 55,3 12.746 10.557
    Kanton Luzern Luzern 62,7 37,3 60,1 29.454 17.511
    Kanton Neuenburg Neuenburg 82,0 18,0 57,4 20.205 4.426
    Kanton Nidwalden Nidwalden 55,8 44,2 68,1 2.703 2.141
    Kanton Obwalden Obwalden 46,7 53,3 50,7 1.668 1.902
    Kanton Schaffhausen Schaffhausen 56,7 43,3 80,1 8.252 6.296
    Kanton Schwyz Schwyz 42,2 57,8 57,5 5.945 8.136
    Kanton Solothurn Solothurn 64,1 35,9 58,4 22.030 12.331
    Kanton St. Gallen St. Gallen 46,5 53,5 60,2 27.042 31.113
    Kanton Tessin Tessin 75,3 24,7 47,5 20.808 6.438
    Kanton Thurgau Thurgau 44,1 55,9 67,3 13.464 17.046
    Kanton Uri Uri 36,3 63,7 71,6 2.477 4.340
    Kanton Waadt Waadt 83,9 16,1 51,0 55.849 10.689
    Kanton Wallis Wallis 79,9 20,1 53,3 24.479 6.127
    Kanton Zug Zug 59,9 40,1 66,3 6.699 4.483
    Kanton Zürich Zürich 66,8 33,2 62,3 119.631 59.375
    Eidgenössisches Wappen ÜÜÜSchweizerische Eidgenossenschaft 65,7 34,3 57,73 621.403 323.596

    «Endlich, endlich, endlich […] Von mir fallen Zentner. Die Aufgabe, die seit bald hundert Jahren ungelöst von einer Generation zur anderen tradiert wurde, hat in der letzten ‹Männerabstimmung› vom 7. Februar 1971 ihre glanzvolle Erfüllung gefunden.
    Fortan wird es nur noch Volksabstimmungen geben im wahren Sinn des Wortes.»

    Gertrud Heinzelmann

    Im internationalen Vergleich wurde die politische Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Schweiz spät eingeführt. In Neuseeland gilt das Frauenwahlrecht seit 1893, in Deutschland seit 1919, in den Vereinigten Staaten seit 1920. Noch später als die Schweiz führten Portugal am 15. November 1974 sowie das Fürstentum Liechtenstein am 1. Juli 1984 das allgemeine Frauenstimm- und -wahlrecht ein.

    Die ersten Parlamentswahlen mit Frauen

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    Bei den eidgenössischen Wahlen vom 31. Oktober 1971 waren somit erstmals Frauen wahlberechtigt und wählbar. Elf Frauen wurden in den Nationalrat gewählt, was bei 200 Mandataren einen Frauenanteil von 5,5 Prozent ausmachte:

    Elisabeth Blunschy (1922–2015), CVP; Tilo Frey (1923–2008), FDP; Hedi Lang (1931–2004), SP; Josi Meier (1926–2006), CVP; Gabrielle Nanchen (* 1943), SP; Martha Ribi (1915–2010), FDP; Hanna Sahlfeld-Singer (* 1943), SP; Liselotte Spreng (1912–1992), FDP; Hanny Thalmann (1912–2000), CVP; Lilian Uchtenhagen (1928–2016), SP; Nelly Wicky (1923–2020), PdA[35]

    Als einzige Frau wurde die Freisinnige Lise Girardin (1921–2010), FDP, vom Kanton Genf in den Ständerat gewählt, sie war auch die erste Stadtpräsidentin (Genf; 1968, 1972 und 1975) der Schweiz.[36]

    Schwerpunkte der Diskussion

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    Im Folgenden werden die Begründungen, die insbesondere während der Abstimmungskampagnen für oder gegen eine Einführung des Frauenstimmrechts angeführt wurden, noch einmal zusammengefasst:

