„Mulatte“ – Versionsunterschied
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[[Datei:Mulatto.jpg|mini|Gemälde von Miguel Cabrera, 18. Jahrhundert, [[Neuspanien]].<br />Text: „Aus einem Schwarzen und einer Spanierin entsteht ein Mulatte – Schwarzer 1. Spanierin 2. Mulatte 3.“]] |
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'''Mulatte''' ist eine Bezeichnung für [[Mensch]]en mit einem schwarzen und einem weißen [[Eltern]]teil und im weiteren Sinn für Menschen, die jeweils zu einem wesentlichen Anteil sowohl schwarze als auch weiße [[Vorfahren]] haben. Somit ist der Begriff zwangsläufig mit [[Rassismus|rassistischen Vorstellungen]] verbunden und kann unter Umständen beleidigend sein. Ursprünglich sollte das Wort Mulatte die so bezeichnete Person als Menschen abwerten, wobei zu beachten ist, dass manche Lateinamerikaner den Begriff als Selbstbezeichnung übernommen haben und heute noch so verwenden. |
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'''Mulatte''' ist eine Bezeichnung für einen Menschen, dessen [[Vorfahren]] (insbesondere die [[Elternschaft|Eltern]]) teils zur [[Schwarze|schwarzen]], teils zur [[Weiße|weißen]] [[Rasse]] gerechnet wurden. Das Wort beruht damit auf einer unwissenschaftlichen [[Rassentheorie|rassentheoretischen]] Einteilung<ref>Matthias Röhrig Assunção, Michael Zeuske: ''„Rasse“, Ethnitität und Sozialstrukturen im 19. Jahrhundert in Brasilien und Kuba.'' In: ''Zeitschrift für Sozialwissenschaften und Geschichte.'' Neue Folge. Band 24, 1998, S. 375–443. </ref> und gilt heute als [[Diskriminierung|diskriminierend]]<ref>Vgl. [https://www.duden.de/rechtschreibung/Mulatte Eintrag] im [[Duden]], abgerufen am 4. August 2014.</ref> und [[Kolonialismus|kolonialistisch]].<ref name=Arndt,Kolonialismus>Susan Arndt: [http://www.bpb.de/themen/2IQNTS,0,0,Kolonialismus_Rassismus_und_Sprache.html ''Kolonialismus, Rassismus und Sprache. Kritische Betrachtungen der deutschen Afrikaterminologie.''] Aufsatz, September 2004, S. 4 (von der [[Bundeszentrale für politische Bildung]] veröffentlicht)</ref> |
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== Etymologie == |
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Die Bezeichnung ''Mulatte'' geht auf das spanische Wort ''mulato'' zurück, das die [[Konquistador]]en und ihre Nachfolger aus der spanischen und [[Mestize|mestizisch]]-[[Kreolen|kreolischen]] Oberschicht in den [[Spanisches Kolonialreich|spanischen Kolonien]] der [[Neue Welt|Neuen Welt]] verwendeten, um Nachkommen „gemischter“, in der Regel spanisch-afrikanischer Herkunft zu bezeichnen.<ref>[[Susanne Hartwig]]: ''Einführung in die Literatur- und Kulturwissenschaft Lateinamerikas.'' J. B. Metzler, Stuttgart 2018, ISBN 978-3-476-02657-6, S. 80.</ref> Es wurde im 16./17. Jahrhundert ins Deutsche übernommen.<ref>{{dwds.de |Stichwort=Mulatte |Linktext=Mulatte, der |Abruf=2025-05-01 |Kommentar=''Molate'' [16. Jh.], ''Mullato, Mulate'' [17. Jh.], ''Mulatte'' [18. Jh.]}}</ref> Für den Ursprung des Wortes sind verschiedene Erklärungen zu finden. |
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Die Spanier nahmen am Anfang des 16. Jahrhunderts große Teile Nord- und Südamerikas in Besitz und verfrachteten zahlreiche (schwarze) [[Sklaverei|Sklaven]] in diese neuen Kolonien. Als die spanischen Herrn mit ihren Sklaven Kinder zeugten, meist durch Vergewaltigungen, nannten sie diese Kinder ''Mulato'', bzw. ''Mulata'' (weibliche Form), abgeleitet von der Bezeichnung ''Mulo'' für [[Maultier]]e (Kreuzungen zwischen Eseln und Pferden). |
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Schwarze waren nach den rassistischen Vorstellungen der europäischen Kolonialisten keine (gleichberechtigten) Menschen und dies galt auch für ''Mischlingskinder'', die daher meist, wie ihre Mütter, versklavt und verkauft wurden. |
