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„Giudecca“ – Versionsunterschied

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{{Dieser Artikel|behandelt die südlich der Altstadt von Venedig gelegene Insel(gruppe); zur (Teil)insel von Burano siehe [[Burano]].}}
== Geographische Einordnung ==
[[Bild:Venedig_(Satellitenaufnahme).jpg|thumb|Satellitenaufnahme Venedigs]]


{{Infobox Inselgruppe
Südlich von [[Venedig]] gelegene Insel, die durch den gleichnamigen Kanal (''[[Canale della Giudecca]]'') von der [[Lagune]]nstadt getrennt ist. Von den Ausmaßen her mißt dieses nächstgelegene und größte Eiland in westöstlicher Erstreckung nicht mehr als 3.000 Meter, von Norden nach Süden ist sie an keiner Stelle breiter als 400 Meter.
|NAME= Giudecca
|BILD1= Giudecca Venice Aug 2020 1.jpg
|BILD1-TEXT= Blick von Nordost (über der Altstadt) auf Mitte und Westteil der Insel (2020)
|BILD2= Rii_di_Giudecca.png
|BILD2-TEXT= Karte der Inselgruppe
|GEWAESSER= [[Lagune von Venedig]]
|ARCHIPEL=
|BREITENGRAD= 45/25/30/N
|LAENGENGRAD= 12/19/20/E
|REGION-ISO= IT-VE
|KARTE=
|POSKARTE=
|MARK=
|MARKSIZE=
|INSELN= 9
|HAUPTINSEL=Zittelle
|FLAECHE= 0.583878
|EINWOHNER= 4744
|ZENSUS= 2011-10-09
}}


Die '''Giudecca''' (im örtlichen Dialekt Giudèca, früher auch Zudèca oder Zuèca) ist eine langgezogene [[Inselgruppe]] im Süden der Stadt [[Venedig]] in [[Italien]], mit einer Fläche von 58,9 [[Hektar]] (genau 589.056 Quadratmeter<ref>{{Webarchiv |url=http://www.veniceinitaly.com/venice_islands/Venice_islands.php | wayback=20090324001406 |text=Venice islands: All the islands of Venice by area }}</ref>) und einer Bevölkerung von 6.429 zum Stand der Volkszählung 2001.<ref>{{Toter Link |url=http://dawinci.istat.it/MD/dawinciMD.jsp?a1=W0I040WI0&a2=mG0Y8048f8&n=1UH90T07RT52S&v=1UH08207RT5000000 |date=2024-02-07 }} [http://dawinci.istat.it/MD/dawinciMD.jsp?a1=W0I040WI0&a2=mG0Y8048f8&n=1UH90T07RT52S&v=1UH08207RT5000000 istat.it]</ref> Sie ist ein Teil des [[Sestiere|Stadtsechstels]] [[Dorsoduro]].


== Geographische Einordnung, der Kanal ==
In seinem östlichsten Teil ist die ''Giudecca'' die Gegenküste zum [[Markusplatz]] und [[Dogenpalast]]. Beide liegen am Ausgang des ‘‘Großen Kanals‘‘, dem ''[[Canal Grande]]'', jenem Wasserverlauf, der die [[Lagune]]nstadt wie eine sich windende Schlange in westöstlicher Richtung durchzieht. Aus der Vogelperspektive mutet das Stadtbild der einstigen Hauptstadt der [[Doge]]nrepublik an wie zwei an ihren Mäulern verkeilte Fische, die einander zu verschlingen suchen. Diese beiden sich gegenseitig verschlingenden Fische scheinen auf der Giudecca wie in einer zu kleinen Schale zu liegen.
[[Datei:Giudecca-pjt.jpg|mini|Blick auf die Giudecca vom Turm von San Giorgio Maggiore]]


[[Datei:6130 - Venezia - Giudecca - Rio Ponte Picolo - Foto Giovanni Dall'Orto - 6-Aug-2008.jpg|mini|Brücke ''Ponte Piccolo'']]
Die ''Giudecca'' ist Teil des historischen Stadtzentrums von Venedig und liegt südlich von dessen Hauptteil, getrennt durch den nach Osten fließenden ''Canale della Giudecca''. Ihre gleichmäßig verlaufende Entfernung beträgt zirka 300 Meter. Die Fahrt vom [[Markusplatz]] dauert mit einem öffentlichen Dieselmotorschiff ([[Vaporetto]]) kaum mehr als drei Minuten. Im Westen liegt jenseits des ''Canale del Lavraneri'' die Insel(gruppe) [[Sacca Fisola]], während im Osten der ''Canale della Grazia (Canale di San Giorgio Maggiore)'' Giudecca und [[San Giorgio Maggiore]] voneinander trennt. Die Inselgruppe misst in westöstlicher Richtung nicht mehr als 2.000 Meter. Von Norden nach Süden ist sie nicht breiter als 300 Meter. Sie besteht aus insgesamt neun Einzelinseln, die durch neun bis 40 Meter breite Kanäle voneinander getrennt sind, von denen fünf die Giudecca von Norden nach Süden durchschneiden:
* Rio della Croce
* Rio del Ponte Lungo
* Rio del Ponte Piccolo
* Rio Santa Eufemia
* Rio di San Biagio


Zwei weitere verlaufen über kurze Distanz in ost-westlicher Richtung:
* Rio Palada (Fließrichtung West)
* Rio Convertite


Der ''Rio dei Scorzeri'' schließlich ist ein neuerer Kanal, der die Inseln ''Junghans'' und ''Scorzeri'' trennt. Er verläuft von Ost nach West knickt dann nach Süden.
== Debatte um die Herkunft des Namens der Insel ==


[[Datei:2001-NASA-Satellitenaufnahme Venedig.jpg|mini|Satellitenaufnahme Venedigs mit der Inseln ''[[San Michele (Insel)|San Michele]]'' im Norden, der ''Giudecca'' im Süden sowie der die Lagune nach Osten abschließenden [[Nehrung]]sinsel ''[[Lido di Venezia|Lido]]'' (2001)]]
Anfänglich wurde das Eiland ''Vigano'' {{Ref|MM}} genannt. Später kam der Name ‘‘Spina lunga‘‘ bzw. ‘‘Spinalonga‘‘ (langer Dorn) auf, aufgrund seiner an die Wirbelsäule eines Fisches erinnernden gebogenen Wellenform, die von West nach Ost verläuft.
Die Einzelinseln von West nach Ost:<ref>https://www.comune.venezia.it/sites/comune.venezia.it/files/page/files/PEBA%20Allegati%20A%20e%20P.pdf</ref>


