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„Atheismus“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Ephesians 2,12 - Greek atheos.jpg|mini|hochkant=1.2|Das [[Altgriechische Sprache|altgriechische]] Adjektiv {{lang|grc|ἄθεος|átheos|de=ohne Gott}} in einer Handschrift des Briefes des [[Apostel]]s [[Paulus von Tarsus|Paulus]] an die [[Ephesos|Epheser]] ([[Papyrus 46]] {{Bibel|Eph|2|12}})]]
Als '''Atheismus''' wird die [[Weltanschauung|weltanschauliche]] Grundhaltung des Nichtglaubens bzw. des Fehlens eines [[Glaube]]ns an einen [[Gott]] bezeichnet („glauben“ im Sinne von „annehmen“, „für wahr halten“). Atheismus kann mit der ausdrücklichen Verneinung der Existenz eines Gottes (oder mehrerer Götter) und [[Transzendenz|transzendenter]] Wesen allgemein einhergehen (s. [[Atheologie]]).
Der Begriff „Atheismus“ leitet sich vom altgriechischen Adjektiv ''átheos (άθεος)'' ab und bedeutet wörtlich: ''ohne Gott''. In seiner latinisierten Form tauchte der Begriff wohl erstmals bei [[Cicero]] auf. Im deutschen Schrifttum erschien das Wort in lateinischer Form ab Ende des [[16. Jahrhundert]]s, ab Beginn des [[18. Jahrhundert]]s gilt es als eingedeutscht.


'''Atheismus''' (von {{grcS|ἄθεος|átheos |de=ohne Gott}}) bezeichnet die Abwesenheit oder Ablehnung des [[Glaube (Religion)|Glaubens]] an einen [[Gott]] oder Götter. Im Gegensatz dazu bezeichnen [[Deismus]] und [[Theismus]] ({{lang|grc|θεός/ϑεός|theós}} „Gott“) den Glauben an Götter, wobei [[Monotheismus]] für den Glauben an einen Gott und [[Polytheismus]] für den Glauben an mehrere Götter steht. Zum Atheismus im weiteren Sinne zählen einige auch den [[Agnostizismus]] (agnostischer Atheismus), nach dem eine Existenz von Gott oder Göttern ungeklärt oder nicht klärbar ist. Im engeren Sinne bezeichnet der Atheismus die [[Überzeugung]], dass es Gottheiten nicht gibt.
Die Bezeichnung átheos war lange Zeit ein Kampfbegriff, der von den Nicht-Gläubigen zunächst nicht übernommen wurde. Es handelte sich um eine abwertende Wortschöpfung, die von den sich als rechtgläubig bezeichnenden gegen angeblich oder wirklich Ungläubige benutzt wurde. Atheismus wurde im Sinne von „gottlos“ auf Anschauungen angewendet, die im Konflikt mit den etablierten [[Religion]]en standen. Vielfach wurden religiöse Strömungen mit eigenen neuen Gottesvorstellungen als atheistisch bezeichnet, beispielsweise wurden die ersten Vertreter der großen monotheistischen Religionen des [[Christentum]]s, des [[Islam]]s und des [[Judentum]]s teilweise von ihren [[Polytheismus|polytheistischen]] Gegnern als Atheisten qualifiziert.


== Begriffsweite und -herkunft ==
Heute wird die Bezeichnung „Atheismus“ tendenziell weniger [[pejorativ]] verwendet. Im wissenschaftlichen Diskurs ist „Atheismus“ ein wertneutraler Begriff. Sein direkter Gegenpart ist der [[Theismus]].
[[Datei:Atheismsymbol endorsed by AAI.svg|mini|hochkant=0.6|Das Symbol des Atheismus aus dem Jahr 2007]]
Die begriffliche Spannbreite von ''Atheismus'' umfasst einerseits die „weiten“ Begriffsbedeutungen, die ein Dasein ohne Glauben an Gott, entsprechende Lebensweisen und diesbezügliche Begründungen einschließen (auch als „Nichttheismus“ begriffen), und andererseits „enge“ oder „starke“ Bedeutungen, die in Hinsicht auf Götterbehauptungen verneinend, gegebenenfalls kämpferisch oder mit Gegenbeweisen vertreten werden (auch bezeichnet als „[[Antitheismus]]“).<ref name="Atheism" /><ref name="Spannbreite" />


Im [[Antikes Griechenland|antiken Griechenland]] wurde der Atheismus-Begriff mit dem [[Alpha privativum]] gebildet ''(A-theismus)'', er hat verschiedene [[Altgriechische Sprache|altgriechische]] Varianten (Substantiv: {{lang|grc|ἀθεότης}} im Sinne von „Gottlosigkeit, Gottesleugnung, Unglaube“) und er war in [[Asebie]]-Prozessen ein hinreichender Anklagepunkt. Die [[Latein|latinisierte]] Form „Atheismus“ findet sich erstmals bei [[Marcus Tullius Cicero|Cicero]], seit Ende des 16. Jahrhunderts erscheint sie im [[Deutsche Sprache|deutschen]] Schrifttum ([[Frühneuhochdeutsche Sprache|frühneuhochdeutsch]] ''Atheisterey'')<ref>{{Zedler Online|2|1029|2016|2025|Atheisterey}}</ref> und sie gilt seit Beginn des 18. Jahrhunderts als eingedeutscht.
== Systematik des Begriffs ==
Es gibt verschiedene, sich teilweise überschneidende und widersprechende Einordnungen und Systematisierungen des Begriffs „Atheismus“.
Weithin gebräuchlich ist die Dreigliederung in den Glauben an Gott bzw. Götter (insbesondere Theismus und [[Deismus]]), das Nichtswissen über Gott bzw. Götter ([[Agnostizismus]]) sowie das Fehlen des Glaubens an Gott oder Götter (Atheismus).


In der Zeit der [[Aufklärung]] waren es zunächst [[Freidenker]], [[Deismus|Deisten]], [[Pantheismus|Pantheisten]] und [[Spinozismus|Spinozisten]], die von Philosophen und etablierten Kirchen als Atheisten bezeichnet und bezichtigt wurden.<ref>[[Fritz Mauthner]] kam in seiner international umfangreichsten Studie zum Atheismus unter Bezugnahme auf diverse Quellen zu einer ausdrücklichen Berücksichtigung von agnostischen, deistischen, spinozistischen und weiteren Gruppen, die als Atheisten bezeichnet wurden (''Der Atheismus und seine Geschichte im Abendland.'' 4 Bände. 1920–1923). Sie waren im 18. und 19. Jahrhundert besonders einflussreich (das [[HWPh]] nennt mit Quellenangaben: Spinozisten gemäß [[Philipp Jacob Spener|Ph. J. Spener]], „Deisten“ gemäß [[John Locke|Locke]] und [[Kant]], Pantheisten gemäß [[Friedrich Heinrich Jacobi|Jacobi]] und [[Johann Gottlieb Fichte|Fichte]]). Dieser Wortgebrauch, den etwa die Freidenker auch selbst nutzten, ist im 21. Jahrhundert nicht mehr üblich.</ref> Ein Teil der [[Enzyklopädist (Encyclopédie)|Enzyklopädisten]] war dem Atheismus besonders verbunden. Als Kampfbegriff diente und dient (zumeist in den Südstaaten der USA) ''Atheist'' auch zur moralischen [[Diffamierung]] derjenigen, welche zwar den [[Theismus]] akzeptierten, aber in Einzelaspekten von der herrschenden Gotteslehre abwichen. Jedoch wird in der Regel als Atheist bezeichnet, wer es ausdrücklich verneint, an Gott oder Götter zu glauben.<ref>[[Paul Edwards (Philosoph)|Paul Edwards]]: ''Atheism.'' In: ''[[Encyclopedia of Philosophy]].'' 2. Auflage. Band 1, S. 356–377, hier S. 358/359. George Alfred James: ''Atheism.'' In: ''Encyclopedia of Religion.'' 2. Auflage. Band 1. 2005, S. 576–586, hier S. 576: {{" |Sprache=en |Text=The term atheism is employed in a variety of ways. For the purpose of the present survey atheism is the doctrine that God does not exist, that belief in the existence of God is a false belief. The word God here refers to a divine being regarded as the independent creator of the world, a being superlatively powerful, wise, and good.}} Abgeschwächter erklärt etwa [[Alfred Jules Ayer]], charakteristisch für einen Atheisten sei es, {{" |zu vertreten, dass mindestens wahrscheinlich ist, dass kein Gott existiert}} (in: ''Language, Truth and Logic.'' Dover/New York 1952, S. 115).</ref>
Insbesondere im angelsächsischen Raum ist hingegen die Unterscheidung in „starken“ (bzw. „positiven“) und „schwachen“ (bzw. „negativen“) Atheismus verbreitet, indem auch der Agnostizismus als Form des schwachen Atheismus gesehen wird.


[[Agnostizismus|Agnostiker]], die an keinen Gott glauben, werden vielfach zu den Atheisten im weiteren Sinne gezählt, obgleich nicht alle damit einverstanden sind. Agnostische Ansichten, nach welchen auch die Nichtexistenz Gottes nicht [[Erkenntnistheorie|erkannt]] werden kann, sind hierbei nicht benannt.<ref name="Definition III+" /> Der Agnostizismus vereint unterschiedliche Ansichten; daher ist die Zuordnung des Agnostizismus zum Atheismus umstritten (und umgekehrt).
Nach letzterer Systematik kann der Atheismus nach verschiedenen Kriterien hin systematisch geordnet werden.


Umstritten ist auch die Zuordnung des [[Positivismus]] zum Atheismus. Der Philosoph [[Alfred Jules Ayer]], Vertreter des ''logical positivism'' ([[Logischer Empirismus]]), betont, dass seine Position zu Sätzen wie „Gott existiert“ weder mit Atheismus noch mit Agnostizismus verwechselt werden sollte. Er halte solche Sätze für metaphysische Äußerungen, die weder wahr noch falsch seien. Charakteristisch für einen Atheisten sei hingegen die Ansicht, „dass es zumindest [[Wahrscheinlichkeit|wahrscheinlich]]<!-- Den Wikilink zum Artikel „Wahrscheinlichkeit“ bitte nicht entfernen – dort stehen interessante Informationen dazu, wie unterschiedlich der Begriff „Wahrscheinlichkeit“ interpretiert werden kann, z.&nbsp;B. als „subjektive“ oder als „objektive“ Wahrscheinlichkeit --> ist, dass es keinen Gott gibt“.<ref>{{" |Sprache=en |Text=[…] it is characteristic of an atheist to hold that it is at least probable that no god exists}}, in: ''Language, Truth and Logic.'' Dover/New York 1952, S. 115.</ref>
# Unterscheidung nach dem '''Umfang''' der Ablehnung von Theismen:
## Atheismus als Ablehnung des Theismus (= Atheismus im engeren Sinne):<br/>Atheismus kann als Gegenentwurf zu allen Theismen ([[Monotheismus]] und Polytheismus) angesehen werden. Dann ist ein Atheist jemand, der den Glauben oder die Existenz an einen oder mehrere Götter ablehnt. Dieser Definition nach sind [[Buddhismus|Buddhisten]] Atheisten, da für diese Götter keine Rolle spielen.
## Atheismus als Ablehnung aller Transzendentalsysteme (= Atheismus im weiteren Sinne):<br/>Atheismus kann auch als Gegenentwurf zu allen Transzendentalsystemen angesehen werden, also Überzeugungssystemen, die für die Existenz übernatürlicher Wesen, Wirkkräfte oder Mächte – seien es Götter oder nicht – argumentieren. Ein Atheist in diesem weiteren Sinne glaubt auch nicht an die Lehren von Dingen, die mit den fünf Sinnen weder direkt noch indirekt durch Messgeräte erfahren werden können (Wesen, Mächte, Kräfte etc.). Abgelehnt werden damit u.a.:
##* alle Theismen im obigen Sinne
##* [[Spiritualismus|spirituelle]] Lehren
##* [[Animismus|animistische]] Lehren
##* [[Magie|magische]] Lehren
##* [[Mystizismus]]
# Unterscheidung nach dem '''Grad''' der Ablehnung theistischer Inhalte:<br/>Als eine gute Unterscheidung gilt hier allgemein die zwischen schwachem (negativem, implizitem) und starkem (positivem, explizitem) Atheismus. Die Unterscheidung liegt im Unterschied der logischen Form der beiden Sätze:<br/>''Ich bin nicht überzeugt, dass es Götter gibt'' (= schwacher Atheismus)<br/>''Ich bin überzeugt, dass es keine Götter gibt'' (= starker Atheismus)
## Der schwache Atheismus:<br/>Der schwache Atheismus kommt ohne den Glauben an Götter aus, behauptet jedoch ''nicht'', dass es ''keine'' Götter gäbe, bestreitet oder [[Leugnung|leugnet]] also nicht direkt die Existenz von Göttern. Dabei gibt es verschiedene Spielarten:
### [[Pragmatismus|Pragmatischer]] Atheismus: Dieser behauptet, dass eine Erklärung der Welt auch ohne Annahme von Göttern auskomme. Die Existenz von Göttern wird zwar nicht bestritten, aber als unnötig oder unnütz bezeichnet. Ein Pragmatiker (Alltagsbegriff) und Pragmatist (Philosophie) ist jemand, der die Wahrheit von Dingen nach ihrer praktischen Bewährung und ihrem Nutzen für die Praxis beurteilt. Gott oder Götter sind für viele Pragmatiker und Pragmatisten (wenn auch nicht für alle) unnütz, weil sie bei der Beurteilung und Erklärung der Welt aus ihrer Sicht keinen Nutzen bieten.
### [[Nominalismus|Nominalistischer]] Atheismus: Begriffsnominalisten vertreten die Auffassung, dass nur Einzeldingen Wirklichkeit und damit Existenz zukomme, während Allgemeinbegriffe wie Gott nur Namen (=Nomen) seien. Unter Maßgabe der Einfachheit der Erkenntnisse (Simplizitätskriterium) sei die Annahme von Gott oder Göttern als eigenständig und unabhängig existierenden Wesen überflüssig (siehe auch [[Ockhams Rasiermesser]]).
### [[Agnostizismus]]: Dieser behauptet, dass Götter mit den Mitteln menschlicher Vernunft nicht erkennbar seien ([[intelligibel|intelligibler]] Agnostizismus) oder dass für die Annahme von Göttern nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten die Beweise/Belege fehlten (szientistischer Agnostizismus). Im intelligiblen Agnostizismus kann man wieder unterscheiden zwischen stark und schwach: Der schwache Agnostizismus behauptet nur, dass Götter möglicherweise nicht, oder noch nicht erkennbar seien, der starke hingegen, dass Götter mit den Mitteln der menschlichen Vernunft '''prinzipiell''' nicht erkennbar seien (siehe hierzu weiter unten [[Rationalismus|Rationalistischer]] Atheismus). Die Zuordnung des Agnostizismus zum Atheismus ist umstritten, er kann auch als eigenständige weltanschauliche Grundhaltung angesehen werden.
### [[Szientismus|Szientistischer]] Atheismus (siehe [[Atheismus#Analytische_Philosophie|Kapitel Analytische Philosophie]]) hält die Rede über Götter für Unsinn, weil Sätze, in denen diese Begriffe vorkommen, nicht wahrheitsfähig seien. Der szientistische Atheismus behauptet jedoch nicht – genauso wenig wie der schwache Atheismus – dass es keine Götter gäbe. Für ihn ist der Satz „Es gibt keine Götter“ genauso inhaltsleer wie „Es gibt keine Elfen“.
### [[Postulat|Postulatorischer]] Atheismus: Dieser meist von Wissenschaftlern selbst vertretene Atheismus geht davon aus, zunächst einmal Götter aus dem System der Erkenntnisse (ergo [[Wissenschaft]]) herauszulassen, also keine Götter zu postulieren im Gegensatz zur [[Theologie]]. Theistische Annahmen können jedoch später an Grenzbereichen der Wissenschaft oder in unerforschten oder als unerforschbar angesehenen Teilen wieder zugelassen werden (Beispiel: Stephen [[Hawking]] Pre-Big-Bang God). Diese Spielart des Atheismus wird oft in Verbindung mit der oben als Pragmatischer Atheismus bzw. Nominalistischer Atheismus bezeichneten Auffassung vertreten.
## Der Starke Atheismus:<br/>Anhänger des starken Atheismus sind davon überzeugt, dass es keine Götter gibt. Sie bestreiten also direkt die Existenz von Göttern. Hierfür findet sich gelegentlich auch der Begriff [[Antitheismus]].
### [[Rationalismus|Rationalistischer Atheismus]]: Dieser geht von der zusätzlichen Annahme aus, dass nur das existieren könne, was auch durch menschliche Vernunft prinzipiell erkennbar ist (ontologischer Epistemologismus). Und weil Götter nicht prinzipiell erkennbar seien, könnten sie auch nicht existieren.
### Radikal-szientistischer Atheismus: Während für normal-szientistische Atheisten nur die Rede über Götter unsinnig ist, darf für deren radikale Vertreter nur das als existierend angenommen werden, was nach [[intersubjektiv]] überprüfbaren Verfahren wissenschaftlich beweisbar ist. Da dies für Götter und andere transzendentale Ideen nicht gelte, können sie nach dieser Überzeugung nicht existieren.
### [[Theodizee]]-Atheismus: Dieser behauptet, dass es auf Grund des Leidens und der Ungerechtigkeit auf der Welt keine(n) (allgütigen oder allmächtigen) Gott oder Götter geben könne. In seiner weniger radikalen Form kann der Theodizee-Atheismus auch als schwacher konditionaler Atheismus auftreten: „Wenn Gott existiert, dann kann er angesichts des [[Übel]]s auf Erden nicht allmächtig oder nicht allgütig sein“. Die Existenz Gottes wird dabei zwar nicht bestritten, jedoch in seinen Eigenschaften begrenzt. Es ist dann eine theologische Frage, ob ein solches Wesen noch als Gott bezeichnet werden kann. Der Theodizee-Atheismus wird durch die typische Frage: "Warum lässt Gott zu, dass..." begründet.
### Logischer Atheismus: Besitzt Ähnlichkeit mit dem Rationalistischen Atheismus. Während der Rationalismus sagt, dass es irgendwelche spezifischen – bis in seine biologische Struktur reichenden – Eigenschaften des menschlichen Verstands seien, die die Erkenntnis von Göttern verhinderten, besagt der logische Atheismus zunächst nur, dass alle Gottesbeweise sich in Widersprüche (Antinomien) verwickelten. Unter der Prämisse, dass etwas Widersprüchliches nicht existieren könne, werden Götter als eigenständige Wesen abgelehnt.
## Weitere Spielarten dem Grade nach:<br/>Daneben gibt es auch noch Spielarten des Atheismus, die den eigenständigen [[Ontologie|ontologischen]] Status von Gott oder Göttern einschränken oder bestreiten. Im [[Anthropozentrismus|anthropozentrischen]] Atheismus ([[Ludwig Andreas Feuerbach]] etwa) ist Gott kein echtes übernatürliches Wesen, sondern ein Produkt menschlicher [[Einbildungskraft]]. Bei [[Immanuel Kant|Kant]] ist Gott nur eine [[regulative Idee]] der Vernunft. Und im [[Pantheismus]] eines [[Spinozismus|Spinoza]] wird die Idee der personalen Einheit Gottes vollkommen aufgegeben und Gott nur noch als in der Schöpfung als Ganzes wirkende göttliche Substanz aufgefasst.


Ob auch Positionen als „Atheismus“ bezeichnet werden sollen, die keine Gottheit annehmen, jedoch nicht auf Religionslosigkeit reduzierbar sind, wie etwa im [[Jainismus]] oder [[Konfuzianismus]], ist in der Literatur umstritten.<ref name="Hoheisel" /> Teils wird vorgeschlagen, die explizite Ablehnung theistischer Positionen als „theoretischen“, und die Lebenspraxis (die sich vollzieht, „als ob“ ein [[Numen|Numinoses]] nicht existierte)<ref name="Hoheisel" /> als „praktischen Atheismus“ zu bezeichnen.<ref name="Praktischer Atheismus" />
== Atheistische Züge in frühen Hochkulturen des Orients ==
Die frühesten belegbaren Formen des theoretischen Atheismus finden sich in den alten Hochkulturen des Ostens.


Seit dem 19. Jahrhundert wird der Begriff „Atheismus“ in einem [[Naturalismus (Philosophie)|naturalistischen]] Sinne teilweise so eng geführt, dass er gegen alle [[Supranaturalismus|supernaturalistischen]] Auffassungen gerichtet wird, die mit einem Glauben an übernatürliche Wesen, Kräfte oder Mächte göttlicher wie nichtgöttlicher Art verbunden sind ([[Animismus (Religion)|Animismus]], [[Spiritismus]], [[Monotheismus|mono-]] und [[Polytheismus|polytheistische]] Religionen). Dies wird zu Beginn des 21. Jahrhunderts oft als „Natural Atheism“<ref>Jack David Eller: ''Natural Atheism.'' AAP, Cranford, New Jersey 2004, ISBN 1-57884-920-9.</ref> bzw. „Neuer Atheismus“ bezeichnet, wenn die Argumentation wissenschaftlich ausgewiesen ist (siehe Abschnitt ''[[#Neuer Atheismus|Neuer Atheismus]]'').
In ''Indien'' weisen einige der ältesten [[indische Philosophie|philosophischen Systeme indischen Denkens]] atheistische Formen auf. Hierzu zählen der [[Jainismus]], das [[Samkhya]] (beide entstanden ca. im 6. Jh. v. Chr.), sowie das [[Vaisheshika]] und das [[Nyaya]]. Insbesondere die Tradition des Samkhya ist im indischen Denken bis heute lebendig geblieben.


== Gesellschaftliche Aspekte ==
Auch die ursprüngliche mündliche Lehre [[Buddha]]s, die vielleicht am getreuesten von der [[Buddhismus|buddhistischen]] Schule des [[Hinayana]] übernommen wurde, trägt agnostische oder atheistische Züge.
=== Demographische Merkmale ===
Sie beschäftigt sich nicht mit einem Jenseits und erklärt die Welt weder auf idealistische noch auf materialistische Weise, ohne magische oder mystische Elemente. Götter (deva) werden zwar erwähnt, jedoch sind sie weder für die Schöpfung der Welten (deren Teil sie sind), noch für eine mögliche Erlösung vom leidvollen Dasein von Bedeutung und zudem dem irdischen Kreislauf unterworfen. Diese Form des Buddhismus beschäftigt sich beinahe ausschließlich mit dem Weg zur Erlösung aus dem Kreislauf aus Leben und Tod ([[Samsara]]). Sie kann daher mit dem französischen Autor Louis de la Vallée-Poussin eher als philosophische Disziplin denn als Religion bezeichnet werden. Andere Schulen des Buddhismus wie der heute weit verbreitete [[Mahayana-Buddhismus]] ergänzten den ursprünglichen Buddhismus später mit zahlreichen religiösen Vorstellungen, so dass die atheistische Ausrichtung rein äußerlich betrachtet abgeschwächt wurde, im Kern der Lehren aber erhalten geblieben ist.
Umfragen zum Thema Atheismus werfen methodische Probleme auf, da es schwierig ist, eine einheitliche Abgrenzung zwischen Säkularisten, Humanisten, Nichttheisten, Agnostikern und spirituellen Personen vorzunehmen.<ref>[http://plato.stanford.edu/entries/atheism-agnosticism/ ''Atheism and Agnosticism''] in der [[Stanford Encyclopedia of Philosophy]]</ref> Immer mehr verschwimmt die Grenze zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen.<ref>Minois 2000, S.&nbsp;618.</ref>


[[Datei:Atheists Agnostics Zuckerman de.svg|mini|hochkant=1.2|Anteil von Atheisten und Agnostikern an der Gesamtbevölkerung (nach Zuckerman<ref>[[Phil Zuckerman]]: ''Atheism: Contemporary Rates and Patterns.'' In Michael Martin (Hrsg.): ''The Cambridge Companion to Atheism.'' Cambridge University Press, Cambridge 2007.</ref>). Bei China, Kuba und Nordkorea müssen die Zahlen angesichts der vergleichsweise schlechten Datenlage mit besonderer Skepsis betrachtet werden.]]
Der [[Daoismus]], der im 4. Jh. v. Chr. in ''China'' entstand, negiert die Existenz einer Schöpfergottheit.


[[Datei:Europe No Belief enhanced.svg|mini|hochkant=1.2|Anteile der Atheisten in Europa ([[Eurobarometer]] von 2005 zur Aussage: „Es gibt keine Art von Gott oder spiritueller Kraft.“)]]
Der [[Zervanismus]] der antiken ''[[Perser]]'', indem das oberste Prinzip (Zervan) ein unpersönliches ist, kann ebenfalls als Form des Atheismus gesehen werden.


Das ''[[The World Factbook]]'' der [[Central Intelligence Agency|CIA]] schätzte im Jahre 2010: Atheisten 2,32 %, Nichtreligiöse 11,77 %, Christen 33,32 % (darunter 16,99 % römisch-katholisch), Muslime 21,01 %.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/fields/print_2122.html |titel=Field Listing: Religions |werk=[[The World Factbook]] |hrsg=CIA |datum=2010-03-08 |sprache=en |archiv-url=https://web.archive.org/web/20190414112832/https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/fields/print_2122.html |archiv-datum=2019-04-14 |abruf=2019-05-06}}</ref>
Ob die ''[[Hebräer]]'' einen theoretischen Atheismus kannten, ist umstritten. [[Jean Meslier]] sah in einigen Stellen des Alten Testaments Belege für die Existenz von Atheisten. So z.B. in Ps 10,: ''"Es redet stolzen Sinnes der Frevler: / 'Nie wird er strafen, es gibt keinen Gott!' / Dies ist all sein Sinnen und Trachten."'' Diese Interpretation wird von den meisten [[biblische Exegese|Exegeten]] jedoch nicht geteilt. Ihrer Meinung nach würden an den besagten Stellen stets nur bestimmte Eigenschaften Gottes geleugnet, nie aber seine Existenz.


In seiner „Bilanz des Unglaubens“ meint [[Georges Minois]], es kursierten Unmengen an Zahlen, „die allesamt falsch sind“. Allenfalls könne man aus ihnen ersehen, dass mehr als ein Fünftel der Menschheit nicht mehr an einen Gott glaube.<ref>Minois 2000, S.&nbsp;628.</ref> Minois präsentiert selbst Schätzungen für das Jahr 1993 – weltweit 1,2 Milliarden Agnostiker und Atheisten<ref>''Britannica Book of thew Year.'' 1994, Angabe von Minois</ref> – sowie für das Jahr 2000 – etwa 1,1 Milliarden Agnostiker und 262 Millionen Atheisten,<ref>Nach der ''World Christian Encyclopedia.'' Angabe von Minois</ref> und zum Vergleich etwa 1,2 Milliarden Gläubige für den Islam und 1,1 Milliarden für die katholische Kirche.
Über die Existenz eines praktischen Atheismus in frühen Kulturen kann nur spekuliert werden, da er naturgemäß keine schriftlichen oder archäologischen Zeugnisse hinterlässt, wie es auf der anderen Seite religiöse Kulte tun (Tempel etc.).


Laut dem Eurobarometer 2010<ref name="Eurostat-341">{{Internetquelle |url=http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_341_en.pdf |titel=Special Eurobarometer, Biotechnology Report |format=PDF; 7,5&nbsp;MB |abruf=2015-02-03}}</ref> glaubten 20 % der Bürger der damals 27 EU-Staaten weder an Gott noch an eine spirituelle Kraft. Eine Mehrheit von 51 % glaubte an Gott und 26 % an „eine Art von spiritueller Kraft“; 3 % äußerten sich nicht. Zwischen den einzelnen Ländern gab es große Unterschiede; so war der Anteil der Gottesgläubigen in Malta mit 94 % und Rumänien mit 92 % am höchsten und mit 16 % in Tschechien und 18 % in Estland am geringsten. In Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden je 44 % ermittelt.
== Geschichte des Atheismus im Okzident ==
Der Atheismus war in [[Antike]] und [[Mittelalter]] ein Phänomen, das sich auf eine kleine Minderheit zumeist Intellektueller beschränkte. In der Regel war sowohl das private, als auch das öffentliche Leben von religiösen Vorstellungen durchdrungen. Während sich die kritischen Auseinandersetzungen innerhalb der römisch-katholischen Kirche im späten Mittelalter verstärkten und in der [[Reformation]] einen vorläufigen Höhepunkt fanden, wurde der Atheismus in der Zeit der Aufklärung in Frankreich erstmals zur Staatsdoktrin erhoben, später wurden die meisten Staaten [[Säkularisierung|säkularisiert]]. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden verschiedenste atheistische Positionen mit breitem theoretischen Fundament entwickelt ([[Marxismus]], [[Existentialismus]], [[analytische Philosophie]]). Heute gilt der methodische Atheismus in den Wissenschaften – vor allem den Naturwissenschaften – als 'Standard'. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich der praktische Atheismus im Okzident faktisch zu einer Mehrheitsposition entwickelt.


Die Anzahl der Einwohner, die angaben, weder an Gott, noch an eine spirituelle Kraft zu glauben, war im Jahr 2010 mit 40 % in Frankreich und 37 % in Tschechien am höchsten und betrug in Deutschland 27 %, in Österreich 12 % sowie 11 % in der Schweiz. Laut dem Eurobarometer 2005<ref name="Eurostat-225">{{Internetquelle |url=http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_225_report_en.pdf |titel=Eurostat poll on the social and religious beliefs of Europeans |format=PDF; 1,6&nbsp;MB |sprache=en |abruf=2015-02-03}}</ref> glaubten mehr Frauen (58 %) an Gott als Männer (45 %); der Glaube an Gott korrelierte positiv mit dem Alter, politisch konservativer Einstellung und geringer Schulbildung.
=== Griechische und römische Antike ===
<!-- auf die Daten kann nicht mehr zugegriffen werden
Nimmt man die religiöse Selbsteinschätzung der Bürger in Umfragen als Maßstab, so liegt in den Ländern der [[Europäische Union|Europäischen Union]] der Anteil „überzeugter Atheisten“ bei etwa 5 %. Besonders hoch ist die Rate überzeugter Atheisten in Frankreich (14,6 %), und den neuen Bundesländern Deutschlands (21,7 %).<ref name="euValStud">Loek Halman (Zusammensteller): ''The [[European Values Study]]: [http://www.europeanvalues.nl/index2.htm A Third Wave. Source Book of the 1999/2000 European Values Study Surveys].'' 2001</ref> -->
In den USA liegt die Zahl der Personen, die an Gott oder eine höhere Macht glauben, bei 91 %.<ref>{{Internetquelle |url=http://news.bbc.co.uk/2/hi/programmes/wtwtgod/3518375.stm |titel=UK among most secular nations |hrsg=BBC |datum=2004-02-26 |abruf=2019-05-06}}</ref>

Das Worldwide Independent Network und die [[WIN/GIA|Gallup International Association]] befragten im Zeitraum zwischen 2011 und 2012 fast 52.000 Personen aus 57 Ländern zu ihren religiösen Einstellungen. 13 % der befragten Personen bezeichneten sich als „überzeugte Atheisten“, 23 % nannten sich „nicht-religiös“ und 57 % gaben an, eine religiöse Person zu sein. Laut der Studie sind 15 % der Bevölkerung in Deutschland überzeugte Atheisten. China (47 %) und Japan (31 %) sind die Länder mit dem höchsten Anteil an überzeugten Atheisten. Zwischen 2005 und 2012 hat sich der Anteil religiöser Personen weltweit um 12 % (9 Prozentpunkte) verringert, während der Anteil von Atheisten um 75 % (3 Prozentpunkte) gestiegen ist. In manchen Ländern ist dieser Trend besonders ausgeprägt: In Vietnam, Irland und der Schweiz ging der Anteil der Personen, die sich selbst als religiös bezeichnen, zwischen 2005 und 2012 um 43, 32 und 30 % bzw. um 23, 22 und 21 Prozentpunkte zurück.<ref>{{Webarchiv |url=http://redcresearch.ie/wp-content/uploads/2012/08/RED-C-press-release-Religion-and-Atheism-25-7-12.pdf |text=''Global Index of Religions and Atheism'' |wayback=20120812210929}}. WIN-Gallup International, 2012.</ref><ref>[https://fowid.de/meldung/globaler-index-religiositaet-und-atheismus Globaler Index zu Religiosität und Atheismus Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland], abgerufen am 7. Juli 2017.</ref><ref>[[Gallup International Association]]: ''Global Index of Religions and Atheism 2012. Press Release.'' Dublin 2012, Tabellen S. 11–12 (englisch; {{Webarchiv |url=http://redcresearch.ie/wp-content/uploads/2012/08/RED-C-press-release-Religion-and-Atheism-25-7-12.pdf |wayback=20120812210929 |text=PDF: 1,2&nbsp;MB, 25&nbsp;Seiten auf redcresearch.ie}}).</ref>

Der Anteil an Atheisten ist nach Erhebungen in den [[Vereinigte Staaten|USA]] bei Wissenschaftlern besonders hoch: Nur sieben Prozent der Mitglieder der [[National Academy of Sciences|amerikanischen Akademie der Wissenschaften]] glauben an die Existenz eines [[person]]alen Gottes.<ref>{{Cite journal |title=Correspondence: Leading scientists still reject God |last=Larson |first=Edward J. |coauthors=Larry Witham |year=1998 |journal=Nature |volume=394 |issue= 6691 |pages=313 |doi=10.1038/28478}} oder {{Webarchiv |url=http://www.stephenjaygould.org/ctrl/news/file002.html |text=Leading scientists still reject God |wayback=20140301051125}}</ref> Eine Umfrage unter Mitgliedern der [[American Association for the Advancement of Science]] von 2009 ergab, dass 51 % der amerikanischen Wissenschaftler an Gott oder eine höhere Macht glauben, wesentlich weniger als in der Allgemeinbevölkerung. Der Anteil der atheistischen Wissenschaftler hat sich im Laufe des 20.&nbsp;Jahrhunderts nicht wesentlich verändert. So ergab eine Umfrage des Psychologen James H. Leuba im Jahr 1914, dass 42 % der amerikanischen Wissenschaftler an einen persönlichen Gott glaubten und ebenso viele nicht. Im Jahre 1996 wiederholte der Geschichtswissenschaftler [[Edward J. Larson]] die Umfrage von Leuba mit den gleichen Fragen und der gleichen Anzahl Personen und kam auf 40 % gläubige und 45 % atheistische Wissenschaftler.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.pewforum.org/2009/11/05/scientists-and-belief/ |titel=Religion and Science in the United States: Scientists and Belief |werk=Pew Forum |datum=2009-11-05 |abruf=2019-05-06}}</ref> Eine im November 2013 veröffentlichte [[Metaanalyse]] von 63 Einzelstudien kam zu dem Ergebnis, dass Atheismus oder ein Nicht-Glauben an Gott [[Statistische Signifikanz|signifikant]] (Korrelationskoeffizient: − 0,24) mit Intelligenz zusammenhängt (Intelligenz wurde in den meisten Studien erfasst durch den [[Allgemeiner Faktor der Intelligenz|g-Faktor]]).<ref name=":0">M. Zuckerman, J. Silberman, J. A. Hall: ''The Relation Between Intelligence and Religiosity: A Meta-Analysis and Some Proposed Explanations.'' In: ''Personality and Social Psychology Review.'' Band 17, Nr. 4, November 2013, S.&nbsp;325–354 (englisch; [[doi:10.1177/1088868313497266]]; PMID 23921675; {{Webarchiv |url=http://emilkirkegaard.dk/en/wp-content/uploads/The-Relation-Between-Intelligence-and-Religiosity-A-Meta-Analysis-and-Some-Proposed-Explanations.pdf |text=PDF: 419 kB |wayback=20190523083616 |archiv-bot=2024-07-13 03:35:03 InternetArchiveBot}} auf emilkirkegaard.dk).</ref>

Mehrere Forschungen ergaben einen positiven Zusammenhang zwischen Religiosität und [[Geburtenziffer]]. So hatten im Jahr 2002 in Deutschland Menschen, die sich selbst als nicht religiös bezeichneten, mit durchschnittlich 1,4&nbsp;Kindern deutlich weniger Kinder als Menschen, die sich als religiös bezeichneten (durchschnittlich 1,9&nbsp;Kinder).<ref>Michael Blume u.&nbsp;a.: ''Religiosität als demographischer Faktor – Ein unterschätzter Zusammenhang?'' In: ''Marburg Journal of Religion.'' Band&nbsp;11, Nr.&nbsp;1, Juni 2006 ([http://archiv.ub.uni-marburg.de/ep/0004/article/view/3615/3500 online] in ''archiv.ub.uni-marburg.de'').</ref> Das [[Institut der deutschen Wirtschaft]] kam bei einer Auswertung der weltweit erhobenen Daten des [[World Values Survey]] zu ähnlichen Ergebnissen.<ref>[[Institut der deutschen Wirtschaft]]: ''Kinder. Auch eine Frage der Überzeugung.'' In: ''iwd.'' Nr.&nbsp;13, Deutscher Instituts-Verlag, Köln 29.&nbsp;März 2007 ({{Webarchiv |url=http://www.iwkoeln.de/default.aspx?p=pub&i=2012&pn=2&n=n2012&m=pub&f=4&a=20094 |text=online |wayback=20080516183331}}).</ref>

=== Politische Wechselwirkungen ===
Im Lauf der Geschichte kamen Atheisten vielfach mit politischen Autoritäten in Konflikt. Die Äußerung atheistischer Ansichten wurde noch im Jahre 2013 in zahlreichen Ländern mit Freiheitsentzug bestraft, in 13 Ländern sogar mit dem Tod.<ref>[http://iheu.org/story/you-can-be-put-death-atheism-13-countries-around-world ''You can be put to death for atheism in 13 countries around the world.''] Report [[Internationale Humanistische und Ethische Union]] vom 10. Dezember 2013.</ref><!-- Bitte weitere Belege, wenn vorhanden! So galt in der Antike die Leugnung der jeweiligen Staatsgötter und die oftmals damit einhergehende Weigerung, ihnen zu opfern, als direkt gegen den Staat gerichteter Akt und wurde geahndet.-->

In der Neuzeit wurden gesellschaftliche Bereiche einschließlich der Politik, des Rechts und der Religionsausübung zunehmend autonom. Die [[Trennung zwischen Staat und religiösen Institutionen|Trennung von Kirche und Staat]] wurde mit Hilfe [[Aufklärung|aufklärender]] Bewegungen verfassungsrechtlich verankert und dann durch [[staatskirchenrecht]]liche Bestimmungen ausgeformt. Diese Trennung wird als atheistisch bezeichnet<!--von wem?--> (insbesondere im [[Laizismus]]). In Abgrenzung zu religiös-politischen oder auch staatsatheistischen Machthabern garantiert das [[rechtsstaat]]liche Prinzip eine weltanschauliche Neutralität in einer prozessual grundlegenden Weise. Rechtsstaatliche Verfassungsorgane sind in ihren Entscheidungen nicht nur von religiösen, sondern auch von sonstigen externen Einflüssen entsprechend [[Neutralität des Gerichts|entbunden]] und stattdessen vorrangig einer Verfassung verpflichtet, die in modernen Staaten auf [[Freiheit#Freiheit als Prinzip der konstitutionellen Gesellschaftsordnung|Freiheitsklauseln]] basiert. Die entsprechend neutrale Rechtsbildung führte auch gegen politische Widerstände zu einer zunehmend rechtswirksamen Tolerierung atheistischer Positionen und Lebensgestaltungen in der modernen Welt.

Heute enthalten die Verfassungen vieler demokratischer Staaten das Menschenrecht auf Religionsfreiheit und darin eingeschlossen das Recht, Atheist zu sein oder zu werden. Nicht in allen diesen Staaten gibt es eine [[Laizismus|strenge Trennung]] von Staat und Religion, zumal Religionen aus Kultur- und Selbstbestimmungsgründen unterschiedlich stark geschützt werden (beispielsweise durch ein Recht auf Religionsunterricht). Hinzu kommt der Gottesbezug in Verfassungen. So beginnt die [[Präambel]] des [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland]] mit den Worten: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor ''Gott'' und den Menschen&nbsp;…“. Die Präambel der [[Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft]] beginnt mit den Worten: „Im Namen Gottes des Allmächtigen!“ Im Jahre 1998 scheiterte bei einer Totalrevision der Verfassung ein Vorstoß, diese Präambel zu streichen. Einige heutige [[Strafgesetzbuch|Strafgesetzbücher]] enthalten Regelungen, die die [[Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen]] als einen Straftatbestand ansehen. Atheistische Religions- oder Kirchenkritiker wurden infolgedessen in der Vergangenheit nach öffentlichen Äußerungen wiederholt strafrechtlich verfolgt.

Auf der anderen Seite war Atheismus [[Marxistische Philosophie#Religionskritik|Bestandteil der marxistisch-leninistischen]] Staatsdoktrin, zum Beispiel in der [[Sowjetunion]] und in der [[Deutsche Demokratische Republik|Deutschen Demokratischen Republik]], so dass Formen der Religionsausübung in den staatlich gelenkten Erziehungseinrichtungen keinen Ort hatten und politisch bekämpft wurden. Die Entkirchlichung Ostdeutschlands wird von [[Richard Schröder (Theologe)|Richard Schröder]] als die wohl wirksamste Hinterlassenschaft des SED-Regimes angesehen. Seinen Angaben zufolge waren im Jahre 1950 noch 91,5&nbsp;Prozent der DDR-Bürger Kirchenmitglieder, 1964 noch 67,4&nbsp;Prozent und am [[Deutsche Wiedervereinigung|Ende der DDR]] etwa 25&nbsp;Prozent.<ref>Richard Schröder: ''Die wichtigsten Irrtümer über die deutsche Einheit.'' Freiburg im Breisgau 2007, S. 211. Dabei sei es geblieben, erklärt Schröder und gibt als aktuelle Vergleichsgröße in den alten Bundesländern 70&nbsp;Prozent Kirchenmitglieder an. (Ebda.)</ref> Diese Entwicklung setzt sich auch nach der Wiedervereinigung fort, so ging der kirchlich gebundene Bevölkerungsanteil weiter zurück und liegt in Großstädten wie Magdeburg oder Halle mittlerweile nur noch bei rund 15 %. Die Mitgliederschaft der beiden größeren Kirchen in Ostdeutschland ist darüber hinaus in hohem Maße überaltert und wird daher weiterhin abnehmen.

Die von staatlicher Seite als Fortschrittsdoktrin gelehrte, marxistisch grundierte atheistische Weltanschauung wird von Kritikern wie [[Herbert Schnädelbach]] als „konfessioneller Atheismus“ und „Staatsreligion“ oder „[[Staatsatheismus]]“ bezeichnet.<ref>Vgl. Herbert Schnädelbach: ''Religion in der modernen Welt.'' Vorträge, Abhandlungen, Streitschriften, Frankfurt am Main 2009, S. 53 f.</ref> In der [[Volksrepublik Albanien]] wurde 1967 (bis 1990) ein totales Religionsverbot ausgerufen, und das Land bezeichnete sich als „erster atheistischer Staat der Welt“. Im gesamten so genannten [[Ostblock]] wurde der Atheismus gefördert, während gelebte Religiosität zumindest argwöhnisch betrachtet wurde, oft auch mit Nachteilen verbunden war oder gar gezielt verfolgt wurde, wie etwa bei den [[Christenverfolgung]]en unter [[Josef Stalin|Stalin]]. [[Nichtregierungsorganisation|NGOs]] zufolge werden auch heute noch religiöse Gruppen und Einzelpersonen in manchen sich selbst als „atheistisch“ verstehenden Staaten wie Nordkorea<ref>{{Webarchiv |url=http://www.opendoors.de/verfolgung/laenderprofile/nordkorea/ |text=Unverminderte Verfolgung von Christen |wayback=20131105203117}}</ref> verfolgt und oftmals inhaftiert, gefoltert und getötet.

Der Atheismus wird aktiv gefördert, beispielsweise im [[Humanismus]], im [[Existentialismus]] und durch die [[Freidenker]]bewegung. Zu großen Anteilen sind der [[Sozialismus]], [[Kommunismus]] und [[Anarchismus]] atheistisch geprägte Weltanschauungen. In den beiden letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, so [[Georges Minois]] in seiner ''Geschichte des Atheismus'', habe der Eifer des antireligiösen Kampfes nachgelassen: {{" |Die Lager zerfallen rasch, abgesehen von einem unvermeidlichen harten Kern auf beiden Seiten. Der Zweifel durchdringt alle Gemüter, genährt von einem Gefühl der Ohnmacht und Vergeblichkeit, fast Nichtigkeit gegenüber Fragen, die einst die Geister entflammten.}}<ref>Minois 2000, S.&nbsp;590.</ref>

=== Bedeutung im Wissenschaftskontext ===

[[Datei:'Het Denkgelag' January 26th 2015 with Richard Dawkins, Lawrence Krauss and Julia Galef (cropped).jpg|mini|hochkant=1.5|Der Biologe [[Richard Dawkins]], der Astrophysiker [[Lawrence Krauss]] und die Wissenschaftsphilosophin Julia Galef im Jahr 2015]]
Eine Orientierung an naturwissenschaftlichen Erklärungsmodellen lässt für einige [[Wissenschaftler]] früh die „Gotteshypothese“ als methodisch unzulässig erscheinen, da sie keine wissenschaftlich beobachtbaren Konsequenzen habe, mithin auch keine wissenschaftlich beschreibbaren Phänomene erkläre. Eine derartige Ausklammerung Gottes aus wissenschaftlicher Forschung wird als methodischer oder methodologischer Atheismus bezeichnet.<ref>Zu unterscheiden von „atheistischer Methode“. Siehe [[Adolf Schlatter]]: ''Atheistische Methoden in der Theologie.'' Wuppertal 1985 (ursprünglich 1905), hrsg. von [[Heinzpeter Hempelmann]].</ref> Er impliziert allerdings keinen theoretischen Atheismus, behauptet also nicht, dass Gott nicht existiert. Daher wird manchmal präziser von „methodischem Noninterventionismus“ gesprochen.<ref>[[Franz Stuhlhofer]]: ''Charles Darwin – Weltreise zum Agnostizismus.'' Berneck 1988, S. 120–131.</ref>

Die Frage, ob wissenschaftliches Denken und die Annahme eines Gottes überhaupt dergestalt in Beziehung treten können, dass eine gegenseitige Bestätigung oder Widerlegung denkbar ist, wird unter Wissenschaftstheoretikern kontrovers beurteilt. Auch in populärwissenschaftlichen Schriften finden sich gegenteilige Annahmen. Einige, z.&nbsp;B. [[Stephen Jay Gould]] und [[John Polkinghorne]], vertreten den Standpunkt, dass die Wissenschaft mit der Religion nicht in Konflikt stehe, da sich Erstere mit [[Empirie]], Letztere hingegen mit Fragen letzter Begründung und mit moralischen Werten befasse. Andere, z.&nbsp;B. [[Richard Dawkins]], [[Steven Weinberg]] und [[Norman Levitt]], argumentieren, dass Theismus mit einer wissenschaftlichen Weltsicht grundsätzlich unvereinbar sei, da [[Wunder]] wie die [[Auferstehung Jesu Christi]] die Naturgesetze außer Kraft setzen müssten; die Wissenschaft führe demnach zwangsläufig zu Atheismus, Deismus oder Pantheismus.<ref>[[Alan Sokal]]: ''Pseudosciences et postmodernisme: adversaires ou compagnons de route?,'' S. 157. Odile Jacob, Paris 2005.</ref>

Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gab es noch mehrere wirkungsmächtige, intellektuell sogar [[Hegemonie|hegemoniale]] „wissenschaftliche Weltanschauungen“, darunter den Marxismus in mehreren politischen Ausformungen, die [[Psychoanalyse]] oder den [[Logischer Empirismus|Neopositivismus]], die erklärtermaßen atheistisch waren und den Religionen eine schädliche Wirkung zuschrieben.<ref>Vergleiche etwa Sigmund Freud: ''Die Zukunft einer Illusion.'' 1927 et passim</ref>

==== Atheismus und Moral ====
Mit anderen vertrat [[Immanuel Kant]] die Auffassung, dass [[moral]]ische Prinzipien auch ohne Rückgriff auf höhere Wesen in der menschlichen [[Vernunft]] oder in der Natur zu gründen seien. Recht und Moral gäben die Möglichkeit, [[Maxime]]n von Freiheit und Handlungen unter allgemeinen (Vernunft-)Gesetzen bestehen zu lassen.<ref>I. Kant: ''Die Metaphysik der Sitten.'' Königsberg 1797.</ref> Zumindest sollte hier ableitbar sein, dass die Beurteilungskriterien rational verhandelbar seien.

Vor allem in kirchlichen Kreisen wird die Meinung vertreten, dass mit dem fehlenden Glauben an Gott die Verneinung moralischer Werte im Sinne eines [[Nihilismus]] einhergehe.<ref>[http://www.sueddeutsche.de/wissen/psychologie-die-gottlosen-1.3619228 sueddeutsche.de: Atheisten wird weniger Moral zugetraut]</ref>
So bezeichnet der [[Evangelikalismus|evangelikale]] Religionswissenschaftler und Publizist [[Ravi Zacharias]] den Atheismus als „jeden Wertes beraubt“ und bestreitet, dass es fundierte moralische Prinzipien ohne Rückgriff auf höhere Wesen geben könne. Der katholische Staatsrechtler und vormalige Verfassungsrichter [[Ernst-Wolfgang Böckenförde]] wird mit der Formel zitiert: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Dieses sogenannte [[Böckenförde-Diktum]] wird teilweise so gedeutet, dass Demokratien auf religiöse Bindungen als Garanten gemeinsamer Grundwerte angewiesen seien.

Gegen diese Deutung wendet sich [[Gerhard Czermak]]. Er meint, Böckenförde werde „gründlich missverstanden, wenn nicht instrumentalisiert“, sofern aus seinem Diktum abgeleitet werde,
{{Zitat
|Text=[…] der Staat müsse die Kirchen und Religionsgesellschaften als Wertestifter in ''besonderer'' Weise fördern, weil man sonst die Zerstörung fördere […]. Er [Böckernförde] spricht von Wagnis und verweist auf die in der Gesellschaft wirkenden höchst unterschiedlichen Kräfte. Es geht ihm darum, dass ''alle'' Gruppierungen mit ihrem je eigenen, auch moralischen, Selbstverständnis zur Integration eines Teils der Gesellschaft beitragen.
|ref=<ref>Gerhard Czermak, ''Religions- und Weltanschauungsrecht.'' S. 36, Absatz 71</ref>}}

==== Empirische Ergebnisse zur Moral und ihre Interpretation ====
Auch empirisch ist das Verhältnis von Religion und [[Moral]] nicht geklärt. Einige Untersuchungen legen nahe, dass persönliche Moral nicht von persönlicher Religiosität abhängig ist. So fanden z.&nbsp;B. Franzblau<ref>[[Abraham Franzblau]], ''Religious Belief and Character Among Jewish Adolescents.'' Teachers College Contribution to Education, Nr. 634 (1934).</ref> bei Atheisten größere Ehrlichkeit, und Ross<ref>[[Murray Ross]]: ''Religious Beliefs in Youths.'' New York 1950.</ref> bei Atheisten größere Hilfsbereitschaft gegenüber Armen. [[Gero von Randow]] entnimmt sozialpsychologischen Studien „eine auffallend geringe Kriminalität unter Nichtgläubigen. Das sollte umgekehrt auch nicht zu ihren Gunsten ins Feld geführt werden, denn sie sind tendenziell sozial besser gestellt und gebildeter als die Gläubigen, jedenfalls im Westen; wir haben es hier also nicht mit einem Religions-, sondern mit einem Klasseneffekt zu tun.“<ref>''Die Zeit'' vom 22. März 2007, Gero von Randow: ''[http://www.zeit.de/2007/13/Unglaube Ungläubige Demut]''.</ref> Eine Trennung von Moral und Theismus stellt die Auffassung dar, die unter anderem [[John Leslie Mackie]] in seinem Buch ''Ethik'' und Richard Dawkins in seinem Buch ''[[Der Gotteswahn]]'' ausführen, nämlich dass Moral an den Prozess der biologischen [[Evolution]] gekoppelt und Ergebnis eines gesellschaftlich beeinflussten Entwicklungsprozesses sei. Hieraus könne folgen, dass die menschliche Moral auch dann Bestand habe, wenn Religionen in Verfall gerieten.

