„Gewaltfreie Kommunikation“ – Versionsunterschied
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Die '''Gewaltfreie Kommunikation''' (kurz '''GFK'''; von {{enS|Nonviolent Communication}}, NVC) ist ein von [[Marshall B. Rosenberg]] entwickeltes [[Handlungskonzept]] mit dem Ziel, menschliche Beziehungen in einer Weise zu entwickeln, dass die Betroffenen spontan und gerne zum gegenseitigen Wohlergehen beitragen.<ref>{{Internetquelle |autor=[[Alan Rafael Seid]] |url=https://www.youtube.com/watch?v=YnUIzRCNMGs |titel=Unlocking your Emotions to Achieve the SDGs: Nonviolent Communication with Alan Seid |format=Video |sprache=en |abruf=2021-09-23}}</ref> Grundvoraussetzung hierfür ist [[Freier Wille|Freiwilligkeit]]. |
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Die '''Gewaltfreie Kommunikation''' (GfK) ist eine von [[Marshall B. Rosenberg]] entwickelte [[Kommunikation]]s- und [[Konflikt]]lösungsmethode, die ohne psychische und physische [[Gewalt]] auskommen soll. |
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Der Kommunikationsfluss soll zu mehr [[Vertrauen]] und [[Freude]] am Leben führen. GFK kann in diesem Sinne sowohl bei der [[Kommunikation]] im Alltag als auch bei der friedlichen [[Konfliktlösung]] im persönlichen, beruflichen oder politischen Bereich hilfreich sein. Im Vordergrund steht nicht, andere Menschen zu einem bestimmten Handeln zu bewegen, sondern eine [[Wertschätzung|wertschätzende]] [[Soziale Beziehung|Beziehung]] zu entwickeln, die mehr [[Kooperation]] und gemeinsame [[Kreativität]] im Zusammenleben ermöglicht. |
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== Geschichte == |
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Manchmal werden auch die Bezeichnungen ''Einfühlsame Kommunikation, Verbindende Kommunikation, Wertschätzende Kommunikation, Sprache des Herzens'' oder ''Giraffensprache'' verwendet.[[Datei:MarshallRosenberg1990.jpg|mini|hochkant|[[Marshall B. Rosenberg|Marshall Rosenberg]] bei einem Workshop über Gewaltfreie Kommunikation mit Handpuppen ''Giraffe'' und ''Schakal,'' siehe [[#Annahmen zur Konfliktentstehung|unten]] (Israel 1990)]] |
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Rosenberg hat in Wisconsin in [[Psychologie]] promoviert. Das Konzept der gewaltfreien Kommunikation entstand aus Rosenbergs Auseinandersetzung mit der amerikanischen [[Bürgerrechtsbewegung]] in den frühen [[1960er]]n. Er half dabei, die [[Rassentrennung]] an Schulen und Institutionen auf friedvollem Wege rückgängig zu machen. Zu diesen Zwecke gründete er das "Center for Nonviolent Communication". |
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== Geschichte und Verbreitung == |
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Rosenberg bietet Trainings in "Gewaltfreier Kommunikation" in Schweden, der Schweiz, Italien, Deutschland, Dänemark, Malaysia, Indien, den USA und vielen weiteren Staaten an. Er ist aber auch in Krisengebieten und ökonomisch benachteiligten Regionen, wie Israel, Palästina, Serbien, Ruanda tätig. |
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Rosenberg [[promoviert]]e 1961 an der [[University of Wisconsin–Madison]] in klinischer [[Psychologie]]. Das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation entstand aus seiner Auseinandersetzung mit der amerikanischen [[Bürgerrechtsbewegung]] in den frühen 1960er Jahren. 1963 begann er mit der Entwicklung des GFK-Prozesses.<ref>Marshall B. Rosenberg: ''Was deine Wut dir sagen will: überraschende Einsichten.'' 2. Auflage. Junfermann, Paderborn 2007, ISBN 978-3-87387-625-5, S. 57.</ref> Er half dabei, die [[Rassentrennung]] an [[Schule]]n und [[Institution]]en auf friedvollem Wege rückgängig zu machen. Seine ersten Veröffentlichungen zeigen die historische und theoretische Entwicklung des Modells auf. Die früheste Version des Modells (Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse und handlungsorientierte Bitte) war Teil eines 1972 erstellten Handbuchs. Bereits 1970 war der Artikel „Application of Behavioral Science Principles at a Community Level“ (American Psychological Association) erschienen, gefolgt von „Community Psychology as Applied by a Clinician“ im ''Journal for Social Changes: Ideas and Applications'' im Jahr 1971. Diese beiden Veröffentlichungen geben Aufschluss über Rosenbergs frühe Einflüsse sowie seine Abkehr von der klinisch-psychologischen Praxis hin zu einer gemeinschaftsorientierten Arbeit.<ref>[https://web.archive.org/web/20141102141709/http://www.cnvc.org/sites/cnvc.org/files/MLittle_Thesis0408.pdf Marion Little: Total Honesty/Total Heart: Fostering empathy development and conflict resolution skills. A violence prevention strategy (2008)] S. 22, Victoria, B.C., Kanada: University of Victoria, 2002</ref> |
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Seit einigen Jahren gibt es auch im ehemaligen Jugoslawien Menschen, die nach seiner Methode arbeiten. |
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Als er mit zunehmendem Erfolg mehr Menschen traf, die ihn auch finanziell unterstützen wollten, gründete er (zunächst aus steuerlichen Gründen) 1984 die Non-Profit-Organisation ''The Center for Nonviolent Communication'' (CNVC). |
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So haben 1994 serbische Pädagoginnen und Psychologen - unterstützt von [[Unicef]] - ein dreibändiges Werk zum Erlernen gewaltfreier Kommunikation nach Rosenbergs Methode für Kindergärten und Schulen entwickelt. Rosenberg hat auch ein speziell auf Kinder zugeschnittenes Konzept des Lernens der GfK entwickelt. |
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Rosenberg bot zeit seines Lebens Trainingskurse in Gewaltfreier Kommunikation in [[Schweden]], der [[Schweiz]], [[Italien]], [[Deutschland]], [[Israel]], [[Dänemark]], [[Polen]], [[Ungarn]], [[Malaysia]], [[Indien]], den [[Vereinigte Staaten|USA]] und vielen weiteren [[Staat]]en an. Er war lange Zeit auch in Krisengebieten und ökonomisch benachteiligten Regionen wie [[Palästina (Region)|Palästina]], [[Serbien]] und [[Ruanda]] tätig und hatte über mehrere Jahre seinen Lebensmittelpunkt in der Schweiz. Bis zu seinem Tod im Februar 2015 verbrachte er seinen Lebensabend in [[Albuquerque]] (New Mexico, USA). |
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Viele [[Coaching]]- und [[Mediation]]s-Agenturen bieten Fortbildungen und Seminare zur GfK an und nutzen sie zur Bearbeitung von Konflikten. |
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1994 haben serbische [[Pädagoge|Pädagoginnen]] und [[Psychologe]]n – unterstützt von [[UNICEF]] – ein dreibändiges Werk zum Erlernen Gewaltfreier Kommunikation nach Rosenbergs Methode für [[Kindergarten|Kindergärten]] und Schulen entwickelt.<!-- Titel & Autoren & ab in die Literaturliste --> Rosenberg entwickelte auch ein speziell auf Kinder zugeschnittenes Konzept des Lernens der GFK. |
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== Theoretischer Hintergrund == |
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Das Konzept der GFK kann in vielen Bereichen verwendet werden, so etwa in [[Bildungseinrichtung]]en, [[Organisation]]en, Institutionen, privaten Beziehungen, [[Therapie]], [[Beratung]], [[Verhandlung]]en, [[Diplomatie]] und überall, wo [[Konflikt]]e auftreten. Viele [[Coaching]]- und [[Mediation]]s-Agenturen bieten Fortbildungen und Seminare zur GFK an und nutzen sie zur Bearbeitung von Konflikten. |
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Die GfK steht in der Tradition der klienten-zentrierten [[Gesprächstherapie]], die von Rosenbergs Lehrer [[Carl Rogers]] entwickelt wurde. Das [[Aktives Zuhören|einfühlsame Zuhören]] steht bei Rogers im Mittelpunkt, die GfK geht jedoch über den gesprächstherapeutischen Rahmen hinaus. Beeinflusst ist die GfK auch von [[Mahatma Gandhi|Gandhi]] und seinen Überlegungen zur Gewaltfreiheit, ''[[ahimsa]]'' genannt, die auf den [[Upanishaden]] basieren. Viele Elemente der GfK finden sich auch in anderen Konfliktlösungstechniken, wie im [[Gütekraft]]-Konzept von Martin Arnold, der [[Mediation]] und den [[Win-Win|Win-Win-Strategien]]. |
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== Theoretischer Hintergrund == |
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Die GFK steht in der Tradition der [[Klientenzentrierte Psychotherapie|klientenzentrierten Psychotherapie]], die Rosenbergs Lehrer [[Carl Rogers]] entwickelte. Das [[Aktives Zuhören|aktive Zuhören]] steht bei Rogers im Mittelpunkt, die GFK geht jedoch über den gesprächstherapeutischen Rahmen hinaus. Beeinflusst ist die GFK auch von [[Mahatma Gandhi]] und seinen Überlegungen zur [[Gewaltfreiheit]], ''[[Ahimsa]]'' genannt, die auf den [[Upanishaden]], einer Sammlung philosophischer Schriften des Hinduismus, basieren. Viele Elemente der GFK finden sich auch in anderen Konfliktlösungstechniken, wie im [[Gütekraft]]-Konzept von Martin Arnold, der [[Mediation]] und den [[Win-Win]]-Strategien. |
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== Erläuterung des Konzepts von Rosenberg == |
== Erläuterung des Konzepts von Rosenberg == |
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=== Grundannahmen === |
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[[Datei:Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg.jpg|mini|Karten mit menschlichen Grundbedürfnissen in den Händen von Übungsgruppenteilnehmern]] |
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Rosenberg geht davon aus, dass die Form, in der |
[[Empathie]] ist nach Rosenberg eine Grundvoraussetzung gelingender Kommunikation. Er geht davon aus, dass die Form, in der Menschen miteinander kommunizieren, einen entscheidenden Einfluss darauf hat, ob sie Empathie für ihr Gegenüber entwickeln und ihre [[Bedürfnis]]se erfüllen können. Außerdem nimmt er an, dass Menschen unter freien Bedingungen die empathische Verbindung zum Mitmenschen suchen. Die GFK soll helfen, sich ehrlich und klar auszudrücken und empathisch zuzuhören. Sie ist auf die Bedürfnisse und [[Fühlen (Psychologie)|Gefühle]] gerichtet, die hinter Handlungen und Konflikten stehen. Sie ist weniger als eine Kommunikations-''Technik'' zu betrachten, sondern mehr als eine Bewusstwerdung über Möglichkeiten des empathischen Kontaktes. Dabei ist es prinzipiell nicht nötig, dass beide Kommunikationspartner GFK anwenden – auch wenn es, gerade für Anfänger oder in privaten menschlichen Beziehungen, sehr hilfreich ist, wenn beide wissen, wie viel Potenzial in der einfühlsamen Verbindung steckt. In der GFK ist die Empathie unter zwei Gesichtspunkten bedeutsam. Neben der Einfühlung in eine andere Person ist auch die Selbstempathie wichtig, um Klarheit in einer Situation zu erhalten und damit zu ermöglichen, Strategien zu finden, die der Bedürfniserfüllung auf allen Seiten dienen.<ref>Marshall B. Rosenberg, „Gewaltfreie Kommunikation“, (2012), S. 171 ff.</ref><ref>{{Webarchiv|url=http://www.konfliktgenuss.de/assets/Uploads/PDF/Zielfuehrende-Kommunikation.pdf |wayback=20160304094018 |text=Empathie in der Kommunikation von KonfliktGenuss (PDF download 464 KB) |archiv-bot=2025-05-13 20:34:55 InternetArchiveBot }}</ref> |