{{All Coordinates|pos=inline}}
Für die bis heute gültige Namensgebung scheinen zwei Haupttheorien sich unversöhnlich gegenüberzustehen. Nach der einen Lesart des Namens ''Giudecca'' sei die Insel wegen der [[Juden]], denen dort im frühen Mittelalter zu siedeln erlaubt wurde, zu seiner Namensgebung gelangt. Demnach würde ''Giudecca'' (als Derivat von ''giudeo'', mittelital. Bezeichnung für ''Jude'' im Unterschied zum heutigen Italienischen ''ebreo'') die Judeninsel nominieren. Von dem venezianischen Patrizier Giorgio Emo ist zudem bekannt, daß er dem Senat des Stadtstaates im Jahr 1515 vorgeschlagen hatte, die Juden der Stadt auf Dauer und ausschließlich auf der Giudecca anzusiedeln. Doch davon kam man ab, wohl auch weil Soldatenquartiere auf der Insel unerwünschte Unruhen hätten provozieren können.{{Ref|JS}}<br> Ein Jahr später nimmt der Senat den Vorschlag Zaccaria Dolfins an, wonach sich die in Venedig anwesenden Juden im ''Ghetto nuovo'' niederlassen sollen, einer Insel mitten in der Stadt, die man nächtens verschließt. Diese venezianische Judenstadt (in alter Zeit auch ''Gheto'') ist das erste Ghetto überhaupt. Die Frage, ob im Namen der Insel ''Giudecca'' sozusagen der frühere Siedlungsraum dieses ersten jüdischen Ghettos Venedigs war, ist bis heute strittig.
{| class="wikitable sortable"
|- style="background:#CCCCCC;"
! Insel|| Fläche<br />[[Quadratmeter|m²]] || Bevölkerung<br />2011-10-09 || Dichte|| [[WGS84|Koordinaten]]
|-
|Molino Stucky|| align="right"|42102|| align="right"|188|| align="right"|4465||<small>{{Coordinate|text=DMS|NS=45.426998|EW=12.318912|type=isle|region=IT-VE|dim=6000|pop=188|name=Molino Stucky}}</small>
|-
|San Biagio|| align="right"|37897|| align="right"|310|| align="right"|8180||<small>{{Coordinate|text=DMS|NS=45.427112|EW=12.321629|type=isle|region=IT-VE|dim=6000|pop=310|name=San Biagio}}</small>
|-
|Convertite|| align="right"|57758|| align="right"|370|| align="right"|6406||<small>{{Coordinate|text=DMS|NS=45.425407|EW=12.320932|type=isle|region=IT-VE|dim=6000|pop=370|name=Convertite}}</small>
|-
|Sant’Eufemia|| align="right"|89585|| align="right"|1019|| align="right"|11375||<small>{{Coordinate|text=DMS|NS=45.425293|EW=12.324361|type=isle|region=IT-VE|dim=6000|pop=1019|name=Sant’Eufemia}}</small>
|-
|Palada|| align="right"|22066|| align="right"|266|| align="right"|12055||<small>{{Coordinate|text=DMS|NS=45.425513|EW=12.327599|type=isle|region=IT-VE|dim=6000|pop=266|name=Palada}}</small>
|-
|Junghans|| align="right"|26400|| align="right"|269|| align="right"|10189||<small>{{Coordinate|text=DMS|NS=45.424132|EW=12.326689|type=isle|region=IT-VE|dim=6000|pop=269|name=Junghans}}</small>
|-
|Scorzeri{{FN|1}}|| align="right"|…|| align="right"|…|| align="right"|…||<small>{{Coordinate|text=DMS|NS=45.4236665|EW=12.3271832|type=isle|region=IT-VE|dim=6000|pop=269|name=Scorzeri}}</small>
|-
|Redentore<br /><small>=Quartiere San Giacomo</small>|| align="right"|100296|| align="right"|745|| align="right"|7428||<small>{{Coordinate|text=DMS|NS=45.424359|EW=12.330992|type=isle|region=IT-VE|dim=6000|pop=745|name=Redentore}}</small>
|-
|Zittelle<br /><small>=Quartiere Campo di Marte</small>|| align="right"|207774|| align="right"|1577|| align="right"|7590||<small>{{Coordinate|text=DMS|NS=45.425191|EW=12.337782|type=isle|region=IT-VE|dim=6000|pop=1577|name=Zittelle}}</small>
|-
|- style="background:#DDDDDD;" | class="sortbottom"
|Einzelinseln Giudecca|| align="right"| 583878 || align="right"| 4744|| align="right"| 8125 || &nbsp;
|}
{{FNBox|
{{FNZ|1|Daten in ''Junghans'' enthalten, davon Fläche von ca. 2966 m²}}}}


Zu Fläche und Bevölkerung der Einzelinseln s. ''[[Liste der Altstadtinseln von Venedig]]''. Alle neun Teilinseln sind durch Brücken miteinander verbunden. Eine weitere Brücke, ''Ponte dei Lavraneri'', führt über den ''Canale del Lavraneri'' und verbindet die Teilinsel [[Molino Stucky]] mit der westlich angrenzenden Insel [[Sacca Fisola]].


Die Giudecca wird in zwei römisch-katholische Pfarreien gegliedert, die zum [[Dekanat]] ''Vicariato di S. Polo-S. Croce-Dorsoduro'' im [[Patriarchat von Venedig]] gehören:<ref>{{Toter Link |url=http://www.webdiocesi.chiesacattolica.it/cci_new/documenti_diocesi/218/2010-05/07-28/Vicariato%20Dorsoduro-Giudecca-S.Polo-S.Croce.doc |date=2024-02-07}} [http://www.webdiocesi.chiesacattolica.it/cci_new/documenti_diocesi/218/2010-05/07-28/Vicariato%20Dorsoduro-Giudecca-S.Polo-S.Croce.doc chiesacattolica.it] ([[Microsoft Word|MS Word]]; 50&nbsp;kB).</ref>
[[Bild:Venedig13jh.jpg|thumb|Zeichnung eines Franziskaners der Stadt Venedig aus dem 14. Jahrhundert mit der Insel Giudecca (Schreibweise hier:''Iudaica'']]
#S.S. Redentore (mit S.S. Trinità – Clarisse und Zitelle) (östlich des ''Rio del Ponte Longo'', mit den Inseln ''Zitelle'' und ''Redentore'' bzw. den Stadtvierteln ''Quartiere Campo di Marte'' und ''Quartiere San Giacomo'')
[[Bild:1729-VenedigmitGiudecca.jpg|thumb|Stadtplan Venedigs aus dem frühen 18. Jahrhundert (Schreibweise hier: ''Giudeca'')]]
#Santa Eufemia (westlich des ''Rio del Ponte Longo'', mit den übrigen Inseln ''Palada, Junghans, Scorzeri, Sant’Eufemia, San Biagio, Convertite'' und ''Molino Stucky'')
[[Bild:1888-Venedig.png|thumb|Deutscher Stadtplan Venedigs aus dem Späten 19. Jahrhundert]]