==== Empirische Ergebnisse zur Sinnsuche ====
Laut einer empirischen Studie ist Atheismus (ebenso wie sich nicht einer Religionsgruppe zugehörig zu fühlen) mit der Vorstellung verbunden, dass das [[Sinn des Lebens|Leben dann sinnvoll ist]], wenn man ihm selbst Sinn gibt. Dagegen unterscheiden sich Atheisten und Theisten nicht hinsichtlich ihrer Neigung zu [[Fatalismus]] oder Nihilismus.<ref>{{Literatur |Autor=David Speed, Thomas J. Coleman, Joseph Langston |Titel=What Do You Mean, “What Does It All Mean?” Atheism, Nonreligion, and Life Meaning |Sammelwerk=SAGE Open |Band=8 |Nummer=1 |Datum=2018-01 |ISSN=2158-2440 |Seiten=215824401775423 |Sprache=en |Online=http://journals.sagepub.com/doi/10.1177/2158244017754238 |Abruf=2018-08-24 |DOI=10.1177/2158244017754238}}</ref>

==== Abgrenzungen zu religiösen Orientierungen ====
Aus atheistischer Perspektive erscheint das Handeln aufgrund angeblich göttlicher Gebote fragwürdig, weil die Bewertung eines Verhaltens oder einer Handlung nicht von den Folgen für die Betroffenen abhängt, also auf die zwischenmenschliche Ebene zielt, sondern als ethisch wünschenswert hauptsächlich vermittels der [[extrinsisch]]en Festsetzung eines transzendenten Wesens gilt. Ein Mord zum Beispiel wäre nach streng theistischer Auffassung nicht bereits wegen der Folgen für das Opfer eine schlechte, zu verurteilende Handlung, sondern auf der Grundlage göttlicher Gebote. „Es erscheint als höchst problematisch, etwas so Notwendiges wie die Moral auf die Basis von so Dubiosem – wie es der religiöse Glaube ist – stellen zu wollen. Wie sollte auf diese Weise eine wirkliche Orientierung und Lebenskunde möglich sein?“, schreibt [[Gerhard Streminger]].<ref name="winter">''[http://hpd.de:80/node/6043 Religiöse Ethik – ein Wintermärchen?]''</ref> Bereits [[Platon]] hatte in seinem frühen [[Platonischer Dialog|Dialog]] „[[Euthyphron]]“ mit dem sogenannten [[Euthyphron-Dilemma]] darauf hingewiesen, dass es generell unmöglich sei, das moralisch [[Das Gute|Gute]] im Rückgriff auf ein göttliches Prinzip zu begründen. Auch nach Kant kann die Verpflichtung eines Menschen zur Moralität prinzipiell nicht dadurch begründet werden, dass man auf die „Idee eines andern Wesens über ihm“, also auf einen Gott verweist.<ref>[[Immanuel Kant]]: ''[[Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft]]''. Vorrede zur ersten Auflage.</ref>

Dem Argument, ohne ein von einer göttlichen Instanz gegebenes, für jeden Menschen gleichermaßen verbindliches Gesetz sei es schwieriger, eine gemeinsame ethische Grundlage für eine Gesellschaft zu finden, halten manche Atheisten entgegen: Keine Religion könne überzeugend begründen, warum ihr Gesetz von einer göttlichen Instanz gegeben worden sein sollte und deshalb Allgemeinverbindlichkeit beanspruchen können sollte. Nicht einmal die Existenz irgendeiner göttlichen Instanz könne überzeugend begründet werden. So dürfe man davon ausgehen, dass die Gesetze der Religionen ebenso von Menschen gemacht seien wie alle anderen Gesetze und Verhaltensregeln: teilweise auf der Basis von Vernunft und Einsicht, teilweise auf der Basis der Interessen derjenigen, die über genug Macht verfügten, um ihre Vorstellungen durchzusetzen.

Während einerseits Gesetze einer göttlichen Instanz als Hilfsmittel zur Stabilisierung des sozialen Miteinanders angesehen werden, vertreten manche Atheisten die Auffassung, dass der Anspruch der Religionen auf Allgemeinverbindlichkeit ihrer Gesetze es oftmals erschwert habe, eine gemeinsame ethische Grundlage für eine Gesellschaft zu finden. Nicht selten habe der Versuch, diese Allgemeinverbindlichkeit durchzusetzen, zu Verfolgungen, Vertreibungen oder gar Glaubenskriegen geführt. Umgekehrt wird auf Christenverfolgungen gemäß atheistischer Staatsdoktrin verwiesen.

Atheisten halten eine religiöse Überzeugung für die Erarbeitung einer gemeinsamen (moralisch-)ethischen Grundlage vielfach eher für hinderlich: Viele Gläubige fühlten sich an göttliche Gesetze gebunden und seien vermutlich deshalb weniger bereit, ihre Vorstellungen in Zusammenarbeit mit anderen Menschen weiterzuentwickeln. „Prallen Anhänger religiös fundierter Ethiken aneinander, so sind Konflikte in vernünftiger Weise kaum zu lösen, da alle sich von Gott geleitet fühlen; alle glauben, dass die eigenen Gebote objektiv gegeben, eben gottgewollt seien“, schreibt Gerhard Streminger.<ref name="winter" /> Einige Gläubige hingegen betrachten die (moralisch-)ethischen Vorstellungen, die ihre Religion mit verwandten Religionen gemeinsam hat, als gute Grundlage für Zusammenarbeit und Weiterentwicklung.<ref>Siehe ''{{Webarchiv |url=http://www.friedensdienst.de/Christlich-Islamische.christlich-islamisch.0.html |text=Christlich-Islamische Friedensarbeit |wayback=20130702002850}}''</ref>

Ein Problem mangelnder Bereitschaft zur Weiterentwicklung ethischer Vorstellungen kann aus atheistischer Sicht darin liegen, dass die Anpassung von Verhaltensregeln an neue gesellschaftliche Gegebenheiten verhindert wird. Für die ethische Beurteilung einer Scheidung zum Beispiel sei zu berücksichtigen, ob die Frau als Konsequenz daraus materieller Not und gesellschaftlicher Ächtung ausgesetzt wäre, oder ob sie materiell abgesichert und gesellschaftlich akzeptiert bliebe.

=== Atheistisch-weltanschauliche Gruppierungen ===

[[Datei:De Vrijdenker 3 nummers 1200px P5090207.jpg|mini|Das niederländische Magazin „De Vrijdenker“ (Der Freidenker)]]
Während Glaubensvertreter den Atheisten vielfach die für ein funktionierendes gesellschaftliches Zusammenleben nötige ethische Fundierung absprechen, findet andererseits – hauptsächlich in der [[Westliche Welt|westlichen Welt]] – seit einigen Jahrzehnten eine lebhafte Auseinandersetzung darüber statt, ob nicht atheistischer [[Humanismus]] eine zeitgemäßere Grundlage für eine allgemeine [[Ethik]] bietet als die tradierten Religionen.

''Deutschsprachige Gruppierungen, Stiftungen und Dachverbände:''
* [[Atheistische Organisationen in Österreich#Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich|Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich]] (ARG)
* [[Dachverband freier Weltanschauungsgemeinschaften]] (DFW)
* [[Giordano-Bruno-Stiftung]] (gbs)
* [[Humanistischer Verband Deutschlands]] (HVD)
* [[Humanistischer Verband Österreich]] (HVÖ)
* [[Koordinierungsrat säkularer Organisationen]] (KORSO)
* [[Richard Dawkins Foundation for Reason and Science]]<ref>[http://de.richarddawkins.net/ Richard Dawkins Foundation für Vernunft und Wissenschaft]</ref>
''Im Ausland tätige Gruppierungen, Stiftungen und Dachverbände:''
* [[American Atheists]]
* [[Council for Secular Humanism]] (CSH)
* [[Freedom From Religion Foundation]] (FFRF)
* [[Humanists UK]], vormals ''British Humanist Association (BHA)''
* [[National Secular Society]] (NSS)
* Rationalist International
* [[Richard Dawkins Foundation for Reason and Science]] (RDFRS oder RDF)
* [[Unione degli Atei e degli Agnostici Razionalisti]] (UAAR)

''Internationale Bewegungen, Dachverbände und Komitees:''
* [[Atheist Alliance International]] (AAI)
* [[Committee for Skeptical Inquiry]] (CSI)
* [[Internationale Humanistische und Ethische Union|Humanists International]], von 1952 bis 2019 Internationale Humanistische und Ethische Union (Abkürzung: IHEU; engl. International Humanist and Ethical Union)<ref>[https://humanists.international/2019/02/humanists-international/ ''"Humanists International" is the new operating brand of the International Humanist and Ethical Union''], Meldung vom 15. Februar 2019, abgerufen am 30. August 2022</ref>

=== Religiöser Atheismus ===
Die Frage, was an einer Haltung religiös sein könne, in der Gott offensichtlich keine Rolle spielt, behandelte [[Ronald Dworkin]] in seinen Vorlesungen zu [[Albert Einstein]]. Seine Antwort: „Religion ist etwas Tieferes als Gott.“ „Er verstand sich als religiöser Atheist, das heißt: Er glaubte zwar nicht an Gott, wohl aber an die sinnhafte Einheit des Kosmos und die Versöhnung von Glauben und Wissen.“ Während Theisten sie als von Gott geboten betrachten, argumentiert Dworkin, unsere ethischen Überzeugungen „könnten wir nicht haben, ohne zu denken, dass sie objektiv wahr sind“.<ref>{{Internetquelle |autor=Thomas Assheuer |url=http://www.zeit.de/2014/22/glaube-atheismus-ronald-dworkin |titel=Das Gute im Schönen |werk=Zeit Online |hrsg=Zeit Online GmbH |datum=2014-05-28 |abruf=2014-08-12}}</ref>

==== Atheismus als religiöses Bekenntnis ====
Einige Atheisten verstehen ihre Weltanschauung als religiöses Bekenntnis und streben auf dem Wege einer religionsrechtlichen Anerkennung als Religionsgemeinschaft eine Gleichberechtigung und staatliche Gleichbehandlung an.

Eine deutschsprachige Gruppierung dieses Typs ist die [[Atheistische Organisationen in Österreich#Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich|Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich]].<ref>[[Atheistische Organisationen in Österreich#Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich|Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich]]: [https://atheistisch.at/ Offizielle Website.]<br />Zum „religiösen Bekenntnis“ siehe §&nbsp;2 der [http://atheistisch.at/organisation/statuten/ ''Statuten''] der ''Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich'', abgerufen am 22. April 2020.</ref> Am 30. Dezember 2019 brachte sie den Antrag auf Feststellung des Erwerbs der Rechtspersönlichkeit als staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft „Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich“ beim [[Kultusamt]] im österreichischen Bundeskanzleramt ein.<ref>Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich: [https://atheistisch.at/2019/12/30/kom%c2%admu%c2%adni%c2%adque-vom-30-12-2019/ ''Kommuniqué vom 30.12.2019.''] In: ''atheistisch.at.'' 30. Dezember 2019, abgerufen am 22. April 2020.</ref>

==== Freireligiöse Bewegung ====
Laut Eigendarstellung der [[Freireligiöse Bewegung|freireligiösen Bewegung]] gibt es unter den Freireligiösen auch Atheisten oder atheistisch-religiöse Positionen.<ref>{{Webarchiv |url=http://freireligioese-mannheim.de/thesen-freie-religion/ |text=Was ist Freie Religion? |wayback=20150402124936}}</ref>

==== Jüdischer und christlicher Atheismus ====
Die Religionskritik der Bibel ist der Ausgangspunkt eines jüdischen und christlichen Atheismus. Das Judentum beschreibt [[Douglas Rushkoff]], Professor für Kommunikationstheorie an der New York University, aufgrund der Bilderlosigkeit des biblischen Gottes als Ausweg aus der Religion (''Nothing Sacred: The Truth about Judaism'', 2004). In den 1960er Jahren bildete sich in den USA eine Gruppe von Theologen, welche unter dem Satz „[[Gott-ist-tot-Theologie|Gott ist tot]]“ einen christlichen Atheismus proklamierte. Vertreter dieser Richtung sind der Theologe Thomas J. Altizer (''The Gospel of Christian Atheism'', 1966), William Hamilton (''Radical Theology and the Death of God'', 1966), Paul van Buren (''The Secular Meaning of the Gospel'', 1963) oder Gabriel Vahanian (''The Death of God'', 1961).

Der „Tod Gottes“, also die vermeintliche Unmöglichkeit, in der modernen Welt rational an einen Gott zu glauben, sei, so beispielsweise J. Altizer, eine gute Nachricht, da sie den Menschen von einem transzendenten Tyrannen befreit habe. Die säkulare Botschaft der [[Evangelium (Buch)|Evangelien]] beziehe sich gemäß Paul van Buren allein auf den „Befreier“ [[Jesus von Nazaret]]. Während der Glaube an einen (jenseitigen) Gott abgelehnt wird, steht bei den „christlichen Atheisten“ die [[Ethik|ethisch-moralische]] Botschaft Jesu, die rein auf das Diesseits bezogen wird, im Mittelpunkt. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich auch eine Verknüpfung von Atheismus und Christentum entwickelt, die sich explizit auf das Schweigen Gottes angesichts der Ermordung von Millionen von Juden durch deutsche Nationalsozialisten im [[Holocaust]] bezieht. Die deutsche Theologin [[Dorothee Sölle]] ist die bekannteste Vertreterin dieser Richtung. Beeinflusst wurden einige Theologen der „Gott-ist-tot-Theologie“ auch durch die religionsphilosophischen Gedanken [[Ernst Bloch]]s im dritten Band seines Hauptwerkes [[Das Prinzip Hoffnung]]. 1968 hat Bloch Gedanken daraus zusammengefasst, präzisiert und erweitert in dem Buch ''Atheismus im Christentum'', in dem sich der Satz findet:

{{Zitat
|Text=Nur ein Atheist kann ein guter Christ sein, gewiss aber auch: nur ein Christ kann ein guter Atheist sein.}}

Dorothee Sölle, von Bloch beeinflusst, veröffentlichte ebenfalls 1968 ein Buch mit einem ganz ähnlichem Titel: ''Atheistisch an Gott glauben.'' Atheismus bedeutet bei Ernst Bloch wie auch bei Dorothee Sölle nicht den Verzicht auf Sinnhaftigkeit oder Transzendenz, sondern die Abkehr von einem allzu theistischen Gottesbild, der Vorstellung eines Gottes, der als allmächtiger, allwissender und allgegenwärtiger Gott Not und Leid bis hin zu [[KZ Auschwitz-Birkenau|Auschwitz]] zugelassen hat. In der [[Dekonstruktion]] und in der Nachfolge des Denkens von [[Emmanuel Levinas]] und [[Jacques Derrida]] fand sich ein weiterer Ansatz der Ausarbeitung eines christlichen Atheismus. Vertreter sind unter anderem Peter Rollins und [[Jean-Luc Nancy]] (''Dekonstruktion des Christentums'' 2008). Kurzgefasst kann man darin die Vereinnahmung der Geste der Dekonstruktion sehen, in der der Sohn das Gesetz, die Arché des Vaters auflöst, indem er aber selbst vom Gesetz verurteilt wird. Damit werden messianische Ansätze des späten Derrida mit seinem Denken über die [[différance]] verbunden.

==== Buddhismus ====
Der [[Buddhismus]] kennt keinen Glauben an einen Schöpfergott. Manche buddhistische Schulen nehmen aber in ihrer Kosmologie die Existenz zahlreicher anderer Ebenen der Wirklichkeit an, auf denen sowohl besser- als auch schlechtergestellte Wesen existieren, von denen die höheren Wesen den hinduistischen Göttern ([[Deva (Gott)|Devas]] und [[Asura (Buddhismus)|Asuras]]) entsprechen. Diese Götter sind allerdings wie alle Wesen selbst im Existenzkreislauf, [[Samsara]], gefangen; im Sinne der Wiedergeburtslehre kann jedes Wesen irgendwann auch als ''Deva'' geboren werden, wenn das entsprechende [[Karma]] (in diesem Fall überaus große Freigiebigkeit oder Samadhi-Erfahrungen) angesammelt wurde.

Im [[Mahayana]]- oder nördlichen Buddhismus verehrt man darüber hinaus Wesen, die selbst [[Buddha]]s oder [[Bodhisattva]]s geworden sind. Durch den Respekt, den man diesen entgegenbringt, entsteht eine der notwendigen Grundlagen, selbst diesen Zustand zu erlangen. Daher werden im Buddhismus zahlreiche Statuen, Stupas und Tempel errichtet, die Objekte der Verehrung sind. Diese Wesen sind aber keine Götter, sondern [[Vorbild]]er. Im [[Theravada]]- oder südlichen Buddhismus ist das Ziel [[Arhat]]schaft, also Befreiung ohne Wiederkehr, sodass Arhats nur in der letzten Phase ihres letzten Lebens verehrt werden können. Daneben gibt es auch hier zahllose [[Stupa]]s, Tempel, Buddhastatuen und Bildnisse früherer Arhats, zum Teil sogar von Bodhisattvas. Die Frage nach einem Schöpfergott wird als unfruchtbare metaphysische Spekulation zurückgewiesen und stattdessen die Ergründung der eigenen [[Erkenntnis]]möglichkeiten betont.

==== Islam ====
Der Atheismus wird gemäß islamischem Recht bekämpft. Der Koran nennt keine [[Diesseits|diesseitigen]] Strafen für den „[[Apostasie im Islam|Abfall vom Islam]]“, worunter auch die Zuwendung zum Atheismus fällt. Im islamischen Recht, der [[Scharia]], ist diese jedoch auf Grundlage von [[Hadith]]en und [[Idschmāʿ]] mit der [[Todesstrafe]] zu ahnden. Im [[Sudan]] (StGB aus dem Jahre 1991, Art. 126), [[Jemen|Republik Jemen]], [[Iran]], [[Saudi-Arabien]], [[Katar]], [[Pakistan]], [[Afghanistan]], [[Somalia]] und in [[Mauretanien]] (StGB aus dem Jahre 1984, Art. 306) kann Abfall vom Islam noch heute mit dem Tode bestraft werden. Auch in Ländern, die keine islamischen Gerichtshöfe mehr haben, deren staatliche Rechtsordnung sich aber weiterhin an der Scharia orientiert, kann der bekundete „Abfall vom islamischen Glauben“ [[Privatrecht|zivilrechtliche]] ([[Erbrecht]], [[Eherecht]]) und [[strafrecht]]liche Konsequenzen haben.

Ungeachtet der religiösen Dominanz gab es in der muslimischen Geschichte stets atheistische Persönlichkeiten, darunter der arabische Dichter [[Abū l-ʿAlāʾ al-Maʿarrī]] sowie der persische Mathematiker und Dichter [[Omar Chayyām]].

=== Pantheismus ===
Im [[Pantheismus|pantheistischen]] (griechisch: Allgottlehre) Gotteskonzept nimmt die [[Alleinheit]] des [[Universum]]s die Schöpferrolle ein. Gott und Natur sind demnach gewissermaßen identisch. Da es im Pantheismus keinen ''persönlichen'' Gott gibt, wurde und wird der Pantheismus sowohl von Theisten als auch von Atheisten manchmal als ein hinter einer religiösen Sprache versteckter Atheismus betrachtet. [[Arthur Schopenhauer]] nannte den Pantheismus eine „[[Euphemismus|Euphemie]] für Atheismus“.<ref>''Parerga und Paralipomena I.'' 1. Teilband, S. 131 im Diogenes-Taschenbuch</ref> „Pantheismus ist nur ein höflicher Atheismus“, heißt es in einem Schopenhauer-Zitat von Ernst Haeckel.<ref>Quelle: Hans Küng, ''Existiert Gott?'' S. 389 im dtv-Taschenbuch</ref> Der französische Philosoph [[Jean Guitton]] vertritt in seinem Werk die Überzeugung, dass er dem Atheismus die Verlegung des Gottesbegriffs in die [[Welt]] nachweisen könne und ordnet ihn daher generell dem Pantheismus zu.<ref>Beispielsweise J. Guitton, Mon testament philosophique, Paris 1997</ref> Der Pantheismus wird von seinen Anhängern als religionsphilosophische Lehre betrachtet und wurde in früheren Zeiten nicht dem Atheismus zugehörig betrachtet, was sich aber inzwischen geändert hat.<ref>Wolfgang Deppert, Atheistische Religion. In: ''Glaube und Tat 27.'' S. 89–99 (1976).</ref>

== Geschichtliche Entwicklung ==
Atheismus ist „so alt wie das menschliche Denken, so alt wie der Glaube, und der Konflikt zwischen beiden ist ein ständiges Merkmal der abendländischen Zivilisation“,<ref>Minois 2000, S.&nbsp;648.</ref> heißt es bei [[Georges Minois]], der Atheismus sowohl ideen- als auch verhaltensgeschichtlich zu erfassen sucht. Für die frühen Hochkulturen ergibt sich allerdings die Schwierigkeit, dass etwa sakrale Gebäude und kultische Schriften zu den vorherrschenden Überlieferungszeugnissen immer schon gehörten, während die weniger auffälligen Zeugnisse von Skeptizismus, Nichtglauben und religiöser Gleichgültigkeit erst in jüngerer Zeit einer intensivierten Forschung unterzogen werden, die etwa auch den asiatischen Raum einschließt. Praktischer und theoretischer Atheismus hatten und haben aber je eigene und einander ergänzende Bedeutung:

{{Zitat
|Text=Die Geschichte des Atheismus ist nicht allein die Geschichte des Epikureismus, des freigeistigen Skeptizismus, des Materialismus der Aufklärung, des Marxismus, des Nihilismus und einiger anderer intellektueller Theorien. Es ist auch die Geschichte von Millionen einfacher Menschen, die in ihren Alltagssorgen stecken und zu sehr mit dem bloßen Überleben befasst sind, als dass sie sich Fragen über die Götter stellen.
|ref=<ref>Minois 2000, S.&nbsp;29&nbsp;ff.</ref>}}

In [[Antike]] und [[Mittelalter]] waren sowohl das private als auch das öffentliche Leben in der Regel von religiösen Vorstellungen durchdrungen, wogegen Skepsis und Zweifel eher bei Minderheiten und in intellektuellen Kreisen anzutreffen waren. Während sich die kritischen Auseinandersetzungen innerhalb der [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen Kirche]] im späten Mittelalter verstärkten und in der [[Reformation]] einen Höhepunkt fanden, erfuhr der Atheismus im Zeitalter der [[Aufklärung]] einen bedeutenden Aufschwung und durch die [[Französische Revolution]] eine starke gesellschaftliche Verbreitung. Dies führte zur [[Säkularisierung]] und vielfach zur [[Trennung zwischen Staat und religiösen Institutionen|Trennung von Kirche und Staat]].

Im 19. und 20. Jahrhundert wurden verschiedenste atheistische Positionen mit breitem theoretischem Fundament entwickelt, insbesondere im [[Marxismus]], im [[Existentialismus]] und in der [[Analytische Philosophie|analytischen Philosophie]]. Zudem bestehen im philosophischen Materialismus und im philosophischen Naturalismus Verbindungslinien zum Atheismus.

=== Süd- und Vorderasien ===
Die frühesten belegbaren Formen des theoretischen Atheismus finden sich in den alten [[Hochkultur (Geschichtswissenschaft)|Hochkulturen]] [[Südasien|Süd-]] und [[Vorderasien]]s. In Indien weisen einige der ältesten [[Indische Philosophie|philosophischen Systeme]] atheistische Formen auf. Hierzu zählen der [[Jainismus]], das [[Samkhya]] (beide entstanden etwa im 6. Jahrhundert v. Chr.) sowie das [[Vaisheshika]] und das [[Nyaya]]. Insbesondere die Tradition des Samkhya ist im indischen Denken bis heute lebendig geblieben (vergleiche [[Atheismus in Indien]]).

Klar materialistisch-atheistisch war die indische Schule der [[Charvaka]], die zweifelsfrei seit dem 6./7. Jahrhundert n. Chr. als feste Strömung belegbar ist und mindestens bis ins 16. Jahrhundert existierte. Sie berief sich auf die heute verlorenen „[[Barhaspati Sutras]]“. Nach Meinung vieler [[Indologie|Indologen]] war es jedoch kein atheistisches Werk, sondern eine gegen etablierte Religionen skeptische, aber ethische Schrift. Einzelne Skeptiker sind vom 5. Jahrhundert v. Chr. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. überliefert.<ref>Forschungsmeinungen, die daraus die Existenz dieser atheistischen Strömung seit dem 6./5. Jahrhundert v. Chr. behaupten (zuletzt u.&nbsp;a. bei [[Debiprasad Chattopadhyaya]]), sind umstritten. Nachweisbar ist, dass es seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. Skeptiker gab, ''Lokayata'' genannt (=„Diskutierer“, immer auch in der Bedeutung von „Kritiker“ gebraucht), die sich irgendwann zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. (mögliche Lebenszeit des Charvaka, auf den sie sich beriefen) und dem 6. Jahrhundert n. Chr. (hier nachweisbar) als skeptizistische Schule organisierten, die allmählich zu materialistisch-atheistischen Lehren überging.</ref>

Der [[Buddhismus]], der im 5. Jahrhundert v. Chr. in Indien entstand, und der [[Daoismus]], der im 4. Jahrhundert v. Chr. in China entstand, kennen keine Schöpfergottheit.<ref name="WordPress">[http://buddhismus123.wordpress.com/geschichte/ Gott im Buddhismus], 21. Juli 2014</ref>
<ref name="Taiji Europa">[http://www.taiji-europa.de/taiji-qigong-philosophie/taoismus-daoismus/ „Der Taoismus und die Entstehung der Welt“], 21. Juli 2014</ref>

In Teilen der Fachliteratur wird der [[Zurvanismus|Zervanismus]] der antiken ''[[Perser (Volk)|Perser]]'' mit dem übergeordneten unpersönlichen Prinzip des [[Zurvan]] („Zeit“ und Raum) als eine Form des Atheismus angesehen. Materialistisch und vorwiegend atheistisch war die spätestens seit dem 5. Jahrhundert n. Chr. existierende Strömung der [[Zurvanismus#Zandiks und Dahris|„Zandiks“ oder „Dahri“]].

Ob die ''[[Hebräer]]'' einen theoretischen Atheismus kannten, ist umstritten. [[Jean Meslier]] sah in einigen Stellen des Alten Testaments Belege für die Existenz von Atheisten. So z.&nbsp;B. in Ps&nbsp;10,3:

{{Zitat
|Text=Es redet stolzen Sinnes der Frevler: / ‚Nie wird er strafen, es gibt keinen Gott!‘ / Dies ist all sein Sinnen und Trachten.}}

Diese Interpretation wird von den meisten [[Biblische Exegese|Exegeten]] jedoch nicht geteilt. Ihrer Meinung nach würden an den besagten Stellen stets nur bestimmte Eigenschaften Gottes geleugnet, nie aber seine Existenz.

=== Griechisch-römische Antike ===
==== Vorsokratiker ====
==== Vorsokratiker ====
[[Datei:Democritus2.jpg|mini|[[Demokrit]], Kupferstich nach antiker Büste, 18. Jahrhundert]]
Im [[Okzident]] finden sich die frühesten Fragmente atheistischer Philosophie bei den griechischen [[Vorsokratiker]]n.
Die fragmentarisch überlieferten [[Ontologie|ontologischen]] Systeme der [[Vorsokratiker]] erklären die Strukturen der Wirklichkeit nicht durch [[Mythos|mythische]] oder [[Ätiologie (Erzählung)|ätiologische]] Erzählungen, sondern durch Zurückführung auf ein oder mehrere Prinzipien. Bei beispielsweise [[Demokrit]] oder [[Epikur]] kommen hierfür nur [[Materialismus|materielle]] Prinzipien in Betracht, so dass ein transzendenter, insbesondere geistiger Gott weder verwendet wird, noch Ort oder Funktion in diesen Systemen bekommen könnte. Andererseits ergeben sich bisweilen Konflikte mit etabliertem religiösem Kult und etablierter Rede über die Götter, weil ontologischen Prinzipien ähnliche oder dieselben Eigenschaften zugeschrieben werden wie den Göttern, etwa, über Naturprozesse zu regieren, ewig zu sein oder Prinzip für Leben und Denken zu sein. Die frühesten Formen einer Kritik der etablierten Gottesvorstellungen beziehen sich vor allem auf unangemessen menschliche Vorstellungsweisen ([[Anthropomorphismus]]). Göttern werden z.&nbsp;B. wankelmütige, jähzornige, eifersüchtige und egoistische Charakterzüge abgesprochen, wie sie in den Mythen [[Hesiod]]s und [[Homer]]s hervortreten. Beispiele hierfür sind [[Xenophanes]], [[Heraklit]] und [[Protagoras]]. Xenophanes etwa erklärt die Göttervorstellungen und auch deren Verschiedenheit durch Projektion menschlicher Eigenschaften und formuliert polemisch:
Atheistische Positionen liegen hier jedoch kaum in Form einer kompletten atheistischen Philosophie vor und oft sind die Grenzen zwischen religiösen, pantheistischen, agnostizistischen und atheistischen Positionen fließend. Allgemein scheint den Vorsokratikern jedoch die Tendenz zum [[Materialismus]] zu sein.
<poem>
„Stumpfnasig, schwarz: so seh’n Äthiopiens Menschen die Götter
Blauäugig aber und blond: so seh’n ihre Götter die Thraker
Aber die Rinder und Rosse und Löwen, hätten sie Hände
Hände wie Menschen, zum Zeichnen, zum Malen, ein Bildwerk zu formen,
Dann würden Rosse die Götter gleich Rossen, die Rinder gleich Rindern
Malen, und deren Gestalten, die Formen der göttlichen Körper,
Nach ihrem Bilde erschaffen: ein jedes nach seinem.“
</poem>
Während derart anthropomorphe Gottesvorstellungen, so der Tenor dieser Kritik, ''nichts anderes'' sind als eben nur menschliche Vorstellungen, tritt dem als kritisches Korrektiv zunehmend die Vorstellung eines monotheistischen, transzendenten göttlichen oder quasi-göttlichen Prinzips gegenüber. [[Empedokles]] (*&nbsp;zwischen 494 und 482; † zwischen 434 und 420&nbsp;v.&nbsp;Chr.) sah in Göttern auch Personifizierungen der [[Vier-Elemente-Lehre|vier Elemente]]. [[Kritias]] (* 460; † 403&nbsp;v.&nbsp;Chr.) betrachtete die Religion als menschliche Erfindung, die der Aufrechterhaltung der moralischen Ordnung dienen sollte.


==== Skeptizismus und Asebie-Prozesse ====
Als Urvater des [[Materialismus]] kann [[Parmenides von Elea]] (6./5. Jh. v. Chr.) gesehen werden. Er verneinte jegliche Transzendenz und die Welt als einzige Realität. Die meisten Vorsokratiker verneinten aufgrund ihrer zyklischen Vorstellung von der [[Zeit]] die Existenz einer Schöpfung.
Ein Abrücken oder Infragestellen der in der [[Polis]] kultisch verehrten Götter seitens skeptischer Philosophen oder naturwissenschaftlich orientierter Denker konnte zu Anklagen und Verurteilungen führen. Gottlosigkeit und Frevel an Göttern wurden im alten Athen als [[Asebie|Asebeia]] teilweise auch strafrechtlich verfolgt. Eine erste Welle bekannter Asebie-Prozesse, bei denen politische Motive mitgewirkt haben dürften, richtete sich gegen Vertraute und Freunde des [[Perikles#In gerichtlicher Bedrängnis|Perikles]], darunter [[Aspasia (Antike)|Aspasia]] und [[Anaxagoras]].


Der im 5. Jahrhundert v.&nbsp;Chr. namentlich von Sophisten geförderte Prozess der Infragestellung herkömmlicher Gottesbilder, auf den in den Asebieprozessen reagiert wurde, setzte sich unaufhaltsam fort. Auf Widerstand in dieser Form stieß auch der wegen seines religiösen Relativismus 415 v.&nbsp;Chr. aus Athen verbannte [[Protagoras]], der sein Nichtwissen über die Existenz der Götter betonte und gleichzeitig erklärte, der Mensch sei das Maß aller Dinge. [[Skeptizismus|Skeptizistische]] und [[Agnostizismus|agnostische]] Positionen, wie sie die [[Sophisten]] und [[Sokrates]] (*&nbsp;469; † 399&nbsp;v.&nbsp;Chr.) vertraten, fanden eine zunehmende Verbreitung, und die Anklage wegen Gottlosigkeit gegen die „Physiker“ wird gängige Praxis: „Der Gelehrte, der in einem [[Positivismus|positivistischen]] Geist arbeitet, wird beschuldigt, das Geheimnis der Götter ergründen und das Heilige gewissermaßen ‚zergliedern‘ zu wollen.“<ref>Minois 2000, S.&nbsp;40&nbsp;f.</ref> Einige der Angeklagten vertraten in den überlieferten Asebie-Prozessen nicht nur eine agnostische, sondern eine dezidiert atheistische Position ([[Diagoras von Melos]], [[Theodoros von Kyrene (Philosoph)|Theodoros von Kyrene]]).
[[Empedokles]] (* zwischen 494 v. Chr. und 482 v. Chr; † zwischen 434 v. Chr. und 420 v. Chr.) sah in Göttern nur Personifizierungen der [[Vier-Elemente-Lehre|vier Elemente]]. [[Kritias der Jüngere|Kritias d.J.]] (* 460; † 403 v. Chr.) betrachtete die Religion als menschliche Erfindung, die der Aufrecherhaltung der moralischen Ordnung dienen sollte. Der gleichen Auffassung war [[Demokrit]] (* 460; † 371 v. Chr.), einer der Begründer der Lehre der [[Atomistik]], die die Welt auf rein materialistische Weise, mit Hilfe kleinster, unzerstörbarer, ewig bestehender Atome erklärt.


Von einer geistesgeschichtlich bis heute nachhallenden Wirkung war der [[Sokrates#Prozess und Tod|Prozess gegen Sokrates]]. Seine Glaubensskepsis ist im [[platon]]ischen Dialog ''[[Phaidros]]'' zum Ausdruck gebracht: Es sei abwegig, etwas über die Mythen und die Götter zu sagen, da er noch nicht einmal die Zeit habe oder in der Lage sei, sich selbst zu erkennen. „Lächerlich also kommt es mir vor, solange ich hierin noch unwissend bin, an andere Dinge zu denken.“<ref>Zit. n. Minois 2000, S.&nbsp;42.</ref>
Die ideengeschichtliche Leistung der vorsokratischen [[Naturphilosophie|Naturphilosophen]] besteht darin, dass sie sich nicht mehr mit einer Erklärung der Welt durch [[Mythos|Mythen]] zufrieden gaben, sondern nach einem (stofflichen) [[Urgrund]], einer Ursache (lateinisch: principium) für die Entstehung der Welt und ihrer beobachtbaren Phänomene (wie z.B. der Bewegung) fragten (vgl. [[causa prima]]). Dieses Hinterfragen wird zu Recht als Beginn der westlichen Philosophie gesehen.


Platon ist aber als Sokrates’ Schüler nicht nur die wichtigste Überlieferungsquelle für dessen Denken und Philosophieren, sondern [[Georges Minois|Minois]] zufolge der Erstverantwortliche für die Verfemung des Atheismus in den nachfolgenden zwei Jahrtausenden. In seinem Spätwerk ''[[Nomoi]]'' ''(Gesetze)'' bezieht er eine pantheistische Position, die sich von einem strengen Naturalismus abgegrenzt, weil dieser die nichtmateriellen Wirkungskräfte verkenne:
==== Skeptizismus und Hellenismus ====
[[bild:Epikur.jpg|thumb|150px|right|[[Epikur]]]]
Auch [[Skeptizismus|skeptizistische]] und [[Agnostizismus|agnostische]] Positionen, wie sie die [[Sophisten]] und [[Sokrates]] (*469; † 399 v. Chr.) vertraten, waren im griechischen Denken verbreitet. Zugleich wurde das Infragestellen der Religion jedoch als Bedrohung und bestrafenswertes Delikt betrachtet, was sich an den überlieferten Prozessen wegen [[Asebie|Gottlosigkeit]] festmachen lässt. Einige der Angeklagten vertraten hierbei offenbar nicht nur eine agnostische, sondern eine dezidiert atheistische Position ([[Diagoras von Melos]], [[Theodorus von Kyrene]]).


{{Zitat
In den philosophischen Systemen des [[Hellenismus]] wird die Existenz von Göttern zwar oft nicht explizit geleugnet, sie spielen aber keinerlei Rolle für das menschliche Leben.
|Text=Werden wir nun wohl über den Mond und alle Sterne, über Jahre, Monate und Jahreszeiten eine andere als dieselbe Schlussfolgerung ziehen können als abermals eben dieselbe: weil Eine oder mehrere Seelen ihnen allen als wirkende Kräfte zu Grunde liegend und als Wesen von aller möglichen Vollkommenheit erschienen sind, so müssen wir behaupten, dass alle diese Wesen Götter sind, sie mögen nun in Körpern wohnend und mit diesen zu lebendigen Wesen verbunden oder auf welche andere Weise immer die ganze Welt leiten und regieren? Und wer dies zugibt, wird der noch leugnen können, daß Alles mit Göttern erfüllt sei?
Die atomistische Lehre Demokrits wurde insbesondere von [[Epikur]] wieder aufgenommen und weiterentwickelt ([[Epikureismus]]). Epikur sah die Vermeidung von Leid und das Erstreben von Freude als Ziel und Sinn des Lebens. Auch er suchte also das Heil auf Erden, im [[Diesseits]]. Den [[Tod]], der nicht zu fürchten sei, sah er als Ende des Lebens. Götter existierten zwar, sie interessierten sich aber nicht für das menschliche Leben.
|ref=<ref>Platon, ''[[Nomoi]]'' X, 899b. K. Hülser (Hrsg.), übers. von Friedrich Schleiermacher (mit Ergänzungen von Franz Susemihl u.&nbsp;a.), Insel Verlag 1991.</ref>}}


Im zehnten Buch der [[Nomoi]] geht es Platon darum zu beweisen, dass es Götter gibt, dass sie sich auch um die Kleinigkeiten des Lebens kümmern, ohne aber bestechlich zu sein, und im Weiteren darum zu begründen, dass Atheisten je nach Grad der Gottesleugnung und Heuchelei mit abgestuften Sanktionen bis zur Todesstrafe zu belegen seien. Da es in Platons Lehre außerhalb der materiellen Welt eine höherwertige Welt der Ideen, der [[Archetyp (Philosophie)|Archetypen]], der [[Seele]]n und des Göttlichen gibt, gelten Atheisten, so Minois, fortan als von niederem Denken beherrscht und unfähig, sich zur [[Kontemplation]] der Ideen zu erheben.
Auch der [[Kynismus]], deren berühmtester Vertreter [[Diogenes von Sinope]] (* ca. 400; † 325 v. Chr.) war, kann als atheistische Philosophie verstanden werden. Die Kyniker lehnten alle gültigen staatlichen, moralischen und religiösen Vorschriften ab und strebten durch Bedürfnislosigkeit eine Rückkehr zu einem natürlichen, 'animalischen' Leben an.


{{Zitat
In der römischen Antike wurden einige dieser griechischen Denktraditionen aufgenommen und teilweise weiterentwickelt, ohne dass radikal neue atheistische Konzepte entstanden wären. Die Zuordnung eines Denkers zum Atheismus ist aufgrund des oft dünnen Quellenmaterials häufig unsicher. Zudem trifft man häufig auf Denker, die zwar ein materialistisches Weltbild vertreten, gleichzeitig aber an die Existenz von Göttern glauben.
|Text=Atheist zu sein konnte bisher notfalls als ein Irrtum und ein Beweis für staatsfeindliches Denken gelten; von nun an ist es nicht nur ein Zeichen von Blindheit, sondern auch ein Zeichen bösen Willens und niederer Gesinnung, gefährlich für das gesellschaftliche und politische Leben, da er in den öffentlichen und privaten Verhaltensweisen keine absoluten Werte anerkennt. Die Quellen der Moral lagen bisher in der menschlichen Welt, die sich von der göttlichen Welt nicht grundsätzlich unterschied. Indem Platon die beiden trennt und die unwandelbaren Werte bei den Göttern ansiedelt, erklärt er die Atheisten zu unmoralischen Menschen, die keine absoluten Verhaltensnormen kennen und einzig ihren Leidenschaften gehorchen. Die Unterdrückung des Atheismus im Namen der Moral und der Wahrheit kann beginnen.
Bis ins [[2. Jahrhundert]] war der Epikureismus von großem Einfluss. Vertreter waren unter anderem [[Lukrez]] und [[Horaz]]. Auch dem von der [[Stoa]] beeinflussten Kaiser [[Mark Aurel]], sowie dem Stoiker [[Seneca]] wird gelegentlich eine atheistische Haltung zugeschrieben.
|ref=<ref>Minois 2000, S.&nbsp;49.</ref>}}


Der Einfluss platonischer Schulen auf die Unterdrückung des Atheismus ist umstritten. Als die Prozesse wegen Gottlosigkeit im Verlauf des 4. Jahrhunderts v. Chr. abnahmen, waren skeptische Einstellungen nicht etwa zurückgegangen, sondern unterdessen so verbreitet, dass die strafrechtliche Verfolgung immer weniger Wirkung zeigte. So konnte der [[Kynismus|Kyniker]] [[Diogenes von Sinope|Diogenes]] (*&nbsp;ca. 400; † 325&nbsp;v.&nbsp;Chr.) seinen Spott über Götter, Mysterien, Vorsehung und Aberglauben in Athen verbreiten, ohne dass man ihm den Prozess machte.
=== Mittelalter ===
Traditionell wird das ''"christliche Mittelalter"'' als Zeitalter angesehen, in denen die Menschen, mit der Ausnahme kleiner jüdischer und muslimischer Minderheiten, einhellig dem Christentum angehangen hätten. Allenfalls einige [[Häretiker]] hätten einige christliche Dogmen in Frage gestellt, ohne dass jedoch die Existenz Gottes in Frage gestellt worden wäre.
Tendenziell lässt sich das Mittelalter sicher als "Zeitalter des Glaubens" beschreiben. Allerdings wurde dieses Bild in jüngerer Forschung verfeinert und teilweise korrigiert: Zahlreiche Historiker gehen nun davon aus, dass es im Mittelalter sehr wohl Atheismus gab, und zwar sowohl in seiner praktischen, als auch - zumindest ansatzweise - in seiner theoretischen Form. Der Glaube habe das Mittelalter zwar dominiert, der Atheismus sei aber im Leben und Denken einer Minderheit überdauert.


==== Ansätze des theoretischen Atheismus ====
==== Hellenismus ====
[[Datei:Epikur.jpg|mini|[[Epikur]] (341.v.&nbsp;Chr. – 270.v.&nbsp;Chr.) ]]
Seit dem 13. Jahrhundert ist eine zunehmende Kritik christlich-katholischer Glaubensinhalte zu beachten. Eine wesentliche Rolle scheint hierbei die Wiederentdeckung [[Aristoteles|aristotelischer Lehren]] und deren Interpretation durch [[arabische Philosophie|arabische Philosophen]] gespielt haben. Wirkungsmächtig waren insbesondere der [[Aristotelismus]] und der [[Averroismus]]. Bedeutend war, dass Aristoteles, obwohl er "[[Heide]]" war, doch als ''der'' Meister des logischen Denkens galt.
Während die Verehrung der anthropomorphen [[Olympische Götter|olympischen Götter]] auch im häuslichen Kult immer mehr an Bedeutung verlor, traten im Zuge des Zerfalls von Polis und herkömmlicher stadtstaatlicher Ordnung – auf dem Wege also zu den [[Hellenismus#Hellenistische Monarchien|hellenistischen Großreichen]] und danach zum [[Römisches Reich|Römischen Reich]] – neben allerlei importierten Mysterienkulten und auswärtigen Gottheiten auch zunehmend vergöttlichte Herrscher, die auf diese Weise religiöse Bindungsbereitschaft zum eigenen Vorteil umlenkten.
Die aristotelische Philosophie widerspricht der christlichen Lehre insbesondere in zwei Punkten: Sie verneint die [[Schöpfung]] und die Unsterblichkeit der [[Seele]]. Daher wurde das Unterrichten seiner [[Physik (Aristoteles)|Physik]] und [[Metaphysik (Aristoteles)|Metaphysik]] auch wiederholt durch päpstlichen Erlass untersagt.


Weit entfernt von den alten Glaubensformen sind auch die an der Wende vom 4. zum 3. Jahrhundert v. Chr. entstehenden philosophischen Lehren des [[Epikureismus]] und der [[Stoa]]. Bei den Stoikern kommen [[Pantheismus|pantheistische]] Vorstellungen zur Entfaltung, die das Göttliche mit der Allnatur verschmelzen und darin den Wirkungsort für die Menschen und für ihr ethisches Bezugssystem finden. Bei [[Epikur]] verschwinden die Götter in vom menschlichen Dasein gesonderten Welten und haben keinerlei Wirkungsmacht über die Menschen und ihr Treiben. Es handelt sich getreu dem rein materialistischen Weltbild Epikurs auch bei den Göttern um atomar konstituierte Wesen. Allerdings empfiehlt Epikur als der eigenen Seelenruhe dienlich, sich den staatlich vorgeschriebenen Kulten und religiösen Bräuchen flexibel anzupassen.
Dennoch erstritt sich die [[Vernunft]] vom 11. bis 13. Jahrhundert eine zunehmend größere Unabhängigkeit vom Glauben. [[Petrus Abaelardus]] forderte ein, dass der Glaube den Regeln der Vernunft nicht widersprechen dürfe. [[Boethius von Dakien]] trat für die strikte Trennung von rational erfassbarer Wahrheit und Glaubenswahrheiten ein. [[Siger von Brabant]] ging noch weiter und bestritt zahlreiche zentrale christliche Dogmen. Die christliche Autorität reagierte einerseits mit Zensur und Repression. Zudem gab es jedoch auch verstärkte Bemühungen, den Glauben durch [[Gottesbeweis]]e zu untermauern.


==== Römische Antike ====
Die größte Herausforderung war jedoch vielleicht der Nominalismus [[Wilhelm von Ockham]]s. Wilhelm von Ockham erklärte alle Versuche, Glaubenssätze mit den Mitteln der Vernunft zu beweisen, für von vornherein zum Scheitern verurteilt. Diese skeptische Position hat sich im Christentum bis heute in der so genannten [[negative Theologie|negativen Theologie]] erhalten.


Mit der römischen Expansion verloren die überlieferten lateinischen Götter an Bindungskraft und Bedeutung. Die Eroberung Griechenlands und des östlichen Mittelmeerbeckens durch die Römer brachte mit auswärtigen Religionen und Gottheiten [[Spiritualität|spiritualistische]] und materialistische Denkschulen zuhauf nach Rom, etwa [[Kybele- und Attiskult|Kybele]], [[Isis]], [[Osiris]] und [[Serapis]], dazu [[Astrologie|astrologische]] und [[Magie|magische]] Vorstellungen sowie auch platonische, kynische und skeptische, epikureische und stoische Lehren.
==== Ansätze des praktischen Atheismus ====
Im 12. Jahrhundert provozierten die [[Goliarden]], junge städtische Studenten, in ihren Liedern mit z.T. bewusst obszönen atheistischen Positionen wie ''"ich bin begieriger nach Wollust als nach dem ewigen Seelenheil''".
Eine skeptische Haltung in Bezug auf viele Glaubenssätze nahmen auch die englischen [[Lollarden]] ein. Auch einige der so genannten "[[Blasphemie|Blasphemiker]]" könnten Atheisten gewesen sein. So bezeichnete [[Simon von Tournai]] sowohl [[Moses]], als auch [[Jesus Christus]] und [[Mohammed]] als Betrüger. Daneben lebten auch [[Pantheismus|pantheistische]] Weltanschauungen in kleineren Glaubensgemeinschaften und unter Einzelpersonen fort. Sie sind zwar nicht dem Atheismus im engeren Sinne zuzuordnen, forderten aber wohl den christlichen Glauben heraus. Vertreter sind insbesondere die Pariser Theologen [[David von Dinant]] und [[Amalrich von Bena]], sowie die [[Brüder und Schwestern des freien Geistes]].


Der von [[Lukrez]] in Rom hymnisch verbreitete Epikureismus, in dessen Zentrum ein asketisch unterlegtes Lust- und Glücksstreben steht, stellt sich mit der vollständigen Abscheidung der Götter als eine im Grunde konsequent atheistische Morallehre dar. Die Stoa wiederum, die in den herrschenden Kreisen der römischen Gesellschaft häufig angenommen wurde, vermittelt einen nur vage-verschwommenen Gottesbegriff und trennt in dem anzustrebenden Ideal des stoischen Weisen kaum noch zwischen Mensch und Gott. [[Marcus Tullius Cicero|Ciceros]] Untersuchung über die Natur der Götter ''([[De natura deorum]])'' mündete in Skepsis: „Bestimmt wird selbst diejenigen, die darüber etwas zu wissen glauben, die so große Uneinigkeit der gelehrtesten Männer in dieser wichtigen Frage zu gewissen Zweifeln zwingen.“<ref>Zit. n. Minois 2000, S.&nbsp;61.</ref>
Im Volk ist die Existenz von Ungläubigen in zahlreichen Berichten von [[Wunder]]n bezeugt. Zudem lassen sich im einfachen Bauernvolk naturalistisch-atheistische Positionen nachweisen. So wurde unter anderem die Existenz einer unsterblichen Seele und die Wiederauferstehung Christi verneint. Gegen Ende des Mittelalters gibt es auch zunehmend Klagen christlicher Pfarreien über die schwache Präsenz der Gemeinde in der sonntäglichen Messe.


Eine – freilich weniger reflektierte – agnostische Grundstimmung scheint in der frühen [[Römische Kaiserzeit|Römischen Kaiserzeit]] (parallel zum Beginn des [[Alte Kirche|Frühchristentums]]) auch in Volkskreisen verbreitet gewesen zu sein; so legt der Schriftsteller [[Titus Petronius|Petronius]] in seinem satirischen Roman ''[[Satyricon (Petron)|Satyricon]]'' (in der Szene des ''[[Das Gastmahl des Trimalchio|Gastmahls des Trimalchio]]'') dem Protagonisten ''Ganymedes'' die Worte in den Mund<ref>Zit. n. d. Übersetzung von Harry C. Schnur, 1968, Kap. 44</ref>:
Als mittelalterliche Bevölkerungsteile, die besonders vom Atheismus betroffen waren, werden [[Söldner]] und [[Exkommunikation|Exkommunizierte]] genannt. Die Zahl letzterer ging allein in Frankreich zeitweise in die Zehntausende.


{{Zitat
=== Reformation ===
|Text=Niemand glaubt mehr an den Himmel, niemand hält die Fasten, niemand kümmert sich um Jupiter, sondern alle machen die Augen zu und zählen nur ihren Zaster.}}
Die [[Reformation]] brachte zunächst keine Abkehr vom (christlichen) Glauben. Dennoch ist sie ein wichtiger Wendepunkt nicht nur in der Geschichte der Religion, sondern auch in der des Atheismus.


Der sich einstellenden Vielfalt weltanschaulich-religiöser Vorstellungen gegenüber stand die Bereitschaft, als Atheismus zu diskriminieren und zu kriminalisieren, was nicht zu den etablierten Staatskulten gehörte. Davon war in seinen Anfängen auch das Christentum betroffen. Denn dessen Anhänger lehnten es aus Glaubensgründen ab, an den religiösen Staatskulten teilzunehmen.<ref>Schütte, [[HWPh]] 1, 595: „Da sich die Christen mit eigenen Gottesdiensten den Vorwurf der «novitas» zuzogen, galten sie in der Meinung des 1. Jh. als atheoi.“</ref> In der Ablehnung insbesondere des [[Kaiserkult]]s wurden sie nicht selten zu [[Märtyrer]]n.
Durch die Reformation konnten sich mit den protestantischen Konfessionen erstmals Kirchen neben der katholischen etablieren, die zu stark waren, um dauerhaft unterdrückt werden zu können. Auf Dauer waren beide Seiten zur religiösen [[Toleranz]] gezwungen. Diese Entwicklung hin zur Toleranz sollte später auch Atheisten zugute kommen.
Durch die auf die Reformation folgenden Religionskriege diskreditierten sich die sich bekriegenden Kirchen in den Augen vieler selbst. Deutlich trat der Widerspruch zwischen öffentlich gepredigter christlicher [[Nächstenliebe]] und tatsächlichem Handeln der damaligen Kirchen beispielsweise in der offenkundigen [[Barbarei]] der [[Hugenottenkriege]] zutage. Bedeutsam ist auch, dass die katholische Kirche ihr bis dahin beinahe unantastbares Deutungsmonopol für die Auslegung der [[Bibel]] und damit beträchtlich an Autorität auch auf geistigem Gebiet verlor.