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Rosenberg nimmt an, dass jeder Mensch gern bereit sei, etwas für einen anderen Menschen zu tun, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind (z. B. die Anfrage als Bitte formuliert ist und nicht als Forderung, er nicht den Eindruck hat, dadurch eine Pflicht abzuarbeiten oder den anderen in eine Pflicht zu setzen und so weiter). Dieses Menschenbild geht auf die der humanistischen Psychologie entlehnte Haltung zurück, in einer schädigenden Aktion eines Individuums nicht den Ausdruck des inneren Wesens zu sehen, sondern die „fehlgeleitete“ Strategie eines eigentlich lebensdienlichen Impulses. Rosenberg bezieht sich besonders auf Carl Rogers. So nennt Rosenberg jede Form von Gewalt einen tragischen Ausdruck eines unerfüllten Bedürfnisses. |
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=== Annahmen zur Konfliktentstehung === |
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[[Datei:Girafe réticulée.jpg|mini|hochkant|Die [[Giraffe]] ist das Symboltier für die Gewaltfreie Kommunikation. Der lange Hals soll die Weitsicht symbolisieren.<ref name="Emmert 2010" /> Dass sie das größte Herz bei den Landsäugetieren habe, stehe für Mitgefühl.<ref name="Emmert 2010" />]] |
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Rosenberg nennt mehrere Auslöser, die zu Konflikten führen können<ref name="Rosenberg 2009" />: |
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* Statische [[Sprache]]: Laut Wendell Johnson entstünden Probleme beim Versuch, die sich ständig wandelnde Welt mit einer statischen Sprache zu beschreiben oder gar einzufangen. Rosenberg empfiehlt stattdessen eine prozessorientierte Sprache. Beobachtungen sollten „konkret bezogen auf die Zeit und den Handlungszusammenhang“ formuliert werden (S. 39). (Siehe auch: [[Konkretisierung]] und situativ variabler [[Attributionstheorien|Attributionsstil]]) |
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* Verknüpfung von objektiver [[Beobachtung]] mit [[Subjektivität|subjektiver]] [[Werturteil|Bewertung]]: Er trete nicht dafür ein, [[Objektivität|objektiv]] zu bleiben, sondern objektiv prüfbare Beobachtungen und subjektive Bewertungen zu trennen. (S. 37–40) Er schließe sich damit [[Jiddu Krishnamurti|J. Krishnamurti]] an, nach dem die Fähigkeit, ohne Bewertung zu beobachten, die höchste Form menschlicher Intelligenz sei. (S. 40) (Siehe auch: [[Beobachtungssatz]]). |
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* Wünschen anstatt Kritik: „Und wenn Menschen etwas hören, das […] nach Kritik klingt, dann neigen sie dazu, ihre Energie in die Verteidigung oder in einen Gegenangriff zu stecken.“ (S. 62) Dadurch sinke die Bereitschaft, auf eine Bitte empathisch einzugehen. |
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Rosenberg unterscheidet zwei Arten zwischenmenschlicher Kommunikation, die ''Gewaltfreie Kommunikation'' und die ''lebensentfremdende Kommunikation.'' Zur spielerischen [[Veranschaulichung]] wird in Vorträgen und Seminaren dies auch als „Giraffensprache“ und „Wolfssprache“ bezeichnet, wobei im englischen Raum vom „Jackal“, also vom [[Schakal]], gesprochen wird, der eine deutlich andere Lebensweise als der Wolf besitzt und ebenso wie die Giraffe in Afrika heimisch ist. |
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=== Lebensentfremdende Kommunikation === |
=== Lebensentfremdende Kommunikation === |
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[[Datei:Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg 03.jpg|mini|Bedürfniskarte mit dem Grundbedürfnis Achtsamkeit]] |
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Unter |
Unter lebensentfremdender Kommunikation versteht Rosenberg Formen der Kommunikation, die Verbindungen zwischen Menschen blockieren und zu [[psychisch]]er oder [[Körper (Biologie)|physischer]] [[Gewalt]] beitragen können. Lebensentfremdende Kommunikation sei gekennzeichnet durch folgende Eigenschaften: |
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# Das ([[moral]]ische) Urteilen über den Kommunikationspartner. Dazu gehört das Zuschreiben von Eigenschaften an die Person (z. B. „gut/böse“, „gerecht/ungerecht“, „gesund/krank“), auch wenn es implizit als Vermischung von Beobachtung und Bewertung geschieht. Eine Form der impliziten Verurteilung können als Gefühle dargestellte Bewertungen sein, zum Beispiel „ich fühle mich provoziert“. Hier wird der Kommunikationspartner indirekt als [[Provokateur]] bezeichnet. Wichtig ist, dass in der GFK Bewertungen nicht abgelehnt werden (ein häufiges Missverständnis). Es wird vielmehr als hilfreich angesehen, Handlungen anderer zwar zu bewerten, aber mit Bezug auf die eigenen Gefühle und Bedürfnisse und nicht mit Bezug auf moralische Kategorien. |
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# Das ([[moral]]ische) Urteilen oder Verurteilen von Leuten, die sich nicht in Übereinstimmung mit unseren Werten verhalten |
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# Das Anstellen von Vergleichen: Dies ist nach Marshall Rosenberg eine weitere Form von Verurteilung.<ref>Marshall B. Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens, Junfermann, 10. Aufl. 2012, S. 37–38</ref> |
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# Das Leugnen der Verantwortung für eigene Gefühle und Handlungen |
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# Das Leugnen der [[Verantwortung]] für eigene Gefühle und Handlungen, wie zum Beispiel in „Ich fühle mich so, weil du mich mies behandelst.“ Oder: „Ich musste das tun, der Chef hat’s angeordnet.“ |
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# Das Stellen von Forderungen |
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# Das Stellen von [[Forderung]]en anstatt von [[Wunsch|Bitten]]. Der Unterschied zwischen Bitte und Forderung liegt in der Konsequenz dessen, was passiert, wenn das Gegenüber das Ansinnen ablehnt.<ref name="Rosenberg 2009" /> Im Falle einer Ablehnung erlaubt die Bitte beim Gegenüber eine flexible Suche nach anderen Möglichkeiten des Entgegenkommens. Bei einer Forderung hingegen drohen Sanktionen. Dies muss nicht immer in Form von offensichtlichen Strafen geschehen, möglich ist auch die Erzeugung von Angst oder Schuldgefühlen beim Gegenüber (z. B. durch Schweigen oder Vorwürfe). |
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Um das Problem nicht fortzusetzen, wäre der Anspruch aus der Gewaltfreien Kommunikation, einen Menschen, der sich „lebensentfremdender Kommunikation“ bedient, nicht moralisch zu verurteilen. Auch hinter dieser Form der Kommunikation stehen unerfüllte Bedürfnisse, deren Wahrnehmung allerdings schwieriger sein kann. |
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* zu 1. Das Urteilen über Leute geht oft mit dem Gefühl von Ärger einher. Das Fehlverhalten der anderen wird analysiert und verurteilt. Der andere wird als ''schlecht'', ''egoistisch'' oder ''böse'' gesehen. Als Ursache eines [[Konflikt]]s gilt das falsche Verhalten anderer. Die hinter den Handlungen liegenden Bedürfnisse werden eher verschleiert als offen gelegt. Rosenberg unterscheidet zwischen ''moralischen Urteilen'' und Werturteilen. Wenn wir nun ein Verhalten antreffen, das unserem Werturteil widerspricht, neigen wir dazu, die andere Person moralisch zu verurteilen. Rosenberg schlägt vor, das Werturteil zu verteidigen, ohne die Person zu verurteilen, so kann das Verhalten von der Person getrennt werden. Wenn sich z. B. ein Vorgesetzter über einen Mitarbeiter lustig macht, können wir sagen: ''Mir ist es wichtig, sich über Fehler anderer nicht lustig zu machen, ich habe Angst, dass man sich auch über mich lustig macht, wenn ich einen Fehler mache!'' Lebensentfremdende Kommunikation wäre: ''Sie sind arrogant''. Der Verzicht auf moralische Urteile kann ganz pragmatisch sein, die Chance, dass unser Bedürfnis erfüllt wird, steigt, wenn wir den anderen nicht verurteilen. |
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=== Grundmodell der GFK === |
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* zu 2. Eine andere Form der Lebensentfremdenden Kommunikation sieht Rosenberg im Leugnen von [[Verantwortung]]. Wir können sowohl die Verantwortung für Handlungen als auch für Gefühle leugnen. Wir können andere für unsere Handlungen verantwortlich machen, aber auch gesellschaftliche Normen und Wertvorstellungen: ''Ich muss heute Abend lustig sein, weil das eine gesellige Runde ist (und man dort lustig ist)''. Man kann auch die Verantwortung für die eigenen Gefühle leugnen oder sie anderen zuschieben. Eine Mutter sagt z. B. zu ihrem Kind ''Es macht mich traurig, dass du die Hose schmutzig gemacht hast.'' Dabei steht hinter diesem Gefühl ein Bedürfnis (z. B. heute einen arbeitsfreien Tag zu haben) und es ist keine zwangsläufige Reaktion. Die Mutter könnte sich auch freuen, dass das Kind mit Freunden gespielt hat. Rosenberg schlägt vor, in der Ich-Form zu reden und von den eigenen Bedürfnissen auszugehen. Eine häufige Form des Leugnens der Verantwortung für eigene Gefühle ist auch das Äußern von Pseudogefühlen, z. B. ''ich fühle mich provoziert''. Hier handelt es sich nach Rosenberg um ein ''Pseudogefühl'', das ein Urteil über den anderen impliziert. |
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[[Datei:Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg 04.jpg|mini|Karten mit den 4 Schritten der Gfk (in umgekehrter Reihenfolge) in Verwendung in einer Übungsgruppe]] |
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Die vier Schritte der GFK sind Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte<ref>Weitere Erklärungen siehe zum Beispiel [http://gewaltfrei.de/gk802/modell.php Einführung in GfK]</ref> |
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* zu 3. Das Stellen von Forderungen anstatt von Bitten ist eine weitere Form der Kommunikation, die die Empathie zwischen Menschen verringert. Der Unterschied zwischen Bitte und Forderung ist, dass eine Bitte auch nicht erfüllt werden kann, bei einer Forderung drohen hier negative Sanktionen. Dies muss nicht immer in Form von offensichtlichen Strafen, wie z. B. Taschengeldabzug in der Erziehung oder aggressivem Verhalten passieren, es kann auch durch die Erzeugung von Angst oder Schuldgefühlen beim Gegenüber passieren. Wenn in einer Partnerschaft geäußert wird: ''Ich möchte, dass Du mehr Zeit mit mir verbringst'' dann kann dies eine Bitte, aber auch eine Forderung sein. Erst wenn dies nicht passiert und er ihr zu verstehen gibt ''Du lässt mich total alleine, du bist egoistisch'' zeigt sich, dass es eine Forderung war. Hier weist Rosenberg darauf hin, dass die GfK keine Methode ist, um andere zu manipulieren, auch eine in GfK gestellte Bitte kann abgelehnt werden. Allerdings erhöht diese Form der Kommunikation die Chance aller, ihre Bedürfnisse besser zu erfüllen. |