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Kinder aus indianisch-europäischen "Vereinigungen" werden im spanischsprachigen Amerika übrigens als ''[[Mestize|mestizos]]'' (Mischlinge), und nicht als Mulatten bezeichnet. |
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# In der [[Orientalistik]]<ref>[[Encyclopaedia of Islam]], Leiden 1993.</ref> wurde in Anlehnung an spanische Sprachwissenschaftler des 19. Jahrhunderts<ref>Leopoldo Eguilaz y Yanguas (1886): ''Glosario de las palabras españolas (castellanas, catalanas, gallegas, mallorquinas, portugueses, valencianas y bascongadas), de orígen oriental (árabe, hebreo, malayo, persa y turco).'' La Lealtad, Granada 1886.</ref> oft das [[Arabische Sprache|arabische]] Wort ''muwallad'' als sprachliche Wurzel der Bezeichnung angenommen, das zu ''[[muladí]]'' hispanisiert wurde. ''Muwallad'' (Plural: ''muwalladin'', Wortbedeutung „[[Adoption|Adoptierte]]“)<ref name="Corominas">[[Joan Coromines|Joan Corominas]]: ''Breve diccionario etimológico de la lengua castellana.'' 3., überarbeitete und verbesserte Auflage (1973), 13., unveränderter Nachdruck, Gredos, Madrid 2006, ISBN 978-8-42492-364-8, S. 407.</ref> bezeichnete ursprünglich Personen mit arabischem und nichtarabischem Elternteil (zum Islam konvertierte Einheimische) und wurde später auch auf Nachkommen von anderen Eltern unterschiedlicher Herkunft wie Juden oder Christen angewandt. Im [[al Andalus|mittelalterlichen maurischen Spanien]] nannte man auch die (wegen mangelnder Priester) ungetauften Nachkommen [[Mozaraber|einheimischer Christen]], die per Gesetz automatisch Muslime wurden, zunächst häufig ''muwalladin''. Somit stammte ein großer Teil der späteren [[Morisken]] im [[Reconquista|wiedereroberten]] Andalusien der [[Frühe Neuzeit|Frühneuzeit]] von ''muladíes'' ab. Im 16. und 17. Jahrhundert nutzen die Spanier diesen Begriff dann gelegentlich auch, um Nachkommen von Europäern mit Indigenen zu bezeichnen.<ref name="Corominas" /> |
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# Die [[Real Academia Española]] führt das Wort ''mulato'' etymologisch auf ''mulo/mula'' (= [[Maultier]]) zurück, was eine [[Kreuzung (Genetik)|Kreuzung]] zwischen [[Hauspferd|Pferd]] und [[Hausesel|Esel]] bezeichnet und sich wiederum vom lateinischen Wort ''mūlus'' mit gleicher Bedeutung ableitet. Dieser Herleitung folgen der [[Duden]], das Gros der deutschsprachigen Lexika sowie zahlreiche Wissenschaftler.<ref name="Arndt,Kolonialismus" /><ref name="schaeber">Petra Schaeber: [http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000001051 ''Die Macht der Trommeln.''] Dissertation an der FU Berlin, Juli 2003, S. 31 f.</ref> Die [[Diminutiv|Verkleinerungsform]] ''muleto'' (Erstbeleg 1275)<ref name="Corominas" /> bzw. ''mulato'' bezeichnete im Wortsinn ursprünglich ein junges männliches Maultier. Die auf die [[Analogie (Philosophie)|Analogie]] der „gemischten“ Abstammung des Maultiers abstellende Begriffsbildung bestätigt auch [[Joan Coromines|Joan Corominas]] als maßgeblicher moderner Etymologe der spanischen Sprache, der die erstmalige Verwendung des Begriffs ''mulato'' im Spanischen auf 1525 (in der weiblichen Form ''mulata'' 1602) datiert.<ref name="Corominas" /> |
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# [[Marco Carini]] und [[Flora Macallan]] bringen die Bezeichnung mit den sprachlichen und sozialen Verhältnissen in [[Madagaskar]] in Zusammenhang. Die Insel St. Marie (das heutige [[Nosy Boraha]]), 18 km nordwestlich von Madagaskar gelegen, diente ab dem 17. Jahrhundert vielen Piraten als Handelsumschlagplatz. Da die meist hellhäutigen Piraten bei den Inselbewohnern ein hohes soziales Prestige genossen – viel Geld, gute Krieger –, kam es nicht selten zu Eheschließungen zwischen Piraten und dunkelhäutigen Inselbewohnerinnen. Kinder aus diesen Verbindungen bildeten dann ab dem 18. Jahrhundert eine eigenständige gesellschaftliche Gruppe und wurden als ''Malatas'' oder ''Mulatten'' bezeichnet. Für den begrifflichen Ursprung ist die Begriffsverwendung in Madagaskar aus chronologischen Gründen allerdings nicht aussagekräftig. |