=== Mittelalter und Reformation ===
Politisch trug die Reformation entscheidend zur Emanzipation der Staaten aus der Bevormundung durch die Kirche bei, die sich nun vielfach ihrerseits im Landesherrentum und [[Absolutismus]] den Staaten unterordnen musste. Diese Umkehr der Machtverhältnisse war eine zwingende Voraussetzung, um letztlich die [[Trennung von Kirche und Staat]] zu ermöglichen. Die dadurch garantierte [[Glaubensfreiheit]] weitete sich, auch wenn der Weg dorthin keineswegs ohne Repressionen verlief, schließlich auch zur Respektierung des Rechts auf Glaubenslosigkeit aus.
Ob es im [[Mittelalter]] Atheismus im Sinne einer Leugnung der Existenz eines Gottes gab, ist umstritten. Traditionell wird das „christliche Mittelalter“ als Zeitalter angesehen, in dem Europa komplett durch das Christentum bestimmt war, mit der Ausnahme kleiner jüdischer und muslimischer Minderheiten. Die oft dürftige und fast durchgängig christlich geprägte Quellenlage erschwert eine eindeutige Zuordnung einzelner Denker oder Personengruppen zum Atheismus.


Der [[Theologe]] Walter R. Dietz schreibt, die Bezeichnung ''Atheismus'' sei im Mittelalter nur verwendet worden für Leugnungen des [[Trinität|dreifaltigen]] Gottesgedankens, etwa durch den [[Islam]].<ref>[[Walter R. Dietz]]: ''Atheismus II. Kirchengeschichtlich.'' In: [[Bernd Janowski (Theologe)|Bernd Janowski]] u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''[[Religion in Geschichte und Gegenwart]].'' 4.&nbsp;Auflage. Band&nbsp;1, Mohr Siebeck, Tübingen 1998, Spalte&nbsp;875.</ref> Nach dem evangelischen Theologen [[Jan Milič Lochman]] trat Atheismus im Sinne von Gottesleugnung oder Gottlosigkeit in Europa erst seit dem 16. und 17. Jahrhundert auf.<ref>[[Jan Milič Lochman]]: ''Atheismus.'' In: [[Erwin Fahlbusch]] (Hrsg.): ''[[Evangelisches Kirchenlexikon]].'' 3., neugefasste Auflage. Band&nbsp;1, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1986, Spalte&nbsp;304.</ref> Dem französischen Historiker [[Georges Minois]] zufolge gab es im Mittelalter durchaus Atheismus, und zwar sowohl in seiner praktischen, wie auch zumindest ansatzweise in seiner theoretischen Form. Der Glaube habe das Mittelalter zwar beherrscht, der Atheismus habe aber im Leben und Denken einer Minderheit überdauert.<ref>[[Georges Minois]]: ''Geschichte des Atheismus. Von den Anfängen bis zur Gegenwart.'' Hermann Böhlaus, Weimar 2000, ISBN 3-7400-1104-1, S. 68–72.</ref>
=== Aufklärung ===


==== Theoretischer Atheismus ====
Das [[Zeitalter der Aufklärung]] brachte den ersten theoretisch ausformulierten Atheismus der Neuzeit mit sich.
Seit dem 13. Jahrhundert ist eine zunehmende Kritik christlich-katholischer Glaubensinhalte zu beobachten. Eine wesentliche Rolle scheint hierbei die Wiederentdeckung [[Aristoteles|aristotelischer Lehren]] und deren Interpretation durch [[Islamische Philosophie|islamische Philosophen]] gespielt zu haben.<ref>Vergleiche zum Beitrag der arabischen Philosophie zur Geschichte des Atheismus im Mittelalter Minois 2000, S. 72–76.</ref> Wirkungsmächtig waren insbesondere der [[Aristotelismus]] und der [[Averroismus]]. Bedeutend war, dass Aristoteles, obwohl er teilweise als „[[Heidentum|Heide]]“ bezeichnet wurde, doch als ''der'' Meister des logischen Denkens galt. Die aristotelische Philosophie widerspricht der christlichen Lehre insbesondere in zwei Punkten: Sie verneint die [[Schöpfung]] und die Unsterblichkeit der [[Seele]].<ref>Vergleiche Minois 2000, S. 74/75.</ref> Daher wurde das Unterrichten seiner [[Physik (Aristoteles)|Physik]] und [[Metaphysik (Aristoteles)|Metaphysik]] auch wiederholt durch päpstlichen Erlass untersagt.

Dennoch erstritt sich Georges Minois zufolge die [[Vernunft]] vom 11. bis 13. Jahrhundert eine zunehmend größere Unabhängigkeit vom Glauben.<ref>Vergleiche für diesen Abschnitt Minois 2000, S. 76–89.</ref> [[Petrus Abaelardus]] forderte ein, dass der Glaube den Regeln der Vernunft nicht widersprechen dürfe. [[Boetius von Dacien]] trat für die strikte Trennung von rational erfassbarer Wahrheit und [[Glaubenswahrheiten der katholischen Kirche|Glaubenswahrheiten]] ein. [[Siger von Brabant]] ging noch weiter und bestritt zahlreiche zentrale christliche Dogmen. Die christliche Autorität reagierte einerseits mit Zensur und Repression. Zudem gab es jedoch auch verstärkte Bemühungen, den Glauben durch [[Gottesbeweis]]e zu untermauern.

[[Wilhelm von Ockham]] erklärte alle Versuche, Glaubenssätze mit den Mitteln der Vernunft zu beweisen, für von vornherein zum Scheitern verurteilt.

==== Praktischer Atheismus ====
Im 12. Jahrhundert provozierten die [[Vaganten|Goliarden]] in ihren Liedern mit zum Teil bewusst provokanten atheistischen Positionen wie „ich bin begieriger nach Wollust als nach dem ewigen Seelenheil“.<ref>Minois 2000, S. 91 f.; S. 95.</ref>
Eine skeptische Haltung in Bezug auf viele Glaubenssätze nahmen auch die englischen [[Lollarden]] ein.<ref>Minois 2000, S. 93; S. 96.</ref> Auch einige der so genannten „[[Blasphemie|Blasphemiker]]“ könnten Atheisten gewesen sein. In dem mehreren Autoren zugeschriebenen ''[[De tribus impostoribus|Buch von den drei Betrügern]]'' sind [[Mose]]s, [[Jesus Christus]] und [[Mohammed]] gemeint.<ref>Minois 2000, S. 94/98.</ref> Daneben lebten auch [[Pantheismus|pantheistische]] Weltanschauungen in kleineren Glaubensgemeinschaften und unter Einzelpersonen fort. Sie sind zwar nicht dem Atheismus im engeren Sinne zuzuordnen, forderten aber wohl den christlichen Glauben heraus. Vertreter sind insbesondere die Pariser Theologen [[David von Dinant]] und [[Amalrich von Bena]] sowie die [[Brüder und Schwestern des freien Geistes]].<ref>Minois 2000, S. 77–79.</ref>

Im Volk ist die Existenz von Ungläubigen in zahlreichen Berichten von [[Wunder]]n bezeugt. Zudem lassen sich im einfachen Bauernvolk materialistisch-atheistische Positionen nachweisen. So wurde unter anderem die Existenz einer unsterblichen Seele und die Wiederauferstehung Christi verneint.<ref>Minois 2000, S. 87–92 und 95–99.</ref> Ein Beispiel für diese Art des „volkstümlichen Materialismus“ ist in den Verhörprotokollen des italienischen Müllers [[Menocchio]] festgehalten.<ref>[[Carlo Ginzburg]], Der Käse und die Würmer. Die Welt eines Müllers um 1600. Frankfurt am Main 1979 (Zitat S. 104).</ref>
Gegen Ende des Mittelalters gibt es auch zunehmend Klagen christlicher Pfarreien über die schwache Präsenz der Gemeinde in der sonntäglichen Messe.<ref>Minois 2000, S. 98–101, S. 103.</ref>

Als mittelalterliche Bevölkerungsteile, die besonders vom Atheismus betroffen waren, werden [[Söldner]] und [[Exkommunikation|Exkommunizierte]] genannt. Die Zahl Letzterer ging allein in Frankreich zeitweise in die Zehntausende.<ref>Minois 2000, S. 101–104; ''Geschichte des Atheismus. Von den Anfängen bis zur Gegenwart.'' Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar 2000, S. 105–108.</ref>

==== Reformation ====
Die [[Reformation]] brachte keine Abkehr vom (christlichen) Glauben, sondern wertete den persönlichen Glauben im Sinne subjektiver Überzeugung sogar auf. Dennoch ist die Reformation ein wichtiger Wendepunkt nicht nur in der Geschichte der Religion, sondern auch in der des Atheismus.

Durch die Reformation konnten sich mit den protestantischen Konfessionen erstmals Kirchen neben der katholischen etablieren, die zu stark waren, um dauerhaft gewaltsam unterdrückt werden zu können. Auf Dauer waren beide Seiten zur religiösen [[Toleranz]] gezwungen, später wurde diese auch auf zunächst nicht von dieser Toleranz eingeschlossene Gruppen, wie die [[Reformierte]]n, erweitert. Diese Entwicklung hin zur Toleranz sollte später auch Atheisten zugutekommen. Durch die auf die Reformation folgenden Religionskriege diskreditierten sich die sich bekriegenden Kirchen in den Augen vieler selbst. Deutlich trat der Widerspruch zwischen öffentlich gepredigter christlicher [[Nächstenliebe]] und tatsächlichem Handeln der damaligen Kirchen beispielsweise in der offenkundigen [[Barbarei]] der [[Hugenottenkriege]] und des [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährigen Krieges]] zutage. Bedeutsam ist auch, dass die katholische Kirche ihr bis dahin beinahe unantastbares Deutungsmonopol für die traditionsgeprägte Auslegung der [[Bibel]] und damit beträchtlich an Autorität auch auf geistlichem Gebiet verlor.

Politisch trug die Reformation entscheidend zur Emanzipation der Staaten aus der geistlichen Bindung an die Kirche bei, die sich nun vielfach, wie beispielsweise im Landesherrentum, im französischen [[Gallikanismus]] und der Reichskirche der Politik unterordnen musste. Diese Entstehung moderner Machtverhältnisse war eine zwingende Voraussetzung, um letztlich die [[Trennung zwischen Staat und religiösen Institutionen|Trennung von Kirche und Staat]] zu ermöglichen. Die dadurch garantierte [[Religionsfreiheit]] weitete sich, auch wenn der Weg dorthin keineswegs ohne Repressionen verlief, schließlich auch zur Respektierung des Rechts auf Glaubenslosigkeit aus. Dennoch blieb der Atheismus bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein Phänomen einer elitären Minderheit.

=== 17. bis 19. Jahrhundert ===
Das Zeitalter der [[Aufklärung]] brachte den ersten theoretisch ausformulierten Atheismus der Neuzeit mit sich. Dieser steht in engem Zusammenhang mit den Fortschritten der [[Naturwissenschaft]]. Bereits 1674 war der deutsche studierte Theologe [[Matthias Knutzen (Theologe)|Matthias Knutzen]] mit drei atheistischen Schriften an die Öffentlichkeit getreten, die ihn zum ersten namentlich bekannten Atheisten der Neuzeit machen.<ref>[[Winfried Schröder (Philosoph)|Winfried Schröder]] in: Matthias Knutzen: ''Schriften, Dokumente.'' Stuttgart–Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2010, S. 8</ref> Ein Jahrzehnt darauf folgte der [[Polen|polnische]] Philosoph [[Kazimierz Łyszczyński]] in seinem – bis auf wenige Zitate verlorenen – Werk ''De non existentia Dei'' (dt. ''Über die Nichtexistenz Gottes''), in dem er postulierte, Gott sei lediglich eine von Menschen erdachte [[Trugbild|Chimäre]] und Religion sei nur ein Mittel zur Unterdrückung der Bevölkerung.<ref>http://www.laender-analysen.de/polen/pdf/PolenAnalysen157.pdf</ref> Trotz der zu jener Zeit im [[Polen-Litauen|Königreich Polen]] geltenden Religionsfreiheit wurde Łyszczyński für sein Werk 1689 aus politischen Gründen zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Bis weit ins 18. Jahrhundert war der Vorwurf, ‚Atheist‘ zu sein, in der Regel eine gefährliche Fremdzuschreibung.<!-- bitte folgenden Satz mit Namen belegen: Im Zeitalter der [[Aufklärung]] bezeichneten sich verschiedene [[Deismus|Deisten]] und [[Physikotheologie|Physikotheologen]] als Atheisten. --> In Preußen war es die aufklärerische Haltung [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrichs des Großen]] (1740: „Jeder soll nach seiner Façon selig werden“), in anderen Ländern die [[Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte]] in der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] (1789) und die amerikanische [[Bill of Rights (Vereinigte Staaten)|Bill of Rights]] (1789), die zu einer Akzeptanz diverser atheistischer Standpunkte führten. Der französische Philosoph und [[Vordenker der Aufklärung|Aufklärer]] [[Julien Offray de La Mettrie]] konnte 1748 seine atheistische Philosophie nur außerhalb Frankreichs, im preußischen Exil, öffentlich vertreten. In deutscher Sprache waren, in kritischer Wendung gegen [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegel]], die Ex-Theologen [[Bruno Bauer]] und [[Ludwig Feuerbach]] die ersten atheistischen Philosophen. Feuerbach kritisierte in seinem einflussreichen Werk ''[[Das Wesen des Christentums (Feuerbach)|Das Wesen des Christentums]]'' (1841) nicht nur das Christentum grundlegend, sondern darüber hinaus die Religion generell als Ergebnis psychologischer Projektionen („Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde“). Später konstatierte [[Friedrich Nietzsche]]: „Gott ist tot“ (1882) und „Atheismus […] versteht sich bei mir aus Instinkt“ (1888).


==== Aufklärung in Frankreich ====
==== Aufklärung in Frankreich ====
[[Bild:Voltaire2.jpg|thumb|[[Voltaire]]]]
[[Datei:D'Holbach.jpg|mini|[[Paul Henri Thiry d’Holbach]], 1766]]


Das früheste Zeugnis eines dezidierten Atheismus in der Neuzeit findet sich im ''[[Theophrastus redivivus]]'', der Schrift eines anonymen französischen Autors aus dem Jahr 1659. Die [[Existenz Gottes]] wird darin zwar bestritten, die gesellschaftliche Nützlichkeit der Religion hingegen behauptet.
Berühmt geworden sind die ''„Pensées et sentiments“'' des französischen, katholischen Pfarrers [[Jean Meslier]] (1664–1729). Meslier hatte seine Gedanken in Form eines Testaments in nur drei Exemplaren hinterlassen. Er polemisiert darin gegen Kirche und Krone, die er als Ausbeuter und Unterdrücker der Armen sieht. Später wurde sein Werk vervielfältigt und im Geheimen unter anderen von [[Baron d'Holbach]] und [[Voltaire]] gelesen, welcher Mesliers Werk 1762 erneut veröffentlichte.


Als erster radikaler Atheist der Neuzeit gilt heute der französische [[Abbé]] [[Jean Meslier]] (1664–1729).<ref>„Die Geschichte des Atheismus in Europa beginnt aber erst wirklich im 18. Jahrhundert mit den Franzosen Jean Meslier (1664–1729), Diderot (1713–1784), Holbach (1723–1789), […].“ (Hiorth, ''Atheismus—genau betrachtet.'' S. 26.)</ref> In seinen zwischen 1719 und 1729 verfassten und erst später anonym veröffentlichten ''Pensées et sentiments'' stellte Meslier die Existenz von Göttern völlig in Abrede, welche für ihn bloße Hirngespinste sind.<ref>„Jenes sogenannte unendlich vollkommene Wesen hingegen, das unsere Gottgläubigen Gott nennen, ist bloß eine Ausgeburt der Phantasie.“ (Testament, Kap. 64)</ref> Im Gegensatz zum ''Theophrastus'' verbindet Meslier seinen Atheismus mit einem [[Antiklerikalismus]]: Er polemisiert gegen Kirche und Krone, die er als Ausbeuter und Unterdrücker der Armen ansieht. Meslier hat seine als ''Testament'' bekannt gewordene Schrift nur in drei handschriftlichen Exemplaren hinterlassen, die zunächst einige Jahrzehnte lang [[Klandestine Literatur|klandestin]] zirkulierten. Erst 1761 veröffentlichte [[Voltaire]] eine Version der Schrift, in der er alle atheistischen und materialistischen Passagen getilgt und nur Mesliers Christentumskritik und Antiklerikalismus erhalten hatte. Diese [[Deismus|deistisch]] verfälschte Fassung blieb, zumal sie durch Neuauflagen und Aufnahme in Voltaires ''Œuvres'' weite Verbreitung fand, bis ins 20. Jahrhundert die allgemein bekannte; daran hat auch eine 1864 in Amsterdam erschienene vollständige Ausgabe nichts geändert. Erst 1972 haben [[Albert Soboul]] u.&nbsp;a. aufgrund der Originalmanuskripte eine nun maßgebliche Edition dieses ersten neuzeitlichen Werks des Atheismus geschaffen.
Eine frühe öffentliche Leugnung der Existenz Gottes in der Neuzeit findet sich bei Baron d'Holbach (1723–1789) in seinem 1770 entstandenen Werk ''„Système de la nature“''. Baron d'Holbach sah in der Religion die größte Feindin der natürlichen Moral.


[[Datei:Julien Offray de La Mettrie.jpg|mini|[[Julien Offray de La Mettrie]] als „Democritus ridens“, als lachender [[Demokrit]], um 1750]]
1782 verfasste der britische Physiker [[Matthew Turner]] (eventuell als Co-Autor) unter einem Pseudonym das atheistische [[Pamphlet]] „Answer to Dr Priestley's Letters to a Philosophical Unbeliever“
Während Meslier somit lange Zeit als voltairianischer antiklerikaler Deist galt, war der erste öffentlich bekannt gewordene radikale Atheist der [[Radikalaufklärung|Aufklärung]] [[Julien Offray de La Mettrie]] (1709–1751). Sein philosophischer Erstling ''Histoire naturelle de l’âme'' (Naturgeschichte der Seele, 1745) wurde als materialistische und atheistische Schrift vom Pariser Henker verbrannt. La Mettrie floh nach Holland, wo er sein berühmtes Werk ''L’homme machine'' (Der Mensch als Maschine, 1748) publizierte, in dem es heißt, „dass die Welt niemals glücklich sein wird, solange sie nicht atheistisch ist.“<ref>Julien Offray de La Mettrie: ''Der Mensch als Maschine.'' Nürnberg: LSR-Verlag 1985, S.&nbsp;66.</ref> La Mettrie blieb nicht bei der Negation Gottes stehen, sondern skizzierte in seinem ''Discours sur le bonheur'' (Rede über das Glück, 1748) eine geradezu modern anmutende psycho(patho)logische Theorie des Religiösen.<ref>Für ein Porträt La Mettries, das diese Seite des sonst als kruder „mechanistischer Materialist“ verrufenen Philosophen hervorhebt, siehe: [[Bernd A. Laska]]: [http://www.lsr-projekt.de/lmsex.html ''La Mettrie und die Kunst, Wo(h)llust zu empfinden. Portrait eines verfemten Denkers''.] In: Der Blaue Reiter. Journal für Philosophie. Band&nbsp;16 (Juni 2003), S. 98–103</ref> Er musste anschließend sogar aus den toleranten Niederlanden fliehen. [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich II. von Preußen]] bot ihm Asyl an und stellte ihn in [[Sanssouci]] als Vorleser ein. Er wurde auch in die [[Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin]] aufgenommen.


Eine frühe öffentliche Verneinung der Existenz eines Gottes findet sich auch in dem 1770 anonym erschienenen Werk ''Système de la nature'' des [[Paul Henri Thiry d’Holbach|Baron d’Holbach]] (1723–1789), einem Grundwerk des [[Materialismus]]. Holbach sah in der Religion den größten Feind der natürlichen Moral und zog gegen ontologische und kosmologische [[Gottesbeweis]]e zu Felde. Das Glück des Menschen hängt nach seiner Auffassung vielmehr am Atheismus. Die von ihm vertretene „Ethokratie“ beruht allerdings nicht auf der vorgängigen materialistischen Philosophie La Mettries, den er wegen seiner Moraltheorie sogar als „Wahnsinnigen“ bezeichnete.
Auch [[Denis Diderot]] (1713–1784), einer der bekanntesten Philosophen der Aufklärung, vertrat in seinen kirchen- und religionskritischen Werken ''„Pensées philosophiques“'' (1746) und dem ''„Lettre sur les aveugles à l'usage de ceux qui voient“'' (1749) zunächst eine deistische, dann eine atheistische Position. Letzteres Werk brachte Diderot eine Haftstrafe ein. Diderot war Herausgeber der [[Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers|Encyclopédie]], die einen wichtigen Beitrag zur [[Aufklärung|Europäischen Aufklärung]] lieferte.


[[Denis Diderot]] (1713–1784), bekannt vor allem als Herausgeber der [[Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers|Encyclopédie]], vertrat in seinen kirchen- und religionskritischen Werken ''Pensées philosophiques'' (1746) und dem ''[[Brief über die Blinden zum Gebrauch für die Sehenden|Lettre sur les aveugles à l’usage de ceux qui voient]]'' (1749) zunächst eine deistische, später eine atheistische Position. Auch er war ein vehementer Gegner La Mettries, den er noch posthum als „Autor ohne Urteilskraft“ und wegen der „Verdorbenheit seines Herzens“ „aus der Schar der Philosophen“ ausschloss.<ref>Denis Diderot: ''Essai sur les règnes de Claude et de Neron et sur la vie et les écrits de Sénèque…'' (1778). Zit. n. ders.: ''Philosophische Schriften II.'' Berlin/DDR: Aufbau 1961, S. 428/429; vergleiche oben Note zu La Mettrie, sowie die [http://www.lsr-projekt.de/lm2.html Einleitung] zu La Mettrie: ''Über das Glück'', dem Werk, das die Gegnerschaft Diderots, Holbachs, Voltaires und anderer hervorrief.</ref>
Voltaire übte an den institutionellen Formen der Religion seiner Zeit pointierte Kritik, z.B. veröffentlichte er unter dem [[Pseudonym]] ''Corbera'' ein Pamphlet ''Epître aux Romains'', das praktisch einen Aufruf zur Revolution gegen den Papst darstellt. Voltaire wandte sich aber nicht nur gegen die Kirche und den [[Klerus]], in zahllosen Schriften und Briefen griff er die christliche Religion teils mit scharfsinnigem Spott, teils mit feinsinniger Ironie an. Allerdings ließ er bei allem, was er schrieb, nie einen Rest an Vorsicht außer acht (die Zeit, in der [[Häretiker]] auf dem Scheiterhaufen landeten, war noch nicht lange vorbei). Sein Bekenntnis zum englischen Deismus und seine gelegentlichen Attacken gegen den Atheismus können auch hierin ihren Grund finden. In dem Artikel ''Athéisme'' schrieb er unter anderem: ''Der Atheismus ist der Fehler einiger Leute von Geist, der Aberglaube ist der Fehler der Dummköpfe; und Lumpen sind Lumpen''. Wenn sich Voltaire auch häufig zum englischen Deismus bekannte, wirkte er auf seine Zeitgenossen durch seinen Stil und die Art, wie er seinen Deismus vortrug, durchaus wie ein Atheist. [[Fritz Mauthner]] bezeichnete Voltaire als „den Feldherrn und Staatsmann der französischen und europäischen Freidenker“.


[[Voltaire]] übte scharfe Kritik an Kirche und [[Klerus]] und griff in zahllosen Schriften und Briefen die christliche Religion teils mit scharfsinnigem Spott, teils mit feinsinniger Ironie an. Allerdings wollte er ausdrücklich nicht als Atheist bezeichnet werden (Réponse au Système de la nature, 1777). In dem Artikel ''Athéisme'' schrieb er unter anderem:
==== Immanuel Kant ====
[[Bild:Immanuel Kant.jpg|thumb|[[Immanuel Kant]]]]


{{Zitat
Gemäß [[Immanuel Kant]] ([[Kritik der reinen Vernunft]]) gibt es keinen [[Beweis]] für oder gegen die Existenz eines höchsten Wesens, der auf reiner Anwendung der menschlichen [[Vernunft]] beruht. Wie Kant in der Dialektik, dem zweiten Hauptteil der Kritik der reinen Vernunft, zu zeigen versucht, führen alle [[Gottesbeweis]]e zu [[Antinomie]]n (unauflösbaren Widersprüchen).
|Text=Der Atheismus ist der Fehler einiger Leute von Geist, der Aberglaube ist der Fehler der Dummköpfe; und Lumpen sind Lumpen.}}
Damit ist Kant vielleicht das prominenteste Beispiel eines Agnostikers im engen Sinne des Wortes: Kant bestreitet die Erkennbarkeit Gottes.


Wenn sich Voltaire auch häufig zum englischen Deismus bekannte, wirkte er auf viele seiner Zeitgenossen durch seinen Stil und die Art, wie er seinen Deismus vortrug, durchaus wie ein Atheist. Die katholische Kirche bezichtigte ihn deswegen auch des Atheismus. [[Fritz Mauthner]], Autor des vierbändigen Werks ''Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande'', nannte Voltaire „den Feldherrn und Staatsmann der französischen und europäischen Freidenker.“
Gott wie andere Ideen, die über die Erfahrung hinausgehen, nennt Kant [[transzendental]]e [[Idee]]n. Dagegen erkennt er den sog. [[regulativ]]en Charakter dieser transzendentalen Ideen an:
{{Siehe auch|Atheismus der französischen Materialisten des 18. Jahrhunderts}}


==== Immanuel Kant ====
''Ich behaupte demnach: die transzendentalen Ideen sind niemals von konstitutivem Gebrauche, so, dass dadurch Begriffe gewisser Gegenstände gegeben würden, und in dem Falle, dass man sie so versteht, sind es bloß vernünftelnde (dialektische) Begriffe. Dagegen aber haben sie einen vortrefflichen und unentbehrlichnotwendigen regulativen Gebrauch, nämlich den Verstand zu einem gewissen Ziele zu richten, in Aussicht auf welches die Richtungslinien aller seiner Regeln in einem Punkt zusammenlaufen, der, ob er zwar nur eine Idee (focus imaginarius), d.i. ein Punkt ist, aus welchem die Verstandesbegriffe wirklich nicht ausgehen, indem er ganz außerhalb der Grenzen möglicher Erfahrung liegt, dennoch dazu dient, ihnen die größte Einheit neben der größten Ausbreitung zu verschaffen.'' (Kant, KdrV, A 644)


Gemäß [[Immanuel Kant]] gibt es keinen möglichen [[Beweis (Logik)|Beweis]] für oder gegen die Existenz eines höchsten Wesens, weder durch Anwendung der [[Vernunft]] noch durch Betrachtung der empirischen Natur. Wie Kant in der [[Transzendentale Dialektik|Transzendentalen Dialektik]], dem zweiten Hauptteil der ''Transzendentalen Logik'' in [[Kritik der reinen Vernunft]], zu zeigen versucht, scheitern alle [[Gottesbeweis]]e daran, dass die in der menschlichen Vernunft vorhandene Vorstellung eine [[transzendental]]e [[Idee]] ist, d.&nbsp;h. die Vorstellung eines Gegenstands, der mit keiner möglichen menschlichen Erfahrung übereinstimmen kann. Er billigt transzendentalen Ideen jedoch eine [[regulativ]]e Funktion zu:
Vereinfacht gesagt bedeutet dies nach Kant: Alle Grenzen möglicher menschlicher [[Erfahrung]] überschreitenden Dinge (Gott, [[Unsterblichkeit]], [[Unendlichkeit]]) seien zwar nicht durch reine Vernunft erkennbar, heißt beweisbar, geben dem Verstand aber eine gewisse [[Einheit]]. Anders gesagt: sie bezeichnen genau die Grenzlinien zwischen spekulativem und reinem Vernunftgebrauch. [[Regulativ]] sind sie deswegen, weil sie ein Ziel abstecken, an dem der Verstand sich orientieren kann.
{{Zitat
|Text=Ich behaupte demnach: die transzendentalen Ideen sind niemals von konstitutivem Gebrauche, so, dass dadurch Begriffe gewisser Gegenstände gegeben würden, und in dem Falle, dass man sie so versteht, sind es bloß vernünftelnde (dialektische) Begriffe. Dagegen aber haben sie einen vortrefflichen und unentbehrlich notwendigen regulativen Gebrauch, nämlich den Verstand zu einem gewissen Ziele zu richten, in Aussicht auf welches die Richtungslinien aller seiner Regeln in einem Punkt zusammenlaufen, der, ob er zwar nur eine Idee (focus imaginarius), d.&nbsp;i. ein Punkt ist, aus welchem die Verstandesbegriffe wirklich nicht ausgehen, indem er ganz außerhalb der Grenzen möglicher Erfahrung liegt, dennoch dazu dient, ihnen die größte Einheit neben der größten Ausbreitung zu verschaffen.
|Quelle={{Kant|3|427|||||428}}}}
Vereinfacht gesagt bedeutet dies: Alle Grenzen möglicher menschlicher [[Erfahrung]] überschreitenden Dinge (Gott, [[Unsterblichkeit]], [[Unendlichkeit]]) sind nach Kant zwar nicht erkennbar, sie geben der Erfahrung aber eine gewisse, subjektive Einheit. Regulativ sind sie deswegen, weil sie dem Verstand eine Orientierung bieten, mit der dieser Erlebnisse und Eindrücke über den unmittelbaren Wahrnehmungsgehalt hinaus ordnen kann. Damit ist Kant in theoretischer Hinsicht ein Vertreter einer agnostizistischen Position. Die regulative Idee {{" |Gott}} erhält jedoch in Kants Moralphilosophie eine neue Funktion.


Beschäftigt sich Kant in der Kritik der reinen Vernunft mit der theoretischen Seite der Vernunft („Was kann ich wissen?“), so behandelt die [[Kritik der praktischen Vernunft]] deren praktische Seite („Was soll ich tun?“). Gott wird hier als eine Art Postulat eingeführt: Die Imperative (kategorischer, hypothetischer) setzen das Faktum eines moralischen Gesetzes voraus. Das moralische Gesetz verpflichtet jeden Menschen zur [[Sittlichkeit]] (und letzten Endes zur Befolgung des [[Kategorischer Imperativ|Kategorischen Imperativ]]s). Das Problem für Kant besteht nun darin, zu zeigen, ob und wie die Befolgung des moralischen Gesetzes auch zu einem für alle Menschen befriedigenden Gesamtzustand führt. Diesen Zustand nennt Kant [[Glückseligkeit]]. Glückseligkeit ist sozusagen das resultative, soziale und äußerliche Pendant zur individuellen Sittlichkeit, das, was die innere Sittlichkeit auch zu einem für alle Menschen wünschbaren Ziel macht. Die Frage ist nämlich: Wenn ich sittlich handeln soll, ist dann auch sicher gestellt, dass ich glücklich werde? Die Instanz nun, die genau sicherstellt, dass sittliches Verhalten auch zu Glückseligkeit führt, ist Gott. Jetzt wird auch klar, warum Gott im System der Vernunfterkenntnisse für Kant eine regulative Idee ist. Gott sei zwar nicht erkennbar (intelligibel), jedoch wird er als Postulat (nicht weiter begründbare Voraussetzung) benötigt, um gewisse moralische Gesetze zu rechtfertigen.
Beschäftigt sich Kant in der Kritik der reinen Vernunft mit der theoretischen Seite der Vernunft („Was kann ich wissen?“), so behandelt die [[Kritik der praktischen Vernunft]] deren praktische Seite („Was soll ich tun?“). Gott wird hier [[Postulat|postuliert]]: Wenn die menschliche Vernunft in der Lage ist, sich selbst Ziele frei zu setzen, z.&nbsp;B. auch gegen die unmittelbar empfundenen empirischen Bedürfnisse, so setzt das voraus, dass jeder Mensch seine eigene Vernunft als verpflichtend erlebt (Kant nennt dies das {{" |Faktum der Vernunft}}). Derjenige Anteil des menschlichen Willens, der vernunftgemäß und unabhängig von den empirischen Bedürfnissen seine Wahl trifft, kann nun nach Kant nichts anderes wollen, als einem moralischen Gesetz zu folgen. Das moralische Gesetz verpflichtet jeden Menschen zur [[Sittlichkeit]], indem es ihn anhält, seinen Willen nach dem [[Kategorischer Imperativ|Kategorischen Imperativ]] zu gestalten. Für Kant besteht nun ein Problem darin, zu zeigen, ob und wieso die Befolgung des moralischen Gesetzes auch zu [[Glück]]seligkeit, also einem Zustand allgemeiner Zufriedenheit führt. Die Frage ist: Wenn ich sittlich handeln soll, ist dann auch sichergestellt, dass ich glücklich werde? Als Instanz, die sicherstellt, dass sittliches Verhalten auch zu Glückseligkeit führt, wird Gott eingeführt, die garantieren soll, dass die Welt im Ganzen einem gerechten Plan folgt.


In der Nachfolge blieb Kants [[theistisch]]er [[Skeptizismus]] oder partieller Agnostizismus weitgehend unbeachtet. Der Deutsche [[Idealismus]] ([[Fichte]], [[Schelling]], [[Hölderlin]], [[Hegel]]) redete zwar von Gott als dem absoluten [[Weltgeist]] oder einem absoluten [[Ich]], kümmerte sich hingegen wenig um die [[Antinomie]]n der Vernunft. Aus heutiger Sicht wird Kants Postulierung eines Gottes als 'missing link' zwischen Sittlichkeit und Glückseligkeit eher als Mangel seiner Theorie gesehen. Kants individualistischer Theorie fehlt schlicht der gesellschaftliche Horizont von Sittlichkeit. In seiner Rechtsphilosophie kommt Hegel hingegen ohne ein solches ad-hoc-Postulat zur Begründung der Sittlichkeit aus. Stattdessen steht der absolute Weltgeist (=Gott) für Hegel theoretisch wie historisch am Anfang seines dialektischen Systems. Dabei macht Hegel sozusagen aus der antinomischen Misere der [[Dialektik]] eine neue Tugend, indem das dialektische Prinzip der Selbstwidersprüchlichkeit zu einer eigenen Methode ausbaut.
In der Nachfolge blieb Kants theistischer [[Skeptizismus]] oder partieller Agnostizismus weitgehend unbeachtet. Der [[Deutscher Idealismus|Deutsche Idealismus]] ([[Johann Gottlieb Fichte|Fichte]], [[Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling|Schelling]], [[Friedrich Hölderlin|Hölderlin]], [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel|Hegel]]) redete zwar von Gott als dem absoluten [[Weltgeist]] oder einem absoluten [[Ich]], kümmerte sich hingegen wenig um die [[Antinomie]]n der Vernunft. Aus heutiger Sicht wird Kants Postulat eines Gottes als Verbindungsglied zwischen Sittlichkeit und Glückseligkeit eher als Mangel seiner Theorie gesehen. Kants individualistischer Theorie fehlt schlicht der gesellschaftliche Horizont von Sittlichkeit. In seiner Rechtsphilosophie kommt Hegel hingegen ohne ein solches Ad-hoc-Postulat zur Begründung der Sittlichkeit aus. Stattdessen steht der absolute Weltgeist (= Gott) für Hegel theoretisch wie historisch am Anfang seines dialektischen Systems. Dabei macht Hegel sozusagen aus der antinomischen Misere der [[Dialektik]] eine neue Tugend, indem er das dialektische Prinzip der Selbstwidersprüchlichkeit zu einer eigenen Methode ausbaut.


=== 19. und 20. Jahrhundert ===
==== Ludwig Feuerbach ====
[[Datei:Nuremberg L.A.Feuerbach Memoria Table f ne.jpg|mini|Ludwig Feuerbach, [[Ludwig Feuerbach#Ehrungen|Wohnhaus-Gedenktafel von 1904, wiederaufgestellt im Jahr 1999]] auf dem [[Rechenberg (Nürnberg)|Rechenberg in Nürnberg]]]]
==== Materialistischer Atheismus (Marx, Engels, Feuerbach) ====


[[Ludwig Feuerbach]] vertrat in ''[[Das Wesen des Christentums (Feuerbach)|Das Wesen des Christentums]]'' von 1841<ref>Feuerbach 1841</ref> die folgenden Thesen:
[[Bild:Nuremberg L.A.Feuerbach Memoria Table f ne.jpg|thumb|[[Ludwig Andreas Feuerbach|Feuerbach]]-Erinnerungstafel in Nürnberg]]


# Religion ist nicht nur eine historische oder [[Transzendenz|transzendente]] Tatsache, sondern vor allem eine Leistung des menschlichen Bewusstseins, also der Einbildungskraft oder Phantasie.
[[Karl Marx]] gilt wohl nach wie vor als einer der prominentesten Vertreter des Atheismus, wird doch [[Marxismus]] noch heute mit dem Konzept einer radikalen [[Religionskritik]] verbunden. Im strengen Sinne der weiter oben gemachten Definition des Begriffes von Atheismus (im Sinne eines Götterverleugnenden oder Nicht-an-Götter-Glaubenden) ist Marx kein Atheist, da sich für ihn das ganze Problem erst im Rahmen der Klärung der gesellschaftlichen Funktion von Religion stellt. Anders gesagt: Für Marx ist die Frage, ob es Gott gibt oder nicht, erst einmal keine [[Epistemologie|epistemische]] (Frage des Wissens oder Wissen-Könnens) und auch keine ontologische (Frage der Existenz), sondern – modern gesprochen – eine [[Soziologie|soziologische]] oder gesellschaftliche Frage.
# Alle Religionen unterscheiden sich nur ihrer Form nach, haben aber eines gemeinsam: Sie spiegeln die unerfüllten Bedürfnisse der menschlichen Natur wider. Gott und alle religiösen Inhalte sind nichts anderes als psychologische Projektionen, die ihre materiellen Ursachen in der Natur des Menschen besitzen.


Feuerbachs Ausgangspunkt zur Herleitung seiner Thesen war die Natur des Menschen. Wesentlich für Feuerbach war, dass Menschen Bedürfnisse und Wünsche besitzen und diese in bestimmter Hinsicht unerfüllt bleiben, weil der Mensch – so würden wir heute sagen – ein Mängelwesen ist. Das ist sein [[Anthropologie|anthropologischer]] Kern, den Marx weitgehend übernimmt. Von Hegel übernahm Feuerbach die [[Idealismus (Philosophie)|idealistische]] Auffassung, dass es das Bewusstsein und seine Leistungen seien, die seine Praxis bestimmen. Im Zentrum stand für Feuerbach dabei die menschliche Einbildungskraft. Es seien nun die unerfüllbaren und andauernd unerfüllten Bedürfnisse, die der Mensch mit Hilfe seiner Einbildungskraft in ein religiöses Reich projiziere. Die religiösen Gehalte verweisen nach Feuerbach auf die unerfüllten Bedürfnisse und damit auf die als unvollkommen erlebte Natur des Menschen. In seinem Hauptwerk versucht er, dies anhand der Begriffe Liebe, Endlichkeit, Sterblichkeit, Ungerechtigkeit zu zeigen: Die religiöse Vorstellung der Unsterblichkeit der [[Seele]] sei ein Reflex auf die unvollkommene Natur des Menschen als sterbliches Wesen, die der Allgüte Gottes ein Reflex auf die Unmöglichkeit, alle Menschen gleichermaßen zu lieben usw.
Dazu das Zitat (Zweite These über Feuerbach):
''Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muss der Mensch die Wahrheit, das heißt die Wirklichkeit und Macht, die Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit eines Denkens, das sich von der Praxis isoliert, ist eine rein scholastische Frage.''


Feuerbachs Theorie der Religionskritik wurde später und wird heute in Verbindung mit dem Begriff „religiöser [[Anthropomorphismus]]“ oder „[[Anthropozentrismus]]“ oder unter dem Schlagwort „[[Projektionstheorie]]“ diskutiert. Schlagwortartig mag man sie unter folgenden Mottos zusammenfassen:
'''Wegweisender Überblick:'''
{{Zitat
|Text=Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.
|ref=<ref name="Der Mensch schuf">„Denn nicht Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, wie es in der Bibel steht, sondern der Mensch schuf, wie ich im ‚Wesen des Christentums‘ zeigte, Gott nach seinem Bilde.“ Aus: ''Vorlesungen über das Wesen der Religion, Leipzig 1851, XX. Vorlesung.''</ref>}}


oder:
Marx' Religionskritik findet sich vor allem in zwei einschlägigen Werken/Texten. Sie sind gleichzeitig Grundlage dieser Darstellung:
{{Zitat
* [http://gutenberg.spiegel.de/marx/heglrech/me01_000.htm Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie] (1843/44)
|Text=Homo homini Deus est
* [http://gutenberg.spiegel.de/marx/feuerbac/me03_005.htm Thesen über Feuerbach] von 1845 (1888 von Engels in redigierter Fassung veröffentlicht)
|Sprache=la
|Übersetzung=Der Mensch ist dem Menschen ein Gott.
|ref=<ref>Feuerbach 1841, Teil II, S. 409</ref>}}


Die Erklärung der Religion hat also –&nbsp;nach Feuerbach&nbsp;– vom Menschen auszugehen, sie aus ihm herzuleiten und sie wieder auf ihn zu beziehen:
Weitere Stellen bei Marx (und Engels) sind zu finden in:
{{Zitat
* ''[[Das_Kapital|Das Kapital]]'' an verschiedenen Stellen, jedoch nie systematisch behandelt (gut hier die Stelle über den [[Warenfetischismus]])
|Text=[…] Der Mensch ist der Anfang der Religion, der Mensch der Mittelpunkt der Religion, der Mensch das Ende der Religion.
* ''Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft'' (zit. mit „Anti-Dühring“) von [[Friedrich Engels]] aus dem Jahr 1878
|Quelle=Das Wesen des Christentums, Teil&nbsp;I
|ref=<ref>Feuerbach 1841, Teil I, S. 287</ref>}}


==== Karl Marx ====
Bezugspunkte für Marx' Religionskritik sind vor allem die Theorien von:
[[Datei:Karl Marx 001.jpg|mini|[[Karl Marx]] (1818–1883)]]
* [[Georg Wilhelm Friedrich Hegel]] (1770–1831) und sein Werk ''Grundlinien der Philosophie des Rechts'' von 1821
* [[Ludwig_Andreas_Feuerbach|Ludwig Feuerbach]] (1804–1872) und sein Hauptwerk ''[[Das Wesen des Christentums]]'' von 1841


'''Marx’ Kritik an Feuerbach – „vergesellschaftete“ Religiosität'''
'''Feuerbachs religionskritische Grundlagen: Materialistischer Anthropozentrismus'''


Marx’ [[Religionskritik]] findet sich vor allem<ref>Weitere Stellen bei Marx (und Engels) sind zu finden in: ''[[Das Kapital]]'' an verschiedenen Stellen (z.&nbsp;B. die Stelle über den [[Warenfetischismus]]), jedoch nie systematisch behandelt, und in: ''Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft'' (zit. mit „[[Anti-Dühring]]“) von [[Friedrich Engels]] aus dem Jahr 1878.</ref> in zwei einschlägigen Werken/Texten:
Grundlage der marxschen Religionskritik ist Feuerbachs ''Wesen des Christentums'', in dem dieser zwei wesentlich neuartige und zumindest gegenüber Hegel an Klarheit überlegene Thesen aufstellt:
# Religion ist nicht (nur) eine historische oder transzendente Tatsache, sondern (vor allem) eine Leistung des menschlichen Bewusstseins (also der Einbildungskraft bzw. Phantasie)
# alle Religionen unterscheiden sich nur ihrer Form nach, haben aber eines gemeinsam: sie spiegeln die unerfüllten Bedürfnisse der menschlichen Natur wider – Gott und alle religiösen Inhalte sind nichts anders als psychologische Projektionen, die ihre materiellen Ursachen in der Natur des Menschen besitzen


* [[Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie]] (1843/44)<ref name="KriHeRePhi">Marx: ''Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung.'' In ''[[Deutsch-Französische Jahrbücher]].'' (1844), [[Marx-Engels-Werke|MEW]] {{Webarchiv |url=http://www.ml-werke.de/marxengels/me01_378.htm |text=Bd. 1, S. 378 ff. |wayback=20111109213737}}</ref>
Feuerbachs Ausgangspunkt zur Herleitung seiner Thesen ist die Natur des Menschen. Wesentlich für Feuerbach ist, dass Menschen Bedürfnisse und Wünsche besitzen und diese in bestimmter Hinsicht unerfüllt bleiben, weil der Mensch – so würden wir heute sagen – ein Mängelwesen ist. Das ist sein [[Anthropologie|anthropologischer]] Kern, den Marx weitgehend übernehmen wird. Von Hegel übernimmt Feuerbach die idealistische Auffassung, dass es das Bewusstsein und seine Leistungen sind, die seine Praxis bestimmen. Im Zentrum steht für Feuerbach dabei die menschliche Einbildungskraft. Es seien nun die unerfüllbaren und andauernd unerfüllten Bedürfnisse, die der Mensch mit Hilfe seiner Einbildungskraft in ein religiöses Reich projiziere. Die religiösen Gehalte verweisen nach Feuerbach auf die unerfüllten Bedürfnisse und damit auf die als unvollkommen erlebte Natur des Menschen. In seinem Hauptwerk versucht er, dies anhand der Begriffe Liebe, Endlichkeit, Sterblichkeit, Ungerechtigkeit zu zeigen: Die religiöse Vorstellung der Unsterblichkeit der Seele sei ein Reflex auf die unvollkommene Natur des Menschen als sterbliches Wesen, die der [[Allgüte]] Gottes ein Reflex auf die Unmöglichkeit, alle Menschen gleichermaßen zu lieben, usw.
* Thesen über Feuerbach von 1845<ref name="FeuerbachThesen">Karl Marx: ''[[Thesen über Feuerbach]]'' (geschrieben im Frühjahr 1845) [[Marx-Engels-Werke|MEW]] [http://www.mlwerke.de/me/me03/me03_005.htm Bd. 3, S. 5 ff.]</ref> (1888 von Engels in redigierter Fassung veröffentlicht)


[[Karl Marx|Marx]] übernimmt die Projektionstheorie Feuerbachs. Auch für ihn ist die Welt der Religion keine [[Ontologie|ontologische]] Kategorie, sondern gehört in den Bereich menschlicher Tätigkeiten. Auch für ihn reflektiert Religion ein Bedürfnis, und auch für ihn ist Religion die Widerspiegelung einer Wirklichkeit und nichts [[Transzendenz|Transzendentes]].
Feuerbachs Theorie der Religionskritik wurde später und wird heute in Verbindung mit dem Begriff „religiöser [[Anthropomorphismus]]“ bzw. „Anthropozentrismus“ oder unter dem Schlagwort „[[Projektionstheorie]]“ diskutiert. Schlagwortartig mag man sie unter folgenden Mottos zusammenfassen:</br>
'''Nicht Gott hat die Menschen, sondern die Menschen haben Gott geschaffen.'''</br>
oder </br>
'''„Homo Homini Deus!“ (der Mensch ist des Menschen Gott)'''</br>


Marx kritisiert jedoch einen wesentlichen Mangel an Feuerbachs Religionskritik: Feuerbach tue so, als ob jeder Mensch als Individuum oder als abstraktes Wesen seine Religion produziere, wohingegen der Mensch –&nbsp;so Marx&nbsp;– vor allem als konkret-praktisches und damit schon immer vergesellschaftetes (gesellschaftliches) Wesen zu begreifen sei:
Die Erklärung der Religion hat also – nach Feuerbach – vom Menschen auszugehen, sie aus ihm herzuleiten und sie wieder auf ihn zu beziehen:
{{Zitat
''der Mensch ist der Anfang der Religion, der Mensch der Mittelpunkt der Religion, der Mensch das Ende der Religion'' (''Das Wesen des Christentums'', Teil I)
|Text=Feuerbach löst das religiöse Wesen in das ''menschliche'' Wesen auf. Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum inwohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.
|Quelle=Thesen über Feuerbach, These 6
|ref=<ref name="FeuerbachThesen" />}}


Und genau deswegen spiegele Religion auch nicht irgendwelche abstrakten, individuellen Bedürfnisse, sondern konkrete gesellschaftliche Bedürfnisse der Menschen wider.
'''Marx' Kritik an Feuerbach als Radikalisierung seiner Religionskritik'''


Neben dieser Theorie der ''vergesellschafteten Religiosität'' kritisiert Marx an Feuerbach, dass es mit der neuen anthropozentrischen Interpretation von Religion noch nicht getan sei:
[[Bild:Karl_Marx.jpg|thumb|[[Karl Marx]]]]
{{Zitat
|Text=Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern.
|Quelle=These 11
|ref=<ref name="FeuerbachThesen" />}}<!-- Für Zitate gilt nach [[WP:Zitate]]: „Ein wörtliches Zitat muss genau sein. Es ist nicht gestattet, den Text zu korrigieren, an die heutige Rechtschreibung anzupassen oder Verbformen zu beugen usw.“-->


Diese These soll besagen, dass unter dem Blickwinkel der Praxis –&nbsp;und dies ist nach Marx die „gegenständliche Tätigkeit“ (=&nbsp;[[Arbeit (Philosophie)#Philosophie der Arbeit ab Mitte des 19. Jahrhunderts|Arbeit]] als verändernde Aneignung von Natur)&nbsp;– Feuerbachs Theorie die Welt nur noch einmal in eine religiöse Welt verdoppelt und damit Religion zwar erklärt, jedoch nicht fragt, was dies praktisch für die gläubigen Menschen und die gesellschaftlichen Verhältnisse bedeutet. Und genau hier besitzt Religion gemäß Marx ihre praktische Aufgabe: Sie verhindere verändernde Praxis, weil sie die Menschen mit der Idee eines vom Erdenreich abgelösten und unabhängigen, vollkommenen [[Reich Gottes|Himmelreichs]] vertröste und umneble. Darauf bezieht sich auch Marxens Schlachtruf, wonach Religion „das [[Opium des Volkes]]“<ref name="KriHeRePhi" /> sei. (in: ''Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie'').
Kurzdarstellung:</br>
[[Karl Marx|Marx]] übernimmt die Projektionstheorie Feuerbachs. Auch für ihn ist die Welt der Religion keine ontologische Kategorie, sondern gehört in den Bereich menschlicher Tätigkeiten. Auch für ihn reflektiert Religion ein Bedürfnis, und auch für ihn ist Religion die Widerspiegelung einer Wirklichkeit und nichts Transzendentes.</br>
1.) Marx kritisiert erstens jedoch einen wesentlichen Mangel an Feuerbachs Religionskritik: Feuerbach tue so, als ob jeder Mensch als Individuum oder als abstraktes Wesen seine Religion produziere, wohingegen der Mensch – so Marx – vor allem als konkret-praktisches und damit schon immer vergesellschaftetes (gesellschaftliches) Wesen zu begreifen sei.</br>
''Feuerbach löst das religiöse Wesen in das menschliche Wesen auf. Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.''
(Thesen über Feuerbach, These 6)</br>
Und genau deswegen spiegele Religion auch nicht irgendwelche abstrakten, individuellen Bedürfnisse, sondern konkrete gesellschaftliche Bedürfnisse der Menschen wider.</br>
2.) Neben dieser Theorie der ''vergesellschafteten Religiosität'' kritisiert Marx zweitens an Feuerbach, dass es mit der neuen anthropozentrischen Interpretation von Religion noch nicht getan sei: </br>
''Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern.'' (These 11)</br>
Diese – immer wieder zitierte und leider meist falsch verstandene – These soll besagen, dass unter dem Blickwinkel der Praxis – und dies ist nach Marx die „gegenständliche Tätigkeit“ (= Arbeit als verändernde Aneignung von Natur) – Feuerbachs Theorie die Welt nur noch einmal in eine religiöse Welt verdoppelt und damit Religion zwar '''erklärt''', jedoch '''nicht''' fragt, was dies praktisch für die gläubigen Menschen und die gesellschaftlichen Verhältnisse bedeutet. Und genau hier besitzt Religion gemäß Marx ihre praktische Aufgabe: Sie verhindere verändernde Praxis, weil sie die Menschen mit der Idee eines vom Erdenreich abgelösten und unabhängigen, vollkommenem Himmelreichs vertröste und umneble. Darauf bezieht sich auch Marxens Schlachtruf, wonach Religion „Opium des Volkes“ sei (in: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie).