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# '''Beobachtung''' bedeutet, eine konkrete Handlung (oder Unterlassung) zu beschreiben, ohne sie mit einer Bewertung oder Interpretation zu vermischen. Es geht hierbei darum, die Bewertung von der Beobachtung zu trennen, so dass das Gegenüber Klarheit darüber erhält, worauf man sich bezieht. Diese Unterscheidung ist zentraler Bestandteil der GFK, da sie Missverständnisse und Konflikte reduziert. Studien haben gezeigt, dass bewertende Aussagen oft als Vorwürfe interpretiert werden, was zu defensivem Verhalten führt.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.fachverband-gfk.org/forschungsstand-zur-gewaltfreien-kommunikation |titel=Forschungsstand zur Gewaltfreien Kommunikation |werk=Fachverband Gewaltfreie Kommunikation e. V. |datum=2023-05-29 |sprache=de |abruf=2025-01-07}}</ref> |
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== Grundmodell der GfK == |
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# Die Beobachtung löst ein '''Gefühl''' aus, das im [[Menschlicher Körper|Körper]] wahrnehmbar ist und mit einem Bedürfnis (oder mehreren) in Verbindung steht. Die GFK legt besonderen Wert darauf, Gefühle präzise zu benennen, da dies die Grundlage für eine tiefere emotionale Verbindung darstellt. Die Fähigkeit, Emotionen differenziert auszudrücken, ermöglicht eine respektvolle und konstruktive Kommunikation. |
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# '''Bedürfnisse''' repräsentieren universelle Werte wie Sicherheit, Gemeinschaft und Anerkennung, die für alle Menschen von zentraler Bedeutung sind, wie zum Beispiel [[Sicherheit]], [[Empathie|Verständnis]], Kontakt oder Sinn. Gefühle sind laut GFK eine Art Indikator bzw. Ausdruck dessen, ob ein Bedürfnis gerade erfüllt ist oder nicht. Für den einfühlsamen Kontakt sind Bedürfnisse sehr wichtig, da sie den Weg zu einer kreativen Lösung weisen, die für alle Beteiligten passt. |
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# Auf Grundlage dieser Erkenntnisse formuliert man schließlich eine '''Bitte''', die im Hier und Jetzt umsetzbar ist. Um sie möglichst erfüllbar zu machen, lassen sich Bitten und Wünsche unterscheiden: Bitten beziehen sich auf Handlungen im Jetzt, Wünsche dagegen sind vager, beziehen sich auf Zustände („sei respektvoll“) oder auf Ereignisse in der Zukunft. Erstere sind leichter zu erfüllen, haben deshalb auch mehr Chancen auf Erfolg. Rosenberg schlägt außerdem vor, Bitten in einer „positiven Handlungssprache“ zu formulieren – d. h. zu sagen, was man will, statt was man nicht will. Man kann unterscheiden zwischen einer ''Handlungsbitte'' (beispielsweise darum, die Geschirrspülmaschine auszuräumen) und einer ''Beziehungsbitte'' (beispielsweise um eine Beschreibung der eigenen Empfindungen). |
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Rosenberg fasst die Schritte der GFK in folgendem Satz zusammen: |
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Rosenberg geht davon aus, dass Menschen unter freien Bedingungen gerne geben und die empathische Verbindung zum Mitmenschen suchen. Die GfK soll helfen, sich ehrlich auszudrücken und empathisch zuzuhören. Empathie ist nach Rosenberg ohnehin eine Grundvoraussetzung gelingender Kommunikation und sie hilft auch mit Menschen zu kommunizieren, die selbst nicht gewaltfrei kommunizieren oder aggressiv sind. Sie gibt dem anderen die Möglichkeit, sich zu verändern ohne das Gesicht zu verlieren. Das Grundmodell kann uns also helfen, uns verständlich zu machen, aber auch genutzt werden, um die Aussagen anderer zu verstehen. |
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: „Wenn ich ''a'' sehe, dann fühle ich ''b,'' weil ich ''c'' brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne ''d.“'' |
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: ''a'' … Beobachtung; ''b'' … Gefühl; ''c'' … Bedürfnis; ''d'' … Bitte |
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Dieses Formulierungsmuster soll dem Sprecher helfen, nicht in die [[Entfremdung|lebensentfremdende]] Kommunikation zu verfallen, sondern die vier Schritte der GFK anzuwenden und somit leichter eine Verbindung zu seinem Gegenüber aufbauen zu können. Es dient als praktisches Werkzeug, um die Komplexität von Kommunikationsprozessen zu strukturieren und sicherzustellen, dass die eigene Botschaft klar und wertschätzend bleibt. |
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* Die vier Schritte, auf denen die GfK beruht, lassen sich unter den Stichworten: '''[[Beobachtung]], [[Gefühl]], [[Bedürfnis]], [[Bitte]]''' zusammenfassen: |
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Auch als Haltung für das empathische Zuhören empfiehlt Rosenberg, aus dem, was der andere sagt, diese vier Informationen herauszufiltern, da sie in der Regel das Herz der Botschaft darstellen. Zur Überprüfung, ob seine Deutung stimmt, kann der Zuhörende anbieten, was er in Form der vier Schritte hört („Fühlst du …, weil dir … wichtig ist?“). Das kann auch hilfreich sein, wenn der Sprecher durch dieses [[Spiegelung (Psychologie)|Spiegeln]] selber mehr Klarheit darüber gewinnt, was er eigentlich ausdrücken will. Das ausgesprochene und stille empathische Zuhören ist ein wesentlicher Aspekt der Anwendung von GFK. |
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# Zuerst beschreiben wir eine konkrete Handlung, die wir beobachten und die unser Wohlbefinden beeinträchtigt. Hierbei ist es wichtig, tatsächlich eine [[Beobachtung]] zu äußern und sie nicht mit einer Bewertung zu vermischen. So ist die Aussage ''Du beachtest mich nicht'' in einer Ehe keine Beobachtung. Erstens impliziert sie eine Bewertung, ein Urteil über den anderen, und zweitens ist sie zu abstrakt und allgemein. ''Du hast in der letzten Woche keinen Abend mit mir verbracht'' spezifiziert die Aussage, ohne den anderen zu bewerten. Wird eine Beobachtung mit einer Bewertung vermischt, neigt das Gegenüber dazu, nur die Kritik zu hören. Die Chance, dass unsere Bedürfnisse gehört werden und dass auch wir die Bedürfnisse des anderen hören, verringert sich. Es kommt vor, dass trotz bewertungsfreier Äußerungen vom Gegenüber eine Kritik herausgehört wird. Hier hilft es, den anderen das Gesagte paraphrasieren zu lassen (''siehe auch:'' [[aktives Zuhören]]). |
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# Dann bringen wir unsere Gefühle mit dem in Verbindung, was wir beobachten. Wir erklären dem anderen, was wir dabei fühlen und können ihn auch nach seinem Gefühl fragen. Ob wir nun bei unserem oder seinem Gefühl bleiben, beides hilft, um in einen empathischen Kontakt zu kommen. ''Ich fühle mich einsam'' wäre hierbei die Äußerung eines Gefühls, ''ich fühle mich vernachlässigt'' dagegen die Äußerung eines ''Pseudogefühls'' . Wichtig ist es hierbei, Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen. Manchmal reagieren wir oder andere auf bestimmte Situationen mit mehreren Gefühlen. Hier hilft es, die Gefühle nacheinander zu betrachten. |
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# Nun betrachten wir Bedürfnisse, Vorstellungen und Wünsche, aus denen Gefühle entstehen. Hinter bestimmten Gefühlen stehen nach Rosenberg immer Bedürfnisse. Vielleicht steht hinter dem Gefühl der Einsamkeit das Bedürfnis, beachtet und geliebt zu werden. Oftmals sind die Bedürfnisse aber nicht auf den ersten Blick erkennbar und bleiben uns selbst und anderen verborgen, dann können wir uns ratend den Bedürfnissen des anderen nähern. Gerade bei Handlungen oder Aussagen, die uns ärgern, hilft es uns, die dahinter liegenden Bedürfnisse zu erfragen und zu verstehen. Möglicherweise lehnen wir z. B. rassistische Aussagen ab, verstehen wir jedoch die dahinter liegenden Bedürfnisse, kommt es zur Empathie. Wir können dann unsere Wertvorstellung durchaus verteidigen, die aus unseren Bedürfnissen entspringt, ohne den Kontakt zum anderen zu verlieren. |
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# Zum Schluss äußern wir eine konkrete Handlung, um die wir bitten mögen, "damit unser Leben reicher" wird. Um Bitten verständlich zu äußern, müsse man sie mit seinen Bedürfnissen und Gefühlen in Verbindung bringen. Rosenberg schlägt vor, Bitten in einer "positiven Handlungssprache" zu formulieren. Zum einen bedeutet dies nicht zu sagen, was jemand tun oder nicht tun sollte, sondern was man sich von jemandem erbittet. Wenn ich sage: ''Ich möchte, dass du nicht mehr die ganze Zeit weg bist!'', dann ist noch lange nicht sicher, ob verstanden wird, was ich eigentlich möchte. Je konkreter die Handlung, um die gebeten wird ist, umso besser: ''Ich bitte dich, dass du in der nächsten Woche einige Abende mit mir verbringst''. Auch hier hilft es, das Gesagte paraphrasieren zu lassen, um herauszufinden, ob es Missverständnisse gab. |
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Das formale Grundmodell ist nach Rosenberg eine Art Übergangshilfe für die Schulung der Aufmerksamkeit, nicht jedoch ein Ersatz für die [[Alltagssprache]]. Es ist keine starre Struktur, sondern ein flexibles Werkzeug, das je nach Kontext und Gesprächspartner angepasst werden kann. Mit zunehmender Übung wird die GFK zu einem natürlichen Bestandteil des kommunikativen Verhaltens. |
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Rosenberg fasst die Kommunikationsart der GfK in folgendem Satz zusammen: |
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* "Wenn '''a''', dann fühle ich mich '''b''', weil ich '''c''' brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne '''d'''." |
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Wenn eine Problemlösung im Gespräch nicht möglich ist und zur Setzung von Grenzen führt, spricht Rosenberg von der schützenden Anwendung von [[Macht]], die er von der strafenden Anwendung unterscheidet. Während letztere den Fokus darauf richtet, menschliches Verhalten auf Basis von Selbsthass zu ändern, geht es bei ersterer darum, weitere Verletzungen zu verhindern und für Schutz zu sorgen, aus dem heraus überhaupt erst wieder die Bereitschaft entstehen kann, erneut in Kontakt zu treten. |
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An unserem Beispiel: |
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* "Wenn '''du keinen Abend in der Woche mit mir verbringst''', dann fühle ich mich '''einsam''', weil ich '''Liebe und Beachtung''' brauche. Deshalb möchte ich dich gerne darum bitten, '''diese Woche einige Abende mit mir zu verbringen'''." |
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=== Grundmodell in einem Beispiel === |