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== Verwendung des Begriffs == |
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Besonders infolge einer Assoziation mit Maultier wird die Bezeichnung ''Mulatte'' heute abgelehnt, da der vermeintliche Vergleich mit einem Tier als erniedrigend empfunden wird. Früher wurde auch die These vertreten, Mulatten seien wie Maultiere unfruchtbar.<ref name="Arndt,Kolonialismus" /><ref name="schaeber" /> Von manchen Personen wird ''Mulatte'' aber auch als Selbstbezeichnung verwendet.<ref>Michael Reichelt: ''Judenapfel, Zigeunerschnitzel und Negerkuss – die Verwendung ethnischer Gruppenzuschreibungen bei Nahrungsmittelbezeichnungen.'' In: Hannah Dingeldein, Eva Gredel (Hrsg.): ''Diskurse des Alimentären – Essen und Trinken aus kultur-, literatur- und sprachwissenschaftlicher Perspektive.'' LIT Verlag, Berlin 2017, ISBN 978-3-643-13562-9, S. 126.</ref><ref>Stefanie Michels: ''[https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783839410547-001/html Schwarze deutsche Kolonialsoldaten: Mehrdeutige Repräsentationsräume und früher Kosmopolitismus in Afrika.]'' [[Transcript Verlag]], Bielefeld 2015, S. 8f.</ref> |
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* La esclavitud en Huelva y Palos (1570-1587), Julio Izquierdo Labrado |
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* The Mulatto People - a “race” and a culture |
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* May Opitz: ''Afro-Deutsche nach 1945 - die so genannten ‚Besatzungskinder’ ''. Oguntoye, Katharina u.a. (Hg.): Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte. Berlin 1991. |
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== Geschichtliche Verwendung des Begriffs == |
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verwandte Themen: |
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[[Datei:Thomas Satterwhite Noble The Price of Blood.jpg|mini|''[[The Price of Blood]],'' 1868 – heroische Darstellung eines „Mulatten“ in der US-amerikanischen Genremalerei des 19. Jahrhunderts]] |
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Der Begriff ''Mulatte'' wurde im System der [[Casta (Lateinamerika)|Castas]], in das die Menschen im [[Spanisches Kolonialreich|spanischen Kolonialreich]] nach [[Rassentheorie|rassischen]] Kriterien eingeteilt wurden, wie auch im Sprachgebrauch der französischen und englischen Kolonien in Amerika sowie in den USA nur für die erste Generation der Nachkommen von Schwarzen und Weißen verwendet. Für weitere Generationen der Vermischung gab es [[Casta (Lateinamerika)#Das lateinamerikanische Kastensystem|eigene Bezeichnungen]] wie [[Quadroon]] und Octoroon. |
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Auch in den [[USA]] war die Bezeichnung ''Mulatte'' bis zum Aufkommen der sogenannten [[Schwarze#One-drop rule|Eintropfenregel]] verbreitet, nach der jede Person mit einem schwarzen Vorfahren („einem Tropfen Blut“) als Schwarzer galt. Dieser Grundsatz ging in die Gesetzgebung ein und verbreitete sich im allgemeinen Bewusstsein der Bevölkerung. Infolgedessen wurden ''Mulatten'' ab 1930 im [[United States Census|Zensus]] nicht mehr als eigene Bevölkerungsgruppe aufgeführt. |
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*[[Rehobother Baster]] |
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*[[Mestize]] |
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*[[Zambo]] |