    Die befürwortenden Argumente zeichneten sich insgesamt durch ihre starke Bezugnahme auf grundlegende politische Prinzipien und rechtliche Normen aus. Eine der wichtigsten war Artikel 1 der Schweizer Bundesverfassung von 1848, der ohne Qualifikation besagte: «Alle Schweizer sind vor dem Gesetz gleich.» Ergänzend konnten die Befürworter auf die Menschenrechte verweisen, die allen Menschen und damit also auch Frauen ein Stimm- und Wahlrecht zusprechen. Mit dem Grundsatz, dass in einer Demokratie mit der Pflicht, die Gesetze eines Landes zu befolgen, auch das Recht einhergehen müsse, selbige Gesetze mitzubeschliessen, konnten sie zudem auf eine wichtige rechtsphilosophische Position verweisen. Das von den Gegnern vorgebrachte Gegenargument, Frauen könnten dies ja bereits über die Einflussnahme auf ihre Männer tun, wurde in charakteristischer Weise wieder mit Rückgriff auf einen allgemeinen Grundsatz abgelehnt, wonach die Ausübung von Rechten nicht vom guten Willen Dritter abhängen darf.

    Die Gegner des Frauenstimmrechts argumentierten dagegen mit Argumenten, die zum einen die Notwendigkeit einer Neuerung in Zweifel zogen, zum anderen aber vor den zu erwartenden, vermeintlich negativen Folgen des Frauenwahlrechts warnten.

    Im ersteren Sinne wurde etwa angeführt, die Idee eines Frauenwahlrechts sei eine aus dem Ausland importierte, unschweizerische Idee, die auch von der grossen Mehrheit der Schweizer Frauen abgelehnt werde, welche an einem Stimmrecht gar nicht interessiert seien, zumal jede Frau ihre Meinung indirekt über ihren Mann zum Ausdruck bringen könne.

    Ein weiterer Aspekt kam in der Vorstellung zum Ausdruck, Politik sei ein schmutziges Geschäft, in dem Frauen es zu schwer haben würden, die Achtung der Gesellschaft zu wahren. Ihre Einbeziehung in politische Entscheidungen werde so unweigerlich zum Verlust ihrer Weiblichkeit führen, während die Abhängigkeit von ihren Männern durch die Einführung des Stimmrechts nur gegen neue Abhängigkeiten eingetauscht werde.

    Daneben wurde aber auch die negative Einwirkung auf Männer herausgestellt, die aufgrund der Bevölkerungsmehrheit der Frauen unweigerlich diskriminiert werden würden. Eine wichtige Rolle spielte dabei der nur für Männer verbindliche Militärdienst, der diese ohnehin benachteilige – ein Argument, welches von Befürworterseite meist mit dem Hinweis auf den freiwilligen Fraueneinsatz im militärischen Hilfsdienst gekontert wurde.

    Schliesslich wurde auch die kategorische Auffassung vertreten, der Staat selbst sei seinem Wesen nach eine männliche Institution, die von Frauen daher ihrer Natur gemäss nicht in der notwendigen Tiefe verstanden werden könne.

    Verfassungsartikel zum Stimm- und Wahlrecht

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    Bundesverfassung 1848

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    Art. 63. BV:
    Stimmberechtigt ist jeder Schweizer, der das zwanzigste Altersjahr zurückgelegt hat und im Übrigen nach der Gesetzgebung des Kantons, in welchem er seinen Wohnsitz hat, nicht vom Aktivbürgerrecht ausgeschlossen ist.[37]

    Bundesverfassung 1874

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    Art. 74. BV:
    Stimmberechtigt ist jeder Schweizer, der das zwanzigste Altersjahr zurückgelegt hat und im Übrigen nach der Gesetzgebung des Kantons, in welchem er seinen Wohnsitz hat, nicht vom Aktivbürgerrecht ausgeschlossen ist.

    Der Artikel wurde am 7. Februar 1971 in veränderter Form in der Verfassung verankert:

    Art. 74 BV:

    Bei eidgenössischen Abstimmungen und Wahlen haben Schweizer und Schweizerinnen die gleichen politischen Rechte und Pflichten.