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Dieses Grundmodell soll nach Rosenberg nicht stur angewendet werden, variiert in der Reihenfolge und ist eher eine Hilfe, in soziale Beziehungen mit einem anderen Bewusstsein zu treten, als eine Technik. Die GfK ist nicht von heute auf morgen anwendbar und bedarf einer gewissen Übung. Ob man mit der GfK bei massiven Übertretungen durch den anderen Grenzen ziehen kann, darüber wird gestritten. Sie ist jedoch in der Praxis ein bewährtes Mittel, um in [[konflikt]]reicher Kommunikation die Chance zu erhöhen, empathisch miteinander umzugehen, und die gegenseitigen Bedürfnisse zu erfüllen. |
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Formale Gewaltfreie Kommunikation, lebensentfremdende Kommunikation und eine mögliche empathische Reaktion darauf am Beispiel einer schmutzigen [[Wohngemeinschaft|WG]]-Küche. |
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{| class="wikitable zebra" |
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== Schaubild == |
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! |
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'''Gewaltfreie Kommunikation versus Lebensentfremdende Kommunikation''' |
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! Gewaltfreie Kommunikation |
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! Lebensentfremdende Kommunikation |
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''(Beispiel: schmutzige WG-Küche)'' |
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! Empathische Reaktion auf lebensentfremdende Kommunikation |
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{| {{prettytable}} |
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! Beobachtung |
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| || ''Gewaltfreie Kommunikation:'' |
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| ''Lebensentfremdende Kommunikation'' |
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| ''[[Situation]]'' |
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| Konkrete Handlungen, die wir beobachten und die unser Wohlbefinden beeinträchtigen. |
| Konkrete Handlungen, die wir beobachten und die unser Wohlbefinden beeinträchtigen. |
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* |
* „In der letzten Woche hast du dein Geschirr dreimal nach dem Essen auf die Spüle gestellt, und es stand dort jeweils bis zum Morgen. Dann habe ich es abgespült.“ |
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| Beobachtung und Bewertung werden vermischt |
| Beobachtung und Bewertung werden vermischt. |
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* „Du verhältst dich in der Küche total schlampig!“ |
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Personifizierung. |
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| „Du hast wiederholt dreckiges Geschirr vorgefunden?“ |
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* ''"Du verhältst dich in der Küche total schlampig"'' |
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! Gefühl |
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| Die Gefühle werden mit dem in Verbindung gebracht, was wir beobachten. |
| Die Gefühle werden mit dem in Verbindung gebracht, was wir beobachten. |
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* |
* „Ich bin frustriert …“ |
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| Keine Erläuterung über Zusammenhang der Situation mit dem Gefühl, sondern: Eine Interpretation wird als Gefühl geäußert. Schuldzuweisungen, Vorwürfe, |
| Keine Erläuterung über Zusammenhang der Situation mit dem Gefühl, sondern: Eine Interpretation wird als Gefühl geäußert. Schuldzuweisungen, Vorwürfe, Pauschalisierungen. |
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* |
* „Ich fühle mich provoziert, es ist dir total egal, dass hier so ein Dreck ist.“ |
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| „Bist du frustriert …?“ |
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| ''[[Bedürfnis]]'' |
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! Bedürfnis |
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| Bedürfnisse, Vorstellungen und Wünsche, aus denen Gefühle entstehen, werden betrachtet und mitgeteilt. |
|||
| Bedürfnisse, aus denen Gefühle entstehen, werden betrachtet und mitgeteilt. |
|||
* ''" weil ich gerne eine aufgeräumte Küche habe."'' |
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* „… da ich, wenn ich in das Haus komme, eine Ordnung vorfinden möchte, die mir ein Entspannen möglich macht.“ |
|||
| Das Bedürfnis wird nicht (klar) geäußert, stattdessen wird der andere moralisch verurteilt. |
| Das Bedürfnis wird nicht (klar) geäußert, stattdessen wird der andere moralisch verurteilt. |
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* |
* „Du bist schlampig.“ |
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| „… weil du dir mehr Unterstützung wünschst?“ |
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| ''[[Bitte]]/[[Forderung]]'' |
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! Bitte |
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| Um eine konkrete Handlung wird gebeten. |
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| Um eine konkrete Handlung wird gebeten – auch Nichterfüllung ist in Ordnung. |
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* ''"Wärest du bereit, fortan dein Geschirr gleich nach dem Essen abzuspülen?"'' |
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* „Sage mir bitte, ob du bereit bist, dein Geschirr gleich nach dem Essen abzuspülen oder gemeinsam mit mir nach einem Weg zu suchen, wie unser beider Bedürfnis nach Ordnung erfüllt werden kann.“ |
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| Es wird eine Forderung gestellt. Bei nicht beachten drohen Sanktionen. |
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| Es wird eine Forderung gestellt. Bei Nichtbeachtung drohen Sanktionen. |
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* ''"Wenn in zwei Wochen nicht sauber ist, dann schmeiß ich dein Geschirr weg!"'' |
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* „Wenn es in zwei Wochen nicht sauber ist, dann schmeiß’ ich dein Geschirr weg!“ |
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| „Wünschst du dir, dass wir eine konkrete Absprache über das Spülen machen?“ |
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== Grenzen der GFK == |
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Nach Rosenberg ist die wichtigste Grenze der GFK die „individuelle Entwicklung“ des Anwenders, die Zeit und Energie braucht. Beispielsweise können bestimmte Bereiche des Lebens sehr mit Angst oder bestimmten Vorstellungen besetzt sein, so dass ein offenes Besprechen der Gefühle und Bedürfnisse sehr viel [[Mut]] kosten würde. Wie viel Bereitschaft der Einzelne dazu hat, diesen Mut aufzubringen, hängt dann davon ab, wie er sich und seine Bedürfnisse bis zu diesem Zeitpunkt erlebte, was ein Merkmal genereller Entwicklung des Menschen darstellt. Der Prozess der GFK selbst braucht ebenfalls Zeit und die Bereitschaft eines Gegenübers, diese Zeit zu investieren. Zeit, Bereitschaft und Mut dazu sind aber insbesondere in Machtsituationen oft nur einseitig vorhanden. |
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== Kritik == |
== Kritik == |
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Wird die Gewaltfreie Kommunikation als „Allheilmittel“ zur Schlichtung von [[Evidenz (Philosophie)|evidenten]] Konflikten gesehen, steht die Methode immer wieder in der Kritik. „Während Rosenbergs Hinweise für alltägliche Konflikte zwischen Einzelpersonen und in Gruppen möglicherweise hilfreich sein mögen, gerät GFK in der Arbeitswelt zur Farce, wenn es an der erforderlichen inneren [[Gesinnung|Haltung]] fehlt. Gerade dort entpuppt sich hinter der vermeintlich empathischen Hülle schnell ein Wolf im Giraffenkostüm“, schreibt [[Sebastian Friedrich]] in der politischen Monatszeitung ''[[Analyse & kritik|ak]]''<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Sebastian Friedrich |Hrsg=analyse & kritik |Titel=Lexikon der Leistungsgesellschaft #24: Gewaltfreie Kommunikation |Nummer=612 |Datum=2016-01-19 |Seiten=2}}</ref> und verweist auf die Anwendung von GFK zur Durchsetzung [[Betriebswirtschaftslehre|betriebswirtschaftlicher]] Forderungen. |
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Auf der anderen Seite ersetze in [[Politische Linke|linken]] Gruppen die Diskussion über das „Wie“ häufig das „Was“, so Friedrich. „Empathisch und gewaltfrei entbrennt schnell eine Debatte darüber, wie über ein Argument diskutiert werden soll.“ Die Methode würde auch als [[Machtinstrument]] eingesetzt; eine zur Schau gestellte [[Wertschätzung]] ersetze die [[Emotionstheorien#Kognitive Bewertungstheorien|Bewertung]]. „Alles gilt als verhandelbar, wer nicht bereit ist zur [[Metaebene|Metareflexion]], gilt als unempathisch, gar als gewaltvoll, wer ein Urteil fällt, wer nicht permanent darauf hinweist, er oder sie spreche jetzt aus rein subjektiver Perspektive, wer nicht jeden zweiten Satz mit ‚Meiner Meinung nach‘ oder ‚Ich habe das Gefühl, dass‘ einleitet, dem wird Nachhilfe in GFK verordnet.“<ref name=":0" /> |
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'''Kritik aus systemischer Sicht''' |
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== Alternative Begriffe == |
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Kritiker dieser konkreten Ausgestaltung von [[Kommunikation]], insbesondere wertfreien, ausschließlich würdigenden und [[Monokausalität|monokausalen]] Interventionen (der Redner ''bleibt bei sich'', er respektiert sein Gegenüber vollständig) stellen die Tauglichkeit der GFK insbesondere dann in Frage, wenn das angesprochene Gegenüber selbst ebenso reagiert und vollständig bereit ist, seine Haltung zu erläutern, auf die Meta-Ebene der Kommunikation einzugehen und für sich das Recht in Anspruch nimmt ebenso ''liebevoll'' und würdigend ''Nein'' zu sagen, also die gebotenen Interventionen spiegelt. |
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[[Marcelle Bélanger]], Trainerin in Quebec, spricht lieber von „bewusster Kommunikation“, die besser das dahinter stehende Konzept widerspiegelt. Ihrer Meinung nach ist der Begriff „gewaltfreie Kommunikation“ ungeeignet:<ref>{{Internetquelle |url=https://www.ledevoir.com/opinion/chroniques/138565/mieux-etre-communiquer |titel=Le Devoir {{!}} Nouvelles, actualités, politique, culture et chroniques |datum=2007-04-07 |abruf=2019-02-22 |sprache=fr}}</ref> |
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{{Zitat |
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Bei konsequenter Fortsetzung der GFK unter geübten Kommunikationspartnern kann es so dazu kommen, dass ein zeit- und energieverschwendender Austausch von würdigenden, einfühlsamen und egoistischen Standpunkten zu keinerlei Systemveränderung führt. |