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Obwohl die Eintropfenregel gesetzlich längst abgeschafft ist, ist sie im Bewusstsein der amerikanischen Bevölkerung sowohl bei Weißen als auch bei [[Afroamerikaner]]n nach wie vor verankert. Menschen mit einem weißen und einem schwarzen Elternteil oder auch mit nur einem schwarzen Großelternteil werden in der Regel als ''black'' ([[Schwarze|„schwarz“]]) angesehen. Ein generelles Bewusstsein für eine gemischte Abstammung nimmt erst seit den 1980er Jahren zu und der Zensus bietet nun auch die weitere Möglichkeit, sich als ''biracial'' („zweirassig“) oder ''multiracial'' („mehrrassig“) einzuordnen. |
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[[en:Mulatto]] |
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* [[Susan Arndt]] (Hrsg.): ''AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in Deutschland.'' Unrast, Münster 2006, ISBN 3-89771-028-5. |
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* [[Katharina Oguntoye]], [[May Ayim]], [[Dagmar Schultz]] (Hrsg.): ''[[Farbe bekennen]]. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte.'' Orlanda Frauenverlag, Berlin 1986, ISBN 3-922166-21-0. |
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[[fi:Mulatti]] |
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* Katharina Oguntoye: ''Eine Afro-deutsche Geschichte. Zur Lebenssituation von Afrikanern und Afro-Deutschen in Deutschland von 1884 bis 1950.'' Hoho-Verlag Hoffmann, Berlin 1997, ISBN 3-929120-08-9. |
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[[ja:ムラート]] |
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* Peggy Piesche, Michael Küppers, Ani Ekpenyong (Hrsg.): ''May Ayim Award – Erster internationaler schwarzer deutscher Literaturpreis 2004.'' Orlanda Frauenverlag, Berlin 2005, ISBN 3-936937-21-4. |
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[[pl:Mulat]] |
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* Fatima El-Tayeb: ''Schwarze Deutsche. Der Diskurs um „Rasse“ und nationale Identität 1890–1933.'' Campus, Frankfurt/Main 2001, ISBN 3-593-36725-4. |
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* Grada Kilomba: ''Die Kolonisierung des Selbst – der Platz des Schwarzen.'' In: Hito Steyerl. [[Encarnación Gutiérrez Rodríguez]] (Hrsg.): ''Spricht die Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik.'' Unrast, Münster 2003, ISBN 3-89771-425-6. |
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* Grada Kilomba: ''„Don’t You Call Me Neger!“ – Das N-Wort, Trauma und Rassismus.'' In: ADB, cyberNomads (Hrsg.): ''TheBlackBook. Deutschlands Häutungen.'' IKO, Frankfurt/Main 2004, ISBN 3-88939-745-X. |
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* Grada Kilomba: ''Plantation Memories. Episodes of Everyday Racism.'' Münster 2008, ISBN 978-3-89771-485-4. |
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== Weblinks == |
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== Sonstige Quellen == |
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Aktuelle Version vom 14. Mai 2025, 23:33 Uhr

Text: „Aus einem Schwarzen und einer Spanierin entsteht ein Mulatte – Schwarzer 1. Spanierin 2. Mulatte 3.“
Mulatte ist eine Bezeichnung für einen Menschen, dessen Vorfahren (insbesondere die Eltern) teils zur schwarzen, teils zur weißen Rasse gerechnet wurden. Das Wort beruht damit auf einer unwissenschaftlichen rassentheoretischen Einteilung[1] und gilt heute als diskriminierend[2] und kolonialistisch.[3]
Etymologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Bezeichnung Mulatte geht auf das spanische Wort mulato zurück, das die Konquistadoren und ihre Nachfolger aus der spanischen und mestizisch-kreolischen Oberschicht in den spanischen Kolonien der Neuen Welt verwendeten, um Nachkommen „gemischter“, in der Regel spanisch-afrikanischer Herkunft zu bezeichnen.[4] Es wurde im 16./17. Jahrhundert ins Deutsche übernommen.[5] Für den Ursprung des Wortes sind verschiedene Erklärungen zu finden.