Eine weitere Pfarrei San Gerardo Sagredo liegt auf den westlich vorgelagerten Inseln um [[Sacca Fisola]] ([[Sacca San Biagio]], AMAV, Piscina Comunale und Inceneritore).
Die andere Erklärung für die Herkunft des Inselnamens ''Giudecca'' knüpft an die wegen kleinerer Vergehen Verurteilten (ital. „giudicati“) an. Da Sträflinge in frühmittelalterlicher Zeit auf das von der Stadt abgegrenzte Eiland verbracht worden seien, könnte in diesem Falle allein der Gedanke für die „Verbannungsinsel'' hier Pate gestanden haben.{{Ref|Google}}


<gallery perrow="3" widths="180">
[[Michelangelo]] hatte zwischen 1529 und 1532 drei Jahre auf der Giudecca in einer Art freiwilligen [[Exil]]s ein Haus gemietet.{{Ref|Google}}<br>.
Karta över Venedig på 1920-talet (ur Nordisk familjebok).jpg|Karte des historischen Zentrums von Venedig, mit der Giudecca im Süden
Sestieri di Venezia-Giudecca.svg|Die Giudecca ist rot dargestellt (Einzelinseln nicht sichtbar)
Sestieri di Venezia.svg|Die Giudecca gehört zum Stadtteil [[Dorsoduro]] (gelb)
Rii di Giudecca.png|Kanäle trennen die Einzelinseln der Giudecca voneinander
Chiese di Giudecca e San Giorgio.png|Die Kirchen der Giudecca
Palazzi di giudecca.png|Die Paläste der Giudecca
</gallery>
Die beiden östlichen Teilinseln Zitelle und Redentore entsprechen den Stadtvierteln ''Quartiere Campo di Marte'' und ''Quartiere San Giacomo''.


== Geschichte, Herkunft des Namens der Inselgruppe ==
Auf Karten und Stichen des Stadtplans Venedigs, sind auf der Giudecca (auch ''Giudeca'' bzw. im altvenezianischen Dialekt ''Zueca'') zahlreiche Adelspaläste mit riesigen Gärten eingezeichnet. Um die Wende zum 20. Jahrhundert war die Insel mit 3.000 Einwohnern hauptsächlich von Fischern bewohnt. Im frühen 20. Jahrhundert wurde die Giudecca zu einem Industriegebiet, vor allem in seinem westlichen Teilen) mit Werften und Fabriken. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges verlor ein großer Teil der Industrieansiedlung auf der Insel seine frühere Bedeutung. Heute wird Giudecca mehr und mehr entdeckt als Wohngebiet, von dem geschätzt wird, das man hierhin gut zurückziehen und von dem größeren Touristentrubel Venedigs entspannen kann. Die Immobilien hier sind hier auch um einiges günstiger.
Vermutet wird, dass die Insel im frühen Mittelalter auch „Vigano“<ref name="MM">[[Otto Julius Bierbaum]]: ''Dumont Visuell. Venedig'', Köln:DuMont Buchverlag 2000, 5. aktualisierte Auflage, ISBN 3-7701-3200-9, S.&nbsp;336.</ref> genannt wurde. Auch zu dieser Zeit oder später bürgerte sich der Name „Spinalonga“ (die erstarrte Form von ''Spina lunga'', d.&nbsp;h. ''lange Fischgräte'') ein, da die Form der Insel aus der Vogelperspektive an das biegsame Rückgrat eines Fisches erinnert.


Zur Herkunft des bis heute gültigen Namens „Giudecca“ gibt es zwei divergierende Hauptthesen. Nach der einen Lesart ihres Namens sei die Insel nach den Juden benannt worden (''giudei''), da ihnen anstatt in Venedig auf der Insel vor der Stadt zu siedeln erlaubt worden sei. Demnach würde ''Giudecca'' (als Derivat von ''giudeo'', der mittelitalienischen Bezeichnung für ''Jude'' – im Unterschied zum heutigen Italienischen ''ebreo'') konkret eine „Insel für Juden“ benennen. Von dem venezianischen Patrizier [[Giorgio Emo]] ist zudem bekannt, dass er dem Senat des Stadtstaates im Jahr 1515 vorgeschlagen hatte, die Juden der Stadt auf Dauer und ausschließlich auf der Giudecca anzusiedeln. Doch davon kam man ab, wohl auch weil Soldatenquartiere auf der Insel unerwünschte Unruhen hätten provozieren können.<ref name="JS">Bierbaum, S. 141.</ref><br />
An bedeutenden Gebäuden findet man auf der Giudecca die ''Chiesa del Redentore'', dem wohl schönsten und imposantesten Bauwerk [[Palladio]]s, (errichtet 1576 als Botivkirche auf Anordnung des Senats anläßlich des Endes der Pest, die Kirche Sant'Eufemia (gegründet im 9. Jahrhundert) ist eine der ältesten Kirchen Venedigs und die Chiesa delle Zitelle. Die Kirche San Maggiore liegt abseits der östlichen Spitze Giudeccas.
Ein Jahr später nahm der Senat den Vorschlag [[Zaccaria Dolfin]]s an, wonach sich die in Venedig anwesenden Juden im ''[[Ghetto (Venedig)|Ghetto]]'' niederlassen sollten, einer Insel am Rande der Stadt, die man nächtens verschloss. Dieses venezianische innerstädtische Judenviertel (in alter Zeit auch ''Gheto'') ist möglicherweise das erste Ghetto in Italien überhaupt.
[[Datei:Venice 1838 map.jpg|mini|hochkant=2|links|Karte von 1838]]
[[Datei:1300-1399-Venedig.jpg|mini|Zeichnung eines Franziskaners der Stadt Venedig aus dem 14. Jahrhundert mit der Insel Giudecca (Schreibweise: ''Iudaica'')]]
[[Datei:1550-Sebastian Münster-lat.jpg|mini|1550–Stadtansicht Venedigs (Zeichnung) in Sebastian Münsters ''Cosmographia'' (Schreibweise in der lateinischen Ausgabe ''iudeca'', in der deutschen Ausgabe (1570) ''Giudeca'')]]
[[Datei:1573-Pinargenti-Venedig.jpg|mini|1573–Stich Venedigs von der Druckerei Simon Pinargentis ''Isole che son da Venetia nella Dalmatia'' (Schreibweise wie in der deutschen Ausgabe Münsters ''Giudeca'')]]
[[Datei:Navire de croisière dans le canal de la Giudecca (Venise) (6156556391).jpg|mini|links|Kreuzfahrtschiff im Canale della Giudecca]]
[[Datei:1729-VenedigmitGiudecca.jpg|mini|1729–Stadtplan Venedigs (Schreibweise: ''Giudeca'')]]
[[Datei:Karte Venedig MK1888.png|mini|1888–Stadtplan Venedigs aus ''Meyers Konversationslexikon'' (Aktuelle Schreibweise: ''Giudecca'')]]