    Stimm- und wahlberechtigt bei solchen Abstimmungen und Wahlen sind alle Schweizer und Schweizerinnen, die das 20. Altersjahr zurückgelegt haben und nicht nach dem Rechte des Bundes vom Aktivbürgerrecht ausgeschlossen sind.

    Das Alter wurde 1991 auf 18 Jahre gesenkt.[38]

    Bundesverfassung vom 18. April 1999

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    Art. 136 Abs. 1 BV:
    Die politischen Rechte in Bundessachen stehen allen Schweizerinnen und Schweizern zu, die das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und die nicht wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind. Alle haben die gleichen politischen Rechte und Pflichten.[39]

    Auswahl beteiligter Personen

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    Befürworter Gegner


    50 Jahre nach 1971

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    50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz: Fahnen zur Erinnerung am Bundeshaus vom 6. Februar 2021

    Im Jahr 2021 wurde der historischen Abstimmung von 1971 in vielfältiger Form gedacht.[40] So beispielsweise mit einer Ausstellung namens Hommage 2021 in der Altstadt von Bern mit 52 Porträts von Frauen aus allen Kantonen.[41][42] Ebenso erschienen Buchpublikationen zum Thema.[43] Wegen der damaligen Ansteckungsgefahr durch Covid-19 konnten jedoch viele Veranstaltungen nicht wie geplant stattfinden.[44] Im Frühling 2023 konnte die vom Verein «Hommage2021» erstellte Projektion schliesslich im Rahmen einer Ausstellung im Zürcher Landesmuseum einem grösseren Publikum vorgeführt werden.[45]

    Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene

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    Bei Einführung des eidgenössischen Frauenstimmrechts (7. Februar 1971) hatten neun Kantone bereits ein kantonales Frauenstimmrecht eingeführt, etliche weitere folgten in den Jahren 1971 und 1972.[46] Bei seiner Gründung am 1. Januar 1979 nahm Jura das Frauenstimmrecht mit (vorher Teil des Kantons Bern). Appenzell Innerrhoden war der letzte Kanton, in dem das Frauenstimmrecht eingeführt worden ist, und zwar erst mit dem Frauenstimmrecht-Entscheid des Bundesgerichts, gegen den Willen der (männlichen) Stimmbürger an der Landsgemeinde vom 29. April 1990.[47] Die bestehende kantonale Regelung wurde erstmals als Verstoss gegen die Bundesverfassung erklärt.[2]