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|Text=Wenn man ‚gewaltfreie Kommunikation‘ hört, fühlen sich Menschen persönlich angegriffen, als ob man ihnen Gewalt vorwerfen würde! Es eignet sich nicht gut zum Kommunizieren.}} |
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Auch einige Leute, die den Begriff „gewaltfreie Kommunikation“ in Frage stellen, ziehen es vor, ihn „das zu nennen, was er ist“, anstatt „das, was er nicht ist“, und verwenden daher gerne Begriffe wie „durchsetzungsstarke, wertschätzende oder auch effektive Kommunikation“, wobei die Idee darin besteht, die Intention der GFK auf das zu lenken, was sie fördern, anstatt auf das, was sie nicht fördern will. |
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Aus [[Systemische Therapie|systemischer Sicht]] gehören Provokation, Machtdemonstration und Wettbewerb zum gesunden menschlichen Erleben, welches ''auch'' ein Bestandteil ganzheitlicher Kommunikationsprozesse ist. Aus Sicht der [[Themenzentrierte Interaktion|Themenzentrierten Interaktion]] wird empfohlen, die eigenen Interpretationen so lange wie möglich zurückzuhalten (Hilfsregel der TZI), jedoch wird als Axiom gesetzt, dass Bewertung notwendig ist. Im Umfeld von [[Deeskalation]] und [[Konfliktmanagement]] klammern auch andere Konzepte den ganzheitlichen Umgang mit Drohungen und liebevollem Umgang nicht so kategorisch aus. Auch die [[Mäeutik]] des [[Sokrates]] will nicht die Wertung vollkommen bannen, sondern stellt ihren Nutzen in würdigender Form zur Verfügung. Nicht zuletzt fordert das aus dem Businessbereich stammende sog. ''[[Harvard-Konzept]]'' explizit sogar "''Hart in der Sache - weich zum Menschen.''" |
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Ein ähnliches Konzept ist das von dem US-amerikanischen Psychologen und [[Transaktionsanalytiker]]s [[Claude Steiner]] entwickelte Trainingsprogramm der [[Emotionale Kompetenz|Emotionalen Kompetenz]], d. h. „die Bewusstheit der Emotionen und der stimmige Umgang mit den Gefühlen und Affekten“ um „zerstörerische Machtspiele zu vermeiden, das Selbst-Empowerment zu fördern und im respektvollen Miteinander zu leben und zu arbeiten“.<ref>[https://dgek.de/ Deutsche Gesellschaft für Emotionale Kompetenz (DGEK) e. V.]</ref> |
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Im Kontext von Thema, Gruppe und Ich sollten, so die Kritik an GFK, immer der situative Kontext und die Machtverhältnisse sowie unausgesprochene Werteordnungen und Ressourcen der Beteiligen angemessen angesprochen werden. Die Reduzierung auf eine zwar gelungene gewaltfreie ''verbale'' Kommunikation führe sonst, so die Kritik, letztlich nicht grundsätzlich zu einer gewaltfreien, sondern vielmehr zu einer kompensierenden Kommunikation, welche gesunde Dominanzbestrebungen und den Wettbewerb um die erfolgreichere Gesamtstrategie sowie eine Ressourcenorientierung und -Wertung ausblendet und in der Praxis, wenn es z. B. um die [[Lärm]]belästigung von Nachbarn oder [[Kunde]]nwünsche geht, eher wirkungslos bleibt weil bis zum Ende der Diskussion die Polizei bereits im Hausflur stehen kann oder der Kunde längst abgesprungen ist. |
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Anders gesagt, kann aus Sicht der Kritik an der GFK der Entzug von [[Ressource]]n, die Darstellung von finanziellen oder familiären Konsequenzen bzw. letztlich auch die Androhung von exekutiver ([[polizei]]licher) [[Gewalt]] durchaus geeignet sein eloquente Rhetoriker oder gewaltbereite Gesprächspartner dazu zu bewegen, sich in Zukunft [[Ethik|ethisch]] zu verhalten und ggf. dem Gruppendruck einer WG, eines Teams im [[Unternehmen]], der [[Familie (Soziologie)|Familie]] oder Sozialgemeinschaft bzw. des Partners oder der Familienangehörigen oder Freunde, mithin jedes betroffenen Systembeteiligten zu folgen. |
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Aus systemischer Sicht gehört die würdigende Aussprache auch von provokativen und wertenden Elementen zu einem sachlich vollständigen, ehrlichen und konfliktverkürzendem Umgang miteinander, insbesondere in [[betriebswirtschaft]]lichen und elementaren privaten Kontexten, bei denen es um das gemeinsame (wirtschaftliche) Überleben oder die Verteidigung von Angriffen von außen geht. Nach Meinung der Kritiker verweist die GFK in keiner Weise auf die überwiegende Untauglichkeit der Methode in solchen Kontexten hin. |
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'''Kritik an der konkreten Kommunikation''' |
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Die GFK-Kommunikation, insbesondere die formelhaften Sprachbeispiele, wird als steif, unspontan und leblos kritisiert. |
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Darüberhinaus kann die Art der Kommunikation als manipulativ und als moralische Erpressung empfunden werden, auch wenn dies von GFK beabsichtigt ist. |
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'''Kritik an den Grundannahmen''' |
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Grundsätzlich wird in Frage gestellt, ob sich tatsächlich Konflikte auflösen, wenn die Ebene der hinter den Konflikten liegenden Gefühle und Bedürfnisse erreicht ist. |
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Darüberhinaus wird kritisiert, dass der Bedürfnisbegriff im Rahmen der GFK [[normativ]] verwendet wird, in dem Sinne, dass zwischen ''echten'' Bedürfnissen und solchen, hinter denen andere stehen, unterschieden wird, und dass zerstörerische, destruktive Persönlichkeitsanteile ausgeblendet werden, wenn z.B. Verantwortungslosigkeit, Skrupellosigkeit oder Faulheit als durch dahinterstehende, grundsätzlich positiv formulierte Bedürfnisse ausgelöst gesehen werden. |
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'''Kritik aus GFK-Sicht und Kritik an der Kritik''' |
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Prinzipiell wirkt GFK in jedem Kontext, wenn sich eine Partei in der Haltung und mit den vier Schritten ausdrückt. |
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Unter Zeitdruck und ohne Bereitschaft von beiden Seiten zu verhandeln, kommt es dann meist zu dem Einsatz von "schützender Macht". Das ist auch ein wesentliches Element der GFK im Gegensatz zum Einsatz "bestrafender Macht". |
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Wenn es z. B. zu einer Lärmbelästigung kommt (laute Musik nach 22 Uhr) und ein Gespräch mit dem Nachbarn nicht fruchtet, dann gibt es auch innerhalb der GFK die Möglichkeit, für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen, in dem z. B. die Polizei gerufen wird und eine Anzeige wegen Lärmbelästigung aufgegeben wird. |
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Das Miteinander Sprechen funktioniert also nur, wenn Zeit und Bereitschaft von beiden Beteiligten vorhanden ist und zumindest eine Person den Fokus auf Gefühle und Bedürfnisse richtet, die GFK anwendet. Auch kann es vorkommen, dass "Anfänger" sich leicht im Kreise drehen oder nicht zum Punkt kommen, weil oftmals der Kontakt zu den eigenen/ fremden Gefühlen und Bedürfnissen nicht so leicht gefunden werden kann. Aber das ist eine Frage des Lernens und Übens. |
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In bestimmten Kontexten kann es unangemessen sein, über Gefühle zu reden (z. B. in der Wirtschaft). In diesem Fall ist es sinnvoll nur auf die Bedürfnisse/ Werte/ Motive einzugehen oder Gefühlsworte zu verwenden, die wenig Widerstand hervorrufen (z. B. "Sie sind einfach vorsichtig?", statt "Sie haben Angst, weil...?"). |
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Die Erfolge in der Wirtschaft sind leider nur sehr wenig erforscht, aber es gibt durchweg positive Erfahrungen bei einigen zertifizierten GFK-Trainern. |
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== Siehe auch == |
== Siehe auch == |
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* [[Aggressionshemmung]] |
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* [[Dialog#David Bohm|Dialog nach David Bohm]] |
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* [[Kommunikation]] |
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* [[Win-Win]] |
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* [[Konflikteskalation nach Friedrich Glasl]] |
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* [[Dramadreieck]] |
* [[Dramadreieck]] |
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* [[Friedensforschung|Friedens-]] und [[Konfliktforschung]] |
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* [[Mediation]] |
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* [[ |
* [[Gewalt]] |
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* [[ |
* [[Individuation]] |
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* [[Integrale Theorie]] nach [[Ken Wilber]] |
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* [[Robert Plutchik#Kegel der Emotionen|Kegel der Emotionen]] von [[Robert Plutchik]]: |
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* [[Positive Psychologie]] |
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* [[Reflexion (Philosophie)|Reflexion]] |
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* [[Restorative Justice]] |
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* [[Salutogenese]] |
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* [[Spiral Dynamics]] von [[Clare W. Graves]] |
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* [[Streitkultur]] |
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* [[Vier-Seiten-Modell]] |
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* [[Wahrheitskommission]] |
* [[Wahrheitskommission]] |
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* [[Michael Lukas Moeller#Zwiegespräch|Zwiegespräch nach Michael Lukas Moeller]] |
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* [[Gewaltfreie Aktion]] (NVR) |
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== Literatur == |
== Literatur == |
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* {{Literatur |Autor=[[Marshall B. Rosenberg]] |Titel=Gewaltfreie Kommunikation |Auflage=12. überarb. und erw. |Verlag=Junfermann |Ort=Paderborn |Datum=2016 |ISBN=978-3-95571-572-4}} |
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* |
* Marshall B. Rosenberg, Gabriele Seils: ''Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation. Ein Gespräch mit Gabriele Seils.'' 5. Auflage, Verlag Herder, Freiburg/Basel/Wien 2005, ISBN 3-451-05447-7. |
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* Marshall B. Rosenberg: ''Die Sprache des Friedens sprechen.'' Junfermann, Paderborn 2006, ISBN 3-87387-640-X. |
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* Rosenberg, Marshall B., ''Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation. Ein Gespräch mit Gabriele Seils'', Freiburg/Basel/Wien: Herder, 2004 |