Die andere Erklärung für die Herkunft des Inselnamens ''Giudecca'' knüpft an die wegen kleinerer Vergehen Verurteilten (ital. „giudicati“) an. Da Sträflinge in frühmittelalterlicher Zeit auf die von der Stadt abgegrenzte Insel verbracht worden seien, könnte in diesem Falle allein der Gedanke an die „Verbannungsinsel“ Pate gestanden haben.<ref name="RC">[[Riccardo Calimani]]: ''Die Kaufleute von Venedig. Die Geschichte der Juden in der Löwenrepublik''. München 1990, S. 11–15; Bierbaum, S. 140.</ref>
Am Westende der Insel liegt ein riesiger, in neugotischem Stil erbauter, düster wirkender Ziegelbau, die Stucky-Mühle. Der Bau wurde Ende des 19. Jahrhunderts vom Teigwarenfabrikanten [[Giovanni Stucky]] errichtet. Für verschiedene Erweiterungen wurde der Hannoveraner Architekt [[Wullekopf]] beauftragt, der der Mühle ihre heutige Gestalt gab. Der Molino Stucky war bis zu Beginn des zweiten Weltkrieges die größte Nudelfabrik [[Italien]]s. Nach Jahren der Leerstands und des Verfalls begann man Ende des 20.Jahrhunderts die Mühle teils zu einem [[Hotel]], teils zu Kultur- und Ausstellungszwecken umzubauen. Diese Arbeiten wurden 2003 durch einen Großbrand unterbrochen.


[[Michelangelo]] hielt sich, nachdem er sich vorübergehend aus Florenz abgesetzt hatte, im Herbst 1529 für einige Wochen auf der Giudecca auf. Auf alten Karten und Stichen von Venedig sind auf der Giudecca (auch „Giudeca“ bzw., im altvenezianischen Dialekt, „Zueca“) zahlreiche Adelspaläste mit riesigen Gärten eingezeichnet.
Außerdem gab es auf der Giudecca ein Filmstudio.


Um die Wende zum 20. Jahrhundert war die Insel mit 3000 Einwohnern hauptsächlich von [[Fischer (Beruf)|Fischern]] bewohnt. Im frühen 20. Jahrhundert wurde die Giudecca zu einem Industriegebiet (vor allem in seinem westlichen Teilen) mit Werften und Fabriken. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verlor ein großer Teil der Industrieansiedlung auf der Insel seine frühere Bedeutung. Heute wird die Giudecca mehr und mehr als Wohngebiet entdeckt, an dem geschätzt wird, dass man sich hier vom Touristentrubel Venedigs entspannen kann – und die Mieten noch erträglich sind. 2001 zählte man 6429 Einwohner.<ref>[https://web.archive.org/web/20141023133146/http://dawinci.istat.it/MD/dawinciMD.jsp?a1=W0I040WI0&a2=mG0Y8048f8&n=1UH90T07RT52S&v=1UH08207RT5000000 14. Volkszählung von 2001], archive.org, 23. Oktober 2014.</ref>
== Verarbeitung oder Erwähnung in der deutschsprachigen künstlerischen Literatur (in chronologischer Reihenfolge) ==

An bedeutenden Gebäuden findet man auf der Giudecca die Kirche [[Il Redentore]], das wohl schönste und imposanteste Bauwerk [[Andrea Palladio|Palladios]], errichtet 1576 als [[Votivkirche]] auf Anordnung des Senats anlässlich des Endes der Pest; die Kirche [[Sant’Eufemia (Venedig)|Sant’Eufemia]] (gegründet im 9. Jahrhundert), eine der ältesten Kirchen Venedigs, und die [[Chiesa delle Zitelle]]. Die Kirche [[San Giorgio Maggiore]] liegt abseits der östlichen Spitze der Giudecca und gehört nicht mehr zu ihr.

Am Westende Giudeccas liegt die [[Molino Stucky|Stucky-Mühle]], ein riesiger im neugotischen Stil erbauter Ziegelbau, den Ende des 19. Jahrhunderts der Schweizer Teigwarenfabrikant [[Giovanni Stucky]] errichten ließ. Für verschiedene Erweiterungen wurde der hannoversche Architekt [[Ernst Wullekopf]] beauftragt, der der Mühle ihre heutige Gestalt gab. Der Molino Stucky war bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs die größte Nudelfabrik [[Italien]]s. Nach Jahren des Leerstands und des Verfalls begann man Ende des 20. Jahrhunderts die Mühle teils zu einem [[Hotel]], teils zu Kultur- und Ausstellungszwecken umzubauen. Diese Arbeiten wurden 2003 durch einen Großbrand unterbrochen. Inzwischen wurde das Gebäude vom Hilton-Konzern übernommen und als Hotel wiedereröffnet.

Die Insel ''Junghans'' ist nach dem Schwarzwälder Unternehmen [[Junghans]] benannt, das dort seit Ende des 19. Jahrhunderts Wecker und in Kriegszeiten vor allem Zünder für Bomben produzierte.<ref>Guido Schirmeyer: [https://www.bauwelt.de/themen/betrifft/Junghans-auf-Giudecca-Cino-Zucchi-Campo-2117180.html ''Junghans auf Giudecca.''] In: ''bauwelt.de'', abgerufen am 13. August 2021.</ref>

Außerdem gab es auf der Giudecca ein Filmstudio und es besteht ein Frauengefängnis mit etwa 80 Insassinnen unweit der Stucky-Mühle.<ref>[https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2024-04/vatikan-pavillon-biennale-venedig-einblicke-weltbild-veraendern.html ''Vatikan-Pavillon bei der Biennale: Einblicke, die das Weltbild verändern''], Vatican News.</ref>