    Chronologische Entwicklung der Einführung des kantonalen Frauenstimmrechts
    Datum Kantone
    1. Februar 1959 Waadt
    27. September 1959 Neuenburg
    6. März 1960 Genf (Die erste Frau im Kanton Genf, die von ihrem passiven Wahlrecht Gebrauch machte, war Renée Pellet. Sie wurde 1960 zur stellvertretenden Bürgermeisterin von Meyrin gewählt. Sie war die erste Frau, die in der Schweiz ein Exekutivamt übernahm.)
    26. Juni 1966 Basel-Stadt
    23. Juni 1968 Basel-Landschaft
    19. Oktober 1969 Tessin
    12. April 1970 Wallis
    25. Oktober 1970 Luzern
    15. November 1970 Zürich
    7. Februar 1971 Einführung auf Bundesebene
    7. Februar 1971 Aargau, Freiburg, Schaffhausen, Zug
    2. Mai 1971 Glarus[48] (an der Landsgemeinde)
    6. Juni 1971 Solothurn
    12. Dezember 1971 Bern (auch der ab dem 1. Januar 1979 von Bern abgespaltene Jura), Thurgau
    23. Januar 1972 St. Gallen
    30. Januar 1972 Uri
    5. März 1972 Schwyz, Graubünden
    30. April 1972 Nidwalden (an der Landsgemeinde)
    24. September 1972 Obwalden
    30. April 1989 Appenzell Ausserrhoden (an der Landsgemeinde)
    27. November 1990 Appenzell Innerrhoden (Frauenstimmrecht-Entscheid des Bundesgerichts)
    • Eidgenössische Kommission für Frauenfragen (Hrsg.): Frauen Macht Geschichte. Frauen- und gleichstellungspolitische Ereignisse in der Schweiz 1848–1998. EDMZ, Bern 2001. Online: Frauen Macht Geschichte 1848–2000 (Memento vom 10. November 2014 im Internet Archive).
    • Daniel Furter: «Die umgekehrten Suffragetten.» Die Gegnerinnen des Frauenstimmrechts in der Schweiz von 1958 bis 1971. Lizenziatsarbeit, Universität Bern, 2003. (Digitalisat, PDF; 924 kB).
    • Eva Gschwind: 50 Jahre Frauen im Basler Parlament. In: Basler Stadtbuch 2018. Hrsg. von der Christoph Merian Stiftung. Basel 2018, S. 1–13. (Digitalisat).
    • Sibylle Hardmeier: Frühe Frauenstimmrechtsbewegung in der Schweiz (1890–1930) – Argumente, Strategien, Netzwerk und Gegenbewegung. Chronos, Zürich 1997, ISBN 3-905312-44-1.
    • Peter Heim: Die Anfänge der Frauenbewegung in Olten. In: Oltner Neujahrsblätter. Band 74, 2016, S. 30–33 (Digitalisat in E-Periodica).
    • Werner Kägi: Der Anspruch der Schweizerfrau auf politische Gleichberechtigung. Gutachten. Polygraphischer Verlag, Zürich 1957.
    • Beatrix Mesmer: Staatsbürgerinnen ohne Stimmrecht. Die Politik der schweizerischen Frauenverbände 1914–1971. Chronos, Zürich 2007, ISBN 3-0340-0857-0.
    • Franziska Rogger: "Gebt den Schweizerinnen ihre Geschichte!" Marthe Gosteli, ihr Archiv und der übersehene Kampf ums Frauenstimmrecht. NZZ-Libro, Zürich 2015, ISBN 978-3-03-810006-5.
    • Isabel Rohner; Irène Schäppi (Hrsg.): 50 Jahre Frauenstimmrecht. 25 Frauen über Demokratie, Macht und Gleichberechtigung. Limmat Verlag, Zürich 2020, ISBN 978-3-85791-891-9.
    • Regula Stämpfli: Mit der Schürze in die Landesverteidigung 1918–1945. Über Frauen, Politik und Militär. Orell Füssli, Zürich 2002, ISBN 3-280-02820-5.
    • Regula Stämpfli: Vom Stummbürger zum Stimmbürger. Ein Abc der Schweizer Politik. Orell Füssli, Zürich 2003, ISBN 3-280-05016-2.
    • Brigitte Studer; Judith Wyttenbach: Frauenstimmrecht. Historische und rechtliche Entwicklung 1848–1971. Hier und Jetzt, Zürich 2021, ISBN 978-3-03919-540-4.
    • Yvonne Voegeli: Frauenstimmrecht. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
    • Yvonne Voegeli: Zwischen Hausrat und Rathaus, Auseinandersetzungen um die politische Gleichberechtigung der Frauen in der Schweiz 1945–1971. Chronos, Zürich 1997, ISBN 3-905312-30-1.
    • Thomas Ernst Wanger: Vom Frauenstudium zum Frauenwahlrecht in der Schweiz und in Liechtenstein. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. Band 122, 2004, S. 117–157. (Digitalisat).
    • Renate Wegmüller: «Die Frau gehört ins Haus» – Frauenstimmrecht und seine Hindernisse in der Schweiz und im Kanton Bern. Edition Soziothek, Bern 2000, ISBN 3-905596-34-2 («Die Frau gehört ins Haus» – Frauenstimmrecht und seine Hindernisse in der Schweiz und im Kanton Bern (Memento vom 26. August 2004 im Internet Archive)).
    • Susanna Woodtli: Gleichberechtigung. Der Kampf um die politischen Rechte der Frau in der Schweiz. Huber, Frauenfeld 1975 (Inhaltsverzeichnis; PDF; 93 kB); 2., ergänzte Auflage 1983 (Inhaltsverzeichnis; PDF; 94 kB).
    Commons: Frauenstimmrecht in der Schweiz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
    Wiktionary: Frauenstimmrecht – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
    Audio und Video