- In der Orientalistik[6] wurde in Anlehnung an spanische Sprachwissenschaftler des 19. Jahrhunderts[7] oft das arabische Wort muwallad als sprachliche Wurzel der Bezeichnung angenommen, das zu muladí hispanisiert wurde. Muwallad (Plural: muwalladin, Wortbedeutung „Adoptierte“)[8] bezeichnete ursprünglich Personen mit arabischem und nichtarabischem Elternteil (zum Islam konvertierte Einheimische) und wurde später auch auf Nachkommen von anderen Eltern unterschiedlicher Herkunft wie Juden oder Christen angewandt. Im mittelalterlichen maurischen Spanien nannte man auch die (wegen mangelnder Priester) ungetauften Nachkommen einheimischer Christen, die per Gesetz automatisch Muslime wurden, zunächst häufig muwalladin. Somit stammte ein großer Teil der späteren Morisken im wiedereroberten Andalusien der Frühneuzeit von muladíes ab. Im 16. und 17. Jahrhundert nutzen die Spanier diesen Begriff dann gelegentlich auch, um Nachkommen von Europäern mit Indigenen zu bezeichnen.[8]
- Die Real Academia Española führt das Wort mulato etymologisch auf mulo/mula (= Maultier) zurück, was eine Kreuzung zwischen Pferd und Esel bezeichnet und sich wiederum vom lateinischen Wort mūlus mit gleicher Bedeutung ableitet. Dieser Herleitung folgen der Duden, das Gros der deutschsprachigen Lexika sowie zahlreiche Wissenschaftler.[3][9] Die Verkleinerungsform muleto (Erstbeleg 1275)[8] bzw. mulato bezeichnete im Wortsinn ursprünglich ein junges männliches Maultier. Die auf die Analogie der „gemischten“ Abstammung des Maultiers abstellende Begriffsbildung bestätigt auch Joan Corominas als maßgeblicher moderner Etymologe der spanischen Sprache, der die erstmalige Verwendung des Begriffs mulato im Spanischen auf 1525 (in der weiblichen Form mulata 1602) datiert.[8]
- Marco Carini und Flora Macallan bringen die Bezeichnung mit den sprachlichen und sozialen Verhältnissen in Madagaskar in Zusammenhang. Die Insel St. Marie (das heutige Nosy Boraha), 18 km nordwestlich von Madagaskar gelegen, diente ab dem 17. Jahrhundert vielen Piraten als Handelsumschlagplatz. Da die meist hellhäutigen Piraten bei den Inselbewohnern ein hohes soziales Prestige genossen – viel Geld, gute Krieger –, kam es nicht selten zu Eheschließungen zwischen Piraten und dunkelhäutigen Inselbewohnerinnen. Kinder aus diesen Verbindungen bildeten dann ab dem 18. Jahrhundert eine eigenständige gesellschaftliche Gruppe und wurden als Malatas oder Mulatten bezeichnet. Für den begrifflichen Ursprung ist die Begriffsverwendung in Madagaskar aus chronologischen Gründen allerdings nicht aussagekräftig.
Verwendung des Begriffs
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Besonders infolge einer Assoziation mit Maultier wird die Bezeichnung Mulatte heute abgelehnt, da der vermeintliche Vergleich mit einem Tier als erniedrigend empfunden wird. Früher wurde auch die These vertreten, Mulatten seien wie Maultiere unfruchtbar.[3][9] Von manchen Personen wird Mulatte aber auch als Selbstbezeichnung verwendet.[10][11]
Geschichtliche Verwendung des Begriffs
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Der Begriff Mulatte wurde im System der Castas, in das die Menschen im spanischen Kolonialreich nach rassischen Kriterien eingeteilt wurden, wie auch im Sprachgebrauch der französischen und englischen Kolonien in Amerika sowie in den USA nur für die erste Generation der Nachkommen von Schwarzen und Weißen verwendet. Für weitere Generationen der Vermischung gab es eigene Bezeichnungen wie Quadroon und Octoroon.
Auch in den USA war die Bezeichnung Mulatte bis zum Aufkommen der sogenannten Eintropfenregel verbreitet, nach der jede Person mit einem schwarzen Vorfahren („einem Tropfen Blut“) als Schwarzer galt. Dieser Grundsatz ging in die Gesetzgebung ein und verbreitete sich im allgemeinen Bewusstsein der Bevölkerung. Infolgedessen wurden Mulatten ab 1930 im Zensus nicht mehr als eigene Bevölkerungsgruppe aufgeführt.
Obwohl die Eintropfenregel gesetzlich längst abgeschafft ist, ist sie im Bewusstsein der amerikanischen Bevölkerung sowohl bei Weißen als auch bei Afroamerikanern nach wie vor verankert. Menschen mit einem weißen und einem schwarzen Elternteil oder auch mit nur einem schwarzen Großelternteil werden in der Regel als black („schwarz“) angesehen. Ein generelles Bewusstsein für eine gemischte Abstammung nimmt erst seit den 1980er Jahren zu und der Zensus bietet nun auch die weitere Möglichkeit, sich als biracial („zweirassig“) oder multiracial („mehrrassig“) einzuordnen.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Susan Arndt (Hrsg.): AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in Deutschland. Unrast, Münster 2006, ISBN 3-89771-028-5.