== Schiffsverkehr ==
Die Zahl der den Canale della Giudecca durchfahrenden Kreuzfahrtschiffe nahm von Jahr zu Jahr zu. Im Jahr 2012 zählte man etwa 1700 Schiffe. Ihr Anblick wird als optische Beeinträchtigung empfunden. Außerdem werden Umweltschäden befürchtet sowie die Zerstörung des Fundaments der Stadt durch die von den Schiffen ausgelösten Wellen. Im November 2013 beschloss die italienische Regierung, den Schiffsverkehr auf dem Kanal stark einzugrenzen. Große Kreuzfahrtschiffe ab 96.000 [[Registertonne|BRT]] sind seit November 2014 ganz verboten, die Durchfahrten von mittelgroßen Schiffen ab 40.000 BRT soll um ein Fünftel eingeschränkt werden. Fährschiffe dürfen seit Januar 2014 nicht mehr durch den Kanal fahren.<ref>[https://www.sueddeutsche.de/reise/verbot-von-kreuzfahrtschiffen-in-venedig-raus-aus-der-serenissima-1.1811858 ''Raus aus der Serenissima!''] Süddeutsche.de, 6. November 2013, abgerufen am 1. Januar 2014.</ref>

== Die Giudecca in der deutschsprachigen Literatur ==
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|||1786||||Johann Wolfgang v. Goethe <br />(1749-1832)||''Italienische Reise''|| [[http://gutenberg.spiegel.de/goethe/italien/ital141.htm: Venedig, 29. Sept. 1786]].
||1786||||<br /> <div align="center">[[Johann Wolfgang von Goethe]] <br />(1749–1832)</div>||<div align="center">''Italienische Reise''</div>|| [https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital141.html Venedig, 29. September 1786]
|-
|-
|1789||Friedrich Schiller <br />(1759-1805)||''Geisterseher''. Fragment||[[http://gutenberg.spiegel.de/schiller/geisters/geist004.htm 4]][[http://gutenberg.spiegel.de/schiller/geisters/geist013.htm 13]][[http://gutenberg.spiegel.de/schiller/geisters/geist014.htm 14]]
||1789||||<div align="center">[[Friedrich Schiller]] <br />(1759–1805)</div>||<br /><div align="center">''Der Geisterseher''. <br /> Aus den Memoires des Grafen von O**. Fragment</div>||<br />[https://www.projekt-gutenberg.org/ewers/geisters/chap001.html 1. Buch: 4]<br /> [https://www.projekt-gutenberg.org/ewers/geisters/chap002.html 5. Buch, 5. Brief, 1. Julius, a)]<br />[https://www.projekt-gutenberg.org/schiller/geisters/geist009.html 5. Buch, 5. Brief, 1. Julius, b)]
|-
|-
|1819-22||E.T.A Hoffmann <br />(1776-1822)||''Serapions-Brüder''|| [[http://gutenberg.spiegel.de/etahoff/serapion/serap344.htm Doge und Dogaresse, 344]]
||1819–1822||||<div align="center">[[E. T. A. Hoffmann]] <br />(1776–1822)</div>||<div align="center">''Serapions-Brüder''</div>|| [https://www.projekt-gutenberg.org/etahoff/serapion/serap344.html Doge und Dogaresse, 344]
|-
|-
|1847||Fanny Lewald <br />(1811-1889)||''Italienisches Bilderbuch''|| [[http://gutenberg.spiegel.de/lewald/italbild/ital802.htm 802]]
||1847||||<br /><div align="center">[[Fanny Lewald]] <br />(1811–1889)</div>||<div align="center">''Italienisches Bilderbuch''</div>|| [https://www.projekt-gutenberg.org/lewald/italbild/ital802.html Venedig (Tageslicht), 802]
|-
|-
|1855||Jacob Burckhardt <br />(1818-1897)||''Der Cicerone''|| [[http://gutenberg.spiegel.de/burckhar/cicerone/cice107b.htm 107b]] [[http://gutenberg.spiegel.de/burckhar/cicerone/cice108b.htm 108b]]
||1855||||<div align="center">[[Jacob Burckhardt]] <br />(1818–1897)</div>||<div align="center">''Der Cicerone''</div><div align="center">Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens</div>|| [https://www.projekt-gutenberg.org/burckhar/cicerone/cice107b.html 107b: Architektur von 1540 bis 1580 (Kirche ''del Redentore'', 1576) und Nonnenkloster ''delle Zitelle'', 1586] [https://www.projekt-gutenberg.org/burckhar/cicerone/index.html 108b]
|-
||1860–1863||||<div align="center">[[Herman Grimm]]<br />(1828–1901)</div>||<div align="center">''Das Leben Michelangelos''</div><div align="center">(1860–63)</div>|| [https://www.projekt-gutenberg.org/grimmh/michelan/michelan.html Kapitel X,2]
|-
||1862||||<br /><div align="center">[[Paul Heyse]] <br />(1830–1914)</div>||<br /><div align="center">''[[Andrea Delfin]]''. Eine venezianische Novelle</div>|| [https://www.projekt-gutenberg.org/heyse/nov-he04/chap003.html 12]
|-
||1874||||<br /><div align="center">[[Theodor Fontane]]<br />(1819–1898)</div>||<br /><div align="center">''Aus den Tagebüchern der Italienreise, Okt./Nov. 1874''</div>|| [https://web.archive.org/web/20090907095231/http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=682&kapitel=1#gb_found 1]
|-
||1887||||<br /><div align="center">[[Conrad Ferdinand Meyer]]<br />(1825–1898)</div>||<div align="center">''Die Versuchung der Pescara''</div>|| [https://www.projekt-gutenberg.org/cfmeyer/pescara/pescara.html 4.Kapitel: 3]
|-
||1889||||<br /><div align="center">[[Hugo von Hofmannsthal]]<br />(1874–1929)</div>||<div align="center">''Der Abenteurer und die Sängerin''</div>|| [https://www.projekt-gutenberg.org/hofmanns/abenteur/abente2b.html 2.Kapitel: 2]
|-
|-
|1862||Paul Heyse <br />(1830-1914)|| ''Andrea Dolfin''. Eine venezianische Novelle|| [[http://gutenberg.spiegel.de/heyse/delfin/delfin12.htm 107b]]
|}
|}


== Erwähnung in der nichtdeutschsprachigen Belletristik ==
1874
{|
: Theodor Fontane (1819-1898)
|-
:: Aus den Tagebüchern der Italienreise Oktober/November 1874
||1790||||<br /><div align="center">Giacomo Casanova<br />(1725–1798)</div>||||<br /><div align="center">''[[Geschichte meines Lebens (Giacomo Casanova)|Histoire de ma vie]]''<br />({{deS|''Erinnerungen''}}),</div>|||| [https://www.projekt-gutenberg.org/casanova/band02/chap32.html 2.&nbsp;Band: 32.&nbsp;Kapitel]
1887
: Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898)
:: Die Versuchung der Pescara (IV,3)
1899
: Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)
:: Der Abenteurer und die Sängerin (II/2)