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* Marshall B. Rosenberg: ''Das können wir klären!'' 3. Auflage, Junfermann, Paderborn 2013, ISBN 978-3-87387-568-5. |
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* Marshall B. Rosenberg: ''Erziehung, die das Leben bereichert. Gewaltfreie Kommunikation im Schulalltag.'' 3. Auflage, Junfermann, Paderborn 2007, ISBN 978-3-87387-566-1. |
|||
* Marshall B. Rosenberg: ''Nonviolent Communication, A Language of Life, 3rd Edition,'' PuddleDancer Press, Encinitas CA 2015, ISBN 978-1-892005-28-1. |
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* [[Andreas Basu]], [[Liane Faust]]: ''Gewaltfreie Kommunikation.'' 2. Auflage, Haufe, Freiburg 2013, ISBN 978-3-648-04700-2. |
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* [[Karoline I. Bitschnau]]: ''Gewaltfreie Kommunikation als relationale und soziale Kompetenz.'' Empirische Studie zur Qualität zwischenmenschlicher Verständigung, Dissertation Universität Innsbruck 2007. |
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* [[Markus Fischer (Psychologe)|Markus Fischer]]: ''Die neue Gewaltfreie Kommunikation: Empathie und Eigenverantwortung ohne Selbstzensur.'' 2. Auflage, BusinessVillage, Göttingen 2020, ISBN 978-3-86980-468-2.<ref>[[Sabine Kamp-Decruppe]]: [https://www.socialnet.de/rezensionen/26881.php ''Markus Fischer: Die neue Gewaltfreie Kommunikation.''] Rezension auf socialnet.de, abgerufen am 16. Oktober 2021.</ref> |
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== Weblinks == |
== Weblinks == |
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* {{Internetquelle |url=https://www.gfk-info.de/was-ist-gewaltfreie-kommunikation/ |titel=Was ist Gewaltfreie Kommunikation (GFK)? |hrsg=D-A-CH deutsch sprechender Gruppen für Gewaltfreie Kommunikation e. V. |abruf=2022-12-10}} |
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* {{Internetquelle |url=https://www.gewaltfrei-online.de/was-ist-gewaltfreie-kommunikation |titel=Was ist Gewaltfreie Kommunikation? Gewaltfreie Kommunikation 4 Schritte |hrsg=Muutos e. V. |abruf=2022-12-11}} |
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* [[Barbara Leitner]]: [https://archive.org/details/Gewaltfreie-Kommunikation_Marshall-Rosenberg_Lange-Nacht-DLF-2017 Lange Nacht im Deutschlandfunk über ''Gewaltfreie Kommunikation''], Lange Nacht vom 25. Juli 2020. |
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* Barbara Leitner: [https://archive.org/details/Barbara-Leitner_2011_Verbindliche-Kommunikation-mit-Kindern_KiTa-Fachtexte ''Verbindliche Kommunikation mit Kindern''], KiTa-Fachtexte, 2011. |
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* Oliver Kloss: [https://archive.org/details/Oliver-Kloss_GFK_Gewaltfreie-Kommunikation ''Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg''], Einführung als PPT-Präsentation, 2021. |
|||
* [[Rezension]] von ''Wir sollten reden!'' [https://www.socialnet.de/rezensionen/29947.php auf] [https://www.socialnet.de/impressum.html socialnet] (2023). |
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== Fußnoten == |
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* [http://www.cnvc.org Center For Nonviolent Communication] (englisch) |
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<references> |
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* [http://www.gewaltfrei.de Gewaltfreie Kommunikation in Deutschland] |
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<ref name="Emmert 2010">{{Literatur |Autor=[[Simone Emmert]] |Titel=Friedenssprache und Friedenserziehung |Hrsg=Peter Becker,Reiner Braun & Dieter Deiseroth |Sammelwerk=Frieden durch Recht? |Verlag=Berliner Wissenschaftsverlag |Ort=Berlin |Datum=2010 |Seiten=412 |Online={{Google Buch |BuchID= JgwVkMYrpZ8C |Seite = 412}}}}</ref> |
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* [http://www.gewaltfrei.ch Gewaltfreie Kommunikation in der deutschsprachigen Schweiz] |
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<ref name="Rosenberg 2009">{{Literatur |Autor=Marshall B. Rosenberg |Titel=Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens |Auflage=12. überarbeitete Auflage |Verlag=Junfermann |Ort=Paderborn |Datum=2016 |Sprache=de |ISBN=978-1-892005-28-1 |Seiten= |Übersetzer=Ingrid Holler}}</ref> |
|||
* [http://www.gewaltfrei-austria.org Gewaltfreie Kommunikation in Österreich] |
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</references> |
|||
* [http://www.gfk-training.com/gelinkt-materialien.htm Umfangreiche Linksammlung zur Frage: Was ist GFK?] |
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* [http://wiska.info/Downloadbereich/Bodo_Wiska_-_Methodikreferat/bodo_wiska_-_methodikreferat.html#5 5 kritische Thesen zur GFK] |
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* [http://www.gfk-training.com/gelinkt-links.htm Umfangreiche Linksammlung] |
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* [http://www.institut-sikor.de/links.htm Umfangreiche Links und Buchrezensionen zur GFk und Mediation] |
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* [http://www.gfk-training.com/gelinkt-literatur.htm Umfangreiche Literaturliste zur GFK und verwandten Bereichen] |
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* [http://www.oew.org/de/aktuellesartikel.php?id=346 Interview mit Isolde Teschner] |
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* [http://www.nvcwiki.com Wiki für Gewaltfreie Kommunikation] (englisch) |
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[[Kategorie:Methode der Kommunikation]] |
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[[Kategorie:Kommunikationsmodell]] |
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[[Kategorie:Gewaltprävention/Soziales Lernen]] |
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[[Kategorie:Gewaltfreiheit]] |
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[[Kategorie:Konfliktlösung]] |
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[[Kategorie:Allgemeine Pädagogik]] |
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[[Kategorie:Sozialpädagogik]] |
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[[en:Nonviolent communication]] |
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[[Kategorie:Kommunikation]] |
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[[fr:Communication non violente]] |
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[[nl:Geweldloze Communicatie]] |
Aktuelle Version vom 2. Juli 2025, 11:41 Uhr
Die Gewaltfreie Kommunikation (kurz GFK; von englisch Nonviolent Communication, NVC) ist ein von Marshall B. Rosenberg entwickeltes Handlungskonzept mit dem Ziel, menschliche Beziehungen in einer Weise zu entwickeln, dass die Betroffenen spontan und gerne zum gegenseitigen Wohlergehen beitragen.[1] Grundvoraussetzung hierfür ist Freiwilligkeit.
Der Kommunikationsfluss soll zu mehr Vertrauen und Freude am Leben führen. GFK kann in diesem Sinne sowohl bei der Kommunikation im Alltag als auch bei der friedlichen Konfliktlösung im persönlichen, beruflichen oder politischen Bereich hilfreich sein. Im Vordergrund steht nicht, andere Menschen zu einem bestimmten Handeln zu bewegen, sondern eine wertschätzende Beziehung zu entwickeln, die mehr Kooperation und gemeinsame Kreativität im Zusammenleben ermöglicht.
Manchmal werden auch die Bezeichnungen Einfühlsame Kommunikation, Verbindende Kommunikation, Wertschätzende Kommunikation, Sprache des Herzens oder Giraffensprache verwendet.

Geschichte und Verbreitung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Rosenberg promovierte 1961 an der University of Wisconsin–Madison in klinischer Psychologie. Das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation entstand aus seiner Auseinandersetzung mit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den frühen 1960er Jahren. 1963 begann er mit der Entwicklung des GFK-Prozesses.[2] Er half dabei, die Rassentrennung an Schulen und Institutionen auf friedvollem Wege rückgängig zu machen. Seine ersten Veröffentlichungen zeigen die historische und theoretische Entwicklung des Modells auf. Die früheste Version des Modells (Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse und handlungsorientierte Bitte) war Teil eines 1972 erstellten Handbuchs. Bereits 1970 war der Artikel „Application of Behavioral Science Principles at a Community Level“ (American Psychological Association) erschienen, gefolgt von „Community Psychology as Applied by a Clinician“ im Journal for Social Changes: Ideas and Applications im Jahr 1971. Diese beiden Veröffentlichungen geben Aufschluss über Rosenbergs frühe Einflüsse sowie seine Abkehr von der klinisch-psychologischen Praxis hin zu einer gemeinschaftsorientierten Arbeit.[3]
Als er mit zunehmendem Erfolg mehr Menschen traf, die ihn auch finanziell unterstützen wollten, gründete er (zunächst aus steuerlichen Gründen) 1984 die Non-Profit-Organisation The Center for Nonviolent Communication (CNVC).
Rosenberg bot zeit seines Lebens Trainingskurse in Gewaltfreier Kommunikation in Schweden, der Schweiz, Italien, Deutschland, Israel, Dänemark, Polen, Ungarn, Malaysia, Indien, den USA und vielen weiteren Staaten an. Er war lange Zeit auch in Krisengebieten und ökonomisch benachteiligten Regionen wie Palästina, Serbien und Ruanda tätig und hatte über mehrere Jahre seinen Lebensmittelpunkt in der Schweiz. Bis zu seinem Tod im Februar 2015 verbrachte er seinen Lebensabend in Albuquerque (New Mexico, USA).
1994 haben serbische Pädagoginnen und Psychologen – unterstützt von UNICEF – ein dreibändiges Werk zum Erlernen Gewaltfreier Kommunikation nach Rosenbergs Methode für Kindergärten und Schulen entwickelt. Rosenberg entwickelte auch ein speziell auf Kinder zugeschnittenes Konzept des Lernens der GFK.
Das Konzept der GFK kann in vielen Bereichen verwendet werden, so etwa in Bildungseinrichtungen, Organisationen, Institutionen, privaten Beziehungen, Therapie, Beratung, Verhandlungen, Diplomatie und überall, wo Konflikte auftreten. Viele Coaching- und Mediations-Agenturen bieten Fortbildungen und Seminare zur GFK an und nutzen sie zur Bearbeitung von Konflikten.
Theoretischer Hintergrund
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die GFK steht in der Tradition der klientenzentrierten Psychotherapie, die Rosenbergs Lehrer Carl Rogers entwickelte. Das aktive Zuhören steht bei Rogers im Mittelpunkt, die GFK geht jedoch über den gesprächstherapeutischen Rahmen hinaus. Beeinflusst ist die GFK auch von Mahatma Gandhi und seinen Überlegungen zur Gewaltfreiheit, Ahimsa genannt, die auf den Upanishaden, einer Sammlung philosophischer Schriften des Hinduismus, basieren. Viele Elemente der GFK finden sich auch in anderen Konfliktlösungstechniken, wie im Gütekraft-Konzept von Martin Arnold, der Mediation und den Win-Win-Strategien.