- Susan Arndt, Antje Hornscheidt (Hrsg.): Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. ISBN 978-3-89771-424-3.
- Katharina Oguntoye, May Ayim, Dagmar Schultz (Hrsg.): Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte. Orlanda Frauenverlag, Berlin 1986, ISBN 3-922166-21-0.
- Katharina Oguntoye: Eine Afro-deutsche Geschichte. Zur Lebenssituation von Afrikanern und Afro-Deutschen in Deutschland von 1884 bis 1950. Hoho-Verlag Hoffmann, Berlin 1997, ISBN 3-929120-08-9.
- Peggy Piesche, Michael Küppers, Ani Ekpenyong (Hrsg.): May Ayim Award – Erster internationaler schwarzer deutscher Literaturpreis 2004. Orlanda Frauenverlag, Berlin 2005, ISBN 3-936937-21-4.
- Fatima El-Tayeb: Schwarze Deutsche. Der Diskurs um „Rasse“ und nationale Identität 1890–1933. Campus, Frankfurt/Main 2001, ISBN 3-593-36725-4.
- Grada Kilomba: Die Kolonisierung des Selbst – der Platz des Schwarzen. In: Hito Steyerl. Encarnación Gutiérrez Rodríguez (Hrsg.): Spricht die Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik. Unrast, Münster 2003, ISBN 3-89771-425-6.
- Grada Kilomba: „Don’t You Call Me Neger!“ – Das N-Wort, Trauma und Rassismus. In: ADB, cyberNomads (Hrsg.): TheBlackBook. Deutschlands Häutungen. IKO, Frankfurt/Main 2004, ISBN 3-88939-745-X.
- Grada Kilomba: Plantation Memories. Episodes of Everyday Racism. Münster 2008, ISBN 978-3-89771-485-4.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sonstige Quellen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Matthias Röhrig Assunção, Michael Zeuske: „Rasse“, Ethnitität und Sozialstrukturen im 19. Jahrhundert in Brasilien und Kuba. In: Zeitschrift für Sozialwissenschaften und Geschichte. Neue Folge. Band 24, 1998, S. 375–443.
- ↑ Vgl. Eintrag im Duden, abgerufen am 4. August 2014.
- ↑ a b c Susan Arndt: Kolonialismus, Rassismus und Sprache. Kritische Betrachtungen der deutschen Afrikaterminologie. Aufsatz, September 2004, S. 4 (von der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht)
- ↑ Susanne Hartwig: Einführung in die Literatur- und Kulturwissenschaft Lateinamerikas. J. B. Metzler, Stuttgart 2018, ISBN 978-3-476-02657-6, S. 80.
- ↑ Mulatte, der. In: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Abgerufen am 1. Mai 2025 (Molate [16. Jh.], Mullato, Mulate [17. Jh.], Mulatte [18. Jh.]).
- ↑ Encyclopaedia of Islam, Leiden 1993.
- ↑ Leopoldo Eguilaz y Yanguas (1886): Glosario de las palabras españolas (castellanas, catalanas, gallegas, mallorquinas, portugueses, valencianas y bascongadas), de orígen oriental (árabe, hebreo, malayo, persa y turco). La Lealtad, Granada 1886.
- ↑ a b c d Joan Corominas: Breve diccionario etimológico de la lengua castellana. 3., überarbeitete und verbesserte Auflage (1973), 13., unveränderter Nachdruck, Gredos, Madrid 2006, ISBN 978-8-42492-364-8, S. 407.
- ↑ a b Petra Schaeber: Die Macht der Trommeln. Dissertation an der FU Berlin, Juli 2003, S. 31 f.
- ↑ Michael Reichelt: Judenapfel, Zigeunerschnitzel und Negerkuss – die Verwendung ethnischer Gruppenzuschreibungen bei Nahrungsmittelbezeichnungen. In: Hannah Dingeldein, Eva Gredel (Hrsg.): Diskurse des Alimentären – Essen und Trinken aus kultur-, literatur- und sprachwissenschaftlicher Perspektive. LIT Verlag, Berlin 2017, ISBN 978-3-643-13562-9, S. 126.
- ↑ Stefanie Michels: Schwarze deutsche Kolonialsoldaten: Mehrdeutige Repräsentationsräume und früher Kosmopolitismus in Afrika. Transcript Verlag, Bielefeld 2015, S. 8f.