== Verarbeitung oder Erwähnung in der nichtdeutschsprachigen künstlerischen Literatur (in chronologischer Reihenfolge) ==
|1790|Giacomo Casanova (1725-1798)|Erinnerungen|
|-
|-
|}
|}


== Literatur ==
* Stefania Pizzeghello: ''Una Venezia da scoprire: l’isola della Giudecca e le sue Associazioni Culturali''. tesi di laurea, Università Ca’ Foscari, Venedig 2016 ([http://dspace.unive.it/handle/10579/7523 online]).
* Lucio Zara: ''Da SPINALONGA alla ZUECA. Sulle origini di un’isola veneziana e del suo nome''. ([https://www.academia.edu/35241918/Da_SPINALONGA_alla_ZUECA._Sulle_origini_di_un_isola_veneziana_e_del_suo_nome academia.edu]).
* [[Pompeo Gherardo Molmenti|Pompeo Molmenti]], Dino Mantovani: ''Le isole della laguna veneta'', Bergamo 1904, S. 15–20 ([https://archive.org/details/leisoledellalagu08molmuoft/page/15/mode/1up?view=theater Digitalisat]).


==Quellen==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Giudecca (Venice)|Giudecca}}
#{{Fußnote|MM|Otto Julius Bierbaum: ''Dumont Visuell. Venedig'' , Köln:DuMont Buchverlag 2000, 5. aktualisierte Auflage ISBN 3-7701-3200-9, S. 336.}}
* [https://web.archive.org/web/20120306095229/http://www.med-pact.com/Download/Archimedes/09-Study-Visit-Incubators-Giudecca.pdf Incubator for Innovative Enterprise on the island of Giudecca in Venice], archive.org, 6. März 2012 (PDF; 3,7&nbsp;MB).
#{{Fußnote|JS|Bierbaum, S. 141.}}
* [http://www.paulsippel.de/Venedig/inseln-der-lagune/insel-la-giudecca/lagiudecca.htm Giudecca: virtueller Rundgang].
#{{Fußnote|Google|2=Bierbaum, S. 140.}}
* [http://e.blog.xuite.net/e/3/9/e/23214132/blog_1871433/txt/46294666/39.jpg Karte mit Pfarreigrenzen].
#{{Fußnote|Google|2=Herman Grimm: Das Leben Michelangelos. Vollständige Ausgabe. Mit 24 Bildtafeln. Eingeleitet und mit Anmerkungen von Dr. Karl Augst Laux, Leipzig: Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung 1940, S. 533 (Kap. X,2). Im Projekt Gutenberg findet sich Grimms Buch ''Das Leben Michelangelos'' (1940) bereits in digitalisierter Form (auch wenn die elektronische Stellenangabe nicht mit dem des Originals übereinstimmt: richtig ist Kapitel X,2) [[http://gutenberg.spiegel.de/grimmh/michelan/mich108.htm: Leben Michelangelos, Kapitel X,2]].}}



== Einzelnachweise ==
<references />


{{Navigationsleiste Sestieri von Venedig}}
[[Kategorie:Insel (Italien)|Giudecca]]
[[Kategorie:Venedig|Giudecca]]


[[Kategorie:Inselgruppe (Venetien)]]
==Weblinks==
[[Kategorie:Inselgruppe (Europa)]]
Bisher bietet nur die amerikanische Kartenabteilung von Google eine Satellitenaufnahme der Insel Giudecca mit Vergrößerungsmöglichkeit an:
[[Kategorie:Inselgruppe (Adriatisches Meer)]]
[[http://maps.google.com/maps?q=venice,+italy&ll=45.424480,12.328420&spn=0.012018,0.041096&t=k&hl=en/ Google:local]].
[[Kategorie:Geographie (Venedig)]]
[[Kategorie:Giudecca| ]]

Aktuelle Version vom 8. März 2025, 01:03 Uhr

Giudecca
Blick von Nordost (über der Altstadt) auf Mitte und Westteil der Insel (2020)
Blick von Nordost (über der Altstadt) auf Mitte und Westteil der Insel (2020)
Gewässer Lagune von Venedig
Geographische Lage 45° 26′ N, 12° 19′ OKoordinaten: 45° 26′ N, 12° 19′ O
Giudecca (Venetien)
Giudecca (Venetien)
Anzahl der Inseln 9
Hauptinsel Zittelle
Gesamte Landfläche 58,39 ha
Einwohner 4744 (2011-10-09)
Karte der Inselgruppe
Karte der Inselgruppe

Die Giudecca (im örtlichen Dialekt Giudèca, früher auch Zudèca oder Zuèca) ist eine langgezogene Inselgruppe im Süden der Stadt Venedig in Italien, mit einer Fläche von 58,9 Hektar (genau 589.056 Quadratmeter[1]) und einer Bevölkerung von 6.429 zum Stand der Volkszählung 2001.[2] Sie ist ein Teil des Stadtsechstels Dorsoduro.

Geographische Einordnung, der Kanal

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Blick auf die Giudecca vom Turm von San Giorgio Maggiore
Brücke Ponte Piccolo

Die Giudecca ist Teil des historischen Stadtzentrums von Venedig und liegt südlich von dessen Hauptteil, getrennt durch den nach Osten fließenden Canale della Giudecca. Ihre gleichmäßig verlaufende Entfernung beträgt zirka 300 Meter. Die Fahrt vom Markusplatz dauert mit einem öffentlichen Dieselmotorschiff (Vaporetto) kaum mehr als drei Minuten. Im Westen liegt jenseits des Canale del Lavraneri die Insel(gruppe) Sacca Fisola, während im Osten der Canale della Grazia (Canale di San Giorgio Maggiore) Giudecca und San Giorgio Maggiore voneinander trennt. Die Inselgruppe misst in westöstlicher Richtung nicht mehr als 2.000 Meter. Von Norden nach Süden ist sie nicht breiter als 300 Meter. Sie besteht aus insgesamt neun Einzelinseln, die durch neun bis 40 Meter breite Kanäle voneinander getrennt sind, von denen fünf die Giudecca von Norden nach Süden durchschneiden:

  • Rio della Croce
  • Rio del Ponte Lungo
  • Rio del Ponte Piccolo
  • Rio Santa Eufemia
  • Rio di San Biagio

Zwei weitere verlaufen über kurze Distanz in ost-westlicher Richtung:

  • Rio Palada (Fließrichtung West)
  • Rio Convertite

Der Rio dei Scorzeri schließlich ist ein neuerer Kanal, der die Inseln Junghans und Scorzeri trennt. Er verläuft von Ost nach West knickt dann nach Süden.