Erläuterung des Konzepts von Rosenberg
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Grundannahmen
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Empathie ist nach Rosenberg eine Grundvoraussetzung gelingender Kommunikation. Er geht davon aus, dass die Form, in der Menschen miteinander kommunizieren, einen entscheidenden Einfluss darauf hat, ob sie Empathie für ihr Gegenüber entwickeln und ihre Bedürfnisse erfüllen können. Außerdem nimmt er an, dass Menschen unter freien Bedingungen die empathische Verbindung zum Mitmenschen suchen. Die GFK soll helfen, sich ehrlich und klar auszudrücken und empathisch zuzuhören. Sie ist auf die Bedürfnisse und Gefühle gerichtet, die hinter Handlungen und Konflikten stehen. Sie ist weniger als eine Kommunikations-Technik zu betrachten, sondern mehr als eine Bewusstwerdung über Möglichkeiten des empathischen Kontaktes. Dabei ist es prinzipiell nicht nötig, dass beide Kommunikationspartner GFK anwenden – auch wenn es, gerade für Anfänger oder in privaten menschlichen Beziehungen, sehr hilfreich ist, wenn beide wissen, wie viel Potenzial in der einfühlsamen Verbindung steckt. In der GFK ist die Empathie unter zwei Gesichtspunkten bedeutsam. Neben der Einfühlung in eine andere Person ist auch die Selbstempathie wichtig, um Klarheit in einer Situation zu erhalten und damit zu ermöglichen, Strategien zu finden, die der Bedürfniserfüllung auf allen Seiten dienen.[4][5]
Rosenberg nimmt an, dass jeder Mensch gern bereit sei, etwas für einen anderen Menschen zu tun, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind (z. B. die Anfrage als Bitte formuliert ist und nicht als Forderung, er nicht den Eindruck hat, dadurch eine Pflicht abzuarbeiten oder den anderen in eine Pflicht zu setzen und so weiter). Dieses Menschenbild geht auf die der humanistischen Psychologie entlehnte Haltung zurück, in einer schädigenden Aktion eines Individuums nicht den Ausdruck des inneren Wesens zu sehen, sondern die „fehlgeleitete“ Strategie eines eigentlich lebensdienlichen Impulses. Rosenberg bezieht sich besonders auf Carl Rogers. So nennt Rosenberg jede Form von Gewalt einen tragischen Ausdruck eines unerfüllten Bedürfnisses.
Annahmen zur Konfliktentstehung
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Rosenberg nennt mehrere Auslöser, die zu Konflikten führen können[7]:
- Statische Sprache: Laut Wendell Johnson entstünden Probleme beim Versuch, die sich ständig wandelnde Welt mit einer statischen Sprache zu beschreiben oder gar einzufangen. Rosenberg empfiehlt stattdessen eine prozessorientierte Sprache. Beobachtungen sollten „konkret bezogen auf die Zeit und den Handlungszusammenhang“ formuliert werden (S. 39). (Siehe auch: Konkretisierung und situativ variabler Attributionsstil)
- Verknüpfung von objektiver Beobachtung mit subjektiver Bewertung: Er trete nicht dafür ein, objektiv zu bleiben, sondern objektiv prüfbare Beobachtungen und subjektive Bewertungen zu trennen. (S. 37–40) Er schließe sich damit J. Krishnamurti an, nach dem die Fähigkeit, ohne Bewertung zu beobachten, die höchste Form menschlicher Intelligenz sei. (S. 40) (Siehe auch: Beobachtungssatz).
- Wünschen anstatt Kritik: „Und wenn Menschen etwas hören, das […] nach Kritik klingt, dann neigen sie dazu, ihre Energie in die Verteidigung oder in einen Gegenangriff zu stecken.“ (S. 62) Dadurch sinke die Bereitschaft, auf eine Bitte empathisch einzugehen.
Rosenberg unterscheidet zwei Arten zwischenmenschlicher Kommunikation, die Gewaltfreie Kommunikation und die lebensentfremdende Kommunikation. Zur spielerischen Veranschaulichung wird in Vorträgen und Seminaren dies auch als „Giraffensprache“ und „Wolfssprache“ bezeichnet, wobei im englischen Raum vom „Jackal“, also vom Schakal, gesprochen wird, der eine deutlich andere Lebensweise als der Wolf besitzt und ebenso wie die Giraffe in Afrika heimisch ist.
Lebensentfremdende Kommunikation
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Unter lebensentfremdender Kommunikation versteht Rosenberg Formen der Kommunikation, die Verbindungen zwischen Menschen blockieren und zu psychischer oder physischer Gewalt beitragen können. Lebensentfremdende Kommunikation sei gekennzeichnet durch folgende Eigenschaften:
- Das (moralische) Urteilen über den Kommunikationspartner. Dazu gehört das Zuschreiben von Eigenschaften an die Person (z. B. „gut/böse“, „gerecht/ungerecht“, „gesund/krank“), auch wenn es implizit als Vermischung von Beobachtung und Bewertung geschieht. Eine Form der impliziten Verurteilung können als Gefühle dargestellte Bewertungen sein, zum Beispiel „ich fühle mich provoziert“. Hier wird der Kommunikationspartner indirekt als Provokateur bezeichnet. Wichtig ist, dass in der GFK Bewertungen nicht abgelehnt werden (ein häufiges Missverständnis). Es wird vielmehr als hilfreich angesehen, Handlungen anderer zwar zu bewerten, aber mit Bezug auf die eigenen Gefühle und Bedürfnisse und nicht mit Bezug auf moralische Kategorien.
- Das Anstellen von Vergleichen: Dies ist nach Marshall Rosenberg eine weitere Form von Verurteilung.[8]
- Das Leugnen der Verantwortung für eigene Gefühle und Handlungen, wie zum Beispiel in „Ich fühle mich so, weil du mich mies behandelst.“ Oder: „Ich musste das tun, der Chef hat’s angeordnet.“
- Das Stellen von Forderungen anstatt von Bitten. Der Unterschied zwischen Bitte und Forderung liegt in der Konsequenz dessen, was passiert, wenn das Gegenüber das Ansinnen ablehnt.[7] Im Falle einer Ablehnung erlaubt die Bitte beim Gegenüber eine flexible Suche nach anderen Möglichkeiten des Entgegenkommens. Bei einer Forderung hingegen drohen Sanktionen. Dies muss nicht immer in Form von offensichtlichen Strafen geschehen, möglich ist auch die Erzeugung von Angst oder Schuldgefühlen beim Gegenüber (z. B. durch Schweigen oder Vorwürfe).
Um das Problem nicht fortzusetzen, wäre der Anspruch aus der Gewaltfreien Kommunikation, einen Menschen, der sich „lebensentfremdender Kommunikation“ bedient, nicht moralisch zu verurteilen. Auch hinter dieser Form der Kommunikation stehen unerfüllte Bedürfnisse, deren Wahrnehmung allerdings schwieriger sein kann.
Grundmodell der GFK
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die vier Schritte der GFK sind Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte[9]
- Beobachtung bedeutet, eine konkrete Handlung (oder Unterlassung) zu beschreiben, ohne sie mit einer Bewertung oder Interpretation zu vermischen. Es geht hierbei darum, die Bewertung von der Beobachtung zu trennen, so dass das Gegenüber Klarheit darüber erhält, worauf man sich bezieht. Diese Unterscheidung ist zentraler Bestandteil der GFK, da sie Missverständnisse und Konflikte reduziert. Studien haben gezeigt, dass bewertende Aussagen oft als Vorwürfe interpretiert werden, was zu defensivem Verhalten führt.[10]
- Die Beobachtung löst ein Gefühl aus, das im Körper wahrnehmbar ist und mit einem Bedürfnis (oder mehreren) in Verbindung steht. Die GFK legt besonderen Wert darauf, Gefühle präzise zu benennen, da dies die Grundlage für eine tiefere emotionale Verbindung darstellt. Die Fähigkeit, Emotionen differenziert auszudrücken, ermöglicht eine respektvolle und konstruktive Kommunikation.
- Bedürfnisse repräsentieren universelle Werte wie Sicherheit, Gemeinschaft und Anerkennung, die für alle Menschen von zentraler Bedeutung sind, wie zum Beispiel Sicherheit, Verständnis, Kontakt oder Sinn. Gefühle sind laut GFK eine Art Indikator bzw. Ausdruck dessen, ob ein Bedürfnis gerade erfüllt ist oder nicht. Für den einfühlsamen Kontakt sind Bedürfnisse sehr wichtig, da sie den Weg zu einer kreativen Lösung weisen, die für alle Beteiligten passt.
- Auf Grundlage dieser Erkenntnisse formuliert man schließlich eine Bitte, die im Hier und Jetzt umsetzbar ist. Um sie möglichst erfüllbar zu machen, lassen sich Bitten und Wünsche unterscheiden: Bitten beziehen sich auf Handlungen im Jetzt, Wünsche dagegen sind vager, beziehen sich auf Zustände („sei respektvoll“) oder auf Ereignisse in der Zukunft. Erstere sind leichter zu erfüllen, haben deshalb auch mehr Chancen auf Erfolg. Rosenberg schlägt außerdem vor, Bitten in einer „positiven Handlungssprache“ zu formulieren – d. h. zu sagen, was man will, statt was man nicht will. Man kann unterscheiden zwischen einer Handlungsbitte (beispielsweise darum, die Geschirrspülmaschine auszuräumen) und einer Beziehungsbitte (beispielsweise um eine Beschreibung der eigenen Empfindungen).
Rosenberg fasst die Schritte der GFK in folgendem Satz zusammen:
- „Wenn ich a sehe, dann fühle ich b, weil ich c brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne d.“
- a … Beobachtung; b … Gefühl; c … Bedürfnis; d … Bitte
Dieses Formulierungsmuster soll dem Sprecher helfen, nicht in die lebensentfremdende Kommunikation zu verfallen, sondern die vier Schritte der GFK anzuwenden und somit leichter eine Verbindung zu seinem Gegenüber aufbauen zu können. Es dient als praktisches Werkzeug, um die Komplexität von Kommunikationsprozessen zu strukturieren und sicherzustellen, dass die eigene Botschaft klar und wertschätzend bleibt.
Auch als Haltung für das empathische Zuhören empfiehlt Rosenberg, aus dem, was der andere sagt, diese vier Informationen herauszufiltern, da sie in der Regel das Herz der Botschaft darstellen. Zur Überprüfung, ob seine Deutung stimmt, kann der Zuhörende anbieten, was er in Form der vier Schritte hört („Fühlst du …, weil dir … wichtig ist?“). Das kann auch hilfreich sein, wenn der Sprecher durch dieses Spiegeln selber mehr Klarheit darüber gewinnt, was er eigentlich ausdrücken will. Das ausgesprochene und stille empathische Zuhören ist ein wesentlicher Aspekt der Anwendung von GFK.
Das formale Grundmodell ist nach Rosenberg eine Art Übergangshilfe für die Schulung der Aufmerksamkeit, nicht jedoch ein Ersatz für die Alltagssprache. Es ist keine starre Struktur, sondern ein flexibles Werkzeug, das je nach Kontext und Gesprächspartner angepasst werden kann. Mit zunehmender Übung wird die GFK zu einem natürlichen Bestandteil des kommunikativen Verhaltens.
Wenn eine Problemlösung im Gespräch nicht möglich ist und zur Setzung von Grenzen führt, spricht Rosenberg von der schützenden Anwendung von Macht, die er von der strafenden Anwendung unterscheidet. Während letztere den Fokus darauf richtet, menschliches Verhalten auf Basis von Selbsthass zu ändern, geht es bei ersterer darum, weitere Verletzungen zu verhindern und für Schutz zu sorgen, aus dem heraus überhaupt erst wieder die Bereitschaft entstehen kann, erneut in Kontakt zu treten.