'''Marx’ Entfremdungstheorie als Religionskritik'''
<!-- vorerst auskommentiert, da Bruchstücke in exzellentem Artikel Fehl am Platz
Folgende Absätze werden noch überarbeitet:
Ausgangspunkt ist hier die Theorie der Selbst[[entfremdung]]: Als "Entfremdung" bezeichnet man allgemein Prozess und Ergebnis des Verlusts des Einflusses und der Verfügungsgewalt des Menschen auf und über all jenes, was einst durch ihn selbst bewirkt und ihm damit in unmittelbarar Anschauung vertraut war, welches ihm aber schließlich als etwas Unabhängiges, Fremdes gegenübertritt. Ein von seiner Arbeit entfremdeter Lohnarbeiter besitzt - nach Marx - keinen Einfluss mehr auf das Endprodukt und den Arbeitsprozess, obwohl er sich andauernd darin befindet. Deswegen treten ihm der Arbeitsprozess wie das Arbeitsprodukt als etwas Fremdes gegenüber (siehe Marx: Frühschriften). In der religiösen Selbstentfremdung nun erlebt der Mensch seine Bedürnisse einmal als erfüllbare und erfüllte Dinge, andererseits aber auch als prinzipiell oder manchmal unerfüllbar/unerfüllt. Die Religion wird gegenüber dem Menschen nach und nach zu etwas Selbständigem, Unabhängigem und ihm Fremdem. Und genau dies ist mit der religiösen Selbstentfremdung gemeint: In der Religion verselbständigen sich die unerfüllten Bedürfnisse, indem letztere ein Eigenleben führen.


Marxens Ideologiekritik: In der Religion würden sich nicht nur unerfüllte abstrakte Bedürfnisse, sondern das konkrete, sich durch die gesamte menschliche Geschichte ziehende gesellschaftliche Elend und Unrecht widerspiegeln. Dies täten sie jedoch in verzerrter Form: Diese Verzerrung bestehe zum einen in einer Verkehrung/Verdrehung wirklicher Verhältnisse (Gott der Allgerechte, Allmächtige und Allgütige in einer Welt ungleicher Verteilung von Macht, Gütern und Liebe) und zum anderen in einer völligen Abstrahierung vom alltäglichen Lebensvollzug, die dazu führe, dass die Menschen sich in eine "Nebelregion" flüchteten.
Nach Marx’ [[Ideologiekritik]] spiegeln sich in der Religion nicht nur unerfüllte abstrakte Bedürfnisse wider, sondern auch das konkrete, durch die gesamte menschliche Geschichte ziehende, gesellschaftliche Elend und Unrecht. Dies täten sie jedoch in verzerrter Form: Diese Verzerrung bestehe zum einen in einer Verkehrung oder Verdrehung wirklicher Verhältnisse und zum anderen in einer völligen Abstrahierung vom alltäglichen Lebensvollzug, die dazu führe, dass die Menschen sich in eine „Nebelregion“ flüchteten. So steht beispielsweise Gott als der Allgerechte, Allmächtige und Allgütige einer Welt ungleicher Verteilung von Macht, Gütern und Liebe gegenüber.

//-->
Ausgangspunkt für Marx’ Kritik ist die Theorie der Selbst[[entfremdung]]: Als „Entfremdung“ bezeichnet man allgemein Prozess und Ergebnis des Verlusts des Einflusses und der Verfügungsgewalt des Menschen auf und über all jenes, was einst durch ihn selbst bewirkt und ihm damit in unmittelbarer Anschauung vertraut war, welches ihm aber schließlich als etwas Unabhängiges, Fremdes gegenübertritt. So besitzt ein von seiner Arbeit entfremdeter Lohnarbeiter – nach Marx – keinen Einfluss mehr auf das Arbeitsprodukt und den Arbeitsprozess, obwohl er sich andauernd darin befindet. Deswegen treten ihm der Arbeitsprozess wie das Arbeitsprodukt als etwas Fremdes gegenüber (siehe Marx: Frühschriften). In der religiösen Selbstentfremdung nun erlebe der Mensch seine Bedürfnisse einmal als erfüllbare und erfüllte Dinge, andererseits aber auch als prinzipiell oder manchmal unerfüllbar oder unerfüllt. Die Religion wird gegenüber dem Menschen nach und nach zu etwas Selbständigem, Unabhängigem und ihm Fremdem. Dies ist mit der religiösen Selbstentfremdung gemeint: In der Religion verselbstständigen sich die unerfüllten Bedürfnisse, indem Letztere ein Eigenleben führen.


==== Friedrich Nietzsche ====
==== Friedrich Nietzsche ====
'''Atheismus als Instinkt – „Gott ist eine faustgrobe Antwort“'''
[[Bild:nietzsche1.jpg|thumb|200px|right|[[Friedrich Nietzsche]]]]


[[Friedrich Nietzsche]] (1844–1900) wird oft als ''der Atheist'' schlechthin gesehen, was insbesondere an markanten Zitaten wie ''„[[Friedrich_Nietzsche#.E2.80.9EGott_ist_tot.E2.80.9C|Gott ist tot]]“'' festzumachen ist. Auch bezeichnete Nietzsche Gott als ''„eine viel zu extreme Hypothese“'' (Fragment „Der europäische [[Nihilismus]]“ (KSA 12, 5[71]). Die christliche Gottesvorstellung hielt er für widerlegt und überholt.
[[Friedrich Nietzsche]] (1844–1900), Sohn eines evangelischen Pfarrers und christlich erzogen, nannte Gott „eine viel zu extreme Hypothese“.<ref>Friedrich Nietzsche: nachgelassenes Fragment „Der europäische Nihilismus“, [[Nietzsche-Ausgabe#Literatur|KSA]] 12, 5 [71], S. 212.</ref> Die christliche Gottesvorstellung hielt er für widerlegt und überholt („[[Friedrich Nietzsche#„Gott ist tot“ – Der europäische Nihilismus|Gott ist tot]]“). Daran, dass Nietzsche selbst an keinen metaphysischen Gott glaubte, besteht kaum ein Zweifel:
[[Datei:Nietzsche187a.jpg|mini|[[Friedrich Nietzsche]] (1875)]]
Insgesamt hat Nietzsche die Kritik an der (christlichen) [[Moral]] seiner Zeit priorisiert, er sah die „christliche Sklavenmoral“ als hinderlich für die Erhebung des Menschen zu neuer Größe an. Diese Kritik der christlichen Moral ist zwar charakterisiert von zahlreichen polemischen und invektiven Äußerungen Nietzsches ("Was war bisher der größte Einwand gegen das Leben - Gott"), zeigt sich aber auch vor allem in einer historisch-wissenschaftlichen ([[Genealogie der Moral]]) und philosophischen Auseinandersetzung mit Begriff und Zweck von Moral (v.a. [[Morgenröte]] und [[Fröhliche Wissenschaft]]). Für Nietzsches Atheismus ist kennzeichnend, dass er sich eben nicht gegen die Verneinung höherer Werte stellt, sondern gegen die Werte der christlichen Moral und letztlich gegen jede Moral, die die Instinktgewissheit, welche sich im biologischen Trieb zu einer nie enden wollenden Selbstüberwindung des Menschen zeigt ("Wille zur Macht"), und somit die Menschheit in ihrer "Unschuld des Werdens" hemmt und somit zum Leben "Nein" sagt. Nietzsches Ansicht nach galt das aber bis zu einem gewissen Grade für alle bisherigen Philosophien, Religionen und Künste - obwohl diese eindeutig "Instrumente im Dienste des wachsenden Lebens" sind und sein müssen.
{{Zitat
Nietzsche bezeichnet sich folglich als den "ersten Ammoralisten" ([[Ecce Homo]]) und bezeichnet damit eine Haltung des bewussten Verzichts auf eine Rückbindung an eine metaphysische Ordnung und Wahrheit. In [[Also sprach Zarathustra]] versucht er im bewussten Anklang an den Stil der Bibel, diese "frohe Botschaft" vom Übermenschen (also einer Moral, die im Dienste des Lebens steht) zu konkretisieren.
|Text=Ich kenne den Atheismus durchaus nicht als Ergebniss, noch weniger als Ereigniss: er versteht sich bei mir aus Instinkt. Ich bin zu neugierig, zu ''fragwürdig'', zu übermüthig, um mir eine faustgrobe Antwort gefallen zu lassen. Gott ist eine faustgrobe Antwort, eine Undelicatesse gegen uns Denker –, im Grunde sogar bloss ein faustgrobes ''Verbot'' an uns: ihr sollt nicht denken!
|ref=<ref>[[Ecce homo (Nietzsche)|Ecce homo]], Warum ich so klug bin, 1. Abschnitt, [[Nietzsche-Ausgabe#Literatur|KSA]] 6, S.&nbsp;278&nbsp;f.</ref>}}


Dies ist allerdings nicht der Schwerpunkt seiner Argumentation. Nietzsches Atheismus ist vielmehr Voraussetzung einer radikalen Kritik an der (christlichen) [[Moral]]. Er sah eine solche „[[Sklavenmoral]]“ als hinderlich für die Erhebung des Menschen zu neuer Größe an. Diese Kritik der christlichen Moral ist zwar charakterisiert von zahlreichen polemischen und invektiven Äußerungen Nietzsches („was war der grösste Einwand gegen das Dasein bisher? ''Gott'' […]“<ref>Friedrich Nietzsche: ''Ecce homo.'' Warum ich so klug bin, 3. Abschnitt (KSA 6, S. 286)</ref>), zeigt sich aber vor allem in einer historisch-wissenschaftlichen ''([[Zur Genealogie der Moral]])'' und philosophischen Auseinandersetzung mit Begriff und Zweck von Moral (v.&nbsp;a. ''[[Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile]]'' und ''[[Die fröhliche Wissenschaft]]''). Für Nietzsches Atheismus ist kennzeichnend, dass er sich nicht generell gegen das Postulat höherer Werte stellt, sondern zunächst nur gegen jene der christlichen Moral, schließlich aber gegen die Werte jeder Moral, sofern sie die Instinktgewissheit und den biologisch angelegten „Willen zur Macht“ schwächen. Nietzsche wendet sich also gegen jede Moral, die zum Leben „Nein“ sagt. Das aber war seiner Ansicht nach bei den Morallehren aller bisherigen Philosophien und Religionen in mehr oder weniger großem Umfang der Fall – obwohl diese „Instrumente im Dienste des wachsenden Lebens“ sein sollten.
"Das psychologische Problem im Typus des Zarathustra ist, wie der, welcher in einem unerhörten Grade Nein sagt, Nein thut,
;Nein zum Ja-und-Amen-Sagen – „Umwertung aller Werte“
zu Allem, wozu man bisher Ja sagte, trotzdem der Gegensatz eines neinsagenden Geistes sein kann; wie der das Schwerste von
Nietzsche bezeichnete sich folglich als den „ersten Immoralisten“ und bezeichnet damit eine Haltung des bewussten Verzichts auf eine Rückbindung an eine metaphysische Ordnung und Wahrheit.<ref>So mehrfach in ''Ecce homo'': KSA 6, S. 319, 328, 366&nbsp;f. und 370.</ref> In ''[[Also sprach Zarathustra]]'' versuchte er im bewussten Anklang an den Stil der Bibel, die „frohe Botschaft“ vom „[[Übermensch]]en“ (also einer Moral, die im Dienste des Lebens steht) zu konkretisieren.
Schicksal, ein Verhängniss von Aufgabe tragende Geist trotzdem der leichteste und jenseitigste sein kann - Zarathustra ist ein
Tänzer -; wie der, welcher die härteste, die furchtbarste Einsicht in die Realität hat, welcher den "abgründlichsten Gedanken"
gedacht hat, trotzdem darin keinen Einwand gegen das Dasein, selbst nicht gegen dessen ewige Wiederkunft findet, - vielmehr
einen Grund noch hinzu, das ewige Ja zu allen Dingen selbst zu sein, "das ungeheure unbegrenzte Ja- und Amen-sagen" " (aus [[Ecce Homo]])


{{Zitat
Man versteht Nietzsche schlecht, wenn man in seinem Atheismus bloß einen nihilistischen Trieb zur Entwertung der Kultur sieht. Nietzsche kritisiert zwar die Moral und versteckt seine Abneigung vor den christlichen Idealen nicht - jedoch ist dieses System der Abwertung eingebunden in sein Programm der Umwertung der Werte, die letztlich dem Ziel dient neue Werte zu schaffen. Der Typus Zarathustra ist so etwas wie der erste Prophet dieser neuen "ja-sagenden Moral", die im Dienste des Lebens steht ansatt es in seiner freien Entfaltung zu hindern.
|Text=Das psychologische Problem im Typus des Zarathustra ist, wie der, welcher in einem unerhörten Grade Nein sagt, Nein ''thut'', zu Allem, wozu man bisher Ja sagte, trotzdem der Gegensatz eines neinsagenden Geistes sein kann; wie der das Schwerste von Schicksal, ein Verhängniss von Aufgabe tragende Geist trotzdem der leichteste und jenseitigste sein kann – Zarathustra ist ein Tänzer -; wie der, welcher die härteste, die furchtbarste Einsicht in die Realität hat, welcher den ‚abgründlichsten Gedanken‘ gedacht hat, trotzdem darin keinen Einwand gegen das Dasein, selbst nicht gegen dessen [[ewige Wiederkunft]] findet, – vielmehr einen Grund noch hinzu, das ewige Ja zu allen Dingen ''selbst zu sein'', ‚das ungeheure unbegrenzte Ja- und Amen-sagen‘.
|ref=<ref>Ecce homo, Also sprach Zarathustra, 6. Abschnitt: KSA 6, S. 344&nbsp;f.</ref>}}


In Nietzsches Atheismus ist nicht bloß ein [[Nihilismus|nihilistischer]] Trieb zur Entwertung der Kultur zu sehen, nach Nietzsches eigener Auffassung sogar gerade das Gegenteil. Nietzsche kritisiert zwar die Moral und versteckt seine Abneigung gegen die christlichen Ideale nicht, jedoch wollte er diese Abwertung in sein Programm der „[[Umwertung aller Werte]]“ einbinden, die letztlich dem Ziel dient, neue Werte zu schaffen. Der Typus Zarathustra sollte so etwas wie der erste Prophet dieser neuen „ja-sagenden Moral“ sein, die im Dienste des Lebens steht, anstatt es in seiner freien Entfaltung zu hindern.
==== Sigmund Freud ====
Sowohl [[Sigmund Freud]] (1856–1939) als auch andere [[Psychoanalyse|Psychoanalytiker]] versuchten in einer naturgeschichtlichen Deutung die Entstehung von Religionen (und vieler anderer Erscheinungen) als die Erfüllung unbewusster, auch unterdrückter Wünsche des Menschen zu erklären. Als Beleg dienten Freud die Ähnlichkeiten zwischen kultisch-religiösen Handlungen und den Handlungsabläufen [[Neurose|neurotischer]] Besessenheit. In seinem Buch {{lit|''Totem und Tabu''}} kommt er zu der Schlussfolgerung: ''Illusionen, Erfüllungen der ältesten und stärksten, dringendsten Wünsche der Menschheit'' seien eben die Religionsvorstellungen. Die Herleitungen, in denen sowohl die [[Charles Darwin|Darwinsche]] ''Urhorde'' als auch der [[Ödipuskomplex]] herangezogen werden, gelten als spekulativ. In einer verallgemeinerten Form, nämlich dass Religionen sehr wohl vorgeben, starke bewusste wie auch unbewusste Wünsche und Sehnsüchte der Menschen zu erfüllen, gilt Freuds These als unbestritten. Wenn Freuds Schlussfolgerungen auch nicht direkt den Theismus widerlegen, bieten sie doch gewisse Ansatzpunkte, religiöse Phänomene durch psychische Vorgänge zu erklären und die Notwendigkeit der Annahme übernatürlicher Kräfte zu verneinen.


;Nein zum Götterglauben – „Selbstbesinnung der Menschheit“
==== Existenzialistischer Atheismus ====
Nietzsches Atheismus ist also ein notwendiges Zwischenprodukt, das im Prozess der „Umwertung der Werte“ den Boden für eine „Selbstbesinnung der Menschheit“<ref>''Ecce homo.'' Warum ich ein Schicksal bin, 1. Abschnitt (KSA 6, S. 365).</ref> bereiten soll, die letztlich in eine bejahende, lebensfrohe Moral mündet. Atheismus bedeutet hier die Ablehnung von metaphysischer Ordnung und die Verneinung des damit verbundenen Gottglaubens. Dabei gesteht Nietzsche einigen Arten des Götterglaubens – ohne sie für „wahr“ zu halten – durchaus eine nützliche oder ästhetisch ansprechende Funktion zu. In ''[[Der Antichrist]]'' beschreibt er etwa einen „gesunden“, schadlosen Götterglauben folgendermaßen:


{{Zitat
Einen existenzialistischen Atheismus im eigentlichen Sinne gibt es nicht, da der [[Existenzialismus]] kein geschlossenes Lehrgebäude darstellt und unter diesem Begriff sehr disparate weltanschauliche, philosophische, ja auch theologische Konzepte versammelt werden. Sie reichen von [[Max Stirner|Stirner]] über [[Arthur Schopenhauer|Schopenhauer]], [[Søren Kierkegaard|Kierkegaard]], [[Martin Heidegger|Heidegger]], [[Albert Camus|Camus]] bis [[Jean-Paul Sartre|Sartre]] und [[Karl Jaspers|Jaspers]].
|Text=Ein Volk, das noch an sich selbst glaubt, hat auch noch seinen eignen Gott. In ihm verehrt es die Bedingungen, durch die es obenauf ist, seine Tugenden, – es projicirt seine Lust an sich, sein Machtgefühl in ein Wesen, dem man dafür danken kann. Wer reich ist, will abgeben; ein stolzes Volk braucht einen Gott, um zu ''opfern'' […] Religion, innerhalb solcher Voraussetzungen, ist eine Form der Dankbarkeit. Man ist für sich selber dankbar: dazu braucht man einen Gott.
|ref=<ref>Der Antichrist, Kapitel 16: KSA 6, S. 182</ref>}}


Folglich ist es auch schlüssig, warum Nietzsche dem (in seinem Sprachgebrauch „nihilistischen“) jüdisch-christlichen Gottesbegriff immer wieder den Begriff eines gewalttätigen [[Dionysos|dionysischen]] Gottes gegenüberstellt. Nicht der Gottesglaube selbst schadet, sondern der Glaube an einen [[Jenseits|jenseitigen]], metaphysischen Gott. Nietzsches Angriffe gegen den verbreiteten Gottesbegriff sind also eingebunden in eine viel weiter reichende Kultur- und [[Religionskritik]] und gehen damit über einen bloßen Atheismus hinaus. Tatsächlich richtet sich Nietzsche an vielen Stellen auch gegen seiner Meinung nach zu simple oder inkonsequente Formen des Atheismus.
Nimmt man als Referenzpunkt den französischen Existenzialismus, so ergibt sich folgende atheistische Auffassung. Der wichtigste existenzialistische Grundsatz Sartres findet sich in seinem bekannten Satz wieder, wonach die (menschliche) Existenz der Essenz (dem Wesen) vorausgehe. Es gibt kein Wesen (hier sowohl personal als Gott verstanden als auch abstrakt als Natur des Menschen), wonach und wodurch der Mensch konzipiert wurde. Da der Mensch zu Beginn „[[Nichts]]“ ist und sich ständig selbst entwirft, bedeute Gott als jemand, der so etwas wie eine menschliche Natur konzipiert hat, eine Beschränkung dieses konstitutiven Selbstentwurfs. Stattdessen ist nach Auffassung der Existenzialisten der Mensch von Beginn an zur absoluten [[Freiheit]] verdammt. Für die Neoexistenzialisten der Sartre-Schule ist Gott zunächst also das, was die absolute Freiheit des Menschen beschränkt.


=== 20. und 21. Jahrhundert ===
„Wenn Gott nicht existierte, wäre alles erlaubt“, schreibt [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski|Dostojewski]], und ganz existenzialistisch könnte man hinzusetzen: „Und weil er nicht existiert, ist der Mensch zur Verantwortung verdammt“. Wie ist das zu verstehen? Wenn Gott existierte, gäbe es etwas, was der menschlichen Existenz vorausginge, auf das er sich als Grund seines Handelns berufen könnte. Fällt dieser Grund weg, ist der Mensch absolut verlassen und muss die Gründe seines Handelns vollständig aus sich selbst schöpfen. Erst jetzt, wo prinzipiell alles erlaubt ist, ist er als Individuum voll verantwortlich für sein Handeln. Für Neoexistenzialisten ermöglicht erst eine Welt (genauer: eine Existenz) ohne Gott die wahre Verantwortung des Menschen.
==== Psychoanalyse ====
[[Datei:Sigmund Freud, by Max Halberstadt (cropped).jpg|mini|[[Sigmund Freud]] (1921) ]]
[[Sigmund Freud]], der Begründer der [[Psychoanalyse]], hat mehrmals in einer naturgeschichtlichen Deutung die Entstehung von Religionen (und vieler anderer Erscheinungen) als die Erfüllung unbewusster, auch unterdrückter Wünsche des Menschen zu erklären versucht. Als Grundlage dienten Freud die Ähnlichkeiten zwischen kultisch-religiösen Handlungen und den Handlungsabläufen [[Neurose|neurotischer]] Besessenheit. In seinem Buch ''[[Totem und Tabu]]'' (1913) kommt er zu der Schlussfolgerung: {{" |Illusionen, Erfüllungen der ältesten und stärksten, dringendsten Wünsche der Menschheit}} seien eben die Religionsvorstellungen. Die Herleitungen, in denen sowohl die [[Charles Darwin|darwinsche]] „Urhorde“ als auch der [[Ödipuskomplex]] herangezogen werden, gelten als spekulativ. In einer verallgemeinerten Form, nämlich dass Religionen sehr wohl vorgeben, starke bewusste wie auch unbewusste Wünsche und Sehnsüchte der Menschen zu erfüllen, gilt Freuds These als unbestritten. Freuds einschlägige Monographie zum Thema ist ''[[Die Zukunft einer Illusion]]'' (1927).


Nach Freud bieten die Eltern dem Kind unverzichtbaren Schutz und ein moralisches Gerüst für die Orientierung. Aus Sicht des Kindes sind die Eltern in der Lage, Übermenschliches zu leisten. Mit zunehmendem Alter des Kindes erkennt es, dass auch die Eltern nicht immer Schutz und Rat bieten können. So überträgt das Kind die den Eltern zugeschriebenen Fähigkeiten auf Gott. Anstatt also die Vorstellung aufzugeben, dass man immer geborgen und beraten ist in der Welt ([[Realitätsprinzip]]), wird weiterhin an der Illusion festgehalten. Gott ersetzt die Eltern in ihrer Funktion, Schutz und Moral zu bieten.<ref>Sigmund Freud: ''Vorlesung: Die Zerlegung der psychischen Persönlichkeit.''</ref>
Die neoexistenzialistische Auffassung (Sartre, Camus) übernimmt Heideggers Daseinsbegriff ([[Sein und Zeit]]) für die Existenz. Demnach seien drei Dinge für die menschliche Existenz charakteristisch: Die Geworfenheit, der Entwurf und die Verfallenheit. Wesentlich für die atheistische Grundhaltung der Neoexistenzialisten ist die Geworfenheit: Der Mensch ist kein Abbild einer Idee oder eines Vorbilds oder Bauplans, sondern er wird als [[tabula rasa]] auf die Welt geworfen.


Wenn Freuds Schlussfolgerungen auch nicht direkt den Theismus widerlegen, bieten sie doch gewisse Ansatzpunkte, religiöse Phänomene durch psychische Vorgänge zu erklären und die Notwendigkeit der Annahme übernatürlicher Kräfte zu verneinen.
Im Atheismuskonzept des Neoexistenzialismus geht es nicht allein um die Zurückweisung eines personalen Gottes, dem die Menschen sich zu verantworten haben, sondern auch aller Konzepte, die als Theorien der ''Natur des Menschen'' auftreten: Sei es die Gesellschaft (der Mensch als soziales Wesen), sei es die Ökonomie (der homo oeconomicus) oder seien es anthropologische Konzepte (der Mensch als des Menschen Wolf, als Egoist) – alle werden sie vom Existenzialismus zurückgewiesen mit dem Verweis, sie leisteten nur die Ent-Verantwortung des Menschen, weil dieser damit auf ihm äußerliche, sachliche Zwänge hinweisen könne. Damit kann der Existenzialistische Atheismus auch als Versuch verstanden werden, gegen die angeblichen Sachzwänge moderner Gesellschaften aufzubegehren (was die Neoexistenzialisten, vor allem Sartre, im Verlauf der Studentenrevolten 1968 in Frankreich auch taten).


==== Analytische Philosophie ====
==== Existenzialismus ====
Einen existenzialistischen Atheismus im eigentlichen Sinne gibt es nicht, da der [[Existenzialismus]] kein geschlossenes Lehrgebäude darstellt und unter diesem Begriff sehr disparate weltanschauliche, philosophische, ja auch theologische Konzepte versammelt werden. Sie reichen von [[Max Stirner|Stirner]] über [[Arthur Schopenhauer|Schopenhauer]], [[Søren Kierkegaard|Kierkegaard]], [[Martin Heidegger|Heidegger]], [[Albert Camus|Camus]] bis [[Jean-Paul Sartre|Sartre]] und [[Karl Jaspers|Jaspers]].
In der im 20. Jahrhundert entwickelten [[Analytische Philosophie|Analytischen Philosophie]] wurden Fragen nach der Existenz oder Nichtexistenz von Göttern sowie [[Metaphysik|metaphysische]] Fragen anfänglich als unsinnig, nicht behandelbar oder gar als irrelevant angesehen. Die zeitgenössische Analytische Philosophie beschäftigt sich indessen wieder ausführlich mit metaphysischen und gar speziell religionsphilosophischen Themen. Die Vertreter des positiven Atheismus glauben – im Gegensatz zu den Befürwortern des nur negativen Atheismus – nicht nur nicht, dass ein oder mehrere Götter existieren, sondern überdies, dass kein Gott existiert; diese These stützt sich als rationale Überzeugung auf eine Reihe atheologischer Argumente, die jeweils in die Schlussfolgerung der Nichtexistenz von Göttern münden. Anders gesagt reicht es für die Vertreter des negativen Atheismus aus, wenn keine Beweise für die Existenz eines Gottes existieren oder propagierte Beweise widerlegt werden können, während die positiven Atheisten mit Hilfe der formalen Logik aktiv die Möglichkeit der Existenz Gottes auszuschließen versuchen. ''Wenn'' sich beispielsweise zeigen lässt, dass die dem Gott der drei monotheistischen Weltreligionen zugeschriebenen Eigenschaften semantisch widersinnig oder logisch widersprüchlich sind, ''dann'' kann es jenen Gott nicht geben, da logisch Unmögliches nicht wirklich sein kann. Der entscheidende Punkt ist nämlich, dass man zwar in [[Modallogik|modallogisch]] gültiger Weise von bloßer logischer Unmöglichkeit auf Unwirklichkeit schließen kann (''z.B.: Wenn es unmöglich ist, dass es regnet, dann regnet es auch nicht.''), aber nicht von bloßer logischer Möglichkeit auf Wirklichkeit (''z.B.: Wenn es möglich ist, dass es regnet, dann heißt dies nicht unbedingt, dass es regnet.'').


Nimmt man als Referenzpunkt den Existenzialismus sartrescher Prägung, so ergibt sich folgende atheistische Auffassung: Der wichtigste existenzialistische Grundsatz Sartres findet sich in seinem bekannten Satz wieder, wonach die (menschliche) Existenz der Essenz (dem Wesen) vorausgehe. Es gibt kein Wesen (hier sowohl personal als Gott verstanden als auch abstrakt als Natur des Menschen), wonach und wodurch der Mensch konzipiert wurde. Da der Mensch zu Beginn „[[Nichts]]“ ist und sich ständig selbst entwirft, bedeute Gott also jemand, der so etwas wie eine menschliche Natur konzipiert hat, eine Beschränkung dieses konstitutiven Selbstentwurfs. Stattdessen ist nach Auffassung der Existenzialisten der Mensch von Beginn an zur absoluten [[Freiheit]] verdammt. Für die Neoexistenzialisten der Sartre-Schule ist Gott zunächst also das, was die absolute Freiheit des Menschen beschränkt.
Die oft zu lesende Behauptung, man könne die Existenz von Göttern prinzipiell nicht rational behandeln, wird in der heutigen analytischen Philosophie nicht mehr uneingeschränkt vertreten. Demnach wäre der Versuch, die Möglichkeit der Existenz von Göttern rein [[a priori|apriorisch]] auszuschließen, nur dann definitiv zum Scheitern verurteilt, wenn es gelänge, eine konsistente und kongruente Charakterisierung des göttlichen Wesens darzulegen.


„Wenn Gott nicht existierte, wäre alles erlaubt“, schrieb [[Fjodor Michailowitsch Dostojewski|Dostojewski]]. Aus existenzialistischer Perspektive würde man hinzusetzen: „Und weil er nicht existiert, ist der Mensch zur Verantwortung verdammt.“ Wie ist das zu verstehen? Wenn Gott existierte, gäbe es etwas, was der menschlichen Existenz vorausginge, auf das er sich als Grund seines Handelns berufen könnte. Fällt dieser Grund weg, ist der Mensch absolut verlassen und muss die Gründe seines Handelns vollständig aus sich selbst schöpfen. Erst jetzt, wenn prinzipiell alles erlaubt ist, ist er nach neoexistenzialistischer Sichtweise als Individuum voll verantwortlich für sein Handeln. Für Neoexistenzialisten ermöglicht erst eine Welt (genauer: eine Existenz) ohne Gott die wahre Verantwortung des Menschen.
Es wurde auch der Versuch unternommen, die Existenz eines Gottes zu widerlegen, indem zwischen empirischen Aussagen über die Welt und den dem jeweiligen Gott zugeschriebenen Eigenschaften Widersprüche aufgezeigt wurden. So griff beispielsweise [[J. L. Mackie]] das Theodizee-Problem im Rahmen der Analytischen Philosophie auf und schlussfolgerte, dass die Existenz eine Gottes zwar nicht ganz auszuschließen, aber doch wenigstens sehr unwahrscheinlich sei. Beim Theodizee-Problem geht es um den semantischen Widerspruch zwischen dem Übel in der Welt einerseits und Eigenschaften des Wesens Gottes, speziell seiner [[Allmacht]], [[Allwissenheit]] und Allgüte andererseits. Das Problem wurde bereits vor mehr als 2000 Jahren erkannt und formuliert, es gilt als starkes atheistisches Argument. Einige durch den Theismus vorgebrachte Lösungen verweisen insbesondere auf die Notwendigkeit der Unterscheidung von Übel und Bösem sowie die entscheidende Bedeutung der geschöpflichen Freiheit, deren Auswirkungen auch über Generationen hinweg reichten. Außerdem verweist der Theismus darauf, dass das irdische Leben zwar ein sehr hohes, aber eben nicht das höchste Gut des Menschen sei.


Die neoexistenzialistische Auffassung (Sartre, Camus) übernimmt Heideggers Daseinsbegriff ([[Sein und Zeit]]) für die Existenz. Demnach seien drei Dinge für die menschliche Existenz charakteristisch: die Geworfenheit, der Entwurf und die Verfallenheit. Wesentlich für die atheistische Grundhaltung der Neoexistenzialisten ist die Geworfenheit: Der Mensch ist kein Abbild einer Idee oder eines Vorbilds oder Bauplans, sondern er wird als [[tabula rasa]] in die Welt geworfen.
==Atheismus in verschiedenen Erscheinungsformen==
Heute stellt sich im westlichen Kulturkreis der Atheismus in einer Vielzahl von Ausrichtungen dar: Beispielsweise sind die [[Freidenker|Freidenkerbewegung]], der [[Humanismus]] und der Existenzialismus eng mit dem Atheismus verbunden.


Im Atheismuskonzept des Neoexistenzialismus geht es nicht allein um die Zurückweisung eines personalen Gottes, dem die Menschen sich zu verantworten haben, sondern auch um alle Konzepte, die als Theorien der „Natur des Menschen“ auftreten: Sei es die Gesellschaft (der Mensch als soziales Wesen), sei es die Ökonomie (der homo oeconomicus) oder seien es anthropologische Konzepte (der Mensch als des Menschen Wolf, als Egoist)&nbsp;– alle werden sie vom Existenzialismus zurückgewiesen mit dem Verweis, sie leisteten nur die Ent-Verantwortung des Menschen, weil dieser damit auf ihm äußerliche, sachliche Zwänge hinweisen könne. Damit kann der existenzialistische Atheismus auch als Versuch verstanden werden, gegen die Zwänge moderner Gesellschaften aufzubegehren, was die Neoexistenzialisten, vor allem Sartre, im Verlauf der Studentenrevolten 1968 in Frankreich auch taten.
[[Sozialismus]], [[Kommunismus]] und [[Anarchismus]] sind zum großen Teil atheistisch geprägte Weltanschauungen. Philosophische Erscheinungsformen des Atheismus sind Materialismus und [[Naturalismus (Philosophie)|philosophischer Naturalismus]]. Auch der Nichtglaube infolge von [[Naivität]] kann dem schwachen Atheismus zugerechnet werden. „Naiv“ bezeichnet hierbei Menschen, die noch nie etwas von Gott oder Göttern gehört haben.


=== Atheismus und Politik ===
==== Analytische Philosophie ====
; Logisch-empiristische Metaphysikkritik
Vor der Einführung der Trennung von Kirche und Staat sowie des [[Laizismus]], die vergleichsweise junge Phänomene sind, kamen Atheisten im Lauf der Geschichte immer wieder auch mit den politischen Autoritäten in Konflikt. Auf Atheismus stand in vielen Staaten gar die Todesstrafe. So galt in der Antike die Leugnung der jeweiligen Staatsgötter und die oftmals damit einhergehende Weigerung, ihnen zu opfern, als direkt gegen den Staat gerichteter Akt und wurde dementsprechend geahndet. Selbst heutige Strafgesetzbücher wie etwa das [[Deutschland|deutsche]] enthalten noch einen [[Gotteslästerungsparagraph]]en.
In weiten Teilen der im 20. Jahrhundert entwickelten [[Analytische Philosophie|analytischen Philosophie]] wurden anfänglich Fragen nach der Existenz oder Nichtexistenz von Göttern sowie [[Metaphysik|metaphysische]] Fragen als unsinnig, nicht behandelbar oder irrelevant angesehen. So wurde im Rahmen des [[Logischer Empirismus|Logischen Positivismus]] die Rede über Götter für sinnlos gehalten, weil Sätze, in denen diese Begriffe vorkommen, nicht wahrheitsfähig seien (d.&nbsp;h. überhaupt nicht wahr oder falsch sein ''können''). Dabei wird jedoch nicht behauptet, dass es keine Götter gebe. Vielmehr wird der Satz „Es gibt keine Götter“ ebenfalls als inhaltsleer angesehen – wie überhaupt jeder Satz über Gott oder sonstige metaphysische Objekte „keinen Sinn“ habe, sondern ein „Scheinsatz“ sei (so etwa [[Rudolf Carnap]]).<ref>Etwa in: ''Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache.'' zuerst 1932, u.&nbsp;a. auch in: Ders. (Hrsg. Thomas Mormann): ''Scheinprobleme in der Philosophie und andere metaphysikkritische Schriften'', Meiner, Hamburg 2004, S. 81–110, hier 90.</ref> Nach [[Max Bense]], im deutschen Sprachraum damals einer der profiliertesten Vertreter dieser Position, sage ein Satz wie „Gott ist transzendent“ lediglich „von einem unbestimmten Etwas (x) ein unbestimmtes Prädikat (ist pektabel)“ aus.<ref>In: ''Warum man Atheist sein muß.'' In: Club Voltaire. Jahrbuch für kritische Aufklärung 1 (1963), S. 66–71, hier 68, diverse Nachdrucke.</ref>
Um sich vor Anfeindungen zu schützen, gaben Atheisten daher nicht selten vor, Deisten bzw. Pantheisten zu sein.


; Epistemologische Debatten
Auf der anderen Seite konnte der Atheismus seit dem 20. Jahrhundert zumindest in seiner marxistischen Ausprägung, aber auch selbst zur Staatsdoktrin werden.
Einige Erkenntnistheoretiker sehen bei Existenzfragen stets den in der Beweispflicht, der die Existenz einer Sache behauptet, hier also den Theisten. Solange dieser die Begründungspflicht nicht erbracht habe, sei es rational gerechtfertigt, von einer Nichtexistenz auszugehen, zumal die Erklärung der Welt keine Gotteshypothese erfordere.<ref>Vergleiche etwa [[Norbert Hoerster]]: ''Die Frage nach Gott.'' C. H. Beck, S. 114.</ref> Siehe hierzu ein evidentes Beispiel von Richard Dawkins unter ''3.5.4.2 Neuer Atheismus'' dieses Artikels (s.&nbsp;u.).
In [[Albanien]] wurde 1967 ein totales Religionsverbot ausgerufen, und das Land bezeichnete sich als „erster atheistischer Staat der Welt“. Auch im so genannten [[Ostblock]] wurde der Atheismus befördert, während gelebte Religiosität zumeist zumindest argwöhnisch betrachtet wurde, oft auch mit Nachteilen verbunden war oder gar gezielt verfolgt wurde.


; Widersprüchlichkeit göttlicher Eigenschaften
Eine staatliche atheistische Politik ist hierbei vom Laizismus zu unterscheiden, welcher der Religion neutral, nicht aber feindlich gegenüber steht.
Seit den Anfängen systematisch-theologischer Debatten wird über die Vereinbarkeit göttlicher Eigenschaften wie Allmacht, Allgüte, Gerechtigkeit, Einfachheit, Unendlichkeit usf. gestritten. So auch in der jüngeren analytischen Theologie. Eine typische Beweisführung mit der intendierten Konsequenz der Nichtexistenz Gottes hat dabei die Form eines [[Reductio ad absurdum|Widerspruchsbeweises]] ausgehend von der Existenzannahme und üblichen Eigenschaftsaussagen über Gott. ''Wenn'' die Gott zugeschriebenen Eigenschaften semantisch widersinnig oder logisch widersprüchlich sind (wie etwa im sog. [[Allmachtsparadoxon]]), ''dann'' könne es jenen Gott nicht geben.


; Theodizee
=== Atheismus und Religion ===
Zu den ideengeschichtlich ältesten Argumenten, welche die Nichtexistenz Gottes wegen Inkompatibilitäten angenommener göttlicher Eigenschaften einerseits und empirischen Befundes andererseits nahelegen, gehört die Argumentation, dass Gottes Allmacht und Allgüte nicht mit der apparenten Existenz vermeidbarer Übel kompatibel sei (siehe hierzu ausführlich den Hauptartikel [[Theodizee]])<ref>John Leslie Mackie beispielsweise folgerte daraus, „dass wenigstens eine […] [der] zentralen Aussagen [des Theismus] wesentlich verändert“ werden müsse, um Konsistenz zu erhalten. ''Das Wunder des Theismus. Argumente für und gegen die Existenz Gottes.'', S. 280; (Übers. Rudolf Ginters) (1985) Reclam. Mackies Fazit ist, „dass weitaus mehr gegen die Existenz eines Gottes spricht als dafür.“, S. 402.</ref>.
==== Pantheismus ====
Im pantheistischen (griechisch: Allgottlehre) Gotteskonzept nimmt die [[Alleinheit]] des [[Universum (Astronomie)|Universums]] die Schöpferrolle ein. Gott und Natur sind demnach gewissermaßen identisch. Da es im Pantheismus keinen ''persönlichen'' Gott gibt, wurde und wird der Pantheismus sowohl von Theisten als auch von Atheisten manchmal als ein hinter einer religiösen Sprache versteckter Atheismus betrachtet.


==== Naturwissenschaften ====
Der Pantheismus hingegen betrachtet sich selbst als religionsphilosophische Lehre und rechnet sich nicht zum Atheismus.
===== Stellungnahmen =====
; Naturwissenschaftliche und neurophysiologische Argumente
Atheismus auf der Basis empirischer Überlegungen: Der US-amerikanische Physiker [[Victor Stenger]] ist der Auffassung, dass für die Gotteshypothese nicht nur empirische Belege fehlen, sondern dass sich auch die oftmals Göttern zugeschriebenen Eigenschaften anhand naturwissenschaftlicher Erkenntnisse anfechten lassen. So seien die [[Schöpfung]] von Lebewesen durch die [[Evolution]]stheorie, Körper-Seele-[[Dualismus (Ontologie)|Dualismus]] und Unsterblichkeit durch [[Neurologie]], die Wirkung von Gebeten durch [[Blindstudie|Doppelblindstudien]], die Schöpfung des Universums durch [[Thermodynamik|thermodynamische]] sowie [[quantenphysik]]alische Überlegungen und göttliche [[Offenbarung]]en durch die Geschichtswissenschaft widerlegt worden. Das Universum verhalte sich genau so, wie es in Abwesenheit eines Gottes zu erwarten sei.<ref>Victor J. Stenger: ''God: The Failed Hypothesis: How Science Shows that God does not Exist.'' Prometheus, Amherst 2007.</ref>


Die in vielen [[Kultur]]en beobachteten Vorstellungen von übernatürlichen [[Akteur]]en könnten nach einigen Vertretern (z.&nbsp;B. [[Pascal Boyer]]) auch [[empirisch]]e Rückschlüsse auf zugrunde liegende Verarbeitungsprozesse im menschlichen [[Gehirn]] erlauben. Nach einer aus völkerkundlichen Untersuchungen abgeleiteten Hypothese verarbeitet das Gehirn Sinneseindrücke mit Hilfe verschiedener [[Modul (Kognitionswissenschaften)|Module]].<ref>Pascal Boyer: ''Und Mensch schuf Gott.'' Klett-Cotta, Stuttgart 2004, S. 118 ff. (Übersetzung der amerikanischen Ausgabe: ''Religion Explained. The Evolutionary Origins of Religious Thought.'' Basic Books, New York 2001).</ref> Eines dieser Module sei darauf spezialisiert, Veränderungen in der Umwelt als Werk von Lebewesen zu interpretieren. Ein solches „Lebewesenerkennungsmodul“ sollte überempfindlich arbeiten, da es meist günstiger sei, fälschlich z.&nbsp;B. einen Windhauch als Raubtier zu interpretieren, als ein tatsächlich vorhandenes zu übersehen.<ref>Pascal Boyer: ''Und Mensch schuf Gott.'' Klett-Cotta, Stuttgart 2004, S. 180.</ref> Dadurch könnten in unserem Gehirn aus unklaren Wahrnehmungen leicht Vorstellungen von übernatürlich erscheinenden Akteuren, wie z.&nbsp;B. Göttern oder Geistern, entstehen.
==== Christlicher Atheismus ====
In den 1960ern bildete sich in den USA eine Gruppe von radikalen Theologen, welche unter dem Satz „Gott ist tot“ einen christlichen Atheismus proklamierte. Vertreter dieser Richtung sind der Theologe Thomas J. Altizer (''The Gospel of christian atheism'', 1966), William Hamilton (''Radical Theology and the Death of God'', 1966), Paul van Buren (''The secular meaning of the Gospel'',1963) oder Gabriel Vahanian (''The death of God'', 1961).


===== Neuer Atheismus =====
Der „Tod Gottes“, also die vermeintliche Unmöglichkeit, in der modernen Welt rational an einen Gott zu glauben, sei, so beispielsweise J. Altizer, eine gute Nachricht, da sie den Menschen von einem transzendenten Tyrannen befreit habe. Die säkulare Botschaft der [[Evangelien]] beziehe sich gemäß Paul van Buren allein auf den „Befreier“ [[Jesus von Nazareth]]. Während der Glaube an einen (jenseitigen) Gott abgelehnt wird, steht bei den „christlichen Atheisten“ die [[Ethik|ethisch-moralische]] Botschaft Jesu, die rein auf das Diesseits bezogen wird, im Mittelpunkt.
{{Hauptartikel|Neuer Atheismus}}


Erstmals 2006 wurden einige Autoren, die in den vorangegangenen drei Jahren unter Berufung auf die Naturwissenschaften gegen theistische Glaubensformen argumentierten, als „Neue Atheisten“ bezeichnet.<ref>{{Internetquelle |autor=Gary Wolf |url=http://www.wired.com/wired/archive/14.11/atheism.html |titel=The Church of the Non-Believers |hrsg=[[Wired]] |abruf=2010-03-16}}</ref> Zu ihnen zählen die US-Amerikaner [[Sam Harris]], [[Daniel C. Dennett]] und der Brite [[Richard Dawkins]]. Weiterhin wurden [[Christopher Hitchens]] und [[Victor J. Stenger]] zu den neuen Atheisten gezählt.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/relwiss/forschung/DFG-Projekt_Neo-Atheismus/Linkliste/index.html |titel=Institut für Religionswissenschaft der Freien Universität Berlin: Linkliste zum "Neuen Atheismus" |datum=2012-01-17 |abruf=2023-09-22 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20120117121611/http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/relwiss/forschung/DFG-Projekt_Neo-Atheismus/Linkliste/index.html |archiv-datum=2012-01-17 |offline= |archiv-bot=2024-07-13 03:35:03 InternetArchiveBot }}</ref> Ihre jeweiligen Bücher erzielten hohe Auflagen. Anschließend wurden auch der Franzose [[Michel Onfray]], der Deutsche [[Michael Schmidt-Salomon]] und andere Autoren hinzugezählt, so dass die Bandbreite der so bezeichneten Position zugenommen hat. Richard Dawkins positioniert sich in der [[Epistemologisch|epistemologischen Debatte]] (''3.5.3 Analytische Philosophie'', s.&nbsp;o.) folgendermaßen, dass es irrig sei, dass etliche theistische Vertreter die Beweislast umkehren und von den Skeptikern einfordern, postulierte theologische Dogmen zu widerlegen, ohne selbst die Mühen zu unternehmen, diese zweifelsfrei zu untermauern. Hierzu bedient er sich des von [[Bertrand Russell]] ersonnenen Beispiels einer [[Russells Teekanne|hypothetischen Teekanne]], die zwischen Erde und Mars ihre elliptischen Bahnen ziehe und derart klein sei, dass sie von keinem existenten Teleskop erfasst werden könne.<ref name=":0" /><ref>{{Literatur |Autor=Richard Dawkins |Titel=Der Gotteswahn |Auflage=6. |Verlag=Ullstein |Ort=Berlin |Datum=2007 |ISBN=978-3-550-08688-5 |Seiten=74}}</ref> In jedem Falle liege die Beweislast stets beim Verfechter der Aussage, jedoch kehre sich diese in theologischen Aussagen fälschlicherweise um.
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich auch eine Verknüpfung von Atheismus und Christentum entwickelt, die sich explizit auf das Schweigen Gottes angesichts der Ermordung von Millionen von Juden durch deutsche Nationalsozialisten im sog. [[Holocaust]] bezieht. Die deutsche Theologin [[Dorothee Sölle]] ist die bekannteste Vertreterin dieser Richtung.


Zu den Kritikern des „Neuen Atheismus“ zählen mehrere Theologen, auch moderate Atheisten und andere Autoren, wie etwa [[Alister McGrath]], [[John Lennox]], David Aikman, Tina Beattie, [[David Berlinski]], James A. Beverley, [[Terry Eagleton]]<ref>Terry Eagleton: ''Reason, Faith, and Revolution: Reflections on the God Debate'', 2009, ISBN 978-0-300-15179-4</ref> und Kathleen Jones;<ref>Vergleiche eine [https://web.archive.org/web/20120117121611/http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/relwiss/forschung/DFG-Projekt_Neo-Atheismus/Linkliste/index.html Linkliste im SFB der DFG an der FU Berlin]</ref> in Deutschland z.&nbsp;B. der „fromme Atheist“ [[Herbert Schnädelbach]] (trotz seiner harschen Kritik am Christentum<ref>Herbert Schnädelbach: [http://www.zeit.de/2000/20/200020.christentum_.xml „Der Fluch des Christentums“] ''Die Zeit'' 2000.</ref> erfolgte seine ebenso starke Kritik an den „Neuen Atheisten“ bezüglich einer konfessionell-naturwissenschaftlichen Gläubigkeit<ref>Vergleiche Herbert Schnädelbach: ''Religion in der modernen Welt.'' Frankfurt am Main 2009, S. 53 ff.</ref>) und der „alte Atheist“ [[Joachim Kahl]] (dieser also mit dem direkten Gegenbegriff: „Alter Atheismus“<ref>{{Internetquelle |autor=Joachim Kahl |url=http://www.kahl-marburg.privat.t-online.de/Dawkinskritik.pdf |titel=Weder Gotteswahn noch Atheismuswahn. Eine Kritik des „neuen Atheismus“ aus der Sicht eines Vertreters des „alten Atheismus“, 2008 |format=PDF |abruf=2010-12-18}}</ref>).
Beeinflusst wurden einige Theologen der „Gott-ist-tot-Theologie“ auch durch die religionsphilosophischen Gedanken [[Ernst Bloch]]s im dritten Band seines Hauptwerkes ''Das Prinzip Hoffnung''. 1968 hat Bloch Gedanken daraus zusammengefasst, präzisiert und erweitert in dem Buch ''Atheismus im Christentum'', in dem sich der Satz findet: „Nur ein Atheist kann ein guter Christ sein, gewiss aber auch: nur ein Christ kann ein guter Atheist sein“. Dorothee Sölle veröffentlichte ebenfalls 1968 ein Buch mit einem ganz ähnlichem Titel: ''Atheistisch an Gott glauben''. Atheismus bedeutet bei Ernst Bloch wie auch bei Dorothee Sölle nicht den Verzicht auf Sinnhaftigkeit oder Transzendenz, sondern die Abkehr von einem allzu theistischen Gottesbild, der Vorstellung eines Gottes, der als allmächtiger, allwissender und allgegenwärtiger Gott Not und Leid bis hin zu [[Auschwitz]] zugelassen hat (siehe auch: [[Theodizee-Frage]]).


== Systematische Erfassung ==
=== Atheismus und Wissenschaft ===
Es gibt verschiedene, sich teilweise überschneidende und widersprechende Einordnungen und Systematisierungen des Begriffs „Atheismus“.
In der wissenschaftlichen Erforschung der Welt stellte sich schon frühzeitig ein [[Dilemma]] heraus: Die Theorie, A folgt aus B und B folgt aus nichts, weil B von Gott gemacht wurde, brachte bezüglich B keinen Erkenntnisgewinn. Im Gegenteil, man musste sich neben den Gedanken zu B nun auch noch Gedanken zu Gott machen. Man hatte also de facto eine zusätzliche Unbekannte in der Rechnung. Die Alternativen, den Forschungsprozess abzubrechen und auf weitere Erkenntnisse bezüglich B zu verzichten oder aber die Existenz Gottes in Frage zu stellen, waren je nach historischem Hintergrund beide unangenehm. Die Lösung: Unabhängig von der Religiosität oder Areligiosität der beteiligten Wissenschaftler wird unterstellt, dass die „Gotteshypothese“ kein zulässiges Explanans, d.h. kein legitimer Faktor bei der ursächlichen Erklärung naturwissenschaftlicher Phänomene, sei. Diese forschungspraktische Grundhaltung wird als ''methodologischer'' oder ''pragmatischer'' Atheismus bezeichnet und ist etablierte wissenschaftliche Praxis.