Satellitenaufnahme Venedigs mit der Inseln San Michele im Norden, der Giudecca im Süden sowie der die Lagune nach Osten abschließenden Nehrungsinsel Lido (2001)

Die Einzelinseln von West nach Ost:[3]

 Karte mit allen Koordinaten: OSM | WikiMap
Insel Fläche
Bevölkerung
2011-10-09
Dichte Koordinaten
Molino Stucky 42102 188 4465 45° 25′ 37″ N, 12° 19′ 8″ O
San Biagio 37897 310 8180 45° 25′ 38″ N, 12° 19′ 18″ O
Convertite 57758 370 6406 45° 25′ 31″ N, 12° 19′ 15″ O
Sant’Eufemia 89585 1019 11375 45° 25′ 31″ N, 12° 19′ 28″ O
Palada 22066 266 12055 45° 25′ 32″ N, 12° 19′ 39″ O
Junghans 26400 269 10189 45° 25′ 27″ N, 12° 19′ 36″ O
Scorzeri 1 45° 25′ 25″ N, 12° 19′ 38″ O
Redentore
=Quartiere San Giacomo
100296 745 7428 45° 25′ 28″ N, 12° 19′ 52″ O
Zittelle
=Quartiere Campo di Marte
207774 1577 7590 45° 25′ 31″ N, 12° 20′ 16″ O
Einzelinseln Giudecca 583878 4744 8125  
1 
Daten in Junghans enthalten, davon Fläche von ca. 2966 m²

Zu Fläche und Bevölkerung der Einzelinseln s. Liste der Altstadtinseln von Venedig. Alle neun Teilinseln sind durch Brücken miteinander verbunden. Eine weitere Brücke, Ponte dei Lavraneri, führt über den Canale del Lavraneri und verbindet die Teilinsel Molino Stucky mit der westlich angrenzenden Insel Sacca Fisola.

Die Giudecca wird in zwei römisch-katholische Pfarreien gegliedert, die zum Dekanat Vicariato di S. Polo-S. Croce-Dorsoduro im Patriarchat von Venedig gehören:[4]

  1. S.S. Redentore (mit S.S. Trinità – Clarisse und Zitelle) (östlich des Rio del Ponte Longo, mit den Inseln Zitelle und Redentore bzw. den Stadtvierteln Quartiere Campo di Marte und Quartiere San Giacomo)
  2. Santa Eufemia (westlich des Rio del Ponte Longo, mit den übrigen Inseln Palada, Junghans, Scorzeri, Sant’Eufemia, San Biagio, Convertite und Molino Stucky)

Eine weitere Pfarrei San Gerardo Sagredo liegt auf den westlich vorgelagerten Inseln um Sacca Fisola (Sacca San Biagio, AMAV, Piscina Comunale und Inceneritore).

Die beiden östlichen Teilinseln Zitelle und Redentore entsprechen den Stadtvierteln Quartiere Campo di Marte und Quartiere San Giacomo.

Geschichte, Herkunft des Namens der Inselgruppe

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Vermutet wird, dass die Insel im frühen Mittelalter auch „Vigano“[5] genannt wurde. Auch zu dieser Zeit oder später bürgerte sich der Name „Spinalonga“ (die erstarrte Form von Spina lunga, d. h. lange Fischgräte) ein, da die Form der Insel aus der Vogelperspektive an das biegsame Rückgrat eines Fisches erinnert.

Zur Herkunft des bis heute gültigen Namens „Giudecca“ gibt es zwei divergierende Hauptthesen. Nach der einen Lesart ihres Namens sei die Insel nach den Juden benannt worden (giudei), da ihnen anstatt in Venedig auf der Insel vor der Stadt zu siedeln erlaubt worden sei. Demnach würde Giudecca (als Derivat von giudeo, der mittelitalienischen Bezeichnung für Jude – im Unterschied zum heutigen Italienischen ebreo) konkret eine „Insel für Juden“ benennen. Von dem venezianischen Patrizier Giorgio Emo ist zudem bekannt, dass er dem Senat des Stadtstaates im Jahr 1515 vorgeschlagen hatte, die Juden der Stadt auf Dauer und ausschließlich auf der Giudecca anzusiedeln. Doch davon kam man ab, wohl auch weil Soldatenquartiere auf der Insel unerwünschte Unruhen hätten provozieren können.[6]
Ein Jahr später nahm der Senat den Vorschlag Zaccaria Dolfins an, wonach sich die in Venedig anwesenden Juden im Ghetto niederlassen sollten, einer Insel am Rande der Stadt, die man nächtens verschloss. Dieses venezianische innerstädtische Judenviertel (in alter Zeit auch Gheto) ist möglicherweise das erste Ghetto in Italien überhaupt.

Karte von 1838
Zeichnung eines Franziskaners der Stadt Venedig aus dem 14. Jahrhundert mit der Insel Giudecca (Schreibweise: Iudaica)
1550–Stadtansicht Venedigs (Zeichnung) in Sebastian Münsters Cosmographia (Schreibweise in der lateinischen Ausgabe iudeca, in der deutschen Ausgabe (1570) Giudeca)
1573–Stich Venedigs von der Druckerei Simon Pinargentis Isole che son da Venetia nella Dalmatia (Schreibweise wie in der deutschen Ausgabe Münsters Giudeca)
Kreuzfahrtschiff im Canale della Giudecca
1729–Stadtplan Venedigs (Schreibweise: Giudeca)
1888–Stadtplan Venedigs aus Meyers Konversationslexikon (Aktuelle Schreibweise: Giudecca)

Die andere Erklärung für die Herkunft des Inselnamens Giudecca knüpft an die wegen kleinerer Vergehen Verurteilten (ital. „giudicati“) an. Da Sträflinge in frühmittelalterlicher Zeit auf die von der Stadt abgegrenzte Insel verbracht worden seien, könnte in diesem Falle allein der Gedanke an die „Verbannungsinsel“ Pate gestanden haben.[7]

Michelangelo hielt sich, nachdem er sich vorübergehend aus Florenz abgesetzt hatte, im Herbst 1529 für einige Wochen auf der Giudecca auf. Auf alten Karten und Stichen von Venedig sind auf der Giudecca (auch „Giudeca“ bzw., im altvenezianischen Dialekt, „Zueca“) zahlreiche Adelspaläste mit riesigen Gärten eingezeichnet.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert war die Insel mit 3000 Einwohnern hauptsächlich von Fischern bewohnt. Im frühen 20. Jahrhundert wurde die Giudecca zu einem Industriegebiet (vor allem in seinem westlichen Teilen) mit Werften und Fabriken. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verlor ein großer Teil der Industrieansiedlung auf der Insel seine frühere Bedeutung. Heute wird die Giudecca mehr und mehr als Wohngebiet entdeckt, an dem geschätzt wird, dass man sich hier vom Touristentrubel Venedigs entspannen kann – und die Mieten noch erträglich sind. 2001 zählte man 6429 Einwohner.[8]

An bedeutenden Gebäuden findet man auf der Giudecca die Kirche Il Redentore, das wohl schönste und imposanteste Bauwerk Palladios, errichtet 1576 als Votivkirche auf Anordnung des Senats anlässlich des Endes der Pest; die Kirche Sant’Eufemia (gegründet im 9. Jahrhundert), eine der ältesten Kirchen Venedigs, und die Chiesa delle Zitelle. Die Kirche San Giorgio Maggiore liegt abseits der östlichen Spitze der Giudecca und gehört nicht mehr zu ihr.