    Einzelnachweise

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    1. Die Tat, 10. April 1964
    2. a b Bundesgerichtsurteil vom 27. November 1990. In: Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts. Abgerufen am 25. Dezember 2010.
    3. Noëmi Crain Merz: Ob die Frauen auch zum Volk gehören? Im Blog des Schweizerischen Nationalmuseums vom 2. April 2021
    4. Kathrin Alder: Schweizer Frauen waren lange keine Schweizer Im Blog des Schweizerischen Nationalmuseums vom 30. April 2021
    5. Staatskanzlei des Kantons Bern: Der Weg zum kantonalen Frauenstimm- und -wahlrecht. Auf: sta.be.ch. Abgerufen am 22. August 2022.
    6. Frauenwahlrecht und Edelmenschen, NIETZSCHE SPRICHT. In: NZZ Online. Abgerufen am 9. Mai 2019.
    7. a b c Edith Siegenthaler: Anfänge des Frauenstimmrechts in der reformierten Kirche. Auf: ch2021.ch (Manifest CH2021: «Dampf machen!»); abgerufen am 22. August 2022.
    8. Martin Illi: Wochenschau 45: Der Bundesstaat als Männerstaat. In: zuerich98.ch. Fachstelle Kultur des Kantons Zürich, abgerufen am 17. April 2016.
    9. Nadine A. Brügger: Helvetias Töchter. mbassador GmbH, 2021, ISBN 978-3-907238-17-2 (google.ch [abgerufen am 27. Juli 2021]).
    10. Noëmi Crain Merz: Rekordpetition in der Schublade Im Blog des Schweizerischen Nationalmuseums vom 13. Februar 2025
    11. a b c d e Frauenstimmrecht und Frauenbewegung. In: FRAUENNET.ch. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. April 2016; abgerufen am 17. April 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.frauennet.ch
    12. Erika Hebeisen: Das ungleiche Recht auf Arbeit Im Blog des Schweizerischen Nationalmuseums vom 23. Juni 2021
    13. https://www.ekf.admin.ch/dam/ekf/de/dokumente/frauen_macht_geschichte/2_1_der_lange_wegzumstimm-undwahlrechtfuerfrauen13seiten.pdf.download.pdf/2_1_der_lange_wegzumstimm-undwahlrechtfuerfrauen13seiten.pdf, S. 18 (PDF), abgerufen am 6. Juli 2021.
    14. Wahlen- & Abstimmungen. In: zh.ch. 30. November 1947, abgerufen am 24. August 2021.
    15. Wahlen- & Abstimmungen. In: zh.ch. 5. Dezember 1954, abgerufen am 24. August 2021.
    16. Erste Frauenabstimmung der Schweiz. In: Schweizer Filmwochenschau vom 8. März 1957. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. April 2014; abgerufen am 5. Januar 2011.
    17. Wo Schweizer Frauen erstmals Abstimmen durften. (Memento vom 7. April 2014 im Internet Archive) In: 10vor10. vom 2. März 2007.
    18. Niederdorf: Vergessenes „Rütli des Frauenstimmrechts“ auf YouTube, abgerufen am 7. Februar 2021 (Dokumentarfilm).
    19. Luzia Knobel: Stimm- und Wahlrecht für Frauen der Bürgergemeinde Riehen. In: Gemeinde Lexikon Riehen.
    20. Stefan Hess: Späth [-Schweizer], Gertrud. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
    21. Vorlage Nr. 191. In: Schweizerische Eidgenossenschaft. Abgerufen am 4. Januar 2011.
    22. Einführung des Frauenstimmrechts. Abgerufen am 20. September 2022.
    23. Bundeskanzlei BK: Vorlage Nr. 191: Resultate in den Kantonen. Abgerufen am 22. Juni 2020.