Beispielsweise unterscheidet das vatikanische ''Sekretariat für Nichtglaubende'' diejenigen, die
=== Praktischer Atheismus ===
* von der Existenz Gottes „nichts wissen“;
In den Industrieländern des Westens gehören heutzutage viele Menschen nominell und auch organisatorisch zu den Kirchen („[[Namenschristen]]“), glauben aber weder an die zentralen Glaubensinhalte des Christentums (sofern überhaupt bekannt), noch richten sie ihr Leben danach aus. Sie sind also in ihrer Lebenspraxis Atheisten. In Abgrenzung zum theoretisch-philosophisch reflektierten Atheismus wird diese Lebensweise oft als ''praktischer Atheismus'' bezeichnet.
* sie leugnen;
* daran zweifeln (skeptischer Atheismus);
* meinen, sie sei unserer Intelligenz unzugänglich (agnostischer Atheismus);
* die Frage für sinnlos halten („semantischer oder neopositivistischer Atheismus“);
* jede positive Offenbarung ablehnen (die „Ungläubigen“<!-- Hier korrekt, da das die Formulierung des V. ist -->);
* Gott aus dem menschlichen Tun ausschließen (spekulativ-praktischer Atheismus);
* ihre Aufmerksamkeit ausschließlich auf ein Wertesystem konzentrieren, in dem Gott abwesend ist (praktischer Indifferentismus).<ref>Zit. nach: Minois 2000, S.&nbsp;599 f.</ref>


Während in der deutschsprachigen Literatur eher von „engen“ und „weiten“ Begriffsbedeutungen die Rede ist, wird der Atheismus im angelsächsischen Raum oft mit den Begriffen ''strong'' (oder ''positive'') und ''weak'' (oder ''negative'') bezeichnet.<ref name="Martin" /> Im Deutschen nimmt der Begriff „stark“ an Verbreitung zu (parallel zu „eng“). Auf Grundlage dieser polaren Unterscheidungen kann der Atheismus systematisch weiter geordnet oder typologisiert werden.
Der praktische Atheismus beschränkt sich nicht auf westliche Länder. So bezeichnet sich beispielsweise China als atheistischer Staat. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ein großer Teil, wenn nicht die Mehrheit der atheistischen Bevölkerung Chinas Religionen nicht aus theoretischen Erwägungen ablehnt, sondern dass Religion für sie aus historischen Gründen keine Rolle spielt.


=== Atheismus und Moral ===
=== Atheismus in einem weiten Sinne ===
Eine verbreitete Kategorie ist der weite (implizite) Atheismus, dessen Vertreter aussagen: „Ich bin nicht überzeugt, dass es Götter gibt.“<ref name="Sprachanalytische Differenz" /> Dieser Atheismus beinhaltet jedoch ''nicht'', dass es ''keine'' Götter gäbe, bestreitet also nicht die Existenz von Göttern. Unterschieden wird das Nichtswissen über Gott oder Götter ([[Agnostizismus]]) und das Nichtvorhandensein des Glaubens an Gott oder Götter (Atheismus im wörtlichen Sinne).<ref>Ein Fehlen kann unterschiedliche Ursachen haben. Nach [[Günther Mensching]], Art. ''Atheismus, I. Religionsgeschichtlich.'' In: ''[[Religion in Geschichte und Gegenwart]]'', 3. A., Bd. 1, S. 670 kann der Ausdruck „Atheismus“ auch zur Bezeichnung einer „Unkenntnis numinoser Wesenheiten“ dienen.</ref>
Den Anhängern des Atheismus wird, oft auch unterschwellig, unterstellt, dass mit dem Fehlen des Glaubens an Gott auch die Verneinung moralischer Werte einhergehe, was dem Vorwurf des [[Nihilismus]] entspricht. Dem ist jedoch nicht notwendigerweise so. Davon abgesehen, dass es keine wissenschaftlichen Untersuchungen darüber gibt, die diese Hypothese bestätigen würden, können moralische Prinzipien durchaus objektiv geltende Vorschriften darstellen, die von der menschlichen Vernunft entdeckt oder aufgestellt werden und nicht von göttlichem Wollen abhängen, wie etwa Kant darzulegen suchte. Zudem erscheint aus atheistischer Perspektive gerade das Handeln auf Grund göttlicher Gebote – die Bewertung eines Verhaltens oder einer Handlung als nicht aus sich selbst heraus, sondern als nur vermittels der extrinsischen Festsetzung eines transzendenten Wesens ethisch wünschenswert – fragwürdig. (Mord beispielsweise, also das Töten aus niedrigen Beweggründen, wäre aus theistischer Perspektive demnach nicht bereits an sich eine schlechte, zu sanktionierende Handlung, sondern streng genommen erst vermittels göttlicher Festsetzung zu verurteilen.)
# [[Pragmatismus|Pragmatische]] Ansätze eines weiten Atheismusbegriffs: Pragmatiker (Alltagsbegriff) resp. Pragmatisten (Philosophie) lassen Begriffe und Entitäten im Sinne [[Ockhams Rasiermesser|Ockhams]] nur gelten, wenn sie praktischen Nutzen versprechen oder sich bereits in der Praxis bewährt haben. Es gibt entsprechend pragmatische Auffassungen, nach denen eine Erklärung und Beurteilung der Welt ohne Annahme von Göttern zufriedenstellend möglich sei. Die Existenz von Göttern wird demgemäß zwar nicht bestritten, ihre Annahme aber als uninteressant oder überflüssig abgelehnt.
# [[Universalienproblem|Nominalistische]] Ansätze: Begriffsnominalisten vertreten die Auffassung, dass nur Einzeldingen Wirklichkeit und damit Existenz zukomme, während Gott als ein genereller Terminus nur Name (=Nomen) sei. Unter Maßgabe der Einfachheit der Erkenntnisse (Simplizitätskriterium), sei die Annahme von Gott oder Göttern als eigenständig und unabhängig existierenden Wesen überflüssig.
# Atheistischer [[Agnostizismus]]: Dieser behauptet, dass Götter mit den Mitteln menschlicher Vernunft nicht erkennbar seien ([[Intelligibel|intelligibler]] Agnostizismus), oder dass für die Annahme von Göttern nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten die Beweise oder Belege fehlten (szientistischer Agnostizismus). Im intelligiblen Agnostizismus kann man wieder unterscheiden zwischen stark und weit: Der weite Agnostizismus behauptet nur, dass Götter möglicherweise nicht, oder noch nicht erkennbar seien, der starke hingegen, dass Götter mit den Mitteln der menschlichen Vernunft ''prinzipiell'' nicht erkennbar seien.<ref name="Agnostizismus" />
# [[Szientismus|Szientistische]] und [[Analytische Philosophie|sprachlogische]] Ansätze eines weiten Atheismusbegriffs: Ein typisch wissenschaftlicher Ansatz hält die Rede über Götter für sinnlos, weil Sätze, in denen diese Begriffe vorkommen, nicht wahrheitsfähig seien ([[#Analytische Philosophie|siehe oben]]). Der szientistische Atheismus behauptet jedoch nicht, dass es keine Götter gebe. Für ihn ist der Satz „Es gibt keine Götter“ genauso inhaltsleer wie „Es gibt keine Elfen“.<ref>Die ''[[Routledge Encyclopedia of Philosophy|REP]]'' analysiert im Anschluss an die Unterscheidung (weit/stark = negative/positive): {{" |Sprache=en |Text=One advantage of using ‘atheism’ in these two senses is that negative atheism, but not positive atheism, characterizes the position of the logical positivists, who hold that statements purportedly about God, including the statement ‘God does not exist’, are cognitively meaningless. If one holds that the statements ‘God exists’ and ‘God does not exist’ are cognitively meaningless, and therefore neither true nor false, one cannot consistently believe that it is true that God does not exist or that it is true that God does exist. So the logical positivist cannot espouse positive atheism, but can be characterized as espousing negative atheism.}}</ref>
# [[Postulat]]orische Ansätze eines weiten Atheismusbegriffs: Dieser meist von Wissenschaftlern vertretene Atheismus geht davon aus, zunächst einmal Götter aus dem System der Erkenntnisse herauszulassen, also keine Götter zu postulieren im Gegensatz zur [[Theologie]]. Theistische Annahmen könnten jedoch später an Grenzbereichen der Wissenschaft oder in unerforschten oder als unerforschbar angesehenen Teilen wieder zugelassen werden (Beispiel: [[Stephen Hawking]] Pre-Big-Bang God). Diese Spielart des Atheismus wird oft in Verbindung gebracht mit pragmatischen und nominalistischen Ansätzen.
Bei [[Kant]] ist Gott nur eine ''regulative Idee'' der Vernunft. [[Spinoza]] definiert mit dem Ausspruch ''[[Deus sive Natura]]'' („Gott bzw. Natur“) Gott als ausschließlich in der Schöpfung als Ganzes wirkende Substanz.


=== Atheismus in einem starken Sinne ===
Eine noch konsequentere Trennung von Moral und Theismus stellt die Auffassung dar, die [[John Leslie Mackie]] in seinem Buch ''Ethik'' ausführt, nämlich dass Moral an den Prozess der biologischen [[Evolution]] gekoppelt und ein Ergebnis eines gesellschaftlich beeinflussten Entwicklungsprozesses sei. Hieraus würde folgen, dass die menschliche Moral auch dann Bestand hätte, wenn Religionen in Verfall geraten.
Die Gegenkategorie zum weiten Atheismus ist der starke (positive, explizite) Atheismus mit der logischen Aussageform: „Ich bin überzeugt, dass es weder Gott noch Götter gibt“.<ref name="Sprachanalytische Differenz" /> Vertreter des starken Atheismus lehnen den Glauben an die Existenz von Gott oder Göttern ab, also [[Monotheismus]] wie [[Polytheismus]] gleichermaßen. Hierfür findet sich gelegentlich auch der Begriff [[Antitheismus]]. Starker Atheismus lehnt auch ähnliche Überzeugungssysteme wie beispielsweise den Glauben an übernatürliche Wesen, Wirkkräfte oder Mächte ab, ist also Gegner aller [[Spiritualismus (Philosophie)|spirituellen]], [[Animismus (Religion)|animistischen]] und [[Magie|magischen]] Lehren sowie eines jeglichen [[Mystizismus]].


# Ansatz aus dem Umfeld des metaphysischen Rationalismus: Es bestehen Annahmen, wonach nur das existieren könne, was durch menschliche Vernunft prinzipiell erkennbar sei. Weil Götter prinzipiell nicht erkennbar seien, könnten sie auch nicht existieren. Somit wird von Eigenschaften des menschlichen Verstands (ggf. bis in seine biologische Struktur reichend) eine Nichtexistenz von Gott oder Göttern abgeleitet.
== Statistisches ==
# Radikal-szientistische Ansätze: Während für normal-szientistische Atheisten nur die Rede über Götter unsinnig ist, darf für deren radikale Vertreter nur das als existierend angenommen werden, was nach intersubjektiv überprüfbaren Verfahren wissenschaftlich beweisbar ist. Da dies für Götter und andere transzendentale Ideen nicht gelte, können sie nach diesen Überzeugungen nicht existieren.
Nimmt man die religiöse Selbsteinschätzung der Bürger in Umfragen als Maßstab, so liegt in den Ländern der [[Europäische Union|Europäischen Union]] der Anteil ''„überzeugter Atheisten“'' bei ca. 5 Prozent. Besonders hoch ist die Rate überzeugter Atheisten in Frankreich (14,6%), und den neuen Bundesländern Deutschlands (21,7%). In den USA liegt die Zahl überzeugter Atheisten bei 1,2% (Stand hier: 1990).
# [[Theodizee]]-Ansätze: Hierbei wird behauptet, dass es aufgrund des Leidens und der Ungerechtigkeit auf der Welt keine(n) (allgütigen oder allmächtigen) Gott oder Götter geben könne. In seiner weniger radikalen Form kann der Theodizee-Atheismus auch als schwacher konditionaler Atheismus auftreten: „Wenn Gott existiert, dann kann er angesichts des [[Das Übel|Übels]] auf Erden nicht allmächtig oder nicht allgütig sein“. Die Existenz Gottes wird dabei zwar nicht bestritten, jedoch in seinen Eigenschaften begrenzt. Es ist dann eine theologische Frage, ob ein solches Wesen noch als Gott bezeichnet werden kann.
# Logisch-metaphysische Ansätze eines starken Atheismusbegriffs: Hier bestehen teilweise Ähnlichkeiten zu Ansätzen des metaphysischen Rationalismus. Sie sind darauf beschränkt, dass sich alle Gottesbeweise in Widersprüche (Antinomien) verwickeln würden. Unter ihrer logisch-metaphysischen Prämisse, dass etwas Widersprüchliches [[Modalität (Philosophie)|nicht existieren könne]], gelte dies auch für Götter im Sinne eigenständiger Wesen.<ref>Vergleiche [[Paul Edwards (Philosoph)|Paul Edwards]], Art. ''Atheism.'' In: [[The Encyclopedia of Philosophy]] 1967, Bd. 1, S. 177 f. zu den Punkten “eternity of matter” und “evil and other imperfections” die ein göttliches Wirken widerlegen würden (mit Bezug auf G. H. Lewes, Bertrand Russell u.&nbsp;a.).</ref>


Daneben gibt es auch noch Spielarten des Atheismus, die den eigenständigen [[Ontologie|ontologischen]] Status von Gott oder Göttern einschränken oder bestreiten. Im [[Anthropozentrismus|anthropozentrischen]] Ansatz ([[Ludwig Andreas Feuerbach]] etwa) ist Gott kein echtes übernatürliches Wesen, sondern ein Produkt menschlicher [[Einbildungskraft]].
Die tatsächliche Zahl der ''praktischen Atheisten'' ist schwer abzuschätzen. Statistische Umfragen legen aber nahe, dass in Europa wenigstens 1/3 der Bevölkerung praktische Atheisten sind. So bezeichnet sich in Europa ca. 1/3 der Bevölkerung als unreligiös. Auf die Frage, "wie wichtig ist Religion in ihrem Leben", gab knapp die Hälfte der befragten Europäer "nicht wichtig" (28,9%) oder "überhaupt nicht wichtig" (20,5%) zur Antwort.
Ein weiteres Indiz dafür, dass heute ein großer Teil der Getauften praktische Atheisten sind, stellen die niedrigen Besuchsraten christlicher Gottesdienste dar. So liegt die Besuchsrate katholischer Gottesdienste in Deutschland bei nurmehr ca. 15 Prozent der Kirchenmitglieder ([http://dbk.de/schriften/DBK5.Arbeitshilfen/ah193.pdf Stand 2003]).


== Kritik ==
''(Quelle der Umfragen: [http://www.europeanvalues.nl European Values Study von 1999/2000])''
=== Agnostizistische Gegenpositionen und Argumente ===
Mit [[Agnostizismus]] kann die These einer Falschheit von sowohl Theismus wie Atheismus oder nur eine Unentscheidbarkeit einhergehen. Wenn mit Atheismus die Festlegung auf die Nichtexistenz Gottes gemeint ist („starke“ Bedeutung), dann bieten agnostizistische Positionen epistemische Argumente gegen theistische und „stark“ atheistische Positionen. Eine Form von Argumentation versucht zu zeigen, dass keine hinreichenden Rechtfertigungen für eine theoretische Verpflichtung auf Position oder Negation der Existenz Gottes bestünden, so dass eine diesbezügliche Urteilsenthaltung rationaler erscheine. Derartige Positionen sind insbesondere dann naheliegend, wenn „Gott“ verstanden wird als Eigenname, der auf ein etwaiges metaphysisches übernatürliches Objekt referiert, und [[Empirismus|empiristische]] oder [[Verifikationismus|verifikationistische]] Voraussetzungen vertreten werden. Dann wäre eine Aussage sinnlos, wenn deren Wahrheit nicht empirisch überprüfbar ist. Folglich wären die Aussagen „Gott existiert nicht“ und „Gott existiert“ nur unverständliche Lautkombinationen mit „… existiert (nicht)“.


=== Theistische Gegenpositionen und Argumente ===
== Kritik am Atheismus ==
Jede Argumentation für [[Theismus|theistische]] Positionen ist per se eine Argumentation gegen atheistische Positionen. Die meisten der bis heute diskutierten Typen von Argumenten haben Vorläufer bereits in der vorchristlichen Antike. Dazu zählen Versuche, die Existenz eines oder des Gottes zu beweisen, indem unterschiedliche Typen von Verursachungsketten auf eine Erstursache zurückgeführt werden. Dieser Typ von Argumenten begegnet in expliziter Form zuerst bei [[Aristoteles]]. Einer von vielen, welche diesen Argumenttyp wiederholen, ist [[Thomas von Aquin]]. Davon unterscheidbar sind Argumente, die ohne Bezugnahme auf Erfahrungstatsachen auskommen und z.&nbsp;B. bei einer Analyse des Seinsbegriffs ([[Avicenna]] u.&nbsp;a.) ansetzen oder bei einer Analyse der Implikate eines Begriffs Gottes als „dasjenige, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann“ ([[Anselm von Canterbury]]). Beide Argumenttypen sind unpopulärer geworden, spätestens seit [[Immanuel Kant]]s Einwänden gegen die Möglichkeit, neue Wahrheiten über die Welt ohne Bezug auf Erfahrung zu gewinnen und über Gegenstände unabhängig davon zu reden, gemäß welcher Voraussetzungen diese uns erkennbar sind.
Eine grundsätzliche Kritik am Atheismus übt (auch heute noch) die Philosophische bzw. [[Natürliche Theologie]]. Diese argumentiert, dass man – ohne Rückgriff z. B. auf göttliche Offenbarungen – allein mit den Mitteln der menschlichen (natürlichen) Vernunft beweisen könne, dass Gott existiert.


Seit dem 19. Jahrhundert wird von vielen theistischen Philosophen und Theologen nicht mehr versucht, die Existenz Gottes als rational notwendig zu beweisen, sondern als rational möglich zu rechtfertigen. Dabei wird z.&nbsp;B. versucht aufzuweisen, dass der Gottesglaube eine Basis in der Natur oder Vernunft des Menschen habe (ausgearbeitet in einer sog. theologischen [[Anthropologie]]) oder insofern vernünftig sei, als er eine zufriedenstellende Interpretation von Mensch und Welt erlaube (so z.&nbsp;B. [[Wolfhart Pannenberg]]). Derartige Versuche, eine interne Plausibilität religiöser Überzeugungen herauszuarbeiten, haben eine Argumentationsweise ersetzt, welche die theologische [[Apologetik]] vom 14. bis frühen 20. Jahrhundert prägte, die mit äußeren Glaubwürdigkeitsgründen wie Wunder, Zeugen oder erfüllten Prophezeiungen argumentierte (sog. [[Extrinsezismus]]). Unter den zahllosen verschiedenen Ausarbeitungen von Rechtfertigungsversuchen eines Gottesglaubens wird in den letzten Jahrzehnten u.&nbsp;a. eine Gruppe von Positionen diskutiert, welche religiöse Überzeugungen im Kontext eines Meinungssystems für so grundlegend halten („basic beliefs“), dass diese weder einer weiteren Rechtfertigung zugänglich seien noch eine solche benötigten (sog. reformed epistemology, [[Erkenntnistheoretischer Fundamentalismus]] bezüglich religiösen Wissens, vertreten z.&nbsp;B. von [[Alvin Plantinga]]).
Eine weitere Kritik vor allem von [[Agnostizismus|Agnostikern]] besagt, dass der Atheismus sich in der Praxis tendenziell eher als der [[Agnostizismus]] hin zum [[Solipsismus]] verschiebt, wobei zwar keine Götter gelten gelassen werden, aber die eigene Person an Stelle dessen maßlos überhöht wird, und zwar im Sinne von [[Hybris]]. Diese Verschiebung wird als gesellschaftlich und psychologisch kontraproduktiv angesehen.

Eine Argumentation zugunsten des Gottesglaubens, die sich auf erwünschte moralische oder gesellschaftliche Konsequenzen oder Funktionen bezieht, erscheint den meisten gegenwärtigen systematischen Theologen wenig plausibel. Eine derartige Argumentation findet sich auch in der vorchristlichen Antike, oftmals gepaart mit einer Polemik gegenüber Atheisten aufgrund der These, Atheismus führe notwendig und faktisch zu unmoralischem Verhalten. [[Platon]] etwa teilt in seinen [[Nomoi]] Atheisten in unterschiedliche Gruppen ein, die allesamt zu bestrafen seien; während für einige eine Gefängnisstrafe hinreiche, erfordere es bei anderen durchaus ein oder zwei Tode.<ref>Vergleiche für weitere illustrative Beispiele [[Paul Edwards (Philosoph)|Paul Edwards]], Art. ''Atheism.'' In: [[Encyclopedia of Philosophy]], Bd. 1, S. 356–377, hier S. 357 f.</ref> Platon gilt, wie vielen vor und nach ihm, der Mensch kraft seiner Vernunft als göttlich und kraft seines Bezugs auf einen Gott als menschlich. [[Francis Bacon]] beschuldigt den Atheismus, „den Menschen zum Tier herabzuwürdigen, da er mit keiner höheren Natur mehr verbunden sei“.<ref>Georges Minois, ''Geschichte des Atheismus.'' S. 203.</ref>

Professor Joseph Ratzinger (der später Papst [[Benedikt XVI.]] wurde) hob im Hinblick auf die Gefahr des „Unwesens“ der Religion auch eine positive reinigende Funktion des Atheismus hervor:
{{Zitat
|Text=Atheismus ist nicht notwendig Leugnung des Absoluten überhaupt, sondern dessen Rückversetzung in die reine Gestaltlosigkeit, d.&nbsp;h., er ist Protest gegen die Gestalt, mit der das Absolute identisch gesetzt wird. Darin aber liegt die große und unabdingbare Sendung des Atheismus in der Religionsgeschichte. Die Gestaltung des Göttlichen führt ja in der Tat immer wieder zur Vermenschlichung Gottes und damit zur Verabsolutierung des Menschlichen oder ganz bestimmter Einstellungen und Meinungen des Menschen. Aus diesem Grund gibt es nicht nur das Wesen, sondern auch das ‚Unwesen‘ der Religion ([[Bernhard Welte]]), ist Religion nicht nur die große Chance, sondern auch die große Gefährdung des Menschen. Weil hier das Absolute begegnet, kann jede Vermenschlichung und Verdinglichung des Absoluten zu den furchtbarsten Konsequenzen führen, indem dann die Gruppe, das System, die Einrichtung sich selbst absolut setzt und alles, was gegen sie steht, als das schlechthin Böse außerhalb jeder Menschlichkeit stellt. Weil vom Wesen des Menschen her jede Gestaltung zur Abschließung und so zur falschen Vermenschlichung Gottes drängt, muss es neben der Gestaltung immer auch ebenso die große Gegenbewegung der Reinigung geben, die immer wieder die Überschreitung der Gestalt und so letzten Endes die Vergöttlichung Gottes besorgt. Man kann gerade als Christ nicht einfach die positiv gestalteten Religionen der Weltgeschichte als das Gute und die atheistische Geisteslinie als den schlechthinnigen Sündenfall hinstellen, sondern beide Linien, die der Gestaltung und die der Reinigung, ergänzen sich gegenseitig, beide tragen Aufschwung und Fall in sich.
|ref=<ref>Joseph Ratzinger: ''Atheismus – seine positive Funktion.'' Aus: Ders.: ''Atheismus.'', in Michael Schmaus/Alfred Läpple (Hrsg.): ''Wahrheit und Zeugnis.'' Düsseldorf 1964, S. 94 (96); Auszug in: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): ''Der Glaube der Kirche. Ein theologisches Lesebuch aus Texten Joseph Ratzingers.'' Bonn, 2011 (Arbeitshilfen; Nr. 248; {{Webarchiv |url=http://www.dbk-shop.de/de/DBK/Arbeitshilfen/Der-Glaube-der-KircheEin-theologisches-Lesebuch-aus-Texten-Joseph-Ratzingers/5248.html |text=Archivlink |wayback=20121229214033}}), S. 17 f.</ref>}}


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
{{Portal|Atheismus}}
[[Religionskritik]], [[Kirchenkritik]], [[Bibelkritik]], [[Antitheismus]], [[Gottesbeweis]], [[Apologetik]], [[Bright]], [[Fliegendes Spaghettimonster]]
* [[Diskriminierung von Atheisten]] (weltweit)
* [[Antireligiöses Abc]]
* [[Atheismusstreit]] (im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach 1798–1799)
<!--evtl. alle in den Artikeltext einbauen-->


== Literatur ==
== Literatur ==
=== Allgemeine Einführungen und Kompendien ===


''Mit Nachschlagewerken:''
=== Nachschlagewerke ===
* Gordon Stein (Ed.): ''The encyclopaedia of unbelief''. (Vols. 1–2). Prometheus, New York 1985, ISBN 0-87975-307-2. (DAS Nachschlagewerk zum Thema)


* Stephen Bullivant, [[Michael Ruse]]: ''The Oxford Handbook of Atheism.'' Oxford University Press, Oxford 2013, ISBN 978-0-19-964465-0 ({{Google Buch |Land=DE |BuchID=jbIVAgAAQBAJ |Linktext=Leseprobe}}).
=== Literatur zu Atheismus und Religionskritik ===
* [[Paul Edwards (Philosoph)|Paul Edwards]]: ''Atheism'' und ''Atheismusstreit.'' In: Derselbe (Hrsg.): ''[[Encyclopedia of Philosophy]].'' Band&nbsp;1, MacMillan, New York 1967, S. 174–192 sowie der Eintrag ''Atheism'' in der 2. Auflage von 2005, S. 356–377.
* Franz Buggle: ''Denn sie wissen nicht, was sie glauben (Oder warum man redlicherweise nicht mehr Christ sein kann)''. Alibri, Aschaffenburg 2004 (2. Aufl.) ISBN 3-932710-77-0. (Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Gott der Bibel.)
* Michael Martin (Hrsg.): ''The Cambridge Companion to Atheism.'' Cambridge University Press, Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-60367-6.
* [[Karlheinz Deschner]]: ''[[Abermals krähte der Hahn]]. Eine kritische Kirchengeschichte.'' btb Goldmann, München 1996 (4.Aufl.). ISBN 3-442-72025-7.
* [[Wolfgang Müller-Lauter]] u.&nbsp;a.: ''Atheismus.'' In: ''[[Theologische Realenzyklopädie]].'' Band&nbsp;4, 1993, S. 349–436.
* Heinz Fastenrath: ''Abiturwissen: Religionskritik''. Klett, Stuttgart 1993. (Ein Abriss atheistischer Grundpositionen. Feuerbach, Marx, Nietzsche, Sartre.)
* Richter, Susan (Hg.): Verfolgter Unglaube. Atheismus und gesellschaftliche Exklusion in historischer Perspektive, Frankfurt a.&nbsp;M./ New York 2018, ISBN 978-3-593-39060-4.
* Ludwig Feuerbach: ''Das Wesen der Religion''. Hegner, Köln 1965 (Darmstatt 2005, div. Nachdr.) ISBN 3-534-18943-4
* [[Hans-Walter Schütte]]: ''Atheismus.'' In: [[Joachim Ritter]], [[Karlfried Gründer]], [[Gottfried Gabriel]] (Hrsg.): ''[[Historisches Wörterbuch der Philosophie]]'' (HWPh). Band&nbsp;1, Schwabe, Basel 1971, ISBN 3-7965-0692-5, S. 595–599.
**[http://www.fh-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/19Jh/Feuerbach/feu_ch01.html online]
* [[Max Seckler]] u.&nbsp;a.: ''Atheismus.'' In: ''[[Lexikon für Theologie und Kirche]]'' (LThK), dritte Aufl., Band&nbsp;1, 1993, S. 1132–1142.
* Sigmund Freud: ''[[Massenpsychologie]] und Ich-Analyse: Die Zukunft einer Illusion''. Fischer, Frankfurt 1993. (Religion als Zwangsneurose?)
**[http://www.madeasy.de/1/illusio1.htm Originaltext „Die Zukunft einer Illusion“]
* Sigmund Freud: ''[[Totem und Tabu]]''. Fischer, Frankfurt 1991, ISBN 3-596-10451-3. (Erklärungsversuch des Ursprungs von Religion und Sittlichkeit mit Hilfe der Psychoanalyse)
* Norbert Hoerster (Hrsg.): ''Religionskritik.'' Für d. Sekundarstufe II hrsg. Reclam, Stuttgart 1984. ISBN 3-15-009584-0 (Sehr empfehlenswert.)
* Robert Kehl: ''Der Wandel im religiösen Denken.'' Fischer, Frankfurt 1998, ISBN 3-8301-0163-5.
* John Leslie Mackie: ''Das Wunder des Theismus. Argumente für und gegen die Existenz Gottes''. Übers. v. R. Ginters. Reclam, Stuttgart 1982, 1985. ISBN 3-15-008075-4 (das einflussreichste anti-theistische Werk nach 1945)
* Fritz Mauthner: ''[[Der Atheismus und seine Geschichte im Abendland]].'' Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1923 (Nachdr. Georg Olms, Hildesheim 1963, 1985). ISBN 3487003791 (überaus umfangreiches Werk, gilt gemeinhin als wichtigster Text zum Thema Atheismus)
* Georges Minois: ''Geschichte des Atheismus. Von den Anfängen bis zur Gegenwart''. Böhlaus Nachfolger, Weimar 2000, ISBN 3-7400-1104-1 (umfassendes Buch zur Geschichte des Atheismus)
* Karl-Heinz Weger: ''Religionskritik''. Verl. Styria, Graz 1991, ISBN 3-222-11999-6 (Viele Originaltextstellen aus grundlegenden Werken des Atheismus)


=== Atheismus-kritische Literatur ===
=== Klassische Texte ===
* [[Jean Meslier]]: ''Das Testament des Abbé Meslier: Die Grundschrift der modernen Religionskritik.'' 1729 (vollendet). Hartmut Krauss (Hrsg.). 2. Auflage. Hintergrund, Osnabrück 2005 (Nachdruck d. 1. Auflage. Suhrkamp, 1976), ISBN 3-00-015292-X.
* Wolfgang Cramer: ''Gottesbeweise und ihre Kritik – Prüfung ihrer Beweiskraft''. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 1967, ISBN 3-465-00070-6
* [[Paul Henri Thiry d’Holbach]]: ''System der Natur: Oder von den Gesetzen der physischen und der moralischen Welt.'' 1770. F.-G. Voigt. (übers.), Suhrkamp, Frankfurt am Main 1978, ISBN 3-518-27859-2.
* [[C.S. Lewis|Clive S. Lewis]]: ''Pardon, ich bin Christ''. Verlag Brunnen, Gießen 2002, ISBN 3-7655-3150-2 (Lewis war Professor für englische Literatur und Philosoph, er kritisiert den Atheismus mit philosophischem Anspruch)
* [[David Hume]]: ''Dialoge über natürliche Religion.'' 1779. [[Norbert Hoerster|N. Hoerster]] (Hrsg. u. Übers.), Reclam, Stuttgart 1981 u.&nbsp;ö., ISBN 3-15-007692-7.
* Richard Swinburne: ''Die Existenz Gottes''. Reclam Verlag, Ditzingen 1987, ISBN 3-150-28434-1
* [[Ludwig Feuerbach]]: ''[[Das Wesen des Christentums (Feuerbach)|Das Wesen des Christentums.]]'' 1841. Nachdruck, Reclam, Stuttgart 1984 u.&nbsp;ö., ISBN 3-15-004571-1.
* [[Thomas von Aquin]]: ''Summe der Theologie.'' Hrsg. v. kath. Akademikerverband,. Salzburg 1934 (deutsch-lateinische Ausg.).
* Ludwig Feuerbach: ''Das Wesen der Religion.'' 1846. Nachdruck, 4. Auflage. WBG, Darmstadt 2005, ISBN 3-534-18943-4.
* Thomas von Aquin: ''Summe gegen die Heiden (Summa contra gentiles).'' Hrsg. und übers. v. Karl Albert und Paulus Engelhardt unter Mitarbeit von Leo Dümpelmann. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001 (Lateinisch – Deutsch). ISBN 3-534-00378-0
* [[Friedrich Nietzsche]]: ''Der Antichrist: Versuch einer Kritik des Christentums.'' 1895. Insel, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-458-32647-2.
* [[Sigmund Freud]]: ''Die Zukunft einer Illusion.'' 1927. Nachdruck, 7. Auflage. Fischer, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-596-10452-1.
* [[Fritz Medicus (Philosoph)|Fritz Medicus]] (Hrsg.): ''Die philosophischen Schriften zum Atheismusstreit.'' 1910.


=== Ideengeschichte ===
=== Literatur zum religiösen Atheismus ===
(Siehe auch Literatur in den Artikeln [[Religionskritik]] und [[Kirchenkritik]].)
* Raimon Pannikkar: ''Gottes Schweigen. Die Antwort des Buddha für unsere Zeit''. Kösel, München 1992. ISBN 3-466-20359-7
* [[Dorothee Sölle]]: ''Atheistisch an Gott glauben''. dtv, München 1994. ISBN 3-42330400-6
* [[Karen Armstrong]]: ''A History of God.'' Vintage, London 1999, ISBN 0-09-927367-5.
* Thomas Bénatouïl, [[Jean-Baptiste Gourinat]], [[Michel Narcy]] (Hrsg.): ''L'athéisme antique.'' (= Philosophie antique. Problèmes, renaissances, usages, 18). Presses Universitaires du Septentrion, Villeneuve-d'Ascq 2018.
* David Berman: ''A History of Atheism in Britain'': from Hobbes to Russell, London: Routledge 1990, ISBN 0-415-04727-7.
* [[Jan N. Bremmer]]: ''Literacy and the Origins and Limitations of Greek Atheism.'' In: ''Studies in Honour of H. L. W. Nelson.'' Utrecht 1982, S. 43–55.
* [[Norbert Brox]]: ''Zum Vorwurf des Atheismus gegen die Alte Kirche.'' In: [[Trierer Theologische Zeitschrift]] 75 (1966), S. 274–282.
* Michael J. Buckley: ''Denying and Disclosing God'': The Ambiguous Progress of Modern Atheism, New Haven: Yale University Press 2004, ISBN 0-300-09384-5.
* [[Peter Dinzelbacher]]: ''Unglaube im Zeitalter des Glaubens. Atheismus und Skeptizismus im Mittelalter.'' Bachmann, Badenweiler 2009, ISBN 978-3-940523-01-3.
* [[Peter Ehlen]]: ''Der Atheismus im dialektischen Materialismus.'' München 1961.
* A. Esser (Hrsg.): ''Atheismus.'' Profile und Positionen der Neuzeit, 1971.
* [[Richard Faber (Soziologe)|Richard Faber]], [[Susanne Lanwerd]] (Hrsg.): ''Atheismus: Ideologie, Philosophie oder Mentalität?'' Königshausen & Neumann, Würzburg 2006, ISBN 3-8260-2895-3.
* [[Adolf von Harnack]]: ''Der Vorwurf des Atheismus in den ersten drei Jahrhunderten.'' 1905.
* Alfred Hoffmann: ''„Mit Gott einfach fertig“. Untersuchungen zu Theorie und Praxis des Atheismus im Marxismus-Leninismus der Deutschen Demokratischen Republik.'' Leipzig 2000.
* Michael Hunter: ''Atheism from the reformation to the enlightenment.'' Clarendon, Oxford 1992.
* George Alfred James: ''Atheism.'' In: Encyclopedia of Religion, Bd. 1, S. 576–586 (Grundinformationen zu atheistischen Tendenzen in verschiedenen Kulturen).
* [[Paul Oskar Kristeller]]: ''The Myth of Renaissance Atheism and the French Tradition of Free Thought.'' In: ''Journal of the History of Philosophy.'' Band 6, 1968, S. 233–243.
* E. H. Leube: ''Die Bekämpfung des Atheismus in der deutschen lutherischen Kirche des 17. Jahrhunderts.'' In: [[Zeitschrift für Kirchengeschichte]] 43 (1924), S. 227–244.
* [[Hermann Ley (Philosophiehistoriker)|Hermann Ley]]: ''Geschichte der Aufklärung und des Atheismus.'' 1966.
* [[Fritz Mauthner]]: ''[[Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande]].'' 4 Bde., Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1920–1923, ([http://www.archive.org/search.php?query=creator%3A%22Mauthner,%20Fritz,%201849-1923%22%20AND%20(title%3Aatheismus) Faksimiles]); Nachdruck, hrsg. von Ludger Lütkehaus, 4 Bde. in Schuber, Alibri-Verlag, Aschaffenburg 2011, ISBN 978-3-86569-113-2.
* [[Alister McGrath]]: ''The Twilight of Atheism: The Rise and Fall of Disbelief in the Modern World.'' Galilee Trade, 2006, ISBN 0-385-50062-9.
* [[Georges Minois]]: ''Geschichte des Atheismus: Von den Anfängen bis zur Gegenwart.'' Böhlaus Nachfolger, Weimar 2000, ISBN 3-7400-1104-1 ([http://www.pensis.net/documente/21mitschriften_Rel/SE-Privatissimum-SS2004-100604.pdf Mitschrift] (PDF; 477&nbsp;kB) eines Seminars dazu bei J. Figl, mit Inhaltsverzeichnis und Exzerpten).
* [[Johannes Neumann (Kirchenrechtler)|Johannes Neumann]]: ''Zur gesellschaftlichen Stellung, Entwicklung und Wandlung des modernen Atheismus.'' In: ''[[Aufklärung und Kritik]].'' Nr.&nbsp;1, 1995, S.&nbsp;80–99 ({{Webarchiv |url=http://fowid.de/fileadmin/textarchiv/Atheismus_-_Bedeutung__Entwicklung__Wandlung__Johannes_Neumann___TA-1995-1.pdf |text=PDF-Datei; 282&nbsp;kB, 19&nbsp;Seiten |wayback=20071007225940}} in ''archive.org'').
* [[Friedrich Niewöhner]], Olaf Pluta: ''Atheismus im Mittelalter und in der Renaissance.'' Harrassowitz, Wiesbaden 1999, ISBN 3-447-04229-X.
* Florian Ossadnik: ''{{Webarchiv |url=http://www.explizit.net/Aktuelles/Buchtipp-Spinoza-und-der-wissenschaftliche-Atheismus |text=Spinoza und der „wissenschaftliche Atheismus“ des 21. Jahrhunderts. Ethische und politische Konsequenzen frühaufklärerischer und gegenwärtiger Religionskritik |wayback=20120308155950}}''; Studies In European Culture, Bd. 8; hrsg. v. Ludwig Tavernier. Weimar 2011, ISBN 978-3-89739-705-7.
* C. de Pascale: ''Religion und Politik während des Atheismus-Streites.'' In: W. H. Schrader (Hrsg.): ''Materiale Disziplinen der Wissenschaftslehre'': Zur Theorie der Gefühle. „200 Jahre Wissenschaftslehre – Die Philosophie Johann Gottlieb Fichtes.“ Tagung der Internationalen Johann Gottlieb Fichte-Gesellschaft (26. September bis 1. Oktober 1994) in Jena, Amsterdam/Atlanta 1997 (Fichte-Studien, Bd. XI).
* R. Peters, G. J. De Vries: ''Apostasy in Islam.'' In: [[Die Welt des Islams]] 17 (1976/7), S. 1–25.
* Winfried Schröder: ''Ursprünge des Atheismus: Untersuchungen zur Metaphysik- und Religionskritik des 17. und 18. Jahrhunderts.'' Frommann-Holzboog, Stuttgart 1999, ISBN 3-7728-1918-4 ({{Webarchiv |url=http://www.uni-marburg.de/fb03/philosophie/institut/professorinnen/schroeder/publikationen |text=zahlreiche Rezensionen |wayback=20150426155812}}).
* Björn Spiekermann: ''Der Gottlose : Geschichte eines Feindbilds in der Frühen Neuzeit''. Frankfurt an Main: Klostermann, 2020. ISBN 978-3-465-01314-3.
* E. A. Strathmann: ''Elizabethan Meanings of Atheism.'' In: E. A. Strathmann, Sir Walter Raleigh: ''A Study in Elizabethan Skepticism.'' New York 1951.
* James Thrower: ''A short history of western atheism.'' Pemberton Books, London 1971, ISBN 1-57392-756-2.
* James Turner: ''Without God, without creed: the origins of unbelief in America.'' Johns Hopkins University Press, Baltimore u.&nbsp;a. 1985.
* [[Dorothea Weltecke]]: ''Der Narr spricht: Es ist kein Gott. Atheismus, Unglauben und Glaubenszweifel vom 12. Jahrhundert bis zur Neuzeit.'' Campus Verlag, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-593-39194-6.
* Tim Whitmarsh: ''Battling the Gods. Atheism in the Ancient World.'' Alfred A. Knopf, New York 2015.
* K. M. Winiarczyk (Hrsg.): ''Bibliographie zum antiken Atheismus, 17. Jahrhundert bis 1990.'' Bonn 1994.
* [[Hartmut Zinser]]: Art. ''Atheismus.'' In: [[Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe]], Stuttgart 1990, Bd. 2, S. 97–103.

=== Soziologie ===
(Siehe auch oben die Bibliographie in: [[Richard Faber (Soziologe)|Richard Faber]] & Susanne Lanwerd, 2006.)
* [[Karl Baier (Religionswissenschaftler)|Karl Baier]], Sigrid Mühlberger, [[Hans Schelkshorn]], Augustinus Karl Wucherer-Huldenfeld (Hrsg.): ''Atheismus heute? Ein Weltphänomen im Wandel.'' Leipzig 2001.
* Christel Gärtner, [[Detlef Pollack]], [[Monika Wohlrab-Sahr]] (Hrsg.): ''Atheismus und religiöse Indifferenz.'' Opladen 2003.
* Thomas Schmidt, Monika Wohlrab-Sahr: ''Still the Most Areligious Part of the World: Developments in the Religious Field in Eastern Germany since 1990.'' In: ''International Journal of Practical Theology.'' 7 (2003), S. 86–100.
* Monika Wohlrab-Sahr, Uta Karstein, Christine Schaumburg: ''„Ich würd' mir das offenlassen“. Agnostische Spiritualität als Annäherung an die „große Transzendenz“ eines Lebens nach dem Tode.'' In: ''Zeitschrift für Religionswissenschaft.'' Marburg 13 (2005), S. 153–173.

=== Systematische Diskussion ===

(Siehe auch Literatur im Artikel [[Gottesbeweis]] zu klassischen und jüngeren Versuchen sowie zu Einwänden gegen diese.)

* Hans-Jürgen Balmes, Jörg Bong, Alexander Roesler, Oliver Vogel, Isabel Kupski (Hrsg.): ''Neue Rundschau 2007/2: Atheismus.'' Fischer, Frankfurt am Main, 8.&nbsp;Juni 2007, ISBN 978-3-10-809069-2 (Aufsatzsammlung mit Beiträgen von Taha Muhammed Ali, [[Hans Blumenberg]], Gudrun Boch, Sarah Shun-lien Bynum, Jorie Graham, [[Werner Hamacher]], Felicitas Hope, [[Alberto Manguel]], Willem Jan Otten, [[Herbert Schnädelbach]], [[Arnold Stadler]], Thomas P. Weber und [[Slavoj Žižek]]).
* Tim Crane: ''The Meaning of Belief – Religion from an Atheist’s Point of View''. Harvard University Press, Cambridge, Mass 2017, ISBN 978-0-674-08883-2.
* [[Lutz Danneberg]], [[Sandra Pott]], [[Jörg Schönert]], [[Friedrich Vollhardt]] (Hrsg.): ''Zwischen christlicher Apologetik und methodologischem Atheismus. Wissenschaftsprozesse im Zeitraum von 1500 bis 1800'' (= ''Säkularisierung in den Wissenschaften seit der Frühen Neuzeit.'' Band&nbsp;2). de Gruyter, Berlin/New York 2002, ISBN 3-11-017510-X ({{Google Buch |Land=DE |BuchID=e24GAWjUz44C |Linktext=Leseprobe}}).
* [[Anders Bjørn Drachmann]]: ''Atheism in Pagan Antiquity.'' Gyldendal, London u.&nbsp;a. 1922; Nachdruck: Kessinger Publishing, Whitefish 2005, ISBN 0-7661-9086-2 (geht auch kurz auf Mittelalter und Moderne ein; [http://www.archive.org/details/atheisminpaganan00dracuoft online] in ''archive.org'').
* Theodore M. Drange: ''Nonbelief and Evil. Two Arguments for the Nonexistence of God.'' Prometheus Books 1998, ISBN 1-57392-228-5.
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* Nicholas Everitt: ''The Non-Existence of God.'' Routledge, London 2004.
* [[Antony Flew]]: ''Atheistic Humanism.'' 1993, ISBN 0-87975-847-3.
* Antony Flew, [[William Lane Craig]]: ''Does God Exist: The Craig-Flew Debate.'' 2003, ISBN 0-7546-3190-7.
* Antony Flew: ''God and Philosophy.'' 2005 (jüngster von mehreren Nachdrucken).
* Antony Flew, Roy Abraham Varghese: ''There is a God. How the World’s Most Notorious Atheist Changed His Mind.'' 2007, ISBN 978-0-06-133529-7.
* [[John Niemeyer Findlay]]: ''Can God’s Existence be Disproved?'' In: [[Antony Flew]], [[Alasdair MacIntyre]] (Hrsg.): ''1955, New Essays in Philosophical Theology.'' S. C. M. Press, London 1955.
* R. Gale: ''On the Nature and Existence of God.'' Cambridge University Press, Cambridge 1991.
* {{Literatur
|Autor=[[David Bentley Hart]]
|Titel=Atheist Delusions. The Christian Revolution and Its Fashionable Enemies
|Verlag=Yale University Press
|Ort=New Haven
|Datum=2007
|ISBN=0-300-11190-8}}
* [[Norbert Hoerster]]: ''Die Frage nach Gott.'' Beck, München 2005, ISBN 3-406-52805-8.
* Robin LePoidevin: ''Arguing for Atheism. An Introduction to the Philosophy of Religion.'' London 1996.
* [[Hermann Lübbe]], [[Hans-Martin Sass]] (Hrsg.): ''Atheismus in der Diskussion.'' Kaiser, München 1975, ISBN 3-459-01037-1 (Überblick zur damaligen Debattenlandschaft im deutschen Sprachraum).
* [[John Leslie Mackie]]: ''Das Wunder des Theismus. Argumente für und gegen die Existenz Gottes.'' Reclam, Stuttgart 1985, ISBN 3-15-008075-4.
* [[Michael Martin (Philosoph)|Michael Martin]]: ''Atheism. A Philosophical Justification.'' Temple University Press 1992, ISBN 0-87722-943-0.
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* [[Ernest Nagel]]: ''A Defense of Atheism.'' In: J. E. Fairchild (Hrsg.): ''Basic Beliefs.'' New York 1959.
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* [[Quentin Smith]], [[William Lane Craig]]: ''Theism, Atheism and Big Bang Cosmology.'' Oxford University Press, Oxford 1993.
* [[Magnus Striet]] (Hrsg.): ''Wiederkehr des Atheismus. Fluch oder Segen für die Theologie?'' Herder, Freiburg im Breisgau/Basel/Wien 2008, ISBN 978-3-451-29821-9.
* [[Richard Swinburne]]: ''Die Existenz Gottes.'' Reclam, Stuttgart 1987, ISBN 3-15-028434-1.