Grundmodell in einem Beispiel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Formale Gewaltfreie Kommunikation, lebensentfremdende Kommunikation und eine mögliche empathische Reaktion darauf am Beispiel einer schmutzigen WG-Küche.
Gewaltfreie Kommunikation | Lebensentfremdende Kommunikation | Empathische Reaktion auf lebensentfremdende Kommunikation | |
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Beobachtung | Konkrete Handlungen, die wir beobachten und die unser Wohlbefinden beeinträchtigen.
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Beobachtung und Bewertung werden vermischt.
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„Du hast wiederholt dreckiges Geschirr vorgefunden?“ |
Gefühl | Die Gefühle werden mit dem in Verbindung gebracht, was wir beobachten.
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Keine Erläuterung über Zusammenhang der Situation mit dem Gefühl, sondern: Eine Interpretation wird als Gefühl geäußert. Schuldzuweisungen, Vorwürfe, Pauschalisierungen.
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„Bist du frustriert …?“ |
Bedürfnis | Bedürfnisse, aus denen Gefühle entstehen, werden betrachtet und mitgeteilt.
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Das Bedürfnis wird nicht (klar) geäußert, stattdessen wird der andere moralisch verurteilt.
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„… weil du dir mehr Unterstützung wünschst?“ |
Bitte | Um eine konkrete Handlung wird gebeten – auch Nichterfüllung ist in Ordnung.
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Es wird eine Forderung gestellt. Bei Nichtbeachtung drohen Sanktionen.
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„Wünschst du dir, dass wir eine konkrete Absprache über das Spülen machen?“ |
Grenzen der GFK
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach Rosenberg ist die wichtigste Grenze der GFK die „individuelle Entwicklung“ des Anwenders, die Zeit und Energie braucht. Beispielsweise können bestimmte Bereiche des Lebens sehr mit Angst oder bestimmten Vorstellungen besetzt sein, so dass ein offenes Besprechen der Gefühle und Bedürfnisse sehr viel Mut kosten würde. Wie viel Bereitschaft der Einzelne dazu hat, diesen Mut aufzubringen, hängt dann davon ab, wie er sich und seine Bedürfnisse bis zu diesem Zeitpunkt erlebte, was ein Merkmal genereller Entwicklung des Menschen darstellt. Der Prozess der GFK selbst braucht ebenfalls Zeit und die Bereitschaft eines Gegenübers, diese Zeit zu investieren. Zeit, Bereitschaft und Mut dazu sind aber insbesondere in Machtsituationen oft nur einseitig vorhanden.
Kritik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wird die Gewaltfreie Kommunikation als „Allheilmittel“ zur Schlichtung von evidenten Konflikten gesehen, steht die Methode immer wieder in der Kritik. „Während Rosenbergs Hinweise für alltägliche Konflikte zwischen Einzelpersonen und in Gruppen möglicherweise hilfreich sein mögen, gerät GFK in der Arbeitswelt zur Farce, wenn es an der erforderlichen inneren Haltung fehlt. Gerade dort entpuppt sich hinter der vermeintlich empathischen Hülle schnell ein Wolf im Giraffenkostüm“, schreibt Sebastian Friedrich in der politischen Monatszeitung ak[11] und verweist auf die Anwendung von GFK zur Durchsetzung betriebswirtschaftlicher Forderungen.
Auf der anderen Seite ersetze in linken Gruppen die Diskussion über das „Wie“ häufig das „Was“, so Friedrich. „Empathisch und gewaltfrei entbrennt schnell eine Debatte darüber, wie über ein Argument diskutiert werden soll.“ Die Methode würde auch als Machtinstrument eingesetzt; eine zur Schau gestellte Wertschätzung ersetze die Bewertung. „Alles gilt als verhandelbar, wer nicht bereit ist zur Metareflexion, gilt als unempathisch, gar als gewaltvoll, wer ein Urteil fällt, wer nicht permanent darauf hinweist, er oder sie spreche jetzt aus rein subjektiver Perspektive, wer nicht jeden zweiten Satz mit ‚Meiner Meinung nach‘ oder ‚Ich habe das Gefühl, dass‘ einleitet, dem wird Nachhilfe in GFK verordnet.“[11]
Alternative Begriffe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Marcelle Bélanger, Trainerin in Quebec, spricht lieber von „bewusster Kommunikation“, die besser das dahinter stehende Konzept widerspiegelt. Ihrer Meinung nach ist der Begriff „gewaltfreie Kommunikation“ ungeeignet:[12]
„Wenn man ‚gewaltfreie Kommunikation‘ hört, fühlen sich Menschen persönlich angegriffen, als ob man ihnen Gewalt vorwerfen würde! Es eignet sich nicht gut zum Kommunizieren.“
Auch einige Leute, die den Begriff „gewaltfreie Kommunikation“ in Frage stellen, ziehen es vor, ihn „das zu nennen, was er ist“, anstatt „das, was er nicht ist“, und verwenden daher gerne Begriffe wie „durchsetzungsstarke, wertschätzende oder auch effektive Kommunikation“, wobei die Idee darin besteht, die Intention der GFK auf das zu lenken, was sie fördern, anstatt auf das, was sie nicht fördern will.
Ein ähnliches Konzept ist das von dem US-amerikanischen Psychologen und Transaktionsanalytikers Claude Steiner entwickelte Trainingsprogramm der Emotionalen Kompetenz, d. h. „die Bewusstheit der Emotionen und der stimmige Umgang mit den Gefühlen und Affekten“ um „zerstörerische Machtspiele zu vermeiden, das Selbst-Empowerment zu fördern und im respektvollen Miteinander zu leben und zu arbeiten“.[13]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Aggressionshemmung
- Dialog nach David Bohm
- Dramadreieck
- Friedens- und Konfliktforschung
- Gewalt
- Individuation
- Integrale Theorie nach Ken Wilber
- Kegel der Emotionen von Robert Plutchik:
- Positive Psychologie
- Reflexion
- Restorative Justice
- Salutogenese
- Spiral Dynamics von Clare W. Graves
- Streitkultur
- Vier-Seiten-Modell
- Wahrheitskommission
- Zwiegespräch nach Michael Lukas Moeller
- Gewaltfreie Aktion (NVR)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Marshall B. Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation. 12. überarb. und erw. Auflage. Junfermann, Paderborn 2016, ISBN 978-3-95571-572-4.
- Marshall B. Rosenberg, Gabriele Seils: Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation. Ein Gespräch mit Gabriele Seils. 5. Auflage, Verlag Herder, Freiburg/Basel/Wien 2005, ISBN 3-451-05447-7.
- Marshall B. Rosenberg: Die Sprache des Friedens sprechen. Junfermann, Paderborn 2006, ISBN 3-87387-640-X.
- Marshall B. Rosenberg: Das können wir klären! 3. Auflage, Junfermann, Paderborn 2013, ISBN 978-3-87387-568-5.
- Marshall B. Rosenberg: Erziehung, die das Leben bereichert. Gewaltfreie Kommunikation im Schulalltag. 3. Auflage, Junfermann, Paderborn 2007, ISBN 978-3-87387-566-1.
- Marshall B. Rosenberg: Nonviolent Communication, A Language of Life, 3rd Edition, PuddleDancer Press, Encinitas CA 2015, ISBN 978-1-892005-28-1.
- Andreas Basu, Liane Faust: Gewaltfreie Kommunikation. 2. Auflage, Haufe, Freiburg 2013, ISBN 978-3-648-04700-2.
- Karoline I. Bitschnau: Gewaltfreie Kommunikation als relationale und soziale Kompetenz. Empirische Studie zur Qualität zwischenmenschlicher Verständigung, Dissertation Universität Innsbruck 2007.
- Markus Fischer: Die neue Gewaltfreie Kommunikation: Empathie und Eigenverantwortung ohne Selbstzensur. 2. Auflage, BusinessVillage, Göttingen 2020, ISBN 978-3-86980-468-2.[14]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Was ist Gewaltfreie Kommunikation (GFK)? D-A-CH deutsch sprechender Gruppen für Gewaltfreie Kommunikation e. V., abgerufen am 10. Dezember 2022.
- Was ist Gewaltfreie Kommunikation? Gewaltfreie Kommunikation 4 Schritte. Muutos e. V., abgerufen am 11. Dezember 2022.
- Barbara Leitner: Lange Nacht im Deutschlandfunk über Gewaltfreie Kommunikation, Lange Nacht vom 25. Juli 2020.
- Barbara Leitner: Verbindliche Kommunikation mit Kindern, KiTa-Fachtexte, 2011.
- Oliver Kloss: Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg, Einführung als PPT-Präsentation, 2021.
- Rezension von Wir sollten reden! auf socialnet (2023).
Fußnoten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Alan Rafael Seid: Unlocking your Emotions to Achieve the SDGs: Nonviolent Communication with Alan Seid. (Video) Abgerufen am 23. September 2021 (englisch).
- ↑ Marshall B. Rosenberg: Was deine Wut dir sagen will: überraschende Einsichten. 2. Auflage. Junfermann, Paderborn 2007, ISBN 978-3-87387-625-5, S. 57.
- ↑ Marion Little: Total Honesty/Total Heart: Fostering empathy development and conflict resolution skills. A violence prevention strategy (2008) S. 22, Victoria, B.C., Kanada: University of Victoria, 2002
- ↑ Marshall B. Rosenberg, „Gewaltfreie Kommunikation“, (2012), S. 171 ff.
- ↑ Empathie in der Kommunikation von KonfliktGenuss (PDF download 464 KB) ( des vom 4. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ a b Simone Emmert: Friedenssprache und Friedenserziehung. In: Peter Becker,Reiner Braun & Dieter Deiseroth (Hrsg.): Frieden durch Recht? Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2010, S. 412 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ a b Marshall B. Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. 12. überarbeitete Auflage. Junfermann, Paderborn 2016, ISBN 978-1-892005-28-1.
- ↑ Marshall B. Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens, Junfermann, 10. Aufl. 2012, S. 37–38
- ↑ Weitere Erklärungen siehe zum Beispiel Einführung in GfK
- ↑ Forschungsstand zur Gewaltfreien Kommunikation. In: Fachverband Gewaltfreie Kommunikation e. V. 29. Mai 2023, abgerufen am 7. Januar 2025.
- ↑ a b Sebastian Friedrich: Lexikon der Leistungsgesellschaft #24: Gewaltfreie Kommunikation. Hrsg.: analyse & kritik. Nr. 612, 19. Januar 2016, S. 2.
- ↑ Le Devoir | Nouvelles, actualités, politique, culture et chroniques. 7. April 2007, abgerufen am 22. Februar 2019 (französisch).
- ↑ Deutsche Gesellschaft für Emotionale Kompetenz (DGEK) e. V.
- ↑ Sabine Kamp-Decruppe: Markus Fischer: Die neue Gewaltfreie Kommunikation. Rezension auf socialnet.de, abgerufen am 16. Oktober 2021.