    24. Der erste Frauenstreik der Schweiz In: Schweizer Radio und Fernsehen. 29. Juli 2023.
    25. Heidi Bossard-Borner: Kleine Verfassungsgeschichte des Kantons Luzern. (PDF) S. 23, abgerufen am 17. April 2016.
    26. 50 Jahre kantonales Frauenstimmrecht. In: gr.ch (abgerufen am 30. Oktober 2023).
    27. Noëmi Crain Merz: Frauen gegen das Frauenstimmrecht Im Blog des Schweizerischen Nationalmuseums vom 6. Juli 2021.
    28. Regula Ludi: Menschen­rech­te ja, aber… Im Blog des Schweizerischen Nationalmuseums vom 1. März 2021
    29. Als Frauen auf die Männer pfiffen: «Marsch auf Bern» vor 50 Jahren In: Berner Zeitung. 27. Februar 2019.
    30. Adi Kälin: Emilie Lieberherr rief die Frauen zum Kampf auf: «Ihr seid nicht nur zum Milchreiskochen auf der Welt» In: Neue Zürcher Zeitung. 23. Februar 2019.
    31. Tim Frei: Den Frauen zuliebe – ein männliches JA. In: Persönlich.com. Abgerufen am 26. September 2021.
    32. Volksabstimmung vom 7. Februar 1971. In: Schweizerische Eidgenossenschaft. Abgerufen am 15. Januar 2011.
    33. Bundeskanzlei BK: Vorlage Nr. 224: Resultate in den Kantonen. Abgerufen am 23. Juni 2020.
    34. Neue Zürcher Zeitung (NZZ): 1. Seite der NZZ am 8. Februar 1971. In: Zeitungsarchiv der NZZ. NZZ-Mediengruppe, 8. Februar 1971, abgerufen am 27. Juli 2022.
    35. Aussergewöhnliche Frauen, parlament.ch, abgerufen am 11. Februar 2020.
    36. Erstmals ziehen Frauen ins Schweizer Parlament ein. SRF Wissen. In: Schweizer Filmwochenschau. 10. Dezember 1971, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. April 2014; abgerufen am 5. April 2014.
    37. Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (1848)
    38. Schweizerische Bundeskanzlei: AS 1991 1122
    39. Art. 136 Abs. 1 BV
    40. CH2021 – 50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz. Abgerufen am 6. Februar 2021.
    41. 50 Jahre Frauenstimm- und Wahlrecht. In: hommage2021.ch. Abgerufen am 6. Februar 2021.
    42. Antonia Kleikamp: Entschied ein „Liebesstreik“ zugunsten des Frauenwahlrechts? WELT Online, 7. Februar 2021, abgerufen am 11. Februar 2021.
    43. 50 Jahre Frauenstimmrecht. Limmat Verlag, abgerufen am 18. Oktober 2024.
    44. Ausstellungseröffnung und Verschiebung Projektion. Hommage2021, abgerufen am 6. Februar 2021.
    45. Kraftakt Frauenstimm- und Wahlrecht. Landesmuseum Zürich, 9. Februar 2023, abgerufen am 18. Oktober 2024.
    46. Eidg. Kommission für Frauenfragen (Hrsg.): Frauen Macht Geschichte. Zur Geschichte der Gleichstellung in der Schweiz 1848–2000. Bern 2001, Kapitel 2.2: Politische Teilrechte für Frauen in Kantonen und Gemeinden (PDF [abgerufen am 17. April 2016]). PDF (Memento vom 17. April 2016 im Internet Archive)
    47. Die Appenzeller Landsgemeinde 1990 – TV-Beitrag von SRF. In: Schweizer Radio und Fernsehen. 29. April 1990, abgerufen am 28. April 2021.
    48. Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen in Kantonsangelegenheiten (Memento vom 23. September 2015 im Internet Archive)