=== Literatur zum „religiösen Atheismus“ ===
''„Atheismus“ innerhalb von Religionen:''

* [[Ernst Bloch]]: ''Atheismus im Christentum.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1968, ISBN 3-518-28163-1.
* [[Alasdair MacIntyre]] u. [[Paul Ricœur]]: ''Die religiöse Kraft des Atheismus.'' [[Verlag Karl Alber|Alber]], Freiburg im Breisgau 2002, ISBN 3-495-48066-8.
* [[Dorothee Sölle]]: ''Atheistisch an Gott glauben.'' dtv, München 1994, ISBN 3-423-30400-6.
* [[Ernst Troeltsch]]: ''Atheismus, Christentum und Theologie. Drei Aufsätze.'' Wissenschaftlicher Verlag, Schutterwald/Baden 2000, ISBN 978-3-928640-57-2.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wiktionary}}
{{Wikiquote|Atheismus}}
{{Wikiquote}}
{{Wiktionary|Atheismus}}
{{Commonscat|Atheism|Atheism (Atheismus)}}
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/atheism-agnosticism/ ''Atheism and Agnosticsm.''}}
* [https://www.geschkult.fu-berlin.de/e/relwiss/forschung/DFG-Projekt_Neo-Atheismus/Linkliste/index.html Linkliste zum „Neuen Atheismus“: Die „Rückkehr der Religionen“ und die Rückkehr der Religionskritik], FU Berlin
* [http://www.ibka.org/ Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten]
* [https://atheistisch.at/ atheistisch.at]
* [http://www.dittmar-online.net/ Psychologie: Leben, Glauben, Religion, Gott und der Rest der Welt] – weiterführende und vertiefende Betrachtungen zum Atheismus
* [https://philpapers.org/browse/atheism-and-agnosticism philpapers.org], The PhilPapers Foundation, Aufsatzsammlung (englisch).
* [http://www.atheismus-online.de/ Verteidigung des Atheismus]
* Mechthild Klein: [https://www.deutschlandfunk.de/atheismus-gottlos-gross-werden.2540.de.html?dram:article_id=498861 ''Atheismus: Gottlos groß werden.''] In: ''[[Deutschlandfunk]].'' 23. Juni 2021 („Mehr als ein Drittel der Deutschen gehört keiner Religionsgemeinschaft an, der Anteil wird größer. Aber nicht alle von ihnen sind Atheisten“).
* [http://www.atheismus-info.de/ Einführung in den Atheismus]
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/atheism-agnosticism/|Atheism and Agnosticism|[[John Jamieson Carswell Smart|J. J. C. Smart]]}} 2. August 2017 (englisch).
* [http://217.175.235.200/basisreligion/atheismus.htm Eine positive christliche Reflexion auf den Atheismus]
* {{IEP|http://www.iep.utm.edu/atheism/|Atheism|Matt McCormick}} Ohne Datum (englisch).
* [http://www.schmidt-salomon.de/atheismus.htm Kritik an der religiösen Ausprägung des Atheismus']

* [http://www.ibka.org/artikel/ag98/atheismus.html Stringente, kurz gefasste Darstellung atheistischer Grundpositionen]
== Einzelnachweise und Anmerkungen ==
* [http://www.celebatheists.com/w/index.php?title=Main_Page Liste prominenter Atheistinnen und Atheisten] (englisch)
<references responsive>
<ref name="Definition III+">
Die hier genannten „agnostischen Ansichten“ markieren verschiedene [[Epistemologie|epistemologische]], die Wahrscheinlichkeitsformulierung verschiedene [[Empirie|empirische]] und die ‚gibt-keinen‘-Formulierung [[Metaphysik|metaphysische]] Positionen (letztere im Sinne eines logisch oder ontologisch notwendigen Ausschlusses göttlicher Existenzen in allen [[Mögliche Welten|möglichen Welten]]). Siehe als detaillierte Standardzusammenfassungen insbesondere das ''[[HWPh]]'', die ''[[Routledge Encyclopedia of Philosophy|REP]]'' und das international umfangreichste Werk von [[Fritz Mauthner|F. Mauthner]], ''Der Atheismus und seine Geschichte im Abendland''. 4 Bde. 1920–1923, bei dem der Agnostizismus wie auch in weiteren Standardwerken atheistisch ausgelegt ist ([[#Literatur|l.c.]]). Das ''[[HWPh]]'', Art. „Agnostizismus“ (Bd. 1, 1971), zitiert Mauthner nach dem ''Wörterbuch der Philosophie'' (1923, 1, 20), wonach der Agnostiker so bestimmt sei: „die Vermeidung des «unschicklichen», aber zutreffenden Wortes «Atheist»“. [[Julius Stenzel|J. Stenzel]] hält die für den Agnostizismus schulbildende [[Protagoras]]-Formulierung, wonach von Göttern nichts erkennbar und nicht erforschbar sei (''[[Kritias]]'', fr. 25) für „atheistisch“ (''Metaphysik des Altertums.'' In: ''Handbuch der Philosophie'', München 1934), während andere Werke eine klare Trennung zum Agnostizismus markieren (z.&nbsp;B. ''The Oxford Companion to Philosophy'', Oxford/New York 1995, S. 63; vergleiche auch ''[[Encyclopedia of Philosophy|The Encyclopedia of Philosophy]]'', 1967, S. 182, mittels eines engem Atheismusbegriffs). Die Ausprägungen atheistischer Überzeugungen sind vielfältig, eine klare Abgrenzung zum [[Agnostizismus]] ist nicht immer möglich.
</ref>
<ref name="Agnostizismus">
Nur im Falle von agnostischen Ansichten, die „Gott“ definitiv außen vor lassen oder in irgendeiner Weise ablehnen, ist eine damit verbundene Überschneidung mit dem Atheismus begrifflich fassbar als „agnostischer Atheismus“ (anders gewichtet: als „atheistischer Agnostizismus“).
</ref>
<ref name="Atheism">
Vergleiche etwa Simon Blackburn: ''The Oxford Dictionary of Philosophy.'' OUP, Oxford 1996: {{" |Atheism. Either the lack of belief in a god, or the belief that there is none.}} Während „there is none“ eine Frage nach „Gott“ verneinen kann, steht diesbezüglich das hier verwendete ‚lack‘ ähnlich wie „Dasein ohne“ stellvertretend ''entweder'' für ''unreflektierte'' Indifferenz (Abwesenheit, Desinteresse, Fehlen, Gleichgültigkeit, Ignoranz, Unglauben, Unkenntnis und Unwissen) ''oder aber'' für philosophisch-''[[Reflexion (Philosophie)|reflektierte]]'' Indifferenz (Abstandsnahme, Infragestellen, Kritik, Nichtwissen, Positionierung, Skepsis, Urteilsenthaltung, Verzicht oder anders ''[[Begründung|begründete]]'' Abgrenzung).
</ref>
<ref name="Spannbreite">
Vergleiche Hans-Walter Schütte, Art. ''Atheismus'' (in: ''[[Historisches Wörterbuch der Philosophie]]'', Bd. 1, S. 595–599, mit Zitat von J. G. Walch, ''Historische und theologische Einleitung in die vornehmsten Religions-Streitigkeiten'', 1728, S. 673 f.): Zunächst sei ‚Atheismus‘ durch seine „innewohnende [[Unschärfe|Unbestimmtheit]]“ ein Ablehnungsbegriff gewesen. „Die Einteilung des Begriffs leitende Vorstellung<!--sic--> beruht auf der Annahme, daß A[theismus] Gottlosigkeit bedeute, also die «verkehrte Beschaffenheit des [[Gemüt]]hs, wodurch der Mensch sich zu überreden bemühet ist, es sey kein Gott», bezeichne.“ Zur Bestimmung von ‚Atheismus‘ nennt Schütte neben Unbestimmtheit, Ablehnung und Gemütsbeschaffenheit weitere atheistische „Kräfte“ die den „Theismus erschüttern“, so etwa die Gleichsetzung des Atheismus mit [[Spinozismus]] ([[Philipp Jacob Spener|Ph. J. Spener]]), das „Recht des Zweifels“ (in Anlehnung an [[Pierre Bayle|P. Bayle]]), die Möglichkeit eines Staats von Atheisten (in Anlehnung an [[François-Marie Voltaire|F. M. Voltaire]]), die Gleichsetzung des Atheismus mit [[Pantheismus]] ([[Johann Gottlieb Fichte|J. G. Fichte]]) und mit [[Deismus]] ([[Immanuel Kant|I. Kant]]). Schütte zitiert [[G. W. F. Hegel]], nach dem Atheismus zum einen die [[Theologie]] ist, die einen inhaltsvollen Gott annehme. Zum anderen sei „[d]as Resultat der pietistischen Theologie, die versucht, Gott auf «das Gebiet der zufälligen Subjectivität, das des Gefühls anzuweisen»“, ebenfalls Atheismus. Schütte resümiert: „Die gegenwärtige Situation hinsichtlich des Problems des A[theismus] ist dadurch gekennzeichnet, daß die im Laufe der letzten vier Jahrhunderte geltend gemachten [[Motivation|Motive]] in einem schwer auflösbaren Miteinander weiterleben“
</ref>
<ref name="Martin">
[[Michael Martin (Philosoph)|Michael Martin]]: ''General Introduction.'' In: Ders. (Hrsg.): ''The Cambridge Companion to Atheism'', [[#Literatur|l.c.]], S. 1–7, S. 1. [[Antony Flew]], Michael Martin, und [[William L. Rowe]] bezeichnen die Ablehnung als „positive“ oder „strong“ und die neutrale Position als „weak“ atheism (A. Flew, „The Presumption of Atheism“, in: The Presumption of Atheism and other Philosophical Essays on God, Freedom, and Immortality. Barnes and Noble, New York 1976, S. 14 ff.; M. Martin, „The Cambridge Companion to Atheism“, Cambridge University Press 2006; W. L. Rowe: ''Atheism.'' In: ''Routledge Encyclopedia of Philosophy.'' Juni 1998, S. 530–534).
</ref>
<ref name="Hoheisel">
Vergleiche Karl Hoheisel: Art. ''Atheismus, I. Religionswissenschaftlich.'' In: ''Lexikon für Theologie und Kirche'' (LThK), dritte Aufl., Bd. 1, 1993, S. 1132.
</ref>
<ref name="Praktischer Atheismus">
Vergleiche H.-W. Schütte, ''Atheismus''-Art. (in: ''[[HWPh]]'', Bd. 1, S. 595–599): Bei [[Johann Franz Buddeus|J. F. Buddeus]] ist der „praktische Atheismus“ mit „der Überzeugung verbunden, daß der Gottesgedanke ein sicheres Besitztum der menschlichen Vernunft sei und daß die menschliche Gesellschaft durch A[theismus] im Sinne dieses [göttlichen] Beginns in ihren Grundlagen angefochten werde.“ Schütte zitiert [[Ludwig Feuerbach|L. Feuerbach]], für den der „praktische Atheismus“ unter Berufung auf [[Martin Luther|M. Luther]] eine Aneignung der Religionsgehalte sei und der „Selbstentfaltung des der menschlichen Natur innewohnenden Inhalts“ diene; ferner [[Friedrich Nietzsche|F. Nietzsche]], für den der „Sieg des A[theismus] die Menschheit“ vom Schuldgefühl gegen ihren Anfang löse und der Atheismus „Bedingung für die Entstehung eines neuen Menschen“ ist. Vergleiche auch [[Herbert Schnädelbach|H. Schnädelbach]] (''Religion in der modernen Welt'', 2009, S. 123): Er argumentiert (sich selbst als Atheist bezeichnend), dass das, was Feuerbach mit „praktische Atheismus“ gemeint habe, so praktisch geworden sei, „dass >Atheismus< selbst schon nicht einmal mehr Thema ist“; so dass in dieser Folge „unsere Kultur nicht nur postchristlich, sondern auch postatheistisch“ sei.
</ref>
<ref name="Sprachanalytische Differenz">[[Herbert Schnädelbach|H. Schnädelbach]] markiert die aussagenlogische Differenz in folgender Weise: „Es gibt zwei Sorten von Atheisten. Die einen sind die konfessionellen Atheisten, die sagen: ‚Ich glaube, dass es Gott nicht gibt‘; sie vertreten eine Art Gegenkonfession zum Gottesglauben. Die schwächere Form des Atheismus besteht darin, zu sagen: ‚Ich glaube nicht, dass es Gott gibt.‘ Hier wird also nichts geglaubt und bekannt.“ (in: ''Berliner Zeitung'', Interview v. P. Riesbeck, 20. März 2008 {{Webarchiv|url=http://www.berliner-zeitung.de/archiv/hoffnung---studien-sehen-eine-rueckkehr-des-religioesen--doch-vollzieht-sich-dieser-trend-nicht-immer-innerhalb-der-kirchen--ein-blick-nach-brandenburg--wo-alte-gotteshaeuser-als-neue-zentren-wiederbelebt-werden---aesthetische-erlebnisqualitaet-,10810590,10546852.html |wayback=20150701032018 |text=online |archiv-bot=2024-07-13 03:35:03 InternetArchiveBot }}).</ref>
</references>


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[[Kategorie:Atheismus]]


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[[id:Atheisme]]
[[it:Ateismo]]
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[[jv:Ateisme]]
[[lb:Atheismus]]
[[li:Atheïsme]]
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[[ms:Atheis]]
[[mt:Ateiżmu]]
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[[no:Ateisme]]
[[pl:Ateizm]]
[[pt:Ateísmo]]
[[ro:Ateism]]
[[ru:Атеизм]]
[[sr:Атеизам]]
[[sv:Ateism]]
[[uk:Атеїзм]]
[[zh:无神论]]

Aktuelle Version vom 28. Mai 2025, 17:02 Uhr

Das altgriechische Adjektiv ἄθεος átheos, deutsch ‚ohne Gott‘ in einer Handschrift des Briefes des Apostels Paulus an die Epheser (Papyrus 46 (Eph 2,12 EU))

Atheismus (von altgriechisch ἄθεος átheos, deutsch ‚ohne Gott‘) bezeichnet die Abwesenheit oder Ablehnung des Glaubens an einen Gott oder Götter. Im Gegensatz dazu bezeichnen Deismus und Theismus (θεός/ϑεός theós „Gott“) den Glauben an Götter, wobei Monotheismus für den Glauben an einen Gott und Polytheismus für den Glauben an mehrere Götter steht. Zum Atheismus im weiteren Sinne zählen einige auch den Agnostizismus (agnostischer Atheismus), nach dem eine Existenz von Gott oder Göttern ungeklärt oder nicht klärbar ist. Im engeren Sinne bezeichnet der Atheismus die Überzeugung, dass es Gottheiten nicht gibt.

Begriffsweite und -herkunft

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Das Symbol des Atheismus aus dem Jahr 2007

Die begriffliche Spannbreite von Atheismus umfasst einerseits die „weiten“ Begriffsbedeutungen, die ein Dasein ohne Glauben an Gott, entsprechende Lebensweisen und diesbezügliche Begründungen einschließen (auch als „Nichttheismus“ begriffen), und andererseits „enge“ oder „starke“ Bedeutungen, die in Hinsicht auf Götterbehauptungen verneinend, gegebenenfalls kämpferisch oder mit Gegenbeweisen vertreten werden (auch bezeichnet als „Antitheismus“).[1][2]

Im antiken Griechenland wurde der Atheismus-Begriff mit dem Alpha privativum gebildet (A-theismus), er hat verschiedene altgriechische Varianten (Substantiv: ἀθεότης im Sinne von „Gottlosigkeit, Gottesleugnung, Unglaube“) und er war in Asebie-Prozessen ein hinreichender Anklagepunkt. Die latinisierte Form „Atheismus“ findet sich erstmals bei Cicero, seit Ende des 16. Jahrhunderts erscheint sie im deutschen Schrifttum (frühneuhochdeutsch Atheisterey)[3] und sie gilt seit Beginn des 18. Jahrhunderts als eingedeutscht.

In der Zeit der Aufklärung waren es zunächst Freidenker, Deisten, Pantheisten und Spinozisten, die von Philosophen und etablierten Kirchen als Atheisten bezeichnet und bezichtigt wurden.[4] Ein Teil der Enzyklopädisten war dem Atheismus besonders verbunden. Als Kampfbegriff diente und dient (zumeist in den Südstaaten der USA) Atheist auch zur moralischen Diffamierung derjenigen, welche zwar den Theismus akzeptierten, aber in Einzelaspekten von der herrschenden Gotteslehre abwichen. Jedoch wird in der Regel als Atheist bezeichnet, wer es ausdrücklich verneint, an Gott oder Götter zu glauben.[5]

Agnostiker, die an keinen Gott glauben, werden vielfach zu den Atheisten im weiteren Sinne gezählt, obgleich nicht alle damit einverstanden sind. Agnostische Ansichten, nach welchen auch die Nichtexistenz Gottes nicht erkannt werden kann, sind hierbei nicht benannt.[6] Der Agnostizismus vereint unterschiedliche Ansichten; daher ist die Zuordnung des Agnostizismus zum Atheismus umstritten (und umgekehrt).

Umstritten ist auch die Zuordnung des Positivismus zum Atheismus. Der Philosoph Alfred Jules Ayer, Vertreter des logical positivism (Logischer Empirismus), betont, dass seine Position zu Sätzen wie „Gott existiert“ weder mit Atheismus noch mit Agnostizismus verwechselt werden sollte. Er halte solche Sätze für metaphysische Äußerungen, die weder wahr noch falsch seien. Charakteristisch für einen Atheisten sei hingegen die Ansicht, „dass es zumindest wahrscheinlich ist, dass es keinen Gott gibt“.[7]

Ob auch Positionen als „Atheismus“ bezeichnet werden sollen, die keine Gottheit annehmen, jedoch nicht auf Religionslosigkeit reduzierbar sind, wie etwa im Jainismus oder Konfuzianismus, ist in der Literatur umstritten.[8] Teils wird vorgeschlagen, die explizite Ablehnung theistischer Positionen als „theoretischen“, und die Lebenspraxis (die sich vollzieht, „als ob“ ein Numinoses nicht existierte)[8] als „praktischen Atheismus“ zu bezeichnen.[9]

Seit dem 19. Jahrhundert wird der Begriff „Atheismus“ in einem naturalistischen Sinne teilweise so eng geführt, dass er gegen alle supernaturalistischen Auffassungen gerichtet wird, die mit einem Glauben an übernatürliche Wesen, Kräfte oder Mächte göttlicher wie nichtgöttlicher Art verbunden sind (Animismus, Spiritismus, mono- und polytheistische Religionen). Dies wird zu Beginn des 21. Jahrhunderts oft als „Natural Atheism“[10] bzw. „Neuer Atheismus“ bezeichnet, wenn die Argumentation wissenschaftlich ausgewiesen ist (siehe Abschnitt Neuer Atheismus).

Gesellschaftliche Aspekte

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Demographische Merkmale

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Umfragen zum Thema Atheismus werfen methodische Probleme auf, da es schwierig ist, eine einheitliche Abgrenzung zwischen Säkularisten, Humanisten, Nichttheisten, Agnostikern und spirituellen Personen vorzunehmen.[11] Immer mehr verschwimmt die Grenze zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen.[12]

Anteil von Atheisten und Agnostikern an der Gesamtbevölkerung (nach Zuckerman[13]). Bei China, Kuba und Nordkorea müssen die Zahlen angesichts der vergleichsweise schlechten Datenlage mit besonderer Skepsis betrachtet werden.
Anteile der Atheisten in Europa (Eurobarometer von 2005 zur Aussage: „Es gibt keine Art von Gott oder spiritueller Kraft.“)

Das The World Factbook der CIA schätzte im Jahre 2010: Atheisten 2,32 %, Nichtreligiöse 11,77 %, Christen 33,32 % (darunter 16,99 % römisch-katholisch), Muslime 21,01 %.[14]

In seiner „Bilanz des Unglaubens“ meint Georges Minois, es kursierten Unmengen an Zahlen, „die allesamt falsch sind“. Allenfalls könne man aus ihnen ersehen, dass mehr als ein Fünftel der Menschheit nicht mehr an einen Gott glaube.[15] Minois präsentiert selbst Schätzungen für das Jahr 1993 – weltweit 1,2 Milliarden Agnostiker und Atheisten[16] – sowie für das Jahr 2000 – etwa 1,1 Milliarden Agnostiker und 262 Millionen Atheisten,[17] und zum Vergleich etwa 1,2 Milliarden Gläubige für den Islam und 1,1 Milliarden für die katholische Kirche.

Laut dem Eurobarometer 2010[18] glaubten 20 % der Bürger der damals 27 EU-Staaten weder an Gott noch an eine spirituelle Kraft. Eine Mehrheit von 51 % glaubte an Gott und 26 % an „eine Art von spiritueller Kraft“; 3 % äußerten sich nicht. Zwischen den einzelnen Ländern gab es große Unterschiede; so war der Anteil der Gottesgläubigen in Malta mit 94 % und Rumänien mit 92 % am höchsten und mit 16 % in Tschechien und 18 % in Estland am geringsten. In Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden je 44 % ermittelt.

Die Anzahl der Einwohner, die angaben, weder an Gott, noch an eine spirituelle Kraft zu glauben, war im Jahr 2010 mit 40 % in Frankreich und 37 % in Tschechien am höchsten und betrug in Deutschland 27 %, in Österreich 12 % sowie 11 % in der Schweiz. Laut dem Eurobarometer 2005[19] glaubten mehr Frauen (58 %) an Gott als Männer (45 %); der Glaube an Gott korrelierte positiv mit dem Alter, politisch konservativer Einstellung und geringer Schulbildung. In den USA liegt die Zahl der Personen, die an Gott oder eine höhere Macht glauben, bei 91 %.[20]

Das Worldwide Independent Network und die Gallup International Association befragten im Zeitraum zwischen 2011 und 2012 fast 52.000 Personen aus 57 Ländern zu ihren religiösen Einstellungen. 13 % der befragten Personen bezeichneten sich als „überzeugte Atheisten“, 23 % nannten sich „nicht-religiös“ und 57 % gaben an, eine religiöse Person zu sein. Laut der Studie sind 15 % der Bevölkerung in Deutschland überzeugte Atheisten. China (47 %) und Japan (31 %) sind die Länder mit dem höchsten Anteil an überzeugten Atheisten. Zwischen 2005 und 2012 hat sich der Anteil religiöser Personen weltweit um 12 % (9 Prozentpunkte) verringert, während der Anteil von Atheisten um 75 % (3 Prozentpunkte) gestiegen ist. In manchen Ländern ist dieser Trend besonders ausgeprägt: In Vietnam, Irland und der Schweiz ging der Anteil der Personen, die sich selbst als religiös bezeichnen, zwischen 2005 und 2012 um 43, 32 und 30 % bzw. um 23, 22 und 21 Prozentpunkte zurück.[21][22][23]

Der Anteil an Atheisten ist nach Erhebungen in den USA bei Wissenschaftlern besonders hoch: Nur sieben Prozent der Mitglieder der amerikanischen Akademie der Wissenschaften glauben an die Existenz eines personalen Gottes.[24] Eine Umfrage unter Mitgliedern der American Association for the Advancement of Science von 2009 ergab, dass 51 % der amerikanischen Wissenschaftler an Gott oder eine höhere Macht glauben, wesentlich weniger als in der Allgemeinbevölkerung. Der Anteil der atheistischen Wissenschaftler hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts nicht wesentlich verändert. So ergab eine Umfrage des Psychologen James H. Leuba im Jahr 1914, dass 42 % der amerikanischen Wissenschaftler an einen persönlichen Gott glaubten und ebenso viele nicht. Im Jahre 1996 wiederholte der Geschichtswissenschaftler Edward J. Larson die Umfrage von Leuba mit den gleichen Fragen und der gleichen Anzahl Personen und kam auf 40 % gläubige und 45 % atheistische Wissenschaftler.[25] Eine im November 2013 veröffentlichte Metaanalyse von 63 Einzelstudien kam zu dem Ergebnis, dass Atheismus oder ein Nicht-Glauben an Gott signifikant (Korrelationskoeffizient: − 0,24) mit Intelligenz zusammenhängt (Intelligenz wurde in den meisten Studien erfasst durch den g-Faktor).[26]

Mehrere Forschungen ergaben einen positiven Zusammenhang zwischen Religiosität und Geburtenziffer. So hatten im Jahr 2002 in Deutschland Menschen, die sich selbst als nicht religiös bezeichneten, mit durchschnittlich 1,4 Kindern deutlich weniger Kinder als Menschen, die sich als religiös bezeichneten (durchschnittlich 1,9 Kinder).[27] Das Institut der deutschen Wirtschaft kam bei einer Auswertung der weltweit erhobenen Daten des World Values Survey zu ähnlichen Ergebnissen.[28]

Politische Wechselwirkungen

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Im Lauf der Geschichte kamen Atheisten vielfach mit politischen Autoritäten in Konflikt. Die Äußerung atheistischer Ansichten wurde noch im Jahre 2013 in zahlreichen Ländern mit Freiheitsentzug bestraft, in 13 Ländern sogar mit dem Tod.[29]

In der Neuzeit wurden gesellschaftliche Bereiche einschließlich der Politik, des Rechts und der Religionsausübung zunehmend autonom. Die Trennung von Kirche und Staat wurde mit Hilfe aufklärender Bewegungen verfassungsrechtlich verankert und dann durch staatskirchenrechtliche Bestimmungen ausgeformt. Diese Trennung wird als atheistisch bezeichnet (insbesondere im Laizismus). In Abgrenzung zu religiös-politischen oder auch staatsatheistischen Machthabern garantiert das rechtsstaatliche Prinzip eine weltanschauliche Neutralität in einer prozessual grundlegenden Weise. Rechtsstaatliche Verfassungsorgane sind in ihren Entscheidungen nicht nur von religiösen, sondern auch von sonstigen externen Einflüssen entsprechend entbunden und stattdessen vorrangig einer Verfassung verpflichtet, die in modernen Staaten auf Freiheitsklauseln basiert. Die entsprechend neutrale Rechtsbildung führte auch gegen politische Widerstände zu einer zunehmend rechtswirksamen Tolerierung atheistischer Positionen und Lebensgestaltungen in der modernen Welt.

Heute enthalten die Verfassungen vieler demokratischer Staaten das Menschenrecht auf Religionsfreiheit und darin eingeschlossen das Recht, Atheist zu sein oder zu werden. Nicht in allen diesen Staaten gibt es eine strenge Trennung von Staat und Religion, zumal Religionen aus Kultur- und Selbstbestimmungsgründen unterschiedlich stark geschützt werden (beispielsweise durch ein Recht auf Religionsunterricht). Hinzu kommt der Gottesbezug in Verfassungen. So beginnt die Präambel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland mit den Worten: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen …“. Die Präambel der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft beginnt mit den Worten: „Im Namen Gottes des Allmächtigen!“ Im Jahre 1998 scheiterte bei einer Totalrevision der Verfassung ein Vorstoß, diese Präambel zu streichen. Einige heutige Strafgesetzbücher enthalten Regelungen, die die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen als einen Straftatbestand ansehen. Atheistische Religions- oder Kirchenkritiker wurden infolgedessen in der Vergangenheit nach öffentlichen Äußerungen wiederholt strafrechtlich verfolgt.

Auf der anderen Seite war Atheismus Bestandteil der marxistisch-leninistischen Staatsdoktrin, zum Beispiel in der Sowjetunion und in der Deutschen Demokratischen Republik, so dass Formen der Religionsausübung in den staatlich gelenkten Erziehungseinrichtungen keinen Ort hatten und politisch bekämpft wurden. Die Entkirchlichung Ostdeutschlands wird von Richard Schröder als die wohl wirksamste Hinterlassenschaft des SED-Regimes angesehen. Seinen Angaben zufolge waren im Jahre 1950 noch 91,5 Prozent der DDR-Bürger Kirchenmitglieder, 1964 noch 67,4 Prozent und am Ende der DDR etwa 25 Prozent.[30] Diese Entwicklung setzt sich auch nach der Wiedervereinigung fort, so ging der kirchlich gebundene Bevölkerungsanteil weiter zurück und liegt in Großstädten wie Magdeburg oder Halle mittlerweile nur noch bei rund 15 %. Die Mitgliederschaft der beiden größeren Kirchen in Ostdeutschland ist darüber hinaus in hohem Maße überaltert und wird daher weiterhin abnehmen.

Die von staatlicher Seite als Fortschrittsdoktrin gelehrte, marxistisch grundierte atheistische Weltanschauung wird von Kritikern wie Herbert Schnädelbach als „konfessioneller Atheismus“ und „Staatsreligion“ oder „Staatsatheismus“ bezeichnet.[31] In der Volksrepublik Albanien wurde 1967 (bis 1990) ein totales Religionsverbot ausgerufen, und das Land bezeichnete sich als „erster atheistischer Staat der Welt“. Im gesamten so genannten Ostblock wurde der Atheismus gefördert, während gelebte Religiosität zumindest argwöhnisch betrachtet wurde, oft auch mit Nachteilen verbunden war oder gar gezielt verfolgt wurde, wie etwa bei den Christenverfolgungen unter Stalin. NGOs zufolge werden auch heute noch religiöse Gruppen und Einzelpersonen in manchen sich selbst als „atheistisch“ verstehenden Staaten wie Nordkorea[32] verfolgt und oftmals inhaftiert, gefoltert und getötet.

Der Atheismus wird aktiv gefördert, beispielsweise im Humanismus, im Existentialismus und durch die Freidenkerbewegung. Zu großen Anteilen sind der Sozialismus, Kommunismus und Anarchismus atheistisch geprägte Weltanschauungen. In den beiden letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, so Georges Minois in seiner Geschichte des Atheismus, habe der Eifer des antireligiösen Kampfes nachgelassen: „Die Lager zerfallen rasch, abgesehen von einem unvermeidlichen harten Kern auf beiden Seiten. Der Zweifel durchdringt alle Gemüter, genährt von einem Gefühl der Ohnmacht und Vergeblichkeit, fast Nichtigkeit gegenüber Fragen, die einst die Geister entflammten.“[33]

Bedeutung im Wissenschaftskontext

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Der Biologe Richard Dawkins, der Astrophysiker Lawrence Krauss und die Wissenschaftsphilosophin Julia Galef im Jahr 2015

Eine Orientierung an naturwissenschaftlichen Erklärungsmodellen lässt für einige Wissenschaftler früh die „Gotteshypothese“ als methodisch unzulässig erscheinen, da sie keine wissenschaftlich beobachtbaren Konsequenzen habe, mithin auch keine wissenschaftlich beschreibbaren Phänomene erkläre. Eine derartige Ausklammerung Gottes aus wissenschaftlicher Forschung wird als methodischer oder methodologischer Atheismus bezeichnet.[34] Er impliziert allerdings keinen theoretischen Atheismus, behauptet also nicht, dass Gott nicht existiert. Daher wird manchmal präziser von „methodischem Noninterventionismus“ gesprochen.[35]

Die Frage, ob wissenschaftliches Denken und die Annahme eines Gottes überhaupt dergestalt in Beziehung treten können, dass eine gegenseitige Bestätigung oder Widerlegung denkbar ist, wird unter Wissenschaftstheoretikern kontrovers beurteilt. Auch in populärwissenschaftlichen Schriften finden sich gegenteilige Annahmen. Einige, z. B. Stephen Jay Gould und John Polkinghorne, vertreten den Standpunkt, dass die Wissenschaft mit der Religion nicht in Konflikt stehe, da sich Erstere mit Empirie, Letztere hingegen mit Fragen letzter Begründung und mit moralischen Werten befasse. Andere, z. B. Richard Dawkins, Steven Weinberg und Norman Levitt, argumentieren, dass Theismus mit einer wissenschaftlichen Weltsicht grundsätzlich unvereinbar sei, da Wunder wie die Auferstehung Jesu Christi die Naturgesetze außer Kraft setzen müssten; die Wissenschaft führe demnach zwangsläufig zu Atheismus, Deismus oder Pantheismus.[36]

Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gab es noch mehrere wirkungsmächtige, intellektuell sogar hegemoniale „wissenschaftliche Weltanschauungen“, darunter den Marxismus in mehreren politischen Ausformungen, die Psychoanalyse oder den Neopositivismus, die erklärtermaßen atheistisch waren und den Religionen eine schädliche Wirkung zuschrieben.[37]

Atheismus und Moral

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Mit anderen vertrat Immanuel Kant die Auffassung, dass moralische Prinzipien auch ohne Rückgriff auf höhere Wesen in der menschlichen Vernunft oder in der Natur zu gründen seien. Recht und Moral gäben die Möglichkeit, Maximen von Freiheit und Handlungen unter allgemeinen (Vernunft-)Gesetzen bestehen zu lassen.[38] Zumindest sollte hier ableitbar sein, dass die Beurteilungskriterien rational verhandelbar seien.

Vor allem in kirchlichen Kreisen wird die Meinung vertreten, dass mit dem fehlenden Glauben an Gott die Verneinung moralischer Werte im Sinne eines Nihilismus einhergehe.[39] So bezeichnet der evangelikale Religionswissenschaftler und Publizist Ravi Zacharias den Atheismus als „jeden Wertes beraubt“ und bestreitet, dass es fundierte moralische Prinzipien ohne Rückgriff auf höhere Wesen geben könne. Der katholische Staatsrechtler und vormalige Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde wird mit der Formel zitiert: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Dieses sogenannte Böckenförde-Diktum wird teilweise so gedeutet, dass Demokratien auf religiöse Bindungen als Garanten gemeinsamer Grundwerte angewiesen seien.

Gegen diese Deutung wendet sich Gerhard Czermak. Er meint, Böckenförde werde „gründlich missverstanden, wenn nicht instrumentalisiert“, sofern aus seinem Diktum abgeleitet werde,

„[…] der Staat müsse die Kirchen und Religionsgesellschaften als Wertestifter in besonderer Weise fördern, weil man sonst die Zerstörung fördere […]. Er [Böckernförde] spricht von Wagnis und verweist auf die in der Gesellschaft wirkenden höchst unterschiedlichen Kräfte. Es geht ihm darum, dass alle Gruppierungen mit ihrem je eigenen, auch moralischen, Selbstverständnis zur Integration eines Teils der Gesellschaft beitragen.“[40]

Empirische Ergebnisse zur Moral und ihre Interpretation

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Auch empirisch ist das Verhältnis von Religion und Moral nicht geklärt. Einige Untersuchungen legen nahe, dass persönliche Moral nicht von persönlicher Religiosität abhängig ist. So fanden z. B. Franzblau[41] bei Atheisten größere Ehrlichkeit, und Ross[42] bei Atheisten größere Hilfsbereitschaft gegenüber Armen. Gero von Randow entnimmt sozialpsychologischen Studien „eine auffallend geringe Kriminalität unter Nichtgläubigen. Das sollte umgekehrt auch nicht zu ihren Gunsten ins Feld geführt werden, denn sie sind tendenziell sozial besser gestellt und gebildeter als die Gläubigen, jedenfalls im Westen; wir haben es hier also nicht mit einem Religions-, sondern mit einem Klasseneffekt zu tun.“[43] Eine Trennung von Moral und Theismus stellt die Auffassung dar, die unter anderem John Leslie Mackie in seinem Buch Ethik und Richard Dawkins in seinem Buch Der Gotteswahn ausführen, nämlich dass Moral an den Prozess der biologischen Evolution gekoppelt und Ergebnis eines gesellschaftlich beeinflussten Entwicklungsprozesses sei. Hieraus könne folgen, dass die menschliche Moral auch dann Bestand habe, wenn Religionen in Verfall gerieten.

Empirische Ergebnisse zur Sinnsuche

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Laut einer empirischen Studie ist Atheismus (ebenso wie sich nicht einer Religionsgruppe zugehörig zu fühlen) mit der Vorstellung verbunden, dass das Leben dann sinnvoll ist, wenn man ihm selbst Sinn gibt. Dagegen unterscheiden sich Atheisten und Theisten nicht hinsichtlich ihrer Neigung zu Fatalismus oder Nihilismus.[44]

Abgrenzungen zu religiösen Orientierungen

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Aus atheistischer Perspektive erscheint das Handeln aufgrund angeblich göttlicher Gebote fragwürdig, weil die Bewertung eines Verhaltens oder einer Handlung nicht von den Folgen für die Betroffenen abhängt, also auf die zwischenmenschliche Ebene zielt, sondern als ethisch wünschenswert hauptsächlich vermittels der extrinsischen Festsetzung eines transzendenten Wesens gilt. Ein Mord zum Beispiel wäre nach streng theistischer Auffassung nicht bereits wegen der Folgen für das Opfer eine schlechte, zu verurteilende Handlung, sondern auf der Grundlage göttlicher Gebote. „Es erscheint als höchst problematisch, etwas so Notwendiges wie die Moral auf die Basis von so Dubiosem – wie es der religiöse Glaube ist – stellen zu wollen. Wie sollte auf diese Weise eine wirkliche Orientierung und Lebenskunde möglich sein?“, schreibt Gerhard Streminger.[45] Bereits Platon hatte in seinem frühen DialogEuthyphron“ mit dem sogenannten Euthyphron-Dilemma darauf hingewiesen, dass es generell unmöglich sei, das moralisch Gute im Rückgriff auf ein göttliches Prinzip zu begründen. Auch nach Kant kann die Verpflichtung eines Menschen zur Moralität prinzipiell nicht dadurch begründet werden, dass man auf die „Idee eines andern Wesens über ihm“, also auf einen Gott verweist.[46]

Dem Argument, ohne ein von einer göttlichen Instanz gegebenes, für jeden Menschen gleichermaßen verbindliches Gesetz sei es schwieriger, eine gemeinsame ethische Grundlage für eine Gesellschaft zu finden, halten manche Atheisten entgegen: Keine Religion könne überzeugend begründen, warum ihr Gesetz von einer göttlichen Instanz gegeben worden sein sollte und deshalb Allgemeinverbindlichkeit beanspruchen können sollte. Nicht einmal die Existenz irgendeiner göttlichen Instanz könne überzeugend begründet werden. So dürfe man davon ausgehen, dass die Gesetze der Religionen ebenso von Menschen gemacht seien wie alle anderen Gesetze und Verhaltensregeln: teilweise auf der Basis von Vernunft und Einsicht, teilweise auf der Basis der Interessen derjenigen, die über genug Macht verfügten, um ihre Vorstellungen durchzusetzen.

Während einerseits Gesetze einer göttlichen Instanz als Hilfsmittel zur Stabilisierung des sozialen Miteinanders angesehen werden, vertreten manche Atheisten die Auffassung, dass der Anspruch der Religionen auf Allgemeinverbindlichkeit ihrer Gesetze es oftmals erschwert habe, eine gemeinsame ethische Grundlage für eine Gesellschaft zu finden. Nicht selten habe der Versuch, diese Allgemeinverbindlichkeit durchzusetzen, zu Verfolgungen, Vertreibungen oder gar Glaubenskriegen geführt. Umgekehrt wird auf Christenverfolgungen gemäß atheistischer Staatsdoktrin verwiesen.

Atheisten halten eine religiöse Überzeugung für die Erarbeitung einer gemeinsamen (moralisch-)ethischen Grundlage vielfach eher für hinderlich: Viele Gläubige fühlten sich an göttliche Gesetze gebunden und seien vermutlich deshalb weniger bereit, ihre Vorstellungen in Zusammenarbeit mit anderen Menschen weiterzuentwickeln. „Prallen Anhänger religiös fundierter Ethiken aneinander, so sind Konflikte in vernünftiger Weise kaum zu lösen, da alle sich von Gott geleitet fühlen; alle glauben, dass die eigenen Gebote objektiv gegeben, eben gottgewollt seien“, schreibt Gerhard Streminger.[45] Einige Gläubige hingegen betrachten die (moralisch-)ethischen Vorstellungen, die ihre Religion mit verwandten Religionen gemeinsam hat, als gute Grundlage für Zusammenarbeit und Weiterentwicklung.[47]

Ein Problem mangelnder Bereitschaft zur Weiterentwicklung ethischer Vorstellungen kann aus atheistischer Sicht darin liegen, dass die Anpassung von Verhaltensregeln an neue gesellschaftliche Gegebenheiten verhindert wird. Für die ethische Beurteilung einer Scheidung zum Beispiel sei zu berücksichtigen, ob die Frau als Konsequenz daraus materieller Not und gesellschaftlicher Ächtung ausgesetzt wäre, oder ob sie materiell abgesichert und gesellschaftlich akzeptiert bliebe.

Atheistisch-weltanschauliche Gruppierungen

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Das niederländische Magazin „De Vrijdenker“ (Der Freidenker)

Während Glaubensvertreter den Atheisten vielfach die für ein funktionierendes gesellschaftliches Zusammenleben nötige ethische Fundierung absprechen, findet andererseits – hauptsächlich in der westlichen Welt – seit einigen Jahrzehnten eine lebhafte Auseinandersetzung darüber statt, ob nicht atheistischer Humanismus eine zeitgemäßere Grundlage für eine allgemeine Ethik bietet als die tradierten Religionen.

Deutschsprachige Gruppierungen, Stiftungen und Dachverbände:

Im Ausland tätige Gruppierungen, Stiftungen und Dachverbände:

Internationale Bewegungen, Dachverbände und Komitees:

Religiöser Atheismus

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Die Frage, was an einer Haltung religiös sein könne, in der Gott offensichtlich keine Rolle spielt, behandelte Ronald Dworkin in seinen Vorlesungen zu Albert Einstein. Seine Antwort: „Religion ist etwas Tieferes als Gott.“ „Er verstand sich als religiöser Atheist, das heißt: Er glaubte zwar nicht an Gott, wohl aber an die sinnhafte Einheit des Kosmos und die Versöhnung von Glauben und Wissen.“ Während Theisten sie als von Gott geboten betrachten, argumentiert Dworkin, unsere ethischen Überzeugungen „könnten wir nicht haben, ohne zu denken, dass sie objektiv wahr sind“.[50]

Atheismus als religiöses Bekenntnis

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Einige Atheisten verstehen ihre Weltanschauung als religiöses Bekenntnis und streben auf dem Wege einer religionsrechtlichen Anerkennung als Religionsgemeinschaft eine Gleichberechtigung und staatliche Gleichbehandlung an.

Eine deutschsprachige Gruppierung dieses Typs ist die Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich.[51] Am 30. Dezember 2019 brachte sie den Antrag auf Feststellung des Erwerbs der Rechtspersönlichkeit als staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft „Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich“ beim Kultusamt im österreichischen Bundeskanzleramt ein.[52]

Freireligiöse Bewegung

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Laut Eigendarstellung der freireligiösen Bewegung gibt es unter den Freireligiösen auch Atheisten oder atheistisch-religiöse Positionen.[53]

Jüdischer und christlicher Atheismus

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Die Religionskritik der Bibel ist der Ausgangspunkt eines jüdischen und christlichen Atheismus. Das Judentum beschreibt Douglas Rushkoff, Professor für Kommunikationstheorie an der New York University, aufgrund der Bilderlosigkeit des biblischen Gottes als Ausweg aus der Religion (Nothing Sacred: The Truth about Judaism, 2004). In den 1960er Jahren bildete sich in den USA eine Gruppe von Theologen, welche unter dem Satz „Gott ist tot“ einen christlichen Atheismus proklamierte. Vertreter dieser Richtung sind der Theologe Thomas J. Altizer (The Gospel of Christian Atheism, 1966), William Hamilton (Radical Theology and the Death of God, 1966), Paul van Buren (The Secular Meaning of the Gospel, 1963) oder Gabriel Vahanian (The Death of God, 1961).

Der „Tod Gottes“, also die vermeintliche Unmöglichkeit, in der modernen Welt rational an einen Gott zu glauben, sei, so beispielsweise J. Altizer, eine gute Nachricht, da sie den Menschen von einem transzendenten Tyrannen befreit habe. Die säkulare Botschaft der Evangelien beziehe sich gemäß Paul van Buren allein auf den „Befreier“ Jesus von Nazaret. Während der Glaube an einen (jenseitigen) Gott abgelehnt wird, steht bei den „christlichen Atheisten“ die ethisch-moralische Botschaft Jesu, die rein auf das Diesseits bezogen wird, im Mittelpunkt. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich auch eine Verknüpfung von Atheismus und Christentum entwickelt, die sich explizit auf das Schweigen Gottes angesichts der Ermordung von Millionen von Juden durch deutsche Nationalsozialisten im Holocaust bezieht. Die deutsche Theologin Dorothee Sölle ist die bekannteste Vertreterin dieser Richtung. Beeinflusst wurden einige Theologen der „Gott-ist-tot-Theologie“ auch durch die religionsphilosophischen Gedanken Ernst Blochs im dritten Band seines Hauptwerkes Das Prinzip Hoffnung. 1968 hat Bloch Gedanken daraus zusammengefasst, präzisiert und erweitert in dem Buch Atheismus im Christentum, in dem sich der Satz findet:

„Nur ein Atheist kann ein guter Christ sein, gewiss aber auch: nur ein Christ kann ein guter Atheist sein.“

Dorothee Sölle, von Bloch beeinflusst, veröffentlichte ebenfalls 1968 ein Buch mit einem ganz ähnlichem Titel: Atheistisch an Gott glauben. Atheismus bedeutet bei Ernst Bloch wie auch bei Dorothee Sölle nicht den Verzicht auf Sinnhaftigkeit oder Transzendenz, sondern die Abkehr von einem allzu theistischen Gottesbild, der Vorstellung eines Gottes, der als allmächtiger, allwissender und allgegenwärtiger Gott Not und Leid bis hin zu Auschwitz zugelassen hat. In der Dekonstruktion und in der Nachfolge des Denkens von Emmanuel Levinas und Jacques Derrida fand sich ein weiterer Ansatz der Ausarbeitung eines christlichen Atheismus. Vertreter sind unter anderem Peter Rollins und Jean-Luc Nancy (Dekonstruktion des Christentums 2008). Kurzgefasst kann man darin die Vereinnahmung der Geste der Dekonstruktion sehen, in der der Sohn das Gesetz, die Arché des Vaters auflöst, indem er aber selbst vom Gesetz verurteilt wird. Damit werden messianische Ansätze des späten Derrida mit seinem Denken über die différance verbunden.

Der Buddhismus kennt keinen Glauben an einen Schöpfergott. Manche buddhistische Schulen nehmen aber in ihrer Kosmologie die Existenz zahlreicher anderer Ebenen der Wirklichkeit an, auf denen sowohl besser- als auch schlechtergestellte Wesen existieren, von denen die höheren Wesen den hinduistischen Göttern (Devas und Asuras) entsprechen. Diese Götter sind allerdings wie alle Wesen selbst im Existenzkreislauf, Samsara, gefangen; im Sinne der Wiedergeburtslehre kann jedes Wesen irgendwann auch als Deva geboren werden, wenn das entsprechende Karma (in diesem Fall überaus große Freigiebigkeit oder Samadhi-Erfahrungen) angesammelt wurde.

Im Mahayana- oder nördlichen Buddhismus verehrt man darüber hinaus Wesen, die selbst Buddhas oder Bodhisattvas geworden sind. Durch den Respekt, den man diesen entgegenbringt, entsteht eine der notwendigen Grundlagen, selbst diesen Zustand zu erlangen. Daher werden im Buddhismus zahlreiche Statuen, Stupas und Tempel errichtet, die Objekte der Verehrung sind. Diese Wesen sind aber keine Götter, sondern Vorbilder. Im Theravada- oder südlichen Buddhismus ist das Ziel Arhatschaft, also Befreiung ohne Wiederkehr, sodass Arhats nur in der letzten Phase ihres letzten Lebens verehrt werden können. Daneben gibt es auch hier zahllose Stupas, Tempel, Buddhastatuen und Bildnisse früherer Arhats, zum Teil sogar von Bodhisattvas. Die Frage nach einem Schöpfergott wird als unfruchtbare metaphysische Spekulation zurückgewiesen und stattdessen die Ergründung der eigenen Erkenntnismöglichkeiten betont.

Der Atheismus wird gemäß islamischem Recht bekämpft. Der Koran nennt keine diesseitigen Strafen für den „Abfall vom Islam“, worunter auch die Zuwendung zum Atheismus fällt. Im islamischen Recht, der Scharia, ist diese jedoch auf Grundlage von Hadithen und Idschmāʿ mit der Todesstrafe zu ahnden. Im Sudan (StGB aus dem Jahre 1991, Art. 126), Republik Jemen, Iran, Saudi-Arabien, Katar, Pakistan, Afghanistan, Somalia und in Mauretanien (StGB aus dem Jahre 1984, Art. 306) kann Abfall vom Islam noch heute mit dem Tode bestraft werden. Auch in Ländern, die keine islamischen Gerichtshöfe mehr haben, deren staatliche Rechtsordnung sich aber weiterhin an der Scharia orientiert, kann der bekundete „Abfall vom islamischen Glauben“ zivilrechtliche (Erbrecht, Eherecht) und strafrechtliche Konsequenzen haben.

Ungeachtet der religiösen Dominanz gab es in der muslimischen Geschichte stets atheistische Persönlichkeiten, darunter der arabische Dichter Abū l-ʿAlāʾ al-Maʿarrī sowie der persische Mathematiker und Dichter Omar Chayyām.

Im pantheistischen (griechisch: Allgottlehre) Gotteskonzept nimmt die Alleinheit des Universums die Schöpferrolle ein. Gott und Natur sind demnach gewissermaßen identisch. Da es im Pantheismus keinen persönlichen Gott gibt, wurde und wird der Pantheismus sowohl von Theisten als auch von Atheisten manchmal als ein hinter einer religiösen Sprache versteckter Atheismus betrachtet. Arthur Schopenhauer nannte den Pantheismus eine „Euphemie für Atheismus“.[54] „Pantheismus ist nur ein höflicher Atheismus“, heißt es in einem Schopenhauer-Zitat von Ernst Haeckel.[55] Der französische Philosoph Jean Guitton vertritt in seinem Werk die Überzeugung, dass er dem Atheismus die Verlegung des Gottesbegriffs in die Welt nachweisen könne und ordnet ihn daher generell dem Pantheismus zu.[56] Der Pantheismus wird von seinen Anhängern als religionsphilosophische Lehre betrachtet und wurde in früheren Zeiten nicht dem Atheismus zugehörig betrachtet, was sich aber inzwischen geändert hat.[57]

Geschichtliche Entwicklung

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Atheismus ist „so alt wie das menschliche Denken, so alt wie der Glaube, und der Konflikt zwischen beiden ist ein ständiges Merkmal der abendländischen Zivilisation“,[58] heißt es bei Georges Minois, der Atheismus sowohl ideen- als auch verhaltensgeschichtlich zu erfassen sucht. Für die frühen Hochkulturen ergibt sich allerdings die Schwierigkeit, dass etwa sakrale Gebäude und kultische Schriften zu den vorherrschenden Überlieferungszeugnissen immer schon gehörten, während die weniger auffälligen Zeugnisse von Skeptizismus, Nichtglauben und religiöser Gleichgültigkeit erst in jüngerer Zeit einer intensivierten Forschung unterzogen werden, die etwa auch den asiatischen Raum einschließt. Praktischer und theoretischer Atheismus hatten und haben aber je eigene und einander ergänzende Bedeutung:

„Die Geschichte des Atheismus ist nicht allein die Geschichte des Epikureismus, des freigeistigen Skeptizismus, des Materialismus der Aufklärung, des Marxismus, des Nihilismus und einiger anderer intellektueller Theorien. Es ist auch die Geschichte von Millionen einfacher Menschen, die in ihren Alltagssorgen stecken und zu sehr mit dem bloßen Überleben befasst sind, als dass sie sich Fragen über die Götter stellen.“[59]

In Antike und Mittelalter waren sowohl das private als auch das öffentliche Leben in der Regel von religiösen Vorstellungen durchdrungen, wogegen Skepsis und Zweifel eher bei Minderheiten und in intellektuellen Kreisen anzutreffen waren. Während sich die kritischen Auseinandersetzungen innerhalb der römisch-katholischen Kirche im späten Mittelalter verstärkten und in der Reformation einen Höhepunkt fanden, erfuhr der Atheismus im Zeitalter der Aufklärung einen bedeutenden Aufschwung und durch die Französische Revolution eine starke gesellschaftliche Verbreitung. Dies führte zur Säkularisierung und vielfach zur Trennung von Kirche und Staat.

Im 19. und 20. Jahrhundert wurden verschiedenste atheistische Positionen mit breitem theoretischem Fundament entwickelt, insbesondere im Marxismus, im Existentialismus und in der analytischen Philosophie. Zudem bestehen im philosophischen Materialismus und im philosophischen Naturalismus Verbindungslinien zum Atheismus.

Süd- und Vorderasien

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Die frühesten belegbaren Formen des theoretischen Atheismus finden sich in den alten Hochkulturen Süd- und Vorderasiens. In Indien weisen einige der ältesten philosophischen Systeme atheistische Formen auf. Hierzu zählen der Jainismus, das Samkhya (beide entstanden etwa im 6. Jahrhundert v. Chr.) sowie das Vaisheshika und das Nyaya. Insbesondere die Tradition des Samkhya ist im indischen Denken bis heute lebendig geblieben (vergleiche Atheismus in Indien).

Klar materialistisch-atheistisch war die indische Schule der Charvaka, die zweifelsfrei seit dem 6./7. Jahrhundert n. Chr. als feste Strömung belegbar ist und mindestens bis ins 16. Jahrhundert existierte. Sie berief sich auf die heute verlorenen „Barhaspati Sutras“. Nach Meinung vieler Indologen war es jedoch kein atheistisches Werk, sondern eine gegen etablierte Religionen skeptische, aber ethische Schrift. Einzelne Skeptiker sind vom 5. Jahrhundert v. Chr. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. überliefert.[60]

Der Buddhismus, der im 5. Jahrhundert v. Chr. in Indien entstand, und der Daoismus, der im 4. Jahrhundert v. Chr. in China entstand, kennen keine Schöpfergottheit.[61] [62]

In Teilen der Fachliteratur wird der Zervanismus der antiken Perser mit dem übergeordneten unpersönlichen Prinzip des Zurvan („Zeit“ und Raum) als eine Form des Atheismus angesehen. Materialistisch und vorwiegend atheistisch war die spätestens seit dem 5. Jahrhundert n. Chr. existierende Strömung der „Zandiks“ oder „Dahri“.

Ob die Hebräer einen theoretischen Atheismus kannten, ist umstritten. Jean Meslier sah in einigen Stellen des Alten Testaments Belege für die Existenz von Atheisten. So z. B. in Ps 10,3:

„Es redet stolzen Sinnes der Frevler: / ‚Nie wird er strafen, es gibt keinen Gott!‘ / Dies ist all sein Sinnen und Trachten.“

Diese Interpretation wird von den meisten Exegeten jedoch nicht geteilt. Ihrer Meinung nach würden an den besagten Stellen stets nur bestimmte Eigenschaften Gottes geleugnet, nie aber seine Existenz.

Griechisch-römische Antike

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Demokrit, Kupferstich nach antiker Büste, 18. Jahrhundert

Die fragmentarisch überlieferten ontologischen Systeme der Vorsokratiker erklären die Strukturen der Wirklichkeit nicht durch mythische oder ätiologische Erzählungen, sondern durch Zurückführung auf ein oder mehrere Prinzipien. Bei beispielsweise Demokrit oder Epikur kommen hierfür nur materielle Prinzipien in Betracht, so dass ein transzendenter, insbesondere geistiger Gott weder verwendet wird, noch Ort oder Funktion in diesen Systemen bekommen könnte. Andererseits ergeben sich bisweilen Konflikte mit etabliertem religiösem Kult und etablierter Rede über die Götter, weil ontologischen Prinzipien ähnliche oder dieselben Eigenschaften zugeschrieben werden wie den Göttern, etwa, über Naturprozesse zu regieren, ewig zu sein oder Prinzip für Leben und Denken zu sein. Die frühesten Formen einer Kritik der etablierten Gottesvorstellungen beziehen sich vor allem auf unangemessen menschliche Vorstellungsweisen (Anthropomorphismus). Göttern werden z. B. wankelmütige, jähzornige, eifersüchtige und egoistische Charakterzüge abgesprochen, wie sie in den Mythen Hesiods und Homers hervortreten. Beispiele hierfür sind Xenophanes, Heraklit und Protagoras. Xenophanes etwa erklärt die Göttervorstellungen und auch deren Verschiedenheit durch Projektion menschlicher Eigenschaften und formuliert polemisch:

„Stumpfnasig, schwarz: so seh’n Äthiopiens Menschen die Götter
Blauäugig aber und blond: so seh’n ihre Götter die Thraker
Aber die Rinder und Rosse und Löwen, hätten sie Hände
Hände wie Menschen, zum Zeichnen, zum Malen, ein Bildwerk zu formen,
Dann würden Rosse die Götter gleich Rossen, die Rinder gleich Rindern
Malen, und deren Gestalten, die Formen der göttlichen Körper,
Nach ihrem Bilde erschaffen: ein jedes nach seinem.“

Während derart anthropomorphe Gottesvorstellungen, so der Tenor dieser Kritik, nichts anderes sind als eben nur menschliche Vorstellungen, tritt dem als kritisches Korrektiv zunehmend die Vorstellung eines monotheistischen, transzendenten göttlichen oder quasi-göttlichen Prinzips gegenüber. Empedokles (* zwischen 494 und 482; † zwischen 434 und 420 v. Chr.) sah in Göttern auch Personifizierungen der vier Elemente. Kritias (* 460; † 403 v. Chr.) betrachtete die Religion als menschliche Erfindung, die der Aufrechterhaltung der moralischen Ordnung dienen sollte.

Skeptizismus und Asebie-Prozesse

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Ein Abrücken oder Infragestellen der in der Polis kultisch verehrten Götter seitens skeptischer Philosophen oder naturwissenschaftlich orientierter Denker konnte zu Anklagen und Verurteilungen führen. Gottlosigkeit und Frevel an Göttern wurden im alten Athen als Asebeia teilweise auch strafrechtlich verfolgt. Eine erste Welle bekannter Asebie-Prozesse, bei denen politische Motive mitgewirkt haben dürften, richtete sich gegen Vertraute und Freunde des Perikles, darunter Aspasia und Anaxagoras.

Der im 5. Jahrhundert v. Chr. namentlich von Sophisten geförderte Prozess der Infragestellung herkömmlicher Gottesbilder, auf den in den Asebieprozessen reagiert wurde, setzte sich unaufhaltsam fort. Auf Widerstand in dieser Form stieß auch der wegen seines religiösen Relativismus 415 v. Chr. aus Athen verbannte Protagoras, der sein Nichtwissen über die Existenz der Götter betonte und gleichzeitig erklärte, der Mensch sei das Maß aller Dinge. Skeptizistische und agnostische Positionen, wie sie die Sophisten und Sokrates (* 469; † 399 v. Chr.) vertraten, fanden eine zunehmende Verbreitung, und die Anklage wegen Gottlosigkeit gegen die „Physiker“ wird gängige Praxis: „Der Gelehrte, der in einem positivistischen Geist arbeitet, wird beschuldigt, das Geheimnis der Götter ergründen und das Heilige gewissermaßen ‚zergliedern‘ zu wollen.“[63] Einige der Angeklagten vertraten in den überlieferten Asebie-Prozessen nicht nur eine agnostische, sondern eine dezidiert atheistische Position (Diagoras von Melos, Theodoros von Kyrene).