Am Westende Giudeccas liegt die Stucky-Mühle, ein riesiger im neugotischen Stil erbauter Ziegelbau, den Ende des 19. Jahrhunderts der Schweizer Teigwarenfabrikant Giovanni Stucky errichten ließ. Für verschiedene Erweiterungen wurde der hannoversche Architekt Ernst Wullekopf beauftragt, der der Mühle ihre heutige Gestalt gab. Der Molino Stucky war bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs die größte Nudelfabrik Italiens. Nach Jahren des Leerstands und des Verfalls begann man Ende des 20. Jahrhunderts die Mühle teils zu einem Hotel, teils zu Kultur- und Ausstellungszwecken umzubauen. Diese Arbeiten wurden 2003 durch einen Großbrand unterbrochen. Inzwischen wurde das Gebäude vom Hilton-Konzern übernommen und als Hotel wiedereröffnet.

Die Insel Junghans ist nach dem Schwarzwälder Unternehmen Junghans benannt, das dort seit Ende des 19. Jahrhunderts Wecker und in Kriegszeiten vor allem Zünder für Bomben produzierte.[9]

Außerdem gab es auf der Giudecca ein Filmstudio und es besteht ein Frauengefängnis mit etwa 80 Insassinnen unweit der Stucky-Mühle.[10]

Die Zahl der den Canale della Giudecca durchfahrenden Kreuzfahrtschiffe nahm von Jahr zu Jahr zu. Im Jahr 2012 zählte man etwa 1700 Schiffe. Ihr Anblick wird als optische Beeinträchtigung empfunden. Außerdem werden Umweltschäden befürchtet sowie die Zerstörung des Fundaments der Stadt durch die von den Schiffen ausgelösten Wellen. Im November 2013 beschloss die italienische Regierung, den Schiffsverkehr auf dem Kanal stark einzugrenzen. Große Kreuzfahrtschiffe ab 96.000 BRT sind seit November 2014 ganz verboten, die Durchfahrten von mittelgroßen Schiffen ab 40.000 BRT soll um ein Fünftel eingeschränkt werden. Fährschiffe dürfen seit Januar 2014 nicht mehr durch den Kanal fahren.[11]

Die Giudecca in der deutschsprachigen Literatur

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1786
Italienische Reise
Venedig, 29. September 1786
1789
Friedrich Schiller
(1759–1805)

Der Geisterseher.
Aus den Memoires des Grafen von O**. Fragment

1. Buch: 4
5. Buch, 5. Brief, 1. Julius, a)
5. Buch, 5. Brief, 1. Julius, b)
1819–1822
E. T. A. Hoffmann
(1776–1822)
Serapions-Brüder
Doge und Dogaresse, 344
1847
Fanny Lewald
(1811–1889)
Italienisches Bilderbuch
Venedig (Tageslicht), 802
1855
Jacob Burckhardt
(1818–1897)
Der Cicerone
Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens
107b: Architektur von 1540 bis 1580 (Kirche del Redentore, 1576) und Nonnenkloster delle Zitelle, 1586 108b
1860–1863
Herman Grimm
(1828–1901)
Das Leben Michelangelos
(1860–63)
Kapitel X,2
1862
Paul Heyse
(1830–1914)

Andrea Delfin. Eine venezianische Novelle
12
1874
Theodor Fontane
(1819–1898)

Aus den Tagebüchern der Italienreise, Okt./Nov. 1874
1
1887
Die Versuchung der Pescara
4.Kapitel: 3
1889
Der Abenteurer und die Sängerin
2.Kapitel: 2

Erwähnung in der nichtdeutschsprachigen Belletristik

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1790
Giacomo Casanova
(1725–1798)

2. Band: 32. Kapitel
  • Stefania Pizzeghello: Una Venezia da scoprire: l’isola della Giudecca e le sue Associazioni Culturali. tesi di laurea, Università Ca’ Foscari, Venedig 2016 (online).
  • Lucio Zara: Da SPINALONGA alla ZUECA. Sulle origini di un’isola veneziana e del suo nome. (academia.edu).
  • Pompeo Molmenti, Dino Mantovani: Le isole della laguna veneta, Bergamo 1904, S. 15–20 (Digitalisat).
Commons: Giudecca – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Venice islands: All the islands of Venice by area (Memento vom 24. März 2009 im Internet Archive)
  2. @1@2Vorlage:Toter Link/dawinci.istat.it (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Februar 2024. Suche in Webarchiven) istat.it
  3. https://www.comune.venezia.it/sites/comune.venezia.it/files/page/files/PEBA%20Allegati%20A%20e%20P.pdf
  4. @1@2Vorlage:Toter Link/www.webdiocesi.chiesacattolica.it (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Februar 2024. Suche in Webarchiven) chiesacattolica.it (MS Word; 50 kB).
  5. Otto Julius Bierbaum: Dumont Visuell. Venedig, Köln:DuMont Buchverlag 2000, 5. aktualisierte Auflage, ISBN 3-7701-3200-9, S. 336.
  6. Bierbaum, S. 141.
  7. Riccardo Calimani: Die Kaufleute von Venedig. Die Geschichte der Juden in der Löwenrepublik. München 1990, S. 11–15; Bierbaum, S. 140.
  8. 14. Volkszählung von 2001, archive.org, 23. Oktober 2014.
  9. Guido Schirmeyer: Junghans auf Giudecca. In: bauwelt.de, abgerufen am 13. August 2021.
  10. Vatikan-Pavillon bei der Biennale: Einblicke, die das Weltbild verändern, Vatican News.
  11. Raus aus der Serenissima! Süddeutsche.de, 6. November 2013, abgerufen am 1. Januar 2014.