Von einer geistesgeschichtlich bis heute nachhallenden Wirkung war der Prozess gegen Sokrates. Seine Glaubensskepsis ist im platonischen Dialog Phaidros zum Ausdruck gebracht: Es sei abwegig, etwas über die Mythen und die Götter zu sagen, da er noch nicht einmal die Zeit habe oder in der Lage sei, sich selbst zu erkennen. „Lächerlich also kommt es mir vor, solange ich hierin noch unwissend bin, an andere Dinge zu denken.“[64]

Platon ist aber als Sokrates’ Schüler nicht nur die wichtigste Überlieferungsquelle für dessen Denken und Philosophieren, sondern Minois zufolge der Erstverantwortliche für die Verfemung des Atheismus in den nachfolgenden zwei Jahrtausenden. In seinem Spätwerk Nomoi (Gesetze) bezieht er eine pantheistische Position, die sich von einem strengen Naturalismus abgegrenzt, weil dieser die nichtmateriellen Wirkungskräfte verkenne:

„Werden wir nun wohl über den Mond und alle Sterne, über Jahre, Monate und Jahreszeiten eine andere als dieselbe Schlussfolgerung ziehen können als abermals eben dieselbe: weil Eine oder mehrere Seelen ihnen allen als wirkende Kräfte zu Grunde liegend und als Wesen von aller möglichen Vollkommenheit erschienen sind, so müssen wir behaupten, dass alle diese Wesen Götter sind, sie mögen nun in Körpern wohnend und mit diesen zu lebendigen Wesen verbunden oder auf welche andere Weise immer die ganze Welt leiten und regieren? Und wer dies zugibt, wird der noch leugnen können, daß Alles mit Göttern erfüllt sei?“[65]

Im zehnten Buch der Nomoi geht es Platon darum zu beweisen, dass es Götter gibt, dass sie sich auch um die Kleinigkeiten des Lebens kümmern, ohne aber bestechlich zu sein, und im Weiteren darum zu begründen, dass Atheisten je nach Grad der Gottesleugnung und Heuchelei mit abgestuften Sanktionen bis zur Todesstrafe zu belegen seien. Da es in Platons Lehre außerhalb der materiellen Welt eine höherwertige Welt der Ideen, der Archetypen, der Seelen und des Göttlichen gibt, gelten Atheisten, so Minois, fortan als von niederem Denken beherrscht und unfähig, sich zur Kontemplation der Ideen zu erheben.

„Atheist zu sein konnte bisher notfalls als ein Irrtum und ein Beweis für staatsfeindliches Denken gelten; von nun an ist es nicht nur ein Zeichen von Blindheit, sondern auch ein Zeichen bösen Willens und niederer Gesinnung, gefährlich für das gesellschaftliche und politische Leben, da er in den öffentlichen und privaten Verhaltensweisen keine absoluten Werte anerkennt. Die Quellen der Moral lagen bisher in der menschlichen Welt, die sich von der göttlichen Welt nicht grundsätzlich unterschied. Indem Platon die beiden trennt und die unwandelbaren Werte bei den Göttern ansiedelt, erklärt er die Atheisten zu unmoralischen Menschen, die keine absoluten Verhaltensnormen kennen und einzig ihren Leidenschaften gehorchen. Die Unterdrückung des Atheismus im Namen der Moral und der Wahrheit kann beginnen.“[66]

Der Einfluss platonischer Schulen auf die Unterdrückung des Atheismus ist umstritten. Als die Prozesse wegen Gottlosigkeit im Verlauf des 4. Jahrhunderts v. Chr. abnahmen, waren skeptische Einstellungen nicht etwa zurückgegangen, sondern unterdessen so verbreitet, dass die strafrechtliche Verfolgung immer weniger Wirkung zeigte. So konnte der Kyniker Diogenes (* ca. 400; † 325 v. Chr.) seinen Spott über Götter, Mysterien, Vorsehung und Aberglauben in Athen verbreiten, ohne dass man ihm den Prozess machte.

Epikur (341.v. Chr. – 270.v. Chr.)

Während die Verehrung der anthropomorphen olympischen Götter auch im häuslichen Kult immer mehr an Bedeutung verlor, traten im Zuge des Zerfalls von Polis und herkömmlicher stadtstaatlicher Ordnung – auf dem Wege also zu den hellenistischen Großreichen und danach zum Römischen Reich – neben allerlei importierten Mysterienkulten und auswärtigen Gottheiten auch zunehmend vergöttlichte Herrscher, die auf diese Weise religiöse Bindungsbereitschaft zum eigenen Vorteil umlenkten.

Weit entfernt von den alten Glaubensformen sind auch die an der Wende vom 4. zum 3. Jahrhundert v. Chr. entstehenden philosophischen Lehren des Epikureismus und der Stoa. Bei den Stoikern kommen pantheistische Vorstellungen zur Entfaltung, die das Göttliche mit der Allnatur verschmelzen und darin den Wirkungsort für die Menschen und für ihr ethisches Bezugssystem finden. Bei Epikur verschwinden die Götter in vom menschlichen Dasein gesonderten Welten und haben keinerlei Wirkungsmacht über die Menschen und ihr Treiben. Es handelt sich getreu dem rein materialistischen Weltbild Epikurs auch bei den Göttern um atomar konstituierte Wesen. Allerdings empfiehlt Epikur als der eigenen Seelenruhe dienlich, sich den staatlich vorgeschriebenen Kulten und religiösen Bräuchen flexibel anzupassen.

Römische Antike

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Mit der römischen Expansion verloren die überlieferten lateinischen Götter an Bindungskraft und Bedeutung. Die Eroberung Griechenlands und des östlichen Mittelmeerbeckens durch die Römer brachte mit auswärtigen Religionen und Gottheiten spiritualistische und materialistische Denkschulen zuhauf nach Rom, etwa Kybele, Isis, Osiris und Serapis, dazu astrologische und magische Vorstellungen sowie auch platonische, kynische und skeptische, epikureische und stoische Lehren.

Der von Lukrez in Rom hymnisch verbreitete Epikureismus, in dessen Zentrum ein asketisch unterlegtes Lust- und Glücksstreben steht, stellt sich mit der vollständigen Abscheidung der Götter als eine im Grunde konsequent atheistische Morallehre dar. Die Stoa wiederum, die in den herrschenden Kreisen der römischen Gesellschaft häufig angenommen wurde, vermittelt einen nur vage-verschwommenen Gottesbegriff und trennt in dem anzustrebenden Ideal des stoischen Weisen kaum noch zwischen Mensch und Gott. Ciceros Untersuchung über die Natur der Götter (De natura deorum) mündete in Skepsis: „Bestimmt wird selbst diejenigen, die darüber etwas zu wissen glauben, die so große Uneinigkeit der gelehrtesten Männer in dieser wichtigen Frage zu gewissen Zweifeln zwingen.“[67]

Eine – freilich weniger reflektierte – agnostische Grundstimmung scheint in der frühen Römischen Kaiserzeit (parallel zum Beginn des Frühchristentums) auch in Volkskreisen verbreitet gewesen zu sein; so legt der Schriftsteller Petronius in seinem satirischen Roman Satyricon (in der Szene des Gastmahls des Trimalchio) dem Protagonisten Ganymedes die Worte in den Mund[68]:

„Niemand glaubt mehr an den Himmel, niemand hält die Fasten, niemand kümmert sich um Jupiter, sondern alle machen die Augen zu und zählen nur ihren Zaster.“

Der sich einstellenden Vielfalt weltanschaulich-religiöser Vorstellungen gegenüber stand die Bereitschaft, als Atheismus zu diskriminieren und zu kriminalisieren, was nicht zu den etablierten Staatskulten gehörte. Davon war in seinen Anfängen auch das Christentum betroffen. Denn dessen Anhänger lehnten es aus Glaubensgründen ab, an den religiösen Staatskulten teilzunehmen.[69] In der Ablehnung insbesondere des Kaiserkults wurden sie nicht selten zu Märtyrern.

Mittelalter und Reformation

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Ob es im Mittelalter Atheismus im Sinne einer Leugnung der Existenz eines Gottes gab, ist umstritten. Traditionell wird das „christliche Mittelalter“ als Zeitalter angesehen, in dem Europa komplett durch das Christentum bestimmt war, mit der Ausnahme kleiner jüdischer und muslimischer Minderheiten. Die oft dürftige und fast durchgängig christlich geprägte Quellenlage erschwert eine eindeutige Zuordnung einzelner Denker oder Personengruppen zum Atheismus.

Der Theologe Walter R. Dietz schreibt, die Bezeichnung Atheismus sei im Mittelalter nur verwendet worden für Leugnungen des dreifaltigen Gottesgedankens, etwa durch den Islam.[70] Nach dem evangelischen Theologen Jan Milič Lochman trat Atheismus im Sinne von Gottesleugnung oder Gottlosigkeit in Europa erst seit dem 16. und 17. Jahrhundert auf.[71] Dem französischen Historiker Georges Minois zufolge gab es im Mittelalter durchaus Atheismus, und zwar sowohl in seiner praktischen, wie auch zumindest ansatzweise in seiner theoretischen Form. Der Glaube habe das Mittelalter zwar beherrscht, der Atheismus habe aber im Leben und Denken einer Minderheit überdauert.[72]

Theoretischer Atheismus

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Seit dem 13. Jahrhundert ist eine zunehmende Kritik christlich-katholischer Glaubensinhalte zu beobachten. Eine wesentliche Rolle scheint hierbei die Wiederentdeckung aristotelischer Lehren und deren Interpretation durch islamische Philosophen gespielt zu haben.[73] Wirkungsmächtig waren insbesondere der Aristotelismus und der Averroismus. Bedeutend war, dass Aristoteles, obwohl er teilweise als „Heide“ bezeichnet wurde, doch als der Meister des logischen Denkens galt. Die aristotelische Philosophie widerspricht der christlichen Lehre insbesondere in zwei Punkten: Sie verneint die Schöpfung und die Unsterblichkeit der Seele.[74] Daher wurde das Unterrichten seiner Physik und Metaphysik auch wiederholt durch päpstlichen Erlass untersagt.

Dennoch erstritt sich Georges Minois zufolge die Vernunft vom 11. bis 13. Jahrhundert eine zunehmend größere Unabhängigkeit vom Glauben.[75] Petrus Abaelardus forderte ein, dass der Glaube den Regeln der Vernunft nicht widersprechen dürfe. Boetius von Dacien trat für die strikte Trennung von rational erfassbarer Wahrheit und Glaubenswahrheiten ein. Siger von Brabant ging noch weiter und bestritt zahlreiche zentrale christliche Dogmen. Die christliche Autorität reagierte einerseits mit Zensur und Repression. Zudem gab es jedoch auch verstärkte Bemühungen, den Glauben durch Gottesbeweise zu untermauern.

Wilhelm von Ockham erklärte alle Versuche, Glaubenssätze mit den Mitteln der Vernunft zu beweisen, für von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Praktischer Atheismus

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Im 12. Jahrhundert provozierten die Goliarden in ihren Liedern mit zum Teil bewusst provokanten atheistischen Positionen wie „ich bin begieriger nach Wollust als nach dem ewigen Seelenheil“.[76] Eine skeptische Haltung in Bezug auf viele Glaubenssätze nahmen auch die englischen Lollarden ein.[77] Auch einige der so genannten „Blasphemiker“ könnten Atheisten gewesen sein. In dem mehreren Autoren zugeschriebenen Buch von den drei Betrügern sind Moses, Jesus Christus und Mohammed gemeint.[78] Daneben lebten auch pantheistische Weltanschauungen in kleineren Glaubensgemeinschaften und unter Einzelpersonen fort. Sie sind zwar nicht dem Atheismus im engeren Sinne zuzuordnen, forderten aber wohl den christlichen Glauben heraus. Vertreter sind insbesondere die Pariser Theologen David von Dinant und Amalrich von Bena sowie die Brüder und Schwestern des freien Geistes.[79]

Im Volk ist die Existenz von Ungläubigen in zahlreichen Berichten von Wundern bezeugt. Zudem lassen sich im einfachen Bauernvolk materialistisch-atheistische Positionen nachweisen. So wurde unter anderem die Existenz einer unsterblichen Seele und die Wiederauferstehung Christi verneint.[80] Ein Beispiel für diese Art des „volkstümlichen Materialismus“ ist in den Verhörprotokollen des italienischen Müllers Menocchio festgehalten.[81] Gegen Ende des Mittelalters gibt es auch zunehmend Klagen christlicher Pfarreien über die schwache Präsenz der Gemeinde in der sonntäglichen Messe.[82]

Als mittelalterliche Bevölkerungsteile, die besonders vom Atheismus betroffen waren, werden Söldner und Exkommunizierte genannt. Die Zahl Letzterer ging allein in Frankreich zeitweise in die Zehntausende.[83]

Die Reformation brachte keine Abkehr vom (christlichen) Glauben, sondern wertete den persönlichen Glauben im Sinne subjektiver Überzeugung sogar auf. Dennoch ist die Reformation ein wichtiger Wendepunkt nicht nur in der Geschichte der Religion, sondern auch in der des Atheismus.

Durch die Reformation konnten sich mit den protestantischen Konfessionen erstmals Kirchen neben der katholischen etablieren, die zu stark waren, um dauerhaft gewaltsam unterdrückt werden zu können. Auf Dauer waren beide Seiten zur religiösen Toleranz gezwungen, später wurde diese auch auf zunächst nicht von dieser Toleranz eingeschlossene Gruppen, wie die Reformierten, erweitert. Diese Entwicklung hin zur Toleranz sollte später auch Atheisten zugutekommen. Durch die auf die Reformation folgenden Religionskriege diskreditierten sich die sich bekriegenden Kirchen in den Augen vieler selbst. Deutlich trat der Widerspruch zwischen öffentlich gepredigter christlicher Nächstenliebe und tatsächlichem Handeln der damaligen Kirchen beispielsweise in der offenkundigen Barbarei der Hugenottenkriege und des Dreißigjährigen Krieges zutage. Bedeutsam ist auch, dass die katholische Kirche ihr bis dahin beinahe unantastbares Deutungsmonopol für die traditionsgeprägte Auslegung der Bibel und damit beträchtlich an Autorität auch auf geistlichem Gebiet verlor.

Politisch trug die Reformation entscheidend zur Emanzipation der Staaten aus der geistlichen Bindung an die Kirche bei, die sich nun vielfach, wie beispielsweise im Landesherrentum, im französischen Gallikanismus und der Reichskirche der Politik unterordnen musste. Diese Entstehung moderner Machtverhältnisse war eine zwingende Voraussetzung, um letztlich die Trennung von Kirche und Staat zu ermöglichen. Die dadurch garantierte Religionsfreiheit weitete sich, auch wenn der Weg dorthin keineswegs ohne Repressionen verlief, schließlich auch zur Respektierung des Rechts auf Glaubenslosigkeit aus. Dennoch blieb der Atheismus bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein Phänomen einer elitären Minderheit.

17. bis 19. Jahrhundert

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Das Zeitalter der Aufklärung brachte den ersten theoretisch ausformulierten Atheismus der Neuzeit mit sich. Dieser steht in engem Zusammenhang mit den Fortschritten der Naturwissenschaft. Bereits 1674 war der deutsche studierte Theologe Matthias Knutzen mit drei atheistischen Schriften an die Öffentlichkeit getreten, die ihn zum ersten namentlich bekannten Atheisten der Neuzeit machen.[84] Ein Jahrzehnt darauf folgte der polnische Philosoph Kazimierz Łyszczyński in seinem – bis auf wenige Zitate verlorenen – Werk De non existentia Dei (dt. Über die Nichtexistenz Gottes), in dem er postulierte, Gott sei lediglich eine von Menschen erdachte Chimäre und Religion sei nur ein Mittel zur Unterdrückung der Bevölkerung.[85] Trotz der zu jener Zeit im Königreich Polen geltenden Religionsfreiheit wurde Łyszczyński für sein Werk 1689 aus politischen Gründen zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Bis weit ins 18. Jahrhundert war der Vorwurf, ‚Atheist‘ zu sein, in der Regel eine gefährliche Fremdzuschreibung. In Preußen war es die aufklärerische Haltung Friedrichs des Großen (1740: „Jeder soll nach seiner Façon selig werden“), in anderen Ländern die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in der Französischen Revolution (1789) und die amerikanische Bill of Rights (1789), die zu einer Akzeptanz diverser atheistischer Standpunkte führten. Der französische Philosoph und Aufklärer Julien Offray de La Mettrie konnte 1748 seine atheistische Philosophie nur außerhalb Frankreichs, im preußischen Exil, öffentlich vertreten. In deutscher Sprache waren, in kritischer Wendung gegen Hegel, die Ex-Theologen Bruno Bauer und Ludwig Feuerbach die ersten atheistischen Philosophen. Feuerbach kritisierte in seinem einflussreichen Werk Das Wesen des Christentums (1841) nicht nur das Christentum grundlegend, sondern darüber hinaus die Religion generell als Ergebnis psychologischer Projektionen („Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde“). Später konstatierte Friedrich Nietzsche: „Gott ist tot“ (1882) und „Atheismus […] versteht sich bei mir aus Instinkt“ (1888).

Aufklärung in Frankreich

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Paul Henri Thiry d’Holbach, 1766

Das früheste Zeugnis eines dezidierten Atheismus in der Neuzeit findet sich im Theophrastus redivivus, der Schrift eines anonymen französischen Autors aus dem Jahr 1659. Die Existenz Gottes wird darin zwar bestritten, die gesellschaftliche Nützlichkeit der Religion hingegen behauptet.

Als erster radikaler Atheist der Neuzeit gilt heute der französische Abbé Jean Meslier (1664–1729).[86] In seinen zwischen 1719 und 1729 verfassten und erst später anonym veröffentlichten Pensées et sentiments stellte Meslier die Existenz von Göttern völlig in Abrede, welche für ihn bloße Hirngespinste sind.[87] Im Gegensatz zum Theophrastus verbindet Meslier seinen Atheismus mit einem Antiklerikalismus: Er polemisiert gegen Kirche und Krone, die er als Ausbeuter und Unterdrücker der Armen ansieht. Meslier hat seine als Testament bekannt gewordene Schrift nur in drei handschriftlichen Exemplaren hinterlassen, die zunächst einige Jahrzehnte lang klandestin zirkulierten. Erst 1761 veröffentlichte Voltaire eine Version der Schrift, in der er alle atheistischen und materialistischen Passagen getilgt und nur Mesliers Christentumskritik und Antiklerikalismus erhalten hatte. Diese deistisch verfälschte Fassung blieb, zumal sie durch Neuauflagen und Aufnahme in Voltaires Œuvres weite Verbreitung fand, bis ins 20. Jahrhundert die allgemein bekannte; daran hat auch eine 1864 in Amsterdam erschienene vollständige Ausgabe nichts geändert. Erst 1972 haben Albert Soboul u. a. aufgrund der Originalmanuskripte eine nun maßgebliche Edition dieses ersten neuzeitlichen Werks des Atheismus geschaffen.

Julien Offray de La Mettrie als „Democritus ridens“, als lachender Demokrit, um 1750

Während Meslier somit lange Zeit als voltairianischer antiklerikaler Deist galt, war der erste öffentlich bekannt gewordene radikale Atheist der Aufklärung Julien Offray de La Mettrie (1709–1751). Sein philosophischer Erstling Histoire naturelle de l’âme (Naturgeschichte der Seele, 1745) wurde als materialistische und atheistische Schrift vom Pariser Henker verbrannt. La Mettrie floh nach Holland, wo er sein berühmtes Werk L’homme machine (Der Mensch als Maschine, 1748) publizierte, in dem es heißt, „dass die Welt niemals glücklich sein wird, solange sie nicht atheistisch ist.“[88] La Mettrie blieb nicht bei der Negation Gottes stehen, sondern skizzierte in seinem Discours sur le bonheur (Rede über das Glück, 1748) eine geradezu modern anmutende psycho(patho)logische Theorie des Religiösen.[89] Er musste anschließend sogar aus den toleranten Niederlanden fliehen. Friedrich II. von Preußen bot ihm Asyl an und stellte ihn in Sanssouci als Vorleser ein. Er wurde auch in die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin aufgenommen.

Eine frühe öffentliche Verneinung der Existenz eines Gottes findet sich auch in dem 1770 anonym erschienenen Werk Système de la nature des Baron d’Holbach (1723–1789), einem Grundwerk des Materialismus. Holbach sah in der Religion den größten Feind der natürlichen Moral und zog gegen ontologische und kosmologische Gottesbeweise zu Felde. Das Glück des Menschen hängt nach seiner Auffassung vielmehr am Atheismus. Die von ihm vertretene „Ethokratie“ beruht allerdings nicht auf der vorgängigen materialistischen Philosophie La Mettries, den er wegen seiner Moraltheorie sogar als „Wahnsinnigen“ bezeichnete.

Denis Diderot (1713–1784), bekannt vor allem als Herausgeber der Encyclopédie, vertrat in seinen kirchen- und religionskritischen Werken Pensées philosophiques (1746) und dem Lettre sur les aveugles à l’usage de ceux qui voient (1749) zunächst eine deistische, später eine atheistische Position. Auch er war ein vehementer Gegner La Mettries, den er noch posthum als „Autor ohne Urteilskraft“ und wegen der „Verdorbenheit seines Herzens“ „aus der Schar der Philosophen“ ausschloss.[90]

Voltaire übte scharfe Kritik an Kirche und Klerus und griff in zahllosen Schriften und Briefen die christliche Religion teils mit scharfsinnigem Spott, teils mit feinsinniger Ironie an. Allerdings wollte er ausdrücklich nicht als Atheist bezeichnet werden (Réponse au Système de la nature, 1777). In dem Artikel Athéisme schrieb er unter anderem:

„Der Atheismus ist der Fehler einiger Leute von Geist, der Aberglaube ist der Fehler der Dummköpfe; und Lumpen sind Lumpen.“

Wenn sich Voltaire auch häufig zum englischen Deismus bekannte, wirkte er auf viele seiner Zeitgenossen durch seinen Stil und die Art, wie er seinen Deismus vortrug, durchaus wie ein Atheist. Die katholische Kirche bezichtigte ihn deswegen auch des Atheismus. Fritz Mauthner, Autor des vierbändigen Werks Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande, nannte Voltaire „den Feldherrn und Staatsmann der französischen und europäischen Freidenker.“

Gemäß Immanuel Kant gibt es keinen möglichen Beweis für oder gegen die Existenz eines höchsten Wesens, weder durch Anwendung der Vernunft noch durch Betrachtung der empirischen Natur. Wie Kant in der Transzendentalen Dialektik, dem zweiten Hauptteil der Transzendentalen Logik in Kritik der reinen Vernunft, zu zeigen versucht, scheitern alle Gottesbeweise daran, dass die in der menschlichen Vernunft vorhandene Vorstellung eine transzendentale Idee ist, d. h. die Vorstellung eines Gegenstands, der mit keiner möglichen menschlichen Erfahrung übereinstimmen kann. Er billigt transzendentalen Ideen jedoch eine regulative Funktion zu:

„Ich behaupte demnach: die transzendentalen Ideen sind niemals von konstitutivem Gebrauche, so, dass dadurch Begriffe gewisser Gegenstände gegeben würden, und in dem Falle, dass man sie so versteht, sind es bloß vernünftelnde (dialektische) Begriffe. Dagegen aber haben sie einen vortrefflichen und unentbehrlich notwendigen regulativen Gebrauch, nämlich den Verstand zu einem gewissen Ziele zu richten, in Aussicht auf welches die Richtungslinien aller seiner Regeln in einem Punkt zusammenlaufen, der, ob er zwar nur eine Idee (focus imaginarius), d. i. ein Punkt ist, aus welchem die Verstandesbegriffe wirklich nicht ausgehen, indem er ganz außerhalb der Grenzen möglicher Erfahrung liegt, dennoch dazu dient, ihnen die größte Einheit neben der größten Ausbreitung zu verschaffen.“

Immanuel Kant: AA III, 427–428[91]

Vereinfacht gesagt bedeutet dies: Alle Grenzen möglicher menschlicher Erfahrung überschreitenden Dinge (Gott, Unsterblichkeit, Unendlichkeit) sind nach Kant zwar nicht erkennbar, sie geben der Erfahrung aber eine gewisse, subjektive Einheit. Regulativ sind sie deswegen, weil sie dem Verstand eine Orientierung bieten, mit der dieser Erlebnisse und Eindrücke über den unmittelbaren Wahrnehmungsgehalt hinaus ordnen kann. Damit ist Kant in theoretischer Hinsicht ein Vertreter einer agnostizistischen Position. Die regulative Idee „Gott“ erhält jedoch in Kants Moralphilosophie eine neue Funktion.

Beschäftigt sich Kant in der Kritik der reinen Vernunft mit der theoretischen Seite der Vernunft („Was kann ich wissen?“), so behandelt die Kritik der praktischen Vernunft deren praktische Seite („Was soll ich tun?“). Gott wird hier postuliert: Wenn die menschliche Vernunft in der Lage ist, sich selbst Ziele frei zu setzen, z. B. auch gegen die unmittelbar empfundenen empirischen Bedürfnisse, so setzt das voraus, dass jeder Mensch seine eigene Vernunft als verpflichtend erlebt (Kant nennt dies das „Faktum der Vernunft“). Derjenige Anteil des menschlichen Willens, der vernunftgemäß und unabhängig von den empirischen Bedürfnissen seine Wahl trifft, kann nun nach Kant nichts anderes wollen, als einem moralischen Gesetz zu folgen. Das moralische Gesetz verpflichtet jeden Menschen zur Sittlichkeit, indem es ihn anhält, seinen Willen nach dem Kategorischen Imperativ zu gestalten. Für Kant besteht nun ein Problem darin, zu zeigen, ob und wieso die Befolgung des moralischen Gesetzes auch zu Glückseligkeit, also einem Zustand allgemeiner Zufriedenheit führt. Die Frage ist: Wenn ich sittlich handeln soll, ist dann auch sichergestellt, dass ich glücklich werde? Als Instanz, die sicherstellt, dass sittliches Verhalten auch zu Glückseligkeit führt, wird Gott eingeführt, die garantieren soll, dass die Welt im Ganzen einem gerechten Plan folgt.

In der Nachfolge blieb Kants theistischer Skeptizismus oder partieller Agnostizismus weitgehend unbeachtet. Der Deutsche Idealismus (Fichte, Schelling, Hölderlin, Hegel) redete zwar von Gott als dem absoluten Weltgeist oder einem absoluten Ich, kümmerte sich hingegen wenig um die Antinomien der Vernunft. Aus heutiger Sicht wird Kants Postulat eines Gottes als Verbindungsglied zwischen Sittlichkeit und Glückseligkeit eher als Mangel seiner Theorie gesehen. Kants individualistischer Theorie fehlt schlicht der gesellschaftliche Horizont von Sittlichkeit. In seiner Rechtsphilosophie kommt Hegel hingegen ohne ein solches Ad-hoc-Postulat zur Begründung der Sittlichkeit aus. Stattdessen steht der absolute Weltgeist (= Gott) für Hegel theoretisch wie historisch am Anfang seines dialektischen Systems. Dabei macht Hegel sozusagen aus der antinomischen Misere der Dialektik eine neue Tugend, indem er das dialektische Prinzip der Selbstwidersprüchlichkeit zu einer eigenen Methode ausbaut.

Ludwig Feuerbach

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Ludwig Feuerbach, Wohnhaus-Gedenktafel von 1904, wiederaufgestellt im Jahr 1999 auf dem Rechenberg in Nürnberg

Ludwig Feuerbach vertrat in Das Wesen des Christentums von 1841[92] die folgenden Thesen:

  1. Religion ist nicht nur eine historische oder transzendente Tatsache, sondern vor allem eine Leistung des menschlichen Bewusstseins, also der Einbildungskraft oder Phantasie.
  2. Alle Religionen unterscheiden sich nur ihrer Form nach, haben aber eines gemeinsam: Sie spiegeln die unerfüllten Bedürfnisse der menschlichen Natur wider. Gott und alle religiösen Inhalte sind nichts anderes als psychologische Projektionen, die ihre materiellen Ursachen in der Natur des Menschen besitzen.

Feuerbachs Ausgangspunkt zur Herleitung seiner Thesen war die Natur des Menschen. Wesentlich für Feuerbach war, dass Menschen Bedürfnisse und Wünsche besitzen und diese in bestimmter Hinsicht unerfüllt bleiben, weil der Mensch – so würden wir heute sagen – ein Mängelwesen ist. Das ist sein anthropologischer Kern, den Marx weitgehend übernimmt. Von Hegel übernahm Feuerbach die idealistische Auffassung, dass es das Bewusstsein und seine Leistungen seien, die seine Praxis bestimmen. Im Zentrum stand für Feuerbach dabei die menschliche Einbildungskraft. Es seien nun die unerfüllbaren und andauernd unerfüllten Bedürfnisse, die der Mensch mit Hilfe seiner Einbildungskraft in ein religiöses Reich projiziere. Die religiösen Gehalte verweisen nach Feuerbach auf die unerfüllten Bedürfnisse und damit auf die als unvollkommen erlebte Natur des Menschen. In seinem Hauptwerk versucht er, dies anhand der Begriffe Liebe, Endlichkeit, Sterblichkeit, Ungerechtigkeit zu zeigen: Die religiöse Vorstellung der Unsterblichkeit der Seele sei ein Reflex auf die unvollkommene Natur des Menschen als sterbliches Wesen, die der Allgüte Gottes ein Reflex auf die Unmöglichkeit, alle Menschen gleichermaßen zu lieben usw.

Feuerbachs Theorie der Religionskritik wurde später und wird heute in Verbindung mit dem Begriff „religiöser Anthropomorphismus“ oder „Anthropozentrismus“ oder unter dem Schlagwort „Projektionstheorie“ diskutiert. Schlagwortartig mag man sie unter folgenden Mottos zusammenfassen:

„Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.“[93]

oder:

“Homo homini Deus est”

„Der Mensch ist dem Menschen ein Gott.“[94]

Die Erklärung der Religion hat also – nach Feuerbach – vom Menschen auszugehen, sie aus ihm herzuleiten und sie wieder auf ihn zu beziehen:

„[…] Der Mensch ist der Anfang der Religion, der Mensch der Mittelpunkt der Religion, der Mensch das Ende der Religion.“

Das Wesen des Christentums, Teil I[95]
Karl Marx (1818–1883)

Marx’ Kritik an Feuerbach – „vergesellschaftete“ Religiosität

Marx’ Religionskritik findet sich vor allem[96] in zwei einschlägigen Werken/Texten:

Marx übernimmt die Projektionstheorie Feuerbachs. Auch für ihn ist die Welt der Religion keine ontologische Kategorie, sondern gehört in den Bereich menschlicher Tätigkeiten. Auch für ihn reflektiert Religion ein Bedürfnis, und auch für ihn ist Religion die Widerspiegelung einer Wirklichkeit und nichts Transzendentes.

Marx kritisiert jedoch einen wesentlichen Mangel an Feuerbachs Religionskritik: Feuerbach tue so, als ob jeder Mensch als Individuum oder als abstraktes Wesen seine Religion produziere, wohingegen der Mensch – so Marx – vor allem als konkret-praktisches und damit schon immer vergesellschaftetes (gesellschaftliches) Wesen zu begreifen sei:

„Feuerbach löst das religiöse Wesen in das menschliche Wesen auf. Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum inwohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.“

Thesen über Feuerbach, These 6[98]

Und genau deswegen spiegele Religion auch nicht irgendwelche abstrakten, individuellen Bedürfnisse, sondern konkrete gesellschaftliche Bedürfnisse der Menschen wider.

Neben dieser Theorie der vergesellschafteten Religiosität kritisiert Marx an Feuerbach, dass es mit der neuen anthropozentrischen Interpretation von Religion noch nicht getan sei:

„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern.“

These 11[98]

Diese These soll besagen, dass unter dem Blickwinkel der Praxis – und dies ist nach Marx die „gegenständliche Tätigkeit“ (= Arbeit als verändernde Aneignung von Natur) – Feuerbachs Theorie die Welt nur noch einmal in eine religiöse Welt verdoppelt und damit Religion zwar erklärt, jedoch nicht fragt, was dies praktisch für die gläubigen Menschen und die gesellschaftlichen Verhältnisse bedeutet. Und genau hier besitzt Religion gemäß Marx ihre praktische Aufgabe: Sie verhindere verändernde Praxis, weil sie die Menschen mit der Idee eines vom Erdenreich abgelösten und unabhängigen, vollkommenen Himmelreichs vertröste und umneble. Darauf bezieht sich auch Marxens Schlachtruf, wonach Religion „das Opium des Volkes[97] sei. (in: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie).

Marx’ Entfremdungstheorie als Religionskritik

Nach Marx’ Ideologiekritik spiegeln sich in der Religion nicht nur unerfüllte abstrakte Bedürfnisse wider, sondern auch das konkrete, durch die gesamte menschliche Geschichte ziehende, gesellschaftliche Elend und Unrecht. Dies täten sie jedoch in verzerrter Form: Diese Verzerrung bestehe zum einen in einer Verkehrung oder Verdrehung wirklicher Verhältnisse und zum anderen in einer völligen Abstrahierung vom alltäglichen Lebensvollzug, die dazu führe, dass die Menschen sich in eine „Nebelregion“ flüchteten. So steht beispielsweise Gott als der Allgerechte, Allmächtige und Allgütige einer Welt ungleicher Verteilung von Macht, Gütern und Liebe gegenüber.

Ausgangspunkt für Marx’ Kritik ist die Theorie der Selbstentfremdung: Als „Entfremdung“ bezeichnet man allgemein Prozess und Ergebnis des Verlusts des Einflusses und der Verfügungsgewalt des Menschen auf und über all jenes, was einst durch ihn selbst bewirkt und ihm damit in unmittelbarer Anschauung vertraut war, welches ihm aber schließlich als etwas Unabhängiges, Fremdes gegenübertritt. So besitzt ein von seiner Arbeit entfremdeter Lohnarbeiter – nach Marx – keinen Einfluss mehr auf das Arbeitsprodukt und den Arbeitsprozess, obwohl er sich andauernd darin befindet. Deswegen treten ihm der Arbeitsprozess wie das Arbeitsprodukt als etwas Fremdes gegenüber (siehe Marx: Frühschriften). In der religiösen Selbstentfremdung nun erlebe der Mensch seine Bedürfnisse einmal als erfüllbare und erfüllte Dinge, andererseits aber auch als prinzipiell oder manchmal unerfüllbar oder unerfüllt. Die Religion wird gegenüber dem Menschen nach und nach zu etwas Selbständigem, Unabhängigem und ihm Fremdem. Dies ist mit der religiösen Selbstentfremdung gemeint: In der Religion verselbstständigen sich die unerfüllten Bedürfnisse, indem Letztere ein Eigenleben führen.

Friedrich Nietzsche

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Atheismus als Instinkt – „Gott ist eine faustgrobe Antwort“

Friedrich Nietzsche (1844–1900), Sohn eines evangelischen Pfarrers und christlich erzogen, nannte Gott „eine viel zu extreme Hypothese“.[99] Die christliche Gottesvorstellung hielt er für widerlegt und überholt („Gott ist tot“). Daran, dass Nietzsche selbst an keinen metaphysischen Gott glaubte, besteht kaum ein Zweifel:

Friedrich Nietzsche (1875)

„Ich kenne den Atheismus durchaus nicht als Ergebniss, noch weniger als Ereigniss: er versteht sich bei mir aus Instinkt. Ich bin zu neugierig, zu fragwürdig, zu übermüthig, um mir eine faustgrobe Antwort gefallen zu lassen. Gott ist eine faustgrobe Antwort, eine Undelicatesse gegen uns Denker –, im Grunde sogar bloss ein faustgrobes Verbot an uns: ihr sollt nicht denken!“[100]

Dies ist allerdings nicht der Schwerpunkt seiner Argumentation. Nietzsches Atheismus ist vielmehr Voraussetzung einer radikalen Kritik an der (christlichen) Moral. Er sah eine solche „Sklavenmoral“ als hinderlich für die Erhebung des Menschen zu neuer Größe an. Diese Kritik der christlichen Moral ist zwar charakterisiert von zahlreichen polemischen und invektiven Äußerungen Nietzsches („was war der grösste Einwand gegen das Dasein bisher? Gott […]“[101]), zeigt sich aber vor allem in einer historisch-wissenschaftlichen (Zur Genealogie der Moral) und philosophischen Auseinandersetzung mit Begriff und Zweck von Moral (v. a. Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile und Die fröhliche Wissenschaft). Für Nietzsches Atheismus ist kennzeichnend, dass er sich nicht generell gegen das Postulat höherer Werte stellt, sondern zunächst nur gegen jene der christlichen Moral, schließlich aber gegen die Werte jeder Moral, sofern sie die Instinktgewissheit und den biologisch angelegten „Willen zur Macht“ schwächen. Nietzsche wendet sich also gegen jede Moral, die zum Leben „Nein“ sagt. Das aber war seiner Ansicht nach bei den Morallehren aller bisherigen Philosophien und Religionen in mehr oder weniger großem Umfang der Fall – obwohl diese „Instrumente im Dienste des wachsenden Lebens“ sein sollten.

Nein zum Ja-und-Amen-Sagen – „Umwertung aller Werte“

Nietzsche bezeichnete sich folglich als den „ersten Immoralisten“ und bezeichnet damit eine Haltung des bewussten Verzichts auf eine Rückbindung an eine metaphysische Ordnung und Wahrheit.[102] In Also sprach Zarathustra versuchte er im bewussten Anklang an den Stil der Bibel, die „frohe Botschaft“ vom „Übermenschen“ (also einer Moral, die im Dienste des Lebens steht) zu konkretisieren.

„Das psychologische Problem im Typus des Zarathustra ist, wie der, welcher in einem unerhörten Grade Nein sagt, Nein thut, zu Allem, wozu man bisher Ja sagte, trotzdem der Gegensatz eines neinsagenden Geistes sein kann; wie der das Schwerste von Schicksal, ein Verhängniss von Aufgabe tragende Geist trotzdem der leichteste und jenseitigste sein kann – Zarathustra ist ein Tänzer -; wie der, welcher die härteste, die furchtbarste Einsicht in die Realität hat, welcher den ‚abgründlichsten Gedanken‘ gedacht hat, trotzdem darin keinen Einwand gegen das Dasein, selbst nicht gegen dessen ewige Wiederkunft findet, – vielmehr einen Grund noch hinzu, das ewige Ja zu allen Dingen selbst zu sein, ‚das ungeheure unbegrenzte Ja- und Amen-sagen‘.“[103]

In Nietzsches Atheismus ist nicht bloß ein nihilistischer Trieb zur Entwertung der Kultur zu sehen, nach Nietzsches eigener Auffassung sogar gerade das Gegenteil. Nietzsche kritisiert zwar die Moral und versteckt seine Abneigung gegen die christlichen Ideale nicht, jedoch wollte er diese Abwertung in sein Programm der „Umwertung aller Werte“ einbinden, die letztlich dem Ziel dient, neue Werte zu schaffen. Der Typus Zarathustra sollte so etwas wie der erste Prophet dieser neuen „ja-sagenden Moral“ sein, die im Dienste des Lebens steht, anstatt es in seiner freien Entfaltung zu hindern.

Nein zum Götterglauben – „Selbstbesinnung der Menschheit“

Nietzsches Atheismus ist also ein notwendiges Zwischenprodukt, das im Prozess der „Umwertung der Werte“ den Boden für eine „Selbstbesinnung der Menschheit“[104] bereiten soll, die letztlich in eine bejahende, lebensfrohe Moral mündet. Atheismus bedeutet hier die Ablehnung von metaphysischer Ordnung und die Verneinung des damit verbundenen Gottglaubens. Dabei gesteht Nietzsche einigen Arten des Götterglaubens – ohne sie für „wahr“ zu halten – durchaus eine nützliche oder ästhetisch ansprechende Funktion zu. In Der Antichrist beschreibt er etwa einen „gesunden“, schadlosen Götterglauben folgendermaßen:

„Ein Volk, das noch an sich selbst glaubt, hat auch noch seinen eignen Gott. In ihm verehrt es die Bedingungen, durch die es obenauf ist, seine Tugenden, – es projicirt seine Lust an sich, sein Machtgefühl in ein Wesen, dem man dafür danken kann. Wer reich ist, will abgeben; ein stolzes Volk braucht einen Gott, um zu opfern […] Religion, innerhalb solcher Voraussetzungen, ist eine Form der Dankbarkeit. Man ist für sich selber dankbar: dazu braucht man einen Gott.“[105]

Folglich ist es auch schlüssig, warum Nietzsche dem (in seinem Sprachgebrauch „nihilistischen“) jüdisch-christlichen Gottesbegriff immer wieder den Begriff eines gewalttätigen dionysischen Gottes gegenüberstellt. Nicht der Gottesglaube selbst schadet, sondern der Glaube an einen jenseitigen, metaphysischen Gott. Nietzsches Angriffe gegen den verbreiteten Gottesbegriff sind also eingebunden in eine viel weiter reichende Kultur- und Religionskritik und gehen damit über einen bloßen Atheismus hinaus. Tatsächlich richtet sich Nietzsche an vielen Stellen auch gegen seiner Meinung nach zu simple oder inkonsequente Formen des Atheismus.

20. und 21. Jahrhundert

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Sigmund Freud (1921)

Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, hat mehrmals in einer naturgeschichtlichen Deutung die Entstehung von Religionen (und vieler anderer Erscheinungen) als die Erfüllung unbewusster, auch unterdrückter Wünsche des Menschen zu erklären versucht. Als Grundlage dienten Freud die Ähnlichkeiten zwischen kultisch-religiösen Handlungen und den Handlungsabläufen neurotischer Besessenheit. In seinem Buch Totem und Tabu (1913) kommt er zu der Schlussfolgerung: „Illusionen, Erfüllungen der ältesten und stärksten, dringendsten Wünsche der Menschheit“ seien eben die Religionsvorstellungen. Die Herleitungen, in denen sowohl die darwinsche „Urhorde“ als auch der Ödipuskomplex herangezogen werden, gelten als spekulativ. In einer verallgemeinerten Form, nämlich dass Religionen sehr wohl vorgeben, starke bewusste wie auch unbewusste Wünsche und Sehnsüchte der Menschen zu erfüllen, gilt Freuds These als unbestritten. Freuds einschlägige Monographie zum Thema ist Die Zukunft einer Illusion (1927).

Nach Freud bieten die Eltern dem Kind unverzichtbaren Schutz und ein moralisches Gerüst für die Orientierung. Aus Sicht des Kindes sind die Eltern in der Lage, Übermenschliches zu leisten. Mit zunehmendem Alter des Kindes erkennt es, dass auch die Eltern nicht immer Schutz und Rat bieten können. So überträgt das Kind die den Eltern zugeschriebenen Fähigkeiten auf Gott. Anstatt also die Vorstellung aufzugeben, dass man immer geborgen und beraten ist in der Welt (Realitätsprinzip), wird weiterhin an der Illusion festgehalten. Gott ersetzt die Eltern in ihrer Funktion, Schutz und Moral zu bieten.[106]

Wenn Freuds Schlussfolgerungen auch nicht direkt den Theismus widerlegen, bieten sie doch gewisse Ansatzpunkte, religiöse Phänomene durch psychische Vorgänge zu erklären und die Notwendigkeit der Annahme übernatürlicher Kräfte zu verneinen.

Existenzialismus

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Einen existenzialistischen Atheismus im eigentlichen Sinne gibt es nicht, da der Existenzialismus kein geschlossenes Lehrgebäude darstellt und unter diesem Begriff sehr disparate weltanschauliche, philosophische, ja auch theologische Konzepte versammelt werden. Sie reichen von Stirner über Schopenhauer, Kierkegaard, Heidegger, Camus bis Sartre und Jaspers.

Nimmt man als Referenzpunkt den Existenzialismus sartrescher Prägung, so ergibt sich folgende atheistische Auffassung: Der wichtigste existenzialistische Grundsatz Sartres findet sich in seinem bekannten Satz wieder, wonach die (menschliche) Existenz der Essenz (dem Wesen) vorausgehe. Es gibt kein Wesen (hier sowohl personal als Gott verstanden als auch abstrakt als Natur des Menschen), wonach und wodurch der Mensch konzipiert wurde. Da der Mensch zu Beginn „Nichts“ ist und sich ständig selbst entwirft, bedeute Gott also jemand, der so etwas wie eine menschliche Natur konzipiert hat, eine Beschränkung dieses konstitutiven Selbstentwurfs. Stattdessen ist nach Auffassung der Existenzialisten der Mensch von Beginn an zur absoluten Freiheit verdammt. Für die Neoexistenzialisten der Sartre-Schule ist Gott zunächst also das, was die absolute Freiheit des Menschen beschränkt.

„Wenn Gott nicht existierte, wäre alles erlaubt“, schrieb Dostojewski. Aus existenzialistischer Perspektive würde man hinzusetzen: „Und weil er nicht existiert, ist der Mensch zur Verantwortung verdammt.“ Wie ist das zu verstehen? Wenn Gott existierte, gäbe es etwas, was der menschlichen Existenz vorausginge, auf das er sich als Grund seines Handelns berufen könnte. Fällt dieser Grund weg, ist der Mensch absolut verlassen und muss die Gründe seines Handelns vollständig aus sich selbst schöpfen. Erst jetzt, wenn prinzipiell alles erlaubt ist, ist er nach neoexistenzialistischer Sichtweise als Individuum voll verantwortlich für sein Handeln. Für Neoexistenzialisten ermöglicht erst eine Welt (genauer: eine Existenz) ohne Gott die wahre Verantwortung des Menschen.

Die neoexistenzialistische Auffassung (Sartre, Camus) übernimmt Heideggers Daseinsbegriff (Sein und Zeit) für die Existenz. Demnach seien drei Dinge für die menschliche Existenz charakteristisch: die Geworfenheit, der Entwurf und die Verfallenheit. Wesentlich für die atheistische Grundhaltung der Neoexistenzialisten ist die Geworfenheit: Der Mensch ist kein Abbild einer Idee oder eines Vorbilds oder Bauplans, sondern er wird als tabula rasa in die Welt geworfen.

Im Atheismuskonzept des Neoexistenzialismus geht es nicht allein um die Zurückweisung eines personalen Gottes, dem die Menschen sich zu verantworten haben, sondern auch um alle Konzepte, die als Theorien der „Natur des Menschen“ auftreten: Sei es die Gesellschaft (der Mensch als soziales Wesen), sei es die Ökonomie (der homo oeconomicus) oder seien es anthropologische Konzepte (der Mensch als des Menschen Wolf, als Egoist) – alle werden sie vom Existenzialismus zurückgewiesen mit dem Verweis, sie leisteten nur die Ent-Verantwortung des Menschen, weil dieser damit auf ihm äußerliche, sachliche Zwänge hinweisen könne. Damit kann der existenzialistische Atheismus auch als Versuch verstanden werden, gegen die Zwänge moderner Gesellschaften aufzubegehren, was die Neoexistenzialisten, vor allem Sartre, im Verlauf der Studentenrevolten 1968 in Frankreich auch taten.

Analytische Philosophie

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Logisch-empiristische Metaphysikkritik

In weiten Teilen der im 20. Jahrhundert entwickelten analytischen Philosophie wurden anfänglich Fragen nach der Existenz oder Nichtexistenz von Göttern sowie metaphysische Fragen als unsinnig, nicht behandelbar oder irrelevant angesehen. So wurde im Rahmen des Logischen Positivismus die Rede über Götter für sinnlos gehalten, weil Sätze, in denen diese Begriffe vorkommen, nicht wahrheitsfähig seien (d. h. überhaupt nicht wahr oder falsch sein können). Dabei wird jedoch nicht behauptet, dass es keine Götter gebe. Vielmehr wird der Satz „Es gibt keine Götter“ ebenfalls als inhaltsleer angesehen – wie überhaupt jeder Satz über Gott oder sonstige metaphysische Objekte „keinen Sinn“ habe, sondern ein „Scheinsatz“ sei (so etwa Rudolf Carnap).[107] Nach Max Bense, im deutschen Sprachraum damals einer der profiliertesten Vertreter dieser Position, sage ein Satz wie „Gott ist transzendent“ lediglich „von einem unbestimmten Etwas (x) ein unbestimmtes Prädikat (ist pektabel)“ aus.[108]

Epistemologische Debatten

Einige Erkenntnistheoretiker sehen bei Existenzfragen stets den in der Beweispflicht, der die Existenz einer Sache behauptet, hier also den Theisten. Solange dieser die Begründungspflicht nicht erbracht habe, sei es rational gerechtfertigt, von einer Nichtexistenz auszugehen, zumal die Erklärung der Welt keine Gotteshypothese erfordere.[109] Siehe hierzu ein evidentes Beispiel von Richard Dawkins unter 3.5.4.2 Neuer Atheismus dieses Artikels (s. u.).

Widersprüchlichkeit göttlicher Eigenschaften

Seit den Anfängen systematisch-theologischer Debatten wird über die Vereinbarkeit göttlicher Eigenschaften wie Allmacht, Allgüte, Gerechtigkeit, Einfachheit, Unendlichkeit usf. gestritten. So auch in der jüngeren analytischen Theologie. Eine typische Beweisführung mit der intendierten Konsequenz der Nichtexistenz Gottes hat dabei die Form eines Widerspruchsbeweises ausgehend von der Existenzannahme und üblichen Eigenschaftsaussagen über Gott. Wenn die Gott zugeschriebenen Eigenschaften semantisch widersinnig oder logisch widersprüchlich sind (wie etwa im sog. Allmachtsparadoxon), dann könne es jenen Gott nicht geben.

Theodizee

Zu den ideengeschichtlich ältesten Argumenten, welche die Nichtexistenz Gottes wegen Inkompatibilitäten angenommener göttlicher Eigenschaften einerseits und empirischen Befundes andererseits nahelegen, gehört die Argumentation, dass Gottes Allmacht und Allgüte nicht mit der apparenten Existenz vermeidbarer Übel kompatibel sei (siehe hierzu ausführlich den Hauptartikel Theodizee)[110].

Naturwissenschaften

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Naturwissenschaftliche und neurophysiologische Argumente

Atheismus auf der Basis empirischer Überlegungen: Der US-amerikanische Physiker Victor Stenger ist der Auffassung, dass für die Gotteshypothese nicht nur empirische Belege fehlen, sondern dass sich auch die oftmals Göttern zugeschriebenen Eigenschaften anhand naturwissenschaftlicher Erkenntnisse anfechten lassen. So seien die Schöpfung von Lebewesen durch die Evolutionstheorie, Körper-Seele-Dualismus und Unsterblichkeit durch Neurologie, die Wirkung von Gebeten durch Doppelblindstudien, die Schöpfung des Universums durch thermodynamische sowie quantenphysikalische Überlegungen und göttliche Offenbarungen durch die Geschichtswissenschaft widerlegt worden. Das Universum verhalte sich genau so, wie es in Abwesenheit eines Gottes zu erwarten sei.[111]

Die in vielen Kulturen beobachteten Vorstellungen von übernatürlichen Akteuren könnten nach einigen Vertretern (z. B. Pascal Boyer) auch empirische Rückschlüsse auf zugrunde liegende Verarbeitungsprozesse im menschlichen Gehirn erlauben. Nach einer aus völkerkundlichen Untersuchungen abgeleiteten Hypothese verarbeitet das Gehirn Sinneseindrücke mit Hilfe verschiedener Module.[112] Eines dieser Module sei darauf spezialisiert, Veränderungen in der Umwelt als Werk von Lebewesen zu interpretieren. Ein solches „Lebewesenerkennungsmodul“ sollte überempfindlich arbeiten, da es meist günstiger sei, fälschlich z. B. einen Windhauch als Raubtier zu interpretieren, als ein tatsächlich vorhandenes zu übersehen.[113] Dadurch könnten in unserem Gehirn aus unklaren Wahrnehmungen leicht Vorstellungen von übernatürlich erscheinenden Akteuren, wie z. B. Göttern oder Geistern, entstehen.

Neuer Atheismus
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Erstmals 2006 wurden einige Autoren, die in den vorangegangenen drei Jahren unter Berufung auf die Naturwissenschaften gegen theistische Glaubensformen argumentierten, als „Neue Atheisten“ bezeichnet.[114] Zu ihnen zählen die US-Amerikaner Sam Harris, Daniel C. Dennett und der Brite Richard Dawkins. Weiterhin wurden Christopher Hitchens und Victor J. Stenger zu den neuen Atheisten gezählt.[115] Ihre jeweiligen Bücher erzielten hohe Auflagen. Anschließend wurden auch der Franzose Michel Onfray, der Deutsche Michael Schmidt-Salomon und andere Autoren hinzugezählt, so dass die Bandbreite der so bezeichneten Position zugenommen hat. Richard Dawkins positioniert sich in der epistemologischen Debatte (3.5.3 Analytische Philosophie, s. o.) folgendermaßen, dass es irrig sei, dass etliche theistische Vertreter die Beweislast umkehren und von den Skeptikern einfordern, postulierte theologische Dogmen zu widerlegen, ohne selbst die Mühen zu unternehmen, diese zweifelsfrei zu untermauern. Hierzu bedient er sich des von Bertrand Russell ersonnenen Beispiels einer hypothetischen Teekanne, die zwischen Erde und Mars ihre elliptischen Bahnen ziehe und derart klein sei, dass sie von keinem existenten Teleskop erfasst werden könne.[26][116] In jedem Falle liege die Beweislast stets beim Verfechter der Aussage, jedoch kehre sich diese in theologischen Aussagen fälschlicherweise um.

Zu den Kritikern des „Neuen Atheismus“ zählen mehrere Theologen, auch moderate Atheisten und andere Autoren, wie etwa Alister McGrath, John Lennox, David Aikman, Tina Beattie, David Berlinski, James A. Beverley, Terry Eagleton[117] und Kathleen Jones;[118] in Deutschland z. B. der „fromme Atheist“ Herbert Schnädelbach (trotz seiner harschen Kritik am Christentum[119] erfolgte seine ebenso starke Kritik an den „Neuen Atheisten“ bezüglich einer konfessionell-naturwissenschaftlichen Gläubigkeit[120]) und der „alte Atheist“ Joachim Kahl (dieser also mit dem direkten Gegenbegriff: „Alter Atheismus“[121]).

Systematische Erfassung

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Es gibt verschiedene, sich teilweise überschneidende und widersprechende Einordnungen und Systematisierungen des Begriffs „Atheismus“.

Beispielsweise unterscheidet das vatikanische Sekretariat für Nichtglaubende diejenigen, die

  • von der Existenz Gottes „nichts wissen“;
  • sie leugnen;
  • daran zweifeln (skeptischer Atheismus);
  • meinen, sie sei unserer Intelligenz unzugänglich (agnostischer Atheismus);
  • die Frage für sinnlos halten („semantischer oder neopositivistischer Atheismus“);
  • jede positive Offenbarung ablehnen (die „Ungläubigen“);
  • Gott aus dem menschlichen Tun ausschließen (spekulativ-praktischer Atheismus);
  • ihre Aufmerksamkeit ausschließlich auf ein Wertesystem konzentrieren, in dem Gott abwesend ist (praktischer Indifferentismus).[122]

Während in der deutschsprachigen Literatur eher von „engen“ und „weiten“ Begriffsbedeutungen die Rede ist, wird der Atheismus im angelsächsischen Raum oft mit den Begriffen strong (oder positive) und weak (oder negative) bezeichnet.[123] Im Deutschen nimmt der Begriff „stark“ an Verbreitung zu (parallel zu „eng“). Auf Grundlage dieser polaren Unterscheidungen kann der Atheismus systematisch weiter geordnet oder typologisiert werden.

Atheismus in einem weiten Sinne

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Eine verbreitete Kategorie ist der weite (implizite) Atheismus, dessen Vertreter aussagen: „Ich bin nicht überzeugt, dass es Götter gibt.“[124] Dieser Atheismus beinhaltet jedoch nicht, dass es keine Götter gäbe, bestreitet also nicht die Existenz von Göttern. Unterschieden wird das Nichtswissen über Gott oder Götter (Agnostizismus) und das Nichtvorhandensein des Glaubens an Gott oder Götter (Atheismus im wörtlichen Sinne).[125]

  1. Pragmatische Ansätze eines weiten Atheismusbegriffs: Pragmatiker (Alltagsbegriff) resp. Pragmatisten (Philosophie) lassen Begriffe und Entitäten im Sinne Ockhams nur gelten, wenn sie praktischen Nutzen versprechen oder sich bereits in der Praxis bewährt haben. Es gibt entsprechend pragmatische Auffassungen, nach denen eine Erklärung und Beurteilung der Welt ohne Annahme von Göttern zufriedenstellend möglich sei. Die Existenz von Göttern wird demgemäß zwar nicht bestritten, ihre Annahme aber als uninteressant oder überflüssig abgelehnt.
  2. Nominalistische Ansätze: Begriffsnominalisten vertreten die Auffassung, dass nur Einzeldingen Wirklichkeit und damit Existenz zukomme, während Gott als ein genereller Terminus nur Name (=Nomen) sei. Unter Maßgabe der Einfachheit der Erkenntnisse (Simplizitätskriterium), sei die Annahme von Gott oder Göttern als eigenständig und unabhängig existierenden Wesen überflüssig.
  3. Atheistischer Agnostizismus: Dieser behauptet, dass Götter mit den Mitteln menschlicher Vernunft nicht erkennbar seien (intelligibler Agnostizismus), oder dass für die Annahme von Göttern nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten die Beweise oder Belege fehlten (szientistischer Agnostizismus). Im intelligiblen Agnostizismus kann man wieder unterscheiden zwischen stark und weit: Der weite Agnostizismus behauptet nur, dass Götter möglicherweise nicht, oder noch nicht erkennbar seien, der starke hingegen, dass Götter mit den Mitteln der menschlichen Vernunft prinzipiell nicht erkennbar seien.[126]
  4. Szientistische und sprachlogische Ansätze eines weiten Atheismusbegriffs: Ein typisch wissenschaftlicher Ansatz hält die Rede über Götter für sinnlos, weil Sätze, in denen diese Begriffe vorkommen, nicht wahrheitsfähig seien (siehe oben). Der szientistische Atheismus behauptet jedoch nicht, dass es keine Götter gebe. Für ihn ist der Satz „Es gibt keine Götter“ genauso inhaltsleer wie „Es gibt keine Elfen“.[127]
  5. Postulatorische Ansätze eines weiten Atheismusbegriffs: Dieser meist von Wissenschaftlern vertretene Atheismus geht davon aus, zunächst einmal Götter aus dem System der Erkenntnisse herauszulassen, also keine Götter zu postulieren im Gegensatz zur Theologie. Theistische Annahmen könnten jedoch später an Grenzbereichen der Wissenschaft oder in unerforschten oder als unerforschbar angesehenen Teilen wieder zugelassen werden (Beispiel: Stephen Hawking Pre-Big-Bang God). Diese Spielart des Atheismus wird oft in Verbindung gebracht mit pragmatischen und nominalistischen Ansätzen.

Bei Kant ist Gott nur eine regulative Idee der Vernunft. Spinoza definiert mit dem Ausspruch Deus sive Natura („Gott bzw. Natur“) Gott als ausschließlich in der Schöpfung als Ganzes wirkende Substanz.

Atheismus in einem starken Sinne

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Die Gegenkategorie zum weiten Atheismus ist der starke (positive, explizite) Atheismus mit der logischen Aussageform: „Ich bin überzeugt, dass es weder Gott noch Götter gibt“.[124] Vertreter des starken Atheismus lehnen den Glauben an die Existenz von Gott oder Göttern ab, also Monotheismus wie Polytheismus gleichermaßen. Hierfür findet sich gelegentlich auch der Begriff Antitheismus. Starker Atheismus lehnt auch ähnliche Überzeugungssysteme wie beispielsweise den Glauben an übernatürliche Wesen, Wirkkräfte oder Mächte ab, ist also Gegner aller spirituellen, animistischen und magischen Lehren sowie eines jeglichen Mystizismus.

  1. Ansatz aus dem Umfeld des metaphysischen Rationalismus: Es bestehen Annahmen, wonach nur das existieren könne, was durch menschliche Vernunft prinzipiell erkennbar sei. Weil Götter prinzipiell nicht erkennbar seien, könnten sie auch nicht existieren. Somit wird von Eigenschaften des menschlichen Verstands (ggf. bis in seine biologische Struktur reichend) eine Nichtexistenz von Gott oder Göttern abgeleitet.
  2. Radikal-szientistische Ansätze: Während für normal-szientistische Atheisten nur die Rede über Götter unsinnig ist, darf für deren radikale Vertreter nur das als existierend angenommen werden, was nach intersubjektiv überprüfbaren Verfahren wissenschaftlich beweisbar ist. Da dies für Götter und andere transzendentale Ideen nicht gelte, können sie nach diesen Überzeugungen nicht existieren.
  3. Theodizee-Ansätze: Hierbei wird behauptet, dass es aufgrund des Leidens und der Ungerechtigkeit auf der Welt keine(n) (allgütigen oder allmächtigen) Gott oder Götter geben könne. In seiner weniger radikalen Form kann der Theodizee-Atheismus auch als schwacher konditionaler Atheismus auftreten: „Wenn Gott existiert, dann kann er angesichts des Übels auf Erden nicht allmächtig oder nicht allgütig sein“. Die Existenz Gottes wird dabei zwar nicht bestritten, jedoch in seinen Eigenschaften begrenzt. Es ist dann eine theologische Frage, ob ein solches Wesen noch als Gott bezeichnet werden kann.
  4. Logisch-metaphysische Ansätze eines starken Atheismusbegriffs: Hier bestehen teilweise Ähnlichkeiten zu Ansätzen des metaphysischen Rationalismus. Sie sind darauf beschränkt, dass sich alle Gottesbeweise in Widersprüche (Antinomien) verwickeln würden. Unter ihrer logisch-metaphysischen Prämisse, dass etwas Widersprüchliches nicht existieren könne, gelte dies auch für Götter im Sinne eigenständiger Wesen.[128]

Daneben gibt es auch noch Spielarten des Atheismus, die den eigenständigen ontologischen Status von Gott oder Göttern einschränken oder bestreiten. Im anthropozentrischen Ansatz (Ludwig Andreas Feuerbach etwa) ist Gott kein echtes übernatürliches Wesen, sondern ein Produkt menschlicher Einbildungskraft.

Agnostizistische Gegenpositionen und Argumente

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Mit Agnostizismus kann die These einer Falschheit von sowohl Theismus wie Atheismus oder nur eine Unentscheidbarkeit einhergehen. Wenn mit Atheismus die Festlegung auf die Nichtexistenz Gottes gemeint ist („starke“ Bedeutung), dann bieten agnostizistische Positionen epistemische Argumente gegen theistische und „stark“ atheistische Positionen. Eine Form von Argumentation versucht zu zeigen, dass keine hinreichenden Rechtfertigungen für eine theoretische Verpflichtung auf Position oder Negation der Existenz Gottes bestünden, so dass eine diesbezügliche Urteilsenthaltung rationaler erscheine. Derartige Positionen sind insbesondere dann naheliegend, wenn „Gott“ verstanden wird als Eigenname, der auf ein etwaiges metaphysisches übernatürliches Objekt referiert, und empiristische oder verifikationistische Voraussetzungen vertreten werden. Dann wäre eine Aussage sinnlos, wenn deren Wahrheit nicht empirisch überprüfbar ist. Folglich wären die Aussagen „Gott existiert nicht“ und „Gott existiert“ nur unverständliche Lautkombinationen mit „… existiert (nicht)“.

Theistische Gegenpositionen und Argumente

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Jede Argumentation für theistische Positionen ist per se eine Argumentation gegen atheistische Positionen. Die meisten der bis heute diskutierten Typen von Argumenten haben Vorläufer bereits in der vorchristlichen Antike. Dazu zählen Versuche, die Existenz eines oder des Gottes zu beweisen, indem unterschiedliche Typen von Verursachungsketten auf eine Erstursache zurückgeführt werden. Dieser Typ von Argumenten begegnet in expliziter Form zuerst bei Aristoteles. Einer von vielen, welche diesen Argumenttyp wiederholen, ist Thomas von Aquin. Davon unterscheidbar sind Argumente, die ohne Bezugnahme auf Erfahrungstatsachen auskommen und z. B. bei einer Analyse des Seinsbegriffs (Avicenna u. a.) ansetzen oder bei einer Analyse der Implikate eines Begriffs Gottes als „dasjenige, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann“ (Anselm von Canterbury). Beide Argumenttypen sind unpopulärer geworden, spätestens seit Immanuel Kants Einwänden gegen die Möglichkeit, neue Wahrheiten über die Welt ohne Bezug auf Erfahrung zu gewinnen und über Gegenstände unabhängig davon zu reden, gemäß welcher Voraussetzungen diese uns erkennbar sind.

Seit dem 19. Jahrhundert wird von vielen theistischen Philosophen und Theologen nicht mehr versucht, die Existenz Gottes als rational notwendig zu beweisen, sondern als rational möglich zu rechtfertigen. Dabei wird z. B. versucht aufzuweisen, dass der Gottesglaube eine Basis in der Natur oder Vernunft des Menschen habe (ausgearbeitet in einer sog. theologischen Anthropologie) oder insofern vernünftig sei, als er eine zufriedenstellende Interpretation von Mensch und Welt erlaube (so z. B. Wolfhart Pannenberg). Derartige Versuche, eine interne Plausibilität religiöser Überzeugungen herauszuarbeiten, haben eine Argumentationsweise ersetzt, welche die theologische Apologetik vom 14. bis frühen 20. Jahrhundert prägte, die mit äußeren Glaubwürdigkeitsgründen wie Wunder, Zeugen oder erfüllten Prophezeiungen argumentierte (sog. Extrinsezismus). Unter den zahllosen verschiedenen Ausarbeitungen von Rechtfertigungsversuchen eines Gottesglaubens wird in den letzten Jahrzehnten u. a. eine Gruppe von Positionen diskutiert, welche religiöse Überzeugungen im Kontext eines Meinungssystems für so grundlegend halten („basic beliefs“), dass diese weder einer weiteren Rechtfertigung zugänglich seien noch eine solche benötigten (sog. reformed epistemology, Erkenntnistheoretischer Fundamentalismus bezüglich religiösen Wissens, vertreten z. B. von Alvin Plantinga).

Eine Argumentation zugunsten des Gottesglaubens, die sich auf erwünschte moralische oder gesellschaftliche Konsequenzen oder Funktionen bezieht, erscheint den meisten gegenwärtigen systematischen Theologen wenig plausibel. Eine derartige Argumentation findet sich auch in der vorchristlichen Antike, oftmals gepaart mit einer Polemik gegenüber Atheisten aufgrund der These, Atheismus führe notwendig und faktisch zu unmoralischem Verhalten. Platon etwa teilt in seinen Nomoi Atheisten in unterschiedliche Gruppen ein, die allesamt zu bestrafen seien; während für einige eine Gefängnisstrafe hinreiche, erfordere es bei anderen durchaus ein oder zwei Tode.[129] Platon gilt, wie vielen vor und nach ihm, der Mensch kraft seiner Vernunft als göttlich und kraft seines Bezugs auf einen Gott als menschlich. Francis Bacon beschuldigt den Atheismus, „den Menschen zum Tier herabzuwürdigen, da er mit keiner höheren Natur mehr verbunden sei“.[130]

Professor Joseph Ratzinger (der später Papst Benedikt XVI. wurde) hob im Hinblick auf die Gefahr des „Unwesens“ der Religion auch eine positive reinigende Funktion des Atheismus hervor:

„Atheismus ist nicht notwendig Leugnung des Absoluten überhaupt, sondern dessen Rückversetzung in die reine Gestaltlosigkeit, d. h., er ist Protest gegen die Gestalt, mit der das Absolute identisch gesetzt wird. Darin aber liegt die große und unabdingbare Sendung des Atheismus in der Religionsgeschichte. Die Gestaltung des Göttlichen führt ja in der Tat immer wieder zur Vermenschlichung Gottes und damit zur Verabsolutierung des Menschlichen oder ganz bestimmter Einstellungen und Meinungen des Menschen. Aus diesem Grund gibt es nicht nur das Wesen, sondern auch das ‚Unwesen‘ der Religion (Bernhard Welte), ist Religion nicht nur die große Chance, sondern auch die große Gefährdung des Menschen. Weil hier das Absolute begegnet, kann jede Vermenschlichung und Verdinglichung des Absoluten zu den furchtbarsten Konsequenzen führen, indem dann die Gruppe, das System, die Einrichtung sich selbst absolut setzt und alles, was gegen sie steht, als das schlechthin Böse außerhalb jeder Menschlichkeit stellt. Weil vom Wesen des Menschen her jede Gestaltung zur Abschließung und so zur falschen Vermenschlichung Gottes drängt, muss es neben der Gestaltung immer auch ebenso die große Gegenbewegung der Reinigung geben, die immer wieder die Überschreitung der Gestalt und so letzten Endes die Vergöttlichung Gottes besorgt. Man kann gerade als Christ nicht einfach die positiv gestalteten Religionen der Weltgeschichte als das Gute und die atheistische Geisteslinie als den schlechthinnigen Sündenfall hinstellen, sondern beide Linien, die der Gestaltung und die der Reinigung, ergänzen sich gegenseitig, beide tragen Aufschwung und Fall in sich.“[131]

Portal: Atheismus – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Atheismus

Allgemeine Einführungen und Kompendien

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Mit Nachschlagewerken:

Klassische Texte

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Ideengeschichte

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(Siehe auch Literatur in den Artikeln Religionskritik und Kirchenkritik.)

(Siehe auch oben die Bibliographie in: Richard Faber & Susanne Lanwerd, 2006.)

  • Karl Baier, Sigrid Mühlberger, Hans Schelkshorn, Augustinus Karl Wucherer-Huldenfeld (Hrsg.): Atheismus heute? Ein Weltphänomen im Wandel. Leipzig 2001.
  • Christel Gärtner, Detlef Pollack, Monika Wohlrab-Sahr (Hrsg.): Atheismus und religiöse Indifferenz. Opladen 2003.
  • Thomas Schmidt, Monika Wohlrab-Sahr: Still the Most Areligious Part of the World: Developments in the Religious Field in Eastern Germany since 1990. In: International Journal of Practical Theology. 7 (2003), S. 86–100.
  • Monika Wohlrab-Sahr, Uta Karstein, Christine Schaumburg: „Ich würd' mir das offenlassen“. Agnostische Spiritualität als Annäherung an die „große Transzendenz“ eines Lebens nach dem Tode. In: Zeitschrift für Religionswissenschaft. Marburg 13 (2005), S. 153–173.

Systematische Diskussion

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(Siehe auch Literatur im Artikel Gottesbeweis zu klassischen und jüngeren Versuchen sowie zu Einwänden gegen diese.)

  • Hans-Jürgen Balmes, Jörg Bong, Alexander Roesler, Oliver Vogel, Isabel Kupski (Hrsg.): Neue Rundschau 2007/2: Atheismus. Fischer, Frankfurt am Main, 8. Juni 2007, ISBN 978-3-10-809069-2 (Aufsatzsammlung mit Beiträgen von Taha Muhammed Ali, Hans Blumenberg, Gudrun Boch, Sarah Shun-lien Bynum, Jorie Graham, Werner Hamacher, Felicitas Hope, Alberto Manguel, Willem Jan Otten, Herbert Schnädelbach, Arnold Stadler, Thomas P. Weber und Slavoj Žižek).
  • Tim Crane: The Meaning of Belief – Religion from an Atheist’s Point of View. Harvard University Press, Cambridge, Mass 2017, ISBN 978-0-674-08883-2.
  • Lutz Danneberg, Sandra Pott, Jörg Schönert, Friedrich Vollhardt (Hrsg.): Zwischen christlicher Apologetik und methodologischem Atheismus. Wissenschaftsprozesse im Zeitraum von 1500 bis 1800 (= Säkularisierung in den Wissenschaften seit der Frühen Neuzeit. Band 2). de Gruyter, Berlin/New York 2002, ISBN 3-11-017510-X (Leseprobe in der Google-Buchsuche).
  • Anders Bjørn Drachmann: Atheism in Pagan Antiquity. Gyldendal, London u. a. 1922; Nachdruck: Kessinger Publishing, Whitefish 2005, ISBN 0-7661-9086-2 (geht auch kurz auf Mittelalter und Moderne ein; online in archive.org).
  • Theodore M. Drange: Nonbelief and Evil. Two Arguments for the Nonexistence of God. Prometheus Books 1998, ISBN 1-57392-228-5.
  • Jack David Eller: Natural Atheism. AAP, Cranford, New Jersey 2004, ISBN 1-57884-920-9.
  • Nicholas Everitt: The Non-Existence of God. Routledge, London 2004.
  • Antony Flew: Atheistic Humanism. 1993, ISBN 0-87975-847-3.
  • Antony Flew, William Lane Craig: Does God Exist: The Craig-Flew Debate. 2003, ISBN 0-7546-3190-7.
  • Antony Flew: God and Philosophy. 2005 (jüngster von mehreren Nachdrucken).
  • Antony Flew, Roy Abraham Varghese: There is a God. How the World’s Most Notorious Atheist Changed His Mind. 2007, ISBN 978-0-06-133529-7.
  • John Niemeyer Findlay: Can God’s Existence be Disproved? In: Antony Flew, Alasdair MacIntyre (Hrsg.): 1955, New Essays in Philosophical Theology. S. C. M. Press, London 1955.
  • R. Gale: On the Nature and Existence of God. Cambridge University Press, Cambridge 1991.
  • David Bentley Hart: Atheist Delusions. The Christian Revolution and Its Fashionable Enemies. Yale University Press, New Haven 2007, ISBN 0-300-11190-8.
  • Norbert Hoerster: Die Frage nach Gott. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52805-8.
  • Robin LePoidevin: Arguing for Atheism. An Introduction to the Philosophy of Religion. London 1996.
  • Hermann Lübbe, Hans-Martin Sass (Hrsg.): Atheismus in der Diskussion. Kaiser, München 1975, ISBN 3-459-01037-1 (Überblick zur damaligen Debattenlandschaft im deutschen Sprachraum).
  • John Leslie Mackie: Das Wunder des Theismus. Argumente für und gegen die Existenz Gottes. Reclam, Stuttgart 1985, ISBN 3-15-008075-4.
  • Michael Martin: Atheism. A Philosophical Justification. Temple University Press 1992, ISBN 0-87722-943-0.
  • Michael Martin, Rickie Monnier (Hrsg.): The Improbability of God. Prometheus Books, Amherst 2006.
  • Ernest Nagel: A Defense of Atheism. In: J. E. Fairchild (Hrsg.): Basic Beliefs. New York 1959.
  • Kai Nielsen: In Defense of Atheism. In: H. Kiefer, M. Munitz (Hrsg.): Perspectives in Education, Religion, and the Arts. Albany 1970.
  • Graham Oppy: Arguing about Gods. Cambridge University Press, Cambridge 2006.
  • H. Philipse: The Irrationality of Religion. A Plea for Atheism. In: Berit Brogaard, Barry Smith (Hrsg.): Rationality and Irrationality. Rationalität und Irrationalität. Proceedings of the 23rd International Wittgenstein-Symposium, Akten des 23. Internationalen Wittgenstein-Symposiums, Kirchberg am Wechsel 2000 (= Schriftenreihe der Wittgenstein-Gesellschaft. Band 29). Wien 2001, ISBN 3-209-03648-9.
  • Richard Robinson: An Atheist’s Values. Oxford University Press, Oxford 1964.
  • W. C. Rowe: The Problem of Evil and some Varieties of Atheism. In: American Philosophical Quarterly. Band 16, Nr. 4, 1979, S. 335–341.
  • J. J. C. Smart, John Haldane: Atheism and Theism. 2. Auflage. Blackwell, Oxford 2003.
  • Quentin Smith, William Lane Craig: Theism, Atheism and Big Bang Cosmology. Oxford University Press, Oxford 1993.
  • Magnus Striet (Hrsg.): Wiederkehr des Atheismus. Fluch oder Segen für die Theologie? Herder, Freiburg im Breisgau/Basel/Wien 2008, ISBN 978-3-451-29821-9.
  • Richard Swinburne: Die Existenz Gottes. Reclam, Stuttgart 1987, ISBN 3-15-028434-1.

Literatur zum „religiösen Atheismus“

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„Atheismus“ innerhalb von Religionen:

Wiktionary: Atheismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Atheism (Atheismus) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen

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  1. Vergleiche etwa Simon Blackburn: The Oxford Dictionary of Philosophy. OUP, Oxford 1996: „Atheism. Either the lack of belief in a god, or the belief that there is none.“ Während „there is none“ eine Frage nach „Gott“ verneinen kann, steht diesbezüglich das hier verwendete ‚lack‘ ähnlich wie „Dasein ohne“ stellvertretend entweder für unreflektierte Indifferenz (Abwesenheit, Desinteresse, Fehlen, Gleichgültigkeit, Ignoranz, Unglauben, Unkenntnis und Unwissen) oder aber für philosophisch-reflektierte Indifferenz (Abstandsnahme, Infragestellen, Kritik, Nichtwissen, Positionierung, Skepsis, Urteilsenthaltung, Verzicht oder anders begründete Abgrenzung).
  2. Vergleiche Hans-Walter Schütte, Art. Atheismus (in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, S. 595–599, mit Zitat von J. G. Walch, Historische und theologische Einleitung in die vornehmsten Religions-Streitigkeiten, 1728, S. 673 f.): Zunächst sei ‚Atheismus‘ durch seine „innewohnende Unbestimmtheit“ ein Ablehnungsbegriff gewesen. „Die Einteilung des Begriffs leitende Vorstellung beruht auf der Annahme, daß A[theismus] Gottlosigkeit bedeute, also die «verkehrte Beschaffenheit des Gemüths, wodurch der Mensch sich zu überreden bemühet ist, es sey kein Gott», bezeichne.“ Zur Bestimmung von ‚Atheismus‘ nennt Schütte neben Unbestimmtheit, Ablehnung und Gemütsbeschaffenheit weitere atheistische „Kräfte“ die den „Theismus erschüttern“, so etwa die Gleichsetzung des Atheismus mit Spinozismus (Ph. J. Spener), das „Recht des Zweifels“ (in Anlehnung an P. Bayle), die Möglichkeit eines Staats von Atheisten (in Anlehnung an F. M. Voltaire), die Gleichsetzung des Atheismus mit Pantheismus (J. G. Fichte) und mit Deismus (I. Kant). Schütte zitiert G. W. F. Hegel, nach dem Atheismus zum einen die Theologie ist, die einen inhaltsvollen Gott annehme. Zum anderen sei „[d]as Resultat der pietistischen Theologie, die versucht, Gott auf «das Gebiet der zufälligen Subjectivität, das des Gefühls anzuweisen»“, ebenfalls Atheismus. Schütte resümiert: „Die gegenwärtige Situation hinsichtlich des Problems des A[theismus] ist dadurch gekennzeichnet, daß die im Laufe der letzten vier Jahrhunderte geltend gemachten Motive in einem schwer auflösbaren Miteinander weiterleben“
  3. Atheisterey. In: Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 2, Leipzig 1732, Sp. 2016–2025.
  4. Fritz Mauthner kam in seiner international umfangreichsten Studie zum Atheismus unter Bezugnahme auf diverse Quellen zu einer ausdrücklichen Berücksichtigung von agnostischen, deistischen, spinozistischen und weiteren Gruppen, die als Atheisten bezeichnet wurden (Der Atheismus und seine Geschichte im Abendland. 4 Bände. 1920–1923). Sie waren im 18. und 19. Jahrhundert besonders einflussreich (das HWPh nennt mit Quellenangaben: Spinozisten gemäß Ph. J. Spener, „Deisten“ gemäß Locke und Kant, Pantheisten gemäß Jacobi und Fichte). Dieser Wortgebrauch, den etwa die Freidenker auch selbst nutzten, ist im 21. Jahrhundert nicht mehr üblich.
  5. Paul Edwards: Atheism. In: Encyclopedia of Philosophy. 2. Auflage. Band 1, S. 356–377, hier S. 358/359. George Alfred James: Atheism. In: Encyclopedia of Religion. 2. Auflage. Band 1. 2005, S. 576–586, hier S. 576: “The term atheism is employed in a variety of ways. For the purpose of the present survey atheism is the doctrine that God does not exist, that belief in the existence of God is a false belief. The word God here refers to a divine being regarded as the independent creator of the world, a being superlatively powerful, wise, and good.” Abgeschwächter erklärt etwa Alfred Jules Ayer, charakteristisch für einen Atheisten sei es, „zu vertreten, dass mindestens wahrscheinlich ist, dass kein Gott existiert“ (in: Language, Truth and Logic. Dover/New York 1952, S. 115).
  6. Die hier genannten „agnostischen Ansichten“ markieren verschiedene epistemologische, die Wahrscheinlichkeitsformulierung verschiedene empirische und die ‚gibt-keinen‘-Formulierung metaphysische Positionen (letztere im Sinne eines logisch oder ontologisch notwendigen Ausschlusses göttlicher Existenzen in allen möglichen Welten). Siehe als detaillierte Standardzusammenfassungen insbesondere das HWPh, die REP und das international umfangreichste Werk von F. Mauthner, Der Atheismus und seine Geschichte im Abendland. 4 Bde. 1920–1923, bei dem der Agnostizismus wie auch in weiteren Standardwerken atheistisch ausgelegt ist (l.c.). Das HWPh, Art. „Agnostizismus“ (Bd. 1, 1971), zitiert Mauthner nach dem Wörterbuch der Philosophie (1923, 1, 20), wonach der Agnostiker so bestimmt sei: „die Vermeidung des «unschicklichen», aber zutreffenden Wortes «Atheist»“. J. Stenzel hält die für den Agnostizismus schulbildende Protagoras-Formulierung, wonach von Göttern nichts erkennbar und nicht erforschbar sei (Kritias, fr. 25) für „atheistisch“ (Metaphysik des Altertums. In: Handbuch der Philosophie, München 1934), während andere Werke eine klare Trennung zum Agnostizismus markieren (z. B. The Oxford Companion to Philosophy, Oxford/New York 1995, S. 63; vergleiche auch The Encyclopedia of Philosophy, 1967, S. 182, mittels eines engem Atheismusbegriffs). Die Ausprägungen atheistischer Überzeugungen sind vielfältig, eine klare Abgrenzung zum Agnostizismus ist nicht immer möglich.
  7. […] it is characteristic of an atheist to hold that it is at least probable that no god exists”, in: Language, Truth and Logic. Dover/New York 1952, S. 115.
  8. a b Vergleiche Karl Hoheisel: Art. Atheismus, I. Religionswissenschaftlich. In: Lexikon für Theologie und Kirche (LThK), dritte Aufl., Bd. 1, 1993, S. 1132.
  9. Vergleiche H.-W. Schütte, Atheismus-Art. (in: HWPh, Bd. 1, S. 595–599): Bei J. F. Buddeus ist der „praktische Atheismus“ mit „der Überzeugung verbunden, daß der Gottesgedanke ein sicheres Besitztum der menschlichen Vernunft sei und daß die menschliche Gesellschaft durch A[theismus] im Sinne dieses [göttlichen] Beginns in ihren Grundlagen angefochten werde.“ Schütte zitiert L. Feuerbach, für den der „praktische Atheismus“ unter Berufung auf M. Luther eine Aneignung der Religionsgehalte sei und der „Selbstentfaltung des der menschlichen Natur innewohnenden Inhalts“ diene; ferner F. Nietzsche, für den der „Sieg des A[theismus] die Menschheit“ vom Schuldgefühl gegen ihren Anfang löse und der Atheismus „Bedingung für die Entstehung eines neuen Menschen“ ist. Vergleiche auch H. Schnädelbach (Religion in der modernen Welt, 2009, S. 123): Er argumentiert (sich selbst als Atheist bezeichnend), dass das, was Feuerbach mit „praktische Atheismus“ gemeint habe, so praktisch geworden sei, „dass >Atheismus< selbst schon nicht einmal mehr Thema ist“; so dass in dieser Folge „unsere Kultur nicht nur postchristlich, sondern auch postatheistisch“ sei.
  10. Jack David Eller: Natural Atheism. AAP, Cranford, New Jersey 2004, ISBN 1-57884-920-9.
  11. Atheism and Agnosticism in der Stanford Encyclopedia of Philosophy
  12. Minois 2000, S. 618.
  13. Phil Zuckerman: Atheism: Contemporary Rates and Patterns. In Michael Martin (Hrsg.): The Cambridge Companion to Atheism. Cambridge University Press, Cambridge 2007.
  14. Field Listing: Religions. In: The World Factbook. CIA, 8. März 2010, archiviert vom Original am 14. April 2019; abgerufen am 6. Mai 2019 (englisch).
  15. Minois 2000, S. 628.
  16. Britannica Book of thew Year. 1994, Angabe von Minois
  17. Nach der World Christian Encyclopedia. Angabe von Minois
  18. Special Eurobarometer, Biotechnology Report. (PDF; 7,5 MB) Abgerufen am 3. Februar 2015.
  19. Eurostat poll on the social and religious beliefs of Europeans. (PDF; 1,6 MB) Abgerufen am 3. Februar 2015 (englisch).
  20. UK among most secular nations. BBC, 26. Februar 2004, abgerufen am 6. Mai 2019.
  21. Global Index of Religions and Atheism (Memento vom 12. August 2012 im Internet Archive). WIN-Gallup International, 2012.
  22. Globaler Index zu Religiosität und Atheismus Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland, abgerufen am 7. Juli 2017.
  23. Gallup International Association: Global Index of Religions and Atheism 2012. Press Release. Dublin 2012, Tabellen S. 11–12 (englisch; PDF: 1,2 MB, 25 Seiten auf redcresearch.ie (Memento vom 12. August 2012 im Internet Archive)).
  24. Edward J. Larson, Larry Witham: Correspondence: Leading scientists still reject God. In: Nature. 394. Jahrgang, Nr. 6691, 1998, S. 313, doi:10.1038/28478. oder Leading scientists still reject God (Memento vom 1. März 2014 im Internet Archive)
  25. Religion and Science in the United States: Scientists and Belief. In: Pew Forum. 5. November 2009, abgerufen am 6. Mai 2019.
  26. a b M. Zuckerman, J. Silberman, J. A. Hall: The Relation Between Intelligence and Religiosity: A Meta-Analysis and Some Proposed Explanations. In: Personality and Social Psychology Review. Band 17, Nr. 4, November 2013, S. 325–354 (englisch; doi:10.1177/1088868313497266; PMID 23921675; PDF: 419 kB (Memento des Originals vom 23. Mai 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/emilkirkegaard.dk auf emilkirkegaard.dk).
  27. Michael Blume u. a.: Religiosität als demographischer Faktor – Ein unterschätzter Zusammenhang? In: Marburg Journal of Religion. Band 11, Nr. 1, Juni 2006 (online in archiv.ub.uni-marburg.de).
  28. Institut der deutschen Wirtschaft: Kinder. Auch eine Frage der Überzeugung. In: iwd. Nr. 13, Deutscher Instituts-Verlag, Köln 29. März 2007 (online (Memento vom 16. Mai 2008 im Internet Archive)).
  29. You can be put to death for atheism in 13 countries around the world. Report Internationale Humanistische und Ethische Union vom 10. Dezember 2013.
  30. Richard Schröder: Die wichtigsten Irrtümer über die deutsche Einheit. Freiburg im Breisgau 2007, S. 211. Dabei sei es geblieben, erklärt Schröder und gibt als aktuelle Vergleichsgröße in den alten Bundesländern 70 Prozent Kirchenmitglieder an. (Ebda.)
  31. Vgl. Herbert Schnädelbach: Religion in der modernen Welt. Vorträge, Abhandlungen, Streitschriften, Frankfurt am Main 2009, S. 53 f.
  32. Unverminderte Verfolgung von Christen (Memento vom 5. November 2013 im Internet Archive)
  33. Minois 2000, S. 590.
  34. Zu unterscheiden von „atheistischer Methode“. Siehe Adolf Schlatter: Atheistische Methoden in der Theologie. Wuppertal 1985 (ursprünglich 1905), hrsg. von Heinzpeter Hempelmann.
  35. Franz Stuhlhofer: Charles Darwin – Weltreise zum Agnostizismus. Berneck 1988, S. 120–131.
  36. Alan Sokal: Pseudosciences et postmodernisme: adversaires ou compagnons de route?, S. 157. Odile Jacob, Paris 2005.
  37. Vergleiche etwa Sigmund Freud: Die Zukunft einer Illusion. 1927 et passim
  38. I. Kant: Die Metaphysik der Sitten. Königsberg 1797.
  39. sueddeutsche.de: Atheisten wird weniger Moral zugetraut
  40. Gerhard Czermak, Religions- und Weltanschauungsrecht. S. 36, Absatz 71
  41. Abraham Franzblau, Religious Belief and Character Among Jewish Adolescents. Teachers College Contribution to Education, Nr. 634 (1934).
  42. Murray Ross: Religious Beliefs in Youths. New York 1950.
  43. Die Zeit vom 22. März 2007, Gero von Randow: Ungläubige Demut.
  44. David Speed, Thomas J. Coleman, Joseph Langston: What Do You Mean, “What Does It All Mean?” Atheism, Nonreligion, and Life Meaning. In: SAGE Open. Band 8, Nr. 1, Januar 2018, ISSN 2158-2440, S. 215824401775423, doi:10.1177/2158244017754238 (englisch, sagepub.com [abgerufen am 24. August 2018]).
  45. a b Religiöse Ethik – ein Wintermärchen?
  46. Immanuel Kant: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. Vorrede zur ersten Auflage.
  47. Siehe Christlich-Islamische Friedensarbeit (Memento vom 2. Juli 2013 im Internet Archive)
  48. Richard Dawkins Foundation für Vernunft und Wissenschaft
  49. "Humanists International" is the new operating brand of the International Humanist and Ethical Union, Meldung vom 15. Februar 2019, abgerufen am 30. August 2022
  50. Thomas Assheuer: Das Gute im Schönen. In: Zeit Online. Zeit Online GmbH, 28. Mai 2014, abgerufen am 12. August 2014.
  51. Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich: Offizielle Website.
    Zum „religiösen Bekenntnis“ siehe § 2 der Statuten der Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich, abgerufen am 22. April 2020.
  52. Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich: Kommuniqué vom 30.12.2019. In: atheistisch.at. 30. Dezember 2019, abgerufen am 22. April 2020.
  53. Was ist Freie Religion? (Memento vom 2. April 2015 im Internet Archive)
  54. Parerga und Paralipomena I. 1. Teilband, S. 131 im Diogenes-Taschenbuch
  55. Quelle: Hans Küng, Existiert Gott? S. 389 im dtv-Taschenbuch
  56. Beispielsweise J. Guitton, Mon testament philosophique, Paris 1997
  57. Wolfgang Deppert, Atheistische Religion. In: Glaube und Tat 27. S. 89–99 (1976).
  58. Minois 2000, S. 648.
  59. Minois 2000, S. 29 ff.
  60. Forschungsmeinungen, die daraus die Existenz dieser atheistischen Strömung seit dem 6./5. Jahrhundert v. Chr. behaupten (zuletzt u. a. bei Debiprasad Chattopadhyaya), sind umstritten. Nachweisbar ist, dass es seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. Skeptiker gab, Lokayata genannt (=„Diskutierer“, immer auch in der Bedeutung von „Kritiker“ gebraucht), die sich irgendwann zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. (mögliche Lebenszeit des Charvaka, auf den sie sich beriefen) und dem 6. Jahrhundert n. Chr. (hier nachweisbar) als skeptizistische Schule organisierten, die allmählich zu materialistisch-atheistischen Lehren überging.
  61. Gott im Buddhismus, 21. Juli 2014
  62. „Der Taoismus und die Entstehung der Welt“, 21. Juli 2014
  63. Minois 2000, S. 40 f.
  64. Zit. n. Minois 2000, S. 42.
  65. Platon, Nomoi X, 899b. K. Hülser (Hrsg.), übers. von Friedrich Schleiermacher (mit Ergänzungen von Franz Susemihl u. a.), Insel Verlag 1991.
  66. Minois 2000, S. 49.
  67. Zit. n. Minois 2000, S. 61.
  68. Zit. n. d. Übersetzung von Harry C. Schnur, 1968, Kap. 44
  69. Schütte, HWPh 1, 595: „Da sich die Christen mit eigenen Gottesdiensten den Vorwurf der «novitas» zuzogen, galten sie in der Meinung des 1. Jh. als atheoi.“
  70. Walter R. Dietz: Atheismus II. Kirchengeschichtlich. In: Bernd Janowski u. a. (Hrsg.): Religion in Geschichte und Gegenwart. 4. Auflage. Band 1, Mohr Siebeck, Tübingen 1998, Spalte 875.
  71. Jan Milič Lochman: Atheismus. In: Erwin Fahlbusch (Hrsg.): Evangelisches Kirchenlexikon. 3., neugefasste Auflage. Band 1, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1986, Spalte 304.
  72. Georges Minois: Geschichte des Atheismus. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hermann Böhlaus, Weimar 2000, ISBN 3-7400-1104-1, S. 68–72.
  73. Vergleiche zum Beitrag der arabischen Philosophie zur Geschichte des Atheismus im Mittelalter Minois 2000, S. 72–76.
  74. Vergleiche Minois 2000, S. 74/75.
  75. Vergleiche für diesen Abschnitt Minois 2000, S. 76–89.
  76. Minois 2000, S. 91 f.; S. 95.
  77. Minois 2000, S. 93; S. 96.
  78. Minois 2000, S. 94/98.
  79. Minois 2000, S. 77–79.
  80. Minois 2000, S. 87–92 und 95–99.
  81. Carlo Ginzburg, Der Käse und die Würmer. Die Welt eines Müllers um 1600. Frankfurt am Main 1979 (Zitat S. 104).
  82. Minois 2000, S. 98–101, S. 103.
  83. Minois 2000, S. 101–104; Geschichte des Atheismus. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar 2000, S. 105–108.
  84. Winfried Schröder in: Matthias Knutzen: Schriften, Dokumente. Stuttgart–Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 2010, S. 8
  85. http://www.laender-analysen.de/polen/pdf/PolenAnalysen157.pdf
  86. „Die Geschichte des Atheismus in Europa beginnt aber erst wirklich im 18. Jahrhundert mit den Franzosen Jean Meslier (1664–1729), Diderot (1713–1784), Holbach (1723–1789), […].“ (Hiorth, Atheismus—genau betrachtet. S. 26.)
  87. „Jenes sogenannte unendlich vollkommene Wesen hingegen, das unsere Gottgläubigen Gott nennen, ist bloß eine Ausgeburt der Phantasie.“ (Testament, Kap. 64)
  88. Julien Offray de La Mettrie: Der Mensch als Maschine. Nürnberg: LSR-Verlag 1985, S. 66.
  89. Für ein Porträt La Mettries, das diese Seite des sonst als kruder „mechanistischer Materialist“ verrufenen Philosophen hervorhebt, siehe: Bernd A. Laska: La Mettrie und die Kunst, Wo(h)llust zu empfinden. Portrait eines verfemten Denkers. In: Der Blaue Reiter. Journal für Philosophie. Band 16 (Juni 2003), S. 98–103
  90. Denis Diderot: Essai sur les règnes de Claude et de Neron et sur la vie et les écrits de Sénèque… (1778). Zit. n. ders.: Philosophische Schriften II. Berlin/DDR: Aufbau 1961, S. 428/429; vergleiche oben Note zu La Mettrie, sowie die Einleitung zu La Mettrie: Über das Glück, dem Werk, das die Gegnerschaft Diderots, Holbachs, Voltaires und anderer hervorrief.
  91. Immanuel Kant, Gesammelte Schriften. Hrsg.: Bd. 1–22 Preussische Akademie der Wissenschaften, Bd. 23 Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ab Bd. 24 Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Berlin 1900ff., AA III, 427–428, Faksimile
  92. Feuerbach 1841
  93. „Denn nicht Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, wie es in der Bibel steht, sondern der Mensch schuf, wie ich im ‚Wesen des Christentums‘ zeigte, Gott nach seinem Bilde.“ Aus: Vorlesungen über das Wesen der Religion, Leipzig 1851, XX. Vorlesung.
  94. Feuerbach 1841, Teil II, S. 409
  95. Feuerbach 1841, Teil I, S. 287
  96. Weitere Stellen bei Marx (und Engels) sind zu finden in: Das Kapital an verschiedenen Stellen (z. B. die Stelle über den Warenfetischismus), jedoch nie systematisch behandelt, und in: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft (zit. mit „Anti-Dühring“) von Friedrich Engels aus dem Jahr 1878.
  97. a b Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. In Deutsch-Französische Jahrbücher. (1844), MEW Bd. 1, S. 378 ff. (Memento vom 9. November 2011 im Internet Archive)
  98. a b c Karl Marx: Thesen über Feuerbach (geschrieben im Frühjahr 1845) MEW Bd. 3, S. 5 ff.
  99. Friedrich Nietzsche: nachgelassenes Fragment „Der europäische Nihilismus“, KSA 12, 5 [71], S. 212.
  100. Ecce homo, Warum ich so klug bin, 1. Abschnitt, KSA 6, S. 278 f.
  101. Friedrich Nietzsche: Ecce homo. Warum ich so klug bin, 3. Abschnitt (KSA 6, S. 286)
  102. So mehrfach in Ecce homo: KSA 6, S. 319, 328, 366 f. und 370.
  103. Ecce homo, Also sprach Zarathustra, 6. Abschnitt: KSA 6, S. 344 f.
  104. Ecce homo. Warum ich ein Schicksal bin, 1. Abschnitt (KSA 6, S. 365).
  105. Der Antichrist, Kapitel 16: KSA 6, S. 182
  106. Sigmund Freud: Vorlesung: Die Zerlegung der psychischen Persönlichkeit.
  107. Etwa in: Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache. zuerst 1932, u. a. auch in: Ders. (Hrsg. Thomas Mormann): Scheinprobleme in der Philosophie und andere metaphysikkritische Schriften, Meiner, Hamburg 2004, S. 81–110, hier 90.
  108. In: Warum man Atheist sein muß. In: Club Voltaire. Jahrbuch für kritische Aufklärung 1 (1963), S. 66–71, hier 68, diverse Nachdrucke.
  109. Vergleiche etwa Norbert Hoerster: Die Frage nach Gott. C. H. Beck, S. 114.
  110. John Leslie Mackie beispielsweise folgerte daraus, „dass wenigstens eine […] [der] zentralen Aussagen [des Theismus] wesentlich verändert“ werden müsse, um Konsistenz zu erhalten. Das Wunder des Theismus. Argumente für und gegen die Existenz Gottes., S. 280; (Übers. Rudolf Ginters) (1985) Reclam. Mackies Fazit ist, „dass weitaus mehr gegen die Existenz eines Gottes spricht als dafür.“, S. 402.
  111. Victor J. Stenger: God: The Failed Hypothesis: How Science Shows that God does not Exist. Prometheus, Amherst 2007.
  112. Pascal Boyer: Und Mensch schuf Gott. Klett-Cotta, Stuttgart 2004, S. 118 ff. (Übersetzung der amerikanischen Ausgabe: Religion Explained. The Evolutionary Origins of Religious Thought. Basic Books, New York 2001).
  113. Pascal Boyer: Und Mensch schuf Gott. Klett-Cotta, Stuttgart 2004, S. 180.
  114. Gary Wolf: The Church of the Non-Believers. Wired, abgerufen am 16. März 2010.
  115. Institut für Religionswissenschaft der Freien Universität Berlin: Linkliste zum "Neuen Atheismus". 17. Januar 2012, archiviert vom Original am 17. Januar 2012; abgerufen am 22. September 2023.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.geschkult.fu-berlin.de
  116. Richard Dawkins: Der Gotteswahn. 6. Auflage. Ullstein, Berlin 2007, ISBN 978-3-550-08688-5, S. 74.
  117. Terry Eagleton: Reason, Faith, and Revolution: Reflections on the God Debate, 2009, ISBN 978-0-300-15179-4
  118. Vergleiche eine Linkliste im SFB der DFG an der FU Berlin
  119. Herbert Schnädelbach: „Der Fluch des Christentums“ Die Zeit 2000.
  120. Vergleiche Herbert Schnädelbach: Religion in der modernen Welt. Frankfurt am Main 2009, S. 53 ff.
  121. Joachim Kahl: Weder Gotteswahn noch Atheismuswahn. Eine Kritik des „neuen Atheismus“ aus der Sicht eines Vertreters des „alten Atheismus“, 2008. (PDF) Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  122. Zit. nach: Minois 2000, S. 599 f.
  123. Michael Martin: General Introduction. In: Ders. (Hrsg.): The Cambridge Companion to Atheism, l.c., S. 1–7, S. 1. Antony Flew, Michael Martin, und William L. Rowe bezeichnen die Ablehnung als „positive“ oder „strong“ und die neutrale Position als „weak“ atheism (A. Flew, „The Presumption of Atheism“, in: The Presumption of Atheism and other Philosophical Essays on God, Freedom, and Immortality. Barnes and Noble, New York 1976, S. 14 ff.; M. Martin, „The Cambridge Companion to Atheism“, Cambridge University Press 2006; W. L. Rowe: Atheism. In: Routledge Encyclopedia of Philosophy. Juni 1998, S. 530–534).
  124. a b H. Schnädelbach markiert die aussagenlogische Differenz in folgender Weise: „Es gibt zwei Sorten von Atheisten. Die einen sind die konfessionellen Atheisten, die sagen: ‚Ich glaube, dass es Gott nicht gibt‘; sie vertreten eine Art Gegenkonfession zum Gottesglauben. Die schwächere Form des Atheismus besteht darin, zu sagen: ‚Ich glaube nicht, dass es Gott gibt.‘ Hier wird also nichts geglaubt und bekannt.“ (in: Berliner Zeitung, Interview v. P. Riesbeck, 20. März 2008 online (Memento des Originals vom 1. Juli 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.berliner-zeitung.de).
  125. Ein Fehlen kann unterschiedliche Ursachen haben. Nach Günther Mensching, Art. Atheismus, I. Religionsgeschichtlich. In: Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. A., Bd. 1, S. 670 kann der Ausdruck „Atheismus“ auch zur Bezeichnung einer „Unkenntnis numinoser Wesenheiten“ dienen.
  126. Nur im Falle von agnostischen Ansichten, die „Gott“ definitiv außen vor lassen oder in irgendeiner Weise ablehnen, ist eine damit verbundene Überschneidung mit dem Atheismus begrifflich fassbar als „agnostischer Atheismus“ (anders gewichtet: als „atheistischer Agnostizismus“).
  127. Die REP analysiert im Anschluss an die Unterscheidung (weit/stark = negative/positive): “One advantage of using ‘atheism’ in these two senses is that negative atheism, but not positive atheism, characterizes the position of the logical positivists, who hold that statements purportedly about God, including the statement ‘God does not exist’, are cognitively meaningless. If one holds that the statements ‘God exists’ and ‘God does not exist’ are cognitively meaningless, and therefore neither true nor false, one cannot consistently believe that it is true that God does not exist or that it is true that God does exist. So the logical positivist cannot espouse positive atheism, but can be characterized as espousing negative atheism.
  128. Vergleiche Paul Edwards, Art. Atheism. In: The Encyclopedia of Philosophy 1967, Bd. 1, S. 177 f. zu den Punkten “eternity of matter” und “evil and other imperfections” die ein göttliches Wirken widerlegen würden (mit Bezug auf G. H. Lewes, Bertrand Russell u. a.).
  129. Vergleiche für weitere illustrative Beispiele Paul Edwards, Art. Atheism. In: Encyclopedia of Philosophy, Bd. 1, S. 356–377, hier S. 357 f.
  130. Georges Minois, Geschichte des Atheismus. S. 203.
  131. Joseph Ratzinger: Atheismus – seine positive Funktion. Aus: Ders.: Atheismus., in Michael Schmaus/Alfred Läpple (Hrsg.): Wahrheit und Zeugnis. Düsseldorf 1964, S. 94 (96); Auszug in: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Der Glaube der Kirche. Ein theologisches Lesebuch aus Texten Joseph Ratzingers. Bonn, 2011 (Arbeitshilfen; Nr. 248; Archivlink (Memento vom 29. Dezember 2012 im Internet Archive)), S. 17 f.